Verhängnisvolles Begehren

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Als Schauspielerin Goldie Beckett nach einer leidenschaftlichen Nacht erwacht, erfährt sie die größte Demütigung ihres Lebens: Denn Gael Aguilar, der aufregendste Mann der Filmbranche, sagt ihr nicht mit einem Kuss Lebewohl, sondern mit 10.000 Dollar! Aber das ist noch nicht alles: Als Gael erfährt, dass sie sein Kind erwartet, will er sie sogar für eine Ehe mit ihm bezahlen! Goldie ist verzweifelt, wie kann sie dem smarten Filmtycoon nur beweisen, dass sie sich in ihn verliebt hat … und nicht in sein Geld?


  • Erscheinungstag 29.08.2017
  • Bandnummer 2298
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708580
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Gael Aguilar konnte seinen Ärger nur mit Mühe im Zaum halten. Seine Finger hielten das Mobiltelefon so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten, während er sich die Entschuldigungen und Ausflüchte seines Gesprächspartners anhörte. Schließlich riss ihm der Geduldsfaden, und er unterbrach den Mann.

„Lassen Sie mich das noch einmal zusammenfassen: Sie sollten eigentlich hier in New York sein, um sich nach einer passenden Schauspielerin umzusehen. Stattdessen haben Sie es vorgezogen, zum Skilaufen in die Schweiz zu fahren und liegen nun im Krankenhaus?“

„Es sollte nur ein Wochenendtrip werden, um den Geburtstag meiner Frau zu feiern, aber … Hören Sie, es tut mir leid, okay?“

Nein, es war nicht okay. Ganz und gar nicht.

„Also schön, wie ist die Prognose?“

„Das Bein ist mehrfach gebrochen und wird morgen eingegipst. Wenn es keine weiteren Komplikationen gibt, kann ich am Donnerstag wieder zurück in New York sein. Aber wir können es uns nicht leisten, den Termin bei Othello Arts Institute heute zu verpassen. Er steht schon seit Monaten fest.“

Ethan Ryland, sein Regisseur, bettelte beinahe, und Gael unterdrückte die scharfen Worte, die ihm auf der Zunge lagen. Ein kurzzeitiges Gefühl von Genugtuung würde an den Tatsachen auch nichts ändern.

Er konnte Ethan nicht rauswerfen. Im Kleingedruckten seines Vertrags gab es garantiert ein oder zwei Paragraphen, die genau eine solche Eventualität behandelten, daran zweifelte Gael keine Sekunde. Allerdings existierten sicherlich auch Klauseln, die eher in seinem Sinne formuliert waren. Er brauchte nicht einmal selbst einen Finger krumm zu machen, um danach zu suchen. Wozu hatte er einen ganzen Stall voller Anwälte, die ihm zur Verfügung standen?

Auf der anderen Seite war es vermutlich keine besonders gute Idee, die Atlas Group – die Unternehmensgruppe, die er zusammen mit seinem Halbbruder aus der Wiege gehoben hatte – ausgerechnet jetzt in einen Rechtsstreit zu verwickeln. Alejandro würde ihm den Kopf abreißen, und ihre japanischen Partner, die Ishikawa-Brüder, hätten zu der Angelegenheit sicher auch das eine oder andere Wort zu sagen.

Sechs Monate lag der Zusammenschluss ihrer Firmen nun zurück und war damit ebenso frisch und zerbrechlich wie die Beziehung zu Alejandro, nachdem sie sich jahrzehntelang aus dem Weg gegangen waren.

Und während sie, was das Geschäftliche betraf, inzwischen auf einer Wellenlänge lagen, ging es auf privater Ebene immer einen Schritt vor und zwei zurück.

Ihre vierwöchentlichen Meetings waren in den vergangenen drei Monaten immer steifer und förmlicher geworden. Es war so schlimm, dass Gael ernsthaft mit dem Gedanken spielte, seinen Teil der Geschäfte von seinem Hauptsitz in Silicon Valley aus zu überwachen.

Natürlich kannte er den Grund für Alejandros Zurückhaltung. Es war ihre gemeinsame Vergangenheit. Immer war es die Vergangenheit. Nicht nur seine, sondern auch die seiner Mutter, seines Vaters (wenn man ihn wirklich so nennen wollte) und auch Alejandros.

Gael verdrängte den Gedanken an die jüngste Auseinandersetzung mit seiner Mutter und zwang sich, stattdessen das Problem in Angriff zu nehmen, das direkt vor ihm lag.

„Was erwarten Sie also von mir?“, knurrte er.

„Kümmern Sie sich um das Vorsprechen. Sie kennen meine Arbeit – deshalb haben Sie mich engagiert. Und Sie wissen, was Sie wollen. Natürlich wird alles aufgezeichnet, sodass ich es mir später, wenn ich zurück bin, ansehen kann. Aber das ist etwas vollkommen anderes, als eine rohe, unverfälschte Darbietung live mitzuerleben.“

Gael atmete tief durch. Wie melodramatisch. „Also schön, schicken Sie mir die Details, dann werde ich den Termin an Ihrer Stelle wahrnehmen.“

Sein Regisseur seufzte erleichtert. „Danke, Gael, ich schulde Ihnen was.“

„Sie schulden mir ein erstklassiges Filmdebut der Atlas-Studios. Ich wünsche keine Fehler. Sie haben nur diesen einen Versuch. Enttäuschen Sie mich noch einmal, und Sie sind raus, habe ich mich verständlich ausgedrückt?“

„Absolut.“

Gael beendete das Gespräch, ehe er gezwungen war, sich noch weitere Plattitüden anzuhören. Dann wählte er eine Chicagoer Nummer und wartete darauf, dass sein Bruder abnahm.

Wenn er ganz ehrlich sein wollte, war er nicht wirklich unglücklich darüber, dass er seinen Trip nach Chicago noch für einen weiteren Tag aufschieben musste. Obwohl er Alejandro vor einem Jahr mit großen Worten herausgefordert hatte, ihn als sein Fleisch und Blut zu akzeptieren, fiel es Gael nach wie vor schwer, sich als Aguilar zu betrachten.

Zwar konnte nicht der geringste Zweifel an seiner Abstammung bestehen, doch sein Vater hatte ihn nie gewollt. Und nur seiner Mutter zuliebe trug er noch immer dessen Namen. Obwohl der ihm von Kindesbeinen an nichts als Spott und Hohn beschert hatte.

Schließlich hatte Gael es, genau wie sein Bruder, vorgezogen, die Zelte abzubrechen und sich auf der anderen Seite der Weltkugel ein neues Leben aufzubauen.

Die Nachricht, dass sein Vater wieder damit angefangen hatte, sich außerehelich Befriedigung zu suchen, hatte ihm schier den Magen umgedreht. Alejandro schien überraschenderweise lockerer damit umzugehen. Er hatte sich wohl ein paarmal mit seinen Eltern zusammengesetzt und klärende Gespräche geführt. Nun wirkte er sehr viel weniger bitter als zuvor.

Gael selbst fiel das nicht so leicht. Vor allem, seit er erfahren hatte, dass sein Vater wieder dabei war, seiner Mutter Avancen zu machen – und diese offenbar tatsächlich versucht war, darauf einzugehen.

Gael dachte von seiner Mutter und seinem Vater nicht als seine Eltern. Es stimmte schon, dass Tomas Aguilar einmal für kurze Zeit so etwas wie das Zerrbild einer Familie mit ihm und seiner Mutter gelebt hatte. Doch es war ihm in Wahrheit nicht um Gael oder seine Mutter gegangen, sondern darum, die Frau zu verletzen, die seinen Ring am Finger trug.

Gael schüttelte den Kopf. Das gehörte alles einer Vergangenheit an, die er längst hinter sich gelassen hatte. Und er war kein Mann, der Zeit und Energie darauf verschwendete, verändern zu wollen, was sich nun mal nicht ändern ließ.

Gael traf dank eines Unfalls auf der Queensborough Bridge verspätet am Othello Arts Institute ein. Entsprechend mies war seine Stimmung, als er aus seiner Limousine stieg. Schuld daran war aber nicht wirklich der Verkehr, sondern vielmehr Alejandros verständnisvolle Reaktion auf seine Eröffnung, dass er New York heute unmöglich verlassen konnte. Verflixt, er hatte sogar seine Verlobte Elise an den Apparat geholt, damit sie ihm versicherte, dass er jederzeit herzlich bei ihnen in Chicago willkommen war.

Das Problem war, dass Gael seinen Halbbruder nach wie vor nur schwer einschätzen konnte. Meinte er es ehrlich, oder zeigte sein Verhalten am Ende nur, dass er noch immer versuchte, ihn auf einer Armeslänge Abstand von sich zu halten?

Er stieß die Glastüren der Eingangspforte auf und betrat das Gebäude. Dabei atmete er tief durch, was jedoch, wie er genau wusste, zwecklos war. In diesem Gemütszustand gab es nur zwei Möglichkeiten, seine Laune wieder zu heben: Entweder er verlor sich in Computercodes – oder zwischen den Schenkeln einer schönen Frau.

Eine dieser Methoden hatte ihn reicher werden lassen, als er es sich in seinen kühnsten Träumen vorstellen konnte. Die andere sorgte dafür, dass er ausgeglichen war.

Das Verlangen, das Telefon zu zücken, um gleich ein Date mit seiner aktuellen Bettgespielin zu arrangieren, war stark. Doch das Geschäft ging – ohne jede Ausnahme – stets vor. Also suchte er stattdessen seinen Weg zu dem Raum, in dem das Vorsprechen stattfinden sollte. Dort wurde er bereits von zwei Casting-Direktoren erwartet.

Eine Stunde später war Gaels Stimmung noch weiter dem Tiefpunkt entgegengesteuert. Die Darbietungen, die er sich bisher hatte ansehen müssen, waren grauenvoll gewesen. Er flüchtete beinahe aus dem Raum, als es vorüber war, und erwog inzwischen ernsthaft, seinen Regisseur zu feuern. Wenn er mit so etwas für den ersten Film der Atlas-Studios aufwarten wollte, dann sollte er besser gleich seine Koffer packen.

Kurzentschlossen zückte er sein Telefon, als er plötzlich eine Frau sprechen hörte, und verharrte.

Ihre Stimme war voll von unverfälschten Emotionen, ohne dabei übertrieben oder gekünstelt zu wirken.

Er schob die Tür zu dem Raum, aus dem diese Stimme kam, ein Stück weiter auf.

„Du wirst mich nicht verlassen! Das erlaube ich dir nicht! Du denkst vielleicht, dass du sie liebst, aber du irrst dich. Und, ja, ich kenne dich gut genug, um in dir lesen zu können wie in einem Buch. So sehr liebe ich dich, Simon. Genug, um dir zu vergeben. Genug, um uns noch eine weitere Chance zu geben. Aber dafür musst du hierbleiben. Bitte, Simon …“

Gael merkte, dass er den Atem anhielt, während er zusah, wie ihr Tränen übers Gesicht strömten. Schließlich brach sie mitten auf der Bühne zusammen, und ihr zierlicher Körper wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt.

Ihm war, als wäre er am Boden festgewachsen. In seiner Kehle hatte sich ein Kloß gebildet, der sich auch durch heftiges Schlucken nicht vertreiben ließ.

Sie wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und trat an den Bühnenrand. Ihre Brust hob und senkte sich noch immer heftig, während sie erwartungsvoll den Castingdirektor anschaute, der in der ersten Reihe saß.

„Ihre Darbietung war … anerkennenswert, Miss Beckett. Es ist offensichtlich, dass Sie Ihr gesamtes Herzblut in diese Szene gesteckt haben.“

Ein kleines, hoffungsvolles Lächeln umspielte ihre Lippen. „Vielen Dank, das stimmt in der Tat.“

Doch der Direktor schüttelte bedauernd den Kopf. „Leider brauche ich schon etwas mehr als das. Viel Herz ist toll, aber was ich benötige, ist vor allen Dingen Seele.“

Sie runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht. Das war mein Herz und meine Seele.“

„Das ist Ihre Meinung, nicht meine.“

Gael hatte das Gefühl, dass ihre Enttäuschung wie eine Woge durch den ganzen Raum bis zu ihm hin rollte. Sie schüttelte den Kopf, hatte sich jedoch geradezu bewundernswert unter Kontrolle.

„Es tut mir leid, dass Sie das so sehen“, sagte sie. „Vielen Dank, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben.“

Sie überquerte die Bühne und griff nach ihrem schäbig aussehenden Rucksack, der in der Nähe der Tür lag.

„Das war’s?“, fragte der Castingdirektor da.

Sie verharrte. „Wie bitte?“

„Nun, wenn ich mich recht erinnere, haben Sie eingangs gesagt, dass Sie diese Rolle mehr wollen als alles andere auf der Welt. Und trotzdem geben Sie einfach so auf, ohne um Ihren Traum zu kämpfen?“ Seine Stimme klang höhnisch.

Ihre Augen weiteten sich. „Ich dachte, Sie … Soll das heißen, ich habe noch eine Chance?“

„Jeder hat eine Chance, Miss Beckett. Ob Sie diese Rolle bekommen, hängt ganz und gar davon ab, wie weit Sie bereit sind, dafür zu gehen. Sind sie bereit, alles zu tun, was notwendig ist?“

Sie nickte. „Absolut.“

Der Mann grinste, und sie trat zurück auf die Mitte der Bühne. Ungeduldig bedeutete er ihr, noch näher zu treten. Wieder zögerte sie nicht.

Barfuß stand sie am Bühnenrand und schaute zum Castingdirektor hinunter. Dieser zückte eine silberne Karte aus der Tasche seines Sakkos, fuhr damit über ihren Knöchel zu ihrem Fußrücken hinunter bis zu ihren Zehen, wo er sie auf den dunklen Holzdielen der Bühne liegenließ.

„Das ist auch schon alles, was Sie tun müssen, Miss Beckett“, sagte er und schaute lüstern zu ihr auf. „Heben Sie sie auf, und die Rolle gehört Ihnen.“

Gael war kein Dummkopf, er wusste genau, worauf der Mann es anlegte. Er atmete scharf aus und schaute zu, wie sie sich hinkniete und die Karte aufhob, bei der es sich eindeutig um die Zugangskarte zu einem Hotelzimmer handelte.

Irritierenderweise verspürte er einen heftigen Stich von Enttäuschung. Vermutlich hatte er sich gerade heute, wo die Vergangenheit ihn zu verfolgen schien, erhofft, einem Menschen mit echter Integrität begegnet zu sein. Ihre unverfälschte Darbietung hatte ihn innehalten lassen und etwas tief in ihm angerührt.

Wie sehr er sich doch in ihr getäuscht hatte!

So still, wie er den Raum betreten hatte, zog er sich nun wieder zurück, als der Castingdirektor mit den Fingern über die Waden der jungen Frau streichelte. Gael hatte genug gesehen.

Es war dumm von ihm gewesen, auf ein Märchen zu hoffen. Solche Dinge gab es in Wirklichkeit nicht. Das wusste er spätestens, seit er als kleiner Junge für eine echte Familie gebetet hatte, mit einem Vater, der sich nicht wünschte, sein Sohn wäre nie geboren worden.

Er hätte es wirklich besser wissen müssen. Nein, er wusste es besser. Solche albernen kindlichen Träume lagen hinter ihm. Wichtig war nur, was er seit seiner Zeit in Spanien auf die Beine gestellt hatte.

Das war alles, was zählte.

2. KAPITEL

All seinen Prinzipien zum Trotz fuhr er schon ein paar Stunden später wieder vor dem Othello vor. Noch dazu zu einer Zeit, zu der er dort garantiert niemanden mehr antreffen würde.

So ungern Gael es sich eingestehen wollte, die Darbietung der Frau hatte ihn den ganzen Tag über nicht mehr losgelassen. Er hatte sogar noch einmal das Skript in die Hand genommen, das er vor zwei Jahren mit großer Sorgfalt unter Tausenden Einreichungen ausgewählt hatte.

Er zweifelte nicht daran, dass sie genau die Richtige für die Rolle war, die über Erfolg oder Scheitern der Premiere des größten unabhängigen Streamingdienstes entscheiden würde.

Natürlich war das Projekt nicht das Einzige, das die Markteinführung begleiten sollte. Doch wenn die Dinge so liefen wie geplant, dann würde sein Nutzen für die gesamte Unternehmensgruppe unvergleichbar sein.

Seine Partner verließen sich darauf, dass er das hinbekam. Nur deshalb war er hier, mit nicht mehr als einem Nachnamen. Die Rezeptionistin schaute auf und atmete scharf ein, was ihn vermutlich amüsiert hätte, wäre seine Stimmung nicht so mies gewesen.

„Ähm … Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?“, fragte sie eifrig.

„Sie haben da eine Schülerin – eine gewisse Miss Beckett. Sie hatte heute Vormittag im Raum 307 ein Vorsprechen. Ich würde sie gerne treffen, por favor.“

Der Enthusiasmus der Frau verflüchtigte sich ein wenig. „Haben Sie einen Vornamen für mich?“

Gael runzelte die Stirn. „Nein.“

Die Empfangsdame verzog das Gesicht. „Dann tut es mir wirklich sehr leid, Sir. Ohne einen Vornamen kann ich sie leider nicht ausfindig machen.“

„Haben Sie denn so viele Schülerinnen dieses Namens?“, hakte er nach.

„Diese Art von Information kann ich Ihnen nicht geben, Sir. Mir ist es nicht einmal gestattet, Ihnen zu sagen, ob Sie hier eingeschrieben ist oder nicht. Es ist im Übrigen durchaus möglich, dass dem nicht so ist. Von Zeit zu Zeit richten wir Vorsprechen für Außenstehende aus. Sie könnte an einem solchen teilgenommen haben …“ Sie hielt inne und schaute unbehaglich zu ihm auf. „Tut mir wirklich leid, Sir. Wenn Sie eine Karte hinterlassen möchten, oder Ihre Kontaktdaten, dann werde ich sehen, was ich für Sie tun kann.“

Das Lächeln kehrte wieder auf ihre Lippen zurück, und die Art und Weise, wie sie ihr Haar zurückwarf, sendete ein eindeutiges Signal. Widerstrebend reichte er ihr seine Visitenkarte. Sie warf einen Blick darauf, und ihre Augen wurden groß.

Er konnte förmlich sehen, wie die Habgier ihre Augen zum Funkeln brachte.

Seine alte Firma, die Toredo Inc., war bereits vor der Fusion mit Alejandro und den Ishikawa-Brüdern ein äußerst erfolgreiches Unternehmen gewesen. Und seit dem Zusammenschluss konnte keiner der Partner mehr den neugierigen Augen der Öffentlichkeit entgehen.

Jeder, der in der Lage war, eine Suchmaschine zu bedienen, kannte die Gesichter der Aguilar-Brüder, und wusste wie vermögend sie waren. Und wenn man lange genug suchte, erfuhr man sicher auch ihren Beziehungsstatus.

Die Empfangsdame bildete da keine Ausnahme. Sie schaute sich übertrieben im menschenleeren Foyer um, so als würde sie hinter jeder Ecke neugierige Spione vermuten. Schließlich tippte sie etwas in den Computer.

„Ich glaube, Sie suchen nach Goldie Beckett“, flüsterte sie theatralisch.

Er assoziierte den Namen mit goldenen Korkenzieherlocken und honigfarbener Haut – was erstaunlich zutreffend war.

Sí“, bestätigte er. Die Gefahr, dass es sich um die falsche Person handelte, war eher gering. Und falls doch, dann würde er einfach weitersuchen.

Die Empfangsdame nickte. „Ich sollte das wirklich nicht tun, aber … ich weiß zufällig, dass sie bis vor fünf Minuten noch im Musiksaal geprobt hat. Sie haben sie nur ganz knapp verpasst.“

Gael unterdrückte einen Fluch. „Haben Sie zufällig gesehen, wohin sie gegangen ist?“

„Nein. Aber ich weiß, dass sie in Jersey lebt, also wird sie vermutlich in Richtung U-Bahn gegangen sein.“

„Danke“, murmelte er.

„Ähm … gern geschehen.“

Sie machte den Eindruck, als wollte sie die Unterhaltung nur allzu gern fortsetzen. Doch Gael zerstörte ihre Hoffnung, indem er sich abwandte und davonging.

Heute Nacht hatte er für solche Dinge wirklich keinen Kopf.

Wenn er sich beeilte, konnte er Goldie Beckett vielleicht noch einholen. Er stürmte aus dem Gebäude, doch im Grunde war ihm die Sinnlosigkeit seiner Aktion längst bewusst. Das hier war New York. Eine einzelne Person in einem Pulk von Menschen finden zu wollen, war vollkommen aussichtslos. Und dennoch ging er wie automatisch in Richtung U-Bahnstation weiter.

Sein Chauffeur fuhr neben ihm am Gehweg entlang und fragte sich vermutlich, was sein Arbeitgeber vorhatte.

Gael stutzte. Was tat er hier eigentlich? Er kannte ihren Namen. Damit musste er nur die Sicherheitsabteilung beauftragen, sie ausfindig zu machen, und schon war die Sache so gut wie erledigt. Schließlich wusste er, wie ehrgeizig sie war.

Wie weit sie gehen würde, um an ihr Ziel zu gelangen …

Er brauchte also lediglich seinen Namen und seine Stellung spielen zu lassen, mehr nicht. Es gab für ihn absolut keinen Grund, ihr höchstpersönlich nachzulaufen.

Er verlangsamte seine Schritte und dachte daran, wie idiotisch er aussehen musste, als er aus einer Seitenstraße Geräusche einer Auseinandersetzung vernahm.

Gael wäre beinahe weitergegangen. In Metropolen wie New York City waren solche Dinge an der Tagesordnung. Doch dann vernahm er einen heiseren Schrei und sah aus den Augenwinkeln goldblonde Locken.

Wie angewurzelt blieb er stehen. Die Gasse war finster, reichte aber nicht allzu weit. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas zu erkennen, was aufgrund des dichten Qualms, der aus der Lüftung eines Restaurants drang, nicht gerade einfach war.

„Lassen Sie mich in Ruhe!“

Er erkannte ihre Stimme ohne jeden Zweifel wieder. Und das Geräusch von zerreißendem Stoff reichte aus, dass er sich sofort wieder in Bewegung setzte – und zwar in die Gasse hinein.

„Lady, ich sag es nicht noch mal! Rücken Sie die Tasche raus!“

Ein höhnisches Lachen hallte durch das Halbdunkel. „Wenigstens besitzen Sie so viel Abstand, mich Lady zu nennen, während Sie versuchen, mir mein Eigentum zu stehlen.“

„Es wird mehr sein als nur ein Versuch, wenn Sie nicht auf der Stelle diese verdammte Tasche loslassen!“

Die Warnung wurde begleitet vom Geräusch weiterer Rangeleien. Dann erklang ein erstickter Schrei.

Gael platzte gerade in dem Moment in die Szene, als ein düsterer Schatten sich an ihm vorbeidrängte und dann aus der Gasse stürmte. Ihm blieb nur der Bruchteil einer Sekunde, um zu entscheiden, ob er dem Räuber nachlaufen oder sich um das Opfer kümmern sollte.

Er entschied sich für Letzteres.

Eine Entscheidung, die Miss Beckett nicht zu befürworten schien. „Großer Gott, nein! Halten Sie ihn auf, er hat meine Tasche!“

Sie lief los, anscheinend, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen, doch er hielt sie zurück.

„Lassen Sie mich los!“, schrie sie. „Er hat meine Sachen!“

„Beruhigen Sie sich. Den erwischen Sie nicht mehr. Der ist längst über alle Berge.“

„Ach, und warum? Weil Sie ihn haben entkommen lassen, jawohl! Und jetzt lassen Sie mich endlich los!“ Plötzlich hielt sie inne. „Moment mal, sind Sie … sind Sie etwa sein Komplize?“

Gael blinzelte überrascht. „Perdón? Sie halten mich für einen Dieb?“

„Ich weiß nicht, wer Sie sind, und es interessiert mich auch nicht. Sie halten mich davon ab, dem Mistkerl nachzulaufen, der mich bestohlen hat. Was soll ich Ihrer Meinung nach glauben?“

Sie versuchte, sich aus seinem Griff loszumachen, doch Gael hielt sie weiter fest – warum eigentlich? „Ich mag mich täuschen, aber dankt man normalerweise nicht dem Menschen, der einem zur Rettung eilt?“

„Danken? Wofür sollte ich Ihnen dankbar sein? Sie haben diesen Kerl mit meinem Zeug davonkommen lassen“, fauchte sie wütend.

Sie hatte wirklich Feuer, das musste er ihr lassen. Doch es war das Beben in ihrer Stimme, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog. „Ich bin kein Dieb, Miss Beckett“, sagte er sanft, um sie nicht noch weiter zu verunsichern. „Das kann ich Ihnen versichern.“

Sie erstarrte. „Woher kennen Sie meinen Namen?“

Jetzt war es keine Wut, die in ihrer Stimme lag, sondern vielmehr Furcht.

Das gefiel Gael ganz und gar nicht. Er ließ sie los und trat zurück, wobei er darauf achtete, zwischen ihr und dem Ausgang der Gasse zu stehen.

„Sie haben von mir nichts zu befürchten.“

Sie lachte auf, doch ihre Angst war noch immer spürbar. „Sagt der Mann, der mich daran hindert, zu gehen. Ich warne Sie, ich kann Selbstverteidigung.“

Seine Mundwinkel zuckten. „Ebenso wie ich, pequeña. Vielleicht können wir ja eines Tages mal zusammen trainieren, wenn wir beide in der Stimmung sind.“

„Ich mache das nicht zu meinem Vergnügen, sondern um mich verteidigen zu können. Und jetzt sagen Sie mir endlich, woher Sie meinen Namen kennen, und hören Sie auf, meine Zeit zu verschwenden!“

„Ihr Angreifer ist längst verschwunden. Wenn Sie den Vorfall melden möchten, leihe ich Ihnen gern mein Telefon.“

„Nein, danke. Wenn Sie etwas Nützliches tun wollen, lassen Sie mich endlich vorbei.“

Gael schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Vorher müssen wir uns unterhalten.“

„Ich wüsste nicht, was ich mit Ihnen in einer schmutzigen, stinkenden Seitenstraße zu besprechen hätte.“

„Ich bin hier, weil Sie für mich von Interesse sind.“

„Das bezweifle ich allerdings stark.“ Sie trat einige Schritte zurück. Stolperte beinahe. „Ich weiß nicht, was Ihr Problem ist, Mister, aber ich versichere Ihnen, dass es sich nicht lohnt, mich zu stalken. Alles, was ich besitze – und zwar ganz genau achtzig Dollar –, ist gerade auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Und zwar dank Ihrer Hilfe!“

Sie zwängte sich an ihm vorbei und ging rückwärts langsam auf den Ausgang der Gasse zu. Als sie unter der einzigen, schwachen Glühbirne stand, die die Hintertür eines Ladens beleuchtete, atmete er scharf ein.

Er hatte ihr bisher, als Frau, keine große Beachtung geschenkt – doch das holte er jetzt nach. Aus unmittelbarer Nähe betrachtet war sie wirklich … umwerfend. Dem weichen Glanz ihrer honigfarbenen Haut konnten selbst die schummrigen Lichtverhältnisse nichts anhaben. Außerdem besaß sie bemerkenswert hohe Wangenknochen, volle Lippen und ein spitzes Kinn, das sie jetzt entschlossen vorreckte.

In seinem Leben war er schon so mancher attraktiven Frau begegnet. Doch Goldie Beckett besaß etwas, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Vielleicht waren es ihre Augen. Gael konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sie blau waren oder eher violett, doch sie hielten ihn gefangen, auch wenn sie ihn jetzt daraus anfunkelte.

Was ihren Körper betraf – sie war klein, aber das tat ihrer Attraktivität keinen Abbruch. Ebenso wenig wie ihre kurvige Figur, die sie im Augenblick unter einem Jeansrock und einem schwarzen Sweater verbarg.

Einem schwarzen Sweater, in dem ein riesiger Riss prangte, durch den die Träger eines fliederfarbenen BHs hervorblitzten.

Sie merkte, wo er hinstarrte, und bedeckte sich rasch. „Na, das ist ja ganz toll“, schimpfte sie.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte er und zwang sich, den Blick abzuwenden.

„Ja, allerdings – dieser Mistkerl hat nicht nur meine Tasche mitgenommen, sondern auch noch meinen Schal!“

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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