Sweet Filthy Boy - Weil du mir gehörst

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Sexy, süß, verführerisch: Der erste Band von Christina Laurens neuer Erfolgsreihe!

Eine brave College-Absolventin. Ein verführerischer Franzose. Eine schicksalhafte Nacht in Las Vegas …Mia Holland will noch ein bisschen Spaß haben, bevor mit dem Studium endgültig der Ernst des Lebens beginnt. Alles ist vorbestimmt … bis sie in Las Vegas diesen supersexy Franzosen trifft, dessen heiße Küsse sie all ihre Zukunftspläne vergessen lassen. Ist sie nicht schon viel zu lange viel zu brav gewesen? Ansel Guillaume will eigentlich nur eine wilde Partynacht verbringen, bevor er wieder zurück nach Frankreich fliegt. Zumindest bis er die atemberaubende Mia kennenlernt. Doch er wünscht sich mehr als einen One-Night-Stand - und fasst deshalb einen verrückten Plan, um Mia mit sich nach Paris zu nehmen …


  • Erscheinungstag 10.11.2015
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783956495038
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Christina Lauren

Sweet Filthy Boy – Weil du mir gehörst

Roman

Aus dem Amerikanischen von
Mette Friedrichs

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2015 by MIRA Taschenbuch
in der HarperCollins Germany GmbH

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
Sweet Filthy Boy

Copyright © 2014 by Lauren Billings und Christina Hobbs
erschienen bei: Gallery Books, New York

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition is published by arrangement with the original publisher, Gallery Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Maya Gause

Titelabbildung: Simon & Schuster, New York;

Getty Images, München / STOCK4B Creative

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Satz: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-95649-503-8

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

EINS

Mia

Der Tag, an dem wir offiziell unser Collegezeugnis in Empfang nehmen, ist in keinster Weise so, wie er in Filmen dargestellt wird. Ich werfe meine Mütze in die Luft und sie segelt wieder runter und fällt jemandem auf die Stirn. Dem Hauptredner weht das Manuskript davon, und er beschließt zu improvisieren: Er lässt eine durch und durch uninspirierte Ansprache an die College-Absolventen vom Stapel, in der es darum geht, begangene Fehler in Bausteine für eine bessere Zukunft zu verwandeln, und gibt anschließend noch ein paar peinliche Geschichten über seine jüngste Scheidung zum Besten. Im Film sieht keiner jemals so aus, als würde er in seiner Polyester-Robe gleich einem Hitzeschlag erliegen …

Ich würde jemandem viel Geld dafür bezahlen, damit er alle Bilder verbrennt, die heute von mir gemacht wurden. Aber trotzdem gelingt es diesem Tag irgendwie, perfekt zu sein.

Denn, Scheiße noch mal, wir haben es geschafft.

Nach dem Mittagessen stehen wir vor dem Restaurant, und Lorelei – oder „Lola“ für die einigen wenigen, die es in ihren engeren Freundeskreis geschafft haben – holt die Schlüssel aus ihrer Handtasche und wedelt mit ihnen feierlich vor mir herum. Ihr Dad küsst sie auf die Stirn und versucht so zu tun, als hätte er nicht leicht feuchte Augen. Harlows gesamte Familie versammelt sich um sie, und alle umarmen sich und versuchen, sich zu übertönen, erleben noch einmal die wichtigsten Momente – als Harlow die Bühne betreten und ihren College-Abschluss in Empfang genommen hat –, bevor sie mich dicht an sich heranziehen und meine fünfzehn Sekunden des Ruhmes aufbereiten. Als sie mich loslassen, lächle ich, sehe ihnen zu, wie sie ihre netten, vertrauten Rituale zum Abschluss bringen.

Ruf an, sobald ihr gut angekommen seid.

Benutz deine Kreditkarte, Harlow. Nein, die American Express. Schon in Ordnung, Liebes, das ist dein Geschenk zum Collegeabschluss.

Ich hab dich lieb, Lola. Fahr vorsichtig.

Wir reißen uns die erdrückenden Roben vom Leib und lassen uns in Lolas alten, schrottigen Chevy fallen. Eingehüllt in eine Wolke aus Abgasen und ausgelassenen Schreien nach Musik, Alk und dem ganzen Wahnsinn, der uns an diesem Wochenende erwartet, entfliehen wir San Diego.

Harlow öffnet die Playlist, die sie für den Trip zusammengestellt hat. Britney Spears, das war unser erstes Konzert mit acht. Der vollkommen unpassende 50-Cent-Song – aus irgendwelchen Gründen hatte unsere Klasse damals beschlossen, ihn als Eröffnungssong bei unserem Ehemaligentreffen von der Junior High zu spielen. Die basslastige Hair-Metal-Hymne, von der Lola felsenfest überzeugt ist, dass es sich dabei um den besten Song über Sex aller Zeiten handelt, und um die fünfzig weitere Songs, die unsere gemeinsame Vergangenheit ausmachen. Harlow dreht die Musik so laut auf, dass wir alle mitsingen bzw. mitschreien können, während heiße, trockene Luft durch alle vier Fenster hineinströmt.

Lola schiebt sich ihr langes dunkles Haar aus dem Nacken und reicht mir ein Gummiband, damit ich ihr einen Zopf machen kann.

„Gott, warum ist es nur so verdammt heiß?“, ruft sie vom Fahrersitz aus.

„Weil wir mit hundert Stundenkilometern in einem Chevy durch die Hitze brettern, der aus den späten Achtzigern stammt und keine Klimaanlage hat“, erwidert Harlow und wedelt sich mit einem Programmzettel der Abschlussfeier Luft zu. „Warum haben wir noch mal nicht einfach meinen Wagen genommen?“

„Weil er nach Selbstbräuner und fragwürdigen Entscheidungen riecht?“, entgegne ich und quietsche laut auf, als sie sich vom Vordersitz aus auf mich stürzen will.

„Wir fahren mit meinem Wagen“, erinnert Lola sie und stellt dafür Eminem leiser, „weil du deinen fast um einen Telefonmasten gewickelt hast, um irgendeinem Insekt auf deinem Sitz zu entkommen. Ich hab wirklich kein sonderlich großes Vertrauen in deine Fähigkeiten hinterm Steuer.“

„Es war eine Spinne“, entgegnet Harlow. „Eine riesige. Mit Scheren.“

„Eine Spinne mit Scheren?“

„Ich wäre fast gestorben, Lola.“

„Ja, das wärst du. Bei einem schweren Autounfall.“

Nachdem ich mit Lolas Haar fertig bin, lehne ich mich zurück – und habe das Gefühl, als wäre ich seit einer ganzen Woche das erste Mal wieder in der Lage, tief durchzuatmen und mit meinen zwei liebsten Menschen auf der Welt gemeinsam zu lachen. Die Hitze hat meinem Körper jegliche Energie geraubt, aber es fühlt sich gut an, einfach loszulassen, die Augen zu schließen und mit dem Sitz zu verschmelzen, während der Wind durch mein Haar wirbelt, zu laut, als dass ich auch nur denken könnte. Drei fantastische Sommerwochen liegen noch vor mir, bis ich auf die andere Seite des Kontinents umziehe, und zum ersten Mal seit Ewigkeiten gibt es absolut nichts, was ich tun muss.

„Nett, dass deine Familie zum Mittagessen geblieben ist“, sagt Lola in dem für sie typischen ruhigen, ironischen Tonfall und sieht mich durch den Rückspiegel an.

„Hm.“ Ich zucke die Schultern, lehne mich vor, um in meiner Handtasche nach einem Kaugummi oder einem Bonbon zu kramen, oder was immer mich lange genug beschäftigen wird, um nicht zu versuchen, den frühen Abgang meiner Eltern von der Feier heute zu rechtfertigen.

Harlow dreht den Kopf zu mir um. „Ich dachte, sie hatten vor, mit uns allen Mittagessen zu gehen?“

„Anscheinend nicht“, sage ich nur.

Sie rutscht in ihrem Sitz herum, dreht sich so weit zu mir um, wie sie kann, ohne sich abzuschnallen. „Also, was hat David gesagt, bevor sie gegangen sind?“

Ich sehe blinzelnd zur Seite, starre auf die vorbeirauschende flache Landschaft. Harlow würde es nie in den Sinn kommen, ihren Vater – oder auch nur Lolas Vater – beim Vornamen zu nennen. Aber seit ich mich erinnern kann, ist mein Vater für sie einfach nur „David“ – so verächtlich ausgesprochen wie nur möglich. „Er sagte, dass er stolz auf mich ist und mich liebt. Und das es ihm leidtut, dass er mir das nicht oft sagt.“

In der Stille, die darauf folgt, kann ich ihre Überraschung förmlich spüren. Harlow ist nur dann still, wenn sie überrascht oder angepisst ist.

„Und“, füge ich hinzu, obwohl ich weiß, dass ich diesbezüglich eigentlich meine Klappe halten sollte, „jetzt könne ich ja eine richtige Karriere verfolgen und mich bedeutsam in die Gesellschaft einbringen.“

Beschwör jetzt keinen Ärger herauf, Mia, denke ich.

„Du meine Güte“, sagt sie. „Als würde es ihm Spaß machen, genau den Punkt zu treffen, wo es am meisten wehtut. Den Namen dieses Mannes kann man nicht ohne das Wort Arschloch buchstabieren.“

Das bringt uns alle zum Lachen, und wir scheinen uns einig zu sein, dass wir das Thema wechseln sollten, denn mal im Ernst: Was gäbe es dazu noch zu sagen? Mein Dad ist auf eine gewisse Weise ein Arsch und setzt immer seine eigene Meinung durch. Selbst wenn es um die wichtigsten Entscheidungen in meinem Leben geht, ändert sich nichts an dieser Tatsache.

Es gibt nur wenig Verkehr, und die Stadt steigt aus der flachen Erde empor: ein Wirrwarr aus Lichtern, die grell im Abendlicht leuchten. Mit jedem Kilometer wird die Luft kühler, und ich spüre, wie die Energie in uns zurückkehrt, als Harlow sich aufrechter hinsetzt und eine neue Playlist für unser letztes Stück der Strecke anstellt. Auf dem Rücksitz wackle ich mit dem Hintern, tanze, singe den eingängigen, wummernden Popsong mit.

„Sind meine Mädels bereit, ein bisschen die Sau rauszulassen?“, fragt Harlow und klappt den Sonnenschutz auf der Beifahrerseite runter, um sich in dem winzigen, gesplitterten Spiegel zu mustern und Lipgloss aufzulegen.

„Nö.“ Lola biegt in die East Flamingo Road ein. Direkt dahinter breitet sich leuchtend der Strip aus: ein Teppich aus Lichtern und dröhnenden Hupen rollt sich vor uns aus. „Aber für dich kipp ich widerliche Shots runter und tanze mit zweifellos nicht gerade nüchternen Männern.“

Ich nicke, schlinge meine Arme von hinten um Harlow und drücke sie. Sie tut so, als würde sie ersticken, legt aber eine Hand auf meine, so dass ich nicht weg kann. Niemand wehrt Umarmungen weniger überzeugend ab als Harlow.

„Ich liebe euch Psychos“, sage ich, und auch wenn bei jedem anderen sich die Worte im Wind verlieren würden, während Straßenstaub in den Wagen weht, beugt Harlow sich vor, um meine Hand zu küssen und Lola sieht kurz grinsend zu mir rüber. Es ist, als wären sie darauf programmiert, mein ständiges Schweigen zu ignorieren, es dafür aber auch immer wenn ich spreche – selbst im größten Chaos – mitzukriegen.

„Du musst mir was versprechen, Mia“, sagt Lola. „Hör mir zu, ja?“

„Das beinhaltet aber nicht, dass ich abhauen und ein Showgirl werden soll, oder?“

„Leider nicht.“

Seit Monaten haben wir diesen Trip geplant – ein letzter Rausch, bevor das Erwachsenenleben und die Verantwortung uns einholen. Ich bin bereit für was immer sie mir zu sagen hat. Ich recke meinen Hals, atme tief durch, tue so, als würde ich meine Fingerknöchel knacken lassen. „Sehr schade. Du hast ja keine Ahnung, wie gut ich an der Stange tanzen kann! Aber okay, schieß los.“

„Lass San Diego heute Abend hinter dir“, sagt sie. „Mach dir keine Gedanken um deinen Dad oder welches Fangirl Luke dieses Wochenende knallen könnte.“

Mein Magen dreht sich leicht, als sie meinen Ex erwähnt, auch wenn Luke und ich uns vor beinahe zwei Jahren ohne großen Streit getrennt haben. Es ist nur eben so, dass er mein Erster gewesen ist und ich seine Erste, und dass wir uns alles gegenseitig beigebracht haben. Es kommt mir vor, als müsste ich für seinen gegenwärtigen Eroberungsfeldzug Lizenzgebühren verlangen.

„Denk nicht daran, dass du für Boston packen musst“, fährt Lola fort. „Denk an nichts außer an die Tatsache, dass wir das College hinter uns haben – das College, Mia! Wir haben’s geschafft. Pack einfach alles andere in eine unsichtbare Kiste und gib ihr einen so heftigen Stoß, dass sie unter dem unsichtbaren Bett verschwindet.“

„Mir gefällt dieses Gequatsche über Stoßen und Betten“, sagt Harlow.

Unter anderen Umständen hätte mich das zum Lachen gebracht. Aber so wenig das auch beabsichtig gewesen sein mag, hat Lola mit dem Stichwort „Boston“ das winzige Fenster eines angstfreien Raumes verdunkelt, den ich zuvor irgendwie ausfindig gemacht hatte. Nun ist mir noch unbehaglicher zumute als bei dem frühen Abgang meines Dads bei der größten Feierlichkeit in meinem Leben, oder bei dem Gedanken an Luke und seine neu entdeckten Talente als Schlampe. Ich verspüre eine ansteigende Welle der Panik, was die Zukunft angeht, und jetzt, wo wir unseren Abschluss in der Tasche haben, lässt sich das nicht mehr ignorieren. Jedes Mal, wenn ich daran denke, was demnächst auf mich zukommt, krempelt sich mir der Magen um, fängt an zu brennen, verkohlt. Dieses Gefühl taucht in letzter Zeit so häufig auf, dass ich langsam den Eindruck habe, ich sollte ihm einen Namen geben.

In drei Wochen gehe ich nach Boston, ausgerechnet zur Business School, um BWL zu studieren, und damit bin ich dann von meinen Kindheitsträumen weiter entfernt, als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich werde genügend Zeit haben, um mir eine Wohnung und einen Job zu suchen, mit dem ich meine monatlichen Rechnungen bezahlen kann, und ab Herbst werde ich dann eine ganze Reihe an Seminaren belegen und endlich tun, was mein Vater immer wollte – einer von diesen vielen Businessmenschen werden, die Businesssachen erledigen. Er zahlt sogar freiwillig für meine Wohnung. „Zwei Zimmer“, hat er großmütig betont. „Damit deine Mutter, ich und die Jungs dich besuchen können.“

„Mia?“, unterbricht Lola meine Gedanken.

„Okay“, sage ich und nicke. Seit wann eigentlich bin ich diejenige von uns dreien mit der riesigen Last auf den Schultern? Lolas Vater ist Kriegsveteran. Harlows Eltern sind ständig in Hollywood. Ich bin nur das Mädchen von La Jolla, das früher getanzt hat. „Ich stoße sie unter das unsichtbare Bett.“ Die Worte laut auszusprechen, scheint ihnen mehr Gewicht zu geben. „Ich packe sie gemeinsam mit Harlows gruseligem Sexspielzeug in die Kiste.“

Harlow wirft mir zwinkernd einen Kuss zu und Lola nickt entschieden.

Keiner von uns kennt sich so gut mit Stress und Verantwortung aus wie Lola. Und wenn sie für ein Wochenende alles hinter sich lassen kann, dann kann ich das auch.

Wir fahren vor dem Hotel vor, und Lola und ich stolpern aus dem Wagen, in der Hand unsere schlichten Seesäcke. Wir sehen aus, als kämen wir gerade aus einem Wüstensturm. Ich fühle mich dreckig und eklig. Nur Harlow wirkt so, als würde sie hierher gehören: Sie klettert aus dem alten Chevy, als würde sie eine glänzend schwarze Limousine verlassen und schafft es dabei sogar irgendwie, gut auszusehen. Dann zieht sie lässig ihren glänzenden Koffer hinter sich her.

Als wir oben sind, fehlen uns allen die Worte, selbst Harlow – sie schweigt eindeutig vor Erstaunen. Es gibt auf diesem Stockwerk nur wenige Zimmer, und unsere Sky Suite ist gigantisch.

Harlows Vater, ein gefragter Kameramann, hat uns die Suite als Abschlussgeschenk gebucht. Wir hatten gedacht, dass wir ein Standard-Vegas-Hotelzimmer mit den kleinen Standard-Shampoofläschchen bekommen würden – und vielleicht wären wir dann so verrückt, die Minibar zu Lasten seiner Kreditkarte zu plündern. Snickers und Mini-Wodka-Flaschen für alle!

Das hier hatten wir nicht erwartet. Im Eingangsbereich (es gibt einen Eingangsbereich) steht ein dekadenter Obstkorb und eine Champagnerflasche mit einer Nachricht. Darin steht, dass uns auf Kurzwahl ein Butler zur Verfügung steht und eine Masseurin, die aufs Zimmer kommt, wenn wir sie brauchen, und dass Harlows Vater gerne alles bezahlt, was wir beim Zimmerservice bestellen.

Wenn Alexander Vega nicht der Vater meiner besten Freundin und glücklich verheiratet wäre, dann würde ich ihm vielleicht zum Dank Sex anbieten.

Das sollte ich Harlow gegenüber besser nicht erwähnen.

Ich bin es noch von früher gewohnt, halbnackt vor Hunderten von Menschen auf einer Bühne zu stehen, wo ich so tue, als wäre ich jemand anders. Deshalb fühle ich mich selbst mit der langen, gezackten Narbe auf meinem Bein wesentlich wohler in einem der Kleider, die Harlow für uns ausgesucht hat, als Lola. Sie will ihres noch nicht mal anprobieren.

„Das ist dein Abschlussgeschenk“, sagt Harlow. „Wie würdest du dich fühlen, wenn ich das Tagebuch ablehnen würde, das du mir besorgt hast?“

Lola, wirft lachend ein Kissen quer durchs Zimmer nach ihr. „Wenn ich dich gebeten hätte, die Seiten rauszureißen und sie in ein Kleid zu verwandeln, das kaum deinen Arsch bedeckt – ja, dann hättest du in der Tat alles Recht der Welt, mein Geschenk auszuschlagen.“

Ich ziehe an dem Saum meines Kleides und muss Lola nun doch insgeheim zustimmen. Wär es doch nur einen Tick länger! Ich zeige nur noch selten so viel Bein.

„Mia trägt ihres“, entgegnet Harlow, woraufhin ich laut aufstöhne.

„Mia ist in hautengen Engteilern großgeworden, sie würde problemlos in eine Handtasche passen und hat die Figur einer Gazelle“, argumentiert Lola. „Außerdem seh ich mit Sicherheit ihre Vagina, wenn ich ein bisschen genauer hingucke. Da ich zehn Zentimeter größer bin als sie, sieht man in diesem Kleid praktisch meinen Geburtskanal.“

„Du bist so stur.“

„Du bist so nuttig.“

Ich stehe am Fenster, höre sie diskutieren und beobachte zufrieden, wie Fußgänger den Strip entlangschlendern und – zumindest vom fünfundvierzigsten Stockwerk aus betrachtet – eine Spur aus bunten Tüpfelchen bilden. Keine Ahnung, warum sich Lola immer noch dagegen wehrt. Wir wissen alle, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie nachgibt: Harlow, die alte Nervensäge, bekommt letztlich immer ihren Willen. Lola ähnelt ihr in gewisser Weise, ist aber ein bisschen subtiler als Harlow mit ihrer direkten Art.

Lola stöhnt, gesteht dann aber, wie erwartet, ihre Niederlage ein. Sie ist schlau genug zu wissen, dass sie auf verlorenem Posten kämpft, und ein paar Minuten später schlüpft sie in Kleid und Schuhe, und wir machen uns auf den Weg nach unten.

Es ist ein langer Tag gewesen. Wir haben mit dem College abgeschlossen, uns den Staub und die Sorgen ums echte Leben von den Körpern gewaschen, und Harlow findet es großartig, immer mehr Shots zu bestellen. Noch großartiger findet sie es, allen anderen dabei zuzusehen, wie sie sie austrinken.

Gegen einundzwanzig Uhr dreißig beschließe ich, dass unser Level an Betrunkenheit ausreicht; wir bringen die paar Worte, die wir überhaupt von uns geben, nur lallend hervor, aber zumindest können wir noch laufen. Es ist Ewigkeiten her, dass ich Lola und Harlow so lachen gesehen habe: Lolas Wange ruht auf ihren verschränkten Armen, und ihre Schultern beben vor Gelächter; Harlow hat den Kopf zurückgeworfen, und ihr Kichern breitet sich über die stampfende Musik aus und schwebt über die Bar hinweg.

Und es ist in diesem Moment, als sie ihren Kopf so nach hinten gelegt hat, dass ich dem Blick eines Mannes am anderen Ende des überfüllten Raumes begegne. Ich kann seine Gesichtszüge in der dunklen Bar nicht genau ausmachen, aber er muss ein paar Jahre älter als wir sein und ist groß, mit hellbraunem Haar und dunklen Brauen über leuchtenden, schelmischen Augen. Er beobachtet uns und lächelt, als hätte er kein Bedürfnis, bei unserem Spaß mitzumischen, als würde er ihn nur aus der Ferne genießen wollen. Zwei andere Männer stehen neben ihm, sagen etwas und zeigen in eine entfernte Ecke, aber er sieht nicht weg, als unsere Blicke sich begegnen. Wenn überhaupt, dann wird sein Lächeln noch breiter.

Ich kann ebenfalls nicht wegsehen, und das ist ein absolut verwirrendes Gefühl – denn normalerweise bin ich sehr gut im Wegsehen, wenn es um Fremde geht. Mein Herz hüpft in meiner Brust herum, erinnert mich daran, dass ich eigentlich schüchtern bin und schlägt vielleicht vor, dass ich mich stattdessen besser auf meinen Drink konzentrieren sollte. Ich bin nicht gut im Blickkontakt. Für gewöhnlich bin ich auch nicht gut im Smalltalk. Tatsächlich sind die einzigen Muskeln, die ich nicht richtig zu beherrschen scheine, die, die man für eine lockere Unterhaltung braucht.

Aber aus irgendeinem Grund – schieben wir es mal auf den Alkohol – formen meine Lippen, ohne dass ich den Blick von diesem heißen Typen auf der anderen Seite der Bar wende, problemlos das Wort: „Hi.“

Er sagt es zurück, bevor er die eine Seite der Unterlippe zwischen die Zähne nimmt, und wow: Das sollte er jeden Tag tun und zu jedem Menschen, dem er begegnet, und zwar für den Rest seines Lebens! Er hat so ein Grübchen, und ich versichere mir selbst, dass mir das nur das Spiel aus Licht und Schatten vorgaukelt, denn Teufel nochmal – nie im Leben kann etwas so Simples dermaßen anbetungswürdig sein.

Ich spüre, dass etwas Merkwürdiges in meinem Inneren geschieht, und frage mich, ob Leute das meinen, wenn sie sagen, dass sie dahinschmelzen, denn ganz sicher fühle ich mich alles andere als hart und stabil. In der näheren Umgebung unterhalb meiner Taille spüre ich ein unverkennbares Flattern, und Grundgütiger, wenn ich mich schon so fühle, wenn er mich nur anlächelt, was würde wohl geschehen …

Harlow packt meinen Arm, bevor ich den Gedanken zu Ende denken kann, zerrt mich von meiner genauen Studie seines Gesichts weg und in die Menge der Leiber, die sich hin und her wiegen und schlangenförmig zu den sexy Rhythmen bewegen, die aus den Lautsprechern dröhnen. Ein solcher Typ ist weit, weit von meiner Komfortzone entfernt, weshalb ich mein Verlangen, loszumarschieren und nach ihm zu suchen, in meine unsichtbare Kiste stecke, und gemeinsam mit allem anderen unter das Bett schiebe.

Wir müssen uns erst langsam an Vegas gewöhnen: Nach dem Tanzen und Trinken kehren wir gegen Mitternacht in unser Zimmer zurück, alle drei erschöpft von der Abschlussfeier im Sonnenlicht, von der stickig heißen Fahrt und von dem Alkohol, den wir in unseren Körper gekippt haben, ohne ordentlich zu essen.

Auch wenn unsere Suite mehr Platz hat, als wir brauchen, und auch wenn es zwei Schlafzimmer gibt, stapeln wir uns doch alle in einem Bett. Meine Freundinnen schlafen innerhalb weniger Minuten ein, und Harlow beginnt mit ihrem vertrauten Dauerschlafgemurmel. Lola ist wie immer beinahe erschreckend ruhig und stumm. Sie vergräbt sich für gewöhnlich so tief unter der Bettdecke, dass ich mich früher jedes Mal, wenn wir zusammen bei ihr oder mir übernachtet haben, gefragt habe, ob sie irgendwie in die Matratze verschwindet. Manchmal überlege ich in solchen Situationen, ob ich ihren Puls überprüfen sollte.

Auf der anderen Seite des Flurs tobt eine Party.

Der heftige Bass der Musik bringt die Lampen über mir zum Wackeln. Männerstimmen poltern durch den leeren Flur, der die Zimmer voneinander trennt; sie brüllen und lachen durcheinander, schreien „Whoop“ und stoßen Männerlaute aus. Ein Ball schlägt irgendwo in der Ferne gegen die Wand, und auch wenn ich in dem Mix nur ein paar wenige Stimmen heraushören kann, machen sie so viel Lärm, dass die Suite gegenüber voll mit einer ganzen Horde betrunkener Jungs sein muss, die ein Wochenende in Vegas durchfeiern.

Um zwei Uhr nachts hat sich daran nichts geändert: Ich starre noch immer an die Decke und werde irgendwie zunehmend gleichzeitig wacher und schläfriger. Als es drei Uhr schlägt, bin ich so verärgert, dass ich kein Problem mehr damit habe, Vegas’ größte Spielverderberin zu sein – schließlich will ich vor unseren Spa-Terminen am Morgen wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf bekommen.

Ich schlüpfe aus dem Bett, leise, damit ich meine Freundinnen nicht aufwecke – bis ich über die Absurdität des Ganzen lachen muss. Wenn die beiden trotz des Höllenlärms auf der anderen Seite des Flurs schlafen können, dann werden sie auch dann noch schlafen, wenn ich leise über den Teppichboden tappe, mir einen Zimmerschlüssel schnappe und aus unserer Suite schlüpfe.

Ich klopfe mit der Faust gegen die Tür und warte, bebend vor Wut. Der Lärm lässt kaum einmal nach, und ich bin mir nicht sicher, ob ich laut genug klopfen kann, damit sie mich überhaupt hören. Mit erhobenen Fäusten versuche ich es noch mal. Ich will nicht diese Person sein, die sich in Vegas darüber beschwert, dass andere ihren Spaß haben – aber als Nächstes würde ich sonst den Sicherheitsdienst des Hotels rufen.

Diesmal wird die Musik leiser, und auf den Fliesen vor der Tür sind Schritte zu hören.

Vielleicht habe ich einen älteren, sonnengebleichten Treuhandfonds-Trottel an der Tür erwartet oder eine Horde von Investmentbankern mittleren Alters, die für ein ausschweifendes Wochenende hierhergekommen sind. Oder einen Raum voller Verbindungstypen, die aus dem Bauchnabel einer Stripperin ihre Shots trinken. Ganz sicher habe ich nicht ihn erwartet, den Kerl vom anderen Ende der Bar.

Ich habe nicht erwartet, dass er obenrum nackt ist und seine schwarzen Boxershorts so tief auf seinem gebräunten Bauch hängen, dass ich weiter unten die weiche Spur an Haaren sehe.

Ich habe nicht erwartet, dass er lächelt, als er mich sieht, und ganz sicher habe ich nicht diesen Akzent erwartet, als er sagt: „Ich kenne dich.“

„Tust du nicht“, erwidere ich mit sicherer Stimme, wenn auch ein bisschen atemlos. Ich stottere nicht mehr vor Freunden oder Familienangehörigen, und nur noch selten vor Fremden, wenn ich mich in deren Gegenwart wohl fühle. Aber in diesem Augenblick brennt mein Gesicht vor Hitze, meine Arme und Beine kribbeln vor Gänsehaut, weshalb ich keine Ahnung habe, wie ich es deuten soll, dass mein Satz vollkommen stotterfrei herausgekommen ist.

Sein Lächeln wird noch breiter, falls das überhaupt möglich ist, und er errötet etwas, sein Grübchen drängt sich in den Vordergrund, und er öffnet die Tür ein bisschen weiter, kommt einen Schritt auf mich zu. Er sieht noch besser aus, als ich es aus der Ferne gedacht habe, und füllt den ganzen Türrahmen. Seine Präsenz ist so groß, dass ich einen Schritt zurücktrete, als hätte mich jemand geschubst. Er ist die Lässigkeit in Person, was seine Haltung, den Blickkontakt und sein strahlendes Lächeln angeht, als er sich vorbeugt und mich spielerisch mustert.

Als Künstlerin habe ich diese Magie schon mal erlebt. Er mag vielleicht wie jedes andere menschliche Wesen aussehen, aber er hat diese nicht erklärbare Eigenschaft, die jedes Augenpaar zwingt, ihm auf der Bühne zu folgen, egal, wie klein seine Rolle ist. Es ist mehr als Charisma; es ist ein Magnetismus, der nicht erlernt oder eingeübt werden kann. Ich bin nur einen halben Meter von ihm entfernt … Und habe nicht die geringste Chance.

„Doch, ich kenne dich“, sagt er und legt leicht den Kopf schief. „Wir haben uns vorhin getroffen. Wir sind nur noch nicht dazu gekommen, uns einander vorzustellen.“ Mein Hirn versucht verzweifelt, seinen Akzent einzuordnen, bevor es mir schlagartig klar wird: Er ist Franzose. Das Arschloch ist Franzose. Sein Akzent ist allerdings nur schwach: weich und mild. Anstatt alle Worte ineinander verknäult von sich zu geben, zieht er sie auseinander, bietet sie vorsichtig einzeln an.

Ich kneife die Augen zusammen, zwinge mich, ihm ins Gesicht zu sehen. Was nicht leicht ist. Seine Brust ist glatt und gebräunt und er hat die perfektesten Nippel, die ich je gesehen habe, klein und flach. Er ist muskulös und groß genug, um ihn wie ein Pferd zu reiten. Ich kann die Wärme spüren, die von seiner Haut ausgeht. Und um das alles noch zu toppen, trägt er nichts am Leib als seine Unterhose und das scheint ihm vollkommen egal zu sein.

„Ihr Jungs seid irrsinnig laut“, sage ich, als mir wieder die Stunden voller Lärm einfallen, die mich eigentlich hierhergebracht haben. „Ich glaube, du hast mir am anderen Ende eines vollen Raums besser gefallen als am anderen Ende dieses Flurs.“

„Aber von Angesicht zu Angesicht ist schon am besten, oder?“ Seine Stimme verursacht Gänsehaut auf meinen Armen. Als ich nicht antworte, dreht er sich um und sieht über seine Schulter, dann wieder zu mir. „Es tut mir leid, dass wir so laut sind. Ich werde Finn die Schuld geben. Er ist Kanadier, also wirst du sicher verstehen, dass er ein Wilder ist. Und Oliver ist Australier. Ebenfalls schrecklich unzivilisiert.“

„Ein Kanadier, ein Australier und ein Franzose verwüsten ein Hotelzimmer?“, frage ich und kämpfe wider besseren Wissens gegen ein Lächeln an. Ich versuche mich daran zu erinnern, ob man sich wehren soll oder nicht, wenn man in Treibsand fällt, denn genau so fühlt sich das hier an. Als würde ich versinken, von etwas verschlungen werden, das größer ist als ich.

„Hört sich an wie der Anfang eines Witzes“, stimmt er nickend zu. Seine grünen Augen funkeln, und er hat recht: Von Angesicht zu Angesicht ist unendlich besser als durch eine Wand oder quer durch einen dunklen, vollen Raum hinweg. „Komm doch einfach rein.“

Nichts hat sich jemals zugleich so gefährlich und so verführerisch angehört. Sein Blick fällt auf meinen Mund, verweilt dort, bevor er meinen Körper scannt. Entgegen dem, was er gerade angeboten hat, tritt er vollständig in den Flur hinaus, und die Tür fällt hinter ihm zu. Jetzt gibt es nur noch ihn und mich und seine nackte Brust und seine … wow … starken Beine und die Möglichkeit eines alles andere in den Schatten stellenden, spontanen Flur-Quickies.

Warte. Was?

Und jetzt fällt mir auf, dass ich selbst nur meine winzige Schlafshorts anhabe und ein dazu passendes Tanktop mit vielen kleinen Schweinchen darauf. Ich bin mir plötzlich des gleißenden Lichts im Flur bewusst und spüre, wie meine Finger hinab wandern, instinktiv den Stoff nach unten ziehen, um meine Narbe zu überdecken.

Normalerweise bin ich ganz zufrieden mit meinem Körper – ich bin eine Frau, deshalb gibt es natürlich ein paar Kleinigkeiten, die ich gerne ändern würde –, aber bei meiner Narbe ist das was anderes. Es geht nicht nur darum, wie sie aussieht – auch wenn, seien wir mal ehrlich, Harlow noch immer am ganzen Körper vor Mitgefühl erschauert, wenn sie sie zu sehen bekommt –, sondern was wofür sie steht: der Verlust meines Stipendiums an der Joffrey Academy of Dance, dem Ende meines Traums.

Aber die Art, wie er mich anguckt, vermittelt mir das Gefühl, nackt zu sein – auf gute Weise nackt –, und unter dem Baumwollstoff meines Tops werden meine Nippel hart.

Er bemerkt das und kommt noch einen Schritt näher. Ich spüre seine Wärme, rieche den Duft seiner Seife, und bin mir plötzlich sicher, dass er hundertprozentig nicht auf mein Bein schaut. Es wirkt, als würde er die Narbe noch nicht mal sehen, oder, falls er es doch tut, als ob ihm das Gesamtbild so gut gefällt, dass er ignoriert, was sie über mich aussagt. Sie zeugt von einem Trauma, zeugt von Schmerz. Aber seine Augen sagen nur ja und bitte und Schalk. Und dass er gerne mehr sehen würde.

Das schüchterne Mädchen in mir verschränkt die Arme vor der Brust, versucht mich in die Sicherheit meines Hotelzimmers zurückzuziehen. Aber sein Blick nagelt mich an Ort und Stelle fest.

„Ich war mir nicht sicher, ob ich dich wiedersehen würde.“ Seine Stimme ist härter geworden, deutet die schmutzigen Sachen an, die ich ihn an meinem Hals knurren hören möchte. Mein Puls trommelt hektisch, dröhnend. Ich frage mich, ob er das sehen kann. „Ich hab nach dir gesucht.“

Er hat nach mir gesucht.

Ich bin überrascht, dass meine Stimme so klar und deutlich klingt, als ich sage: „Wir sind kurz nachdem ich dich gesehen habe gegangen.“

Seine Zunge lugt hervor, und er betrachtet meinen Mund. „Warum kommst du nicht … mit rein?“ In diesen sechs Wörtern sind so viele unausgesprochene Versprechen versteckt. Es fühlt sich an, als wäre er ein Fremder, der mir die köstlichsten Süßigkeiten der Welt anbietet.

„Ich gehe jetzt schlafen“, bringe ich schließlich hervor und hebe die Hand, damit er nicht noch dichter an mich herantritt. „Und ihr Jungs seid jetzt etwas leiser, oder ich schicke euch Harlow rüber. Und wenn das nichts nützt, dann weck ich Lola, und am Schluss wirst du ihr dafür danken, wenn sie dich blutend und zusammengeschlagen zurücklässt.“

Er lacht. „Du gefällst mir wirklich gut.“

„Gute Nacht.“ Ich drehe mich um, gehe auf alles anderes als festen Beinen zu unserer Tür zurück.

„Ich bin Ansel.“

Ohne ihn weiter zu beachten, schiebe ich den Schlüssel ins Schloss.

„Warte! Ich will nur deinen Namen.“

Ich sehe über meine Schulter. Er lächelt noch immer. Ernsthaft, als ich in der dritten Klasse war, hatte ein Junge Grübchen, und dabei hab ich mich nicht so gefühlt. Dieser Junge hier sollte dagegen ein Warnschild um den Hals tragen.

„Halt die Klappe, und ich sag ihn dir morgen.“

Er tritt noch einen Schritt auf mich zu, die nackten Füße auf dem Teppich, und sein Blick folgt mir den Flur entlang. „Bedeutet das, dass wir ein Date haben?“

„Nein.“

„Und du willst mir wirklich nicht deinen Namen verraten? Bitte.“

„Morgen.“

„Dann nenne ich dich halt cerise.“

Ich gebe ein „Geht in Ordnung“ von mir, während ich in mein Zimmer gehe. Er könnte mich gerade „die Verklemmte“ oder „die Prüde“ oder „Schweinchenpyjama“ getauft haben.

Aber irgendwie lässt mich die Art, wie er die zwei Silben geschnurrt hat, an etwas vollkommen anderes denken.

Als ich zurück in mein Bett klettere, sehe ich es auf meinem Handy nach. Cerise bedeutet „Kirsche“. Natürlich tut es das. Ich bin mir nicht sicher, wie ich das finde, denn etwas sagt mir, dass er sich dabei nicht auf die Farbe meines Nagellacks bezogen hat.

Die Mädels schlafen beide. Ich nicht. Selbst nachdem der Lärm auf der anderen Seite des Flurs aufgehört hat und es vollkommen still ist in unserer Suite, bin ich noch heiß und errötet und wünsche mir, ich hätte den Mumm gehabt, etwas länger im Flur zu bleiben.

ZWEI

Harlow bestellt Pommes, bevor sie sich ihren Schnaps ins Bier kippt und es auf Ex trinkt.

Sie wischt sich mit dem Arm über den Mund und sieht zu mir herüber. Anscheinend starre ich sie mit offenem Mund an, denn sie fragt: „Was? Bin ich dir nicht stilvoll genug?“

Ich zucke die Achseln, rühre mit dem Strohhalm durch das Eis in meinem Glas. Nach einer morgendlichen Massage, einem Verwöhnprogramm fürs Gesicht und einem Nachmittag am Pool, dem ein paar Cocktails folgten, sind wir alle drei inzwischen ein bisschen mehr als beschwipst. Abgesehen davon hat Harlow selbst dann noch Klasse, wenn sie ein Bier mit Schnaps runterkippt. Selbst wenn sie in ein Bällebad in der Kinderecke von McDonalds springen würde, sähe sie danach immer noch cool aus.

„Ach, was soll’s?“, erwidere ich. „Wir haben noch unser ganzes Leben lang Zeit, uns zu benehmen – aber nur das eine Wochenende in Vegas.“

Sie hört mir schweigend zu, denkt kurz über meine Worte nach, nickt dann mit Nachdruck und macht dem Kellner ein Zeichen. „Für mich bitte noch zwei Shots und eine dieser Monstrositäten, die sie trinkt.“ Sie zeigt zu Lola hinüber, die gerade vom Rand eines abscheulichen Bechers mit LED-Beleuchtung die Sahne ableckt.

Der Kellner runzelt die Stirn, schüttelt dann den Kopf und sagt: „Zwei Shot Whiskey und eine Slut On A Trampoline, kommt sofort.“

Harlow wirft mir einen gespielt schockierten Blick zu, aber ich komme nicht dazu, darauf zu reagieren, weil sich in der überfüllten Bar plötzlich jemand von hinten an mich herandrängt. Große Hände packen meine Hüften. „Da bist du ja“, flüstert jemand dicht und heiß an meinem Ohr.

Erstaunt drehe ich mich um – und weiche mit einem leisen Aufschrei zurück.

Ansel.

Mein Ohr fühlt sich warm und feucht an, aber als ich Ansel ins Gesicht blicke, sehe ich das gleiche amüsierte Funkeln in seinen Augen wie letzte Nacht. Vermutlich gehört er zu diesen Typen, die einen peinlichen Robotertanz hinlegen, nur um dich zum Lachen zu bringen, oder die deine Nasenspitze ablecken, sich für ein Lächeln zum Idioten machen. Mit Sicherheit würde er, wenn ich mit ihm auf dem Boden raufen würde, mich gewinnen lassen. Und es auch noch die ganze Zeit genießen.

„Zu dicht?“, fragt er. „Ich wollte es mal auf die verführerische, dennoch subtile Tour versuchen.“

„Ich bin nicht sicher, ob es noch dichter gegangen wäre“, bemerke ich und versuche, ein Lächeln zu unterdrücken. Ich reibe mein Ohr. „Du warst ja geradezu in meinem Kopf.“

„Er würde einen schrecklichen Ninja abgeben“, meint einer der Typen, die neben ihm stehen, und zwinkert mir zu.

„Oliver, Finn“, sagt Ansel und zeigt erst auf einen großen Kerl mit zerzaustem braunem Haar, Bartstoppeln, strahlend blauen Augen hinter dicken Brillengläsern, dann auf den anderen, den, der sich eingemischt hat, mit kurzgeschnittenem braunem Haar, dunklen, wie von hinten beleuchteten Augen und einem frechen Grinsen, das festgewachsen zu sein scheint. Ansel sieht wieder zurück zu mir. „Und, Gentlemen, das ist cerise. Ich warte immer noch auf ihren richtigen Namen.“ Er lehnt sich leicht zu mir vor. „Sie muss ihn mir ja irgendwann sagen.“

„Ich bin Mia“, sage ich ohne großes Brimborium.

Sein Blick wandert über mein Gesicht, bleibt an meinen Lippen hängen. Genau so würde er mich ansehen, wenn wir uns gleich küssen würden, doch dafür steht er zu weit weg. Er beugt sich noch weiter vor, und es ist, als würde man zusehen, wie ein Flugzeug ewig lang nur wenige Meter über dem Boden schwebt.

„Es ist schön, dem Männergebrüll von letzter Nacht Gesichter zuordnen zu können“, sage ich, um die heftige sexuelle Spannung zwischen uns zu durchbrechen, und wende mich Oliver und Finn zu, dann zeige ich auf meine Freundinnen, die mit großen Augen neben mir stehen. „Das sind Lorelei und Harlow.“

Meine Freundinnen schütteln den Jungs die Hand, bleiben aber verdächtig still. Normalerweise bin ich nicht gerade diejenige, die in einer solchen Situation Typen kennenlernt. Normalerweise bin ich diejenige, die Harlow davon abhält, nach nur wenigen Minuten des Kennenlernens mit einem Typen Sex auf dem Tisch zu haben, während Lola sich mit dem Gedanken trägt, jeden Kerl zusammenzuschlagen, der es wagt, auch nur mit uns zu sprechen. Vielleicht sind die beiden so erstaunt, dass sie nicht wissen, wie sie reagieren sollen.

„Habt ihr nach uns gesucht?“, frage ich.

Ansel zuckt die Schultern. „Möglich, dass wir in ein paar Kneipen waren, nur so, um mal zu gucken.“

Hinter ihm hebt Oliver – der mit der Brille – sieben Finger hoch, und ich lache. „Ein paar?“

„Nicht mehr als drei“, sagt Ansel und zwinkert mir zu.

Direkt hinter ihm bewegt sich etwas oder jemand, und noch bevor ich etwas sagen kann, tritt Finn einen Schritt vor und versucht, Ansels Hosen runterzuziehen. Ansel zuckt nicht mal mit der Wimper. „Was trinkst du?“, fragt er stattdessen und greift nach seinem Hosenbund, ohne auch nur ein bisschen überrascht oder verärgert auszusehen.

Als ob ich nicht grade seine graue Boxer Shorts sehen könnte.

Als ob ich nicht genau auf die Stelle starren würde, wo im Baumwollstoff die unverkennbare Wölbung sein dürfte.

Solche Sachen machen Jungs also?

„Schön, dich wieder in Unterwäsche zu sehen“, sage ich und versuche, ein Grinsen zu unterdrücken.

„Beinahe“, korrigiert er. „Zumindest bleiben meine Hosen diesmal oben.“

Ich sehe nach unten und wünschte, ich könnte noch einen Blick auf seine durchtrainierten Beine ergattern. „Darüber ließe sich streiten.“

„Letztes Mal, als Finn das gemacht hat, blieben sie nicht oben. Ich hab diese Woche seine Bestzeit auf dem Rad geknackt, und seitdem versucht er, sich an mir zu rächen.“ Er hält inne, hebt die Augenbrauen und scheint erst jetzt zu begreifen, was ich gesagt habe. „Flirtest du gerade mit mir?“

„Nein.“ Weil er mir nun seine gesamte Aufmerksamkeit zuwendet, muss ich schlucken. „Vielleicht?“

„Vielleicht sollte dein Kleid nach oben wandern, wenn meine Hosen nach unten rutschen“, flüstert er, und noch nie hat sich ein Satz so schmutzig angehört. „Damit wir die gleichen Ausgangsvoraussetzungen haben.“

„Sie ist viel zu heiß für dich“, sagt Finn hinter ihm. Ansel dreht sich halb um, legt Finn eine Hand aufs Gesicht und schiebt ihn weg. Er nickt in Richtung meines Drinks, fragt stumm, was in meinem mittlerweile leeren Glas gewesen ist.

Ich starre ihn an, spüre die merkwürdige Wärme der Vertrautheit sich in mir ausbreiten. So also fühlt es sich an, wenn die Chemie stimmt. Auch wenn ich so was schon mal mit anderen Tänzern gespürt habe – diese Art der Chemie ist anders. Normalerweise löst sich so eine Chemie in Luft auf, sobald man von der Bühne abtritt oder man eben wieder in der Realität ankommt. Hier, mit Ansel, kommt es mir vor, als könnten wir mit der Energie, die zwischen uns herrscht, riesige Batterien auffüllen.

Er nimmt mein Glas und sagt: „Bin gleich zurück“, bevor er zu Lola guckt, die sich von der Gruppe gelöst hat, einen Schritt auf uns zugeht. Sie beäugt ihn wie ein Habicht, mustert ihn mit vor der Brust verschränkten Armen und einem unübersehbaren Strenge-Mutter-Ausdruck im Gesicht. „Mit einem Drink“, sagt er freundlich zu ihr. „Überteuerter, verwässerter Alkohol, vermutlich mit irgendwelchem fragwürdigem Obst. Nichts Witziges, versprochen. Möchtest du mitkommen?“

„Nein, aber ich behalt dich im Auge“, sagt sie.

Er lächelt sie so charmant wie nur möglich an und dreht sich dann wieder zu mir um. „Willst du irgendwas Bestimmtes?“

„Ich lass mich überraschen“, erwidere ich.

Ein paar Minuten später kehrt Ansel mit einem frischen Glas zurück, das mit Eis und Limetten und einer klaren Flüssigkeit gefüllt ist. „Gin Tonic, richtig?“

„Ich hatte eigentlich erwartet, du würdest mir etwas Abenteuerlicheres bringen. Etwas in einer Ananas oder mit Wunderkerze.“

„Ich hab an deinem Glas gerochen“, sagt er achselzuckend. „Ich wollte, dass du nicht deinen Drink änderst. Außerdem“ – er zeigt meinen Körper hinunter – „hast du dieses 20er-Jahre-Flapper-Ding am Laufen mit diesem kurzen Kleid und den“ – er malt mit dem Zeigefinger vor meinem Kopf einen Kreis in die Luft – „glänzenden schwarzen Haaren und dem geraden Pony. Und diese roten Lippen. Ich sehe dich an und denke ‚Gin‘.“ Er hält inne, kratzt sich am Kinn und fügt hinzu: „Ehrlich gesagt sehe ich dich an und denke …“

Lachend hebe ich eine Hand. „Ich hab keine Ahnung, was ich mit dir anstellen soll.“

„Ich hätte da ein paar Vorschläge.“

„Mit Sicherheit.“

„Möchtest du sie hören?“, fragt er und grinst unverfroren.

Ich atme tief durch, um mich zu beruhigen. Eins steht fest: Der hier ist mehr als eine Nummer zu groß für mich. „Wie wäre es, wenn du mir erst ein bisschen was über euch Jungs erzählst. Lebt ihr alle in den USA?“

„Nein. Wir haben uns vor ein paar Jahren bei einem Freiwilligenprogramm kennengelernt, bei dem du mit dem Rad von einer Stadt in die andere fährst und unterwegs Häuser für einkommensschwache Menschen baust. Wir sind nach der Uni los und haben uns von Florida bis nach Arizona durchgearbeitet.“

Ich sehe ihn mir jetzt etwas genauer an. Bisher habe ich mir keinen Gedanken darauf verschwendet, wer er ist oder was er tut, aber das hier ist sehr viel interessanter als eine Gruppe bescheuerter Ausländer, die ihr Geld in einer Suite in Vegas auf den Kopf haut. Und von Bundesstaat zu Bundesstaat zu radeln, erklärt definitiv die muskulösen Oberschenkel. „Das entspricht so gar nicht dem, was ich zu hören erwartet habe.“

„Vier von uns haben sich damals ziemlich doll angefreundet. Finn, Oliver, ich und Perry. Und dieses Jahr haben wir also eine Wiedersehenstour gemacht – allerdings nur von Austin nach Las Vegas. Wir sind inzwischen ja alte Männer.“

Ich sehe mich nach dem Vierten im Bunde um und hebe vielsagend eine Augenbraue, aber Ansel zuckt die Schultern. „Diesmal nur wir drei.“

„Hört sich unglaublich an.“

Er nippt an seinem Drink, nickt. „Es war unglaublich. Mir graut es schon davor, am Dienstag nach Hause zu fliegen.“

„Wo genau ist Zuhause? In Frankreich?“

Er grinst. „Ja.“

„Nach Hause nach Frankreich. Wie langweilig“, sage ich trocken.

„Du solltest mit mir nach Paris fliegen.“

Ha. Okay.“

Er mustert mich lange. „Ich meine es ernst.“

„Oh, da bin ich mir sicher.“

Er nippt wieder an seinem Drink, die Augenbrauen nach oben gezogen. „Gut möglich, dass du die allerschönste Frau bist, die ich je gesehen habe. Ich vermute, du bist auch die schlauste.“ Er lehnt sich leicht vor, flüstert: „Kannst du jonglieren?“

Lachend erwidere ich: „Nein.“

„Wie schade.“ Er summt vor sich hin, lächelt meinen Mund an. „Tja, ich muss noch für sechs Monate oder so in Frankreich leben. Du würdest dort eine Weile mit mir bleiben müssen, bevor wir ein Haus in den USA kaufen können. Und währenddessen könnte ich es dir beibringen.“

„Ich kenn noch nicht mal deinen Nachnamen“, sage ich und lache jetzt lauter. „Es ist noch ein wenig zu früh, um über Jonglierunterricht und Zusammenleben zu reden.“

„Ich heiße Guillaume mit Nachnamen. Mein Vater ist Franzose, meine Mutter Amerikanerin.“

„Ji – was?“, wiederhole ich, über den Akzent stolpernd. „Ich weiß ja nicht mal, wie man das buchstabiert.“ Mit gerunzelter Stirn rolle ich den Namen ein paarmal in meinem Kopf hin und her. „Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht mal, mit welchem Buchstaben er beginnt.“

„Du wirst lernen müssen, ihn zu buchstabieren“, sagt er, und sein Grübchen wird sichtbar. „Schließlich musst du auf deinen Schecks mit deinem neuen Namen unterschreiben können.“

Letztlich muss ich den Blick von ihm abwenden. Ich brauche eine Pause von seinem Grinsen und diesem Flirt-Level, das mich in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Aber als ich nach rechts sehe, bemerke ich, dass meine Freundinnen ganz in unserer Nähe stehen und uns mit weit aufgerissenen Augen anstarren.

„Was?“, frage ich und werfe Lola einen Reagier-nicht-über-Blick zu.

Sie wendet sich an Ansel: „Du hast sie zum Reden gebracht.“

Ich kann ihren Schock geradezu spüren – und ich will nicht von ihm vereinnahmt werden. Wenn ich zu viel darüber nachdenke, wie entspannt ich mich in Ansels Gegenwart fühle, dann geht es garantiert nach hinten los, und ich breche in Panik aus.

„Diese hier?“, sagt er und zeigt mit dem Daumen auf mich. „Die hört nicht auf zu plappern, oder?“

Harlow und Lola lachen, aber es ist ein Yeah-du-bist-verrückt-Lachen, und Lola zieht mich leicht zur Seite, legt mir eine Hand auf die Schulter. „Du.“

„Ich was?“

„Du erlebst gerade einen Instalove-Moment“, zischt sie. „Ich fass es nicht. Hast du dein Höschen noch an?“ Sie beugt sich theatralisch hinunter, als wollte sie es überprüfen.

„Wir haben uns gestern Abend kennengelernt“, flüstere ich, während ich sie wieder hochziehe. Sie muss dringend leiser sprechen, denn auch wenn wir uns ein paar Schritte von den anderen entfernt haben, befinden wir uns doch immer noch in ihrer Nähe. Und alle drei Männer lauschen ungeniert unserer Unterhaltung.

„Du hast ihn getroffen und uns nichts davon erzählt?“

„Du meine Güte, Mutti. Wir hatten heute Morgen einiges auf der Agenda, und ich hab es vergessen, okay? Die Jungs haben letzte Nacht auf der anderen Seite des Flurs gefeiert. Du hättest sie auch gehört, wenn du nicht genügend Wodka intus gehabt hättest, um ein Pferd umzubringen. Ich bin rübergegangen und hab sie gebeten, etwas leiser zu sein.“

„Wobei wir uns da nicht das erste Mal begegnet sind“, wirft Ansel über meine Schulter hinweg ein. „Wir sind uns vorher schon begegnet.“

„Sind wir nicht“, zische ich und flehe ihn mit meinem Blick an, die Klappe zu halten. Er kennt Lolas Beschützerinstinkt nicht – aber ich.

„Allerdings war es das erste Mal, dass sie Ansel in Unterhosen gesehen hat“, fügt Finn hilfreicherweise hinzu. „Er hat sie aufs Zimmer gebeten.“

Lolas Augenbrauen verschwinden unter ihrem Haaransatz. „Oh mein Gott. Bin ich blau? Was ist in diesem Zeug drin?“, fragt sie und glotzt in ihren unerträglich blinkenden Becher.

„Ach, hör auf“, sage ich zu ihr, zunehmend irritiert. „Ich bin ja nicht mitgegangen auf sein Zimmer. Und ich hab die Zuckerstange dieses hinreißenden Fremden nicht probiert, auch wenn ich das wirklich gern getan hätte, denn hallo, sie ihn dir doch mal an“, füge ich hinzu, damit sie noch ein bisschen mehr ausflippt. „Du solltest ihn mal mit nacktem Oberkörper sehen.“

Ansel wippt auf seinen Fersen vor und zurück, nippt an seinem Drink. „Macht bitte weiter, tut so, als wäre ich nicht hier. Das ist fantastisch.“

Endlich scheint Lola – zum Glück – nicht mehr auf das Thema beharren zu wollen. Wir kehren zurück in den kleinen Halbkreis, den die Jungs gebildet haben, und trinken unsere Cocktails in betretenem Schweigen.

Entweder bemerkt Ansel nicht, wie peinlich die Situation ist, oder es ist ihm egal. „Also, was feiert ihr dieses Wochenende?“, fragt er.

Dabei spricht er diese Worte weniger aus, als dass er sie gurren würde, mit einem süßen Flunsch, als würde er kleine Küsse durch die Luft schicken. Niemals zuvor habe ich dermaßen ein Verlangen verspürt, mit den Fingern den Mund von jemandem zu berühren. Während Harlow erklärt, warum wir in Vegas sind, schreckliche Shots trinken und die nuttigsten Kleider der Welt tragen, wandert mein Blick über sein Kinn, seine Wangen. Von Nahem kann ich erkennen, dass er perfekte Haut hat. Sie ist nicht nur makellos, sondern glatt und eben. Auf der Bühne würde er nicht angerührt werden. Kein Puder, kein Lippenstift. Seine Nase ist gerade, die Augen haben genau den richtigen Abstand voneinander und sind beinahe einschüchternd grün. Vermutlich könnte ich die Farbe selbst in den hintersten Reihen eines Theaters erkennen. Unmöglich kann er so perfekt sein, wie es scheint.

„Was machst du, wenn du nicht Rad fährst oder jonglierst?“, frage ich, und alle drehen sich gleichzeitig zu mir um. Ich spüre, wie mein Puls in meinem Hals explodiert, zwinge mich aber, Ansel weiter unverwandt anzusehen, während ich auf seine Antwort warte.

Er stützt seine Ellbogen auf dem Tresen neben sich ab und hält mich mit seinem aufmerksamen Blick in seinem Bann. „Ich bin Anwalt.“

Alle meine Fantasien lösen sich sofort in Luft auf. Mein Dad würde begeistert sein zu erfahren, dass ich mit einem Anwalt flirte. „Oh.“

Sein Lachen ist rau. „Tut mir leid, wenn ich dich enttäusche.“

„Ich hab noch nie einen Anwalt kennen gelernt, der nicht alt und notgeil ist“, gebe ich zu und registriere Harlows und Lolas Blicke, die sich in mein Profil bohren. Inzwischen weiß ich, dass sie gerade die Worte zählen, die ich in den letzten zehn Minuten von mir gegeben habe. Schließlich bin ich dabei, meinen persönlichen Rekord zu brechen.

„Hilft es, wenn ich sage, dass ich für eine Non-Profit-Organisation arbeite?“

„Nicht sonderlich.“

„Gut. In diesem Fall sollte ich dir die Wahrheit sagen: Ich arbeite für die größte, skrupelloseste Firma in ganz Paris. Ich habe echt ein schreckliches Arbeitspensum. Deshalb solltest du mich nach Paris begleiten. Ich hätte gern einen Grund, warum ich früh von der Arbeit heimkommen sollte.“

Ich versuche, unbeeindruckt zu wirken, aber er beobachtet mich genau. Ich kann sein Lächeln geradezu spüren. Es beginnt als ein kleines Ziehen um seine Mundwinkel herum und wächst, je länger ich so tue als ob. „Also, jetzt hab ich dir von mir erzählt – was ist mit dir? Wo kommst du her, cerise?“

„Ich hab dir gesagt, wie ich heiße. Du musst mich nicht länger so nennen.“

„Was, wenn ich das möchte?“

Es ist wirklich schwer, sich zu konzentrieren, wenn er so lächelt. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir tatsächlich sagen soll, wo ich herkomme. Vertrau nie einem Fremden und so.“

„Ich kann dir meinen Ausweis zeigen. Würde das helfen?“

„Vielleicht.“

„Wir könnten meine Mom anrufen“, sagt er und greift in seine Gesäßtasche, um sein Handy hervorzuziehen. „Sie ist Amerikanerin, ihr würdet euch großartig verstehen. Sie sagt mir die ganze Zeit, was für ein süßer Junge ich bin. Das hör ich echt ziemlich häufig.“

„Da bin ich mir sicher“, erwidere ich. Mal im Ernst, ich glaube, er würde mich wirklich seine Mutter anrufen lassen. „Ich bin aus Kalifornien.“

„Einfach nur Kalifornien? Ich bin zwar kein Amerikaner, aber ich hab gehört, das soll ein ziemlich großer Bundesstaat sein.“

Ich sehe ihn aus schmalen Augen an, bevor ich schließlich hinzufüge: „San Diego.“

Er grinst, als hätte er etwas gewonnen, als hätte ich diesen winzigen Schnipsel an Information in glänzendes, buntes Geschenkpapier gewickelt und ihm in den Schoß gelegt. „Ah. Und was machst du da, in San Diego? Deine Freundin sagt, ihr feiert gerade euren Abschluss. Was steht als Nächstes an?“

„Äh … BWL. Boston University“, sage ich und frage mich, ob diese Antwort jemals aufhören wird, sich in meinen Ohren so steif und hölzern anzuhören, als würde ich sie aus einem Drehbuch ablesen.

Anscheinend klingt es für ihn genauso, denn zum ersten Mal verschwindet sein Lächeln. „Das hätte ich nicht gedacht.“

Ich sehe zum Tresen hinüber und kippe, ohne Nachzudenken, meinen Drink auf Ex runter. Der Alkohol brennt, aber ich fühle die Hitze in meine Glieder sickern. Die Worte, die ich sagen will, blubbern hinten in meiner Kehle hoch. „Ich hab früher getanzt. Ballett.“

Es ist das erste Mal, dass ich das zu jemandem sage.

Seine Augenbrauen schnellen in die Höhe, sein Blick wandert erst über mein Gesicht, dann meinen Körper hinunter. „Das dagegen kann ich sehen.“

Harlow schielt zu mir herüber, dann sieht sie Ansel an. „Ihr zwei seid einfach zu verdammt nett.“

„Es ist ekelhaft“, stimmt Finn leise zu. Ihre Blicke begegnen sich und bleiben ineinander verhakt. Sie scheinen sich stumm gegenseitig abzuschätzen, als wären sie im selben Team – sie gegen uns – und würden herausfinden wollen, wer seinen Freund am besten blamieren kann. Und in diesem Augenblick weiß ich, dass Harlow in ungefähr neunzig Minuten Finn rückwärts reiten wird, wie ein Cowgirl, auf irgendeinem Fußboden. Lola fängt meinen Blick auf – wir denken beide dasselbe.

Wie vorherzusehen war, hebt Harlow ihr Schnapsglas in Finns Richtung. Dabei läuft ein Großteil der Flüssigkeit über, ergießt sich auf ihrer Haut. Als die echte Lady, die sie ist, beugt sie sich vor, fährt sich mit der Zunge über den Handrücken, bevor sie zu niemand Besonderem sagt: „Vermutlich werde ich ihn heute Nacht ficken.“

Finn lächelt, lehnt sich zu ihr hinüber und flüstert ihr etwas ins Ohr. Keine Ahnung, was er gerade gesagt hat, aber ich habe Harlow noch nie so erröten gesehen. Sie fängt an, mit ihren Ohrringen zu spielen. Lorelei neben mir stöhnt auf.

Wenn Harlow dir in die Augen sieht, während sie ihre Ohrringe abnimmt, wirst du entweder gefickt oder getötet. Als Finn lächelt, erkenne ich, dass er diese Regel bereits begriffen hat und weiß, dass er einen Sieg nach Hause fahren wird.

„Harlow“, warne ich.

Schließlich erträgt Lola die bedeutungsschwangeren Gespräche nicht mehr und packt Harlow an der Hand, zerrt sie vom Stuhl hoch. „Gedankenaustausch auf der Damentoilette.“

„Warum nennt er mich ‚Kirsche‘?“ Blinzelnd sehe ich zu meinem Abbild im Spiegel auf. „Denkt er, ich bin noch Jungfrau?“

„Ich bin mir ziemlich sicher, er meint deinen Blow-Job-Mund“, sagt Harlow augenzwinkernd. „Und falls ich darf, würde ich dir gerne vorschlagen, dass du diesen französischen Jungen heute vögelst wie ein Vorschlaghammer. Ist sein Akzent nicht das Heißeste, das du je gehört hast?“

Lorelei schüttelt bereits den Kopf. „Ich glaube nicht, dass wir Mia zu einem One-Night-Stand überreden sollten.“

Ich höre auf, mein Lipgloss aufzutragen und presse die Lippen zusammen. „Was soll das heißen?“ Ich habe nicht vorgehabt, einen One-Night-Stand mit Ansel zu haben. Ich habe vorgehabt, ihn den ganzen Abend über anzustarren und dann allein ins Bett zu gehen, wo ich mich meinen Fantasien hingeben kann, dass ich jemand anderes bin und er mir zeigt, wie heiß Sex auf dem Hotelflur sein kann. Aber kaum hat Lola das gesagt, spüre ich ein rebellisches Ziehen zwischen meinen Rippen.

Harlow mustert mich einen Moment lang. „Ich glaube, sie hat recht. Du bist ein bisschen schwer zu befriedigen“, erklärt sie.

„Im Ernst, Harlow?“, fragte ich. „Sowas kannst du wirklich ohne mit der Wimper zu zucken sagen?“

Lolas Augen sind ähnlich ungläubig weit aufgerissen, als sie sich mir zuwendet. „Das hab ich nicht gemeint.“

„Oh, ich bin definitiv überhaupt nicht zu befriedigen“, gibt Harlow zu. „Ich liebe es nur, Männern dabei zuzusehen, wie sie es versuchen. Aber Mia braucht zwei Wochen, bevor sie mit einem Mann plaudert, ohne vor Scham in Ohnmacht zu fallen.“

„Heute Abend nicht“, murmelt Lola.

Ich stecke meinen Lipgloss wieder in meine Handtasche und werfe Harlow einen Blick zu. „Vielleicht lasse ich mir gerne Zeit und ignoriere das merkwürdige Verlangen, das manche Leute nach pausenloser Unterhaltung haben. Du bist diejenige, die gern ihr Ding durchzieht, und das ist okay. Ich kritisier das nicht.“

„Also“, fährt Harlow fort, als hätte ich nichts gesagt. „Ansel ist hinreißend, und der Art nach zu urteilen, wie er dich anstarrt, bin ich mir ziemlich sicher, dass du nicht viel mit ihm reden – oder ihn überreden – musst.“

Lorelei seufzt. „Er scheint ja echt nett zu sein, und dass sie sich beide toll finden, ist unübersehbar. Aber was passiert dann?“ Sie schiebt ihren ganzen Kram zurück in ihre Handtasche, lehnt sich dann mit dem Rücken gegen den Waschtisch und sieht uns beide an. „Er lebt in Frankreich, sie zieht nach Boston, was nur unwesentlich näher an Frankreich dran ist als San Diego. Wenn du mit Ansel Sex hast“, sagt sie zu mir, „wird es eine ordentliche Missionarstellung mit wahnsinnig viel Gequatsche und Weichzeichner-Blickkontakt sein. Das ist kein One-Night-Stand-Sex.“

„Ihr beide macht mich echt fertig“, erwidere ich.

„Dann kann sie doch einfach auf Doggystyle bestehen – was ist das Problem?“, fragt Harlow verdutzt.

Da ich für diese Unterhaltung eindeutig nicht benötigt werde, dränge ich mich an ihnen vorbei, zurück in die Bar, und lasse sie ohne mich entscheiden, wie der Rest meines Abends verlaufen wird.

Anfangs ist es, als würden unsere Freunde metaphorisch gesprochen in den Hintergrund rücken, da sie auch unverkrampfter (oder betrunkener) werden, und ihr Lachen sagt mir, dass sie nicht mehr jeden Satz verfolgen, den wir von uns geben. Irgendwann gehen sie zu den Blackjack-Tischen, die direkt draußen vor der Bar stehen, und lassen uns miteinander allein – natürlich nicht ohne bedeutsame Sei-vorsichtig-Blicke in meine Richtung und Drängel-nicht-Blicke in Ansels Richtung zu werfen.

Er trinkt seinen Drink aus und stellt das leere Glas auf dem Tresen ab. „Was hat dir am Tanzen am meisten gefallen?“

Ich fühle mich mutig, ob wegen des Gins oder wegen Ansel, ist mir egal. Ich nehme seine Hand und ziehe ihn hoch. Er steht von seinem Barhocker auf und folgt mir.

„Mich darin zu verlieren“, sage ich und lehne mich an ihn. „Jemand anderes zu sein.“ Auf diese Weise konnte ich so tun, als wäre ich eine andere Person. In ihrem Körper konnte ich Sachen machen, die ich vielleicht mit meinem nicht tun würde, wenn ich nur lange genug darüber nachdachte. Wie zum Beispiel, Ansel einen dunklen Flur hinunterzuziehen – was, auch wenn ich vielleicht erst tief Luft holen und bis zehn zählen musste … ich jetzt tatsächlich tue.

Ansel summt leise vor sich hin, und ich presse meine Lippen aufeinander, liebe es, wie sich bei diesem Geräusch meine Lungen zusammenziehen. Meine Beine und meine Lungen und mein Verstand scheinen alle gleichzeitig ihre Funktion eingestellt zu haben – ist das möglich?

„Du könntest so tun, als wäre das hier eine Bühne“, sagt er leise und stemmt seine Hand neben meinem Kopf gegen die Wand. „Du könntest so tun, als wärst du jemand anderes. Du könntest so tun, als wärst du das Mädchen, das mich hierher führt und mich küsst.“

Ich schlucke, überlege mir genau eine Antwort, bevor ich sage: „Wer wärest du dann heute Nacht?“

„Der Typ, der das Mädchen bekommt, das er will, und der zu Hause keine offenen Baustellen hat.“

Er sieht nicht zur Seite, also habe ich das Gefühl, ich dürfte das auch nicht, selbst wenn meine Knie fast unter mir nachgeben. Er könnte mich genau in diesem Augenblick küssen, und es wäre nicht überstürzt.

„Warum hast du mich denn hierher gebracht? Weg von den anderen?“, fragt er. Sein Lächeln verblasst.

Ich sehe an ihm vorbei zum Club, wo es kaum heller ist als hier.

Als ich nicht antworte, duckt er sich leicht, um mir in die Augen zu sehen. „Stelle ich zu viele Fragen?“

„Ich brauche immer eine Weile, um einen Satz rauszubringen“, erwidere ich. „Es liegt nicht an dir.“

„Nein, nein. Los, lüg mich an.“ Er kommt näher, und sein Lächeln kehrt zurück, bringt mein Herz fast zum Stillstand. „Lass mir den Glauben, ich würde dich sprachlos machen, wenn wir unter uns sind.“

Und trotzdem wartet er darauf, dass ich die für mich richtigen Worte für eine Antwort finde. Doch die Wahrheit ist: Auch wenn mir ein riesiger Fundus an Worten zur Verfügung stünde, weiß ich nicht, ob meine Erklärungen irgendeinen Sinn ergäben – warum ich ihn hierher gebracht habe, fern von der Sicherheit, die mir meine Freundinnen geben, die immer in der Lage sind, meine Gesichtsausdrücke in Sätze zu übersetzen, oder die zumindest für mich das Thema wechseln, wenn nötig.

Nein, ich bin nicht nervös oder verängstigt. Ich weiß nur nicht, wie ich in die Rolle schlüpfen soll, die ich gerne spielen möchte: flirtend, offen, mutig. Mit Ansel kommt es mir vor, als würde mein Herzschlag den seinen jagen. Ich möchte meine Fingerabdrücke auf seinem Hals und seinen Lippen hinterlassen, will an seiner Haut saugen, herausfinden, ob sie so warm ist, wie sie aussieht, will feststellen, ob ich mag, was er getrunken hat, indem ich es auf seiner Zunge schmecke. Ich will mit ihm eine vollständige Unterhaltung führen, bei der ich kein einziges Wort vorhersehen oder darum ringen muss, und dann will ich Ansel mit auf mein Zimmer nehmen und gar nicht mehr sprechen.

„Frag mich noch mal“, sage ich.

Er runzelt kurz die Stirn, dann begreift er. „Warum hat du mich hierhergebracht?“

Dieses Mal denke ich keine einzige Sekunde nach, bevor ich antworte. „Ich möchte heute Nacht ein anderes Leben leben.“

Seine Lippen wölben sich ein bisschen vor, während er nachdenkt, und ich kann nicht anders als sie anzustarren. „Mit mir, cerise?“

Ich nicke. „Ich weiß übrigens, was das bedeutet. Es bedeutet Kirsche. Du Perverser.“

Seine Augen glänzen amüsiert. „Richtig: Kirsche.“

„Und mit Sicherheit hast du dir schon gedacht, dass ich keine Jungfrau mehr bin.“

Er schüttelt den Mund. „Hast du dir mal deinen Mund angeguckt? Ich hab noch nie so rote und volle Lippen gesehen.“

Unwillkürlich nehme ich meine Unterlippe in den Mund, sauge daran.

Sein Blick wird schwer, und er beugt sich noch etwas vor. „Ich mag es, wenn du das tust, ich will auch mal.“

Meine Stimme zittert nervös, als ich flüstere: „Es sind nur Lippen.“

„Es sind nicht nur Lippen. Und bitte“, sagt er und er ist so nah, dass ich sein Aftershave riechen kann. Es duftet nach frischer Luft, grün und klar und beruhigend zugleich, etwas, das ich noch nie an einem Mann gerochen habe. „Du trägst roten Lippenstift, damit Männer deinen Mund nicht bemerken? Mit Sicherheit weißt du, was ein Mund wie dieser in unseren Träumen so alles anstellt.“

Ich schließe nicht die Augen, als er sich gegen mich lehnt und meine Unterlippe zwischen seine Lippen nimmt; er hingegen schon. Seine Augenlider fallen zu, und jeder meiner Sinne nimmt den rauen Laut wahr, den er von sich gibt: Ich kann Ansel schmecken, fühlen, hören, sehe, wie er an mir erschauert.

Er fährt mit seiner Zunge über meine Lippe, saugt sanft und zieht sich dann zurück. Eigentlich war das kein Kuss, denke ich. Mehr ein kosten. Und offensichtlich stimmt er mir zu. „Du schmeckst nicht nach Kirsche.“

„Wie schmecke ich denn?“

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