Unser Strandhaus der Träume

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Als Dr. Nick Bellini sie in seinem kalifornischen Strandhaus küsst, ist Katie glücklich, aber auch misstrauisch. Und wenn ihr attraktiver Kollege nur aus kühler Taktik mit ihr flirtet? Wenn es ihm nur um dieses alte Familienerbe geht, zu dem sie ihm verhelfen kann?


  • Erscheinungstag 12.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735722
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Katie blieb einen Augenblick stehen und betrachtete gedankenverloren den Horizont. Sie war gestresst und angespannt. Wahrscheinlich war ein Moment der Muße, in dem sie die atemberaubend schöne kalifornische Küste genoss, genau die richtige Medizin für sie.

Nie hätte sie geglaubt, dass sie eines Tages an einem derart hübschen Ort leben würde. Das verschlafene kleine Städtchen bestand aus bezaubernden kleinen Landhäusern und urigen Läden, die sich perfekt in die idyllische Landschaft einfügten. Doch am meisten beeindruckte sie die Bucht mit ihrem goldfarbenen Sandstrand und den zerklüfteten Klippen, die einen perfekten Rahmen für das leuchtende Blau des Pazifischen Ozeans bildeten. Im Hintergrund erhob sich das mächtige Santa-Lucia-Gebirge mit seinen üppig bewachsenen grünen Hängen.

Katie ließ die Aussicht noch eine Weile auf sich einwirken und hoffte, dass sich die Ruhe ihrer Umgebung positiv auf sie auswirken würde. Dann holte sie tief Luft, drehte sich um und ging den Weg zurück auf ein entferntes Gebäude zu, das weit oben auf einer malerischen Klippe lag.

Alles in allem war es ein äußerst anstrengender Tag gewesen, und da sie zu einem Treffen mit ihrem Vater unterwegs war, würden die kommenden Stunden auch so bleiben. Obwohl sie sich während der letzten Wochen daran gewöhnt hatte, ihn regelmäßig zu sehen, belasteten ihre Treffen Katie noch immer.

„Wir treffen uns zum Mittagessen“, hatte er verkündet – so beiläufig, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.

„Okay.“ Als sie ihn prüfend gemustert hatte, war sein Gesichtsausdruck entspannt und unbekümmert gewesen. Er schien aufrichtig daran interessiert zu sein, sie zu sehen. „Am Mittwoch ist meine Schicht schon mittags zu Ende. Ich habe also Zeit.“

Und nun saß er dort auf der Terrasse des Restaurants und wartete auf sie.

Nachdenklich betrachtete sie ihn. Er sah nicht aus wie der Mann, an den sie sich von früher erinnerte, und auch den Fotos, die ihre Mutter sorgfältig im Familienalbum aufbewahrt hatte, ähnelte er kaum noch. Sie vermutete, dass er einst ein großer, kräftiger Mann voller Tatendrang und Energie gewesen war, doch nun wirkte er schwach und zerbrechlich. Er war sehr dünn geworden, das Gesicht zerfurcht und sein Haar verblasst und von grauen Strähnen durchsetzt.

„Hallo …!“ Katie zögerte. Es fiel ihr noch immer schwer, diesen mehr oder weniger fremden Mann mit ‚Dad‘ anzusprechen. „Wartest du schon lange? Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, aber in der Klinik hat es etwas länger gedauert.“

„Kein Problem.“ Ihr Vater lächelte und stand langsam auf, um ihr einen Stuhl hinzuschieben. „Du siehst abgespannt aus. Setz dich erst einmal hin und ruh dich ein bisschen aus. Das Leben ist zu kurz, um sich hetzen zu lassen.“

Er keuchte, und Katie stellte beunruhigt fest, dass ihm das Atmen offenbar sehr schwerfiel. Es ging ihm schon seit Längerem gesundheitlich nicht gut, doch anscheinend hatte sich sein Zustand in den letzten Tagen nochmals verschlechtert.

„Danke.“ Schnell setzte sie sich, damit auch er wieder Platz nehmen konnte. Dann sah sie sich um. „Es ist wundervoll, dass wir draußen sitzen und die frische Luft genießen können. Alles ist so perfekt hier … so idyllisch.“

„Ich wusste, dass es dir gefallen würde. Das Essen ist auch sehr gut hier.“

Eine Kellnerin brachte ihnen die Speisekarten, und Katie begann sofort, ihre zu studieren, während ihr Vater eine Flasche Cabernet Sauvignon bestellte. Danach wandte er sich wieder seiner Tochter zu.

„Wie wäre es, wenn du mir von deinem Tag erzählst?“, schlug er vor. „Du siehst aus, als hättest du keine besonders gute Zeit gehabt. Kommst du im Krankenhaus zurecht? Inzwischen bist du schon fast eine Woche dort, nicht wahr?“

Sie nickte. „Es macht mir großen Spaß, dort zu arbeiten. Die Kollegen sind großartig … sehr nett und hilfsbereit. Meistens bin ich auf der Kinderstation, aber an manchen Tagen arbeite ich auch als Notärztin. Es ist toll, dass ich hier beides machen kann – Pädiatrie und Notfallmedizin.“

Ihr Vater blickte von seiner Speisekarte auf. „Das klingt so, als würde dein Job dir sehr gut gefallen. Du hast in England etwas Ähnliches gemacht, nicht wahr?“

„Ja, das stimmt.“

Ein Kellner trat an ihren Tisch und schenkte zunächst ihrem Vater einen kleinen Schluck des hellroten, klaren Weins zum Probieren ein, bevor er beide Gläser füllte.

Katie nippte an ihrem Glas und genoss den samtig-fruchtigen Geschmack. Unauffällig sah sie ihren Vater an. Irgendwie schaffte er es immer, das Gespräch in ihre Richtung zu lenken. Von sich selbst, seinem Lebensstil, seiner Arbeit oder seiner Vergangenheit sprach er fast nie.

„Erzähl mir etwas von dir“, bat sie ihn. „Wolltest du schon immer in Kalifornien leben? Was – oder vielleicht wer – hat dich nach Carmel Valley gelockt?“

„Es war die Firma, für die ich gearbeitet habe“, antwortete er und klappte seine Speisekarte zu. „Hast du schon entschieden, was du essen möchtest? Das Filet Mignon ist ausgezeichnet.“

„Hört sich gut an.“

„Und dazu ein Cäsarsalat?“

„Gern.“

Zufrieden nickte er. „Ich rufe die Kellnerin.“ Dann sah er sie wieder an. „Also, was ist los? Du bist doch sonst immer so ruhig und ausgeglichen. Hast du ein Problem bei der Arbeit?“

Sie schüttelte abwehrend den Kopf. „Nicht direkt. Ich meine, nun ja, irgendwie schon.“ Sie seufzte innerlich. Er würde nicht eher Ruhe geben, bis sie es ihm erzählt hatte. „Ich hatte heute einen kleinen Patienten. Ein vierjähriger Junge, dessen Mutter mir berichtete, dass es ihm schon seit einigen Wochen nicht gut ginge. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, denn die Symptome waren nicht eindeutig und so dachte sie, es seien die Nachwirkungen einer Erkältung. Doch plötzlich verschlechterte sich sein Zustand dramatisch. Als ich ihn untersuchte, war sein ganzer Körper angeschwollen, sein Blutdruck war viel zu hoch, und sein Herz raste.“

Ihr Vater runzelte betroffen die Stirn. „Das hört sich ja schlimm an! Der arme kleine Kerl.“

„Ja, es ging ihm wirklich schlecht. Ich habe ihn in die Nephrologie überwiesen. Er hatte Eiweiß im Urin, und es sieht so aus, als habe er eine Nierenentzündung.“

„Was geschieht jetzt mit ihm?“

„Es werden jede Menge Tests gemacht, und er bekommt ein harntreibendes Medikament gegen die Schwellung.“ Katie blickte zum Horizont und sog die beruhigende Wirkung der idyllischen Landschaft in sich auf. Sie sah ihren Vater an. „Aber was ist mit dir? Du hast mir bisher fast nichts über dich erzählt. Von Mum weiß ich nur, dass du früher im Import-Export-Geschäft gearbeitet hast und immer viel herumreisen musstest.“

„Ja, so war es auch. Dabei habe ich das Weingeschäft kennen- und lieben gelernt.“ Er winkte die Kellnerin herbei und gab die Bestellung auf. Als die junge Frau sich entfernt hatte, sagte er sanft: „Dieser Junge, den du behandelt hast – er ist nicht der wahre Grund für deine Niedergeschlagenheit, oder? Solche Situationen erlebst du doch ständig in deinem Arbeitsalltag.“

Katie strich sich eine Strähne ihres kastanienbraunen, lockigen Haares aus dem Gesicht. „Du hast recht.“ Sie presste ihre Lippen zusammen, doch ihr war klar, dass er nun auf eine Erklärung wartete.

„Ich schätze, der Junge hat mich an ein Kind erinnert, das ich in Shropshire behandelt habe. Es war der Sohn meines Ex-Freundes. Der Kleine war zwar jünger – erst knapp zwei Jahre alt –, aber er war in der gleichen schlechten Verfassung.“

„Aha …“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah sie nachdenklich an. „Du wurdest also an deine Erlebnisse zu Hause erinnert. Ich verstehe. Deine Mutter hat mir schon von deiner gescheiterten Beziehung erzählt.“

Verblüfft sah sie ihn an. „Du hast mit Mum gesprochen?“

„Ja.“ Er lächelte traurig. „Sie hat mich angerufen. Als sie erfuhr, dass du zu mir nach Carmel Valley kommen willst, wollte sie dafür sorgen, dass es dir hier gut geht. Mütterlicher Beschützerinstinkt, würde ich sagen.“

Katie runzelte die Stirn und nestelte an ihrer Serviette. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass ihr Vater einen so tiefen Einblick in ihr Privatleben genommen hatte.

Während sie noch damit beschäftigt war, über die Indiskretion ihrer Mutter nachzugrübeln, trat plötzlich ein Mann an ihren Tisch. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig – ein auffallend gut aussehender, dunkelhaariger Mann mit einer so intensiven Ausstrahlung, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. Er trug einen eleganten dunkelblauen Anzug, der perfekt zu seinen Augen passte. Ungeniert musterte er Katie, wobei sein Gesichtsausdruck keinen Zweifel daran ließ, dass ihm gefiel, was er sah.

Katie fühlte sich unbehaglich und rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum, um seinen forschenden Blicken zu entgehen. Ihr war heiß geworden und sie fragte sich, wieso sie gerade heute diese viel zu enge Bluse angezogen hatte.

Sie musste sich zusammenreißen! Schließlich war sie kein kleines Schulmädchen mehr. Entschlossen sah sie auf und musterte ihn genauso eingehend wie er sie. Der Fremde hatte eine perfekte Figur: Er war groß, schlank und sehr muskulös. Sein Haar war tiefschwarz, und obwohl es sehr kurz geschnitten war, gaben einige widerspenstige Strähnen ihm ein verwegenes, südländisches Aussehen.

Als ihre Blicke sich trafen, glaubte Katie, ein verführerisches Glitzern in seinen blauen Augen zu erkennen. Doch dann drehte er sich um und wandte sich an ihren Vater.

„Jack! Was für eine angenehme Überraschung. Schön, Sie zu sehen!“ Er reichte ihrem Vater die Hand. „Ich wollte sowieso heute oder morgen bei Ihnen vorbeischauen. Wie geht es Ihnen?“ Seine Stimme hatte einen angenehmen, melodischen Klang; tief und so sanft, dass Katies Herz heftig zu pochen begann. Wieso zum Teufel hatte dieser Mann eine solche Wirkung auf sie?

„Mir geht es gut, Nick. Danke.“ Ihr Vater wies auf Katie. „Haben Sie schon meine Tochter Katie kennengelernt?“

Verwundert sah Nick ihn an. „Ihre Tochter? Ich wusste gar nicht …“

„Nun ja …“, unterbrach ihr Vater ihn, wobei sein Atem wieder beunruhigend rasselte. „Das ist eine lange Geschichte. Sie ist erst vor etwa zwei Wochen aus Großbritannien gekommen.“ Liebevoll sah er Katie an. „Darf ich vorstellen? Katie, das ist Nick Bellini. Er und seine Familie besitzen das benachbarte Weingut.“

Katie runzelte die Stirn. Ihr Vater hatte also seinen Freunden und Nachbarn gegenüber verschwiegen, dass er eine Tochter hatte. Mühsam versuchte sie, diese weitere Enttäuschung zu verbergen. Hatte sie zu viel erwartet? Womöglich war es der größte Fehler ihres Lebens gewesen, hierherzukommen.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen“, murmelte Katie. Sie hatte mit einem freundlichen Kopfnicken gerechnet, doch stattdessen nahm Nick Bellini ihre Hand und umschloss sie mit beiden Händen.

„Und ich bin mehr als erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Katie“, sagte er mit rauer Stimme. „Ich hatte ja keine Ahnung, was für einen Schatz Jack vor uns verborgen hat.“

Katie spürte, wie sie errötete. Seine Worte waren alles andere als unverbindlicher Small Talk gewesen. Die Art, wie er ihre Hände festhielt, glich eher einer intimen Zärtlichkeit als einer Begrüßung und verwirrte sie. Bei seiner Berührung hatten all ihre Alarmglocken angefangen zu läuten. Hatte sie nicht schon genug Probleme mit Männern gehabt?

Entschlossen zog sie ihre Hand zurück. Während des letzten Jahres hatte sie hart daran gearbeitet, einen Schutzwall um sich herum zu bauen. Mit der Zeit hatte sie sich eingeredet, endlich immun gegen männliche Schmeicheleien geworden zu sein. Doch nun tauchte dieser Nick auf, und in ein paar Minuten hatte er ihre Verteidigungsmauern zunichtegemacht.

„Ich glaube, ich habe den Namen Bellini schon einmal gehört“, erwähnte sie. „Er stand in einem Zeitungsartikel, wenn ich mich recht erinnere. Aber ich weiß es nicht mehr genau.“

„Hoffentlich wurde etwas Nettes über uns geschrieben.“ Er lächelte ironisch und wandte sich dann wieder ihrem Vater zu. „Es wäre schön, wenn wir uns in den nächsten ein, zwei Wochen treffen könnten, um über die Weinberge zu sprechen. Mein Vater hat schon einige Papiere vorbereitet und es würde ihn sehr freuen, wenn Sie sich den Vertrag einmal ansehen würden.“

Jack nickte. „Ihr Vater hat mir bereits davon erzählt.“ Er wies auf den dritten Stuhl an ihrem Tisch. „Warum setzen Sie sich nicht zu uns, Nick? Natürlich nur, falls Sie keine anderen Verpflichtungen haben. Wir haben gerade erst bestellt.“

Entgeistert sah Katie ihren Vater an. Wie konnte er nur?

„Vielen Dank.“ Nick schien erfreut über die Einladung. „Aber ich störe auch wirklich nicht, oder?“

Er blickte Katie an, der es vor Entrüstung die Sprache verschlagen hatte. Sie verbrachte so wenig Zeit mit ihrem Vater, und es gab noch so vieles, das sie mit ihm besprechen und ihn fragen wollte. Sie wollte ihn für sich allein haben – zumindest bis sie sich etwas besser kannten. Warum hatte er nur diesen Nick eingeladen?

Doch sie hatte keine Wahl. Es wäre ausgesprochen unhöflich, Nick jetzt abzuweisen. Also nickte sie zustimmend.

Lächelnd setzte Nick sich, und Katie hatte das unbestimmte Gefühl, dass er ganz genau wusste, was in ihr vorging. Leider schien es ihn nicht im Geringsten zu stören, wie unwohl sie sich in seiner Gesellschaft fühlte.

„Ich bin hier, um mit dem Geschäftsführer über die Weinkarte zu sprechen“, erklärte er. „Wir wollen ihn dazu überreden, unseren Pinot Noir ins Angebot aufzunehmen. Das ist zwar nicht direkt mein Job, aber ich finde es schön, den Kontakt zu den Kunden aufrechtzuerhalten.“ Er verstummte, als die Kellnerin an ihren Tisch kam. „Ich hätte gern das Hühnchen Teriyaki, Theresa. Mit einem kleinen Salat.“ Er betrachtete die junge Frau aufmerksam. „Haben Sie eine neue Frisur? Steht Ihnen sehr gut.“

„Danke.“ Die junge Frau errötete vor Freude und drehte sich schnell um.

Katie hatte dem Wortwechsel aufmerksam gelauscht. Versprühte er seinen Charme an jede Frau, die ihm begegnete?

„Der Pinot Noir ist ein Wein, der ausgesprochen schwierig herzustellen ist“, meinte Jack. „Doch Ihr Vater scheint ein ungewöhnlich gutes Händchen dafür zu haben.“

Nick lächelte flüchtig. „Das Geheimnis liegt darin, die Trauben am späten Abend oder frühmorgens zu pflücken, damit sie vor der Fermentierung schön kühl sind. Außerdem benutzen wir ganze Trauben. Und um den Tanningehalt zu reduzieren, erfolgt die Pressung besonders früh.“

Jack nickte. „Wie ich bereits sagte: Ihr Vater kennt sich bestens aus. Ihre Weinberge sehen in diesem Jahr noch besser aus als sonst. Sie werden bestimmt einen ungewöhnlich guten Jahrgang haben.“ Er schenkte ein Glas Wein ein und reichte es Nick.

„Das hoffen wir.“ Nick trank einen Schluck. „Aber Sie sind auch ziemlich erfolgreich. Der Name Logan steht für gute Qualität. Deshalb würden wir so gern Ihr Unternehmen mit unserem zusammenführen.“

„Das wäre ein sehr großer Schritt.“ Jacks Miene verdüsterte sich. „Ich habe hart dafür gearbeitet, diese Firma aufzubauen. Sie ist mein Lebenswerk!“

„Natürlich.“ Nick stellte sein Glas ab. „Ich bin mir sicher, dass mein Vater das alles in seinem Angebot berücksichtigt hat.“

Katie sah ihn missbilligend an. Anscheinend hatten die Bellinis ihrem Vater ein Übernahmeangebot für sein Weingut gemacht. Doch wie üblich ließ Jack sich nicht in die Karten schauen und gab nichts von seinen Plänen preis.

In diesem Augenblick schien Nick sich an seine guten Manieren zu erinnern und wandte sich an Katie. „Entschuldigen Sie bitte, dass ich angefangen habe, über das Geschäft zu reden. Ich schätze, diese Diskussion über Trauben und Weinherstellung hat Sie gelangweilt.“

„Überhaupt nicht!“, widersprach Katie. „Ich bin fasziniert davon, dass mein Vater einen Weinberg besitzt, und hoffe sehr, mir schon bald alles ansehen zu können.“

„Das dürfte kein Problem sein“, versprach Jack. „Sobald es mir etwas besser geht, werde ich dich herumführen und dir alles zeigen. In der Zwischenzeit präsentiert Nick dir sicher gern sein Weingut, oder?“

„Es wäre mir ein Vergnügen!“, stimmte Nick erfreut zu. „Wollen wir gleich einen Termin für nächste Woche ausmachen?“

„Ich … äh, vielleicht …“ Es widerstrebte Katie, sich festzulegen, denn sie fühlte sich Nicks Anziehungskraft nicht gewachsen. Hatte sie nicht schon genug Probleme? „Ich muss erst sehen, wie viel in der Klinik los ist.“

„In der Klinik?“ Fragend sah Nick sie an.

„Katie ist Ärztin, Kinderärztin. Sie hat gerade erst hier im Krankenhaus angefangen“, erklärte Jack.

„Oh, ich verstehe.“

In diesem Moment brachte die Kellnerin das Essen und Katie bemerkte, dass sie ziemlich hungrig war. Vielleicht würde ein gutes Mittagessen ihre Nerven beruhigen.

Sie kostete von dem zarten Fleisch, das auf einem Bett aus köstlichen Tomaten mit Blauschimmelkäse angerichtet war. Genussvoll aß sie diese Delikatesse und spülte sie mit dem exzellenten Wein hinunter. Für einen kurzen Augenblick war Katie völlig entspannt und zufrieden.

Doch dieser Augenblick währte nicht lange.

„Was hat Sie eigentlich bewogen, zu uns nach Kalifornien zu kommen?“, erkundigte sich Nick. „Natürlich ist es verständlich, dass Sie Ihren Vater besuchen wollen, aber warum gerade jetzt?“

„Ich … ähm … es war einfach ein guter Zeitpunkt“, stotterte Katie verlegen. „Mein Vertrag in Shropshire war gerade ausgelaufen und ich wusste, dass es meinem Vater gesundheitlich nicht gut geht. Also bin ich hergekommen, um nach ihm zu sehen.“

Nick sah sie zweifelnd an. „Bestimmt gab es noch andere Gründe, oder? Jack leidet schließlich schon seit Jahren unter seiner Lungenerkrankung und Sie haben ihn bisher nie besucht. Warum also gerade jetzt? Lag es an dem Jobangebot hier in der Klinik?“

Katie sah ihn scharf an. Machte er ihr gerade Vorwürfe, weil sie ihren Vater jahrelang nicht besucht hatte? Wieso glaubte er, dass ihn das alles etwas anging? Und wie kam er dazu, sich ein Urteil über sie zu erlauben? Er hatte schließlich keine Ahnung von ihrem Leben und den Qualen, die sie durchlitten hatte.

Mühsam versuchte sie, sich zu beruhigen. War sie vielleicht überempfindlich?

Seit ihrer Kindheit litt sie an der Trennung von ihrem Vater und der damit verbundenen emotionalen Distanz zwischen ihnen. Doch es war unrealistisch anzunehmen, dass ein Fremder ihren Schmerz verstehen würde. Nick war genau wie ihr Vater – er stellte bohrende Fragen zu Themen, die sie lieber für sich behalten wollte.

„Der Job war nur ein Aspekt“, erklärte sie vorsichtig. „Doch am meisten reizte mich die Aussicht, eine Weile im Ausland zu leben und zu arbeiten.“

Nun mischte Jack sich ein: „Die Wahrheit ist, dass Katie eine hässliche Trennung hinter sich hat. Sie war lange mit einem Mann zusammen, der sie hintergangen hat. Katie fand heraus, dass er mit einer anderen Frau ein Kind hat. Und um über diese Enttäuschung hinwegzukommen, hielt Katie einen Ortswechsel für eine gute Idee.“

Er vertilgte den letzten Bissen seines Steaks und legte seine Gabel neben den Teller. „Also packte sie ihre Sachen und reiste ab. Natürlich hat dieser Mann versucht, sie zurückzuhalten. Er hat sie angefleht, bei ihm zu bleiben, aber sie wollte nicht. Dieses Kind war ein zu großes Hindernis.“

Jack sah Nick vielsagend an.

Katie schnappte nach Luft. Sie fühlte sich wie betäubt. Wie um alles in der Welt konnte ihr Vater nur so indiskret sein? Noch dazu gegenüber jemandem, den sie gerade erst getroffen hatte? Sie spürte, wie leichte Übelkeit in ihr hochstieg.

„Nun, das erklärt natürlich alles.“ Nick sah sie mitleidig an. „Es tut mir leid. Das alles war sicher ein großer Schock für Sie.“ Er warf Jack einen Blick zu. „Dieser Mann muss Ihnen eine Menge bedeutet haben, wenn Sie seinetwegen sogar Ihr Zuhause und Ihr Heimatland verlassen haben. Sie hatten sicher eine schwere Zeit.“

Er zögerte und sah sie an; bemerkte ihr vorgestrecktes Kinn und den trotzigen Ausdruck in ihren Augen.

Beruhigend fügte er hinzu: „Doch bestimmt hat dieser Mann auch Sie sehr gern gehabt und alles versucht, Ihnen die Situation zu erklären. Obwohl ich mir nur schwer vorstellen kann, wie jemand Sie verletzen kann … Aber manchmal machen Menschen einfach Fehler und das Beste ist immer, in Ruhe miteinander zu reden und alles zu klären.“

Wieder hielt er inne, als würde er auf eine Antwort warten. Doch Katie blieb stumm. Ihr fehlten buchstäblich die Worte, und in ihrem Innern brodelte es.

Vielleicht hatte ihr anhaltendes Schweigen ihn aus dem Konzept gebracht, denn vorsichtig fügte er nun hinzu: „Es muss doch nicht notwendigerweise eine Katastrophe sein, wenn man ein uneheliches Kind hat. Diese Dinge passieren einfach manchmal. Es kommt darauf an, wie man mit seinen Fehlern umgeht und ob man die Verantwortung dafür übernimmt. Es gibt fast immer eine Lösung, und das Leben geht danach weiter.“

Katie holte tief Luft. „Sie haben also nicht nur Weinanbau, sondern auch noch Psychologie studiert, Herr Bellini?“ Ihr eisiger Blick ließ ihn erstarren. „Vielen Dank für Ihren Versuch, mir zu helfen. Bestimmt haben Sie es nur gut gemeint. Aber ich denke, ich habe genau das Richtige getan.“

Wütend spießte sie ein Stück grüne Paprika mit ihrer Gabel auf. „Mein Verlobter und ich waren fast vier Jahre zusammen und sein Kind war knapp zwei, als ich von dessen Existenz erfuhr. Obwohl es keinen Zweifel an James’ Untreue gab, habe ich mir die Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht. Ich stimme Ihnen zu, dass das Leben weitergehen muss – und genau deshalb bin ich hier.“

Nick war völlig verdattert. „Es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass irgendein Mann Sie betrügen könnte“, erklärte er verwirrt. „Ich nahm an, das Kind sei geboren worden, bevor Sie beide sich kennengelernt haben.“ Abwehrend hob er seine Hände. „Entschuldigen Sie bitte! Ich habe völlig danebengelegen. Ich sollte mich nicht immer in Dinge einmischen, die mich nichts angehen und von denen ich nichts verstehe. Und bitte – nennen Sie mich Nick.“

Katie gelang ein gequältes Lächeln. „Vielleicht wäre es am besten, wenn wir über etwas anderes reden würden.“ Sie sah ihren Vater an, der dieses leidige Thema angestoßen hatte. Doch es schien ihm gleichgültig zu sein, was er für ein Chaos angerichtet hatte. Unbekümmert füllte Jake die Weingläser ein weiteres Mal. „Das ist wirklich ein guter Jahrgang. Ich werde gleich noch eine Flasche bestellen.“

Katie trank einen Schluck. „Erzählen Sie mir mehr von Ihren Weinbergen“, bat sie Nick. „Hat jeder in Ihrer Familie eine bestimmte Rolle im Unternehmen oder machen Sie alles gemeinsam?“

„Nein, wir haben die Arbeiten aufgeteilt. Ich bin hauptsächlich für die Weinherstellung zuständig, weniger für den Anbau der Reben. Mein Bruder ist der Marketing-Spezialist. Ich würde Ihnen gern alles zeigen. Vielleicht könnten wir sogar eine kleine Weinverkostung machen.“

„Ja, vielleicht.“ Noch immer wollte Katie sich nicht festlegen.

Autor

Joanna Neil
Joanna Neil startete ihre Karriere als Autorin von Liebesromanen auf ganz unkonventionellem Wege. Alles begann damit, dass Joanna Neil einen Werbespot für Liebesromane sah und von diesem Zeitpunkt an wie verzaubert war.
Sie fing an, die Romane zu verschlingen, und war überwältigt. Je mehr sie las, umso mehr hatte sie...
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