Stürmische Versöhnung mit dem Ex

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Mia ist wie erstarrt: Ihr Ex-Verlobter Rocco Vitelli stürmt frech in ihr Cottage! Vor drei Jahren verbannte er sie eiskalt aus seinem Bett und aus seinem Unternehmen. Er warf Mia vor, sie hätte ihn ausspioniert. Auf keine ihrer flehentlichen Nachrichten, dass sie ein Kind erwartet, hat er damals reagiert. Warum ist er jetzt so erstaunt, als er ihren süßen Sohn sieht? Wie kann er ernsthaft verlangen, dass sie zu ihm nach Sizilien zieht? Und vor allem - warum küsst Rocco sie so heiß, dass ihr einsames Herz sich wieder verhängnisvoll nach seiner Liebe sehnt?


  • Erscheinungstag 15.12.2020
  • Bandnummer 2470
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714581
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Er ist dein Sohn, Rocco! Du musst ihn finden!“

Unablässig gingen Rocco Vitelli die Worte seiner Großmutter durch den Kopf, während sein Jet in eine ganz andere Richtung flog, als er es heute Morgen noch geplant hatte.

Die Hand, in der er das Foto hielt, begann zu zittern.

Was seine Großmutter gesagt hatte, war einfach unmöglich. Hieß es nicht, jeder habe irgendwo auf der Welt einen Zwilling? Und selbst diese Redensart schien ihm sehr weit hergeholt, denn was er auf dem Bild sah, war ein Kind. Er war ein dreiunddreißigjähriger Mann. Das Kind hatte nichts, aber auch gar nichts mit ihm zu tun …

„Wir landen in Kürze, Signore. Brauchen Sie noch etwas?“, erkundigte sich sein Flugbegleiter.

Sagen Sie dem Piloten, er soll sofort den Kurs ändern, hätte Rocco am liebsten erwidert, doch er beherrschte sich, als er sich das blasse Gesicht seiner Großmutter vorstellte.

Stattdessen biss er die Zähne zusammen und verdeckte das Foto in seiner Hand. Die Worte seiner Großmutter ließen sich auf diese Weise allerdings nicht aus dem Bewusstsein drängen.

Dabei war es einfach lächerlich. Wenn er irgendwo auf der Welt einen Sohn hätte, sein eigen Fleisch und Blut, so wüsste er das …

Eine Woge lang unterdrückter Sehnsucht erfasste ihn, so stark, dass es ihm fast den Atem raubte.

Er würde es wissen. Beim Sex mit seinen Liebhaberinnen war er äußerst vorsichtig. Keine seiner Affären der jüngsten Vergangenheit hatte länger als einige wenige Wochen gedauert – und er hatte strikt darauf geachtet, sich nicht mit einer Engländerin einzulassen.

Er hatte seit Jahren keinen Fuß mehr auf englischen Boden gesetzt und keine Britin mehr angefasst, seit …

„Signore?“

Er seufzte. „Nein, danke.“

Er gab sich das Versprechen, dass er nur diese eine Ausnahme machen würde. Seine Großmutter bat ihn sonst nie um einen Gefallen. Nicht, weil er ihn ihr nicht getan hätte, sondern weil sie der Ansicht war, nichts weiter zu brauchen als das Dach über dem Kopf, für das er sorgte. Nach allem, was er ihr zu verdanken hatte, war dieser Abstecher nach England das Mindeste, was er für Nonna tun konnte, und sei es nur, um sie zu beruhigen. Auch wenn die Reise nach England bittere Erinnerungen in ihm hervorrief.

So oder so würde es ein äußerst kurzer Besuch werden. Wer auch immer dieser Junge sein mochte, er würde nur einen winzigen Augenblick lang eine Rolle in Roccos Leben spielen.

„Weiß der Chauffeur, wo wir hin müssen?“, fragte er den Flugbegleiter.

Si, Signore. Ich habe ihm die Adresse sofort nach dem Start per E-Mail geschickt.“

Rocco nickte zufrieden. Wenn der Verkehr es zuließ, war er schon in wenigen Stunden wieder in der Luft. Er würde einen kurzen Abstecher zu seiner Villa in Palermo machen, um Nonna zu beruhigen und ihr mitzuteilen, dass es keinen mysteriösen Urenkel gab, dessentwegen sie sich Sorgen machen müsse. Danach könnte er endlich nach Abu Dhabi zurückkehren, um die letzte Bauphase der Kinderklinik zu überwachen, die sein Unternehmen dort errichtete.

Die Maschine setzte sanft auf der Landebahn auf, und noch bevor sie ganz zum Stillstand gekommen war, eilte Rocco zum Ausgang. Sein Wagen wartete bereits auf ihn, und er ließ sich auf die Rückbank sinken, froh darüber, dass es drinnen angenehm warm war. Der Herbst hatte zwar gerade erst angefangen, aber die Temperatur lag nur knapp über null Grad.

Er lehnte sich zurück und betrachtete ein weiteres Mal das Gesicht auf dem Foto. Die engelhaften Züge und die eigenartig vertrauten blauen Augen versetzen ihm erneut einen schmerzhaften Stich.

Nein. Er würde nicht an früher denken. Nicht an sie. Er hatte die Vergangenheit hinter sich gelassen, endgültig.

Ich will kein Kind mit dir!

Er presste die Lippen aufeinander. Warum mussten die Erinnerungen, die er jahrelang erfolgreich verdrängt hatte, ausgerechnet heute wieder auftauchen?

Grimmig schob er das Foto zurück in die Brusttasche und wandte seine Gedanken Nonna zu.

Er konnte einfach nicht verstehen, dass die Werbetafel, an der seine Großmutter auf dem Weg zur Morgenmesse vorbeigekommen war, sie dermaßen aufgeregt hatte. Sie war noch auf dem Gehweg an der Seite ihrer Begleiterin zusammengebrochen. Nichts hatte sie beruhigen können, bis Rocco, nachdem er sofort zu ihr geflogen war, versprochen hatte, etwas über die Identität des Kindes herauszufinden.

Jetzt unterdrückte er einen Fluch und sah auf, als sein Chauffeur diskret hüstelte.

„Die Verkehrsnachrichten haben einen Stau gemeldet, Sir. Wenn Sie Ihren Zeitplan einhalten möchten, muss ich eine andere Route nehmen.“

Roccos Laune wurde noch schlechter. Mit jeder Faser seines Körpers wünschte er sich fort von hier, doch er hatte seiner Großmutter ein Versprechen gegeben. Und das würde er halten, auch wenn es bedeutete, sich im selben Land aufzuhalten und dieselbe Luft einzuatmen wie diese … Verräterin.

Er holte tief Luft und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.

„Fahren Sie so, wie Sie es für richtig halte. Hauptsache, es geht schnell.“

Mia Gallagher streichelte ihrem schlafenden Sohn ein letztes Mal über die samtige Wange, bevor sie mit einem leisen Lächeln auf den Lippen sein Zimmer verließ. Der Mittagsschlaf wurde allmählich zu einem Kräftemessen. Mit zweieinhalb Jahren wehrte Gianni sich immer entschiedener dagegen, sich tagsüber hinzulegen, obwohl er den Schlaf so sehr brauchte. Heute hatte er sich hinter der Tür seines Kinderzimmers versteckt, ohne zu wissen, dass seine molligen Beinchen durch den Spalt am Türrahmen sehr gut zu sehen waren. Dass er es in seinem Alter geschafft hatte, so lange reglos zu verharren, verblüffte Mia.

Ihr Lächeln schwand.

Sie wusste genau, von wem er das hatte. Schließlich besaß auch der Mann, dessen Blut durch die Adern ihres Sohnes floss, diese Fähigkeit.

Nein, sie würde jetzt nicht an ihn denken. Jetzt nicht, und auch in Zukunft nicht, wenn es nach ihr ginge.

Sie seufzte erleichtert auf, als sie die Tür hinter sich schloss. In der Stunde, die Gianni schlafen würde, konnte sie sich um die Wäsche und die Vorbereitungen fürs Abendessen kümmern.

Ihr Elan hielt genau so lange, bis sie auf dem Weg zu ihrem kleinen Wohnzimmer die Türklingel hörte.

Mrs. Hart …

Zu einem Zeitpunkt, da ihre finanzielle Situation extrem angespannt und wieder einmal eines von Giannis Fotoshootings abgesagt worden war – das dritte in nur zwei Wochen –, war die als Fürsorge getarnte Neugier ihrer Nachbarin das letzte, was Mia brauchte.

Es klingelte erneut, gefolgt von lautem Klopfen.

Wahrscheinlich hatte Mrs. Hart sie bei der Rückkehr aus dem Park beobachtet. Mia hatte keine andere Wahl, als auf das Klingeln zu reagieren, wenn sie nicht wollte, dass Gianni von dem Lärm geweckt wurde.

Sie öffnete die Tür, entschlossen, die Nachbarin mit einer höflichen, aber entschiedenen Entschuldigung abzuwimmeln – und fuhr entsetzt zurück.

Der Schock, der Frau gegenüberzustehen, die er vor drei Jahren aus seinem Leben verbannt hatte, brachte Rocco beinahe zum Wanken. Gleichzeitig aber löste ihr Anblick noch immer jähes Verlangen in ihm aus.

„Cosa è questo?“ Er wusste selber nicht, ob die Frage seiner unerwünschten körperlichen Reaktion galt oder der Tatsache, dass jemandem aus seinem Security-Team bei der Suche nach dem Aufenthaltsort des Kindes auf dem Foto ein Fehler unterlaufen sein musste. Ein so furchtbarer Fehler, dass er vollkommen unentschuldbar war.

Es würden Köpfe rollen dafür, dass er sich jetzt der letzten Person, die er jemals hatte wiedersehen wollen, gegenüberfand, dem einen Menschen, an den er nicht einmal mehr hatte denken wollen!

Er betrachtete Mia Gallagher genauer und stand ein weiteres Mal unter Schock.

Verschwunden war die perfekt frisierte, elegante und verführerische Frau, die vor drei Jahren die Zierde sowohl seines Büros als auch seines Schafzimmers gewesen war. Verschwunden waren die wie angegossen sitzenden Designer-Kostüme und das makellose Make-up in einem Gesicht, dessen Schönheit er einst verfallen war. Sie war völlig ungeschminkt, und ihr Mund, der jetzt leicht offen stand, war zwar noch immer üppig und sinnlich geschwungen, wies aber nicht einmal Spuren von Lipgloss auf.

Die Frau, die vor ihm stand, war blass und hatte dunkle Schatten unter den grünen Augen, deren früherer Glanz verschwunden war. Das honigblonde Haar war nachlässig zu einem zweckmäßigen Pferdeschwanz zusammengebunden.

Rocco ließ den Blick nach unten wandern und runzelte die Stirn. Sie hatte abgenommen, doch ihm schien es, als seien ihre Brüste voller als früher. Ihre langen Beine steckten in weiten, unförmigen Jeans.

Alles in allem eine wenig attraktive Erscheinung, weit entfernt von der verführerischen Sirene, nach der er sich verzehrt und die ihm beinahe den Verstand geraubt hatte.

Als er dennoch ein unvermitteltes Ziehen in den Lenden spürte, zuckte er innerlich zusammen.

Denk nicht einmal daran!

Er sah ihr wieder ins Gesicht und zwang sich, gegen das Begehren anzukämpfen, das trotz allem Besitz von ihm ergriff. Es ging allein darum, herauszufinden, was ihn hierher, zu dieser Frau, geführt hatte.

Er griff nach seinem Telefon, hielt aber inne, als er den Ausdruck auf ihrem Gesicht sah. War das etwa … Panik?

Natürlich! Wieso war ihm das nicht vorher klar gewesen? Sie hatte dieses Treffen eingefädelt! Und nun, da sie seine unübersehbare Wut bemerkte, bekam sie es mit der Angst zu tun.

Dio, ihre Risikobereitschaft war wahrlich beeindruckend!

Während er beobachtete, wie ihr Unbehagen wuchs, empfand er beinahe Mitleid für sie. Ihr Urteilsvermögen hatte sie vollkommen im Stich gelassen, mehr noch als bei ihrem drei Jahre zurückliegenden Verrat.

Indem sie ihn hierher gelockt hatte, seine Zeit verschwendete, die er eigentlich auf die Suche nach dem Kind auf dem Foto hatte verwenden wollen, hatte sie nur seinen lange unterdrückten Rachedurst von Neuem befeuert.

Er holte tief Luft. „Also, Mia. Bittest du mich jetzt hinein?“

In einem kleinen Bereich ihres Gehirns, der nicht in Schockstarre verfallen war, nahm Mia wahr, wie sanft Rocco Vitellis Stimme klang, wie sein dunkles Timbre ihre Sinne berührte. Dann aber begann der Schock zu schwinden und gänzlich anderen Ängsten Platz zu machen.

„Du darfst nicht hier sein!“

Sie versuchte die Tür ins Schloss zu werfen, doch mühelos hinderte Rocco sie daran.

„Was soll das alles hier?“

Seine Stimme, deren rauchiger italienischer Tonfall sie sowohl in ihren Träumen als auch Albträumen verfolgte, sandte ihr einen Schauer über den Rücken.

„Ich weiß nicht, worauf du aus bist, aber du kannst nicht einfach bei mir zu Hause auftauchen und mich in Schwierigkeiten bringen!“

„Schwierigkeiten? Solltest du dich nicht eher erkundigen, wie es mir geht? Immerhin warst du diejenige, die diese Begegnung eingefädelt hat.“ Geschmeidig bewegte er sich an ihr vorbei. Sie hatte nur die Wahl, ihn vorbeizulassen oder die Berührung mit seinem muskulösen, schlanken Körper zu riskieren.

Ihr Herz hämmerte wild, als sie sah, wie er mit seiner groß gewachsenen dunklen Statur ihr Wohnzimmer fast ganz ausfüllte.

Um Himmels willen, Rocco war hier – in ihrem Zuhause!

Die Anspannung schnürte ihr fast die Kehle zu, doch es gelang ihr zu sagen: „Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber ich möchte, dass du gehst. Meine Nachbarin, Mrs. Hart, wird aussagen können, dass du uneingeladen hier aufgetaucht bist.“ Durch das Fenster sah sie, dass Roccos silberne Limousine bereits, Aufmerksamkeit auf sich zog. Gut so. Sollte Mrs. Hart sich nicht auf ihrem üblichen Überwachungsposten am Fenster befinden, gäbe es noch andere Zeugen.

Roccos rabenschwarze Augenbrauen schossen nach oben. „Aussagen? Bist du schon wieder mit dem Gesetz aneinandergeraten, cara? Was ist es diesmal?“ Er trat auf sie zu und blieb viel zu nahe vor ihr stehen blieb.

Sie wich keinen Millimeter zurück. „Was soll das heißen? Soll das ein Witz sein?“

Sein Blick bohrte sich in ihren.

„Du musst schon ziemlich verzweifelt sein, wenn du darauf hoffst, dass deine Nachbarn dir aus welcher Klemme auch immer helfen.“ Er hielt inne und verengte die Augen. „Oder ist das der Grund, weshalb ich hier bin?“

Sein äußerst maskuliner Duft drang ihr in die Nase und rief Erinnerungen in ihr hervor, die sie für immer verdrängt zu haben gehofft hatte.

„Wie meinst du das? Das hier ist mein Haus. Du bist einfach so hier aufgetaucht. Ich will, dass du gehst. Sofort!“

Rocco stand vor ihr wie versteinert.

Egal wie oft sie es schon beobachtet hatte, aber seine Fähigkeit, absolut reglos zu verharren, hatte sie schon immer fasziniert. Sie konnte den Blick nicht abwenden, genau wie sie vor nicht einmal zehn Minuten auf die Tür gestarrt hatte, hinter der ihr Sohn gestanden hatte …

Gianni.

Mia schloss die Augen. Atme. Ganz ruhig. Das hier ist nur ein böser Traum. In ein paar Minuten ist alles vorbei.

„Ich hasse Spielchen, cara.“ Er klang drohend. „Du hast mich hierher gelockt. Sag mir wenigstens, warum.“

Sie riss die Augen auf. „Dich hierher gelockt? Bist du völlig verrückt geworden?“

Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Im Gegenteil. Welchen meiner Angestellten hast du dieses Mal bestochen, um das hier durchzuziehen?“

Mia schnappte nach Luft. „Wie bitte?“

„Ist das nicht deine übliche Vorgehensweise?“, fuhr er mit tiefer, samtweicher Stimme fort. „Meine Mitarbeiter zu benutzen, um zu bekommen, was dir nicht gehört? Woher wusstest du, wohin meine Großmutter gehen würde? Oder wohin ich wollte? Von meinem Piloten oder dem Fahrer jedenfalls nicht. Sie arbeiten seit Jahren für mich, und ich vertraue ihnen blind.“

Nachdem, was er ihr angetan hatte, hatte Mia nicht geglaubt, Rocco jemals wiederzusehen. Und doch stand er vor ihr, groß, dunkel und tödlich, und überzog sie voller Rachsucht mit denselben falschen Anschuldigungen. Es tat noch immer weh.

Noch vor drei Jahren hatte sie geglaubt, sie hätte alles, was sie zum Glücklichsein brauchte, nur um dann auf grausamste Weise alles genommen zu bekommen.

Und auch das war nichts gewesen im Vergleich zu dem, was Rocco ihr angetan hatte, nachdem er sie aus seinem Leben verbannt hatte. Damals hatte sie versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen, ihn dazu zu bringen, sie anzuhören und seine Meinung über sie zu ändern. Erst da hatte er ihr gezeigt, was Vergeltung war. Und erst da hatte sie begriffen, wie mächtig Rocco Vitelli wirklich war.

„Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon du sprichst.“ Das Sprechen fiel ihr schwer, so sehr schmerzte Mia der Gedanke daran, wie dieser göttliche, herzlose Mann ihr Leben zum Einsturz gebracht hatte.

Er verzog den Mund. „Du lügst also noch immer. Aber warum sollte mich das überraschen? Die Katze lässt eben das Mausen nicht, oder, cara? Doch lass mich dir einen Rat geben: Wenn du das nächste Mal einen Mann betören möchtest, zieh dir etwas Anständiges an. Eine ausgebeulte Jeans und ein schäbiges Oberteil turnen nicht gerade an.“

„Wie kannst du es wagen …!“

„Spar dir deine Worte und sag mir endlich, was ich hier soll.“

Mia versuchte die aufsteigenden Tränen fortzublinzeln. „Nein, ich werde sie mir nicht sparen! Ich habe es dir damals gesagt und ich sage es jetzt: Ich habe dich nie bestohlen!“

„Ach, tatsächlich? Dann erkläre mir doch mal, wie die Baupläne von einem verschlüsselten USB-Stick aus meinem Safe in deinen Besitz geraten sind. Oder warum gerade die Firma, die gegen Vitelli Construction geboten hatte, kurz nachdem du dort warst, auf einmal Kopien der Pläne hatte.“

Mia hob das Kinn. „Ich habe es dir schon einmal gesagt. Ich weiß es einfach nicht.“

„Und ich habe dir schon einmal gesagt, dass du lügst.“ Seine Stimme triefte vor Verachtung.

Mia hatte geglaubt, mittlerweile immun gegen seine Anfeindungen zu sein, doch sie hatte sich geirrt. Sie zogen ihr noch immer das Herz zusammen und raubten ihr schier den Atem. Dabei hatte sie wahrlich genug gelitten. Rocco hatte sie gedemütigt, hatte ihren Namen und ihren Ruf in einem Gerichtsprozess zerstört, und, was am allerschlimmsten gewesen war, sein ungeborenes Kind verleugnet. Und jetzt stand er vor ihr. Warum nur? Wollte er ihr noch mehr zusetzen?

„Mir ist egal, was du denkst. Ich will nur, dass du mein Haus verlässt.“ Zum Glück klang ihre Stimme fest und kühl. „Und zwar sofort.“

Bevor Gianni aufwachte. Rocco machte sich vielleicht nichts aus seinem Kind, aber Mia wollte nicht, dass ihr Sohn erfuhr, was sein Vater ihnen angetan hatte.

Sie blickte kurz nach oben und betete im Stillen, dass Gianni ihren Streit nicht gehört hatte.

„Behauptest du etwa, du hättest dieses Treffen nicht arrangiert?“ Nur seine Lippen bewegten sich, sein restlicher Körper war völlig reglos.

Die Frage war so absurd, dass sie am liebsten laut aufgelacht hätte, wären da nicht ihre Angst und dieses absurde sexuelle Verlangen, das sie vollkommen gegen ihren Willen durchflutete.

„Das habe ich ganz sicher nicht. Wenn das alles ein Witz sein soll, finde ich ihn nicht besonders komisch.“ Und wenn seine Anwälte noch mehr Einschüchterungsversuche auf sie abfeuerten, würde sie sich dagegen wehren!

Seine Augen wurden schmal. „Ein Witz? Glaubst du allen Ernstes, ich hätte mich freiwillig in deine Gesellschaft begeben?“

Damit er nicht sah, wie sehr seine Worte sie getroffen hatten, drehte Mia sich um und ging zu dem Sessel, der am weitesten entfernt stand – was in diesem kleinen Zimmer nur wenige Schritte waren.

Am liebsten hätte sie sich tief hineinsinken lassen. Es war der alte Lieblingssessel ihrer Großmutter, und nur zu gerne hätte sie dort Trost gesucht, doch das wäre ein Zeichen von Schwäche gewesen.

Stattdessen floh sie hinter den Sessel und legte die Hände auf die Rückenlehne. Als sie Rocco genauer in Augenschein nahm, war sie froh, dass sie sich irgendwo festhalten konnte.

Unverfälschte, vernichtende Männlichkeit. Die drei Jahre hatten die machtvolle Anziehungskraft, die ihn wie ein unsichtbarer Umhang umgab, nur noch verstärkt. Die wenigen grauen Einsprengsel in seinem ansonsten pechschwarzen Haar ließen ihn distinguierter wirken, und der maßgeschneiderte italienische Designer-Anzug betonte seine breiten Schultern und die perfekte Symmetrie seines wie gemeißelten Körpers.

Wie Mia aus schmerzhafter Erinnerung wusste, haftete seinen fast ein Meter neunzig nicht ein Gramm Fett an. Seine ausgeprägten Muskeln, sein fester Körper und dessen ebenmäßige Konturen hatten sie immer schon fasziniert.

Doch es war sein Gesicht – mit der geraden Nase, den ausgeprägten Wangenknochen und dem kantigen Unterkiefer mit dem leichten Bartschatten –, das ihr immer wieder den Atem raubte. Mit seinen tiefliegenden blauen Augen konnte er ein ganzes Publikum in seinen Bann ziehen, sein Blick konnte vor Leidenschaft brennen oder grausam töten.

Mia sah auf seine sinnlich geschwungenen Lippen, und sofort verspürte sie ein elektrisierendes Brennen tief in ihrem Innern. Lieber Gott, was hatte dieser Mund ihr nicht alles gegeben!

Als sie ihm in die Augen blickte, bemerkte sie, dass er sie ebenso eingehend musterte wie sie ihn. Er musste von hier verschwinden – sofort!

„Das ist mir ehrlich gesagt egal, Rocco. Nicht egal allerdings ist mir, dass du dich in meinem Haus befindest, und zwar ohne meine Einwilligung.“

Ihr Griff um die Sessellehne wurde fester, als er den Kopf leicht hob. Sein Blick bohrte sich in sie, und selbst über die Entfernung hinweg begann sie darunter zu glühen.

„Bist du dir da sicher? Du bekommst vor Erregung kaum noch Luft, und ich soll dir abkaufen, diese … Wiedervereinigung sei nicht geplant gewesen?“, spottete er.

„Verwechsle Wut nicht mit Erregung, Rocco. Ich hatte schon immer meine Zweifel bei ein paar Leuten, die für dich arbeiten. Anscheinend ist hier jemandem ein Fehler unterlaufen. Wieder einmal.“

Die letzten beiden Worte hingen zwischen ihnen in der Luft, bis Rocco ihr ein sarkastisches Lächeln schenkte. „Auch du hast einmal für mich gearbeitet. Bis es dir gelungen ist, deinen Status zu verbessern.“

„Glaub doch, was du willst. Das hier“, sie zeigte erst auf ihn, dann auf sich selbst, „war nicht meine Schuld.“

Langsam ging er auf sie zu. Er streckte eine Hand aus und strich ihr mit einem Finger über die glühende Wange. „Du warst schon immer gut darin, Dinge abzustreiten, nicht wahr, tesoro?“ Er sprach leise, hypnotisierend, während er mit einem Daumen ihre Unterlippe liebkoste.

Mia sog die Luft ein, innerlich brannte sie. Roccos Duft umgab sie wie ein Zauber, und sie kämpfte darum, ihre Sinne beieinander zu halten. Es gab Wichtigeres, woran sie denken musste.

Wie zum Beispiel Gianni, der aufwachen konnte, solange Rocco sich noch im Haus befand.

„Dieses Gespräch führt zu nichts. Du bist anscheinend irgendwo falsch abgebogen. Sag mir, wohin du wolltest, und ich erkläre dir gerne den richtigen Weg.“

Er ignorierte ihren Vorschlag und fuhr fort, ihr Gesicht zu streicheln und einen Hunger in ihr auszulösen, der ihr Angst einjagte.

„Es überrascht mich, dass du dir nichts Neues einfallen lässt. Sowohl auf deinem Computer als auch auf deinem Handy war der Termin eingetragen. Du hast das Treffen genutzt, um meinem Konkurrenten vertrauliche Pläne zukommen zu lassen. Das haben mehrere Leute bestätigt.“

„Ich habe nie bestritten, bei der Besprechung gewesen zu sein, aber ich war der Überzeugung, das sei in meiner Funktion als deine Baustatikerin gewesen.“

Er umfasste ihr Kinn und hob es an. „Aber praktischerweise hast du vergessen mir mitzuteilen, dass du sensible Informationen über das Projekt in Abu Dhabi weitergegeben hast. Und dass du ein Stellenangebot von meinem schärfsten Konkurrenten angenommen hast.“

Mia biss die Zähne zusammen. „Ich habe keine sensiblen Informationen weitergereicht. Und ja, mir wurde ein Job angeboten, und aus Höflichkeit habe ich gesagt, dass ich darüber nachdenken würde. Außerdem war es nie ein ernsthafter Konkurrent für Vitelli Construction.“

Rocco lächelte überlegen. „Da stimme ich dir zu. Dieser Aspekt deines Betruges ist deutlich überbewertet worden und hat mir keine schlaflosen Nächte bereitet.“

Das überraschte Mia. Wenn Rocco sie deswegen nicht verdammt hatte … „Warum hast du dann …?“

Sein Lächeln schwand, und die eben noch erotisch geladene Atmosphäre verwandelte sich in Eiseskälte. „Das wagst du mich zu fragen?“

Verwirrt rieb sie sich die Schläfen. „Verstehe ich dich richtig? Du hast unsere Verlobung gelöst, mich gefeuert und mich aus der Mailänder Zentrale geworfen, weil du geglaubt hast, ich hätte deine Blaupläne geklaut und einem Konkurrenten gegeben, um einen Job zu bekommen.“

„Nicht geglaubt. Ich habe es gewusst.“

„Wenn dir das aber gar nicht so wichtig erschien, warum hast du dann unsere Beziehung beendet?“

Er musterte sie mit kaltem Blick.

Rocco war kein Mann, mit dem man sich anlegte, das wusste Mia aus eigener schmerzvoller Erfahrung. Warum tat sie es dann? Warum hielt sie nicht einfach den Mund und ließ ihn gehen? Was für einen Unterschied machte es schon, dass er sich zwei Monate vor der Hochzeit von ihr getrennt hatte? Und was für eine Rolle spielte es noch, dass die gestohlenen Baupläne anscheinend nicht der einzige Grund waren, weshalb er sie von sich gestoßen hatte?

Was er danach getan hatte, war unverzeihlich. Er hatte ihr Leben ruiniert und auf grausamste Weise sein ungeborenes Kind abgelehnt. Sie musste auf der Hut sein. Allein um Giannis willen durfte sie nicht im Gefängnis landen …

„Meinst du diese Frage wirklich ernst?“, zischte er schließlich.

„Das spielt keine Rolle mehr …“

„Es spielt keine Rolle? Hast du auch nur die leiseste Ahnung, was du meiner Großmutter angetan hast? Weißt du, wie sehr es ihr das Herz gebrochen hat, als du gesagt hast, du würdest kein Kind mit mir haben wollen?“

Mia schnappte nach Luft. „Aber …“

„Sie war wochenlang untröstlich!“

Seine Heftigkeit brachte sie zum Schweigen.

Seine Großmutter bedeutete Rocco alles, und das hieß, dass sie auch Mia extrem wichtig geworden war. Nonnas tiefe, bedingungslose Zuneigung hatte die Wunden gelindert, die das distanzierte Verhalten Mias eigener Mutter und deren früher körperlicher Verfall verursacht hatten, den Mia einer lebenslangen Verbitterung und Apathie zuschrieb.

„Es war nie meine Absicht, deine Großmutter aufzuregen.“

Rocco holte tief Luft. „Ich gebe dir eine letzte Chance. Sag mir, warum ich hier bin.“

„Ich habe dich nicht hergelockt. Sag du mir also, was du hier willst.“

Er antwortete nicht. Dafür nahm er den Blick von ihr und ließ ihn durch das unaufgeräumte kleine Zimmer schweifen.

Mia folgte seinem Blick. Die Sitzmöbel waren alt, aber nicht abgenutzt. Ihre Großmutter war stolz auf ihr Haus gewesen, ganz anders als Mias Mutter, die mit ihrer Tochter in einer winzigen Wohnung gelebt hatte. Alles dort hatte Verzweiflung und Verbitterung ausgestrahlt, von den dunklen Vorhängen bis hin zu den kalten Fußböden und der grausamen Missachtung, mit der Mia bestraft worden war. Nur weil sie es gewagt hatte, geboren zu werden.

Als sie schließlich einen Job erst in London, dann in Italien ergattert hatte, war das schlechte Gewissen ihrer Mutter gegenüber zwar groß gewesen, die Erleichterung darüber, ihrem düsteren Einfluss entronnen zu sein, hatte aber überwogen.

Doch mit jedem deprimierenden Telefonat und mit jedem seltenen Besuch in den darauffolgenden Jahren, bevor sich der Gesundheitszustand ihrer Mutter rapide verschlechtert hatte, waren in Mia die Zweifel an ihrem eigenen Wert gewachsen. Würde sie ihren eigenen Kindern die gleiche Ablehnung und Apathie entgegenbringen, wie ihre Mutter es getan hatte?

Seither hatte ihr die Vorstellung, selber Mutter zu werden, Angst eingeflößt. Was, wenn sie ihrem Kind keine Liebe schenken konnte? Woher sollte sie wissen, dass die Verbitterung ihrer Mutter sich nicht auf sie übertragen hatte und dass sie dieses Gefühl nicht an ihr eigenes Kind weiterreichen würde?

Die Antwort hatte sie in dem Moment erhalten, als sie Gianni das erste Mal in den Armen gehalten hatte.

Gianni.

Der Gedanke an ihren Sohn erdete sie.

Sie beobachtete Rocco, der weiter ihr Haus in Augenschein nahm.

Die Bilder hatte sie von den Wänden genommen, um die Wände, von denen die Farbe bereits abblätterte, neu zu streichen, doch hatten ihre schwindenden Finanzen das Projekt zum Erliegen gebracht. Auf dem Boden lagen billige Teppiche, einer davon vor dem Kamin, damit Gianni an kalten Tagen dort spielen konnte.

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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