Tausend Sterne über Wallaroo

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Um den sportlichen Fletcher, in den sie sich in Melbourne verliebt hat, zurückzuerobern, fährt die hübsche Designerin Ally zu seiner Farm im Outback von Queensland. Doch leider empfängt er Ally längst nicht so freudig wie sie gehofft hat! Sie muss sich schon etwas Raffinierteres einfallen lassen, um ihn von der Liebe zu überzeugen ...


  • Erscheinungstag 28.07.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758318
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Mummy weinte wieder.

Vom Bett aus hörte der Junge ihr unterdrücktes Schluchzen und die flehende Stimme seines Vaters aus dem Nebenzimmer. „Vivienne, ich bitte dich. Du darfst nicht fortgehen. Du kannst uns doch nicht verlassen.“

Sein Teddybär lag neben ihm auf dem Kopfkissen. Doch nicht einmal sein Lieblingsspielzeug konnte ihn in diesem Moment trösten, denn er hörte, wie traurig und verzweifelt seine Mutter war.

„Ich fühle mich so … so eingeengt hier im Outback“, schluchzte sie. „Ich glaube, ich werde verrückt.“

Schließlich hatte er sich das Kopfkissen um die Ohren gehalten, um die beängstigenden Stimmen nicht mehr hören zu müssen.

Und dann war seine Mutter im ersten Morgengrauen auf Zehenspitzen an sein Bett gekommen. Sie duftete frisch und nach einem teuren Parfüm. Vorsichtig setzte sie sich auf die Bettkante, und er barg den Kopf in ihrem Schoß.

„Mon petit“, flüsterte sie und strich ihm übers Haar. „Du wirst mir schrecklich fehlen.“

Sein Herz begann ängstlich zu klopfen. „Ich brauche dir nicht zu fehlen, Mummy“, sagte er weinend. „Ich bleibe für immer mit dir und Daddy auf Wallaroo.“

Sie stöhnte leise auf und zog ihn an sich. „Oh Cheri“, flüsterte sie, und als er aufsah, entdeckte er Tränen in ihren wunderschönen Augen. „Vergiss niemals, dass ich dich sehr, sehr lieb habe. Aber du gehörst hierher.“

Auf der Auffahrt draußen knirschten Reifen im Kies, dann ging jemand mit schweren Schritten über die Veranda. Ned, der Viehhirte, stand an der Tür, räusperte sich und drehte verlegen seinen breitkrempigen Hut in den Händen.

„Ich komme gleich, Ned“, sagte sie leise.

Der Junge spürte ihre warmen Lippen auf der Wange, und sie drückte ihn so fest an sich, dass er kaum atmen konnte. Dann stand sie auf und ging.

Er sprang aus dem Bett und lief ihr nach, barfuß und ohne zu spüren, wie kalt der Fußboden war.

Draußen kam langsam Leben in den Busch. Ein großer Schwarm rosa und grauer Kakadus, die im Eukalyptusbaum am Fluss übernachtet hatten, erhob sich unter lautem Gekreische in den rötlichen Morgenhimmel. Ned hielt den Schlag des Trucks auf, und sie setzte sich in den Wagen. Der kleine Junge konnte ihr blasses Gesicht nur schemenhaft durchs Fenster sehen.

Er lief schneller, doch als er die Treppe erreicht hatte, wurde er aufgehalten. Sein Vater hob ihn hoch und drückte ihn an sich, dass die Bartstoppeln pikten. „Wir müssen sie gehen lassen, Fletcher“, sagte er heiser. „Sie gehört nicht in den Busch. Sie ist an das Großstadtleben gewöhnt.“

Was sagte Daddy da? Natürlich gehörte Mummy hierher. Der Motor des Trucks wurde angelassen, und die Farmhunde begannen zu bellen.

„Jetzt sind nur noch wir beide übrig, kleiner Mann. Wenigstens durfte ich dich behalten …“

Der Truck setzte sich in Bewegung.

Völlig verstört versuchte der Junge, sich von seinem Vater loszureißen, und schrie: „Mummy, bleib hier!“

Doch der Truck fuhr immer schneller. Und sie sah ihren Sohn ein letztes Mal an, hob graziös die Hand und warf ihm eine Kusshand zu.

1. KAPITEL

Fletcher Hardy versuchte irritiert, den unbequem engen Hemdkragen zu lockern, und ließ ärgerlich den Blick über Marmorböden und verspiegelte Wände des riesigen Ballsaals gleiten. Er war von der Pressekonferenz in Nord-Queensland direkt zum Hotel geeilt und hatte sogar eine Verabredung zum Abendessen mit dem Landwirtschaftsminister verschoben, nur um zuzusehen, wie halb verhungerte Mädchen in den unglaublichsten Aufmachungen auf und ab stolzierten!

Er war stolz darauf, stets nur das zu tun, was er tun wollte, doch in einer schwachen Minute war es seiner Cousine Lucette trotzdem gelungen, ihn zu überreden, sich die Modenschau anzusehen.

Im ungewohnten Smoking fühlte er sich eingeengt. Ungeduldig ging Fletcher am Laufsteg entlang und suchte nach seinem Sitzplatz. Die interessierten Blicke elegant frisierter Damen übersah er geflissentlich. Als er seinen Platz gefunden hatte, setzte er sich. Mode! Nie würde er verstehen, warum Frauen so besessen davon waren. Dass er allerdings nichts gegen eine elegant gekleidete Dame hatte, vergaß er dabei.

Sowie Lucette erfahren hatte, dass Fletcher nach Melbourne kam, hatte sie ihn gebeten, zur Modenschau zu kommen, damit er das eigens für diese Show von ihr entworfene Bühnenbild bewundern konnte. Da seine junge Cousine sehr stolz auf ihren ersten Auftrag war, hatte er sich schließlich überreden lassen, um ihre Gefühle nicht zu verletzen. Wo steckte sie nur? Die Band hatte zu spielen begonnen, die Beleuchtung wurde gedimmt, und weit und breit keine Spur von Lucette! Typisch! Dann hätte er sich den Weg hierher auch sparen können. Er beschloss, sich spätestens in der Pause davonzustehlen.

Eigensinnig weigerte er sich, dem betont gut gelaunten, mit einem goldfarbenen Jackett bekleideten Conférencier zu applaudieren. Der Mann griff zum Mikrofon, begrüßte die Zuschauer und machte einen völlig unverständlichen Scherz über Mode. Die Zuschauer waren begeistert. Fletcher war hingegen nur ein gelangweiltes Stöhnen zu entlocken.

„Heute Abend zeigt ‚Quintessential Selection‘ uns eine Vorschau der neuen Kreationen, die fünf junge australische Topdesigner entworfen haben. Wir beginnen mit der Kollektion der hinreißenden Alexandra Fraser. Unsere männlichen Zuschauer werden mir sicher zustimmen, dass Ally selbst ein überaus hübsches Design ist.“ Hier machte er eine Pause, weil das Publikum über seinen kleinen Scherz lachte, wohingegen Fletcher nur die Augen verdrehte. „Heute sehen wir Modelle ihrer weltstädtischen, minimalistischen Kollektion in hellen Kaschmir- und Seidentönen. Beachten Sie besonders die seidenen Kummerbunde als Accessoires zu ihren raffiniert geschnittenen Hosen und langen Abendröcken.“

Fletcher schob geistesabwesend eine Hand durchs dichte dunkle Haar und betrachtete Lucettes Bühnenentwurf. Er war wirklich gut gelungen. Vor dem Hintergrund eines angedeuteten Morgenhimmels in dezenten Rosa- und Goldtönen waren elegante, vergoldete Torbögen aufgebaut, an denen kleine Lichter blinkten, die auch den Laufsteg verzierten, der darüber hinaus mit duftigem Tüll dekoriert war. Eine sehr passende Dekoration für wunderschöne Mannequins in eleganten Roben, dachte Fletcher.

Doch als die Show begann, hatte er kaum einen Blick für die Mädchen übrig. Stattdessen versuchte er, in dem dunklen Raum auf seiner Armbanduhr zu erkennen, wie spät es war. Vergeblich. Schließlich gab er es auf und ließ den Blick über die anderen Zuschauer gleiten, um Lucette zu suchen. Als er sie nirgends entdecken konnte, versuchte er nochmals, auf seiner Uhr die Zeit festzustellen, doch es war einfach zu dunkel. Wann kann ich endlich verschwinden? Dachte er ungeduldig.

Rastlos rutschte er auf seinem Stuhl hin und her, wobei er versehentlich die dürre Frau neben sich anstieß. Ihr Gesicht war von einem breitkrempigen Hut verborgen, trotzdem fing Fletcher ihren empörten Blick auf. Wäre er nicht in diesem Moment abgelenkt worden, hätte er sie ebenso vernichtend angesehen. Doch nun hatte er nur Augen für eine junge Frau, die soeben den Laufsteg betreten hatte. Sie trug ein einfaches veilchenfarbenens Minikleid und fiel unter den in hellen Farbtönen gekleideten Mannequins sofort auf.

„Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ist unsere Alexandra Fraser.“

Das war also die Designerin der ersten Kollektion. Sie verbeugte sich, als die Zuschauer sie mit lautem Beifall und Bravorufen begrüßten.

Lächelnd verbeugte sie sich wieder. Fletcher Hardy betrachtete sie wie gebannt. So eine Frau hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Und so leicht war er nun wirklich nicht zu beeindrucken. Hingerissen sah er sie an und schluckte. Sie war schlank und doch unendlich feminin, hatte seidiges dunkles Haar und einen makellosen Teint. Wie anmutig ihre Gestik war. Und diese blitzenden grauen Augen mit den dichten Wimpern … so sexy, so lebendig, so intelligent und voller Lebensfreude.

Im nächsten Moment war sie nach einem letzten Lächeln mit den Mannequins durch Lucettes goldene Torbögen verschwunden.

Fletcher ließ noch die Vorführung der folgenden Modelle über sich ergehen – allein die aus Heavymetal bestehende musikalische Untermalung hätte ihn normalerweise in die Flucht geschlagen –, dann stand er auf und ging zum anderen Ende des Ballsaales, wo er sich einen Katalog nahm und flüchtig darin blätterte. Über Alexandra Fraser fand er nur wenige Angaben. Ein Zitat von ihr ärgerte ihn allerdings. „Meine Mode ist einfach, ohne Rüschen und Schnörkel. Trotzdem sind meine Kleider schmeichelnd und körperbetont. Mode bedeutet für mich alles, Verstand, Körper und Seele werden völlig ausgefüllt.“

Wie kann einer so bildhübschen jungen Frau Mode alles bedeuten? Fragte er sich ärgerlich.

Er beschloss, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Statt in die bereitstehende Limousine zu steigen, die ihm vom Verband der Viehzüchter zur Verfügung gestellt worden war, begab er sich hinter die Bühne.

Ally Fraser nahm inzwischen hinter der Bühne die Glückwünsche der Models und Assistenten entgegen. Strahlend sah sie zu, wie die Mannequins sich umzogen, Perücken abnahmen und falsche Wimpern entfernten, während Helfer die Kleidungsstücke einsammelten. Ally fühlte sich wie im siebten Himmel, denn ihre Kollektion hatte mit Abstand den meisten Beifall bekommen. Und die beiden Moderedakteurinnen, die sie unter den Zuschauern entdeckt hatte, hatten ihr wohlwollend zugenickt, als sie sich verbeugt hatte.

Sie vergewisserte sich, dass alle Kleidungsstücke sorgfältig verstaut waren, und wünschte, sie könnte direkt nach Hause fahren, um sich zu entspannen. Plötzlich fühlte sie sich sehr müde und erschöpft. Die vergangenen Wochen waren sehr hektisch gewesen. Trotzdem riss sie sich zusammen und ließ sich auf der Cocktailparty blicken, wo sie sich besonders angeregt mit den Moderedakteuren unterhielt.

Bevor sie wieder hinter der Bühne verschwand, ließ sie noch einmal den Blick über die Menge gleiten, um sicher zu sein, dass auch alles in Ordnung war.

Aufgeregtes Stimmengewirr schlug ihr entgegen. Im nächsten Moment hatte sie auch erfasst, was die Mannequins so aus dem Häuschen brachte. Ein Fremder hatte sich hinter der Bühne eingefunden – ein sehr attraktiver Fremder.

Er schien sich überhaupt nicht für die halb nackten Mädchen zu interessieren, sondern kam direkt auf sie, Ally, zu. Der Mann war groß und dunkelhaarig und wirkte sehr elegant in seinem Smoking. Sein Blick war so eindringlich, dass ihr Herz aufgeregt zu schlagen begann.

„Ich suche Lucette Hardy“, sagte er mit tiefer, wohlklingender Stimme, als er vor ihr stand.

Obwohl das durchaus plausibel klang, glaubte Ally ihm nicht, denn der Mann hatte nur Augen für sie. Wie verzaubert erwiderte sie seinen Blick. Schließlich riss sie sich zusammen und sagte: „Die arme Lucette hat Grippe. Dabei hatte sie sich so auf die Modenschau gefreut.“

„Ach, deshalb ist sie nicht hier.“ Er wandte vorübergehend den Blick ab, sah Ally dann jedoch wieder tief in die Augen. „Sie sind …“ Er räusperte sich. „Ihre Kollektion ist einfach exquisit.“ Er zeigte auf die Kleider, die inzwischen alle auf Kleiderständern hingen. „Die einfache Linienführung …“ Er schwieg, weil er offensichtlich nicht weiterwusste.

„Und die eleganten Silhouetten?“, schlug Ally hilfsbereit vor und lächelte amüsiert.

Der Mann lächelte jungenhaft. „Sie haben mich ertappt. Ich habe Ihr Zitat im Katalog gefunden. Ehrlich gesagt, gefällt mir das Kleid, das Sie tragen, am besten.“

„Danke.“ Ally war zwar an Komplimente gewöhnt, doch dieses Mal klopfte ihr Herz aufgeregt, und sie betrachtete den sonnengebräunten Mann neugierig. Er war so unglaublich männlich und direkt.

Er runzelte die Stirn und senkte den Blick. Plötzlich wirkte er schüchtern. Jetzt wird er sich bestimmt gleich verabschieden, und ich sehe ihn nie wieder, dachte Ally, seltsam enttäuscht.

Verstohlen ließ sie den Blick über ihn gleiten, betrachtete die breiten Schultern, das dichte schwarze Haar, das markante Gesicht mit den ausdrucksvollen blauen Augen und überlegte, wieso dieser attraktive Mann, der wahrscheinlich jede Frau haben könnte, sich so ungeschickt anstellte. Ihr war klar, dass er sich mit ihr verabreden wollte, jedoch offensichtlich nicht wusste, wie er das anstellen sollte.

„Wollen Sie mir nicht wenigstens Ihren Namen verraten?“, fragte sie, etwas zu interessiert.

Wieder lächelte er, diesmal sichtlich entspannt. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich dadurch so sehr, dass Ally im ersten Moment glaubte, die Beleuchter experimentierten mit den Strahlern.

„Ich bin Fletcher Hardy, Lucettes Vetter, und ich habe geschäftlich in Melbourne zu tun. Eigentlich wollte ich heute Abend Lucettes Werk bewundern.“

Fast befürchtete sie, er würde hinzufügen, nun stattdessen die Designerin zu bewundern, doch zum Glück ersparte er ihr diese Plattitüde und fragte: „Wann sind Sie hier fertig?“

„Erst wenn ich meine Pflicht getan habe.“ Sie verzog das Gesicht und zeigte auf den Ballsaal. „Die Presse erwartet, dass ich mich blicken lasse.“

„Sie haben mein Mitgefühl“, antwortete er. „Ich habe das heute auch schon durchexerziert.“

„Wirklich?“ Sie sah ihn nachdenklich an. „Lassen Sie mich raten. Sie sehen aus, als würden Sie viel an der frischen Luft arbeiten. Sind Sie vielleicht Skilehrer? Nein, das wäre für die Presse nicht interessant genug. Wie wär’s mit Bergsteiger? Sind Sie drauf und dran, etwas schier Unbezwingbares zu bezwingen?“

Fletchers herzliches Lachen erregte die Aufmerksamkeit der Mannequins. Leise fügte er schließlich draufgängerisch hinzu: „Ich rechne mir zumindest Chancen aus.“

Ally erschauerte aufgeregt. Lucettes Vetter hatte seine Schüchternheit in atemberaubendem Tempo abgelegt.

„Na ja, Ratespiele waren noch nie meine Stärke“, sagte sie schnell, um ihre plötzliche Verlegenheit zu überspielen. Warum sie auf einmal verunsichert war, wusste sie selbst nicht. Sein Humor gefiel ihr, außerdem hatte sie noch nie zuvor dieses Gefühl gehabt, einen Menschen bereits lange zu kennen, schon gar nicht bei der ersten Begegnung. Ihr Herz klopfte noch immer vor Aufregung. „Sie werden mir fürs Erste ein Rätsel bleiben“, fügte sie hinzu. „Denn ich muss mich jetzt leider unter die Gäste mischen. Kommen Sie doch mit.“

„Gern. Bitte, nach Ihnen.“ Charmant ließ er ihr den Vortritt.

Ally spürte die Blicke der anderen Anwesenden auf sich, als sie, mit Fletcher im Schlepptau, zur Cocktailparty ging. Als sie sich jeder ein Glas Champagner nahmen, kam Derek Squires, der kahlköpfige, über und über tätowierte Designer, auf sie zugestürzt.

„Hallo, ihr Lieben“, begrüßte er sie affektiert.

„Hallo, Derek. Das ist Fletcher Hardy.“

„Hallo, mein Lieber.“ Derek lächelte Fletcher interessiert zu. Der nickte höflich.

„Wie geht’s denn so?“, fragte Ally.

„Gut, solange mich diese schreckliche Frau in Ruhe lässt.“

„Wen meinst du?“

„Phoebe Hardcastle. Stellt euch vor, sie war so unverschämt, meinen blauen Lippenstift zu kritisieren. Sie hat doch tatsächlich behauptet, meine Mädchen würden aussehen, als wären sie halb ertrunken.“ Er schüttelte sich entsetzt. „Sie hat wirklich das kreative Vorstellungsvermögen einer Fruchtfliege.“

„Du hast recht. Sie kann wirklich sehr sarkastisch sein.“ Ally ließ schnell den Blick zu Fletcher gleiten, um seine Reaktion auf dieses Gespräch zu sehen. Er wirkte überaus interessiert.

„Sie hat überhaupt keine Ahnung von Mode, die dumme Kuh.“

„Bitte beleidigen Sie keine Kühe. Von denen lebe ich“, bat Fletcher. Derek und Ally betrachteten ihn neugierig und warteten auf eine nähere Erklärung. „Ich bin Viehzüchter“, erklärte er und zuckte die Schultern.

„Wie schrecklich für Sie“, sagte Derek leise und verschwand so überstürzt, wie er gekommen war.

Ally lächelte. „Ich wusste ja, dass Sie viel an der frischen Luft arbeiten.“

„Ally Fraser“, rief jemand hinter ihr in energischem Tonfall. „Ich muss unbedingt kurz mit Ihnen sprechen.“

Eine Furcht einflößende Frau mit hellrotem Haar, dicker Hornbrille und groben Gesichtszügen bahnte sich rücksichtslos den Weg zu ihnen.

„Ach, Phoebe. Wie geht es Ihnen heute Abend?“

„So lala, Herzchen. Der Redaktionsschluss naht. Würden Sie mir schnell einige Fragen beantworten?“

Ally sah Fletcher entschuldigend an, bevor sie zustimmend nickte. „Klar. Schießen Sie los!“

Die Rothaarige hielt ihr einen kleinen Kassettenrekorder unter die Nase. „Ich möchte wissen, wen Sie mit Ihrer Kollektion ansprechen wollen. Für wen sind Ihre Modelle gedacht?“

„Aber das habe ich Ihnen doch schon etliche Male erzählt.“ Ally protestierte.

„Neue Show, neue Kommentare“, antwortete die Redakteurin schlagfertig und unnachgiebig.

„Also gut.“ Ally willigte schließlich ein. „Meine Kunden legen Wert auf Qualität. Sie möchten etwas für ihr Geld bekommen. Und sie erwarten moderne und trotzdem klassisch-elegante Kleidung.“

Sie spürte, wie jemand ihr auf den Rücken klopfte, und sah auf. Fletcher zwinkerte ihr zu.

Ally beantwortete alle Fragen, so gut sie konnte. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, denn Fletcher hatte den Arm um ihre nackten Schultern gelegt. Die Berührung war zwar sehr angenehm und aufregend, brachte sie jedoch aus dem Konzept.

„Haben Sie auch vor, Parfüms auf den Markt zu bringen, so wie einige andere erfolgreiche Designer?“, fragte Phoebe.

Ally ließ sich mit der Antwort Zeit. Natürlich hatte sie mit diesem Gedanken gespielt, aber der war noch lange nicht spruchreif.

„Gute Frage“, fand Fletcher. „Wenn wir die Antwort wissen, teilen wir Sie Ihnen sofort mit. Sie bekommen dann ein Exklusivinterview. Aber jetzt müssen wir uns leider verabschieden, wir haben nämlich noch einen anderen Termin.“

„Wer sind Sie denn?“, fragte Phoebe erstaunt.

„Ich bin Miss Frasers PR-Berater. Vielen Dank für Ihr Interesse, aber wir müssen jetzt wirklich gehen.“

Ally wusste kaum, wie ihr geschah. Fraser zog sie sanft, aber entschlossen davon. „Was fällt Ihnen eigentlich ein?“, rief sie und sah ihn an.

„Pst. Ich erkläre es Ihnen gleich.“

Sie runzelte unwillig die Stirn, ging jedoch widerspruchslos an seiner Seite durch die Menge zur Tür des Ballsaals.

„So, jetzt möchte ich aber wissen, was das soll.“ Ally hatte die Arme verschränkt und sich ihm zugewandt.

„Ich entführe Sie“, erklärte er seelenruhig.

Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er ihr einen Finger auf den Mund gelegt. „Ich verschleppe Sie, weil Sie die bezauberndste Frau sind, die mir je begegnet ist, weil ich nur noch kurz in Melbourne bin und weil wir keine Zeit für langes Vorgeplänkel haben.“

Sie sahen einander an. Noch immer lag sein Finger auf ihren Lippen. Ally war völlig verblüfft. „Aber … meine Karriere … hängt von diesen Interviews ab“, sagte sie schließlich stockend.

„Glauben Sie das wirklich?“

Sie zögerte. Wie oft hatte sie sich diese Frage selbst schon gestellt. Immer hatte sie sich darum bemüht, das Richtige, Konventionelle zu tun, denn so war sie erzogen worden. Andererseits war ihr immer wieder aufgefallen, wie wenig Journalisten schließlich von dem verwendeten, was sie ihnen erzählt hatte. Und meistens wurde sie – sehr zu ihrem Verdruss – auch noch falsch zitiert.

Fletcher fuhr fort: „Diese sogenannten Journalisten haben sich Notizen gemacht, die Fotos sind im Kasten, und ich wette, alle wissen bereits genau, was sie über Ihre Kollektion schreiben wollen. Jetzt ist es ihnen wichtiger, sich am Buffet zu bedienen, mit Prominenten gesehen zu werden und den neuesten Klatsch auszutauschen.“

Wahrscheinlich hat er recht, dachte Ally. Außerdem hatte sie die Arbeit immer an die erste Stelle gesetzt, fürs Privatleben war kaum noch Zeit geblieben. Wäre sie nicht so sicher gewesen, dass dieser Mann eine sehr wichtige Rolle in ihrem Leben spielen würde, hätte sie vielleicht geschwankt. Aber sie war vom ersten Augenblick an völlig hingerissen gewesen von ihm. Und als er ihr die Hand auf die Schulter gelegt hatte, war es völlig um sie, Ally, geschehen gewesen. Diese kleine Geste war wirkungsvoller gewesen als alle Bemühungen ihrer verflossenen Bewunderer. Möglicherweise machte sie den größten Fehler ihres Lebens, doch das wollte sie gern riskieren. In diesem Moment zählte nur, dass sie unbedingt mit Fletcher Hardy zusammen sein wollte.

„Wo würden Sie denn gern hingehen?“, fragte sie lächelnd.

„Essen Sie gern thailändisch?“

„Sogar sehr gern.“

Sie nahmen ein Taxi zum besten thailändischen Restaurant der Stadt. „Kennen Sie sich in Melbourne aus?“, fragte Ally interessiert, als der Taxifahrer sich in den Verkehrsfluss einfädelte.

„Nur in der Innenstadt. Eigentlich komme ich nur ein- oder zweimal im Jahr zu Kongressen nach Melbourne.“

„Und was haben Sie für Vieh? Milchkühe oder Mastrinder?“

„Mastrinder. Ich habe eine Rinderfarm am Burdekin, in Wallaroo Downs.“

„Am Burdekin? Ist das nicht in Nord-Queensland?“

„Genau.“

„Das ist aber ziemlich weit weg von hier.“ Ally versuchte zu überspielen, was sie von einer derartig großen Entfernung hielt.

„Ja, etwa dreitausend Kilometer.“

„Leben Sie gern da oben?“

„Sehr gern.“ Er lächelte lässig und streckte einen Arm auf der Rückenlehne aus. „Und ich bin auch gern hier.“

Das Restaurant war sehr gut besucht. Trotzdem fanden sie noch einen Tisch. In der eleganten Umgebung fühlten sie sich in ihrer festlichen Abendgarderobe überhaupt nicht fehl am Platz.

„Es ist schon eine halbe Ewigkeit her, seit ich zum Abendessen ausgegangen bin“, sagte Fletcher, als sie am Tisch saßen.

„Wenigstens haben Sie die Entschuldigung, dass es in Ihrer Gegend sicher kaum Restaurants gibt, wohingegen es hier eine richtige Restaurantschwemme gibt, aber ich gehe nur selten essen.“

„Dann ist dieser Abend für uns beide etwas Besonderes.“ Fletcher lächelte, und Ally fragte sich, ob sie je so ein sexy Lächeln gesehen hätte.

Sie verstand selbst nicht ganz, wieso sie eigentlich so aufgeregt, so erwartungsvoll war, wie sie es seit ihrer Kindheit nicht mehr erlebt hatte. Damals hatte sie in der Nacht vor ihrem Geburtstag nie schlafen können, weil sie sich so auf die Geschenke gefreut hatte.

Sie spürte Schmetterlinge im Bauch, als sie mit Fletcher beriet, was sie bestellen sollten. Ausgiebig unterhielten sie sich über ihre Vorlieben und Abneigungen, über ihre Lieblingsspeisen und – weine. Als schließlich der Ober kam, gab Fletcher die Bestellung in fließendem Thai auf.

„Sie waren offensichtlich schon mal in Thailand“, stellte Ally fest.

„Ja, aber rein geschäftlich.“

„Immerhin haben Sie sich Zeit genommen, sich mit dem Essen zu beschäftigen.“

Fletcher lächelte jungenhaft und umfasste Allys Hand. „Ich bin sehr froh, dass Lucette mich überredet hat, zur Modenschau zu kommen.“ Er betrachtete ihre Hand, die, verglichen mit seiner sonnengebräunten, weiß und zierlich war. „Sie tragen keinen Ring. Heißt das, dass Sie ungebunden sind?“ Er zog fragend eine dunkle Augenbraue hoch.

„Ich habe nur meine Arbeit“, gab Ally zu.

„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es nicht unzählige Versuche gegeben hat, Sie von der Arbeit abzulenken.“

Ally probierte den spritzigen Weißwein, den Fletcher gewählt hatte, und ließ sich Zeit mit der Antwort.

„Man muss vorsichtig sein als Mädchen.“ Sie begegnete dem Blick seiner strahlend blauen Augen. „Im Wald wimmelt es nur so von Wölfen, aber ich fand immer, dass Rotkäppchen sich zu bereitwillig hat führen lassen. Ich habe die Wölfe kaum beachtet und bin auf direktem Weg zum Haus der Großmutter gegangen.“

„Und das Haus der Großmutter ist in diesem Fall Ihre Modefirma?“

„Genau.“ Ally lächelte.

„Dann haben Sie sich nach dem überwältigenden Erfolg Ihrer Kollektion heute Abend vielleicht eine kleine Abwechslung verdient.“

„Vielleicht.“ Solange du dir darüber im Klaren bist, dass dieser Mann einige Tausend Kilometer entfernt lebt und lediglich ein sehr angenehmer Begleiter zum Abendessen ist, sonst nichts, gab ihre innere Stimme zu bedenken.

Das Menü war ausgezeichnet. Als Vorspeise hatten sie eine köstliche Suppe von Meeresfrüchten in Kokosmilch gewählt, die mit Ingwer und Koriander abgeschmeckt war. Dann gab es Rindercurry für Fletcher und Hühnchencurry für Ally. Dazu wurde lockerer Jasminblütenreis gereicht.

Autor

Barbara Hannay
Die Kreativität war immer schon ein Teil von Barbara Hannays Leben: Als Kind erzählte sie ihren jüngeren Schwestern Geschichten und dachte sich Filmhandlungen aus, als Teenager verfasste sie Gedichte und Kurzgeschichten. Auch für ihre vier Kinder schrieb sie und ermutigte sie stets dazu, ihren kreativen Neigungen nachzugehen. Doch erst als...
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