Verheiratet auf königlichen Erlass - Wüstenprinzessin auf Zeit?

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DAS VERFÜHRERISCHE ANGEBOT DES PRINZEN
Du musst heiraten. Und zwar schnell. Prinz Vincenzo D'Agostino ist überzeugt, dass der König scherzt. Aber nein: Auf königlichen Befehl soll er eine Frau fürs Leben finden und schnellstens seinen Ruf als Playboy loswerden! Da kann Vincenzo nur an eine denken: Glory Monaghan. Wunderschön, voller Temperament und Leidenschaft - und verräterisch, was ihm damals fast das Herz gebrochen hätte. Aber was wäre, wenn er Glory jetzt ein verführerisches Angebot macht? Ein königliches Eheversprechen? Dann hätte er alle Zeit der Welt, sich an ihr süß zu rächen …

1001 NACHT MIT MEINEM PRINZEN
Es scheint ein sinnliches Märchen aus 1001 Nacht zu sein: Milliardär Aram Nazaryan hält um Prinzessin Kanzas Hand an, und in einem einzigen Rausch aus Liebe und Leidenschaft sagt sie Ja. Zusammen werden sie in dem schönsten Palast des Wüstenstaates Zohayd leben, in einem Taumel von zärtlicher Lust die Nächte verbringen … Alles Lüge! Denn Aram weiß: Wenn Kanza erfährt, warum er sie verführt und zu seiner Frau gemacht hat, wird sie ihn verlassen. Dann wird sie ihn nicht mehr lieben, sondern hassen. Und mit jeder Sekunde kommt sie der Wahrheit näher! Was soll er nur tun?

ZURÜCK IN DEN ARMEN DES WÜSTENPRINZEN
"Ich soll Prinz Mohab heiraten?" Jala ist fassungslos. Seit der berechnende Verführer ihr vor sechs Jahren das Herz brach, hat sie ihn aus ihrem Leben verbannt. Aber jetzt bleibt ihr keine Wahl: Sie muss sich auf eine Pflichtehe mit Mohab einlassen - natürlich nur, um ihr Heimatland vor einem Konflikt zu bewahren! Doch entgegen jeder Vernunft ist da sofort wieder diese unwiderstehliche erotische Anziehungskraft zwischen Mohab und Jala. Und als er sie mit einem wilden, leidenschaftlichen Kuss überrascht, gerät ihr Herz prompt ein zweites Mal in Gefahr …


  • Erscheinungstag 15.08.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727154
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Olivia Gates

Verheiratet auf königlichen Erlass - Wüstenprinzessin auf Zeit?

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2013 by Olivia Gates
Originaltitel: „Temporarily His Princess“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1840 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Kai Lautner

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733720728

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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PROLOG

Sechs Jahre zuvor

Vincenzo erstarrte, als er hörte, wie jemand die Tür öffnete.

Sie war da!

Alle Nerven zum Zerreißen gespannt, lauschte er. Die Tür fiel ins Schloss, dann hörte er hastige Schritte. Er fühlte sich, als müsste gleich ein Erdbeben über ihn hereinbrechen.

Seine Bodyguards hatten sich nicht gerührt. Kein Läuten hatte ihr Kommen angekündigt. Sie war die Einzige, die von ihm jemals bedingungslosen Zutritt und die Schlüssel zu seinem Penthouse erhalten hatte.

Aber er hatte ihr noch mehr gewährt als nur Zutritt zu seiner Privatsphäre – er hatte zugelassen, dass sie seine Gedanken und Gefühle beherrschte. Sie war die einzige Frau gewesen, der er jemals vollkommen vertraut hatte. Die er geliebt hatte.

Doch alles war eine Lüge gewesen.

Er war verletzt. Und wütend. Vor allem auf sich selbst. Denn auch nachdem ihm klar geworden war, dass sie ihn hintergangen hatte, klammerte er sich an die Hoffnung, dass sich alles irgendwie erklären ließe, dass es sich als Irrtum herausstellen würde. So viel Macht besaß sie über ihn.

Allein das hätte ihn schon warnen müssen, denn normalerweise war er aus Erfahrung misstrauisch. Nie zuvor hatte er zugelassen, dass ihm jemand so nahe kam. Als Prinz von Castaldinien war es ihm zur zweiten Natur geworden, hinter die Fassade von Menschen zu blicken, die sich seine Sympathie erschleichen wollten. Und nachdem seine Forschungen zu alternativen Energien ihn auch noch zu einem Superstar der Wissenschaft gemacht hatten, war er davon ausgegangen, dass er seine Hoffnungen auf eine echte Beziehung endgültig begraben konnte.

Bis Glory in seinem Leben aufgetaucht war.

Von Anfang an hatte sie ihn in ihren Bann gezogen. Hingerissen von ihrer Schönheit, war er begeistert gewesen, wie gut sie auch sonst harmonierten – wenn sie sich unterhielten, einfach Zeit miteinander verbrachten. Die magische Kraft, die sie zueinander hinzog, war ungewöhnlich stark. Glory weckte Gefühle in ihm, von denen er nicht gewusst hatte, dass er sie überhaupt fühlen konnte, und das Zusammensein mit ihr befriedigte all seine Sinne – körperlich, geistig und seelisch.

Doch er war nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Und diesen Zweck hatte Glory schließlich erreicht.

Nachdem sich der erste Feuersturm aus Zorn, Enttäuschung und Hass ausgetobt hatte, war sein Rachedurst kühlen Überlegungen gewichen. Anstatt sie für ihren Verrat büßen zu lassen, hatte er geschwiegen und war ohne ein Wort gegangen.

Nicht, dass er ihr entkommen wäre.

Sie schrieb SMS, sprach auf seine Mailbox, schickte E-Mails. Nonstop. Zuerst vorsichtig fragend, dann besorgt, schließlich panisch. Er war hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, sie zu beruhigen, und Wut auf sich selbst, weil er schon wieder auf ihre Taktik hereinzufallen drohte. Dann war die letzte Nachricht gekommen. Der Aufschrei einer Frau, die um das Leben ihres Geliebten fürchtete.

Da begriff er, dass es nur einen Grund für ihre verzweifelten Versuche geben konnte, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Anscheinend hatte sie ihr Ziel noch nicht ganz erreicht. Selbst wenn sie durch sein Verhalten mittlerweile davon ausgehen musste, dass er sie verdächtigte, war sie offenbar bereit, alles zu riskieren, um ihn zu halten, ihn wieder in ihren Bann zu schlagen, um beenden zu können, was sie begonnen hatte.

Daher sorgte er dafür, dass sie von seiner Rückkehr erfuhr. Er wusste, dass sie sofort bei ihm auftauchen würde. Doch obwohl er die Begegnung geplant hatte, war er nicht wirklich darauf vorbereitet. Er hatte keine Ahnung, was passieren würde, wenn er Glory nun wiedersah.

Managgia! Verdammter Mist. Er hätte ihr keine Chance geben dürfen, noch einmal in sein Leben zu spazieren. Er war einfach nicht bereit …

„Vincenzo!“

Blass und schmal sah sie aus, als sie in sein Schlafzimmer stürmte, ganz anders als die vor Vitalität und Lebensfreude sprühende junge Frau, in die er sich Hals über Kopf verliebt hatte.

Abrupt blieb sie stehen, als sie ihn erblickte. Ihre Augen waren rot und geschwollen vom Weinen. Er wartete mit steinerner Miene neben dem Bett, in dem sie während der vergangenen sechs Monate so viele Momente höchster Lust genossen hatten.

Nur Sekunden später löste sich Glory aus ihrer Erstarrung, rannte auf ihn zu und schlang die Arme um seinen Hals. Sie klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende.

Unwillkürlich nahm er sie in die Arme. Wie er sie vermisst hatte! Ihren Duft, ihren Körper, einfach alles. Bis ans Ende seines Lebens würde er sich nach ihr sehnen – oder zumindest nach jener Frau, für die er sie gehalten hatte, ehe er ihren Betrug erkannte.

Obwohl er wusste, dass er sie von sich stoßen sollte, tat er nichts dergleichen. Zu groß war sein Bedürfnis, sie zu spüren, sie zu küssen – ein letztes Mal.

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin nahm sie seinen Kopf in beide Hände und verteilte kleine, wilde Küsse auf seinem Mund, seinen Wangen.

Er konnte nicht widerstehen, konnte seine Hände nicht im Zaum halten, wollte sie streicheln, sie noch enger an sich ziehen …

Doch ehe ihn das Verlangen nach Glorys Nähe übermannen konnte, riss er sich zusammen und wappnete sich gegen ihre tränenerstickte Stimme, mit der sie immer wieder flüsterte: „Mein Liebster, mein Liebster.“

Schließlich packte er ihre Arme und schob sie ein Stück von sich weg. Sie ließ es geschehen und sah aus großen Augen glücklich zu ihm auf, ehe sie ihn erneut umarmte. „Es geht dir gut, Liebling“, seufzte sie. „Ich bin ja so froh. Als du auf meine Anrufe nicht reagiert hast, dachte ich, dir wäre etwas Entsetzliches zugestoßen.“

Das war also ihre Strategie: Sie wollte bis zuletzt die Unschuldige spielen.

„Es ist nichts passiert“, sagte er kalt.

Sie schien die eisige Ablehnung nicht zu bemerken. Stattdessen sah sie erschrocken zu ihm auf. Nichts verriet, dass sich hinter ihrer unschuldigen Fassade eine harte, rücksichtslose Betrügerin verbarg. „Gab es noch einen Vorfall? Wurde wieder etwas gestohlen? Hast du dich aus Sicherheitsgründen versteckt, damit deine Leute das Leck finden konnten?“

War sie tatsächlich so unverfroren? Oder glaubte sie, ihre Maske sei zu perfekt, als dass er ihr auf die Schliche kommen könnte? Wenn sie sicher war, dass er keinen Verdacht geschöpft hatte, dann würde sie natürlich annehmen, der einzige Grund für sein Verschwinden sei es gewesen, herauszufinden, warum seine Forschungsergebnisse trotz aller Sicherheitsmaßnahmen gestohlen worden waren.

Gut. Wenn sie das Spiel auf diese Weise spielen wollte, sollte es ihm recht sein. Umso leichter konnte er sie auf eine falsche Fährte locken. „Es gab kein Leck“, erklärte er. „Und zwar kein einziges.“

Zunächst wirkte Glory erleichtert, doch dann fragte sie verwirrt: „Aber du hast mir doch gesagt …“ Sie hielt inne, weil sie offenbar nicht weiter wusste.

Si, das immerhin nahm er ihr ab. Denn hatte er ihr nicht jedes Detail berichtet, als sein Lebenswerk geplündert worden war, weil jemand sich Zugang zu seinem Computer verschafft hatte? Glory hatte so verzweifelt getan, weil sie ihm angeblich nicht helfen konnte.

„Nichts von dem, was ich dir erzählt habe, stimmte“, fuhr er fort. „Die Forschungsergebnisse, die ich durchsickern ließ, waren gefälscht. Es hat mir großen Spaß gemacht, mir die dummen Gesichter der Datendiebe vorzustellen, als sie herausfanden, dass sie völlig wertlose Informationen gestohlen hatten. Die echten Ergebnisse kennt niemand. Sie bleiben geheim, bis ich sie zur Veröffentlichung freigebe.“

Jedes Wort war eine Lüge, aber er hoffte, dass sie diese Informationen an ihre Auftraggeber weiterleiten würde, damit diese die Daten als wertlos betrachteten, ehe sie sie testen und herausfinden konnten, dass es sich doch um die richtigen handelte.

Ihre Verstellungskünste kamen ihr auch jetzt zu Hilfe. Scheinbar erleichtert, gleichzeitig etwas verletzt, sagte Glory: „Das ist ja fantastisch. Aber … aber warum hast du mir nichts davon erzählt? Bist du sicher, dass du ausgespäht wurdest? Selbst … hier?“ Sie schlang die Arme um ihren Körper, als wolle sie sich schützen. „Ein einziges Wort hätte mir endlose Sorgen um dich erspart, und ich hätte meinen Part gespielt, um die Spione auf die falsche Fährte zu locken.“

„Jeder bekam die Informationen, die ich für nötig hielt, damit alles so glaubhaft war, dass auch meine Widersacher darauf hereinfielen. Nur die Menschen, denen ich wirklich vertraute, kannten die Wahrheit.“

Glory wurde noch blasser. „Und ich gehörte nicht dazu?“

Er war froh, dass sie ihm die Möglichkeit bot, seinen aufgestauten Ärger loszuwerden. „Wie denn? Du warst eine Gelegenheitsliebschaft, aber dann hast du geklammert, und ich hatte keine Zeit, um dir klarzumachen, dass ich dich loswerden wollte. Außerdem hatte ich noch keinen Ersatz für dich gefunden.“

Der Schock, den er in ihren Augen las, war so echt, dass er einen Moment lang unsicher wurde.

„Er…Ersatz?“

Er schürzte die Lippen. „Meine Zeitplanung erlaubt mir nur Sexpartnerinnen, die auf Kommando verfügbar sind. Das war mit dir sehr bequem, denn du hast perfekt funktioniert. So eine anpassungsfähige Geliebte findet man nicht überall. Ich hatte vor, dich auszutauschen, sobald eine neue Gespielin gefunden war. Dies ist nun der Fall.“

Ihre türkisblauen Augen füllten sich mit Tränen. „Es war zwischen uns ganz anders, Vincenzo …“

„Was bringt dich auf diese Idee? Dachtest du etwa, es wäre die große Liebe?“

Mit zitternden Lippen antwortete sie stockend: „Du … du hast … du hast gesagt, dass du mich liebst.“

„Ja, deine Art, mich zufriedenzustellen. Im Bett warst du ein Traum. Aber selbst eine Partnerin, die mir beim Sex alle erdenklichen Wünsche erfüllt, wird irgendwann langweilig.“

„War ich für dich wirklich nur eine … eine Sexpartnerin?“

„Nein, du hast recht. Eine Partnerin ist jemand, mit der man irgendeine Art von Beziehung führt. Was auf uns nicht zutrifft. Sag bloß nicht, dass dir das nicht vom ersten Tag an klar war.“

Er sah, dass seine Worte sie trafen wie Faustschläge, und wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre er schwach geworden und hätte ihr geglaubt, dass ihr Schmerz echt war. So aber machte ihn die Erkenntnis, wie gut sie schauspielerte, nur noch härter.

Statt auszuflippen und es ihm leichter zu machen, stand sie nur da und sah ihn an. Tränen liefen über ihre Wangen. „Wenn … wenn das ein Scherz sein soll, dann bitte, bitte, hör auf damit“, flüsterte sie.

„Wow. Dachtest du wirklich, du bedeutest mir mehr als ein Betthäschen?“

Sie zuckte zusammen, und es fiel ihm schwer, weiterzumachen. Wie lange konnte er seine Brutalität ihr gegenüber noch durchhalten?

Daher fuhr er rasch fort: „Ich hätte wissen müssen, dass du meinen Wink mit dem Zaunpfahl ignorieren würdest. Dumm, wie du bist, hast du mir jedes Wort geglaubt. Dabei hättest du doch erkennen müssen, dass ich dich nicht wegen deiner wissenschaftlichen Fähigkeiten als Projektmanagerin eingestellt habe. Es geht mir langsam auf die Nerven, dass du glaubst, ich schulde dir etwas. Ich habe deine Dienste großzügiger honoriert, als sie es wert waren.“

Sie schluchzte jetzt hemmungslos, doch er kannte kein Erbarmen.

„Wenn dich ein Mann das nächste Mal verlässt, lass ihn ziehen. Denn sonst erfährst du nur, dass du ihm nie etwas bedeutet hast.“

„Hör auf, bitte!“, rief sie und hob beide Hände, als müsse sie Schläge abwehren. „Wenn wir zusammen waren, habe ich doch gespürt, dass du sehr viel für mich empfindest. Wenn es nicht mehr so ist, lass mir doch wenigstens meine Erinnerungen.“

„Meine Güte, stell dich nicht so an. Hast du vergessen, wer ich bin? Kannst du dir nicht denken, dass ich eine andere Art von Gespielin gewöhnt bin? Sei doch realistisch! Deine Nachfolgerin kommt in ein paar Minuten. Willst du ihr wirklich begegnen?“

Glorys Blick verriet ihm, dass sie am Ende ihrer Kräfte war.

Endlich. Es war vorbei. Vincenzo wandte sich ab und hatte das Gefühl, ihm breche der Boden unter den Füßen weg.

Doch er hatte sich getäuscht, denn Glory gab noch nicht auf. „Ich … ich habe dich geliebt, Vincenzo. Ich habe an dich geglaubt. Du warst für mich ein einzigartiger Mensch. Aber es scheint, dass du in Wahrheit nichts weiter bist als ein widerlicher Egoist, der so perfekt lügen kann, dass man ihm alles glaubt. Ich wünschte, ich wäre dir nie begegnet, und hoffe nur, dass eine meiner Nachfolgerinnen dir antut, was du mir angetan hast.“

Mit zwei Schritten war er bei ihr. „Gut, du willst es nicht anders. Raus hier, oder ich sorge dafür, dass du dir wünschst, nicht geboren zu sein.“

Seine Drohung schien nicht bis zu ihr durchzudringen, denn sie starrte ihn einige Sekunden lang nur blicklos an. Dann drehte sie sich um, langsam, fast taumelnd, als könne sie sich kaum mehr auf den Beinen halten, und verließ ebenso langsam den Raum.

Er wartete, bis eine Tür ins Schloss fiel und ihm verriet, dass Glory gegangen war. Dann erst ließ er zu, dass der Schmerz ihn überwältigte.

1. KAPITEL

Heute

Vincenzo Arsenio D’Agostino schaute den König verblüfft an und kam zu dem einzig möglichen Schluss: Der Mann musste den Verstand verloren haben.

Wahrscheinlich war es einfach zu viel für ihn, gleichzeitig das Königreich Castaldinien zu regieren, ein Wirtschaftsimperium zu führen und sich liebevoll um seine Familie zu kümmern. Jeder, der diesen Ansprüchen gerecht werden wollte, würde irgendwann durchdrehen.

Anders konnte sich Vincenzo nicht erklären, was der König gerade zu ihm gesagt hatte.

Ferruccio Selvaggio-D’Agostino grinste. Königsbastard nannten ihn seine Gegner nicht ohne eine gewisse Berechtigung, denn er war tatsächlich ein unehelich geborener D’Agostino. „Krieg dich wieder ein, Vincenzo. Ich bin nicht verrückt geworden. Besorg dir eine Ehefrau. Und zwar so schnell wie möglich.“

Dio. Jetzt hatte er es schon wieder gesagt. „Ich soll mir eine Ehefrau besorgen?“, fragte Vincenzo ungläubig.

Ferruccio nickte. „So schnell wie möglich.“

„Hör auf damit.“

„Du bist selbst schuld“, bemerkte Ferruccio. „Seit Jahren möchte ich, dass du den Posten übernimmst, aber jedes Mal, wenn ich es dem Kronrat zur Entscheidung vorlege, kriegen sie die Krise. Selbst Leandro und Durante zucken zusammen, wenn ich deinen Namen auch nur erwähne. Du bist ein unbelehrbarer Playboy, und dein Ruf ist mittlerweile derart ruiniert, dass selbst die Klatschpresse sich kaum mehr mit dir befassen will. In der politischen Liga, in der du ab sofort spielen sollst, ist dieses Image absolut fehl am Platz.“

„Dir hat es doch auch nicht geschadet“, wandte Vincenzo ein. „Heute bist du König eines der konservativsten Reiche der Welt und verheiratet mit der sittsamsten aller Frauen.“

Ferruccio zuckte nur amüsiert die Achseln. „Mich haben sie zwar den Mann aus Stahl genannt – aber nur wegen meiner Art, Geschäfte zu machen. Meine Erfolge bei Frauen wurden immer maßlos übertrieben. Ich hatte überhaupt keine Zeit, mich zu amüsieren, während ich mich hochgearbeitet habe. In Clarissa war ich schon sechs Jahre lang verliebt, ehe sie endlich Ja gesagt hat. Aber dein Ruf als Frauenheld passt nicht zum Botschafter Castaldiniens bei den Vereinten Nationen. Daher solltest du umgehend seriös werden.“

„Falls mein Lebenswandel dich schlaflose Nächte kostet, bin ich gern bereit, zwei Gänge runterzuschalten“, meinte Vincenzo lässig. „Aber ich habe nicht vor, mir eine Ehefrau zuzulegen, nur damit ein paar stockkonservative Politiker in deinem Kronrat zufrieden sind. Die Vorstellung, als braver Familienvater zu enden, so wie du, Leandro und Durante, ist mir ein Gräuel. Ihr seid doch alle nur neidisch, weil ihr nicht mehr ungebunden seid wie ich.“

Ferruccio sah ihn nur mitleidig an, und Vincenzo juckte es in den Fäusten. Es war klar, dass der König nicht das geringste Interesse daran hatte, sein privates Glück wieder gegen die freie Wildbahn einzutauschen.

„Wenn du demnächst Castaldinien repräsentierst, sollen die Medien über deine Erfolge berichten, die du für das Königreich erzielst, Vincenzo, und nicht über die Schönheitsoperationen deiner Geliebten. Oder, noch schlimmer, die Geschichten bringen, die deine Ex-Geliebten über dich verbreiten. Deine Aufgabe bei den Vereinten Nationen wird sowohl diplomatischer als auch wirtschaftlicher Natur sein, und in dieser Position kannst du es dir nicht leisten, mit Sex und wilden Partys Schlagzeilen zu machen. Eine Ehefrau an deiner Seite wird der Welt beweisen, dass du solide geworden bist. Danach wirst du in den Medien nur noch auftauchen, wenn du Castaldinien wieder einen Schritt nach vorn gebracht hast.“

Vincenzo schüttelte ungläubig den Kopf. „Dio! Seit wann bist du ein solcher Spießer geworden, Ferruccio?“

„Wenn du damit meinst, seit wann ich ein Verfechter von Ehe und Familie bin, dann frage ich mich, wo du die vergangenen vier Jahre gewesen bist. Mein Leben ist die reinste Werbung für beides, und es wird Zeit, dass ich dir einen kleinen Schubs in dieselbe Richtung verpasse.“

„In dieselbe Richtung? Glückliche Zweisamkeit für immer und ewig? Du weißt genau, dass das für die meisten Menschen ein unerreichbares Ziel bleibt. Du hast das unwahrscheinliche Glück gehabt, Clarissa kennenzulernen, aber die Chancen für andere Männer stehen eins zu einer Million, dass sie eine Frau treffen, mit der sie eine perfekte Beziehung haben können.“

„Was die Trefferquote betrifft, habe ich keine Ahnung, Vincenzo“, meinte Ferruccio. „Immerhin hat Durante Gabrielle gefunden. Und Leandro Phoebe.“

„Zwei Glückspilze mehr, na und? Ihr alle habt eine schwere Kindheit und Jugend gehabt. All das Gute, was das Leben später für euch bereithielt, ist vielleicht eine Art Wiedergutmachung. Ich dagegen war immer vom Glück verwöhnt, und jetzt sieht es halt so aus, als müsste ich dafür büßen. Ich werde, anders als ihr, niemals die große Liebe finden.“

„Wenn du so weitermachst, bestimmt nicht“, gab Ferruccio zurück.

„Ich habe einfach nur mein Schicksal akzeptiert. Für mich gibt es kein Happy End.“

„Um so wichtiger, dass du heiratest. Ich will nicht, dass du dein Leben vergeudest, ohne die Wärme, die Geborgenheit und das Glück zu genießen, die eine gute Ehe mit sich bringen.“

„Danke für deine Fürsorge, aber es ist vergebliche Liebesmüh.“

„Weil du die wahre Liebe noch nicht gefunden hast? Liebe ist das i-Tüpfelchen auf einer Beziehung, aber nicht unbedingt die Voraussetzung dafür. Schau dir deine Eltern an. Es war eine arrangierte Ehe, doch dann haben sie herausgefunden, dass sie perfekt harmonieren. Such dir eine Frau, die dir passend erscheint, und sobald ihr verheiratet seid, wird das Band zwischen euch immer enger, bis es schließlich Liebe ist.“

„Das hört sich doch völlig verdreht an!“ Vincenzo stöhnte laut auf. Konnte Ferruccio nicht endlich Vernunft annehmen? „Außerdem war es zwischen dir und Clarissa auch von Anfang an Liebe.“

„Zumindest dachte ich das. Aber was ich zu Beginn für sie empfand, war nur ein Bruchteil dessen, was ich jetzt fühle“, entgegnete der König. „Wenn du deine zukünftige Frau also zunächst vielleicht nur respektierst, wirst du nach einem Jahr als Ehemann bereit sein, für sie durchs Feuer zu gehen.“

„Ach Ferruccio, gib doch einfach zu, dass du unverschämt viel Glück gehabt hast! Du bist mein König, und ich habe dir Treue geschworen, aber findest du es nicht unfair, vor mir mit deinem Familienglück anzugeben, wenn ich dir bereits gesagt habe, dass es so etwas für mich niemals geben wird?“

„Es gab eine Zeit, da habe ich auch geglaubt, es gäbe auf der Welt keinen Menschen, mit dem ich mein Leben teilen könnte. Denn die Frau, die ich liebte, war unerreichbar, und ich fand keine, die auch nur annähernd ihren Platz in meinem Herzen hätte einnehmen können.“

Vincenzo wurde misstrauisch. Ahnte Ferruccio etwas von dem Desaster, das sein Leben zerstört und ihm gezeigt hatte, dass Liebe für ihn unerreichbar war? Bitterkeit erfasste ihn – ein vertrautes Gefühl.

„Bald wirst du vierzig …“, wollte Ferruccio fortfahren, doch Vincenzo unterbrach ihn.

„Ich bin achtunddreißig!“

„… und du bist seit dem Tod deiner Eltern vor zwanzig Jahren allein.“ Ferruccio ließ sich nicht beirren.

„Ich bin nicht allein. Ich habe Freunde.“

„Für die du keine Zeit hast oder umgekehrt.“ Als Vincenzo auffahren wollte, hob Ferruccio die Hand und stoppte ihn. „Gründe eine Familie, Vincenzo. Etwas Besseres kannst du nicht tun. Weder für dich selbst noch für das Königreich.“

„Als Nächstes schreibst du mir vor, wen ich heiraten soll.“

„Wenn du nicht so bald wie möglich eine Entscheidung triffst, werde ich genau das tun.“

Vincenzo lachte ungläubig. „Drückt dir deine Krone zu sehr aufs Hirn? Oder haben dich deine Kinder um den Verstand gebracht?“

Doch Ferruccio lächelte nur.

Da Vincenzo genau wusste, weshalb man Ferruccio den Mann aus Stahl nannte, war ihm klar, dass jeder Widerspruch zwecklos war. Also konnte er ebenso gut sofort einlenken. Natürlich nicht, ohne Bedingungen zu stellen.

Er seufzte. „Wenn ich den Job annehme …“

„Das Wörtchen wenn klingt, als hättest du eine Alternative, Vincenzo. Aber die hast du nicht.“

„… dann nur für ein Jahr.“

„Ich bestimme die Dauer.“

„Ein Jahr“, beharrte Vincenzo. „Das ist meine Bedingung dafür, dass ich ab sofort keine Skandalgeschichten mehr liefere. Und damit erledigt sich wohl auch das Thema Ehefrau.“

Ferruccio gönnte ihm ein königliches Lächeln und signalisierte ihm, dass die Diskussion beendet war. „Keine Bedingungen, Vincenzo. Meine Aufforderung, dir eine Ehefrau zu suchen, war weder ein Vorschlag noch eine Bitte. Es handelt sich um ein königliches Dekret.“

Zuletzt hatte Ferruccio dann doch nachgegeben. Zumindest, was die Befristung auf ein Jahr anging. Seine Vorgabe war jedoch, dass Vincenzo den Nachfolger selbst auswählte und zufriedenstellend einarbeitete – nach Ferruccios Bedingungen.

Was die Ehefrau anging, blieb der König hart, und um seinen Willen zu unterstreichen, kündigte er sogar offiziell an, dass Vincenzo innerhalb von zwei Monaten eine passende Frau zu suchen und zu heiraten habe.

Vincenzo starrte entgeistert auf das königliche Dekret. Es war Zeit, Ferruccio in die Schranken zu weisen. Eine passende Frau in zwei Monaten zu finden, war unmöglich. Aber auch zwei Jahre hätten nicht gereicht. Denn es gab keine passende Frau für ihn. Genau wie Ferruccio war er ein Mann, der nur eine einzige Frau lieben konnte. Im Gegensatz zum König war es ihm jedoch nicht gelungen, seine große Liebe zu heiraten. Und seitdem hatte ihn keine Frau länger als ein paar Wochen interessiert.

Er hatte es aufgegeben. Obwohl das vielleicht nicht ganz stimmte, denn immer noch suchten ihn Erinnerungen heim, und dann kam die Sehnsucht, so wie jetzt …

Es dauerte einen Moment, bis Vincenzo den Schmerz niedergekämpft hatte. Plötzlich jedoch, wie aus dem Nichts, kam ihm eine Idee, und er begriff mit einem Mal, dass er in den vergangenen Jahren etwas grundlegend falsch gemacht hatte.

Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag: Anstatt gegen seine Gefühle anzukämpfen, hätte er die Geschichte mit Glory einfach laufen lassen müssen, bis sie von selbst zu Ende gegangen wäre. Denn dass sie irgendwann vorbei gewesen wäre, davon war er überzeugt.

Aber das konnte er ja nachholen! Und jetzt war genau der richtige Zeitpunkt dafür. Jetzt konnte er sein Verlangen stillen – und damit gleich mehrere Ziele erreichen.

Vincenzo lächelte, als er spürte, wie Erregung und Vorfreude von ihm Besitz ergriffen. So lebendig hatte er sich seit sechs Jahren nicht mehr gefühlt. Hier war eine Herausforderung, und er würde sie annehmen.

Was er brauchte, waren ein paar Informationen über Glory, um die Aufgabe, die vor ihm lag, zuverlässig durchführen zu können. Zwar verfügte er bereits über einige Details, aber für seine Art der Brautwerbung, die im Grunde mehr eine feindliche Übernahme war, konnten weitere Hintergrundinformationen nicht schaden.

Ihm würden sie jedenfalls nicht schaden.

Was Glory betraf … Nun, das war eine ganz andere Sache.

Glory Monaghan schaute verblüfft auf ihren Laptopbildschirm.

Das konnte nicht wahr sein. Eine E-Mail von ihm.

Mit zitternden Fingern strich sie über ihre Lippen. Sie war so aufgewühlt, dass sie einen Moment lang keinen klaren Gedanken fassen konnte.

Langsam, dachte sie. Eins nach dem anderen. Bestimmt ist es eine alte Mail …

Aber sie wusste genau, dass das nicht stimmte. Diese Mail hier war neu. Denn die alten hatte sie alle gelöscht. Allerdings erst vor zwei Monaten, und das auch nur aus Versehen.

Sechs Jahre lang hatte sie seine E-Mails behalten, statt sich von all den demütigenden Erinnerungen ein für alle Mal zu befreien. Sie hatte sogar seine handschriftlichen Notizen aufbewahrt, seine Nachrichten auf ihrer Mailbox, alles, was er ihr jemals geschenkt oder in ihrem Apartment vergessen hatte.

Nicht aus Nostalgie, nein, bestimmt nicht. Eher als therapeutische Maßnahme. Sie hatte versucht, sich in Vincenzo hineinzuversetzen, ihn zu analysieren, zu erkennen, wie er tickte – wie ein echter Mistkerl tickte, um in Zukunft ihm und allen anderen seiner Sorte aus dem Weg gehen zu können. Die Erkenntnisse, die sie gewonnen hatte, bewahrten sie davor, jemals wieder auf einen Mann hereinzufallen. Sie hatte nie wieder jemanden so nah an sich herangelassen, und so war sie auch nie wieder enttäuscht worden.

Vincenzo war der Einzige geblieben.

Glory schloss kurz die Augen und hoffte, wenn sie sie wieder öffnete, würde die E-Mail verschwunden sein. Eine Fata-Morgana, weiter nichts. Doch als sie erneut auf den Bildschirm schaute, war die Mail immer noch da und wartete darauf, geöffnet zu werden.

In der Betreffzeile stand: „Ein unwiderstehliches Angebot“.

Was sollte das denn sein?

Dann fiel ihr ein, dass es ja vielleicht gar keine Mail von Vincenzo war! Vielleicht hatte jemand seinen Account gehackt und spammte jetzt die halbe Welt mit Prinzenmails zu. Ja. Das musste es sein. Der Betreff war der Beweis. Es musste sich um Spam handeln.

Andererseits war es schon seltsam, dass Vincenzo sie nicht schon vor Jahren aus seinem Adressbuch gelöscht hatte.

Egal. Diese Mail gehörte in den Papierkorb.

Doch ehe sie die Nachricht endgültig löschte, hielt sie inne, weil eine Stimme in ihrem Kopf sagte: „Tu es, und du wirst dich dein Leben lang fragen, was in der Mail stand.“

Na gut. Das war ein Argument. Da sie sich selbst gut genug kannte, war ihr klar, dass sie keine Ruhe finden würde, bis sie Bescheid wusste.

Aber was passierte, wenn sie die Mail öffnete und sich einen Virus auf ihrem Laptop einfing? Es war vielleicht doch besser, das verdammte Ding zu löschen.

Es machte sie fertig, dass Vincenzo auch nach so vielen Jahren noch die Macht besaß, sie völlig aus der Fassung zu bringen. Er spielte mit ihr wie mit einer Marionette. Es war nur eine blöde Mail mit einem interessanten Betreff, und sie fühlte sich, als beginne ihr Leben neu.

Dabei hatte sie sich eingebildet, über Vincenzo hinweg zu sein. Anscheinend war das immer noch nicht der Fall. Wenn sie also diese Mail öffnete und darin etwas Unangenehmes fand, hatte sie den Beweis, dass er wirklich jener Mistkerl war, für den sie ihn hielt. Dann konnte sie vielleicht endlich aufhören, sich nach ihm zu sehnen.

Also öffnete sie die Nachricht mit zwei Mausklicks.

Zuerst schaute sie ans Textende. Da war eine Unterschrift. In seiner Handschrift. Diese Mail war tatsächlich von ihm.

Ihr Herz schlug bis zum Hals. Und dann las sie die zwei Sätze, aus denen die Mail bestand.

Ich könnte deine Familie lebenslang hinter Gitter bringen, aber ich bin bereit, zu verhandeln. Komm heute Nachmittag um fünf Uhr in mein Penthouse, sonst übergebe ich die Beweise, die sich in meinem Besitz befinden, der Polizei.

Um zehn vor fünf stand Glory im Aufzug und war unterwegs hinauf zu Vincenzos Penthouse. Sie verspürte ein flaues Gefühl im Bauch, weil ihr alles so bekannt und gleichzeitig, nach so langer Zeit, fremd vorkam. Ihre Augen waren trocken und brannten. Erinnerungen suchten sie heim in diesem Lift, den sie sechs Monate lang fast jeden Tag benutzt hatte. Doch diese Erinnerungen fühlten sich an, als gehörten sie einer ganz anderen Glory.

Und irgendwie stimmte das sogar. Damals war sie ein anderer Mensch gewesen. Nachdem sie jahrelang all ihre Energie auf ihr Studium verwandt hatte, war sie im reifen Alter von dreiundzwanzig Jahren völlig unerfahren gewesen, was das sogenannte Leben betraf. Doch ihr Ehrgeiz, sich aus einer Familie von Spielern und Glücksrittern zu befreien, war so groß gewesen und ihre Sehnsucht nach Stabilität und Sicherheit so stark, dass sie alles daran gesetzt hatte, unabhängig zu werden.

Schließlich hatte sie ihr Ziel erreicht, war die Beste ihres Jahrgangs, besaß einen Master mit Auszeichnung und auf dem Arbeitsmarkt alle Chancen. Alle hatten ihr eine äußerst erfolgreiche Zukunft prophezeit.

Doch obwohl sie sich ihrer Qualifikationen bewusst war und exzellente Referenzen vorweisen konnte, hatte sie sich auf den Job bei D’Agostino Developments beworben, ohne wirklich darauf zu hoffen, die Stelle zu bekommen. Die Geschichten, die man sich über den Mann an der Spitze des herausragenden Unternehmens erzählte, machten es unwahrscheinlich, dass er sie einstellen würde. Vincenzo D’Agostino stellte höchste Ansprüche und führte sogar die Bewerbungsgespräche mit dem Personal für die Poststelle persönlich. Dann hatte er sie in die Mangel genommen.

Glory konnte sich noch an jede Einzelheit dieses schicksalhaften Vorstellungsgesprächs erinnern. Es hatte ihr Leben verändert.

Unter Vincenzos forschendem Blick hatte sie sich nackt gefühlt. Seine Konzentration war hoch gewesen, und seine Fragen kamen wie Schüsse aus einem Schnellfeuergewehr. Er verfügte über eine so starke Ausstrahlung und Präsenz, dass sie, zwischen Bewunderung und Furcht schwankend, kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Stammelnd hatte sie seine Fragen beantwortet, doch nach nur zehn Minuten war er aufgestanden, hatte ihr die Hand geschüttelt und ihr eine hochkarätige Position angeboten – viel besser, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen erhofft hatte. Sie würde auf der höchsten Unternehmensebene arbeiten und ihm direkt unterstellt sein.

Völlig aus dem Gleichgewicht gebracht, hatte sie sein Büro verlassen. Nie zuvor hatte sie einen Mann getroffen, der so attraktiv und so überwältigend klug war. Ein Blick hatte genügt, und sie stand in Flammen. Da sie bisher überhaupt keine Erfahrung mit Männern gehabt hatte, verwirrte sie die Heftigkeit ihrer Gefühle über alle Maßen.

Nun hatte sie einen tollen Job, und sich darin zu beweisen, würde schwierig genug werden. Doch viel schwieriger war es, mit der Anziehungskraft zu leben, die Vincenzo D’Agostino auf sie ausübte. Selbst wenn es kein ungeschriebenes Gesetz gab, das Beziehungen am Arbeitsplatz verbot, konnte sie sich nicht vorstellen, dass er sich für sie interessierte. Zwar wusste sie, dass sie hübsch war, aber einem Mann wie ihm liefen bestimmt Dutzende schöner und gebildeter Frauen nach. Sie war weder das eine noch das andere.

Und das hatte er ihr schließlich sechs Monate später bestätigt, als er sie so brutal aus seinem Leben verbannte.

Als Berufsanfängerin hatte sie sich damals vorgenommen, ihre sinnlichen Fantasien Vincenzo betreffend rigoros zu unterdrücken. Das war ihr allerdings nicht lange gelungen, denn eine Stunde nach dem Vorstellungsgespräch rief Vincenzo sie an und lud sie zum Dinner ein.

Sie ignorierte sämtliche Warnsignale und setzte ihre Karriere aufs Spiel, indem sie sich Hals über Kopf ins Abenteuer und in seine Arme stürzte. Es war ihr egal, was andere Leute von ihr dachten. Sechs herrliche Monate lang lebte und arbeitete sie nur für ihn. Blind und taub für die Wirklichkeit, hatte sie keine Sekunde lang bemerkt, dass er sie nur benutzte.

Selbst schuld, dachte sie nun bitter. Kein Gesetz bewahrte Dummköpfe davor, Fehler zu machen.

Eines jedoch hatte sie gelernt: Vincenzo scherzte nie. Er meinte immer ernst, was er sagte. Damals war sie so verblendet gewesen, dass sie sein Mangel an Humor nie gestört hatte. Heute wusste sie daher, dass er sich mit seiner Mail keinen schlechten Scherz erlaubte. Was das in ihrem Fall bedeutete, erfüllte sie mit maßloser Wut.

Ein Signal ertönte und riss sie aus ihren Mordfantasien. Der Lift stoppte, und die Türen glitten auseinander. Glory betrat zögernd den großzügigen Flur, der zu Vincenzos riesigem Penthouse führte. Nichts hatte sich verändert. Seltsam. Sie hatte angenommen, dass er das Ambiente dem neuesten Trend und vor allem seinem stetig wachsenden Reichtum entsprechend angepasst hätte.

Damals hatte er ihr erzählt, dass sein luxuriöses Heim mitten in New York sich nicht im Mindesten mit seinem Familiensitz in Castaldinien vergleichen ließe. Er hatte so getan, als könne er es gar nicht erwarten, sie dorthin mitzunehmen. Weil er so begierig schien, ihr sein Zuhause zu zeigen, war sie monatelang vor Aufregung und Erwartung fast geplatzt.

Trotzdem war es ihr kaum möglich, sich vorzustellen, dass etwas noch opulenter sein konnte als dieses Penthouse. Die Welt, in die Vincenzo sie eingeführt hatte, kam ihr vor wie ein Zauberreich, und sie hatte sich gefühlt wie Alice im Wunderland. Der Anblick machte ihr nun einmal mehr bewusst, wie verschieden ihre Herkunft und ihr Lebensstil waren – zu verschieden, um eine gemeinsame Zukunft zu teilen. Doch sie hatte sämtliche Warnungen in den Wind geschlagen.

Bis er sie entsorgt hatte wie Müll.

Zornerfüllt blieb sie vor der Penthousetür stehen. Bestimmt beobachtete Vincenzo sie mithilfe der Überwachungsanlage. Das hatte er früher oft getan, damit er sie sofort, wenn sie eintrat, in die Arme schließen und sie entführen konnte in eine Welt der Leidenschaft und Zärtlichkeit. Glory schaute sich um, bis sie die kleine Videokamera entdeckte. Immer noch besaß sie den Apartmentschlüssel. Noch etwas, das sie nicht weggeworfen hatte. Wahrscheinlich hatte Vincenzo nicht einmal das Schloss ausgetauscht. Warum auch? Seine Bodyguards waren so zahlreich, dass sie eine Armee aufhalten könnten. Sie wäre nie bis hierher gelangt, wenn er es nicht gestattet hätte.

Ob er wohl erwartete, dass sie klingeln würde? Da hatte er sich getäuscht. Sie rammte den Schlüssel ins Schloss und stellte sich vor, es wäre Vincenzos Auge. Mit angehaltenem Atem drehte sie den Schlüssel um – und trat ein.

Er stand neben der weitläufigen Sofalandschaft, vor jenem Fernsehbildschirm, auf dem sie sich oft gemeinsam die Videos ihrer lustvollen Begegnungen angeschaut hatten, ehe sie sich erneut in sinnlichen Spielen verloren.

Als sich ihre Blicke trafen, beschleunigte sich Glorys Puls. Vincenzo sah umwerfend aus. Er trug einen schwarzen Anzug und wirkte noch größer, als er tatsächlich war. Mit seinen breiten Schultern, den schmalen Hüften und den muskulösen Oberschenkeln sah er gleichzeitig einschüchternd und unglaublich sexy aus. Sein Gesicht kam ihr noch markanter vor als vor sechs Jahren, seine Haut wirkte dunkler, was seine stahlgrauen Augen betonte. Einzelne Silberfäden durchzogen an den Schläfen sein dichtes rabenschwarzes Haar.

Glory nahm all dies wahr und spürte, dass dieser Mann sie immer noch in seinen Bann schlagen konnte. All ihre Sinne reagierten auf seine Nähe, genau wie damals, als sie noch jung und völlig unerfahren gewesen war.

Aber jetzt kam noch ihre Wut auf ihn hinzu, was eine seltsam prickelnde Mischung ergab.

Ihr Atem stockte, als Vincenzo zu sprechen begann. Seine Stimme war noch eine Nuance tiefer geworden, und der leichte Akzent verfehlte seine Wirkung auf sie nicht.

„Ehe du etwas sagst, möchte ich dir mitteilen, dass ich tatsächlich über Beweise verfüge, die deinen Vater und deinen Bruder für mindestens fünfzehn Jahre, wenn nicht lebenslänglich, ins Gefängnis bringen können. Doch das weißt du sicher. Deshalb bist du ja hier.“

Ihre Starre löste sich, und sie ging auf ihn zu. Zorn funkelte in ihren Augen. „Dir traue ich alles zu. Deshalb bin ich hier.“

Sein Blick verriet nur Härte. „Dann kann ich mir ja einleitende Worte sparen und direkt dazu kommen, weshalb ich dich herzitiert habe.“

„Herzitiert? Wow. Dir ist wohl die Tatsache, dass du ein Prinz bist, zu Kopfe gestiegen. Aber vermutlich warst du schon immer so arrogant und aufgeblasen. Ich war nur blind genug, es nicht zu bemerken.“

Er lächelte kühl. „Ich habe keine Zeit für Scharmützel, Glory. Aber sobald wir uns einig sind, darfst du dich gern austoben. Es wird mich … amüsieren.“

Sie riss sich zusammen. „Sicher. Haie mögen Blut. Was ich über deinen Charakter gesagt habe, war übrigens schlicht die Wahrheit. Also, verschwende nicht meine Zeit und sag, was du willst. Was muss ich tun, damit du meine Familie nicht zerstörst? Soll ich deinen Rivalen ein paar Forschungsergebnisse klauen? Das fiele mir schwer, denn ich arbeite nicht mehr auf diesem Gebiet, wie du sicher weißt.“

„Hättest du es sonst getan?“

„Nein.“

In seinen Augen entdeckte sie einen bisher ungekannten Ausdruck. Etwas wie … Schmerz? Aber das konnte nicht sein. Und da war noch etwas. Ein ironisches Aufblitzen. Vincenzo und Humor? Seit wann passte denn das zusammen?

„Nicht einmal, um deine geliebte Familie zu retten?“

Gab es überhaupt eine geliebte Familie? Na ja, sie empfand durchaus Zuneigung zu ihren Verwandten, aber meistens trieben sie sie mit ihrer Verantwortungslosigkeit in den Wahnsinn. Und jetzt waren sie auch noch schuld daran, dass sie diesem Mistkerl von einem Prinzen ausgeliefert war. Wahrscheinlich hatte Vincenzo irgendwie ihre Schulden aufgekauft … Sie mussten sehr hoch sein, wenn sie ihren Bruder und ihren Vater ins Gefängnis bringen konnten.

„Nein“, erwiderte sie heftig. „Ich dachte nur darüber nach, was ich dir für die großzügige Rettung meiner Familie bieten könnte.“

„Oh, da wüsste ich schon etwas …“

Sein Tonfall bewirkte, dass sie erschauerte. Wollte er etwa …? Nein, das konnte nicht sein. Er hatte ihr doch klargemacht, wie austauschbar sie als Geliebte gewesen war. Ihr waren Dutzende gefolgt, und er war keiner treu geblieben. Um ein abgelegtes Betthäschen, wie er sie genannt hatte, wieder an Land zu ziehen, würde er niemals einen solchen Aufwand betreiben.

„Ich kann dir anbieten, dir den Schädel einzuschlagen“, fauchte sie. „Ansonsten gibt es nichts, was du von mir bekommen könntest.“

Diesmal lächelte er tatsächlich, und der Humor in seinen Augen brachte sie aus dem Gleichgewicht.

„Danke, aber ich verzichte auf die Schädelfraktur“, sagte er amüsiert. „Es gibt etwas anderes, das ich benötige, und zwar so schnell wie möglich. Du bist die Einzige, die dafür infrage kommt.“ Jetzt grinste er tatsächlich.

„Hör auf, meine Zeit zu verschwenden, und spuck’s endlich aus. Was zum Teufel brauchst du?“

Ungerührt antwortete er: „Eine Ehefrau.“

2. KAPITEL

„Eine Ehefrau?“

Glory hörte sich Vincenzos Worte wiederholen.

Aber das konnte er doch nicht wirklich gesagt haben.

Er nickte und bestätigte, dass sie ihn richtig verstanden hatte.

Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Wie soll ich dir denn eine Ehefrau besorgen?“ Ein Verdacht keimte in ihr auf. „Interessierst du dich für jemanden, den ich kenne?“

Wieder war da der amüsierte Schimmer in seinen Augen. „Ja. Für jemanden, den du sehr gut kennst.“

Ihr wurde übel, als sie hastig sämtliche infrage kommenden Frauen vor ihrem inneren Augen vorbeidefilieren ließ. Viele waren schön und gebildet genug, um Vincenzos hohen Standards zu genügen. Besonders Amelia, ihre beste Freundin. Doch die war frisch verlobt. Forderte Vincenzo etwa, sie solle dabei helfen, die Verlobung ihrer Freundin zu sabotieren, damit er …?

Doch er sprach schon weiter. „Der König hat mir mitgeteilt, dass ich meinen Ruf reparieren muss. Zu diesem Zweck brauche ich eine Ehefrau.“

Stopp. Was war das nun wieder? „Deine sexuellen Ausschweifungen schaden Castaldinien? Sodass der König nun die Notbremse zieht? Hat er ein Gesetz erlassen, das es dir verbietet, weiterhin den Playboy zu spielen?“

„Sozusagen. Er hat ein Dekret erlassen, das mir befiehlt, zu heiraten.“

„Wer hätte das gedacht? Selbst der großartige Vincenzo D’Agostino muss vor jemandem kuschen. Wie peinlich für dich, herumkommandiert zu werden wie ein Kind, auch wenn der, der den Befehl erteilt, dein König ist. Wie fühlst du dich jetzt, wo du deine Karriere als Frauenheld beenden musst?“

Er zuckte nonchalant die Achseln. „Ich beende gar nichts. Meine Ehe wird nur vorübergehend sein.“

Das hieß, er sagte ganz offen, dass er sich niemals ändern würde. Immerhin konnte ihm niemand vorwerfen, dass er nicht ehrlich war. Das war neu für Glory. Denn damals hatte er ihr das Gefühl gegeben, geliebt und wertgeschätzt zu werden. Dabei war sie für ihn nur ein Sexabenteuer gewesen.

Frustriert sagte sie: „Natürlich kann es nur vorübergehend sein. Weder deine Macht noch dein Geld würden irgendeine Frau dazu bringen, dauerhaft an deiner Seite zu bleiben.“

Wieder überraschte er sie mit einem Lächeln. „Willst du damit sagen, dass die Frauen für diesen Job nicht Schlange stehen werden?“

„Oh, ich bin sicher, dass sie sich vor deiner Tür gegenseitig tottrampeln werden, um sich von dir den Ring an den Finger stecken zu lassen. Aber hinterher wird die, die du tatsächlich heiratest, jeden Preis bezahlen, um dich wieder loszuwerden. Du wirst nie eine Frau finden, die bei dir bleibt.“

„Wie schön, dass ich nur eine auf Zeit benötige. Ich suche eine Frau, die sich Wort für Wort an unsere Abmachung hält. Mein Problem ist nicht, eine Kandidatin zu finden, die meine Bedingungen akzeptiert – es gibt eher zu viele davon.“

„Bist du so eingebildet, dass du glaubst, alle Frauen sind so scharf auf eine Ehe mit dir, dass sie jeden Vertrag unterschreiben würden, den du ihnen diktierst?“

„Das ist keine Einbildung, sondern eine Tatsache. Du bist das lebende Beispiel dafür, du hast dich bedingungslos mit mir eingelassen. Und dann hast du so sehr geklammert, dass ich viel brutaler vorgehen musste, als es meine Art ist, um dich loszuwerden.“

Die Erinnerung daran tat immer noch weh. Glory hatte nie begriffen, weshalb er sie damals derart gedemütigt hatte. Sie hatte ihn doch nur geliebt …

Kühl fuhr er fort: „Jede Frau, die ich heirate, könnte es ausnutzen, dass ich sie brauche, um den Schein zu wahren. Sie könnte versuchen, mich zu erpressen. Ich dagegen suche eine Frau, die noch nicht einmal ansatzweise auf die Idee kommen würde.“

„Dann besorg dir doch eine … eine Käufliche“, zischte Glory. „Eine, die weiß, wie man einen Mann zeitlich befristet zufriedenstellt.“

„Eine Käufliche, wie du das nennst, ist genau das, was ich brauche. Allerdings sollte es jemand sein, dessen Ruf bisher nicht gelitten hat, denn wenn ich meinen eigenen aufpolieren soll, kann ich mir keine Hure an meiner Seite leisten.“

„Selbst eine Heilige könnte deinen Ruf nicht retten, Vincenzo“, gab Glory zurück. „Warum hast du mich nicht einfach angerufen? Dann hätte ich dir gesagt, dass ich keine kenne, die für diese Rolle geeignet ist. Es hätte mir diesen sinnlosen Besuch bei dir erspart.“

„Oh, du kennst durchaus jemanden, der für diese Rolle perfekt geeignet ist. Du bist es selbst.“

Vincenzo sah, wie Glory blass wurde. Sie war noch so schön wie damals – nein, noch viel schöner. Sie war gereift, und ihr mädchenhaft liebliches Gesicht war ausdrucksvoller und aparter geworden, mit klaren Linien, definierten Brauen und einer eleganten Nase. Ihre Haut wirkte sanft gebräunt, was perfekt mit ihrem üppigen rotbraunen Haar harmonierte.

Sie kam ihm vor wie der Inbegriff von Gesundheit und Vitalität, und ihre tiefblauen Augen, die ihn schon immer fasziniert hatten, strahlten. Und dann ihre vollen Lippen … Schon vor sechs Jahren hatten sie für ihn eine sinnliche Versuchung dargestellt, doch nun konnte er dem Wunsch, sie zu küssen, kaum widerstehen.

Vincenzo ließ seinen Blick über Glorys Körper wandern. Was er sah, erregte ihn. Weibliche Kurven, fest und gleichzeitig so sanft. Vor ihm stand eine Frau in voller Blüte, und selbst der strenge dunkelblaue Hosenanzug, den sie trug, minderte die Verlockung nicht, die von ihr ausging. Er wollte nur zu gern wissen, wie sie darunter aussah …

Allerdings fragte er sich gleichzeitig, weshalb eine Frau, die so gekonnt schauspielern konnte, dass es ihr gelungen war, ihn auszutricksen, jetzt gerade so aussah, als sei sie ganz ehrlich und vollkommen verblüfft. Sie wirkte, als hätte sie nicht einen Moment lang angenommen, dass es hier um sie ging.

Aber das konnte doch gar nicht sein!

Glory war einfach nur mit allen Wassern gewaschen.

Nach einem Moment fasste sie sich und funkelte ihn zornig an. „Es ist mir egal, wie hoch die Schulden meines Vaters und meines Bruders sind. Ich bezahle sie.“

Sie überraschte ihn immer wieder. „Glaubst du wirklich, hier geht es um Geld? Denkst du, ich hätte nichts weiter gegen sie in der Hand als ihre Schulden?“

„Hör auf, mir was vorzumachen. Sag endlich, was angeblich gegen sie vorliegt.“

Es gefiel ihm, dass sie so kampfeslustig war, und er wollte mehr davon. „Oh, nur ein paar kriminelle Machenschaften“, erwiderte er.

„Du gehst so weit, falsche Anschuldigungen gegen sie zu erheben, nur um mich zu zwingen, dir zu Willen zu sein?“

„Ich lege nur meine Beweise offen, die übrigens nur einen Bruchteil ihrer Vergehen betreffen. Damit du mir glaubst, solltest du das hier lesen.“ Er nahm eine Mappe vom Couchtisch und hielt sie ihr hin. „Du kannst das alles prüfen lassen. Es gibt noch mehr davon, falls du Interesse hast. Aber ich nehme an, das hier reicht, denn es ist genug, um sie wegen Unterschlagung und Betrug für viele Jahre ins Gefängnis zu bringen.“

Unwillkürlich griff Glory nach der Akte und ließ sich aufs Sofa sinken.

Vincenzo dachte daran, wie oft sie sich hier geliebt hatten. Das ganze Penthouse war für ihn erfüllt mit Erinnerungen an die leidenschaftlichen Stunden mit Glory. Für ihn war es Liebe gewesen. Für sie nicht, wie er schmerzhaft erfahren hatte. Jetzt blätterte sie in den Dokumenten – fähig, schnell querzulesen und die wichtigsten Fakten sofort zu erfassen, wie er wusste. Dafür hatte er sie immer bewundert.

Geliebt, bewundert, begehrt. Jetzt war es an der Zeit, seine Gefühle für sie für immer aus seiner Erinnerung zu tilgen.

Nach einer Weile schaute Glory zu ihm auf. Tränen glitzerten in ihren Augen, ihre Lippen zitterten. Alles gespielt, wie er nur zu gut wusste.

„Wie … wie lange hast du das schon?“, fragte sie mit rauer Stimme.

„Die Beweise? Etwas über ein Jahr. Es gibt noch ältere Dokumente, die belegen, dass sie auch in andere Machenschaften verwickelt waren.“

„Noch mehr?“

Jeder, der ihren entsetzten Blick gesehen hätte, wäre überzeugt gewesen, dass sie nicht die geringste Ahnung von den Vergehen ihres Vaters und ihres Bruders gehabt hatte.

Angewidert sagte Vincenzo: „Sie waren ziemlich schlau, das muss ich ihnen lassen. Deshalb hat sie auch noch nie jemand erwischt.“

„Weshalb ist es dir gelungen?“

Sie stellte die richtigen Fragen, und falls er sie wahrheitsgemäß beantwortete, würde sie begreifen, was vor sechs Jahren geschehen war. Vielleicht gar keine schlechte Idee. Er war es leid, zu lügen.

Daher entschied er sich für Aufrichtigkeit. „Seit sie versucht haben, meine Forschungsergebnisse zu stehlen, lasse ich sie observieren.“

Entsetzt sah Glory ihn an. „Du hast sie verdächtigt?“

„Ich habe jeden verdächtigt, der direkt oder indirekt mit mir zu tun hatte.“

Glory wirkte, als hätte sie erst in diesem Moment begriffen, dass sie ebenfalls zu den Verdächtigen gehört haben musste. Allerdings hatte Vincenzo sie im Glauben gelassen, dass nichts Wichtiges gestohlen worden war. Doch das Gegenteil war der Fall.

Während der Entwicklungsarbeit hatte er peinlich genau darauf geachtet, dass die Ergebnisse nicht alle am gleichen Ort dokumentiert wurden, sodass nur er allein das Ganze zusammensetzen konnte. Trotzdem war alles gestohlen worden und in die Hände seiner Rivalen gelangt. Und dann hatte er Hinweise erhalten, dass Glory beteiligt war.

Er war sofort sicher gewesen, dass es Hintermänner geben musste, die ungehinderten Zugang zu Glorys Privatsphäre besaßen und sie irgendwie ausgenutzt hatten. Und da kam nur ihre Familie infrage. Weil er ihr das Leid ersparen wollte, zu erfahren, dass ihre Angehörigen kriminell waren, hatte er die Konfrontation mit ihrem Vater und ihrem Bruder ohne ihr Wissen gesucht.

Schließlich hatten die beiden unter massivem Druck alles gestanden und um Gnade gefleht. Um Glorys willen hatte er vor, sie ihnen zu gewähren, doch er wollte mehr von ihnen wissen. Die Details ihrer Vorgehensweise, die Auftraggeber, die Komplizen … Da hatten sie ihm Beweise geliefert, dass Glory die Drahtzieherin gewesen war.

Glory, die er liebte. Die er ohne Wenn und Aber in sein Leben gelassen hatte. Ohne Vorsichtsmaßnahmen, ohne Misstrauen, ohne Schutz.

Ein langwieriges öffentliches Gerichtsverfahren hätte ihn mehr verletzt, als dass es ihm geholfen hätte. Außerdem wollte er sich nicht noch länger mit Glory auseinandersetzen. Daher hatte er sich für die brutale Methode entschieden, um sie aus seinem Leben zu verbannen – und um so vielleicht irgendwann seinen Seelenfrieden wiederfinden zu können.

Doch dann war etwas völlig Unerwartetes geschehen. Und auch daran hatte Glory ihren Anteil.

Während er sich bemüht hatte, sie zu vergessen, begann er mit seiner Forschungsarbeit ganz von vorn. Bald stellte er fest, dass seine ursprünglichen Ergebnisse alles andere als perfekt gewesen waren. Ganz im Gegenteil. Sie wiesen Fehler auf, die – wären seine Erkenntnisse in der industriellen Produktion verwirklicht worden – nicht nur seine Geldgeber Milliarden an Fehlinvestitionen, sondern schlimmstenfalls sogar Menschenleben gekostet hätten.

Glorys Betrug war also ein Glücksfall gewesen, denn er konnte seine Fehler korrigieren und eine sichere, sogar noch energiesparendere Methode entwickeln. Danach war sein Unternehmen an die Spitze katapultiert worden. Dankbar war er Glory trotzdem nicht.

Ihre stockenden Worte rissen ihn aus seinen Grübeleien. „Aber mein Vater und mein Bruder hatten doch mit der Industriespionage in deinem Unternehmen gar nichts zu tun. Und du hast gesagt, es wäre nichts Wichtiges gestohlen worden.“

„Sie haben es versucht“, entgegnete er. „Dass ich sie falsche Daten finden ließ, ändert nichts an der Tatsache, dass sie Diebe sind.“

Glory nickte nachdenklich. „Warum hast du sie damals nicht angezeigt? Und warum hast du sie dann noch sechs Jahre lang beschatten lassen?“

Er schürzte die Lippen. „Was soll ich dazu sagen? Ich bin einfach meiner Intuition gefolgt. Da ich nun wusste, dass sie es versucht hatten, wollte ich sehen, ob sie zu mehr fähig sind. Ich habe ihre Methoden studiert und konnte bald vorhersagen, was sie tun würden. Sie hatten nicht die geringste Chance.“

Schweigend starrte Glory einen Moment vor sich hin. Dann fragte sie: „Noch einmal: Warum hast du sie nicht angezeigt?“

Weil sie deine Familie sind.

Nur hatte er es sogar vor sich selbst bisher nicht zugegeben können.

Lange hatte er mit sich gerungen, denn Verbrechen waren Verbrechen, egal, wer sie beging. Doch er hatte es nicht fertiggebracht, Glorys Leben zu zerstören. Denn wenn ihre Angehörigen untergingen, würden sie Glory mit sich ziehen. Und sie ins Gefängnis zu bringen, dazu war er nicht fähig.

Das war eine Tatsache, die sie allerdings nie erfahren durfte. Sie durfte nicht wissen, wie viel Macht sie immer noch über ihn besaß.

Also bemerkte er nur: „Es hätte mir keinen Nutzen gebracht.“ Und als sie ihn verblüfft anschaute, fügte er hinzu: „Ich habe gelernt, dass es sich auszahlt, die kleinen dreckigen Geheimnisse meiner Kontrahenten zu kennen, um sie zu benutzen, wenn ich sie brauche. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Früchte zu ernten.“

„Glaubst du wirklich, du kannst mich auf diese Weise dazu bringen, dich zu heiraten?“

„Ja. Du bist die perfekte Frau auf Zeit, denn du bist die Einzige, die mich am Ende dieser Ehe nicht erpressen oder einen Skandal riskieren würde.“

Wieder herrschte ein explosives Schweigen.

Schließlich straffte sich Glory und schwang ihre rotbraunen Locken über die Schulter. Es fiel Vincenzo schwer, sie nicht einfach in seine Arme zu ziehen und seine Lippen auf ihren sinnlichen Mund zu pressen, bis sie nachgab und zuließ, dass er sie nahm, hier und jetzt.

„Was ist, wenn ich dir sage, dass es mir völlig egal ist, was mit meinem Vater und meinem Bruder passiert? Wenn sie kriminell sind, müssen sie hinter Gitter. Ganz einfach.“

„Ich würde dir nicht glauben, denn du würdest nie zulassen, dass so etwas passiert. Nicht, wenn du es verhindern kannst.“

Sie sank in sich zusammen, doch er wusste, dass sie ihm nur etwas vorspielte, damit sie noch mehr aus der Sache herausholen konnte.

„Wir werden alle profitieren“, sagte er. „Dein Vater und dein Bruder verdienen Strafe, aber sie ins Gefängnis zu bringen, würde niemandem nützen. Ich … werde die Opfer ihrer Machenschaften entschädigen.“ Beinahe hätte er verraten, dass er das längst getan hatte. „Dir bleibt die Schande erspart, deine Familie hinter Gittern zu sehen. Als Gegenleistung hilfst du mir vorübergehend, dem König und meinem Land zu dienen.“

Sie erstarrte, und eine Träne lief über ihre Wange. Unwillig wischte sie sie fort. Vincenzo hätte schwören können, dass ihre Gefühle echt waren, doch er wusste es besser.

Schließlich flüsterte sie: „Was bedeutet vorübergehend genau?“

„Ein Jahr.“

Sie schluckte hart. „Und … und was wäre mein Job?“

Anscheinend hatte sie ihren Widerstand aufgegeben und ging nun dazu über, zu verhandeln. Seltsam. Obwohl er die Karten in der Hand hielt, hatte er das Gefühl, es sei ihr Spiel, das er hier spielte. Schon damals war sie die beste Verhandlungsführerin gewesen, die er im Team hatte, und er hatte sie dafür bewundert. Ihr Verrat hatte seine Welt zum Einsturz gebracht.

Er schob die Bitterkeit beiseite. „Ich werde Botschafter Castaldiniens bei den Vereinten Nationen. Dabei handelt es sich um eine der herausragendsten Führungspositionen des Königreichs. Die Menschen werden alles, was ich tue und sage, genau verfolgen und bewerten. Meine Frau wird an allen offiziellen Terminen mit mir teilnehmen und Gastgeberin sein, wenn ich Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einlade. Ansonsten wird von ihr erwartet, dass sie mich anbetet und eine gute Figur macht.“

Ungläubig sah Glory ihn an. „Du denkst doch nicht wirklich, dass ich für diese Rolle geeignet bin? Warum suchst du dir nicht irgendeine der adligen Castaldinierinnen aus oder jemanden, der dafür erzogen wurde, einen Staatsmann zu heiraten? Ich bin sicher, dass keine Frau Schwierigkeiten machen wird, wenn du beschließt, sie aus deinem Leben zu entfernen. Du hast auch mich entsorgt, ohne dass es dich eine schlaflose Nacht gekostet hätte.“

Nein, nicht eine! Tausende, widersprach er im Stillen.

Laut sagte er: „Ich will niemand anderen. Außerdem bist du durchaus qualifiziert. Du kennst dich im Wirtschaftsleben aus, und du bist ein Chamäleon, das sich perfekt jeder neuen Situation anpasst.“

Sie wollte etwas entgegnen, doch er schnitt ihr das Wort ab. „Höfische und diplomatische Etikette wirst du dir im Handumdrehen aneignen. Ich bringe dir bei, wie du dich bei Empfängen gegenüber Würdenträgern und der Presse verhalten musst. Alles andere zeigt dir Alonzo, mein Kammerdiener. Deine Schönheit und deine anderen … Vorzüge werden bald dafür sorgen, dass die Klatschpresse sich nur noch mit deinem Stil und deinen Outfits beschäftigt. Dazu kommt dein Image als Kampagnenleiterin einer humanitären Organisation. Das passt perfekt zu mir als Pionier auf dem Gebiet der sauberen Energien. Wir werden ein Traumpaar sein.“

Einst hatte er wirklich daran geglaubt, und er sah Glory an, dass sie etwas ganz Ähnliches dachte.

„Darüber hinaus biete ich dir eine großzügige Abfindung, sobald wir uns nach einem Jahr trennen. Ich finde, dieses Angebot ist wirklich zu gut, als dass du es ausschlagen könntest.“

Stumm sah sie ihn an. Enttäuschung malte sich in ihrem Blick, und sie fragte nicht, um welche Summe es sich handelte. Immer noch tat sie so, als interessiere Geld sie nicht.

„Zehn Millionen Dollar“, erläuterte er. „Und zwar nach Steuern. Zwei Millionen bekommst du sofort, den Rest am Schluss.“

Er nahm ein weiteres Dokument, das auf dem Couchtisch lag, und ging hinüber zum Sofa, wo Glory saß. „Hier ist der Ehevertrag, den du unterschreiben wirst.“ Als sie nicht danach griff, legte er die Mappe auf ihren Schoß. „Du hast bis morgen früh Zeit, ihn zu studieren und ihn von einem Rechtsberater prüfen zu lassen. Allerdings steht darin nichts, was du nicht blind unterschreiben könntest. Ich erwarte deine Zusage morgen.“

Den Blick gesenkt, murmelte sie: „Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, nicht wahr?“

„Du sagst es.“

Sie sah auf, und die Wut und Verzweiflung in ihren Augen berührten ihn. Es verlangte ihn danach, sie in die Arme zu nehmen. Sie zu trösten, zu beschützen, zu verführen.

Nichts hatte sich geändert, obwohl sich alles geändert hatte. Immer noch begehrte er sie bis zum Wahnsinn. Und das Einzige, was ihm ein wenig Genugtuung bereitete, war, dass sie ihn auch wollte.

Si, daran gab es keinen Zweifel. Nicht einmal eine gute Schauspielerin wie sie hatte so viel Macht über ihre Gefühle, dass sie sich nicht durch ihre Körpersprache verriet. Ebenso wie er erinnerte sie sich offenbar nur zu gut an die Lust, die sie sich gegenseitig bereitet hatten. Er fragte sich, wie es sich wohl anfühlen mochte, mit ihr zu schlafen – mit einer gereiften, noch schöneren, noch aufregenderen Glory.

Bald würde er es wissen, und er zögerte nicht, es ihr zu sagen. Er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: „Wenn wir miteinander ins Bett gehen, wird es besser sein als jemals zuvor.“

Zufrieden stellte er fest, dass sich ihr Atem beschleunigte. Doch sie erwiderte kühl: „Das wird nicht passieren.“

„Ich werde dich zu nichts drängen. Unser Vertrag gibt dir in dieser Hinsicht völlige Freiheit. Aber du sollst wissen, dass ich dich begehre. Du wirst zu mir kommen. Und zwar, weil du es auch willst. Du begehrst mich nämlich ebenso wie ich dich.“

Er sah, wie sich ihre Pupillen weiteten.

„Du solltest dir einen Psychiater suchen“, entgegnete sie schroff. „Sonst bläst du dich irgendwann noch so sehr auf, dass du platzt.“

Da konnte er sich nicht mehr beherrschen und riss sie in seine Arme. Als er ihren sinnlichen Körper spürte, seufzte er, und auch Glory entschlüpfte ein Stöhnen.

Wie gut sie duftete – nach Sonne, nach Leidenschaft, nach Glory … Er vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und atmete diesen Duft, den er so vermisst hatte, tief ein. „Ich will dich nicht nur, ich brauche dich, Glory. Seit sechs Jahren sehne ich mich danach, dich wieder in meinem Bett zu haben.“

Sofort versteifte sie sich und bemühte sich, ihn wegzuschieben. Ehe seine Gefühle übermächtig wurden, ließ Vincenzo sie los und stand auf. Er sah, wie verwirrt sie war.

„Was uns einst verband, war pure Ekstase. Du warst die Beste, die ich jemals hatte, und ich habe es nur beendet, weil du …“ Beinahe hätte er den Vorwurf ausgesprochen, doch er bekam gerade noch die Kurve. „Weil du mehr erwartet hast, als ich zu geben bereit war. Jetzt weißt du, was ich dir bieten kann. Du hast die Wahl, meine Geliebte zu werden, meine Prinzessin wirst du auf jeden Fall.“

Langsam senkte sie den Kopf und starrte einen Moment blicklos auf den Ehevertrag. „Nur für ein Jahr“, flüsterte sie und sah aus ihren türkisblauen Augen traurig zu ihm auf.

Oder länger. Solange wir es wünschen, hätte er fast gesagt. Doch er beherrschte sich und nickte. „Nur für ein Jahr.“

3. KAPITEL

„Wie lange?“

Glory zuckte bei dem schrillen Ausruf ihrer Freundin zusammen. Sie bereute es bereits, Amelia davon erzählt zu haben, doch sie hatte das Gefühl gehabt, ihr Kopf und ihr Herz müssten explodieren, wenn sie nicht jemandem davon berichtete. Ihre Mutter ins Vertrauen zu ziehen, war unmöglich, denn Glenda Monaghan hätte einen Zusammenbruch erlitten, wenn sie von den Verbrechen ihres Sohnes und ihres Mannes erfahren hätte. Ganz abgesehen davon, dass sie die beiden im Gefängnis besuchen konnte, falls Glory sich nicht auf Vincenzos Angebot einließ. Denn dass Vincenzo seine Drohung ernst meinte, darüber war sich Glory im Klaren: Entweder sie heiratete ihn, oder er brachte ihre halbe Familie hinter Gitter.

„Wieso wiederholst du deine Frage, wenn ich sie längst beantwortet habe?“, wollte sie von Amelia wissen.

Ihre Freundin verdrehte die Augen. „Verzeihung, Glory. Wie würdest du reagieren, wenn ich dir erzähle, dass ein castaldinischer Prinz und herausragender Wissenschaftler, mit dem ich mal was hatte, gefragt hat, ob ich ihn heiraten will?“

„Nur für ein Jahr“, ergänzte Glory und spürte einen Stich in der Brust.

Amelia hob beide Hände. „Da. Du hast es schon wieder gesagt. Also habe ich ein Recht, schockiert zu sein. Und dann Vincenzo D’Agostino? Wow!“

Glory seufzte. „Ja, wow.“

Amelia ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder. „Hm, ich versuche mir euch gerade als Paar vorzustellen. Du und Prince Charming. Aber es will mir nicht so ganz gelingen.“

„Oh, danke für die Blumen, Amelia.“

„Ich meine damit nicht, dass du ihm nicht ebenbürtig bist!“, rief Amelia entschuldigend. „Jeder Mann muss froh und dankbar sein, wenn du ihm auch nur einen Blick gönnst. Aber genau das, geschweige denn mehr, hast du seit ewigen Zeiten nicht getan. Du warst ein ziemlich kalter Fisch …“ Sie grinste. „Komm schon, du weißt doch genau, wie es bei dir mit Männern ist, Miss Rührmichnichtan. Ich kann mir dich einfach nicht in einer leidenschaftlichen Umarmung vorstellen. Allerdings begreife ich jetzt, dass deine Ansprüche einfach höher sind als die von Normal­sterblichen. Entweder ein Mann wie Vincenzo – oder gar keiner. Oder …“ Ihr schien plötzlich die Erleuchtung zu kommen, und sie wurde ganz ernst. „Oder müsste ich eher sagen: Vincenzo oder gar keiner?“

Erstaunt sah Glory die Freundin an. War das vielleicht eine Erklärung für ihre Enthaltsamkeit?

Nachdem Vincenzo sie auf brutale Art aus seinem Leben gedrängt hatte, war sie so verzweifelt gewesen, dass sie ein Jahr gebraucht hatte, um emotional wieder einigermaßen stabil zu werden. Danach hatte sie sich energisch daran gemacht, ihr Leben umzukrempeln. Was Vincenzo sie gelehrt hatte, war, dass Sicherheit und Stabilität im Leben einfach nicht zu haben waren. Wenn jener Mann, dem sie blind vertraut hatte, sie von einer Sekunde auf die andere von sich stoßen konnte, dann gab es nichts, worauf sie sich im Leben verlassen konnte. Daher hatte sie entschieden, ihre Fähigkeiten nicht für ihr eigenes Wohl einzusetzen, sondern dafür, anderen Menschen zu helfen.

Ihre Rechnung war aufgegangen. Sie hatte viel erreicht, und je erfolgreicher sie arbeitete, desto gefragter wurde sie. Die Folge war, dass sie in den vergangenen fünf Jahren mehr oder weniger aus dem Koffer gelebt hatte, um verschiedene Hilfsorganisationen auf der ganzen Welt bei ihren Projekten zu unterstützen. Dabei war keine Zeit für Beziehungen gewesen, und selbst wenn sie jemanden kennengelernt hätte, wäre es nur bei flüchtigen Begegnungen geblieben. Und darauf hatte sie keine Lust.

Amelias Bemerkung hatte sie jedoch nachdenklich gemacht. War ihr hektisches Leben, bei dem sie von Kontinent zu Kontinent reiste, vielleicht nur die Flucht vor einer echten Beziehung gewesen?

Glory liebte ihren Job. Es gab nichts, was sie mehr erfüllte, auch wenn er ihr keine Zeit und Kraft dafür ließ, über ihr nicht vorhandenes Privatleben nachzudenken. Jetzt fragte sie sich, ob das nicht sogar Absicht gewesen war. So viel zu arbeiten, dass kein Raum mehr blieb, um überhaupt zu bemerken, dass ihr etwas fehlte.

Und außerdem … Konnte es sein, dass sie tatsächlich nur einen einzigen Mann lieben konnte? Vincenzo oder keiner – war das wirklich ihr Motto geworden?

Anscheinend konnte Amelia Gedanken lesen, denn sie fragte leise: „Hat er dir das Herz gebrochen?“

„Nein. Er hat es zertrümmert.“

Amelia runzelte die Stirn. „Gut. Ab sofort hasse ich ihn. Ich habe ihn ein paar Mal im Fernsehen gesehen, da schien er mir ziemlich nett zu sein. Kein Angeber wie andere, die das Etikett Playboy mit sich herumtragen. Damals dachte ich, sein Beruf als Wissenschaftler hätte ihn davor bewahrt, ein egozentrisches Monster zu sein. Ich habe mich offenbar getäuscht.“

Ohne es zu wollen, begann Glory, ihn zu verteidigen. „Anfangs war er auch nicht so. Er ist … Ich weiß es nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Mir kommt es vor, als gäbe es zwei oder drei Vincenzos. Der Mann, in den ich mich verliebt habe, war genau so, wie du ihn beschreibst. Ehrlich, offen, hart arbeitend, erfolgreich und bei aller Leidenschaft verständnisvoll und sensibel. Als er unsere Beziehung beendete, habe ich einen ganz anderen Vincenzo kennengelernt. Brutal, eitel, darauf aus, mich zu demütigen.“

„Dich zu demütigen?“, rief Amelia entsetzt. „Und jetzt fragt er dich, ob du ihn heiratest, damit er seinen angeschlagenen Ruf wiederherstellen kann? Sag jetzt nicht wieder, dass es nur für ein Jahr ist, sonst schmeiße ich mit Porzellan! Wie konnte ich nur einen Moment lang begeistert über deine Aussichten sein? Geh zu ihm und schick ihn zur Hölle mit seinem Antrag.“ Amelia wirkte wie eine Löwin, die ihr Junges verteidigt.

„Meinst du damit, du hättest mir nicht von Anfang an dazu geraten, ihn zum Teufel zu schicken?“

„Nein, warum denn? Du bist nicht auf der Suche nach einem Ehemann, und dann kommt Prince Charming, bietet dir eine Märchenhochzeit und dazu am Ende des schönen Intermezzos zehn Millionen Dollar. Wenn er nicht so ein Mistkerl wäre, hätte ich gesagt: Ist doch eine Supersache für dich. Aber jetzt möchte ich nur wissen, wie er es nach allem, was er dir angetan hat, überhaupt noch wagt, sich dir zu nähern?“

Den Grund dafür hatte Glory ihrer Freundin verschwiegen. Sie war in Vincenzos Augen die einzig Passende, weil sie durch die kriminellen Machenschaften ihrer Angehörigen erpressbar war.

„Egal“, fuhr Amelia fort. „Falls er dir auf die Pelle rückt, weil du Nein gesagt hast, schicke ich ihm Jack vorbei, der kümmert sich drum.“

Als Glory sich vorstellte, wie Amelias Verlobter Jack, ein bärenstarker Footballspieler, sich mit dem gleich starken, jedoch viel eleganteren Vincenzo ein Duell lieferte, musste sie kichern.

Ihr Gelächter grenzte an Hysterie, doch gleich darauf wurde Glory wieder ernst und seufzte. „Ich habe dir das Ganze nicht erzählt, weil ich wollte, dass du mir zu- oder abrätst, Amie. Ich brauchte einfach jemanden zum Reden, denn ich …“ Sie unterdrückte den Impuls zu sagen: „Ich muss“. Stattdessen ergänzte sie nur: „Denn ich habe mich bereits entschieden, Ja zu sagen.“

Amelia starrte sie verblüfft an. Glory hatte ihr nichts von Vincenzos Ultimatum erzählt, denn sonst musste sie befürchten, dass Jack mit seinem gesamten Rugbyteam über ihn herfiel, und Vincenzo wiederum würde all seine durchtrainierten Cousins herbeirufen, und dann gäbe es womöglich Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Castaldinien …

Glory musste schon wieder kichern, aber dann beherrschte sie sich und versuchte, Amelia zu überzeugen. „Es ist doch bloß für ein Jahr, Amie. Denk nur, was ich mit zehn Millionen Dollar für meine Projekte alles erreichen kann.“

„Nicht viel“, gab Amelia prompt zurück. „Du kannst ein paar Brunnen bohren, weiter nichts. Wenn du wirklich so verrückt bist, dich wieder in die Nähe eines Mannes zu begeben, der dich verletzt und gedemütigt hat, dann würde ich an deiner Stelle hundert Millionen verlangen. Er kann es sich leisten, und außerdem ist er derjenige, der sein mieses Image in der Öffentlichkeit mit deinem exzellenten Ruf aufpolieren will! Wenn du Glück hast, zieht er sein Angebot zurück.“

Glory lächelte bei Amelias temperamentvollem Ausbruch. Sie hatten sich vor fünf Jahren während der Arbeit für Ärzte ohne Grenzen kennengelernt und sich sofort gut verstanden. Beide hatten ihre steilen Karrieren aufgegeben, weil sie etwas Sinnvolles tun wollten. Fortan hatte Amelia, eine hervorragende internationale Anwältin, Glory bei ihren Projekten weltweit unterstützt und Dinge möglich gemacht, die ohne ihre Hilfe nur ein schöner Traum geblieben wären. Amelia fand jedoch, dass Glorys ökonomisches Know-how viel wertvoller war, denn sie sagte immer, Geld sei eine Konstante in einer Welt, in der alles andere keinen Bestand habe.

„Ich möchte, dass du dir das hier anschaust“, sagte Glory und gab ihrer Freundin das gebundene Exemplar des Ehevertrags mit spitzen Fingern, als sei es eine Bombe, die gleich hochgehen könnte. Mit einem Augenzwinkern fügte sie hinzu: „Eigentlich habe ich dir nur von der Sache erzählt, damit du begierig bist, dir dieses Kleinod hier mal zu Gemüte zu führen.“

„Puh, das sieht eher nach einem dicken Klunker aus“, meinte Amelia. „Na gut, schauen wir uns mal an, was Prinz Reich und Mächtig zu bieten hat.“

Weil sie zu nervös war, um danebenzusitzen und zu warten, bis Amie mit der Durchsicht fertig war, ging Glory in die Küche. Während sie etwas suchte, um sich zu beschäftigen, dachte sie über den Ehevertrag nach. Eigentlich brauchte er sie nicht weiter zu kümmern. Sie hatte keine Ahnung vom Eherecht. Wahrscheinlich gab es zwischen Brautleuten, deren Vermögensverhältnisse derart unterschiedlich waren, immer solche Verträge.

Sie war nicht arm, aber Geld war ihr eigentlich egal, solange sie keine Schulden hatte und ihre wenigen Bedürfnisse befriedigen konnte. Im Vergleich zu Vincenzo rangierte sie aber wahrscheinlich in der Kategorie Sozialfall. Womöglich musste er sich durch den Ehevertrag auch gegenüber seinen Investoren und seinen Vorständen absichern, die ein Interesse daran hatten, was seine finanziellen Risiken betraf. In Vincenzos Kreisen war eine Ehe unter finanziellen Gesichtspunkten wohl immer ein Risiko.

Musste er dennoch mit seinem Vertrag so weit gehen? Das Dokument las sich, als wolle sich jemand gegen eine hartgesottene Kriminelle absichern. Oder kannte sie sich in solchen Sachen bloß nicht aus?

Glory suchte sich die Zutaten für einen Apfelkuchen zusammen und hatte ihn gerade fertig gebacken, als Amelia mit finsterer Miene und dem Ehevertrag unter dem Arm in der Küche erschien. Sie knallte das Dokument auf den Küchentresen. „Das Einzige, was er nicht berücksichtigt hat, ist die Anzahl der silbernen Löffel und ein Paragraf, der besagt, dass sie vollständig sein müssen, ehe du am Ende dieser Ehe Anspruch auf die finanzielle Entschädigung hast.“

„So schlimm?“

„Schlimmer. Dieser Typ sichert sich gegen dich ab, als wärst du eine international bekannte Heiratsschwindlerin.“

Genau wie Glory selbst gedacht hatte. Aber warum hatte Vincenzo das nötig? Er war es doch, der sie dazu zwang, eine Ehe einzugehen, um ihre Angehörigen zu retten. Dachte er wirklich, sie wolle länger in dieser Situation bleiben als unbedingt erforderlich?

Tja, offenbar war das der Fall. Der Grund blieb Glory allerdings schleierhaft. Hatte es etwas mit der kriminellen Energie ihres Vaters und ihres Bruders zu tun? Er musste doch wissen, dass sie damit nicht das Geringste zu tun hatte, denn er ließ die beiden ja seit Jahren überwachen. Die Einzige, mit der Glory eng verbunden war, war ihre Mutter, und die konnte nichts für die Machenschaften ihres Mannes und ihres Sohnes. Vielleicht war Vincenzo einfach nur paranoid?

Sie hatte schon früher gewusst, dass er von Natur aus misstrauisch war. Vor sechs Jahren hatte sie allerdings angenommen, dass er ihr gegenüber eine Ausnahme machte. Er hatte sich so offen und vertrauensvoll gegeben, und sie hatte geglaubt, sie bedeute ihm etwas.

Alles Lüge. Das hier war die Realität. Anscheinend hatte er sich nie die Mühe gemacht, sie wirklich kennenzulernen. Oder hatte er sie von Anfang an verkannt und nur das Schlechteste von ihr gedacht?

„Willst du wissen, was ich denke?“, platzte Amelia in ihre Gedanken. „Wenn ich mir diesen Ehevertrag anschaue und dann den Mann, der dahinter steht, solltest du eine Milliarde Dollar verlangen. Und nach der Hochzeit kastrierst du ihn.“

Nachdem Amelia ihre Meinung auf diese drastische Weise kundgetan hatte, beschäftigte sie sich für den Rest des Abends mit dem Vertrag und machte sich Notizen über Änderungsvorschläge, die sie Glory erklärte. Es war zwei Uhr morgens, als Amelia ging. Glory hatte so getan, als sei sie auf dem Sofa eingeschlafen, um ihrer Freundin klarzumachen, dass sie einfach nicht mehr konnte.

Nicht, dass ihr nach Schlafen zumute war. Wahrscheinlich würde sie von nun an sowieso kaum mehr Schlaf finden – jedenfalls nicht, solange Vincenzo zurück in ihrem Leben war.

Schon als sie ihn vor sechs Jahren kennengelernt hatte, war ihr Schlafrhythmus durcheinandergeraten. Zuerst, weil sie Sehnsucht nach ihm hatte, dann, weil sie sich nächtelang liebten, und zum Schluss, weil sie jede Nacht durchweinte. Das Einzige, was ihr half, ein paar Stunden Ruhe zu finden, war, so viel zu arbeiten, dass sie nachts mehr oder weniger halb tot ins Bett fiel. Das ergab dann fünf oder sechs Stunden Schlaf, mehr nicht.

Jetzt fühlte sie sich genau wie damals, als Vincenzo sie verlassen hatte, oder sogar noch schlechter. Denn die Beziehung, die sie nun mit ihm eingehen musste, würde wie eine unendliche Achterbahnfahrt sein. Ihre Reaktion auf seine Nähe im Penthouse war so stark gewesen, dass sie kaum die Kontrolle über sich behalten hatte. Alles war auf einen Schlag wieder da gewesen: die Anziehungskraft, die Hoffnung, das Gefühl der Demütigung. Er brauchte sie bloß zu berühren oder ihr zu sagen, sie sei die Beste gewesen, und sie war bereit, in seine Arme zu sinken …

Ein schriller Klingelton zerriss die nächtliche Stille.

Glory fuhr im Bett hoch. Ihr Herz raste. War etwas mit ihrer Mutter? Seit ihrer letzten Krebstherapie war sie so zerbrechlich geworden. Etwas musste passiert sein …

Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Telefon und hätte es beinahe fallen gelassen, als sie das Gespräch annahm. Am anderen Ende erklang eine tiefe, warme Männerstimme.

„Bist du wach?“

„Das ist doch offensichtlich“, gab sie zurück. „Du gehörst anscheinend auch zu diesen Leuten, die einen mitten in der Nacht aufwecken, nur um zu fragen, ob man wach ist.“

„Du hörst dich sogar hellwach an“, erwiderte Vincenzo amüsiert, und sie konnte sein Lächeln förmlich vor sich sehen.

„Bin ich auch, dank eines blaublütigen Widerlings.“

Mit verführerischer Stimme sagte er nur: „Dann wachst du also immer noch so schnell auf und bist bereit.“

Er brauchte nicht zu erwähnen, wofür. Wenn sie früher in seinen Armen erwacht war, gab es für sie beide nur eins – heiße Leidenschaft. Selbst jetzt, wo sie ihn am liebsten eigenhändig erwürgt hätte, brachte er es fertig, sie zu erregen, denn sie erinnerte sich nur zu gut an die Ekstase, die sie geteilt hatten.

„Ich bin froh, dass ich dich geweckt habe“, fuhr er in samtweichem Tonfall fort. „Ich wollte nicht der Einzige sein, der heute Nacht nicht schlafen kann.“

Autor

Olivia Gates
<p>Olivia Gates war Sängerin, Malerin, Modedesignerin, Ehefrau, Mutter – oh und auch Ärztin. Sie ist immer noch all das, auch wenn das Singen, Designen und Malen etwas in den Hintergrund getreten ist, während ihre Fähigkeiten als Ehefrau, Mutter und Ärztin in den Vordergrund gerückt sind. Sie fragen sich jetzt bestimmt...
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