Sternenmeer über Bora Bora

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Nackt steigt sie aus den nächtlichen Fluten des Pazifiks, und der Rechtsanwalt Jason Lombard kann nicht anders: Er reißt die hübsche Sophie in seine Arme und beginnt, sie am weißen Strand von Bora Bora sinnlich zu lieben …


  • Erscheinungstag 25.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756680
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Beim Friseur hört man echte Neuigkeiten“, behauptete Jason Lombards Mutter stets, und dem konnte man kaum widersprechen. Wo sonst schließlich erfuhr man, in welchem Restaurant man für sein Geld am besten essen konnte, wer von wem geschieden wurde oder auch die Namen von zuverlässigen und vertrauenswürdigen Geschäftsleuten?

Außer Neuigkeiten bekam man dort natürlich auch oberflächliche Unterhaltung und Vermutungen zu hören: Diskussionen über gesellschaftliche Themen, kritische Bewertungen des öffentlichen Verhaltens berühmter Persönlichkeiten und abwertende Kommentare zu schlechten Fernsehbeiträgen.

Jason Lombard ahnte deshalb, dass ihn echte Neuigkeiten erwarteten, als seine Mutter mit neuer Dauerwelle, frisch gefärbten Haaren und leuchtenden Augen sein Büro betrat.

„Das Problem der Arbeitslosigkeit in Australien ist wirklich schrecklich, Jason“, klagte sie ihrem Sohn, als dieser vom Schreibtisch aufstand und ihr entgegenkam.

„Das ist eine der Folgen der Rezession“, bemerkte er unverbindlich.

„Es ist ein größeres Problem, als es von der Regierung dargestellt wird“, ereiferte sie sich. „Zum Beispiel werden arbeitslose Männer, deren Frauen arbeiten, überhaupt nicht mitgezählt.“

„Das geschieht deshalb nicht, weil ein solcher Haushalt über ein Einkommen verfügt und damit ohne staatliche Hilfe existieren kann“, erklärte Jason geduldig. Wie gewöhnlich begrüßte er seine Mutter mit einem Kuss und einem Kompliment. „Du siehst wundervoll aus, Mutter. Deine neue Frisur wirkt weicher und macht einen sehr fraulichen Eindruck.“

Die ältere Dame war für einen Augenblick von dem brennenden Thema Arbeitslosigkeit abgelenkt. „Danke, mein Lieber. Wie findest du den neuen apricotfarbenen Ton? Ich habe blonde Strähnen einfügen lassen, damit die Farbe nicht zu auffällig ist.“

„Er ist eine entzückende Abwechslung“, versicherte ihr ihr Sohn.

„Ich bin froh, dass dir die Farbe gefällt“, erwiderte sie mit einem strahlenden Gesicht, bevor sie auf ihre Mission zurückkam. „Ich bin aber nicht gekommen, um dir meine neue Frisur vorzuführen. Ich muss vielmehr mit dir über die Stelle reden, die du in der Zeitung inseriert hast.“

Offensichtlich entschlossen, sich durch nichts in ihrem Vorhaben beirren zu lassen, nahm sie auf dem Besucherstuhl Platz. Mit einem unguten Gefühl setzte sich Jason wieder hinter seinen Schreibtisch. Er wusste nur zu gut, dass eine Laune seiner Mutter stets mit Vorsicht zu genießen war. Kathryn Whithlow mochte sanft und nachgiebig wirken, tatsächlich aber war sie zäh und eigensinnig, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

„Ich habe heute beim Friseur eine reizende junge Frau kennen gelernt“, erklärte seine Mutter lebhaft. „Sie hat sich auch die Haare färben lassen, und dabei hatten wir Zeit genug für eine nette und ausgiebige Unterhaltung. Sie war ganz deprimiert, weil sie auf ihre letzte Bewerbung um eine Stelle schon wieder eine Absage erhalten hat.“

Jason wunderte sich nicht, dass sich die beiden Frauen auf Anhieb so gut verstanden hatten. Auch für seine Mutter bedeutete eine neue Haarfarbe ein Mittel gegen Depressionen.

„Sie hat mir von den vielen Jobs erzählt, um die sie sich in den letzten sechs Monaten beworben hat“, fuhr seine Mutter fort. „Nicht ein einziges Mal ist sie zu einem Gespräch eingeladen worden. Nicht ein einziges Mal!“

Der vorwurfsvolle Ton über die Ungerechtigkeit einer solchen Behandlungsweise forderte Jason zu einer Antwort heraus. „Mutter, manche Jobs ziehen in der heutigen Zeit buchstäblich Hunderte von Bewerbern an. Ein Arbeitgeber kann es sich nicht leisten, Tage oder Wochen mit Vorstellungsgesprächen zuzubringen. Das ist einfach nicht produktiv.“

„Wie triffst du eigentlich die Auswahl für Bewerbungsgespräche?“, fragte sie.

„Nach verschiedenen Kriterien: Berufserfahrung, Qualifikationen …“

„Sie hat Berufserfahrung und Qualifikationen.“

Jason zuckte die Achseln. „Dann haben andere eben mehr, oder sie haben bessere Referenzen.“

„Aber das sind doch nur geschriebene Worte auf dem Papier. Zählt die Person denn gar nichts?“, wandte seine Mutter ein.

„Doch. Aus diesem Grunde führt ein Arbeitgeber Bewerbungsgespräche, Mutter“, erwiderte Jason nachsichtig.

„Wie viele Bewerberinnen haben sich auf deine Anzeige gemeldet?“, fragte sie schnell.

„Dreiundsiebzig. Sieben davon habe ich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen.“

„Und wie lange dauert so ein Gespräch?“, forschte sie weiter.

„Für gewöhnlich reichen fünfzehn Minuten, um festzustellen …“

„Dann werden zusätzliche fünfzehn Minuten nicht zu viel von deiner kostbaren produktiven Zeit beanspruchen“, erklärte Kathryn Whithlow vergnügt. „Du kannst Sophie Melville wenigstens eine Chance geben, statt sie wie alle anderen unberücksichtigt zu lassen. Es war ein schreckliches Gefühl, hören zu müssen, dass du für ihre Enttäuschung und Verzweiflung verantwortlich warst.“

Verärgert presste Jason die Lippen zusammen. Sein ungutes Vorgefühl erwies sich also als berechtigt. „Du hast ihr hoffentlich nichts versprochen, Mutter.“

Seine Mutter hob verächtlich die Brauen. „Der Person, die unter deiner anmaßenden, gefühllosen Unaufrichtigkeit zu leiden hat, sollte ich erzählen, dass du mein Sohn bist? Das hätte mich in eine unhaltbare Position gebracht, Jason.“

„Es tut mir leid“, meinte er besänftigend und mit einem Gefühl der Erleichterung, dass seine Mutter trotz allen Mitgefühls Besonnenheit bewahrt hatte.

„Was würdest du empfinden, wenn du einen Brief erhieltest, der alle deine Hoffnungen zunichtemacht und wie folgt lautet …“ Kathryn Whithlow holte den von ihrem Sohn versandten Formbrief aus ihrer Handtasche. „Ich bedaure sehr …“ las sie vor und bedachte ihren Sohn mit einem verächtlichen Blick. „Wie kannst du etwas sehr bedauern, wenn du absolut nichts getan hast?“

„Es ist eine höfliche Phrase, Mutter“, erwiderte Jason gereizt. „Ich weiß, was ich geschrieben habe. Schließlich waren es sechsundsechzig solcher Briefe, die mich Papier und Briefmarken gekostet haben. Von der Zeit, die meine Sekretärin dafür aufwenden musste, ganz zu schweigen!“

Zu dumm, dass ausgerechnet eine abgelehnte Bewerberin meiner Mutter ihre Leidensgeschichte erzählen musste, dachte Jason bitter und machte sich auf die unausbleibliche, wenn auch wohl meinende Einmischung seiner Mutter gefasst.

„Warum war Sophie nicht gut genug?“, hakte sie nach.

Er seufzte ungeduldig. „Das weiß ich nicht mehr.“

Seine Mutter atmete tief durch. „Nun, nach welchen Kriterien auch immer du geurteilt hast, im Fall von Sophie hast du dich jedenfalls geirrt, Jason. Dass bei ihrer Rückkehr nach Australien eine Rezession herrscht, ist nicht ihre Schuld, sondern die der Regierung.“

„Wo ist sie denn gewesen?“, warf er uninteressiert ein.

„In England. Sie hatte ihr Geburtsland kennen lernen wollen, aus dem ihre Eltern ausgewandert sind, als sie noch ein Baby war. Dass sie die Gelegenheit nutzte, um sich so viel wie möglich von Europa anzusehen, war doch vernünftig. Das Geld für ihre Reisen hat sie sich zwischendurch immer wieder zusammengespart. Deshalb hat sie in London so viele verschiedene Aushilfsstellungen angenommen.“

Großartig, dachte Jason. Die junge Dame wird den nächsten Job wieder aufgeben, sobald sie genügend Geld gespart hat, um sich dann Asien oder Amerika anzusehen.

„Ich brauche eine Mitarbeiterin für einen langfristigen Zeitraum, Mutter“, erklärte er, allerdings ohne Hoffnung auf Verständnis für diesen wichtigen Punkt.

„Du brauchst auch eine kluge und unternehmungslustige Mitarbeiterin.“ Kathryn Whithlow bekam wieder ihren eigensinnigen Gesichtsausdruck. „Ich möchte, dass du ihr eine Chance gibst.“

Er zwang sich zur Ruhe, bevor er in entschiedenem Ton erklärte: „Ich erweise dir oft genug und gern einen Gefallen, was nicht gerade billig ist. Aber zu verlangen, dass ich unbesehen eine persönliche Assistentin einstelle, geht zu weit, Mutter.“

„Du musst natürlich erst ein Gespräch mit ihr führen, sonst würde sie sofort ahnen, dass sie die Stellung nur durch Fürsprache erhalten hat. Rufe deine Sekretärin herein, damit ich ihr den Brief diktiere.“

„Ich ziehe es vor, meine Briefe selbst zu diktieren“, widersprach er gereizt.

„Dann kannst du es gleich in meiner Gegenwart tun, und achte auf eine nette Formulierung. Der Brief muss sofort zur Post, damit die arme Miss Melville nach dem schrecklichen Wochenende wenigstens gleich am Montag eine gute Nachricht erhält.“

Auch wenn Jason Lombard für seine Klienten Verträge formulierte, in denen es um Millionen Dollar ging, und er sorgfältig gewählte Worte in knappe, einfache Sätze kleidete, war es zwecklos, mit seiner Mutter darüber zu diskutieren. Sie hatte eben ihre eigenen Vorstellungen. Ohne sich von seiner Sachkenntnis beeindrucken zu lassen, hatte sie sogar ihr Testament selbst aufgesetzt.

Entschlossen, lieber fünfzehn Minuten für ein zusätzliches Bewerbungsgespräch zu opfern, als auf eine längere Diskussion mit seiner Mutter einzugehen, bat er seine Sekretärin, ihm Sophie Melvilles Bewerbungsunterlagen noch einmal zu bringen. Dann wandte er sich wieder seiner Mutter zu. „Ich werde ihr eine Chance geben, mich zu beeindrucken“, erklärte er nachsichtig. „Wenn sie jedoch meinen Anforderungen nicht genügt, wird mich nichts dazu bringen, sie einzustellen. Ist das fair genug?“

„Also wirklich, Jason.“ Mit einem zufriedenen Ausdruck in ihren blauen Augen schüttelte seine Mutter tadelnd den Kopf. „Als wenn ich nicht wüsste, welche Art Frau passend für dich ist! Sophie Melville ist in jeder Weise perfekt. Sie hat die prächtigsten Haare …“

2. KAPITEL

Sophie presste nervös die Handflächen zusammen, als die Empfangsdame nicht aufhörte, auf ihre Haare zu starren.

„Ich bin Sophie Melville“, wiederholte sie leise in angespanntem Ton. „Ich habe eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch mit Mr. Lombard …“

Endlich senkte die Empfangsdame den Blick und ließ den Finger über die acht Namen auf der Besucherliste gleiten. Beim Letzten stoppte sie. „Ja, Ihr Name steht hier. Nehmen Sie bitte Platz …“ Sie deutete zu den schon wartenden vier Frauen hinüber.

„Vielen Dank.“ Sophie fühlte sich zutiefst erleichtert. Der Brief war also doch kein Irrtum, sie wurde definitiv zu einem Gespräch erwartet. Das Wunder, eine zweite Chance zu erhalten, war tatsächlich eingetreten.

Vier Augenpaare waren wie gebannt auf ihre Haare gerichtet, als sie mit einem gekünstelten Lächeln zu den Frauen trat, die sich zweifellos ebenfalls um die begehrte Stelle beworben hatten. Ohne Sophies Lächeln zu erwidern, wandten die Frauen beruhigt ihre Blicke ab. Diese Bewerberin stellte ganz sicher keine Bedrohung für ihre Chancen dar.

Sophie musste gegen ein aufsteigendes Gefühl der Verzweiflung ankämpfen, während sie Platz nahm. Vielleicht gefallen Jason Lombard ja rote Haare, und die Haarfarbe stellt mich nicht unbedingt in ein ungünstiges Licht, redete sie sich ein. Am Wichtigsten ist es, positiv zu denken, meine Nerven zu beruhigen und Antworten zu geben, die ihm zeigen, dass er in mir eine nützliche Person zur Seite hätte.

Es war ein fürchterliches Pech, dass Jason Lombards Sekretärin irrtümlich zunächst eine Absage geschickt hatte. Wäre stattdessen am Freitagvormittag bereits der richtige Brief eingetroffen, hätte sie sich niemals ihrer Freundin Mia als Modell für den Friseurwettbewerb zur Verfügung gestellt. Dann hätte sie noch immer gewöhnliches braunes Haar, das sie zu einem Knoten hätte aufstecken können, mit dem sie professionell gewirkt hätte.

Ein Gefühl der Verlassenheit hatte sie für Mias Vorschlag zugänglich gemacht. Nach Eingang der Absage war es ihr völlig gleichgültig gewesen, was für ein verrücktes Experiment Mia mit ihren Haaren vorhatte. Alles andere war besser, als trübsinnig über vergangene Entscheidungen zu grübeln, die unbeabsichtigt zu der jetzigen Arbeitslosigkeit geführt hatten. Sie bedauerte natürlich keineswegs die Erfahrung, so viel wie möglich von der anderen Seite der Welt gesehen zu haben. Ihr war jedoch bewusst, dass die vielen verschiedenen Jobs kaum auf eine beständige Person schließen ließen, ebenso wenig wie ihre jetzige Haarfarbe.

Niemand mit Verstand konnte diese kupferrot leuchtende Haarfarbe für echt halten, auch wenn Mia mit der Frisur erfreulicherweise den ersten Preis gewonnen hatte. Diese kühne Kreation war nicht nur von den Jurymitgliedern des Wettbewerbs als fantasievoll beurteilt worden, sondern zog tatsächlich alle Blicke auf sich.

Zu Jason Lombards Klienten zählten viele schillernde Persönlichkeiten, die besten Golf- und Tennisspieler ebenso wie bekannte Persönlichkeiten des Medienbereichs. Er konnte unmöglich so langweilig sein wie die Anwälte, bei denen sie einmal gearbeitet hatte. Auch stand er in dem Ruf, nicht sofort die Gerichte zu bemühen, sondern eher außergerichtliche Vergleiche anzustreben, womit den Gegenparteien viel Geld erspart blieb.

Mit dieser Taktik verdient er zweifellos trotzdem viel Geld, überlegte Sophie, während sie den Blick durch den zweckmäßig eingerichteten Empfangsraum gleiten ließ. Das Büro „Lombard & Partner“ nahm das gesamte oberste Stockwerk eines renommierten Bürogebäudes mitten im Geschäftszentrum im Norden Sydneys ein. Eine solche Bürolage mit Blick auf den Hafen und die Stadt war bestimmt sehr kostspielig.

Für die Einrichtung hatte er ebenfalls keine Kosten gescheut. Der Raum war mit einem dicken hellgrauen Teppichboden, schwarzen Ledersesseln, Lithographien an den Wänden, Tischen aus Chrom und Glas sowie üppigen Grünpflanzen ausgestattet. Sophies Magen zog sich erneut zusammen, als ihr die kühle, gedämpfte Atmosphäre bewusst wurde.

Auch wenn es hier nicht den kleinsten Farbtupfer gibt, bedeutet das nicht, dass Jason Lombard persönlich keine lebhaften Farben mag, versicherte sie sich schnell.

Verstohlen musterte Sophie ihre Mitbewerberinnen, die alle ein gleichermaßen unaufdringliches Erscheinungsbild boten. Sie trugen schwarze oder graue Kostüme, dazu cremefarbene, weiße oder rosafarbene Blusen. Eine Bewerberin war naturblond, die drei anderen brünett. Alle trugen modische Frisuren, ein dezentes Make-up und Silber- oder Goldschmuck.

Mit meinem Äußeren hebe ich mich jedenfalls von ihnen ab, dachte Sophie, fest entschlossen, sich positiv zu sehen. Sie hatte einen grellroten Lippenstift, passend zur Haarfarbe, aufgetragen und die blauen Augen in Abstimmung auf ihre Kleidung betont. Im Gegensatz zu den streng wirkenden Kostümen der anderen Damen trug sie ein figurbetontes blaues Kostüm ohne Bluse darunter, was ihre wohlproportionierte Figur zur Geltung brachte. Es ist ein gutes Leinenkostüm, sagte sie sich energisch, um sich zu beruhigen.

Jason Lombard gab jeder Bewerberin genau fünfzehn Minuten Zeit, stellte Sophie fest, als eine Frau nach der anderen beneidenswert kühl und beherrscht von dem Gespräch zurückkehrte. Sie war sich bewusst, dass es nicht leicht sein würde, eine solche Gelassenheit zu zeigen. Ohne diese Stellung kam sie in eine verzweifelte Lage, das jedoch durfte sie sich keinesfalls anmerken lassen.

Weitere Bewerberinnen kamen in der nächsten Stunde nicht dazu. Demnach mussten bereits drei Gespräche stattgefunden haben.

Die Letzte ist die Glückliche, redete sie sich ein, als sie sich endlich auf den schicksalhaften Weg machte, um dem Mann gegenüberzutreten, der ihre Zukunft erhellen oder verdunkeln würde. Sophie war so intensiv auf das bevorstehende Gespräch konzentriert, dass sie ihre Haarfarbe darüber vollkommen vergaß, bis der Anwalt darauf starrte.

Jason Lombard stand neben seinem Schreibtisch und blickte wie hypnotisiert auf den feuerroten Lockenkopf. „Du lieber Himmel! Was ist denn das?“, fragte er endlich entgeistert.

Sophies tapfer bewahrte Haltung fiel zusammen. Sie verkrampfte sich vor Nervosität, ihr Herz begann wild zu klopfen, und sie spürte, wie Röte in ihre Wangen stieg. Nur ein letzter Funke Stolz zwang sie, irgendetwas zu tun, um Jason Lombard dazu zu bringen, seine Einschätzung zu berichtigen.

„Mr. Lombard, Sie haben gerade ein voreiliges Urteil über mich gefällt“, brachte sie mühsam und mit trockenen Lippen hervor. „Sie glauben nicht, dass ich für die Stellung geeignet bin. Ich werde Ihnen beweisen, dass dieses Urteil falsch ist. Jeden Test, den Sie mit mir machen, werde ich glänzend bestehen. Ich bin schnell, leistungsfähig und geeignet.“

Er verzog die Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln. „Miss … Melville“, sagte er zögernd, als hätte er den Namen vergessen oder würde dieses am liebsten tun.

Eigentlich kann ich gleich wieder gehen, Hoffnung brauche ich mir auf diese Stelle nicht mehr zu machen, dachte Sophie düster. Sie beschloss jedoch eigensinnig, die Gesprächszeit wie alle anderen Bewerberinnen zu beanspruchen.

„Sie sind bestimmt sehr beschäftigt, Mr. Lombard, und das bin ich auch“, flunkerte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. „Bestimmt haben Sie einen vorbereiteten Frage- und Antwortbogen für dieses Gespräch. Ich fände es allerdings ehrlicher, wenn Sie einfach Ihre Anforderungen nennen und ich meine Meinung dazu sage.“

Bei diesem Vorschlag zog er überrascht die Brauen hoch, und Sophie fügte schnell mit strahlendem Lächeln hinzu: „Wollen wir uns nicht setzen und anfangen?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte sie sich so würdevoll wie möglich auf den Besucherstuhl vor dem Schreibtisch und schaute ihn mit hochgezogenen Brauen herausfordernd an. Mit einem irritierten Kopfschütteln trat er langsam wieder hinter den Schreibtisch und nahm auf dem Ledersessel Platz.

Sophie nutzte die Gelegenheit, Jason Lombard näher zu betrachten. Er war wesentlich jünger als vermutet, sie schätzte ihn zwischen dreißig und vierzig.

Er war hoch gewachsen und breitschultrig und trug einen maßgeschneiderten Anzug von beeindruckender Eleganz und eindeutig europäischem Stil. Der Stoff hatte die gleiche Farbe wie die silbergrauen Augen des Mannes mit den schwarzen Haaren. Er sieht wirklich sehr gut aus und wirkt sehr männlich, entschied Sophie. Wenn er ein nettes Lächeln hat, könnte er sehr attraktiv sein.

Jason Lombard lächelte allerdings nicht. Er öffnete eine Holzschachtel auf dem Schreibtisch und nahm einen Satz Wurfpfeile heraus. Dann schwang er sich in seinem Drehsessel herum und begann, die Pfeile auf die Zielscheibe zu werfen, die an der Wand hing. „Haben Sie schon einmal ins Schwarze getroffen, Miss Melville?“, erkundigte er sich.

„Schon sehr oft. Ich bin ausgesprochen gut im Pfeilwerfen, Mr. Lombard“, antwortete sie spöttisch. Sie war fest entschlossen, sich durch kein Ablenkungsmanöver aus der Ruhe bringen zu lassen.

„Verdammt! Wieder daneben getroffen“, schimpfte er leise, nachdem nicht ein einziger Pfeil auch nur in der Nähe des Zentrums gelandet war. Mit einem seltsam belustigten Ausdruck in den Augen wandte er sich wieder zu Sophie um. „In Ordnung, Miss Melville, wir werden das Gespräch Ihren Vorstellungen gemäß führen.“

Meine Dreistigkeit hat sich also bezahlt gemacht, beglückwünschte sich Sophie ausgesprochen ermutigt.

„Beginnen wir mit dem Temperament“, fuhr Jason Lombard fort. „Ich brauche eine Mitarbeiterin, die immer heiter und gelassen bleibt. Ich kann mürrische und launische Mitarbeiterinnen nicht leiden, die über eingebildete Missachtung grübeln oder ihre privaten Schwierigkeiten mit zur Arbeit bringen.“

„Sie werden mich immer in glänzender Stimmung erleben, Mr. Lombard. Sie könnten niemand mit besserer Laune finden.“

Er warf schweigend einen Blick auf ihre Haare und fuhr sich mit der Hand über die Augen, bevor er aufstand und die Pfeile wieder aus der Zielscheibe herauszog. Mit einem mutwilligen Funkeln in den Augen kehrte er zu seinem Platz zurück. „Was ist mit Frauenproblemen?“, fragte er sanftmütig.

Das ist eine Fangfrage, dachte Sophie erbost. Verneinte sie solche Probleme, konnte er behaupten, sie sei unfraulich, bekannte sie sich dazu, konnte er diese aufbauschen und ihr vorwerfen.

Dem befriedigten Gesichtsausdruck nach, war er offenbar sicher, sie in die Enge getrieben zu haben.

Die Hände auf den Schreibtisch gelegt, fragte Sophie mit gesenkter Stimme: „Können wir ganz vertraulich miteinander reden, Mr. Lombard?“

„Sicherlich“, stimmte er zu und beugte sich gespannt vor.

Sie senkte die Stimme noch mehr. „Ich werde meine Frauenprobleme unter Kontrolle halten, wenn Sie Ihre Männerprobleme in der Gewalt behalten.“

„Tatsächlich? Was für Männerprobleme meinen Sie denn?“, forschte er ausgesprochen interessiert, ohne sie aus den Augen zu lassen.

„Ich meine die Probleme, die bei Männern bestehen, die sich für unwiderstehlich halten“, flüsterte sie. „Bei Männern, die glauben, sie könnten sich selbstherrlich jedes Recht herausnehmen, und die den Körper einer Frau als ein Spielzeug betrachten, das allein zu ihrem Vergnügen geschaffen ist. Diese Art von Problemen meine ich, Mr. Lombard.“

„Interessant“, bemerkte er leise und lehnte sich mit provozierendem Blick zurück. „Ich versuche, die Zwanzig zu treffen“, erklärte er und drehte sich mit dem Sessel wieder zur Wand. Der Pfeil traf den Rand der Zielscheibe und fiel zu Boden. Er war der schlechteste Pfeilwerfer, den Sophie je gesehen hatte.

„Wieder daneben“, schimpfte er verdrossen und drehte sich zum Schreibtisch um. „Sie fragen nach einem Test. Ich gebe Ihnen eine Testaufgabe.“

Sophie sank das Herz. Er verlangte mit Sicherheit etwas Unmögliches wie das Buchstabieren dieser schrecklichen lateinischen Fachausdrücke der Juristen.

Ihr Unbehagen amüsierte ihn offenbar. Mit einem zufriedenen Funkeln in den Augen erklärte er: „Es geht um den Streitfall ‚Sullivan‘. Lassen Sie mich Ihre wohl überlegte Ansicht zum derzeitigen Stand der Auseinandersetzung hören.“

Sophie fühlte sich augenblicklich erleichtert. Die skandalöse Geschichte der Sullivans war am Freitag im Friseursalon ausgiebig diskutiert worden, sodass sie bis in alle Einzelheiten informiert war. „Es ist eine völlig verfahrene Situation“, behauptete sie. Jason Lombard ließ die Hand mit dem Pfeil, den er gerade werfen wollte, so hart auf die Schreibtischplatte fallen, dass sich die Pfeilspitze in das Holz bohrte.

„Sie haben den Pfeil kaputtgemacht“, stellte Sophie ausgesprochen selbstzufrieden fest. Offensichtlich hatte sie einen empfindlichen Punkt mit ihrer vorherigen Bemerkung getroffen.

Wortlos zog er den Pfeil aus dem Holz und warf ihn lässig quer durch den Raum in einen Papierkorb. Dass er sein Ziel traf, konnte purer Zufall sein. „Also, was meinen Sie mit einer verfahrenen Situation?“ wollte er wissen.

„Die Sullivans wollen sich doch gar nicht einigen“, erklärte sie und gab damit die einhellige Meinung des Friseurpersonals und der Kundinnen wieder. „Sie versuchen nur noch, sich gegenseitig so tief wie möglich zu verletzen. Es wird mit Sicherheit ein ereignisreicher Tag für die Anwälte und Zeitungen, wenn sich die beiden vor Gericht gegenüberstehen.“

„Was würden Sie denn tun, um das Ehepaar von einer gerichtlichen Auseinandersetzung abzuhalten?“

Im Friseursalon war man sich über die Lösung dieser Frage ebenfalls einig gewesen. „Ich würde die Sullivans auf eine einsame Insel mitten im Ozean schicken, wo sie miteinander reden müssten.“

„Und welche Insel würden Sie wählen?“, fragte Jason Lombard missmutig.

Das war nicht so einfach zu beantworten. Darüber war nicht weiter diskutiert worden. Dann fiel Sophie wieder die nette ältere Dame mit der Dauerwelle ein. Diese hatte begeistert von ihrem letzten Urlaub auf einer der polynesischen Inseln erzählt, wo es sehr idyllisch gewesen sein musste. Wenn ich mich bloß entsinnen könnte, grübelte Sophie krampfhaft, dann fiel ihr der Name wieder ein, und sie verkündete triumphierend: „Bora Bora.“

„Hm.“ Jason Lombard lehnte sich nachdenklich in seinem Sessel zurück, und es folgte eine fast endlose Stille.

„Habe ich den Test mit Auszeichnung bestanden?“, fragte Sophie schließlich.

Er antwortete bloß mit einem undeutlichen Murmeln.

„Bekomme ich die Stellung?“, drängte sie halsstarrig.

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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