Stürmische Romanze

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Wohin wird die glühende Leidenschaft für Giovanni sie noch führen? Manchmal macht Kate diese Frage Angst. Doch wenn sie in den Armen ihres leidenschaftlichen Geliebten liegt, spürt sie nur ihr Verlangen. Seit ihrer ersten Begegnung ist sie dem charismatischen Sizilianer verfallen, der als Geschäftsführer einer italienischen Silbermanufaktur so erfolgreich ist, wie als Verführer. Dass sie manchmal durch halb Europa fliegen muss, um Giovanni zu treffen, nimmt sie ebenso hin wie die Tatsache, dass ihr Traummann kein Wort von Liebe spricht. Erst als das Schicksal auf dramatische Weise eingreift, wagt Kate den ersten Schritt...


  • Erscheinungstag 23.12.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733766429
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Wenn ein Auto überhaupt Sex-Appeal haben konnte, dann war es mit Sicherheit dieses: ein glänzend schwarzer schnittiger Sportwagen. Auf dem Vorplatz der vornehmen Villa wirkte er völlig fehl am Platz.

Kate musste lächeln. Erfahrungsgemäß wurden solche Autos meist von unscheinbaren kleinen Männern gefahren – die ihre mangelnde Attraktivität durch ein Übermaß an PS wettmachen wollten. Neugierig betrachtete sie den Wagen. Ihre Kundin Lady St. John war zwar sehr wohlhabend, hatte jedoch einen unaufdringlich eleganten Stil. Und um so einen Wagen zu lenken, brauchte man sicherlich außergewöhnlich viel Geschick und Kraft.

Kate blickte in den Rückspiegel und schob sich eine Strähne des feuerroten Haares aus dem Gesicht. Obwohl ich schon seit sechs Uhr auf den Beinen bin, sehe ich gar nicht schlecht aus, dachte sie.

Sie wusste, dass man Äußerlichkeiten nicht unterschätzen durfte – ganz besonders nicht in ihrer Branche. Sie arbeitete als Innenarchitektin und Raumgestalterin für die Reichen und Schönen. Unter ihren Kunden waren auch einige Prominente. Ihr Job war abwechslungsreich, sehr gut bezahlt und gab Kate die Gelegenheit, interessante Menschen kennen zu lernen.

Menschen wie Lady St. John, eine abenteuerlustige Aristokratin, die schon in den entlegensten Winkeln der Erde gewesen war und zahlreiche Bücher über ihre Reisen geschrieben hatte. Von ihrem beeindruckenden alten Anwesen blickte man auf die zerklüftete Küste. Als Kate die altertümliche Klingel betätigte, hörte sie tief unten die Wellen gegen die grauen Felsen klatschen und bedauerte, dass ihre Arbeit in dieser wunderschönen, ursprünglichen Umgebung fast beendet war.

Die Haushälterin öffnete die Tür. „Guten Tag, Mrs Herley“, begrüßte Kate sie lächelnd. „Ich nehme an, Lady St. John erwartet mich bereits?“

„Es könnte sein, dass sie den Termin mit Ihnen vergessen hat“, erwiderte Mrs Herley. „Lady St. John ist heute ein wenig zerstreut.“ Sie lächelte nachsichtig.

Kate hütete sich, genauer nachzufragen. Sie hatte schon nach kurzer Zeit festgestellt, dass Hausangestellte niemals Informationen über ihre Arbeitgeber lieferten – erst recht nicht über eine Frau wie Elizabeth St. John. Die vornehme, betagte Dame war beinah achtzig Jahre alt und strahlte eine natürliche Autorität aus. Kate war noch nie einer Frau begegnet, die in diesem Alter noch so anmutig und schön war.

Mrs Herley schloss die Haustür hinter ihr und ging voran. „Bitte warten Sie hier im blauen Salon, Miss Connors. Ich werde Lady St. John benachrichtigen, dass Sie da sind.“

„Vielen Dank“, erwiderte Kate, bevor die Haushälterin verschwand. Sie hatte Mrs Herley schon einmal angeboten, sie mit Kate anzusprechen. Doch die Haushälterin war bei „Miss Connors“ geblieben. Allerdings passte diese Förmlichkeit zu dem wunderschönen alten Anwesen, wie Kate wieder einmal feststellte, als sie langsam den großen Raum durchquerte, dessen Gestaltung nun fast abgeschlossen war.

Seufzend blickte sie sich um. Es machte sie traurig, dass ihre Arbeit bald beendet sein würde. Sogar jetzt, nach neun Jahren, ging es ihr noch immer bei jedem Auftrag so.

Durch die vom Boden bis fast zur Decke reichenden Fenster blickte man aufs Meer und in den weiten Himmel. Es war eine beeindruckende Aussicht – und eine Herausforderung für Kate, denn der Raum sollte nicht daneben verblassen. Sie hatte die Farben besonders sorgfältig ausgewählt und die Wände in einem ungewöhnlichen leuchtenden Blau streichen lassen. Der Farbton brachte die Stuckleisten besonders gut zur Geltung. Kate lächelte zufrieden. Es sah wirklich sehr schön aus.

„Kate?“

Lady St. John kam auf sie zu. Sie trug eine Jacke aus feinem Kaschmir und einen dazu passenden knöchellangen Rock.

„Guten Tag, Lady St. John! Dies ist wohl einer meiner letzten Besuche bei Ihnen, wie schade! Und ich … ich …“ Kate sprach den Satz nicht zu Ende.

Lady St. John war nicht allein. Ein Mann hatte nach ihr den Salon betreten. Er hatte lange, muskulöse Beine und sah einfach perfekt aus. Bestimmt handelte es sich um den Fahrer des Sportwagens. Kates Herz begann heftig zu schlagen. Hatte sie wirklich geglaubt, nur unscheinbare kleine Männer würden solche Autos fahren? Dann hatte sie sich gründlich geirrt.

Mit einer eleganten Bewegung wies Lady St. John auf den Mann, der hinter ihr stand. „Kate, ich möchte Ihnen meinen Patensohn vorstellen.“

„Ihren Patensohn?“, wiederholte Kate ungläubig.

Lady St. John lächelte. „Ja. Ich habe seine Mutter während einer Europareise kennen gelernt, die ich in meiner Jugend gemacht habe. Sie wurde eine meiner engsten Freundinnen. Und das ist ihr Sohn Giovanni Calverri.“ Sie wandte sich zu ihm um. „Giovanni, das ist Kate Connors, eine sehr talentierte Innenarchitektin, die diesen Salon für mich gestaltet hat.“

Giovanni sah sich um. Kate konnte den Blick nicht von ihm wenden. Insgeheim stellte sie sich vor, wie es wäre, von Giovanni Calverri ausgezogen zu werden. Seinem Namen nach zu urteilen, stammte er aus Italien. Auch sein schwarzes, schimmerndes Haar legte dies nahe. Die Augen allerdings waren strahlend blau. In Kates Vorstellung verband sich italienische Abstammung mit Temperament und Leidenschaft. Doch der große, elegante Mann, der sie schweigend musterte, wirkte sehr kühl. Kate hielt seinem Blick stand.

„Guten Tag“, sagte sie betont gelassen.

Giovanni war fasziniert. Er hatte noch nie eine derart attraktive Frau gesehen – noch dazu mit so leuchtend roten Haaren. Er spürte, wie seine Muskeln sich anspannten, als wollte sein Körper ihm sagen, was er, Giovanni, wollte … Schnell verdrängte er den Gedanken, bevor seine Fantasie mit ihm durchging. Er beschloss, Kates Begrüßung so gleichmütig und unverbindlich wie möglich zu erwidern. Doch am liebsten hätte er den Mund auf ihren gepresst.

„Giovanni?“ Seine Patin sah ihn fragend und ein wenig überrascht an.

Er räusperte sich. „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen“, sagte er schließlich kühl.

Seine tiefe Stimme ließ Kate erschauern. Giovanni hatte einen sehr erotischen Akzent mit leicht amerikanischer Färbung. Sag das noch einmal – aber diesmal bitte so, als würdest du es ernst meinen, dachte sie empört. Obwohl er nicht ihr Typ war, konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden. Sie kannte nur sehr wenige derart gut aussehende Männer: Er hatte einen bronzefarbenen Teint, edle, markante Gesichtszüge und war muskulös und durchtrainiert. Mit anderen Worten: Giovanni Calverri war für viele Frauen bestimmt der Traummann schlechthin.

„Ganz meinerseits“, erwiderte Kate, rang sich ein höfliches Lächeln ab und fragte: „Sind Sie Italiener?“

„Italiener?“, wiederholte Giovanni spöttisch. Um seinen sinnlichen Mund zuckte es leicht. Warum, um alles in der Welt, wirkte er nur so aufgebracht?

„Diu Mio!“ Seine blauen Augen funkelten. „Ich bin Sizilianer, kein Italiener!“

„Ist das denn etwas anderes?“, fragte Kate gespielt unschuldig und sah ihn erstaunt an.

„O nein“, mischte sich Lady St. John leise ein.

Giovanni bemerkte Kates schalkhaften Blick und wie sein Körper darauf reagierte. Ihm fiel auf, dass ihre klaren Augen grün waren und fast auf einer Höhe mit seinen. Für Giovanni war es ein neues und faszinierendes Gefühl, nicht auf eine Frau hinunterblicken zu müssen. Unwillkürlich fragte er sich, wie es wäre, Kates nackten Körper an seinem zu spüren, und sofort durchflutete ihn eine Welle des Verlangens. Er schluckte und verdrängte das Gefühl ganz schnell.

„Wollen Sie damit sagen, dass Sie den Unterschied zwischen Sizilien und Italien nicht kennen?“, fragte er.

„Sonst würde ich wohl kaum fragen“, erwiderte Kate ein wenig schnippisch.

Giovanni versuchte den aufsteigenden Ärger zu unterdrücken. Warum sollte diese ignorante Engländerin schließlich irgendetwas über seine Heimat wissen?

„Der Unterschied ist geradezu unermesslich groß“, antwortete er kühl. „Ihn zu erklären würde mehr Zeit in Anspruch nehmen, als ich zur Verfügung habe.“

„Ich verstehe.“ Kate stellte fest, dass Giovanni Calverri ausgezeichnet Englisch sprach. Doch noch nie hatte sich jemand ihr gegenüber so unhöflich verhalten.

„Giovanni!“, sagte in diesem Moment Lady St. John ein wenig vorwurfsvoll, „wenn du weiterhin so herablassend zu Kate bist, wird sie gleich wieder wegfahren!“

Er wandte sich zu seiner Patin um und lächelte zum ersten Mal. „Bitte entschuldige“, erwiderte er. „Ich habe eine sehr anstrengende Woche hinter mir. Ich hoffe, du hast Verständnis dafür, dass ich so kurz vor dem Mittagessen keinen Vortrag über die Geschichte Siziliens halten möchte.“

Kate war empört. Giovanni Calverri verhielt sich geradezu, als wäre sie ein lästiges Insekt.

„Machen Sie sich meinetwegen bitte keine Sorgen, Lady St. John“, sagte sie betont gelassen.

Doch Giovanni bemerkte das wütende Funkeln in ihren grünen Augen. Wie würden sie wohl aussehen, wenn ihre Besitzerin nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht erschöpft und glücklich im Bett lag? Er war erstaunt, wie sehr die Vorstellung ihn erregte. Schließlich war es nichts Außergewöhnliches, dass eine Frau ihn attraktiv fand und man ihr das anmerkte. Das hatte Giovanni schon oft genug erlebt. Doch normalerweise langweilte es ihn nur.

Bestimmt gehört sie zu jenen Frauen, die jeden Mann zu verführen versuchen, den sie begehren, redete Giovanni sich ein, und der Gedanke half ihm, endlich sein Verlangen unter Kontrolle zu bekommen.

Kate wandte den Blick ab, denn Giovannis verächtliche Miene brachte sie durcheinander. „Die Vorhänge habe ich im Wagen, Lady St. John“, fuhr sie lächelnd fort. „Ich würde sie gern aufhängen.“

„Ich kann es kaum erwarten!“, antwortete Lady St. John begeistert. „Soll Giovanni Ihnen beim Tragen helfen? Bestimmt sind sie ziemlich schwer!“

Es widerstrebte Kate, Hilfe von dem Mann anzunehmen, der sie so herablassend behandelt hatte. Energisch schüttelte sie den Kopf. „Nein, das wird nicht nötig sein“, erwiderte sie und erklärte herausfordernd: „Ich bin es gewohnt, allein zurechtzukommen.“

„Ich bewundere selbstständige Frauen“, stellte Giovanni fest, und seine blauen Augen funkelten spöttisch. „Allerdings ist allen sizilianischen Männern die Hilfsbereitschaft gegenüber dem schwachen Geschlecht angeboren. Ich bestehe also darauf, Ihnen zu helfen.“

Schwaches Geschlecht? Kate war sicher, dass er sie mit dieser Bemerkung noch mehr ärgern wollte. Und wie konnte er es wagen, sich ihrem Wunsch zu widersetzen? Sie wollte ihm gerade eine schnippische Antwort geben, doch zum Glück fiel ihr noch rechtzeitig ein, dass es keinen sonderlich guten Eindruck auf Lady St. John machen würde. Sie rang sich deshalb ein Lächeln ab und erwiderte: „Das wäre wirklich sehr nett von Ihnen.“

Giovanni verstand ihre Worte so, wie sie gemeint waren. „Nett“ war nicht gerade ein Wort, mit dem er sich identifizieren konnte. Wollte sie ihn etwa provozieren? Er lächelte kühl. Frauen waren so leicht zu durchschauen.

Völlig verunsichert folgte Kate Giovanni zum Wagen und fragte sich, warum dieser Mann eine solche Wirkung auf sie hatte. Es ist nicht sein Haus, sondern das seiner Patin, rief Kate sich in Erinnerung. Sie würde ihm schon zeigen, dass er mit seiner überheblichen Art nicht bei ihr landen konnte.

„Es ist alles da drin“, sagte sie, wies auf ihren Lieferwagen, schloss die Tür auf der Fahrerseite auf und stieg hinein. Sie trug eine enge zartgrüne Hose, die ihren Po betonte. Als sie sich kurz zur Seite wandte, ließ Giovanni den Blick über das orangefarbene Stretch-T-Shirt gleiten, unter dem sich ihre Brüste abzeichneten, und schluckte.

Die meisten rothaarigen Frauen würden sich nicht trauen, so eine Farbe zu tragen. Andererseits hatte er auch noch nie eine Frau mit so zarter, blasser Haut und so leuchtendem, dichtem Haar gesehen. Es reichte ihr fast bis zur Taille und wurde von zwei rosa Glitzerhaarspangen aus dem Gesicht gehalten. Sie passten genau zu den Armreifen, die Kate an ihren schmalen Handgelenken trug.

Er hatte schon als Kind gelernt, dass Frauen nur Gold-schmuck anlegen sollten – oder Diamanten. Außerdem sollten sie nur Seide, Kaschmir oder feine Baumwolle tragen: edle Naturstoffe, die ihre Schönheit betonten – keine enge Kleidung aus Kunstfasern. Unwillkürlich überlegte er, ob Kate wohl seidene Unterwäsche trug. Aber warum machte er sich darüber Gedanken?

„Hier ist es endlich“, sagte Kate atemlos und förderte ein großes Paket zu Tage. Dann drehte sie sich um und stellte fest, dass Giovanni sie kühl mit seinen faszinierenden blauen Augen musterte, und zwar äußerst missbilligend. Kate runzelte die Stirn. Wie kam dieser arrogante Kerl dazu, so auf sie herabzublicken?

Sie rang sich ein Lächeln ab. Bleib höflich, ermahnte sie sich. Geh gar nicht darauf ein.

„Werden Sie damit zurechtkommen?“, fragte sie höflich.

Ihr aufgesetztes Lächeln ist fast so beleidigend wie die Frage, dachte Giovanni. Sie glaubte wohl, sie könnte ihn wie einen Hilfsarbeiter behandeln! Ihm lag schon eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, doch er beherrschte sich.

„Geben Sie mir das Paket“, erwiderte er gespielt gleichgültig.

Erschrocken stellte Kate fest, dass sie wie elektrisiert war. Wieso empfand sie eine kühle, herablassende Aufforderung als erregend?

„Hier.“ Wenn das Paket nicht ein kleines Vermögen wert gewesen wäre, hätte sie es ihm einfach zugeworfen. Stattdessen musste sie es ihm so vorsichtig in die Arme legen, als wäre es ein neugeborenes Baby. Ihre Hände streiften einander, und Kate erschauerte unwillkürlich. Sie hoffte, dass Giovanni es nicht bemerkte. „Ich bringe die anderen Sachen hinein“, erklärte sie betont gleichmütig, um ihre Erregung zu überspielen.

Doch Giovanni war es nicht entgangen – schließlich war ihm Ähnliches schon oft passiert. Und wie alle Männer war auch er schon des Öfteren in Versuchung geführt worden. Er hatte jedoch noch nie einem flüchtigen Verlangen nachgegeben. Dafür war sein Ehrgefühl zu groß. Allerdings konnte er sich nicht erinnern, jemals ein so starkes Begehren verspürt zu haben wie jetzt. Ohne etwas zu erwidern, wandte er sich um und ging zum Haus.

Lady St. John erwartete sie im blauen Salon und lächelte, als Giovanni das schwere Paket hereinbrachte und auf einen Tisch legte.

„Möchten Sie, dass wir Sie allein lassen?“, fragte sie Kate, die nach Giovanni eingetreten war.

„Ja, das wäre sehr nett“, erwiderte Kate dankbar, denn sie wollte nicht, dass Giovanni ihr bei der Arbeit zusah.

„Danach werden Sie uns doch hoffentlich beim Mittagessen Gesellschaft leisten?“

Normalerweise nahm Kate diese Einladung immer an. Sollte sie es heute jedoch auch tun, während Lady St. Johns arroganter Patensohn anwesend war? Nein danke, dachte Kate. „Es ist wirklich nett von Ihnen, ich fürchte aber, dass ich heute länger brauchen werde, und möchte Sie nicht aufhalten …“

„Das tun Sie keineswegs“, fiel Lady St. John ihr ins Wort. „Wir haben ohnehin noch etwas zu erledigen. Giovanni möchte sich gern meine Gärten ansehen. Und ich kann es kaum erwarten, ihm endlich die vielen exotischen Pflanzen im Gewächshaus zu zeigen.“

„Aber vielleicht ist Miss Connors ja der Appetit vergangen?“, fragte Giovanni und lächelte spöttisch.

Kate gab sich einen Ruck und erwiderte seinen Blick. Ich werde mich nicht von ihm verunsichern lassen, dachte sie entschlossen. Um nichts in der Welt würde dieser eingebildete, selbstgefällige Kerl sie davon abhalten, vor der Rückfahrt nach London eine köstliche, angenehme Mahlzeit mit Lady St. John einzunehmen. Es wäre doch gelacht, wenn ich mich von ihm aus der Fassung bringen ließe, überlegte Kate.

„Ich habe seit heute Morgen um sechs nichts mehr gegessen“, erwiderte sie wahrheitsgemäß, „und würde sehr gern zum Mittagessen bleiben.“

Giovanni blickte sie prüfend an. Ob Kate zu jenen Frauen gehörte, die auf ihre Linie nicht achten mussten? Oder würde sie nach einem ausgiebigen Mittagessen drei Tage nur von Luft und Wasser leben?

„Das ist schön“, sagte Lady St. John. Dann wandte sie sich an ihren Patensohn. „Komm, Giovanni“, forderte sie ihn auf, „ich werde dir farbenprächtige Blumen zeigen, die sogar mit der wunderschönen sizilianischen Pflanzenwelt mithalten können!“

Giovanni lächelte gutmütig. „Das wage ich zu bezweifeln.“

Nachdem die beiden gegangen waren, begann Kate die Vorhänge anzubringen. Sie musste sich so darauf konzentrieren, dass sie nicht weiter an den faszinierenden dunkelhaarigen Sizilianer dachte.

Sie war gerade fertig, da hörte sie Schritte hinter sich und wandte sich auf der Trittleiter um. Es war Giovanni. Er betrachtete die Vorhänge und ließ den Blick über den in Gold-tönen und tiefem Blau gehaltenen Stoff gleiten und sah dann Kate an.

„Sie wirken überrascht“, stellte sie leise fest.

Er war es tatsächlich, denn er hatte damit gerechnet, dass Kate etwas zu Modernes aussuchen würde, was in dem wunderschönen alten Haus fehl am Platze gewesen wäre.

„Ich bin es ein wenig“, gab er zu und zuckte auf typisch sizilianische Art die Schultern.

„Dachten Sie, dass ich keinen Geschmack habe?“

Giovanni betrachtete ihr Gesicht und ließ den Blick über ihre grünen Augen, die blasse, zarte Haut und das leuchtend rote Haar gleiten. Erneut wurde er von heftigem Verlangen erfasst. „Solche Fragen sollten Sie nicht stellen, wenn Sie die Antworten nicht wirklich hören möchten.“

Schnippisch erwiderte Kate: „Ich bin schon ein großes Mädchen, Mr Calverri …“

Signor Calverri“, verbesserte er sie sanft.

„Und wie lautet Ihre Antwort?“

Giovanni bemerkte, dass ihr Atem schnell und unregelmäßig ging, und sein Herz begann heftig zu schlagen. „Sie haben in der Tat einen erlesenen Geschmack“, erwiderte er ruhig.

Kate senkte den Blick, bevor Giovanni das Verlangen in ihren Augen sehen konnte. Sie fand ihn wirklich nicht sympathisch. Weshalb wollte sie dann trotzdem sein Kompliment am liebsten immer wieder hören?

„Danke“, sagte sie ein wenig atemlos und stieg unsicher die Trittleiter hinunter. Erleichtert bemerkte sie, dass Lady St. John zu ihnen in den Salon gekommen war.

„O Kate, das sieht einfach perfekt aus!“, rief sie erfreut. „Es ist noch viel schöner, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte!“

Unwillkürlich dachte Kate, dass ihre Träume von Giovanni Calverri handeln würden. Wie mochte es wohl sein, wenn er sie ausziehen oder mit seinen sinnlichen Lippen küssen würde?

„Kate, Sie sollten jetzt aber wirklich etwas essen“, stellte Lady St. John fest. „Sie sind ja ganz blass!“

„W…wirklich?“ Kate presste sich die Fingerspitzen an die Schläfen und versuchte sich zu beruhigen, während sie in ein wunderschönes, sonnendurchflutetes Zimmer gingen, von dem aus man auf den Garten sah. Giovanni konnte den Blick nicht von Kates schlanken Hals wenden. Er redete sich ein, es würde ihm leicht fallen, ihr zu widerstehen, während die Sonnenstrahlen ihr rotes Haar in Flammen zu setzen schienen. Mit undurchdringlicher Miene wartete er, bis die beiden Frauen sich gesetzt hatten. Dabei entging ihm nicht, dass Kate tief errötet war.

„Kate, darf ich Ihnen ein Glas Wein anbieten?“, fragte Lady St. John.

Kate schüttelte den Kopf und wich Giovannis Blick aus. Er lächelte, doch es wirkte nicht freundlich, sondern fast grausam. Auf gar keinen Fall würde sie jetzt Alkohol trinken! „Nein, vielen Dank. Ich trinke lieber Wasser, denn ich muss ja noch Auto fahren und werde mich auch gleich nach dem Essen auf den Weg machen.“

Obwohl Kate keinen Appetit hatte, zwang sie sich, wenigstens ein bisschen zu essen. Denn sonst hätte Giovanni sofort bemerkt, wie nervös seine Gegenwart sie machte. Insgeheim betrachtete sie seine langen, schlanken Finger, als er sich geschickt etwas vom Brot abbrach. Ich benehme mich wie ein verliebtes Schulmädchen, dachte Kate entgeistert. Dabei war sie siebenundzwanzig Jahre alt! Sie schluckte und blickte ihm in die Augen. Sofort überkam sie ein unwiderstehliches Verlangen. Er ist doch gar nicht dein Typ, rief sie sich in Erinnerung.

„Sind Sie aus geschäftlichen Gründen nach England gekommen oder zum Vergnügen?“, fragte Kate.

Giovanni bemerkte, dass ihr die Stimme zu versagen drohte und ihre sinnlichen Lippen leicht bebten. Sofort verspürte er den Wunsch, sie zu küssen – und war entsetzt über seine Schwäche. „Ich bin auf Geschäftsreise“, erwiderte er. „Aber natürlich ist es immer ein großes Vergnügen, mich mit meiner Patin zu treffen.“

„Und was machen Sie beruflich?“

Lady St. John wies mit einer eleganten Handbewegung auf das Besteck und einen mehrarmigen silbernen Kerzenleuchter, der in der Mitte des Tisches stand. „Die Familie Calverri exportiert ihre Produkte in Länder auf der ganzen Welt“, fügte sie stolz hinzu.

Endlich verstand Kate. Wäre sie von Giovanni Calverri nicht so fasziniert gewesen, wäre sie sicher schon eher darauf gekommen. „Calverri-Silber?“, fragte sie überwältigt. „Sie sprechen von dem Calverri-Silber?“

„Es gibt nur eins“, erwiderte Giovanni herablassend.

Nun war klar, warum er einen so extravaganten Wagen fuhr und einen maßgeschneiderten Anzug trug. Giovanni war es gewohnt, von allem nur das Beste zu haben. Alle reichen Menschen mit Geschmack, die Kate kannte, besaßen Calverri-Silber. Die Firma stellte detailgetreue Nachbildungen antiker Stücke, aber auch klassisch schöne selbst entworfene Teile her, die sehr geschätzt wurden.

„Ihr Unternehmen ist ausgesprochen erfolgreich“, stellte Kate fest.

„Selbstverständlich! Unter Giovannis Leitung hat die Firma auf dem internationalen Parkett unglaublich zugelegt“, erklärte Lady St. John stolz.

Er zuckte die Schultern. „Wir haben schließlich ausgezeichnete Mitarbeiter, Elisabeth“, erwiderte er gelassen. „Und ich bin nur ein kleines Rädchen in einem gut geölten Getriebe.“

Diese falsche Bescheidenheit passt nicht zu ihm, dachte Kate unwillkürlich und bemerkte, wie herausfordernd Giovanni sie ansah. Offenbar wusste er genau, was in ihr vorging. Sie wandte den Blick ab und widmete sich dem Lachs auf ihrem Teller. Jetzt übertreibst du aber, ermahnte sie sich. Ihre Gedanken hatte bislang schließlich noch keiner lesen können.

„Das Essen ist wirklich ganz ausgezeichnet“, stellte Kate höflich fest.

Du lügst, dachte Giovanni, du hast es ja kaum angerührt, angela mia.

In diesem Moment, die Teller waren gerade abgeräumt worden, begann Kates Handy in ihrer Tasche zu klingeln, woraufhin Giovanni Kate einen missbilligenden Blick zuwarf. Du meine Güte, dachte sie entgeistert. Wo war sie nur mit ihren Gedanken gewesen? Sie stellte das Handy während des Essens sonst immer ab!

„Sie sollten den Anruf besser entgegennehmen“, meinte Lady St. John freundlich.

„Bitte entschuldigen Sie mich“, erwiderte Kate und stand auf. Sie war froh über die Gelegenheit, Giovannis durchdringendem Blick zu entkommen. Doch dann sah sie, dass ihre ältere Schwester die Anruferin war.

Kate nahm das Gespräch entgegen. „Hallo, Lucy … nein, natürlich nicht, das verstehe ich sehr gut. Wenn es nun einmal ein Notfall ist …“

„Wovon redest du?“, fragte Lucy überrascht. „Was für ein Notfall?“

„Nein, natürlich werde ich sofort zurückkommen“, fuhr Kate so laut fort, dass Giovanni und Lady St. John jedes Wort verstehen konnten. „Ich bin mit meiner Arbeit hier fertig. Und sicher wird man es mir nicht übel nehmen, wenn ich nicht zum Dessert bleibe.“

„Ich hoffe, du wirst mir nachher eine Erklärung für all das geben“, sagte Lucy trocken.

„O ja, natürlich! Auf jeden Fall!“, erwiderte Kate. Doch wie, um alles in der Welt, sollte sie ihrer Schwester begreiflich machen, dass ein arroganter, herablassender Mann ihr den Kopf verdreht hatte – der atemberaubendste Mann, dem sie je begegnet war?

Kate erschauerte, als die Erkenntnis sie mit aller Wucht traf: Sie begehrte Giovanni Calverri.

2. KAPITEL

„Du meine Güte, Kate, was ist denn nur mit dir los?“, fragte Lucy und sah ihre Schwester, deren Blick merkwürdig ausdruckslos wirkte, besorgt an.

Während der ganzen Fahrt von Sussex, wo Lady St. John lebte, nach London war Kate entsetzt über ihr Verhalten gewesen. Sie hatte keinen klaren Gedanken fassen können und war nach der Ankunft sofort zu ihrer Schwester gegangen. Und sobald sie in Lucys elegant eingerichtetem Apartment gewesen war, hatte sie zu zittern begonnen.

„Ich benehme mich wirklich albern. Es ist ja gar nichts passiert.“ Sie schüttelte den Kopf.

„Aber du lässt sonst nie dein Handy während des Essens an“, stellte Lucy fest und runzelte die Stirn. „Das ist doch eine deiner goldenen Regeln.“

Autor

Sharon Kendrick
<p>Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
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