Warme Lippen auf kühler Haut

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Groß, fremd, geheimnisvoll - und unverschämt attraktiv: Ein glücklicher Zufall führt Kensey mit dem Ex-CIA-Agenten Logan McCabe zusammen. Eine Nacht in seinem Bett lässt sie das Chaos ihres Lebens vergessen! Logan darf nur nie erfahren, wer sie wirklich ist …


  • Erscheinungstag 01.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738181
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mit raschen Schritten marschierte Kensey Roberts von der Villa hinüber zum Büro ihres Chefs. Sie arbeiteten nun schon seit einer Woche von seinem Haus in Tarrytown, New York, aus. Normalerweise genoss sie den kurzen Spaziergang durch den Garten, aber nicht heute.

Neil Patterson sah auf, als sie hereinkam.

„Ich überfalle dich nur ungern damit, aber … ich brauche ein paar Tage frei“, erklärte Kensey ohne lange Vorrede.

Neil betrachtete sie mit hochgezogenen Brauen. „Guten Morgen.“

„Mit etwas Glück benötige ich nur eine Woche. Dann kann ich den Van Gogh im nächsten Monat wie geplant nach Wien begleiten.“ Nichts an ihrem Ausdruck verriet etwas anderes als ihre gewohnte Professionalität. Diese Maske war ihr seit Jahren zur zweiten Natur geworden. Sie hatte dabei den besten Lehrer der Welt gehabt. „Es könnte auch sein, dass es etwas länger dauert.“

Neil stellte keine Fragen. Sie hätte ihre Rolex darauf verwettet, dass er bereits wusste, was los war. Der CEO der Patterson Group hatte seine erste Million mit dreiundzwanzig gemacht und daraus innerhalb von fünfundzwanzig Jahren ein milliardenschweres Imperium aufgebaut. Er war nicht nur brillant, er war umsichtig und holte zuerst einmal alle nötigen Informationen ein, bevor er handelte.

Er war auch der Mann, der vor vier Jahren irgendetwas in ihr erkannt hatte, das ihn bewog, sie unter seine Fittiche zu nehmen und ihr ein Leben zu bieten, von dem sie nicht einmal geträumt hatte. Kensey wollte sein Vertrauen nicht enttäuschen, aber sie musste etwas sehr Wichtiges beweisen.

„Ich habe mich gefragt, ob du das gesehen hast.“ Neil schlug einen Aktendeckel auf, den er vor sich liegen hatte.

In dem Moment, als sie die Ausgabe der New York Post sah, wusste sie, dass es vorbei war. Ihr Geheimnis stand kurz davor, gelüftet zu werden. Es hatte bereits vor zwei Jahren begonnen, als Neil erraten hatte, dass sie eine Verbindung zum „Houdini-Dieb“ hatte, benannt nach dem legendären ungarischen Entfesselungskünstler, der sich scheinbar nach Wunsch in Luft aufzulösen vermocht hatte. Aber dann hatten die Diebstähle aufgehört, und Neil hatte sie nicht gedrängt, auf die weißen Flecken in ihrer Vergangenheit einzugehen. Jetzt würde er es tun, und sie konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen.

Er schob ihr die Zeitung zu. Jede Faser ihres Körpers drängte danach, die Flucht zu ergreifen, aber sie hielt den Blick auf den Artikel gerichtet, der ihr Leben vielleicht für immer verändern würde.

10-Millionen-Dollar-Gemälde von Degas gestohlen

Douglas Foster, Kunstsammler und international agierender Kunsthändler, wird in Verbindung gebracht mit dem Verschwinden eines Gemäldes von Edgar Degas.

Am Sonntagmorgen um neun Uhr stellte Investmentbanker Clive Seymour fest, dass seine Alarmanlage abgeschaltet war und ein Gemälde von Degas im Wert von zehn Millionen Dollar aus seiner Kunstsammlung fehlte. Mr. Seymour hielt sich zu dem Zeitpunkt allein im Haus auf. Er hatte mit seinem langjährigen Geschäftspartner Foster gemeinsam zu Abend gegessen.

Detective Sergeant Calvin Brown von der New Yorker Polizei traf um neun Uhr dreißig am Tatort ein. Er bestätigte, dass Foster Seymours einziger Gast gewesen sei. Mr. Seymours Fahrer gibt an, Foster kurz nach Mitternacht zum Hotel Waldorf Astoria in Manhattan gebracht zu haben. Foster, der in Paris lebt, war erst am frühen Samstagnachmittag in New York eingetroffen.

Als die Polizei im Hotel erschien, um Mr. Foster zu befragen, war er unauffindbar. Sein Zimmer war geräumt, obwohl er laut Auskunft des Hotels bis zum kommenden Dienstag gebucht hat.

Seymour bezweifelt, dass Douglas Foster mit dem berühmten Houdini-Dieb identisch ist, der seit dreißig Jahren gesucht wird. Mr. Seymour will sich zu dem Vorgang nicht weiter äußern. Die beiden Männer kennen einander seit vielen Jahren.

Detective Sergeant Brown, seit dreißig Jahren im Betrugsdezernat der New Yorker Polizei tätig, ist überzeugt, dass die Polizei Mr. Foster finden und zu dem Vorgang vernehmen wird. Brown steht drei Monate vor seiner Pensionierung. Er hat fast sein ganzes Berufsleben mit der Suche nach dem Houdini-Dieb verbracht. Bislang fehlen Beweise dafür, dass Foster etwas mit dem Diebstahl zu tun hat.

„Dein Vater, wie ich annehme“, bemerkte Neil ruhig und ohne eine Spur von Vorwurf.

Kensey nickte nur. Die Geschichte würde die Kunstwelt in Aufruhr versetzen. Jeder kannte Douglas Foster. Schon als sie noch ein Kind gewesen war, hatte er zu den Gästen gezählt, die auf keiner Szene-Party fehlen durften.

„Er ist unschuldig“, sagte Kensey.

„Woher willst du das wissen?“

„Das gestohlene Bild ist eine Fälschung.“

„Du hast es gesehen?“

„Nein, aber ich habe jedes digitale Foto studiert, das nach Seymours Kauf veröffentlicht wurde. Foster hätte es sofort als Fälschung abgehakt.“ Sie kannte niemanden, der besser darin war, eine Fälschung zu erkennen, als er.

„Die Umstände könnten sich geändert haben“, bemerkte Neil. „Du hast ihn lange nicht gesehen. Er ist älter geworden. Es ist möglich, dass er nachgelassen hat.“

„Niemals hätte er eine Fälschung gestohlen. Außerdem wäre er nicht so dumm gewesen, in der Nacht zurückzukommen und das Bild zu stehlen. Er war Seymours einziger Gast. Es war doch klar, dass der Verdacht sofort auf ihn fallen würde. Und das Geld braucht er nun wirklich nicht. Er hat genug, um noch drei Leben im Luxus zu verbringen.“

Neil lächelte. „Menschen wie dem ‚Houdini-Dieb‘ geht es nicht nur ums Geld. Es ist der Kick der Jagd. Das Gefühl, besser zu sein als die anderen. Das Bedürfnis danach geht ins Blut und umnebelt das Urteilsvermögen. Diese Menschen wissen einfach nicht, wann sie aufhören müssen.“

Seine Worte taten Kensey weh. Ihr gefiel nicht, wie durchdringend er sie ansah. Hätte er je das Gefühl gehabt, sie sei wirklich die Tochter ihres Vaters oder sie könne zurückgezogen werden in ihr altes Leben, hätte er sich sicher längst von ihr getrennt. Aber Neil war immer für sie da gewesen. Was sie nicht von ihrem Vater über die Kunst oder das Geschäft damit gelernt hatte, das hatte Neil Patterson ihr beigebracht.

„Ich weiß nur eines: Es riecht nach einem abgekarteten Spiel. Seymour hat wahrscheinlich schon lange gemerkt, dass das Gemälde eine Fälschung ist, und wusste, dass er es an keinen seiner Stammkunden verkaufen kann. Dieser Diebstahl muss ihm erschienen sein wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Ich tippe auf den Cop. Brown steht kurz vor der Pensionierung. Er ist seit Jahrzehnten hinter dem ‚Houdini-Dieb‘ her. Er will die Akte schließen.“

„Ein Cop soll das Ding gedreht haben? Wo er sich einfach mit einer gesicherten Pension zur Ruhe setzen könnte?“

„Er ist besessen von dem Fall.“

„Okay“, sagte Neil nachdenklich. „Gehen wir mal davon aus, dass du recht hast. Was willst du jetzt machen?“

Kensey versuchte zu entspannen. Ihr Blick fiel auf den Modigliani, der hinter dem Schreibtisch an der Wand hing. Es war eines ihres Lieblingsbilder. Neil hatte es länger als andere aus dem Umlauf genommen. Sie vermutete, dass er ihre Schwäche für das Bild kannte.

Als seine Kuratorin erstellte sie für jedes Gemälde seiner großen Sammlung ein detailliertes Profil, das in seiner Gesamtheit eine Formel ergab, die verriet, wann ein Stück wieder verkauft werden sollte. Einige der Gemälde wurden dann angeboten, während andere als Investment zurückgehalten wurden. Für Kensey zählte nur eines: dass sie das seltene und wunderbare Privileg hatte, sich mit diesen großen Werken der Kunst befassen zu dürfen.

„Ich muss beweisen, dass er es nicht getan hat.“ Sie ließ sich in den Ledersessel vor dem Schreibtisch sinken. „Solange er auf der Flucht ist, kann er nicht in seine Wohnung nach Paris zurück. Er hat keinen Zugriff auf seine Konten. Ich bin sicher, dass er für Notfälle dieser Art irgendwo Geld gebunkert hat, aber wer weiß, ob er da rankommt.“

„Glaubst du, dass er versuchen wird, Kontakt zu dir aufzunehmen?“

„Nach zehn Jahren ohne ein Lebenszeichen von ihm? Zweifelhaft.“

„Sicher würde er dich auch nicht mit in die Sache hineinziehen wollen.“

Kensey sah ihn fassungslos an. „Das ist doch nicht dein Ernst! Ich bin ihm völlig egal. Ein Dreizeiler, Neil!“ Der Schmerz über die Erinnerung war so scharf wie an jenem Tag, als sie sich plötzlich in einem Schweizer Hotel allein wiedergefunden hatte. Sie war gerade achtzehn geworden und hatte ihr Studium in Yale aufnehmen wollen. Die Universität war bekannt für das beste Kunststudium. Sie war überglücklich gewesen über die Zulassung. „Einen Dreizeiler hat er mir hinterlassen. Hat mir ein schönes Leben gewünscht und ist verschwunden.“ Fairerweise musste sie zugeben, dass er ihr auch genügend Geld hinterlassen hatte, um das Studium zu finanzieren, einschließlich eines Masterstudiums in Kunstrestauration in Rom am renommierten Istituto Superiore per la Conservazione ed il Restauro. Nicht zu vergessen das Geld für eine Eigentumswohnung in Manhattan. Sie hoffte nur, dass er sich mit diesem Geld nicht von seinen Schuldgefühlen ihr gegenüber freigekauft hatte. „Wahrscheinlich hat er schon vergessen, dass er eine Tochter hat.“

Neil wich ihrem Blick nicht aus, aber sie wandte sich ab, um sein Mitleid nicht sehen zu müssen. „Es wäre wohl am klügsten, sich von der Sache fernzuhalten“, bemerkte er. „Es ist nicht leicht, deinen Weg zu dem alten Leben zurückzuverfolgen, aber es ist nicht unmöglich. Wieso willst du das riskieren?“

Kensey seufzte. „Ich kann es einfach nicht ignorieren.“

„Was hast du vor?“

„Ich weiß es noch nicht.“ Der klopfende Schmerz hinter ihren Schläfen machte sich wieder bemerkbar. „Er ist Ende fünfzig. Er kann nicht den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.“

„Ich gebe zu, die Sache klingt nicht ganz koscher. Es würde mich nicht überraschen, wenn ihm jemand eine Falle gestellt hätte. Aber die Zeit läuft gegen dich, Kensey. Du müsstest sehr schnell sein. Sobald die Polizei ihn hat, fängt die Staatsanwaltschaft an, wirklich tief zu graben. Sie werden die Sache nicht schleifen lassen, dafür sind zu viele Prominente betroffen. Sie werden ihn verhaften, und kein Richter wird einer Freilassung gegen Kaution zustimmen, weil Foster sie alle schon zu lange an der Nase herumgeführt hat.“

Ihr Herz schmerzte bei der Vorstellung. Es überraschte sie selbst, wie wichtig es ihr war, ihrem Vater zu helfen. „Ich weiß nicht, ob du mich aufforderst, mich zu beeilen, oder ob du mir rätst, es sein zu lassen.“

„Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du das nicht tust.“ Er holte sich einen Kaffee von der Anrichte und hielt Kensey die Kanne fragend hin.

Sie schüttelte den Kopf.

„Wie willst du vorgehen?“

„Ich habe noch keinen richtigen Plan.“ Die Idee, die ihr morgens um fünf gekommen war, erschien ihr jetzt einfach nur lächerlich. Wenn sie sie Neil erzählte, würde er sie wahrscheinlich sofort in die Psychiatrie einliefern lassen. Sie seufzte. „Ich könnte das Original selbst stehlen.“

Jemand anderes hätte sich wahrscheinlich vor Überraschung am Kaffee verschluckt, doch Neil stellte nur den Becher ab und setzte sich. „Du weißt nicht, wo der echte Degas jetzt ist.“

„Wir kennen beide die Gerüchte.“

„Eben! Es sind Gerüchte!“

Kensey registrierte erleichtert, dass er nicht empört, sondern nachdenklich wirkte – und er hatte nicht direkt gesagt, dass er die Idee für völlig abartig hielt.

„Ian Holstrom war einmal dein Geschäftspartner“, sagte sie. „Hältst du es für möglich, dass er eine Sammlung gestohlener Kunstwerke hat?“

„Unsere Wege haben sich vor über zwanzig Jahren getrennt. Schwer zu sagen, wie er heute tickt.“

„Wäre er fähig dazu?“

Neil lächelte freudlos. „Wir haben damals sehr schnell sehr viel Geld verdient. Ian fand, dass ihm das ein Recht auf Zutritt zu den höheren Kreisen Bostons gab. Aber er musste immer im Mittelpunkt stehen und redete pausenlos von seinem Geld. Die Leute mochten ihn nicht. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ja, unter den Umständen könnte ich mir schon vorstellen, dass er es allen heimzahlen will, indem er gestohlene Kunst nur zu seinem eigenen Vergnügen hortet. Andererseits wäre aber auch denkbar, dass diese Gerüchte nur aus der Verachtung für ihn entstanden sind.“

„Aber da der Degas seit sieben Jahren nicht mehr gesehen wurde – ich meine das Original, nicht die Fälschung –, wäre es doch immerhin möglich, dass Holstrom ihn hat, oder?“

„Genauso wie es möglich wäre, dass Seymours Gemälde das Original ist.“

„Es ist eine Fälschung, davon bin ich überzeugt.“

Neil seufzte. „Du kannst nicht einfach bei Holstrom einbrechen. Sein Haus ist gesichert wie Fort Knox. Er ist einer der größten Waffenhändler des Landes.“ Neil hielt eine Hand hoch, als Kensey ihn unterbrechen wollte. „Aber abgesehen von seiner Liebe zur Kunst hat er auch noch eine Vorliebe für gute Weine und schöne Frauen …“

„Okay“, sagte sie. „Was denkst du?“

„Zuerst einmal: Den Degas zu stehlen, ist nicht die Lösung, auch wenn du ihn den Behörden übergeben würdest. Das würde nicht beweisen, dass Foster ihn nicht gestohlen hat.“

Kensey wollte widersprechen, begriff aber, dass er recht hatte. „Ich muss beweisen, dass das Original die ganze Zeit über bei Holstrom gewesen ist.“

Neil nickte. „Leider setzt das immer noch voraus, dass du sein Haus betrittst.“ Er musterte sie nachdenklich. „Ich glaube nicht, dass es schwierig für dich wäre, Holstroms Aufmerksamkeit zu erringen …“

Sie nahm ihm die Bemerkung nicht übel. Nicht Neil. Doch die Vorstellung, ihren Körper einzusetzen, um dem Mann eine Falle zu stellen, ließ sie erschauern. „Sprich weiter.“

„Sein Büro ist in Boston. Dort findet nächste Woche die internationale Sicherheitskonferenz statt. Holstrom gibt am Vorabend der Eröffnung eine große Party im Four Seasons oder im Mandarin Oriental Hotel. Dabei protzt er mit seinem Reichtum, als wäre er der römische Kaiser Caligula höchstpersönlich. Ich mache nachher ein Telefonat und lasse dich für die Konferenz registrieren. Dann möchte ich dich mit einer alten Freundin von mir zusammenbringen. So wie ich Samantha kenne, wird sie gerne behilflich sein. Ich sehe zu, dass ich so viele Informationen wie möglich über Holstrom sammle, und dann sehen wir weiter. Leider habe ich keine Möglichkeit, dich auf die Einladungsliste für die Party setzen zu lassen.“

Kensey nickte. Es erstaunte sie, wie viel Neil über Holstrom wusste. Unwillkürlich fragte sie sich, was er wohl alles über sie wusste.

Sie hatte wenig von ihrer Vergangenheit erzählt, daher wusste sie nicht, wie er ihre frühe Beziehung zu ihrem Vater einschätzte. Foster hatte ihr alle Aspekte der Kunst des Täuschens beigebracht. Er hatte sie drei Sprachen lernen lassen und Wert auf Gymnastik gelegt sowie darauf, dass sie ihren Körper geschmeidig hielt. Sie hatte von sich aus auch noch Kampfsportarten lernen wollen, was er gutgeheißen hatte. Sie hatte zu seinen Füßen gesessen und gelernt, jede Rolle zu spielen, die er ihr abverlangte – vom hilflosen Straßenkind bis zur Verführerin. Unter seiner Ägide war sie zu einer sehr überzeugenden Schauspielerin geworden.

Er war gewissenhaft bis ins letzte Detail. Jeder Überfall wurde peinlichst genau vorbereitet. Zeitliche Abläufe, Sicherheitssysteme, Safes – er ging alles immer wieder durch. Der Grund dafür, dass man Douglas Foster nie etwas hatte nachweisen können, war, dass er nichts dem Zufall überließ.

Und all diese Fähigkeiten hatte er ihr vermittelt. Bis zu dem Tag, als er plötzlich aus ihrem Leben verschwunden war, war sie überzeugt gewesen, dass er sie zu seiner Komplizin ausbildete.

Auch jetzt spürte sie es wieder: das prickelnde Gefühl der Gefahr. So vertraut wie das Atmen und doch so viel erregender.

2. KAPITEL

Logan McCabe sah seine Schwester stirnrunzelnd an. Lisa war frisch verlobt und daher besonders aufgekratzt in diesen Tagen. „Würdest du mich bitte nicht immer unterbrechen? Ich gehe gerade noch einmal alles durch.“

„Du gibst mir die Schuld an deinem Lampenfieber? Was ist aus deinen Nerven aus Stahl geworden, Mr. Ex-CIA-Agent …“

Er sah von seinen Papieren auf. „Lisa!“

„Es tut mir leid“, murmelte sie peinlich berührt. „Ich sage es nicht noch einmal, ich schwöre es!“

Außer ihnen war niemand im Büro. Er wusste, sie hatte sich nichts dabei gedacht. Aber eines Tages würde sie es in Gegenwart der falschen Person sagen, und dann hatten sie beide ein ernstes Problem. Die Schuld lag bei ihm. Er und Lisa standen sich nah, aber trotzdem hätte er ihr nicht von seiner Arbeit beim CIA erzählen dürfen. Er hatte zwar nie irgendwelche Details genannt, aber dennoch …

Sie befanden sich in seinem Büro in der Lower East Side in New York. Es war spartanisch eingerichtet, aber keiner, der ihm hier gegenübersaß, legte Wert auf Bequemlichkeit, Stil oder sonst etwas Nebensächliches. Seine Kunden traf er an anderen Orten. Das Büro war den Veteranen wie ihm selbst vorbehalten. Den durchtrainierten Navy SEALs, den Green Berets und Vertretern anderer Kampfeinheiten. Einige von ihnen waren wie er vom CIA angeworben worden, um hochriskante Operationen durchzuführen, für die die Army nicht geeignet war. Die Männer, mit denen er zu tun hatte, waren gerade aus dem aktiven Dienst zurück und standen vor der schier unüberwindbaren Aufgabe zu lernen, unter Zivilisten zu leben. Wieder ein Zivilist zu werden, schien, zumindest was Logan betraf, unmöglich. Es hatte lange gedauert, aber irgendwann hatte er begriffen, dass er seine Erfahrungen einsetzen konnte, um etwas zu bewirken. Für sich selbst und für die anderen, die das beste Training der Welt hinter sich hatten, aber keine Möglichkeit, ihre erworbenen Fertigkeiten weiterhin einzusetzen.

„Ich wünschte, du könntest mitkommen“, sagte er zu Lisa – in erster Linie, um ihr zu zeigen, dass er nicht böse auf sie war. „Jedes Mal, wenn ich mit Samantha rede, scheint sie einen neuen Quantensprung gemacht zu haben. Sie gehört zu den Besten, wenn es um Spionageprogramme geht.“

„Mich interessiert viel mehr ihre Wohnung. Es klingt einfach unglaublich, was sie da programmiert hat.“

„Noch ist es ein Prototyp, aber ja, es sollte interessant sein. Hey, sag mal, wie spät ist es?“

„Du musst erst in einer Stunde auf dem Flughafen sein. Willst du deine Präsentation noch einmal üben? Oder dein Gespräch mit Holstrom?“

Logan hatte sich bereit erklärt, einen kleinen Vortrag zu halten, um sein Mitarbeitermodell publik zu machen, aber nun tat es ihm leid. Er sollte sich darauf konzentrieren, den Vertrag mit Holstrom zu sichern – alles andere konnte warten. „Den Vortrag könnte ich auch im Schlaf halten.“

„Das heißt, du machst dir nur Sorgen wegen Holstrom?“

Er nickte. „Es gibt noch zwei sehr potente Mitbewerber. Beide sind in dem Bereich schon etabliert.“

„Das bist du auch. Du hast schon drei größere Operationen geleitet, obwohl du erst seit zwei Jahren dabei bist.“

Logan lehnte sich zurück. „Da stehen zwei Jahre gegen zehn.“

„Hast du mir nicht gesagt, dass Holstrom frisches Blut will?“

„Das hat er gesagt. Aber ich weiß nicht, ob er es auch so gemeint hat.“

„Falls nicht – was würdest du dann machen?“

Er überlegte einen Moment. „Ich würde versuchen, ihn zu überzeugen“, bemerkte er schließlich. „Ich würde die Tatsache unterstreichen, dass jeder im Team Kampferfahrung hat, sich mit Waffen auskennt und physisch fit ist.“

„Du wirst ihn überzeugen.“ Lisa räusperte sich. „Und nun hör mir zu. Du wirst sechs Tage in Boston bleiben. Du wirst eher zurückkommen wollen, aber bitte, tu es nicht! Das letzte Mal, als du dir ein paar Tage freigenommen hast, das war … warte, ich erinnere mich gleich … Richtig! Dein erstes Studienjahr an der Uni? Als du mit deinen Freunden nach Cozumel gefahren bist?“

„Okay, okay, ich habe verstanden.“

„Nein, hast du nicht. Dr. Price hat dir dringend geraten, dich ein paar Tage zu entspannen. Ich bin sicher, dass er mehr als zwei Tage gemeint hat. Du musst dich um dich selbst kümmern, wenn du für deine Veteranen sorgen willst, Logan. Erinnerst du dich, was du mir geraten hast, als ich wieder auf die Beine kam? Du hast mir den brüderlichen Rat erteilt, hin und wieder mit jemandem ins Bett zu gehen.“

Logan grinste. „Wie kommst du darauf, dass ich das nicht tue?“

„Dann wärst du nicht so unerträglich.“ Ihr Blick weckte den Wunsch in ihm, augenblicklich loszufahren. „Außerdem: Wie soll Mike je lernen, selbstständig zu arbeiten, wenn du ihm nie Gelegenheit dazu gibst?“

„Okay.“ Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Mike, ein ehemaliger Army Ranger, war jetzt seit einem Jahr bei ihnen und hatte sich unerwartet gut eingeführt.

„Versprich mir, dass du keinen Grund suchst, früher zurückzukommen.“

„Ich verspreche, mein Bestes zu tun, um zu entspannen.“

Er wusste, dass sie recht hatte. So lange ohne Pause zu arbeiten, konnte nicht gut sein. Aber wenn er ehrlich war, wusste er nicht, was er anders tun sollte. Jahrelange Arbeit an verdeckten Operationen, bei denen es keine freien Tage – nicht einmal freie Sekunden – gab, hatte sein Leben geprägt.

„Bitte richte der berühmten Samantha aus, dass ich dich beim nächsten Mal begleiten werde, um ihre legendäre Wohnung kennenzulernen“, bat Lisa.

„Keiner von uns könnte es sich leisten, dort zu wohnen, sobald diese Testphase vorbei ist.“

„Du hast doch wirklich eine einzigartige Gabe, einem alle Illusionen zu rauben, Bruderherz.“

„Besser diese Gabe als keine.“

Logan sehnte sich nach einer heißen Dusche und einem kühlen Bier, als das Taxi ihn vor Samanthas Adresse in Boston absetzte. Es war eine Gegend mit alten Reihenhäusern aus Sandstein. Nur Samanthas Gebäude lag etwas abseits der Straße. Ein gepflasterter Weg führte unter großen Bäumen hindurch, die die Juni-Hitze um etliche Grad senkten.

Er öffnete die Haustür. Sofort gingen perfekt positionierte Lampen an. Die Temperatur war hier einige Grade niedriger als draußen. Das Foyer weitete sich zu einem einladenden Raum, der modern und doch behaglich war. Die geschmackvollen Bilder konnten in ihrer Wirkung nicht mithalten mit den Wänden – sie veränderten die Farbe, während er durch den Raum ging.

Einfach nur um sicherzugehen, dass er es richtig gesehen hatte, kehrte er in das Foyer zurück. Helles Blau schlug langsam ins Grünliche um und wurde dann zu Beige. Es war keine Spielerei. Samantha hatte ihm erklärt, dass die Wände Sensoren enthielten, die auf Körperwärme reagierten. Logan fühlte sich in der Tat ruhiger, als er den offenen Küchenbereich betrat. Auch hier dominierte die allerneueste Technik. Ein Blick auf die Vorräte verriet ihm, dass er einen ganzen Monat in dem Haus bleiben könnte, ohne auch nur auf eine einzige Mahlzeit verzichten zu müssen.

Das Schlafzimmer fand er am Ende eines kurzen Korridors. Mit einem Kingsize-Bett! Hinter der Glastür, die zur Dusche führte, glänzten Fliesen, in die die unterschiedlichsten Duschköpfe eingelassen waren.

Doch als Erstes wollte er sich um das Bier kümmern. Er fand es in dem riesigen Kühlschrank in der Küche. Und auch noch seine Lieblingsmarke! Er trank einen langen Zug – und erstarrte.

Im Wohnzimmer stand eine Frau.

Groß. Blond. Atemberaubend.

Und nackt. Fast.

Ein weißes Handtuch bedeckte ihre Brüste, doch sobald sie sich irgendwie bewegen würde … Er war wie hypnotisiert. „Ich glaube, Sie haben sich in der Adresse geirrt“, sagte er schließlich.

Autor

Jo Leigh
<p>Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...
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