Sommer der Liebe in Bath

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Als Abigail der attraktive Marinekapitän Gifford Raven vorgestellt wird, möchte sie vor Scham am liebsten im Erdboden versinken: In der Nacht zuvor sind sie sich schon einmal begegnet - und sie trug lediglich ein Negligé! Gifford muss sie für ein schrecklich loses Frauenzimmer halten. Das Schlimmste ist jedoch: Wann immer sich nun ihre Wege im sommerlichen Bath kreuzen, verspürt sie eine tiefe Sehnsucht nach ihm…


  • Erscheinungstag 18.11.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754037
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die Nacht war so warm, dass Abigail nicht einschlafen konnte. Sie löschte die Kerze auf dem Tischchen neben ihrem Bett, stand auf und ging zum Fenster. Nachdem sie die Vorhänge zurückgezogen und beide Flügel weit geöffnet hatte, rückte sie den Sessel so nah wie möglich heran und nahm sich ihren Fächer von der Kommode. Mit einem erleichterten Seufzer ließ sie sich in die Polster fallen und wedelte sich Kühlung zu.

Plötzlich zerriss ein wilder Schrei die nächtliche Stille. Für einen Moment war Abigail wie gelähmt vor Schreck, und das Herz begann ihr bis zum Halse zu klopfen. Sie beugte sich vor und starrte in die Dunkelheit. In einem der Zimmer im zweiten Stockwerk des gegenüberstehenden Hauses wurde es hell, und durch das offene Fenster sah sie einen dunkelhäutigen Mann, der einen Leuchter mit brennenden Kerzen hochhielt. Vor ihm stand ein Weißer und bedrohte ihn mit einem Dolch. Überzeugt, ein Verbrechen zu beobachten, erhob Abigail sich halb und überlegte, ob sie schreien solle, um den Angreifer abzulenken, oder ob es besser wäre, Hilfe zu holen. Aber wer würde nachts um halb zwei herbeieilen? Betroffen blickte sie auf die Straße, auf der weit und breit kein Mensch zu sehen war.

Sie hörte einen der Männer etwas sagen, schaute sofort zu den beiden zurück und sah, dass der Weiße die Hand mit der Waffe hatte sinken lassen. Erleichtert atmete sie auf. Vielleicht war die Gefahr für den anderen Mann vorbei. Abigail klammerte sich an den Fenstersims und bemühte sich, das Gespräch zu verstehen.

„Zum Teufel, was ist los, Gifford?“, vernahm sie. Das war der Farbige. Er hatte nicht furchtsam, sondern vielmehr verwundert geklungen.

„Ich habe geträumt“, antwortete der Weiße und ließ das Messer fallen. Offensichtlich hatte er nicht vor, gewalttätig zu werden. Erst jetzt fiel Abigail auf, dass das einzige Kleidungsstück, das seinen von der Sonne gebräunten muskulösen Körper bedeckte, ein Paar langer Unterhosen war. Seine ansonsten unbekleidete, breitschultrige Figur strahlte eine beeindruckende männliche Kraft aus. Er war schön wie ein griechischer Gott, und Abigail, die nie zuvor einen so weit entblößten Mann gesehen hatte, konnte die Augen nicht von ihm wenden.

„Ein Monat in Bath und kein einziges Abenteuer“, sagte er in diesem Moment hörbar belustigt und strich sich über das schwarze Haar. Unwillkürlich überlegte Abigail, wie es sich anfühlen mochte, ihn zu berühren, wenn schon sein Anblick ein solches Vergnügen war.

„So ist es, Gifford. Auch im Schlaf nicht.“ Der Mann mit dem Leuchter nickte.

„Niemand hat Einfluss auf seine Träume“, erwiderte der andere darauf. „Außerdem bin nicht ich derjenige, der mit einem Kerzenhalter bewaffnet zu Gott weiß welcher Stunde durchs Haus geistert. Ich habe geschlafen.“

Abigail hatte den Eindruck, dass in diesen Äußerungen eine Herausforderung enthalten war.

„Es ist halb zwei Uhr nachts und zu heiß zum Schlafen“, erwiderte der Farbige nachsichtig.

„Ha! Aber da ich jetzt wach bin, kannst du mir wenigstens leuchten. Ich bin hungrig. In diesem Haus muss es doch irgendwo etwas Essbares geben.“ Der Mann, den der Farbige Gifford genannt hatte, machte Anstalten, den Raum zu verlassen.

„Du solltest dir einen Morgenrock anziehen“, empfahl der Farbige. „Wenn du Mrs. Chesney in diesem Aufzug begegnest, sieht das gefährlich nach einem Abenteuer aus.“

„Unsinn!“, widersprach Gifford. „Nach einem Skandal vielleicht, aber das ist nicht dasselbe wie ein Abenteuer. Doch aus Rücksicht auf dich …“ Er wandte sich dem Fenster zu. Mit einem Mal wurde Abigail sich bewusst, dass nur die schmale Straße sie und den Mann gegenüber trennte. Während er dastand und zu ihr herüberschaute, wagte sie sich nicht zu bewegen, obwohl sie sich darüber im Klaren war, dass er ihre Silhouette sehen konnte. Sie hoffte indes, er möge ihr Gesicht nicht erkennen. Gespannt harrte sie aus. Da verneigte er sich langsam in ihre Richtung.

„Was zum Teufel …“, begann Anthony, während er Gifford folgte.

Gifford machte die Schlafzimmertür zu. „Ich muss herausfinden, wer in dem Haus auf der anderen Straßenseite wohnt“, antwortete er entschlossen, „vor allem, wer die Frau in dem Zimmer gegenüber ist.“

„Hat sie dich gesehen?“, fragte Anthony schmunzelnd.

„Ja“, antwortete Gifford. „Zweifellos eine alte, verknöcherte Jungfer oder eine sittenstrenge Witwe, die sich jetzt darüber aufregt, dass ich halb nackt war.“

„Bist du ganz sicher, dass es sich bei der Person um eine Frau handelte?“

„Ja. Schlimmstenfalls gibt es jetzt einen Skandal. Wenn du im Kurhaus Gerede über einen Verrückten mit einem Dolch in der Hand hören solltest, dann weißt du, wer gemeint ist. Aber das ist ganz entschieden kein Abenteuer.“

„Ich frage mich, wer die Frau ist.“

„Auch ich will das wissen. Ich hoffe, sie wird dem dramatischen Augenblick gerecht, wenn sie ihr Erlebnis weitererzählt.“

Mit zitternden Händen zog Abigail die Vorhänge zu und widerstand dem Drang, sich unter der Bettdecke zu verkriechen. Sie hatte längst festgestellt, dass der Wunsch, im Erdboden versinken zu können, zu nichts führte. Sie würde sich der Situation stellen müssen.

Im August hielten sich nur wenige Kurgäste in Bath auf, und die beiden von ihr soeben beobachteten Männer hatten kerngesund auf sie gewirkt. Vielleicht würden sie bald wieder abreisen. Nein. Sie waren seit einem Monat in der Stadt, ohne ein Abenteuer erlebt zu haben. Jedenfalls hatte das der Weiße gesagt.

Unwillkürlich fragte sie sich, welche Art von Abenteuern dieser Gifford in der Vergangenheit erlebt haben mochte. Es mussten gefährliche Erfahrungen gewesen sein, seiner Reaktion auf den Traum nach zu schließen. Sein Verhalten hatte ihr Furcht eingeflößt und sie gleichzeitig beeindruckt. Wenn sie einen Albtraum hatte, was selten vorkam, dann pflegte sie, wenn sie aufwachte, dazuliegen und darauf zu warten, dass ihre Ängste sich legten und sie wieder vernünftig denken konnte. Sie war nicht beherzt genug, um aus dem Bett zu springen und sich so tapfer wie dieser Gifford den nächtlichen Schreckgespenstern zu stellen. Sie überlegte, wie man sich fühlte, wenn man so mutig war, und fragte sich, welcher Art die Monster sein mochten, die ihn heimgesucht hatten.

Wenn die beiden Männer der in Bath herrschenden Sitte gefolgt waren, dann hatten sie ihre Namen und Adressen in dem im Brunnenhaus ausliegenden Gästebuch eingetragen. Miss Wyndham legte großen Wert darauf, dass Abigail täglich in den Pump Room ging und nachsah, ob irgendwelche interessanten Neuzugänge eingetroffen waren. Folglich würde sie wohl im Verlauf des Vormittags das Rätsel gelöst haben. Sie war indes nicht sicher, ob jemand, der nachts in seinem Zimmer halb nackt mit einem Dolch in der Hand herumfuchtelte, mit den Gepflogenheiten in Bath vertraut war.

Aber dann blieb noch der Chronicle, in dem wöchentlich die neuen Kurgäste aufgeführt wurden. Und sollte auch das nicht zu einem zufrieden stellenden Ergebnis führen, gab es noch Mrs. Chesney, die Besitzerin des gegenüberliegenden Hauses. Erstaunt stellte Abigail fest, dass sie von ihrer Nachbarin gar nichts über deren Gäste erfahren hatte.

Normalerweise pflegten Junggesellen kein Haus zu mieten, sondern in einem Hotel abzusteigen. Vielleicht hatten die beiden Männer ihre Familien bei sich. Aus irgendeinem Grund behagte Abigail diese Vorstellung ganz und gar nicht. Aber alle Mutmaßungen waren fruchtlos. Sie würde innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden etwas über den Farbigen und den Weißen herausgefunden haben, möglicherweise mehr, als ihr lieb war. Die kurze, von ihr beobachtete Szene war indes das Aufregendste gewesen, das sie in ihrem bis jetzt so geregelten Dasein erlebt hatte.

Nachdem Gifford in sein Schlafzimmer zurückgekehrt war, stellte er fest, dass die Vorhänge in dem Fenster des Hauses auf der anderen Straßenseite zugezogen worden waren. Es wäre wohl auch müßig gewesen, sich zu wünschen, die Frau, die ihn und Anthony gesehen hatte, würde ihm den gleichen unterhaltsamen Anblick gestatten, den er ihr geboten hatte. Der Gedanke verleitete ihn zu einem flüchtigen Schmunzeln. Die Vorstellung, was sie beobachtet hatte, erzeugte ihm jedoch Unbehagen. Sie hatte einen wild mit einem Dolch drohenden Verrückten gesehen, der unsichtbare Schreckgespenster angriff. Das war kaum das Verhalten eines wahren Helden.

Gifford zog die Fenstervorhänge zu. Die Hitze war unangenehm, doch er fand, er habe bereits genug für die Unterhaltung seiner Nachbarn getan.

„Ah, Miss Summers! Genau Sie wollte ich sprechen!“

Abigail las noch im Gästebuch, als sie von Admiral Pullen begrüßt wurde. Lächelnd drehte sie sich zu ihm um. Vor eineinhalb Jahren hatte er sich in Bath niedergelassen, und man hatte sich rasch miteinander angefreundet. Sie genoss es stets, mit ihm zu plaudern, weil er immer faszinierende Geschichten über seine Zeit auf See und fremde Länder, die sie nicht kannte, zu erzählen hatte.

„Guten Morgen, Sir.“ Jäh hielt sie inne, als sie bemerkte, dass er nicht allein war. Zwei Gentlemen standen neben ihm und schauten sie höflich interessiert an. Ihr stockte das Herz. Einer von ihnen war der Farbige, und der andere … war gefährlich. Er trug eine schwarze Klappe über dem linken Auge, und eine lange Narbe verunstaltete sein Gesicht von der Wange bis zur Stirn. Seine markanten, aristokratisch wirkenden Züge waren sonnengebräunt, und die Farbe seines rechten Auges war blau. Er musste attraktiv gewesen sein, ehe er die Verletzung davongetragen hatte. Aber er strahlte noch immer etwas Gebieterisches, Wildes aus. Er war etwas größer als der Admiral und überragte Abigail um Haupteslänge. Da er von kräftigem, breitschultrigem Wuchs war, kam sie sich neben ihm klein und zierlich vor.

Ihr fiel sofort auf, dass er merkte, welchen Eindruck er auf sie machte. Sie atmete langsam durch und war sich bewusst, dass er sie ebenso gespannt betrachtete wie sie ihn. Aufgeregt schluckte sie bei der Überlegung, ob er wusste, dass sie ihn halb nackt gesehen hatte. Vielleicht war ihm so klar wie ihr, wer da vor ihm stand. Sie zweifelte nicht daran, dass die beiden Begleiter des Admirals die Männer waren, die sie in der Nacht zuvor beobachtet hatte. Vermutlich handelte es sich um zwei Freunde, die nach Bath gereist waren.

In der Dunkelheit hatte sie das Gesicht des Weißen nicht deutlich genug gesehen, um die Narbe erkennen zu können. Sie war jedoch sicher, dass er derjenige war, der sich vor ihr verneigt hatte. Panik erfasste sie. Plötzlich war sie überzeugt, dass er wusste, wer sie war. Kein Wunder, dass er ein so arrogantes Lächeln zur Schau trug. Heimliche Beobachter waren immer im Nachteil, wenn man ihnen auf die Sprünge kam.

„Ich weiß, der Ärmste sieht seitdem eher wie ein Pirat aus. Er war jedoch der beste junge Offizier, der je unter mir gedient hat.“

Zu spät begriff sie, dass der Admiral ihr seine Begleiter vorgestellt haben musste. „Entschuldigen Sie“, sagte sie, um Fassung ringend. „Ich war so in die Lektüre des Gästebuchs vertieft. Wie geht es Ihnen, meine Herren?“ Sie streckte die Hand aus und war froh, dass sie nicht zitterte. Sie war auch stolz darauf, dass ihre Stimme verhältnismäßig gelassen geklungen hatte. Das Herz hingegen klopfte ihr zum Zerspringen.

„Miss Summers war die Freundlichkeit in Person, seit ich hier lebe“, verkündete der Admiral. „Ohne ihre Ratschläge und ihre Freundschaft wäre ich verloren und einsam gewesen.“

„Oh, nein!“, widersprach Abigail im selben Moment, da der wie ein Freibeuter aussehende Gentleman ihr die Hand schüttelte. „Du meine Güte“, fügte sie unwillkürlich hinzu. Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er mit den Fingern, die jetzt ihre hielten, einen Dolch umschlossen.

Der Druck seiner Hand war angemessen fest, als sei er sich seiner Kraft so genau bewusst, dass er auf übertriebene Vorsicht verzichten konnte, und dennoch war die Berührung irgendwie aufregend. In Gedanken sah Abigail ihn wieder halb nackt vor sich und spürte ein ungewohntes Prickeln in sich aufsteigen. Verzweifelt redete sie sich ein, dass es dunkel gewesen war und der Mann namens Gifford nicht sicher sein konnte, dass sie ihn indiskret beobachtet und belauscht hatte. Wenn sie sich vernünftig benahm, würde er es nie erfahren.

„Ich hoffe, mein Aussehen erschreckt Sie nicht, Miss Summers“, sagte er freiheraus. „Auf dem Quarterdeck eines Schiffes würde ich weniger auffallen als hier im Brunnenhaus.“

Sie hatte seine Stimme erkannt und fand den tiefen, etwas rauen, zu ihm passenden Klang angenehm. „Oh, nein, Sir. Nicht Ihr Aussehen … Ich meine, ich war in Gedanken, und als Admiral Pullen mich ansprach, habe ich natürlich angenommen, er sei allein. Daher hat Ihre Anwesenheit mich überrascht. Ich versichere Ihnen, mehr war es nicht.“ Sie nickte heftig und spürte sich vor Verlegenheit erröten. Sie wollte gelöst wirken, nicht aufgeregt und verkrampft.

„Heute können Sie Miss Wyndham mitteilen, dass einige interessante Leute eingetroffen sind“, meinte der Admiral. „Miss Wyndham ist eine nette alte Dame, aber leider nicht mehr kräftig genug, um das Haus verlassen zu können“, fügte er, an seine Begleiter gewandt, erklärend hinzu. „Miss Summers ist ihre Gesellschafterin. Ich habe Miss Wyndham gesagt, sie könne sich glücklich schätzen, eine so loyale und liebevolle Freundin zu haben.“

Nach diesem Lob spürte Abigail sich noch mehr erröten. „Sie war immer sehr freundlich zu mir“, erwiderte sie atemlos. „Bleiben Sie lange in der Stadt?“, fragte sie und schaute die beiden fremden Gentlemen an. Sie bedauerte, dass sie mit ihren Gedanken woanders gewesen war, als der Admiral sie ihr vorgestellt hatte, da sie noch immer deren Namen nicht kannte.

„Einen Monat“, antwortete der Farbige.

Auch seine Stimme erkannte sie wieder. Er war ebenso elegant gekleidet wie sein Freund und strahlte ruhige Gelassenheit aus. „Aber Sie beide wirken so gesund!“, rief sie aus. Sie war nicht imstande, den ersten Eindruck, den sie von den Männern gewonnen hatte, zu vergessen. Die Herren lachten, und plötzlich hatte Abigail das Gefühl, von ihren Sachen beengt zu werden. „Oh, verzeihen Sie!“, platzte sie heraus. „Natürlich sind Sie bei Admiral Pullen zu Besuch und nicht hier, um eine Trinkkur zu machen.“

„Dieser junge Bursche ist jedenfalls in bester Verfassung und kräftig wie ein Stier“, erwiderte der Admiral und klopfte seinem Begleiter mit der Augenklappe nicht gerade rücksichtsvoll auf den Rücken. Der zuckte mit keiner Wimper, ein Zeichen dafür, dass die Behauptung des älteren Gentleman zutraf. „Er ist ein prächtiger Kerl! Er hat jeden Angriff der Franzosen überlebt, und noch mehr. Und das trifft auch auf Anthony zu, obwohl ich nie die Ehre hatte, ihn zu meiner Mannschaft zählen zu können.“

Anthony? Verzweifelt wünschte sich Abigail, zugehört zu haben, als der Admiral sie mit den Herren bekannt gemacht hatte. Fragend schaute sie den Farbigen an. Er nickte leicht, als sei das die Antwort auf ihre unausgesprochene Frage. Er wirkte nicht so gefährlich wie sein Freund. Die Situation erheiterte ihn jedoch sichtlich.

„Als sie mir schrieben, dass Sie herkommen wollen, habe ich gleich an Mrs. Chesney gedacht“, sagte der Admiral zu dem Mann mit der Augenklappe. Abigail sah jedoch an der Art, wie er ihr zulächelte, dass er sie in die Unterhaltung einbezog. „Ich hatte den Auftrag, ein geeignetes Quartier für die beiden Herren zu finden“, raunte er ihr zu. „Sie haben die dumme Wette abgeschlossen, ob es möglich sei, hier einen Monat zu verbringen, ohne in ein Abenteuer zu geraten. Können Sie sich das vorstellen? Aber ich schweife ab. Als ich den Auftrag bekam, wusste ich sogleich, was ich zu tun hatte. Sie haben Mrs. Chesneys Haus gemietet. Miss Wyndham und Miss Summers wohnen genau gegenüber, und wie ich schon sagte, Miss Summers war die Freundlichkeit in Person zu mir. Ich wusste, sie würde auch Sie beide gleichermaßen willkommen heißen“, setzte er an den Gentleman mit der Augenklappe gewandt hinzu.

Abigail wollte sterben. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken und nie mehr unter die Lebenden zurückgekehrt. Obwohl sie die Lider gesenkt hatte, wusste sie, dass Admiral Pullens Freund sie prüfend anschaute. Durch die Äußerungen des alten Herrn war sein Interesse an ihr offenkundig nur noch gesteigert worden.

„Nun, ich …“, begann sie zögernd und hielt inne, da ihr wieder einfiel, was sie gesehen hatte, und weil ihr klar war, dass er wusste, dass sie ihn beobachtet hatte.

„Ich möchte der Dame nicht zur Last fallen“, unterbrach der Gentleman sie trocken.

„Aber das tun Sie doch nicht“, versicherte ihm der Admiral. „Miss Summers liebt Geschichten von der Seefahrt und von fernen Ländern. Und Sie haben Unmengen von abenteuerlichen Episoden zu erzählen. Sie wird Sie heute Morgen im Pump Room herumführen. Und bei Ihrem nächsten Treffen werden Sie ihr von Ihren Heldentaten berichten, die Sie vollbracht haben, nachdem ich Sie zu Ihrer ersten Prise entsandt hatte. Eine kleine Promenade durch das Brunnenhaus wird für Sie beide sehr angenehm sein.“

Ihnen war unmissverständlich eine Order erteilt worden.

„Zu Befehl, Sir“, erwiderte der wie ein Pirat aussehende Mann und überraschte Abigail mit seiner Willfährigkeit. Die anmaßende Einstellung des Admirals schien ihn eher zu amüsieren statt zu kränken. Er reichte ihr den Arm. „Es ist mehr als zwanzig Jahre her, seit ich zum letzten Mal in Bath war“, sagte er beiläufig, während sie sich von seinen Begleitern entfernten. „Und damals war ich kaum in dem Alter, um die reizvollen Attraktionen der Stadt würdigen zu können. Aber …“

„Ich war es!“, unterbrach Abigail ihn hastig. „Sie wissen, dass ich es war. Ich wollte Sie nicht beobachten. Aber es war so heiß. Und dann haben Sie geschrien, und ich dachte, jemand würde ermordet. Und ich habe überlegt, was ich am besten tue. Ich wollte Ihnen wirklich nicht zusehen. In Zukunft werde ich die Fenstervorhänge immer geschlossen halten. Es tut mir so leid.“

Ihr Begleiter war mit ihr stehen geblieben, während Abigail ihr Geständnis ablegte. Jetzt starrte sie ihn in qualvoller Erwartung an und fragte sich, was er erwidern würde. „Und ich habe nicht aufgepasst, als Admiral Pullen mir Ihren Namen nannte“, fügte sie hinzu, um alle ihre Verfehlungen zu bekennen. „Daher weiß ich nicht einmal, wer Sie sind. Ich war einfach entsetzlich erschrocken.“

„Ich heiße Gifford Raven“, stellte er sich vor.

Er hatte, als sie zu reden begann, seinerseits zunächst ziemlich überrascht, dann unbehaglich und schließlich belustigt ausgesehen. Sein Lächeln veränderte seine ganze Erscheinung. Die gefährliche Ausstrahlung war zwar noch immer Teil seiner Persönlichkeit. Sie wurde jedoch durch seine heitere Miene ausgeglichen.

Abigail seufzte vor Erleichterung. Er schien weder beleidigt noch ihr böse zu sein. Zweifellos war ihre Beichte nur eine Bagatelle für jemanden, der es gewohnt war, gefährliche Abenteuer durchzustehen. „Ich befürchte, Bath kann sehr langweilig sein, besonders im Sommer“, äußerte sie. „Ich bin sicher, das kommt Ihren Erwartungen entgegen.“

„Meinen Erwartungen?“, fragte er und nötigte sie sacht zum Weitergehen.

„Ja, Ihrem Wunsch, kein Abenteuer zu erleben“, erklärte sie. „Oh!“ Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie nicht nur zugegeben hatte, ihn beobachtet zu haben. Sie hatte auch gestanden, das Gespräch zwischen ihm und seinem Freund belauscht zu haben. „Oje!“ Sie presste die Fingerspitzen auf die brennenden Wangen. „Ich wünschte, die Erde würde mich verschlingen“, murmelte sie. „Das alles ist mir so peinlich! Ich versichere Ihnen, Sir, dass ich normalerweise …“

„Was für eine hübsche Uhr“, fiel Gifford ihr ins Wort. „Wissen Sie etwas über ihre Geschichte?“

Abigail atmete tief durch und bemühte sich um Fassung. Vermutlich hielt Mr. Raven sie für grenzenlos dumm. Es überraschte sie, dass er so viel Geduld mit ihr hatte. Mit zitternder Hand klappte sie den am Armgelenk hängenden Fächer auf und vermied es, ihren Begleiter anzusehen, während sie sich heftig Kühlung zufächelte. Sie war froh, Linderung auf den glühenden Wangen zu spüren. Sie hatte das Gefühl, am ganzen Leibe zu brennen. Im Brunnenhaus war es unangenehm warm, obwohl der Vormittag noch nicht weit fortgeschritten war. Es würde wieder ein sehr heißer Augusttag werden.

Sie drehte sich zu der Standuhr um und war entschlossen, Mr. Raven zu beweisen, dass sie nicht vollkommen ungebildet war. „Ein schönes Exemplar, nicht wahr?“, fragte sie in zustimmendem Ton. „Ich glaube, sie wurde von Thomas Tompion hergestellt. Wenn ich mich nicht irre, hat er sie der Stadt im Jahr 1709 geschenkt. Und das da drüben ist eine Statue von Beau Nash. Sie stammt aus der Zeit, als Bath wirklich en vogue war.“ Schließlich wagte sie es, Mr. Raven einen vorsichtigen Blick zuzuwerfen.

„Vielleicht haben Sie die Güte, den ersten Anblick von mir zu vergessen“, erwiderte er.

„Die Güte?“, wiederholte sie überrascht.

„Mein Verhalten war der Umgebung kaum angemessen“, sagte er steif.

Er wirkte zwar äußerlich gelassen, doch Abigail hatte den Eindruck, dass er sich unbehaglich fühlte, sich vielleicht sogar verabscheute. Sie war so sehr mit ihrem Unbehagen beschäftigt gewesen, dass sie nicht darüber nachgedacht hatte, wie er die Situation einschätzte. Vielleicht war er ebenso peinlich berührt wie sie. Er war schließlich derjenige, der den Albtraum gehabt hatte. Mehr auf seine Stimmung als auf seine Bemerkung eingehend, sagte sie: „Ich fand Sie sehr mutig.“

„Mutig!“ Er wirkte verblüfft.

„Wenn ich nach einem Albtraum aufwache, bin ich viel zu verängstigt, um mich regen zu können“, erklärte sie. „Ich wäre nie so couragiert, aufzuspringen und mich zu wehren.“ Mr. Raven starrte sie so lange an, dass sie befürchtete, ihn beleidigt zu haben. „Ich wollte nicht impertinent sein“, versicherte sie ihm ängstlich. „Wir werden nicht wieder über diese Angelegenheit sprechen.“

In der nachfolgenden Stille suchte sie verzweifelt nach einem anderen Thema. Plötzlich erkannte sie, dass sie keinen Grund hatte, sich unbehaglich zu fühlen, nur weil sie wusste, dass Mr. Raven nach Bath gekommen war, um Abenteuern auszuweichen. Schließlich hatte Admiral Pullen ihr das erst vor einigen Minuten bestätigt. „Geraten Sie oft in gefährliche Situationen?“, erkundigte sie sich und hoffte, Mr. Raven möge ihre Frage nicht als aufdringlich empfinden.

Er lachte und entspannte sich etwas. „Diese Frage würde ich gern verneinen“, antwortete er. „Leider war es mein Mangel an Zurückhaltung, der Anthony zu der absurden Wette verleitet hat. Nur Tage nach der Rückkehr von unserer letzten Reise wurde die Postkutsche, in der wir saßen, von Straßenräubern überfallen.“

Abigail dachte an den Dolch, den sie in Mr. Ravens Hand gesehen hatte, und rief entsetzt aus: „Sie haben die Verbrecher doch nicht getötet!“

„Nein“, erwiderte er verbissen. „Großer Gott! Was denken Sie von mir? Das ist nicht sehr schmeichelhaft für mich. Es wäre doch wohl angebrachter gewesen, sich nach meiner Sicherheit und der der anderen Reisenden zu erkundigen, statt um das Schicksal der Wegelagerer besorgt zu sein! Sie stehen im Übrigen kurz vor der Deportation“, fügte er nach einigen Sekunden des Schweigens hinzu. „Anthony hat sich sehr darüber amüsiert, dass ich nicht einmal nach London fahren konnte, ohne in ein Abenteuer zu geraten. Daher bin ich genötigt, den nächsten Monat damit zu verbringen, ihm zu beweisen, dass ich mich so gesetzt aufführen kann wie ein gut situierter Kaufmann.“

„Oh, ich verstehe!“, murmelte Abigail und warf Mr. Raven einen Blick zu. Sie hatte den Eindruck, dass er durch ihre Bemerkungen längst nicht so gekränkt war, wie sie zunächst befürchtet hatte. Sie erinnerte sich an die Aufforderung des Admirals und schlug vor: „Ich würde mich freuen, Ihnen alles über die Stadt zu erzählen, was ich weiß. Ich bin sicher, Sie haben Verständnis dafür, dass meine Pflichten bei Miss Wyndham Vorrang haben. Admiral Pullen hat übertrieben, als er sich über meine Hilfsbereitschaft äußerte. Wenn ich Ihnen irgendwie von Nutzen sein kann … Aber fühlen Sie sich bitte nicht genötigt …“

„Wenn er einen Befehl erteilt, erwartet er, dass er ausgeführt wird“, erwiderte Gifford und lächelte leicht. „Als Fremder in Bath bin ich bestimmt auf Unterstützung angewiesen. Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie mich als Ihren Freund betrachten könnten.“

Abigail fächelte sich heftig Kühlung zu. „Admiral Pullen ist ein reizender Mensch“, meinte sie. „Oh, Sir! Sie haben mir nicht gesagt … Ich bin sicher, er hat es getan. Haben Sie einen Titel? Es würde Admiral Pullen auffallen, wenn ich Sie falsch anrede. Das wäre sehr peinlich.“

„Ja, er hat sich ohnehin schon genug auf unsere Kosten amüsiert“, stimmte Mr. Raven überraschenderweise zu. „So gesund und kräftig wie ein Stier! Wirklich!“

Diese unerwartete Bemerkung brachte Abigail zum Lachen. Mr. Raven hatte nicht verärgert geklungen, nur scherzhaft verstimmt.

„Admiral Pullen hat mich Ihnen als Captain Sir Gifford Raven vorgestellt, und mein Cousin heißt Anthony Hill.“

„Cousin?“, wiederholte Abigail unbedacht.

Gifford versteifte sich etwas und schaute sie an. In ihren Augen stand jedoch nur ein verwirrter Ausdruck. Sie schien nicht darüber schockiert zu sein, dass Anthony sein Vetter war. Sie gab auch nicht die abstoßende lüsterne Neugier zu erkennen, der er sich manchmal ausgesetzt sah. Sie wirkte einfach nur verblüfft und etwas peinlich berührt über ihre Frage. Ausnahmsweise war er geneigt, seine verwandtschaftliche Beziehung zu Anthony genauer zu erklären. „Mein Onkel war sein Vater“, sagte er kühl und verschwieg, dass sein Onkel nicht mit Anthonys Mutter verheiratet gewesen war. Er erwähnte auch nicht, dass Anthony die Eltern schon in frühester Kindheit verloren hatte. Sein Vater hatte den Vetter mit seinen Söhnen aufgezogen.

„Oh?“ Erneut schaute Abigail zu Mr. Hill und dann wieder lächelnd Sir Gifford Raven an.

Es überraschte ihn, wie erleichtert er darüber war, dass sie sein verwandtschaftliches Verhältnis zu Anthony so selbstverständlich hinnahm. Im Allgemeinen waren ihm die Meinungen anderer Leute gleich.

„Es ist mir eine Ehre, Sie beide kennen gelernt zu haben“, fuhr sie fort. „Ich bin sicher, Mr. Hill weiß, dass ich aus dem Fenster gesehen habe. Ich möchte nicht, dass er denkt …“

„Ich werde ihm die Situation erklären“, versicherte Gifford.

„Danke. In der letzten Zeit war es wirklich ungemein heiß“, wandte sie sich einem anderen Thema zu.

Sie errötete, und trotz ihrer Bemühungen, gefasst zu erscheinen, bemerkte Gifford, dass sie immer noch sehr aufgeregt war. Auch er war nicht die Ruhe selbst, wenngleich er sich Mühe gegeben hatte, sein Unbehagen zu verhehlen. Schließlich war Miss Summers die Frau, die gesehen hatte, wie er sich in der vergangenen Nacht zum Narren gemacht hatte. Vermutlich glaubte sie, er gehöre in eine Bewahranstalt. Kein Wunder, dass sie so durcheinander gewesen war, nachdem der Admiral ihr seine Gesellschaft aufgenötigt hatte. Sie musste Gifford sofort erkannt haben. Er wusste, sein Äußeres war unverwechselbar. Außerdem hatte Anthony ihm den verdammten Leuchter direkt vors Gesicht gehalten. Sie war hübsch, wenngleich keineswegs ungewöhnlich schön. Er hatte nur kurz Zeit gehabt, ihren makellosen, hellen Teint zu bewundern, ehe ihr Gesicht sich vor Verlegenheit gerötet hatte.

Von ihrem Haar konnte er nur wenig erkennen, weil es zum größten Teil unter einem schlichten Strohhut verborgen war. Ihre Augen waren grün mit goldenen Flecken und drückten genau aus, was sie empfand – Entsetzen, Verlegenheit, Verwirrung, Mitgefühl. Er fand sie und ihren Blick gefährlich. Sie hatte gemerkt, dass seine dumme Schwäche ihn in Verlegenheit stürzte, und nun versuchte sie, ihn mit Lob zu trösten. Ihm wurde heiß bei dem Gedanken, dass sie glaubte, er sei auf solche Unterstützung angewiesen.

Sie war mittelgroß und reichte ihm knapp bis zur Schulter. Wenn sie ihn anschaute, musste sie leicht den Kopf in den Nacken legen. Sie trug ein einfaches Kleid aus hellgrünem Stoff, das mit dunkelgrünen Ranken verziert war. Gifford konnte die Farbe nicht ausstehen und fand, ihre Aufmachung sei langweilig, obwohl er nicht viel von weiblicher Mode verstand. Sie hatte jedoch eine straffe Figur, und ihre Brüste waren erfreulich rund und fest. Ihm fiel auch auf, dass sie einen Sonnenschirm und ein Réticul bei sich hatte und sich mit dem Fächer heftig Luft zuwedelte. „Macht die Hitze Ihnen zu schaffen?“, erkundigte er sich und nahm an, dass die drückende Schwüle der vergangenen Nacht der Grund für den Albtraum gewesen war.

„Nein, im Allgemeinen nicht“, antwortete Abigail. „Das heißt, ich würde den Sonnenschein mehr genießen, wäre ich auf dem Land. Aber selbst hier in der Stadt ziehe ich den Sommer dem Winter vor. Die Sydney Gardens sind sehr hübsch. Manchmal finden dort im Sommer Konzerte mit anschließendem Feuerwerk statt.“

„Besuchen Sie diese musikalischen Darbietungen?“ In stillem Einverständnis begann man, zu Admiral Pullen und Anthony zurückzugehen.

„Miss Wyndham fühlt sich selten kräftig genug, um das Haus zu verlassen“, antwortete Abigail. „Aber Admiral Pullen hat mich freundlicherweise im letzten Sommer zu einer Veranstaltung mitgenommen. Das war schön! Er hat gesagt, er würde mich vielleicht in diesem Jahr wieder begleiten, falls Miss Wyndham auf mich verzichten kann. Bitte, entschuldigen Sie mich“, fügte sie hinzu, weil man bei den beiden anderen Herren eingetroffen war. „Ich bin schon zu lange fort. Miss Wyndham erwartet mich sicher längst.“ Herzlich lächelte sie die Gentlemen an. „Admiral Pullen. Captain Raven, Mr. Hill – es war mir ein Vergnügen, Sie kennen gelernt zu haben. Auf Wiedersehen.“

„Eine reizende Person“, sagte der Admiral, während man der sich eilig entfernenden Miss Summers hinterherschaute. „Sie ist immer fröhlich und gutherzig, denkt stets praktisch und ist eine ausgezeichnete Wirtschafterin. Miss Wyndham lässt ihr im Haushalt freie Hand. So, verschwinden wir aus diesem Mausoleum, auch wenn es der beste Ort ist, um Leute kennen zu lernen.“

Flüchtig tauschte Gifford einen Blick mit Anthony. Er war ziemlich sicher, dass der Admiral ihn und seinen Vetter nur ins Kurhaus mitgenommen hatte, damit sie Miss Abigail Summers trafen.

„Vielleicht wird es dir schwerer fallen, hier kein Abenteuer zu haben, als ich dachte“, raunte Anthony Gifford zu. „Der nächste Monat könnte sich als sehr unterhaltsam herausstellen.“

Stirnrunzelnd nahm Gifford die Erheiterung seines Cousins zur Kenntnis. „Ich sehe keinen Grund für diese Vermutung“, erwiderte er kühl.

2. KAPITEL

Nach der Ankunft zu Hause stellte Abigail fest, dass Miss Wyndham einen wichtigen Besucher hatte.

„Abigail! Sie waren so lange fort! Charles ist zu Besuch gekommen!“, rief Miss Wyndham in dem Moment aus, als Abigail den Empfangssalon betrat.

„Wie geht es Ihnen, Miss Summers?“, fragte Mr. Charles Johnson und erhob sich aus dem Sessel. „Sie sehen so bezaubernd wie immer aus.“

„Vielen Dank, Sir. Ich hoffe, es geht Ihnen gut?“ Abigail gestattete Miss Wyndhams Großneffen, ihr einen Handkuss zu geben, zog ihre Finger jedoch so schnell wie möglich zurück.

„Ich bin in bester Verfassung, Miss Summers“, verkündete er. „Und nun fühle ich mich noch wohler, weil ich meine Lieblingstante und ihre hübsche Gesellschafterin sehe.“

„Ich bin deine einzige Tante“, hielt Miss Wyndham ihm vor und warf ihm einen vergnügten Blick zu.

„Ganz recht. Aber du könntest auch ein alter Drache sein, so dass ich nicht den Wunsch hätte, dich aufzusuchen. Aber es ist nun einmal so, dass du meine einzige nette und charmante Tante bist, nach deren Gesellschaft ich mich sehne, wenn ich nicht bei ihr bin“, erwiderte Charles und verneigte sich galant.

„Schmeichler!“ Miss Wyndham strahlte über das dick aufgetragene Kompliment. „Ich habe nicht damit gerechnet, dich vor dem Herbst zu sehen. In deinem Brief hattest du doch geschrieben, du würdest den Sommer in Brighton verbringen. Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Ist es nicht sehr aufmerksam von ihm, Zeit mit einer müden alten Frau zu verbringen, obwohl er sich mit seinen Freunden amüsieren könnte?“

Autor

Claire Thornton
Claire Thornton ist in der englischen Grafschaft Sussex geboren und aufgewachsen. Schon früh wurde Lesen für sie zum wichtigsten Lebensinhalt. Später studierte sie Geschichte an der Universität von York, wusste jedoch immer, dass ihr Herz der Schriftstellerei gehört. Ihr erster historischer Liebesroman erschien 1992 mit großem Erfolg. Seitdem hat Claire...
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