Wenn ein Herz nach Hause kommt

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Ein frecher Waisenjunge stellt Steven Creeds Leben auf den Kopf. Um dem kleinen Matt ein neues Zuhause zu geben, tauscht der erfolgreiche Anwalt seine Großstadt-Kanzlei gegen eine Ranch im beschaulichen Stone Creek. Als er dort ehrenamtlich als Strafverteidiger aushilft, bekommt er es mit der örtlichen Staatsanwältin zu tun: Melissa O'Ballivan. Sie macht ihn verrückt mit ihren Argumenten - und ihren sexy langen Beinen in High Heels. Bald fliegen nicht nur im Gerichtssaal die Funken...


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783862785612
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Linda Lael Miller

DIE CREEDS:
Wenn ein Herz nach Hause kommt

Roman

Aus dem Amerikanischen von Ralph Sander

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MIRA® TASCHENBUCH

Band 25637

1. Auflage: Januar 2013

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2013 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

A Creed In Stone Creek

Copyright © 2011 by Linda Lael Miller

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Satz: GGP Media GmbH, Pößneck

EPUB-ISBN 978-3-86278-561-2

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

1. KAPITEL

Vielleicht war es sein Instinkt, der ihn weckte, vielleicht auch nur ein leichter Luftzug. Steven Creed setzte sich von der Couch auf und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Stück für Stück kehrte die Erinnerung zurück: Zimmer 6 im Happy Wanderer Motel, Stone Creek, Arizona.

Die Tür stand offen, damit die frische Landluft in den Raum wehen konnte, die in dieser Nacht Anfang Juni ziemlich kühl, aber nicht richtig kalt war. Der kleine Junge – erst seit Kurzem Stevens Adoptivsohn – hockte auf der aus Beton gegossenen Stufe vor dem Motelzimmer. Neben ihm lag sein Lieblingsplüschtier, ein Stinktier namens Fred. Das hatte er fürsorglich in eine Decke eingewickelt, während er selbst danebensaß. Die Silhouette des Jungen im silbrigen Mondlicht verriet seine schmale Statur.

Dieser Anblick schnürte Steven die Kehle zu.

Armer Bursche. Es war nicht schwer zu erraten, auf wen er wartete. Matt hatte die dunklen Haare seines Vaters und die fast ins Violette gehenden Augen seiner Mutter geerbt. Er war ein außerordentlich intelligenter, womöglich sogar hochbegabter Junge, aber das änderte nichts daran, dass er erst fünf war.

Wie sollte er verstehen, dass seine Eltern Zack und Jillie St. John für immer fort waren? Sie würden niemals zurückkehren, auch wenn er sich noch so sehr an diese Hoffnung und diesen Wunsch klammerte.

Stevens Augen brannten, und er musste angestrengt schlucken, um den Kloß im Hals zu vertreiben.

Jillian hatte vor eineinhalb Jahren den Kampf gegen eine besonders bösartige Form von Brustkrebs verloren. Zack hatte sie nur wenige Monate lang überlebt, bis die Trauer über den Verlust für ihn zu erdrückend geworden war und er sich – mehr oder weniger – das Leben genommen hatte.

„Hey, Tex“, sagte Steven und gab sich alle Mühe, unbekümmert zu klingen, während er sich auf die Kante der dünnen, durchgelegenen Matratze auf der Schlafcouch setzte. Als sie am Abend hier ihren Stopp eingelegt hatten, hatte er dem Jungen das Bett überlassen. Mit einer Hand fuhr er sich durch sein dunkelblondes Haar. „Was ist los?“, fragte er mit heiserer Stimme. „Kannst du nicht schlafen?“

Matt drehte sich zu ihm um und schüttelte nur stumm den Kopf. Wie er so in sich zusammengesunken dahockte, wirkte er noch kleiner und schmächtiger, als er ohnehin schon war.

Steven stand von seinem Nachtlager auf, er trug nur eine schwarze Jogginghose, die schon bessere Zeiten gesehen hatte. Barfuß schritt er über den Linoleumboden bis zur Türschwelle und ließ sich neben Matt auf der Stufe nieder. Die Luft war so kühl, dass er eine Gänsehaut bekam. Matt musste frieren, da er nur seinen Schlafanzug trug. Seufzend blinzelte Steven in die Dunkelheit, wo der murmelnde Bach entlangfloss, der das Mondlicht reflektierte. Alte knorrige Eichen säumten seinen Uferlauf, im Hintergrund schimmerten bläulich die Berge.

Als Matt sich leicht gegen ihn lehnte, ging diese Geste Steven noch mehr zu Herzen als der Anblick des Jungen.

Vorsichtig legte er einen Arm um ihn, damit er ihm nicht nur Trost, sondern auch Wärme spenden konnte. „Hast du plötzlich Bedenken, ob du in deinem Alter noch zum Rancher umsatteln sollst?“, scherzte er, wobei er dachte, dass er ein leibliches Kind nicht mehr hätte lieben können als den Sohn seines besten Freundes.

Morgen früh würde Steven bei der Bank die Dokumente unterzeichnen, die ihn zum rechtmäßigen Eigentümer von zwanzig Hektar Land machten. Darauf befanden sich ein robust gebautes, aber heruntergekommenes einstöckiges Farmhaus und eine Quelle. Davon abgesehen jedoch hatte der Flecken Erde nur wenig zu bieten. Die alten Zäune waren schon vor Jahren in sich zusammengefallen, nachdem sie jahrzehntelang im Winter dem Schnee und im Frühjahr dem Regen getrotzt hatten. Die Scheune war ebenfalls ein völlig hoffnungsloser Fall. Und dennoch strahlte dieser Ort etwas aus, das Steven auf den ersten Blick in seinen Bann geschlagen hatte.

Die kleine Ranch war einmal ein gemütliches Zuhause gewesen, und das konnte sie wieder werden, wenn man viel Arbeit in sie investierte – und noch viel mehr Geld. Zum Glück war Letzteres für Steven kein Problem, dafür gab es jede Menge anderer Dinge, die ihm Kopfzerbrechen bereiteten.

Manchmal fühlte er sich genauso verloren und verlassen wie Matt.

Der Junge verzog den Mund in dem Bemühen, ein schwaches Lächeln zustande zu bringen, was umso rührender war, weil es ihn offensichtlich große Überwindung kostete.

„Ich bin doch erst fünf Jahre und drei Monate“, antwortete er nach einer Weile auf Stevens Frage in der ihm eigenen, seltsam erwachsenen Art. „Es ist nicht zu spät, Rancher zu werden. Mein Leben hat doch gerade erst angefangen.“ Die Phase, wie ein typisches Kleinkind zu reden, hatte Matt einfach übersprungen. Bis weit nach seinem zweiten Geburtstag hatte er nicht einmal ansatzweise versucht, irgendetwas zu sagen, aber von da an waren nur noch vollständige Sätze über seine Lippen gekommen.

„Fünf Jahre und drei Monate?“, wiederholte Steven und zog grinsend eine Braue hoch. „Wenn du nicht so klein wärst, würde ich sagen, du machst mir was vor. Komm schon, gib es einfach zu: Du bist genau genommen längst Großvater und gibst dich bloß als Fünfjähriger aus.“

Der bislang eigentlich immer gut bei Matt angekommene Witz traf diesmal bei dem Jungen auf taube Ohren. Er hob nur die Schultern und seufzte tief. Dann lehnte er sich mit etwas mehr Druck gegen Stevens Seite.

„Fühlst du dich einsam?“, fragte Steven, nachdem er sich geräuspert hatte.

Matt nickte und sah ihn mit großen Augen an. „Ich brauche einen Hund“, erklärte er ernst.

Während er leise und zugleich erleichtert lachte, zauste Steven ihm die rabenschwarzen Haare. Ein Hund war ein Wunsch, den er erfüllen konnte. Bei vielem anderen dagegen hätte er passen müssen.

„Sobald das Haus fertig ist, fahren wir zum Tierheim und suchen uns einen Hund aus“, versprach er Matt.

„Gibt’s da auch Ponys?“

Die Frage erheiterte Steven. Matt versuchte aus der Zusage mehr herauszuholen, was in seinem Zustand wohl ein gutes Zeichen war.

Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Unterhaltung führten. „Du kennst unsere Abmachung, Tex“, erklärte er dem kleinen Jungen in ruhigem Tonfall. „Bevor wir Pferde halten können, brauchen wir erst neue Zäune und eine neue Scheune.“

Wieder seufzte Matt. „Das kann aber lange dauern“, warf er ein, „denn du wirst ja jeden Tag in der Stadt arbeiten.“

Steven hatte die feste Absicht, sich in Stone Creek niederzulassen und zusammen mit seinem jungen Schutzbefohlenen ein normales Leben zu führen. In seinem Fall bedeutete „normal“, dass er werktags morgens irgendwo zur Arbeit erschien und acht Stunden lang einer Beschäftigung nachging, ob er das Geld nun brauchte oder nicht.

Es war ein langwieriger Kampf gewesen, die Highschool abzuschließen, vom nachfolgenden Jurastudium und dem Examen ganz zu schweigen. Eine frustrierende Menge an Lernstörungen hatte ihm in seiner Jugend das Leben zur Hölle gemacht. Und auch wenn er diese Störungen dank umsichtiger Lehrer in den Griff bekommen hatte, hatte er dennoch einiges nachholen müssen. Bis heute kam es ihm manchmal so vor, als müsste er sich ganz besonders anstrengen.

„Ja“, bestätigte er. „Ich werde arbeiten gehen.“

„Und was ist mit mir? Wo werde ich sein, wenn du nicht da bist?“

Auch das hatten sie schon oft besprochen. Doch der kleine Kerl hatte innerhalb weniger Jahre alle Menschen verloren, die in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt hatten, darum musste er einfach immer wieder hören, dass Steven ihn nicht auch noch im Stich lassen würde.

„Du bleibst in der Zeit in einer Kindertagesstätte“, erklärte Steven ihm. „Jedenfalls bis zu deiner Einschulung im Herbst.“

Matt schob das Kinn ein wenig trotzig nach vorn, was Steven so an Zack erinnerte, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Zack St. John war seit der Mittelstufe sein bester Freund gewesen – ein beliebter Sportler, exzellenter Schüler und ein rundum guter und netter Kerl. Jillies Tod hatte ihn in immer tiefere Depressionen gestürzt, bis er eines Tages bei einer Fahrt mit dem Motorrad auf einer steil abfallenden Gebirgsstraße die Kontrolle über die Maschine verloren hatte.

„Kann ich nicht mit dir ins Büro gehen?“, bat der Junge leise. „Vielleicht gefällt mir die Kita ja gar nicht. Außerdem haben wir Sommer. Wer geht denn schon im Sommer dahin?“

„Viele Kinder machen das“, erwiderte Steven und stand auf. „Und vielleicht gefällt dir die Tagesstätte ja noch besser als ein 3-D-Fernseher.“ Er hielt Matt eine Hand hin. „Jetzt komm, Tex. Leg dich wieder hin. Morgen könnte ein anstrengender Tag werden, und du musst dich bis dahin ausruhen.“

Matt griff nach dem Plüschstinktier und legte die zerschlissene Decke um sich, die er nie aus den Augen ließ. Jillie hatte sie gestrickt, um ihren Sohn nach der Geburt darin einzuwickeln, als sie ihn aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht hatte. Seitdem hatte der Zahn der Zeit unübersehbar an der Handarbeit genagt.

Vermutlich war Matt zu alt, um noch dermaßen an seiner Babydecke zu hängen, doch Steven hätte es nicht übers Herz gebracht, sie ihm abzunehmen.

Also sah er dem Jungen zu, wie er aufstand, ins Zimmer zurückkehrte, einen kurzen Abstecher ins Bad machte und schließlich einsam und verlassen in der Mitte des Raums stehen blieb.

„Darf ich bei dir schlafen?“, fragte er. „Nur heute Nacht?“

„Ja, klar“, sagte Steven. „Mach’s dir bequem.“ Er schlug die Zudecke auf der ausgeklappten Couch zurück und streckte sich, während er sich bewusst machte, dass er bis zum Morgen wahrscheinlich keinen Schlaf bekommen würde.

Matt kroch zu ihm auf die durchgelegene Matratze und drehte sich eine Zeit lang hin und her, bis er die richtige Schlafposition fand.

Als Steven die Nachttischlampe ausschaltete, murmelte der Junge leise: „Danke.“

„Gern geschehen.“

„Ich hab von Mom und Dad geträumt“, erzählte Matt plötzlich, nachdem er so lange geschwiegen hatte, dass Steven schon geglaubt hatte, er sei bereits eingeschlafen. „Sie waren unterwegs, um mich abzuholen … mit einem großen roten Truck. Darum hab ich auf der Stufe gesessen, als du aufgewacht bist. Ich hab lange gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass das nur ein Traum war.“

„Ja, so was dachte ich mir schon“, entgegnete Steven, sobald er sich sicher war, dass seine Stimme nicht versagen würde.

„Sie fehlen mir sehr“, gab der kleine Junge zu.

„Mir auch“, gestand Steven ihm heiser.

„Aber wir kriegen das schon hin, oder? Du und ich? Weil wir Partner für alle Zeiten sind.“

Steven schluckte und war froh, dass es dunkel war und Matt seine Tränen nicht sehen konnte.

„Genau, Partner für alle Zeiten“, versicherte er ihm. „Und wir werden es ganz sicher hinkriegen.“

„Okay.“ Matt gähnte und war mit der Antwort offenbar zufrieden, zumindest für den Moment. Aber es würde nicht lange dauern, bis er ihn das wieder fragen würde. „Nacht.“

„Nacht“, erwiderte Steven.

Wenig später war Matt eingeschlafen, und obwohl Steven es nicht für möglich gehalten hätte, fiel er selbst schließlich auch in einen tiefen Schlaf.

Melissa O’Ballivan brachte ihren kostbaren Roadster mit quietschenden Reifen vor der Sunflower Bakery & Café im Stadtzentrum von Stone Creek zum Stehen, schob den Schalthebel in den Leerlauf und öffnete die Tür.

Es war einer dieser sonnigen Tage mit strahlend blauem Himmel, an denen man getrost das Verdeck des Wagens offen lassen konnte.

Sie zog die Handbremse an, ließ den Motor laufen und eilte in das kleine Lokal, das Tessa, die Schwester ihres Schwagers Tanner Quinn, betrieb. Zwischen den besetzten Tischen hindurch bahnte sie sich ihren Weg zum Tresen.

An sechs Tagen in der Woche bestand Melissas Frühstück aus Obstsmoothies mit einem Schuss Proteinpulver, doch fast jeden Freitag gönnte sie sich hier ihr Lieblingsgericht zum Mitnehmen: Tessas Putenbrustfilet-Sandwich mit Käse und gebratenem Eiweiß.

„Das Übliche?“ Tessa stand hinter der Theke und lachte sie an, während sie in einer Hand eine kleine braune Papiertüte hielt, aus der ein verführerisches Aroma stieg.

Auf dem Weg zu ihr wünschten mehrere Gäste Melissa einen guten Morgen, sie nickte ihnen zu und erwiderte den Gruß. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie ein Gesicht, das sie noch nicht kannte – das eines gut aussehenden Mannes mit dunkelblondem, leicht zotteligem Haar, der vor dem Tresen auf einem Hocker saß. Er trug eine schwarze Hose und ein teures Polohemd, das das intensive Blau seiner Augen betonte.

Aus einem unerklärlichen Grund stellte Melissa sich den Mann plötzlich in einer alten Jeans, abgewetzten Stiefeln und einem Hemd in jenem Westernschnitt vor, den die meisten Männer in Stone Creek bevorzugten.

Schnell schaute sie wieder weg, allerdings nicht schnell genug, wie das flüchtige Grinsen ihr verriet, das einen Mundwinkel des Fremden umspielte. Der Mann musterte sie ebenfalls. Wer ist das, wunderte sich Melissa, während sie ungeduldig darauf wartete, dass Tessa ihr das Wechselgeld herausgab.

Irgendwer auf der Durchreise sagte sie sich und steckte das Kleingeld ein, wobei ihr auffiel, dass der rätselhafte Mann nicht allein war. Auf dem Platz neben ihm hockte ein schmächtiger Junge, der einen kleinen Berg von Tessas einzigartigen Blaubeer-Walnuss-Pfannkuchen verputzte.

Sie machte auf dem hohen Absatz kehrt und sah auf ihre Armbanduhr. Ihr blieben nur noch fünfzehn Minuten bis zu ihrem Termin bei Richter J. P. Carpenter, was bedeutete, dass sie ihr Sandwich runterschlingen musste, anstatt es wie sonst freitags in Ruhe zu genießen und dabei die eingegangenen Anrufe abzuhören.

Auch ohne hinzuschauen, wusste sie, dass der Fremde ihr nachsah, als sie das Café verließ, denn sie spürte förmlich, wie sich sein Blick zwischen ihren Schulterblättern durch den dünnen Cordblazer, die weiße Baumwollbluse und den Spitzen-BH bohrte.

Draußen traf sie auf Alice McCoy, nach Melissas Meinung die älteste Politesse der Welt. Alices dreirädriges Gefährt, das an ein Golfkart mit gelbem Blinklicht erinnerte, parkte neben dem Roadster. Die Ordnungshüterin hielt einen Block in der Hand und zog die Mundwinkel missbilligend herunter, während sie etwas notierte.

„Nicht schon wieder einen Strafzettel, Alice“, protestierte Melissa. „Ich war nur für zwei Sekunden im Café, um mir mein Frühstück zu holen.“ Zum Beweis hielt sie die braune Tüte hoch. „Zwei Sekunden“, wiederholte sie.

Alice sah sie ungerührt an. „Hier ist Halteverbot. Ob zwei Sekunden oder zwei Stunden ist mir gleich. Ein Verstoß ist ein Verstoß.“ Leise schnaubend riss sie den Strafzettel vom Block und klemmte ihn unter den Scheibenwischer, obwohl Melissa so dicht neben ihr stand, dass sie ihr das Stück Papier auch in die Hand hätte drücken können.

„Sie sind die Staatsanwältin für das County“, fuhr Alice aufgebracht fort. „Sie sollten es besser wissen. Und den Motor lassen Sie auch noch laufen. Eines Tages wird jemand Ihren Wagen stehlen, junge Dame, und dann möchte ich Ihr Geschrei nicht hören.“

Seufzend nahm Melissa den Strafzettel an sich und steckte ihn in die Jackentasche. „Wir sind hier in Stone Creek, Arizona“, hielt sie dagegen. Auch wenn sie wusste, dass sie diese Diskussion nicht gewinnen konnte, musste sie es dennoch versuchen. Immerhin war sie Anwältin – und dazu eine O’Ballivan. „Nicht in New York.“

„Das Verbrechen lauert überall“, konterte Alice. „Wenn Sie mich fragen, die ganze Welt wird noch vor die Hunde gehen. Aber Ihnen muss ich das ja nun wirklich nicht sagen.“

Melissa gab es auf, stieg in ihr Auto und stellte die Papiertüte auf ihre Aktentasche, die auf dem Beifahrersitz lag. Dann fuhr sie zu dem flachen Ziegelsteinbau, in dem sich nicht nur das Gericht befand, sondern auch die Zulassungsstelle, das Gefängnis und das Büro des Sheriffs. Sie parkte den Wagen auf ihrem Stammplatz im Schatten einer altehrwürdigen Eiche und eilte nach drinnen, wobei sie sich ihre Handtasche, die Aktentasche und die Tüte mit dem kälter werdenden Sandwich kurzerhand unter die Arme klemmte.

Ihr offizielles Büro, das kaum größer war als das ihrer Assistentin Andrea, ging vom selben Korridor ab wie der einzige Gerichtssaal und die beiden kleinen Zellen, in denen jedoch nur selten einmal Gefangene untergebracht wurden.

Für ihre neunzehn Jahre trug Andrea zu viel Lidschatten. Außerdem kaute sie unablässig Kaugummi, aber sie war in der Lage, eingehende Nachrichten zu notieren und Telefonate zu erledigen. Und da ihre Arbeitsplatzbeschreibung nur diese beiden Punkte umfasste, hielt Melissa es für angebracht, ihre Meinung für sich zu behalten.

Sie hetzte an Andreas Schreibtisch vorbei und stieß mit dem Ellbogen die Tür auf, da sie die Hände voll hatte. Dabei bemerkte sie, wie ihre Assistentin das Schauspiel mitverfolgte, allerdings keine Anstalten machte, ihr zu helfen. Melissa stellte die braune Sandwichtüte auf den Schreibtisch und packte die Aktentasche und ihre Handtasche auf die kleine Couch vor der Wand, an der ihre Diplome und zahllose Familienfotos hingen. In dem kleinen Badezimmer neben ihrem Büro wusch sie sich die Hände und griff anschließend hungrig nach der Papiertüte.

Andrea kam ins Büro geschlendert und ließ eine Kaugummiblase platzen. In einer Hand hielt sie ein Blatt mit aufgeklebten rosa Telefonnotizen. Ihre langen Fingernägel waren – soweit Melissa das auf diese Entfernung erkennen konnte – mit winzigen Totenschädeln und gekreuzten Knochen verziert. Ein Funkeln legte die Vermutung nahe, dass außerdem winzige Strasssteine mit eingearbeitet worden waren.

Die junge Frau trug ihr volles rötlich braunes Haar kurz geschnitten. Ihr Outfit bestand aus einer schwarzen Jeans und einem T-Shirt mit einem Motorradlogo.

„Wir sollten uns wirklich einmal darüber unterhalten, wie Sie sich kleiden, Andrea“, meinte Melissa seufzend, ließ sich in ihren Sessel sinken und fasste in die Papiertüte.

„Heute ist Freitag, und da dürfen wir was Lässiges tragen“, betonte Andrea in einem leicht trotzigen Tonfall, wobei sie sich mit dem Zettel voller Telefonnotizen kühle Luft zufächelte. Ihr Blick wanderte über Melissas teure Hose, die Bluse und den Blazer, schließlich schüttelte sie den Kopf. „Oder haben Sie das schon vergessen?“

Obwohl das Sandwich inzwischen fast kalt war, schmeckte es immer noch fantastisch.

„Gibt es Kaffee?“, fragte Melissa vorsichtig, nachdem sie den ersten Bissen heruntergeschluckt hatte.

Andrea sah sie verwundert an. „Woher soll ich das wissen? Als Sie mich eingestellt haben, haben Sie mir gesagt, dass es nicht meine Aufgabe ist, für Kaffee zu sorgen. Ich soll nur die Ablage machen und ans Telefon gehen und dafür sorgen, dass Sie alle Nachrichten bekommen.“

Frustriert verdrehte Melissa die Augen. „Apropos … Nachrichten. Irgendwas Besonderes?“, hakte sie nach.

„Nur der übliche langweilige Kram“, erwiderte ihre Assistentin und präsentierte ihr die Telefonnotizen.

Während sie weiter ihr Sandwich aß, überflog sie die Liste mit den eingegangenen Anrufen. Ihre Zwillingsschwester Ashley hatte angerufen. Sie war mit ihrem Mann Jack gerade in Chicago, um bei einem Familientreffen mit ihrer reizenden zweijährigen Tochter anzugeben.

Unterdessen kümmerte sich Brad, der ältere Bruder von Ashley und Melissa, um Ashleys Katze Mrs Wiggins. Allerdings waren da auch noch die älteren Gäste in dem Bed & Breakfast, das Ashley gehörte. Und ihre Zwillingsschwester zählte darauf, dass Melissa einmal am Tag dort vorbeischaute und sich vergewisserte, ob die Meute noch wohlauf war. Da es sich bei einem von ihnen um einen Koch im Ruhestand handelte, kümmerte er sich auch um die Verpflegung.

Die zweite Nachricht kam von der Sprechstundenhilfe ihres Zahnarztes. Die halbjährliche Kontrolluntersuchung und eine Zahnreinigung standen an.

Der dritte Anruf betraf die Biografie, die sie vergangene Woche bestellt hatte und die nun in der Buchhandlung drüben in Indian Rock eingetroffen war.

„Manchmal frage ich mich, wie ich diesen Druck von allen Seiten eigentlich ertrage“, meinte sie ironisch, als sie bereits nach der Hälfte des Sandwiches satt war und den Rest ihres Essens zurück in die Tüte steckte, die sie dann in den Papierkorb warf.

„Druck?“ Andrea sah sie verständnislos an.

„Schon gut, vergessen Sie’s“, sagte Melissa resigniert.

In diesem Moment betrat ein strahlender Richter Carpenter ihr Büro. Er trug einen Sommeranzug, der mindestens seit dreißig Jahren aus der Mode war. Seine Haare bildeten einen wilden grauen Wirbel, und seine blauen Augen funkelten spitzbübisch.

Er erinnerte Melissa immer ein wenig an den Schauspieler Hal Holbrook, der Mark Twain darstellte.

Andrea trat unauffällig den Rückzug aus dem Büro an, während Melissa bemerkte, dass J. P. zwei Tassen mit dampfendem Kaffee in den Händen hielt.

„Gott segne Sie“, rief sie ihm zu, woraufhin er einen Schritt nach vorn machte und mit dem Schuhabsatz die Tür hinter sich zuwarf. Anschließend stellte er ihr eine Tasse hin und nahm ihr gegenüber Platz.

„Er ist hier“, begann er ohne Einleitung, wie es so seine Art war.

„Wer?“, fragte Melissa irritiert, wobei sie den Richter über den Rand ihrer Tasse hinweg anstarrte.

J. P. lehnte sich ein wenig vor und erwiderte vertraulich: „Steven Creed.“

Plötzlich musste sie an diesen wahnsinnig gut aussehenden Mann denken, der ihr im Sunflower aufgefallen war. Er und der kleine Junge waren vermutlich die einzigen Menschen in der ganzen Stadt, die sie nicht kannte.

Sie war auf einer Ranch am Rand von Stone Creek aufgewachsen. Abgesehen vom College, der Universität und einer kurzen Phase, in der sie für den Staatsanwalt von Maricopa County tätig gewesen war, hatte Melissa ihr ganzes Leben hier verbracht. Wenn sie also alle Leute ausschloss, die sie kannte, dann blieb nur noch …

„Oh“, sagte sie. „Richtig. Steven Creed.“

Es hieß, Creed sei ein entfernter Verwandter des McKettrick-Clans drüben in Indian Rock und er sei im Begriff, das alte Anwesen der Emersons zu kaufen, das an die Stone Creek Ranch angrenzte. Letztere hatte sich der Rinderzucht verschrieben und war seit mehr als einem Jahrhundert im Besitz von Melissas Familie. Ihr Bruder Brad lebte dort mit seiner Frau Meg, einer geborenen McKettrick, und der rasch größer werdenden Familie.

„Er hat den Laden neben der Reinigung angemietet“, fuhr J. P. fort. „Er ist Anwalt, wie Sie wissen, und wie ich gehört habe, wird er in Kürze sein Firmenschild draußen aufhängen.“

„Stone Creek könnte einen guten Anwalt gebrauchen“, entgegnete Melissa, die an dem Thema nur wenig Interesse hatte. Hatte sich J. P. etwa deshalb heute Morgen mit ihr treffen wollen? Um ihr zu erzählen, was er über Steven Creed wusste? „Seit Lou Spencer in Rente ist, müssen die Leute bis nach Flagstaff oder Indian Rock fahren, wenn sie einen Anwalt brauchen.“

J. P. trank laut schlürfend einen Schluck Kaffee. „Wie es heißt, plant Mr Creed, seine Dienste kostenlos anzubieten. Rechtsvertretung für Leute, die sich keinen Anwalt leisten können, und so weiter.“

Das ließ Melissa aufhorchen. Stone Creek war nicht gerade eine Brutstätte der Kriminalität, aber es gab regelmäßig Kläger und Beklagte zu vertreten. Immer wieder kam es zu Streitigkeiten, was den Grenzverlauf zwischen den Grundstücken oder Wasserrechte anging, und Sheriff Parker erwischte gelegentlich einen betrunkenen Autofahrer. Außerdem schienen ein paar Jugendliche in der Stadt geradewegs auf eine Karriere hinzuarbeiten, die sie mit dem Gesetz in Konflikt bringen musste.

„Interessant“, murmelte Melissa, die ein leichtes Unbehagen verspürte, das sie aber nicht näher bestimmen konnte, da es mit irgendeiner schemenhaften Erinnerung zu tun hatte. Was Mr Creed anging, neigte sie persönlich dazu, selbst ernannten Wohltätern mit Skepsis zu begegnen, denn aus eigener Erfahrung wusste sie, dass die meisten von ihnen bestimmte Absichten verfolgten. Gleichzeitig freute es sie, dass Steven Creed sich nicht nur auf Durchreise befand, um sich irgendwo niederzulassen, wo es angesagter war, zum Beispiel in Scottsdale oder Sedona.

Ihr fiel das Kind ein, das mit dem pechschwarzen Haar wie das absolute Gegenteil zu Creed aussah, dessen Locken eher die Farbe von Karamell hatten.

„Der Junge muss dann wohl nach der Mutter kommen“, überlegte sie laut.

„Der Junge?“, wiederholte J. P. verwundert, dann ging ihm ein Licht auf. „Ach so, der Junge. Er heißt Matthew, ist fünf Jahre alt und adoptiert.“

Es erstaunte Melissa, dass J. P. so viel über Creed wusste, doch dann fiel ihr ein, dass Carpenters jüngste Tochter Elaine nach ihrer Scheidung vor zwei Jahren nach Stone Creek zurückgekehrt war und die Creekside Academy eröffnet hatte, eine private Vorschule, die das ganze Jahr geöffnet war. Zweifellos hatte Creed den Jungen dort angemeldet, und Elaine hatte ihrem Vater alles darüber brühwarm weitererzählt.

„Und es gibt keine Mrs Creed“, fügte J. P. noch hinzu.

Laut Elaine – sie und Melissa waren gemeinsam zur Schule gegangen – saß ihr Vater ihr seit der Scheidung und der Rückkehr in ihre Heimatstadt damit im Nacken, dass sie häufiger ausgehen, mehr unter Leute kommen und sich einfach öfter verabreden sollte. „Als ob es in Stone Creek von Singles nur so wimmeln würde“, hatte Elaine ihr erst vor ein paar Tagen gesagt, als sie sich im Drugstore über den Weg gelaufen waren.

Melissa, die seit über einem Jahr kein Date mit einem Mann mehr gehabt hatte, konnte nur zu gut mit Elaine mitfühlen. Ob Ashley, Olivia oder Brad – einer der drei ging ihr ständig damit auf die Nerven, öfter auszugehen, um die wahre Liebe zu finden. Dabei hatten ihre Geschwister alle gut reden, Brad war mit Meg zusammen, Olivia mit Tanner und Ashley mit Jack. Die unausgesprochene Frage schien zu lauten: Was stimmt mit dir nicht, Melissa? Wann wirst du dich endlich aufraffen, um dir einen Mann zu schnappen?

Ihr Stirnrunzeln bemerkte J. P. aber entweder nicht, oder er ignorierte es absichtlich. Er stand auf und warf seinen leeren Pappbecher mit dem Schwung eines deutlich jüngeren Manns in den Papierkorb. Während seiner Zeit auf der Highschool und am College war Carpenter ein Basketball-Star gewesen, hatte sich jedoch für eine Karriere als Anwalt entschieden. „Okay“, meinte er gut gelaunt. „Dann erkläre ich unsere Besprechung hiermit für beendet.“

„Das war eine Besprechung?“, wunderte sich Melissa, die am liebsten gesagt hätte: Ich schlinge ein halbes Sandwich runter, das ich mir nur einmal in der Woche gönne, nur damit Sie mir erzählen, dass Steven Creed Single ist?

„Ja“, antwortete er. „Und jetzt werde ich zum Angeln fahren, glaube ich.“

Lachend und kopfschüttelnd sah sie ihm nach. Kaum war J. P. gegangen, tauchte Sheriff Tom Parker in der Tür zu ihrem Büro auf. Er war ein großer, schlanker Mann mit dunklen Haaren und einer für gewöhnlich recht ernsten Miene.

„Hi“, begrüßte er sie.

„Hi.“ Melissa lächelte ihn an. Sie und Tom waren alte Freunde, aber nicht mehr als das. Auf seine etwas raue Art war er durchaus gut aussehend, wenn auch ein wenig schüchtern. Vor Jahren hatte er sich von seiner Jugendliebe Shirleen scheiden lassen. Jeder in Stone Creek wusste, dass er hoffnungslos in Tessa Quinn verliebt war, seit sie die Sunflower Bakery betrieb – wirklich jeder wusste das, nur Tessa nicht.

„Ich wollte dich nur daran erinnern, dass Byron Cahill heute aus dem Gefängnis entlassen wird.“

Eine Gänsehaut lief über Melissas Rücken. Vor zwei Jahren war Cahill noch ein Teenager gewesen. Und eines Samstagnachmittags hatte er reichlich Drogen geschluckt und dazu erhebliche Mengen Alkohol konsumiert. In diesem Zustand hatte er die Idee, den Wagenschlüssel seiner Mutter zu stibitzen und eine Spritztour zu machen. Sie nahm allerdings ein jähes Ende – mit tödlichen Folgen für die fünfzehnjährige Chavonne Rowan auf dem Beifahrersitz. Als bei dem „geborgten“ Wagen in einer viel zu schnell genommenen Kurve ein Reifen platzte, durchbrach das Fahrzeug die Leitplanke und stürzte eine steile Klippe hinunter in den Stone Creek. Der Wagen knallte mit der Frontpartie auf das Flussbett, kippte um und ging unter. Zwei Angler retteten Byron aus dem Wrack. Er kam mit ein paar Schnittwunden und Prellungen davon, während Chavonne bei dem Aufprall ums Leben gekommen war.

Byron wurde festgenommen, als er das Krankenhaus in Flagstaff verließ, in das man ihn nach dem Unfall vorsorglich gebracht und ihm eine einwöchige Entgiftung verordnet hatte. Melissa hatte vor Gericht durchgesetzt, dass der junge Cahill nicht lediglich nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurde, auch wenn seine Mutter unter Tränen protestierte und beteuerte, er sei doch ein guter Junge, der nur manchmal ein wenig über die Stränge schlage. Doch Melissa hatte ihn die ganze Härte des Gesetzes spüren lassen.

Es war ein voller Erfolg für sie gewesen. Byron wurde wegen Totschlags mit bedingtem Vorsatz verurteilt und in ein Gefängnis nahe Phoenix gebracht, wo er seine Strafe absitzen musste – etwas mehr als achtzehn Monate.

Seine Mutter Velda Cahill, die Motelzimmer putzte und als Kellnerin arbeitete, um über die Runden zu kommen, ließ keine Gelegenheit aus, Melissa vorzuhalten, auf was der arme Byron alles verzichten musste, nur weil eine „arrogante O’Ballivan“ allen hatte zeigen wollen, dass man sich mit der neuen Staatsanwältin besser nicht anlegte.

Velda tat ihr leid, und darum hielt sie ihr im Gegenzug auch nie vor, worauf Chavonne Rowan alles verzichten musste – nämlich auf den Rest ihres Lebens. Ganz zu schweigen von Chavonnes Eltern, die den Verlust bis heute nicht verarbeitet hatten.

Tom ballte die Hand zu einer lockeren Faust und tippte mit den Knöcheln leicht gegen den Türrahmen, um Melissa auf sich aufmerksam zu machen, deren Gedanken durch das Geräusch prompt ins Hier und Jetzt zurückkehrten.

„Pass gut auf dich auf“, warnte er sie. „Wenn Cahill dich auch nur schief ansieht, sag mir Bescheid, und zwar sofort.“

Sie zwinkerte ein paarmal, dann brachte sie ein Lächeln zustande. „Ich glaube nicht, dass er tatsächlich nach Stone Creek zurückkehren wird. Es ist ja schließlich nicht so, als würde die Stadt zu seinen Ehren eine Parade veranstalten.“

Zwar versuchte Tom das Lächeln zu erwidern, aber es wirkte nicht überzeugend. „Ich glaube, Cahill ist der Typ, der wieder bei seiner Mutter einzieht und sich von ihr durchfüttern lässt, solange sie das mitmacht. Und du kennst ja Velda. Sie würde ihr armes, kleines Baby niemals in diese kalte, grausame Welt hinausschicken.“ Nach einer kurzen Pause klopfte er noch einmal gegen den Rahmen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, und wiederholte: „Pass gut auf dich auf.“

„Das werde ich“, versicherte sie ihm. Sie hatte weder vor Byron Cahill noch vor irgendwem sonst Angst.

Tom zögerte einen Moment. „Apropos Parade …“

In der Zwischenzeit hatte Melissa sich einer ihrer Akten gewidmet und sah nun auf, als sie ihn reden hörte. Dabei merkte sie, dass sie Kopfschmerzen bekam. „Das war nur im übertragenen Sinne gemeint, Tom“, erklärte sie geduldig.

„Nächsten Monat finden die Stone-Creek-Rodeotage statt“, fuhr er fort. „Tante Ona ist wegen ihrer Probleme mit der Gallenblase aus dem Paradenkomitee ausgetreten. Du weißt, sie hat das dreißig Jahre lang gemacht. Damals waren wir beide noch Babys.“

Melissa ahnte, worauf er hinauswollte, und wusste längst, was als Nächstes kommen würde. „Hör mal, Tom“, erklärte sie eindringlich und lehnte sich dabei vor, während sie die Hände faltete und auf den Schreibtisch legte. „Ich bin eine gute Bürgerin, ich bin eine gewählte Vertreterin der Bürger dieser Stadt. Ich gehe zu jeder Wahl, ich zahle meine Steuern, und darüber hinaus komme ich meiner Bürgerpflicht nach, indem ich dafür sorge, dass alle Verbrecher in der Stadt und im County vor Gericht gestellt werden. Du kannst mir glauben, wenn ich sage, dass ich mit Ona und ihrer Gallenblase mitfühle.“ Sie machte eine kurze Pause. „Aber das bedeutet nicht, dass ich dem Komitee beitreten werde.“

Toms Wangen färbten sich rot, und er räusperte sich. „Um ehrlich zu sein … wir hatten eigentlich gehofft, du würdest sogar die Leitung übernehmen.“

Wieder dachte Melissa an ihre Geschwister. Olivia, die Tierärztin, schien eine Verwandte von Dr. Doolittle zu sein, da sie sich auf irgendeine sonderbare telepathische Weise mit den Tieren verständigen konnte. Sie kümmerte sich neben ihrer Praxis um die Leitung des hochmodernen örtlichen Tierheims und leitete auch noch die dazugehörige Stiftung.

Ashley widmete sich ständig irgendwelchen Wohltätigkeitsveranstaltungen, für die sie Spenden sammelte. Und ihr Bruder Brad hatte es zum Superstar unter den Countrymusikern geschafft, auch wenn er seit seiner Heirat mit Meg McKettrick mehr oder weniger im Ruhestand war. Seine Vorliebe war es, äußerst großzügige Schecks für jeden guten Zweck auszustellen, den er für unterstützenswert hielt. Außerdem gab er von Zeit zu Zeit Konzerte, deren Einnahmen er Bedürftigen stiftete.

„Du redest mit der falschen O’Ballivan“, entgegnete sie, auch wenn sie sich wie ein Drückeberger fühlte. Ihre Geschwister übertrieben es ganz einfach mit der Wohltätigkeit, was sie selbst in ein schlechtes Licht rückte. „Frag lieber Olivia … oder Ashley. Oder noch besser: Lass dir von Brad eine Parade kaufen.“

„Olivia hat keine Zeit, Ashley ist nicht in der Stadt, und Brad hat mit der Stone-Creek-Ranch alle Hände voll zu …“

„Nein“, unterbrach Melissa ihn. „Ich meine das ganz ernst. Ich tauge nicht dazu, eine Parade zu organisieren. Ich habe Dutzende Festumzüge gesehen, hier in der Stadt, im Fernsehen und im Kino, aber das sind auch schon alle Erfahrungen, die ich vorweisen kann. Ich wüsste nicht mal, wo ich anfangen sollte.“

„Meinst du etwa, Tante Ona war eine Expertin für Paraden, als sie den Job übernommen hat? Von wegen. Sie hat einfach die Ärmel hochgekrempelt und sich in die Arbeit hineingekniet. Was sie wissen musste, hat sie dabei gelernt.“

„Es muss doch noch irgendjemanden geben, der das übernehmen kann“, wandte Melissa ein.

Doch Tom schüttelte energisch den Kopf. „Wir haben das Komitee, das sich um das leibliche Wohl kümmert, und das für die kunsthandwerkliche Ausstellung und für die Kirmes. Jeder ist schon irgendwo als Freiwilliger eingespannt, anderweitig beschäftigt oder derzeit nicht in der Stadt.“

Trotzig schob sie das Kinn vor. Zugegeben, sie bekam allmählich ein schlechtes Gewissen; das bedeutete allerdings nicht, dass sie nachgeben würde.

Aus dem Vorzimmer hörte sie Andrea irgendjemanden fröhlich begrüßen. Im nächsten Moment bemerkte Melissa eine sonderbare Anspannung in der Luft, wie eine elektrisch aufgeladene Atmosphäre kurz vor einem Sommergewitter.

„Dann werdet ihr die Parade wohl absagen müssen“, gab sie schließlich zurück.

Kaum hatte sie das gesagt, da stürmte der kleine Junge, den sie morgens im Café gesehen hatte, in ihr Büro.

Er sah zuerst Tom und dann Melissa an. In seine tiefblauen Augen trat ein Schatten, seine Unterlippe zitterte.

„Die Parade fällt aus?“, fragte er ungläubig.

2. KAPITEL

Steven war nicht schnell genug, als er versuchte, Matt davon abzuhalten, durch die geöffnete Tür in das Büro dahinter zu laufen. Als er ihn endlich zu fassen bekam, war der Junge schon so weit vorgedrungen, dass Steven die ausgesprochen scharfe Frau erblickte, die am Schreibtisch saß – dieselbe Frau, die ihm schon heute Morgen im Café aufgefallen war.

Als sich ihre Blicke trafen, fühlte Steven sich, als würde er irgendwo aufprallen. Einen Moment rechnete er fast damit, dass die Wände weggesprengt würden, die Decke einstürzte und Flammensäulen aus dem Boden aufstiegen wie in einem apokalyptischen Actionfilm.

Verdammt, schoss es ihm durch den Kopf, als ihm die Heftigkeit seiner Reaktion bewusst wurde. Er war im Lauf der Jahre etlichen attraktiven Frauen begegnet, aber keine von ihnen hatte je so auf ihn gewirkt wie diese. Lag es an ihrem traumhaften Körper, dem schönen Gesicht, der dichten braunen Mähne, die ihr in Locken bis weit über die Schultern fiel, oder war es das intensive Blau ihrer Augen, das all seine Abwehrmechanismen außer Gefecht setzte?

Vielleicht war es auch die Kombination aus allem, aber er konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Sein Blick fiel auf das Namensschild auf ihrem Schreibtisch.

Melissa O’Ballivan. Staatsanwältin.

Oh nein, dachte er. Nicht noch einmal.

Nach allem, was Cindy Ryan ihm angetan hatte, war er zu dem Schluss gekommen, nie wieder mit einer Anwältin auszugehen – und vor allem nicht mit Staatsanwältinnen oder deren Assistentinnen.

„Entschuldigen Sie“, sagte Steven, als er seine Stimme wieder im Griff zu haben glaubte, und brachte das schiefe Grinsen ins Spiel, das den Creed-Männern schon seit Generationen gute Dienste leistete. „Ich wollte eigentlich nur meinen Strafzettel bezahlen, aber dann hat sich Matt aus dem Staub gemacht.“

Erst jetzt fiel ihm der uniformierte Gesetzeshüter auf, der mit verschränkten Armen im Büro stand und ihn musterte, als würde er gerade eine geistige Datenbank durchblättern, um herauszufinden, ob es sich bei ihm um einen gesuchten Verbrecher handelte. Der Mann nahm seine Arbeit allem Anschein nach wirklich ernst.

Vielleicht war er es auch gewesen, der ihm den Strafzettel unter den Scheibenwischer seines alten Trucks geklemmt hatte. Das änderte aber nichts daran, dass ihm der Mann bereits jetzt sympathisch war, und das würde wohl auch so bleiben. Der erste Eindruck, den Steven von anderen Leuten hatte, erwies sich in der Mehrzahl der Fälle als zutreffend.

„Die Stadtkasse finden Sie am Ende des Flurs“, sagte der Sheriff, der nun sichtlich entspannter wirkte. „Da können Sie den Strafzettel bezahlen.“ Dann streckte er ihm die Hand auf jene so typische kleinstädtische Weise entgegen, die Steven nur zu vertraut war. „Tom Parker“, stellte jener sich vor.

„Steven Creed“, erwiderte er und ließ Matt los, der sich in seinem Griff wand.

„Warum gibt es keine Parade?“, fragte der Junge wieder und drehte sich zu Steven um. „Du hast mir gesagt, dass es hier eine Parade gibt! Und ein Rodeo! Ich bin nur deshalb nicht von zu Hause weggelaufen, weil du mir gesagt hast, dass wir nach hier umziehen!“

Mittlerweile hatte die unverschämt attraktive Miss O’Ballivan den Stuhl nach hinten geschoben und war aufgestanden, damit sie um den Tisch herumgehen und sich vor den Jungen stellen konnte. Was sie von Steven dachte, ließ sie sich in keiner Weise anmerken. Ihm war nicht einmal klar, ob sie überhaupt von ihm Notiz genommen hatte. Doch es bestand kein Zweifel, dass Matt sie in seinen Bann geschlagen hatte.

„Hi“, sagte sie und lächelte auf eine Weise, die Steven dahinschmelzen ließ, obwohl das Lächeln gar nicht für ihn bestimmt war. „Ich heiße Melissa O’Ballivan. Und wie heißt du?“

„Matt Creed“, antwortete der Junge etwas zurückhaltend, weil ihm beigebracht worden war, Fremden mit Vorsicht zu begegnen. Als Steven seine Antwort hörte, musste er schlucken. Er hatte es dem Jungen überlassen, ob er nach Abschluss der Adoptionsformalitäten seinen alten Nachnamen behalten oder den seines Adoptivvaters übernehmen wollte. Es war rührend, dass Matt sich für Creed entschieden hatte, obwohl er sich nach wie vor so eindringlich an Zack und Jillie erinnerte, was Steven auch nach Kräften unterstützte.

„Matt“, brachte Steven heraus, musste sich jedoch sofort räuspern. Er nahm unverändert dieses eigenartige Gefühl wahr und wollte das Büro verlassen, damit er sich damit auseinandersetzen und herausfinden konnte, was es zu bedeuten hatte.

„Komm, Matt, wir müssen uns um den Strafzettel kümmern“, drängte er, nachdem er zwar einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte, aber beim besten Willen nicht hätte sagen können, wie spät es war. „Wir haben nur noch ein paar Minuten Zeit, bis wir die Papiere für die Ranch unterschreiben müssen.“

„Du hast gesagt, dass es eine Parade gibt“, beharrte Matt und drehte sich von der bezaubernden Melissa O’Ballivan weg, um Steven vorwurfsvoll anzusehen. Der Junge konnte unglaublich stur sein, wenn er sich erst mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, weshalb der Name Creed für ihn genau richtig war.

Parker räusperte sich und sah zu Melissa O’Ballivan. „Tante Ona hat den größten Teil der Arbeit bereits erledigt“, betonte er. „Sie hat die verschiedenen Motivwagen abgesegnet und sogar alle Sondergenehmigungen eingeholt. Du müsstest nur ein paar Treffen leiten und auf einer Liste abhaken, was erledigt ist … und dafür sorgen, dass die Leute auch das tun, wofür sie sich freiwillig gemeldet haben.“

Melissa legte eine Hand auf Matts Kopf und fuhr ihm sanft durchs Haar. Sie atmete einmal tief ein und seufzte kapitulierend, wobei sie ihr Schicksal mit einem Lächeln zu akzeptieren schien. „Willkommen in Stone Creek, Matt Creed“, sagte sie zu dem Jungen. „Dann wollen wir mal hoffen, dass dir die Parade auch gefällt.“

Überglücklich reckte Matt eine kleine Faust in die Höhe, drehte sich zu Steven um und rief triumphierend: „Ja!“

Zu dem Zeitpunkt hatte Steven sich bereits zusammengereimt, was hier gerade geschehen sein musste, zumindest zu einem Teil. Miss O’Ballivan hatte sich an dem anstehenden Ereignis nicht beteiligen wollen, war aber nicht in der Lage gewesen, sich erfolgreich davor zu drücken, was anscheinend das Werk des Sheriffs war.

Er nutzte den Augenblick, um Melissa etwas länger zu betrachten, was jedoch nicht empfehlenswert war, da sie ihn aus einem unerfindlichen Grund komplett aus der Ruhe brachte. Der Makler, der die Emerson-Ranch vermittelte, hatte ihm die Parade und das Rodeo als „langjährige Traditionen der Gemeinde“ angepriesen, um ihm den Kauf noch schmackhafter zu machen. Steven selbst hatte immer wieder auf die beiden Festlichkeiten hingewiesen, damit Matt etwas hatte, worauf er sich freuen konnte – abgesehen von dem Hund, den sie bald holen würden, und dem Pony, das später folgen sollte.

„Danke“, sagte er zu Melissa, aber das Wort rutschte ihm eine Spur zu schroff über die Lippen.

Sie verzog den Mund und erwiderte: „Nicht der Rede wert.“

„Vielleicht kann ich ja dabei behilflich sein“, hörte Steven sich sagen, während er nach Matts Hand griff, um mit ihm zusammen das Büro zu verlassen. „Aber glauben Sie jetzt bitte nicht, ich hätte Ahnung von Paraden.“

„Tja, in dem Punkt können wir uns wohl die Hand reichen“, gab Melissa zurück und warf ihm wieder dieses mörderische Lächeln zu.

Nach einem schiefen Grinsen und einem Nicken schaffte er es endlich, in den Flur zurückzukehren. Dort hatte er längst vergessen, dass er den Strafzettel bezahlen wollte, da seine Gedanken nur noch um Melissa O’Ballivan kreisten. Und so sollte es für die nächste Zeit auch bleiben.

Im Besprechungszimmer bei der Bank war Matt die Unruhe in Person und lief wie aufgedreht hin und her. Währenddessen unterzeichnete Steven einen Berg von Papieren und übergab dem Bankmitarbeiter einen Scheck, mit dem er den gesamten Kaufpreis beglich. Das alles ließ ihn wahrscheinlich wie einen Mann wirken, der genau wusste, was er tat.

Er hatte einen kleinen Jungen adoptiert, hatte den Job bei der angesehenen Kanzlei in Denver gekündigt, bei der er seit seinem Ausstieg aus dem Familienbetrieb gearbeitet hatte. Und nun hatte er auch noch eine heruntergekommene Ranch in einem anderen Bundesstaat gekauft, obwohl die Creed-Ranch in der Nähe von Lonesome Bend, Colorado, seit über hundert Jahren in Familienbesitz war.

War er wirklich ein Mann, der genau wusste, was er tat? Vor seiner Begegnung mit Miss O’Ballivan hätte Steven die Frage ohne zu zögern bejaht. Jetzt aber war er sich da nicht mehr so sicher.

„Was war denn das gerade?“, wunderte sich Melissa und sah Tom Parker mit großen Augen an, während sie eine Hand auf ihre Brust legte. Steven Creed und der kleine Matt waren vor vielleicht einer halben Minute gegangen, doch ihr kam es so vor, als hätten sie alle Luft aus dem Büro mitgenommen und ein Vakuum hinterlassen.

Tom lachte leise. „Auf jeden Fall hat das Paradekomitee von Stone Creek jetzt eine neue Vorsitzende“, meinte er zufrieden. An der Tür blieb er noch einmal kurz stehen und zwinkerte ihr zu. „Und wenn ich mich nicht irre, dann hat gerade eben die Erde gebebt.“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

Melissa stand mitten in ihrem Büro und konnte sich sekundenlang nicht von der Stelle rühren. Doch schließlich gewann der Profi in ihr die Oberhand, und sie ging zur Tür und warf sie zu, um danach an ihren Schreibtisch zurückzukehren.

Viele Fälle hatte sie derzeit nicht zu bearbeiten, da es in Stone Creek relativ ruhig geworden war, seit Byron Cahill hinter Gittern saß. Aber den einen oder anderen Vorfall gab es dennoch. Außerdem musste sie täglich Berichte schreiben, Akten begutachten und E-Mails beantworten. Wenn ich schlau wäre, überlegte sie, hätte ich J. P. zum Angeln begleitet.

Später am Vormittag klopfte Andrea an, steckte den Kopf zur Tür herein und erklärte, sie müsse nach Hause, weil sie Magenkrämpfe habe und ohnehin nichts los sei.

Melissa sah die junge Frau über den Rand ihrer Lesebrille an und nickte nur wortlos, dann loggte sie sich in Andreas Computer ein. Vielleicht hatte sie tatsächlich Magenkrämpfe, vielleicht war es auch nur eine Ausrede. Tatsache war, dass sie beide heute unterbeschäftigt waren.

Es erleichterte Melissa, dass sie nach acht Stunden im Büro nach Hause gehen konnte. Ihr fehlten der Stress und die doppelt so langen Arbeitszeiten ihrer früheren Jobs nicht im Geringsten. Im Gegenteil, es gefiel ihr, Zeit zu haben, um abends und am Wochenende die Zimmer in ihrem kleinen Haus zu streichen, um Bücher zu lesen, sich an der immer größer werdenden Schar Nichten und Neffen zu erfreuen und sich sogar ein bisschen als Gärtnerin zu betätigen.

Zugegeben, in Sachen Romantik und Sex hatte sich seit ihrer Trennung von Dan Guthrie vor einigen Jahren nichts mehr getan, aber man konnte schließlich nicht alles haben, oder?

Als sie länger über diese Frage nachdachte, fühlte sie sich mit einem Mal niedergeschlagen. Ihre Schwestern hatten sehr wohl alles, was sie sich wünschten – Kinder, tolle Ehemänner, die sie anbeteten, und Jobs, die sie ausfüllten. Und sie musste gar nicht erst darauf hingewiesen werden, dass Brad den Vogel abgeschossen hatte. Im Verlauf seiner Karriere hatte man ihm über ein Dutzend Auszeichnungen der Country Music Association verliehen, dazu noch eine Handvoll Grammys. Seine Ehe mit Meg McKettrick könnte nicht glücklicher sein, und das galt auch für die Familie, die sie beide nach und nach um sich scharten.

Schluss mit dem Selbstmitleid und Schluss mit den ständigen Vergleichen mit ihrem Bruder und ihren Schwestern. Natürlich kam sie sich hin und wieder ein wenig einsam vor, aber war das denn so schlimm? Sie war gesund, und sie hatte eine Familie, von der sie geliebt wurde. Die Stone-Creek-Ranch mit ihrer langen und wechselhaften Geschichte war nach wie vor ihr Zuhause. Außerdem besaß sie eine solide Ausbildung, musste kein Darlehen abstottern und fuhr einen schicken Wagen, der so umgebaut worden war, dass er wie ein MG Roadster von 1954 aussah. Zu guter Letzt hatte sie genügend Ersparnisse, um sich mit vierzig zur Ruhe zu setzen, wenn sie das wollte.

Wahrscheinlich wollte sie das nicht, doch darum ging es jetzt auch gar nicht.

Für Melissa bedeutete Erfolg, zwischen verschiedenen Optionen wählen zu können. Das war für sie die Definition von Freiheit.

Wenn sie irgendwann der Wunsch überkam, sich auf eine neue Tätigkeit in einer aufregenderen Stadt wie Los Angeles oder New York zu stürzen, dann konnte sie sich von heute auf morgen dafür entscheiden. Nichts hielt sie hier fest. Sie konnte kündigen, ihr Haus vermieten oder sogar verkaufen, sich von Stone Creek verabschieden und losziehen.

Natürlich liebte sie ihre Geschwister, und sie hatte hier viele Freunde, Menschen, die sie von klein auf kannte. Aber vor allem die Vorstellung, ihre Nichten und Neffen zurückzulassen und nicht aus erster Hand mitzuerleben, wie sie aufwuchsen, sondern sich mit seltenen Besuchen, Telefonaten und E-Mails mit angehängten Fotos zufriedenzugeben, bescherte ihr einen Kloß im Hals.

Warum mache ich mir überhaupt solche Gedanken? Weil Tom recht gehabt hatte. Steven Creed und sein kleiner Junge waren in ihr Büro gekommen, und die Erde hatte gebebt. Die Schwerkraft war auf den Kopf gestellt worden, der Beweis dafür fand sich in einer einzigen Entscheidung: Sie hatte sich einverstanden erklärt, das Paradekomitee zu leiten.

Nach einem tiefen Atemschöpfen widmete sie sich dem Computer und überflog die Liste der neu eingegangenen Nachrichten.

Tom Parker, dessen Büro nur drei Türen neben ihrem lag, hatte ihr eine Mitteilung geschickt und sie darauf hingewiesen, dass die Zeit allmählich knapp wurde und sie unbedingt ein Treffen des Komitees einberufen musste, damit sie auf dem Laufenden war.

Die Antwort, die sie ihm darauf schickte, war keine Formulierung, die man üblicherweise einem Polizisten gegenüber benutzte, weder in einer E-Mail, noch wenn man vor ihm stand. Aber hier ging es um Tom, mit dem sie aufgewachsen war, um den Mann, der seinen Hund Elvis genannt hatte.

Tom reagierte mit einem Smiley mit Sonnenbrille und ausgestrecktem Mittelfinger.

Sie lachte einmal befreit auf und wandte sich dann ihrer Arbeit zu.

Da war Eustace Blake, der trotz seiner neunzig Jahre in der Lage war, den für alle zugänglichen Computer in der Bibliothek zu nutzen, und der es geschafft hatte, wieder einmal die Beschwerde einzureichen, die schon etliche Male zuvor eingegangen war, immer mit kleinen Abweichungen. Jedes Mal ging es darum, dass abermals Außerirdische von einem weit entfernten Planeten in seinem Maisfeld gelandet waren und dabei die Hennen so erschreckt hatten, dass sie nun keine Eier mehr legten. Möglicherweise war auch sein Abschnitt des Bachlaufs von ihnen verseucht worden, und er wollte bei Gott, dass etwas dagegen unternommen wurde.

Lächelnd wünschte sich Melissa, sie hätte einen zweiten Kaffee, während sie Eustace in höflichem Tonfall antwortete und sich bei ihm erkundigte, ob er denn die jüngsten Zwischenfälle bereits bei Sheriff Parker zu Protokoll gegeben habe. Sie versicherte dem alten Mann, er habe völlig recht und es müsse dringend etwas unternommen werden. Also gab sie ihm auch Toms Handynummer, damit er ihn in jedem Fall erreichte.

Die nächsten E-Mails waren Werbung – von Gewinnversprechen über reine Haut bis hin zu Penisverlängerungen –, die sie alle ungelesen löschte.

Dann entdeckte sie eine Nachricht von Velda Cahill, deren E-Mail-Adresse Melissa inzwischen auswendig kannte, da sie seit Byrons Verhaftung mit Nachrichten von ihr überhäuft wurde. Diesmal war die Betreffzeile in Großbuchstaben geschrieben: VON EINER STEUERZAHLERIN.

Melissa seufzte. Sekundenlang spielte sie mit dem Gedanken, die Nachricht einfach zu löschen, doch das brachte sie letztlich nicht fertig. Velda mochte eine unerträgliche Nervensäge sein, aber sie war nun einmal eine Bürgerin und Steuerzahlerin, und sie besaß das unwiderrufliche Recht, Behörden und ihren Vertretern auf die Nerven zu gehen, wenn auch im Rahmen des Zumutbaren. Also öffnete sie die E-Mail.

Mein Junge wird heute mit dem Nachmittagsbus nach Hause kommen. Natürlich erwarte ich nicht, dass Sie sich so darüber freuen werden, wie ich das tue. Byron und ich, wir sind ganz gewöhnliche Leute. Wir haben keine Berühmtheiten und keine Reichen in unserer Familie, so wie es bei Ihnen der Fall ist. Für das wenige, das wir besitzen, haben wir hart arbeiten müssen. Niemand hat uns jemals irgendetwas geschenkt, und wir haben auch um nichts gebeten. Aber jetzt möchte ich Sie um etwas bitten. Schicken Sie nicht Sheriff Parker oder einen seiner Deputys alle fünf Minuten zu uns, um nachzusehen, ob Byron sich auch benimmt. Und kommen Sie auch nicht zu uns, nur weil irgendwo jemand eine rote Ampel überfahren hat oder weil ein paar Briefkästen mit einem Baseballschläger traktiert worden sind. Es wird nicht Byron sein, der dafür verantwortlich ist, das kann ich Ihnen schon jetzt versichern. Lassen Sie uns einfach in Ruhe, damit wir unser Leben leben können.

Hochachtungsvoll

Velda

Hochachtungsvoll, Velda. Wieder konnte Melissa nur seufzen, dann klickte sie auf den Antworten-Button und schrieb:

Hallo, Velda. Vielen Dank, dass Sie mir geschrieben haben. Ich kann Ihnen versichern, dass Byron weder von Sheriff Parker noch von mir Besuch bekommen wird, wenn er sich gut benimmt.

Viele Grüße

Melissa O’Ballivan

Nachdem sie die E-Mail verschickt hatte, stützte sie die Ellbogen auf die Tischplatte und rieb sich mit den Fingerspitzen über ihre Schläfen. Sie wäre wirklich besser mit J. P. zum Angeln gefahren.

„Das gehört alles uns“, sagte Steven zu Matt, als sie von der Landstraße abbogen und auf einem Feldweg weiterfuhren. „Jeder umgefallene Zaunpfahl, jeder verrostete Nagel und jedes kleine bisschen Unkraut.“

Matt, der angeschnallt in seinem Kindersitz saß, sah ihn an und grinste. „Können wir dann jetzt gleich ins Tierheim fahren und einen Hund holen?“

Steven musste lachen und schaltete einen Gang runter, unmittelbar bevor der alte Truck über eine Schwelle in der Fahrbahn holperte. Er versuchte sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal so hoffnungsvoll in die Zukunft geblickt hatte. Seit dem Tod von Zack und Jillie … nein, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, dann reichte es noch weiter zurück, dass er sich ganz darauf konzentriert hatte, einen Fuß vor den anderen zu setzen und logische Entscheidungen Schritt für Schritt zu treffen, ganz gleich wie unbedeutend oder weitreichend diese gewesen waren.

Was war heute so anders als sonst?

Es war nicht nur die Ranch, das konnte er sich insgeheim eingestehen, auch wenn er es nicht laut aussprechen wollte. Heute war er Melissa O’Ballivan begegnet, und er wusste, das konnte eine der besten oder eine der schlechtesten Erfahrungen seines Lebens werden. Cindy verdankte er, dass die Chancen für Letzteres deutlich besser standen.

„Ich hab sie sehr gemocht“, sagte Matt plötzlich, während sie auf dem Feldweg weiterfuhren und eine Wolke aus rotem Arizona-Staub hinter sich herzogen.

„Wen?“, fragte Steven, obwohl er die Antwort bereits kannte.

„Die Lady von der Parade“, antwortete Matt, wobei sein Tonfall etwas übertrieben nachsichtig klang. „Miss O… Miss O…“

„O’Ballivan“, half Steven seinem kleinen Schützling auf die Sprünge. Es war nicht so, dass sie ihm etwas bedeutete, er hatte nur schon immer ein Faible für Namen gehabt, weshalb er sie sich auch so leicht merken konnte. Das war alles.

„Ist sie die Mommy von irgendwem?“, wollte Matt wissen.

Kaum dachte er, dass er die Sache mit dem alleinerziehenden Vater im Griff hatte, kam der Junge mit etwas völlig Unerwartetem daher. „Ich weiß nicht, Tex“, entgegnete er. „Warum fragst du?“

„Ich mag sie“, erklärte Matt. Das war alles. Ich mag sie. „Ich mag es, wie sie lächelt und wie sie riecht.“

Ich auch, dachte Steven. Laut sagte er: „Sie scheint ganz nett zu sein.“

Aber das hatte für seine Freundin und Verlobte eine Zeit lang ebenfalls gegolten. Cindy hatte das Gesicht und den Körper eines Engels gehabt, und sie war die Freundlichkeit in Person gewesen – bis Zack starb und Steven ihr eröffnete, dass er Matt dauerhaft zu sich nehmen würde. In dem Moment war er davon überzeugt gewesen, dass sie einverstanden sein würde, ihn zu heiraten. Geplant hatten sie eine Hochzeit ohnehin schon lange, nur nie einen festen Termin ausgemacht.

Nie würde er ihren zornigen Blick vergessen, auch nicht die Art, wie sie den Mund verzog, und erst recht nicht, was sie zu ihm gesagt hatte.

„Ein Kind kommt für mich nicht infrage“, hatte sie in frostigem Tonfall erklärt. „Du hast die Wahl: der Junge oder ich.“

Verblüfft über ihre Reaktion – sie hatte so getan, als wäre nie vom Testament seiner besten Freunde die Rede gewesen – und von kalter Wut erfasst hatte er seine Entscheidung ohne zu zögern getroffen. „Dann fällt meine Wahl auf Matt.“

Cindy war sofort aus der Wohnung gestürmt, die Tür war hinter ihr zugeflogen, und dann hatte er gehört, wie sie in ihren teuren Wagen einstieg und mit durchdrehenden Reifen aus der Zufahrt zum Haus raste. Als sie wenig später über mehrere Etappen verteilt ihre Sache abholte, sprach sie allerdings davon, dass sie sich das alles noch mal durch den Kopf habe gehen lassen und bedaure, dass sie so ausgerastet sei. Hatte es da noch eine Chance für einen zweiten Anlauf gegeben?

Steven wünschte, es wäre so, doch zu dem Zeitpunkt war es längst zu spät gewesen. Sie war einen Schritt zu weit gegangen, und das konnte er nicht verzeihen, selbst wenn er es gewollt hätte.

„Wenn sie nicht die Mommy von irgendwem ist, dann will sie ja vielleicht meine Mommy werden“, überlegte Matt.

Tränen brannten Steven in den Augen, während er darüber nachdachte, was er darauf erwidern sollte.

„Und sie macht eine Parade“, freute sich der Junge.

Als sie die Ruine erreichten, die einmal die Scheune gewesen war, hielt Steven den Wagen an und stellte den Motor ab. Links von ihnen war das Ranchhaus zu sehen, das wie ein freundlicher Geist wirkte, der auf Gnade hoffte.

Sie hatten eine Campingausrüstung mitgebracht, und der Stromanschluss war bereits wieder aktiviert. Der von Steven vorab beauftragte Klempner hatte ihn wissen lassen, dass die Pumpe im Brunnen ordentlich arbeite, sodass sie auch Wasser hatten. Kaltes Wasser, aber wichtig war, dass es überhaupt Wasser gab. Außerdem konnte Steven Kaffee kochen, und wenn der Ofen noch funktionierte, würden sie eben so baden, wie man es früher auch gemacht hatte – mit einem Waschzuber in der Küche, der aus einem Kessel mit heißem Wasser gefüllt wurde.

Wie in der guten alten Zeit.

„Ja“, antwortete Steven mit Verspätung, dann stieg er aus, ging um den Wagen herum und half Matt aus dem Kindersitz. Sein Pick-up war ein altes Modell ohne hintere Sitzbank, aber er hatte einen neuen Wagen mit verlängertem Führerhaus und allen erdenklichen Extras bestellt. „Miss O’Ballivan wird eine Parade veranstalten.“

„Und du hast gesagt, dass du ihr helfen willst“, ergänzte Matt. Gegen einen solch überzeugten Tonfall ließ sich nur schwer etwas einwenden. Nein, genau genommen war es sogar völlig unmöglich.

Die Bemerkung entlockte Steven einen Seufzer. „Ja, ich weiß“, sagte er, hob Matt aus dem Truck, und sie gingen gemeinsam zum Haus.

„Das ist ja total irre hier“, rief der Junge, als er die eingesunkene Veranda sah, die abblätternde Farbe, die von der Dachkante herabhängenden Regenrinnen und die lockeren Ziegel, die zum Teil vom Dach gerutscht waren. „Vielleicht spukt es hier auch noch!“

Der halb ängstliche, halb hoffnungsvolle Ton entlockte Steven ein Lachen. Er hielt Matt die Hand hin und war froh, dass dieser nach ihr griff. „Ja, vielleicht.“ Nicht mehr lange, dann würde Matt nicht mehr an die Hand genommen werden wollen. „Aber das bezweifle ich doch sehr.“

„Geister mögen alte Häuser“, betonte Matt, als sie die Stufen zur Hintertür hinaufgingen. Bevor der Junge ihm folgen durfte, hatte Steven geprüft, ob die Holzbretter ihn trugen. „Vor allem wenn das Haus renoviert wird. Dadurch werden sie nämlich aufgeweckt.“

„Hast du dir im Fernsehen wieder eine von diesen gruseligen Reality-Serien angesehen?“, fragte Steven und drückte die Hintertür auf. Einen Schlüssel benötigte er nicht, das Schloss war schon vor Jahren vom Rost zerfressen worden.

„Das würde ich nie machen“, säuselte der Junge. „Das ist gegen die Regeln und so.“

„Wie kann ich auch nur auf den Gedanken kommen, du könntest gegen die Regeln verstoßen?“ Dabei musste er an Zack denken, dessen Lebensinhalt es gewesen war, gegen Regeln zu verstoßen. So wie es aussah, hatte ihm diese Einstellung schließlich den Tod gebracht.

Die Küche war in einer schlechteren Verfassung, als Steven es in Erinnerung hatte. Die Hängeschränke hatten sich verzogen. Das Linoleum war an den besten Stellen nur abgewetzt, an anderen hatte sich die letzte Schicht gelöst, sodass der schwarze Unterboden zum Vorschein gekommen war. Die Wasserhähne am Waschbecken waren verbogen. Die Kühlschranktür war nicht nur eingebeult, sondern an den Rändern blätterte auch die Lackierung ab, und der Griff wurde nur noch von einer einzelnen Schraube gehalten.

„Werden wir hier wohnen?“, fragte Matt, der inzwischen unüberhörbar besorgt klang. So viel zum Thema Geister.

„Jetzt noch nicht“, antwortete Steven und unterdrückte ein Seufzen. Hier drinnen konnte man nicht mal campieren, vom Wohnen ganz zu schweigen. Der Gedanke, mit dem Jungen ins Happy Wanderer Motel zurückkehren zu müssen, hatte etwas zutiefst Deprimierendes, aber die Auswahl in Stone Creek war nicht allzu groß, und die Nachbarstadt Indian Rock, in der es ein ganz gutes Hotel gab, lag immerhin vierzig Meilen entfernt.

„Gut“, meinte Matt, dem die Erleichterung nicht nur anzuhören, sondern auch anzusehen war. „Die Leute vom Tierheim würden uns nämlich bestimmt keinen Hund geben, wenn er hier leben müsste.“

Zu lachen erschien Steven immer noch besser als zu weinen. Er ging in die Hocke, damit er Matt in die Augen sehen und seine Schultern umfassen konnte. „Wir bekommen das schon hin“, sagte er. „Das verspreche ich dir.“

„Das glaube ich dir“, erklärte Matt. Wie so oft genügten ein paar Worte aus dem Mund des Jungen, und Steven kämpfte schon wieder mit den Tränen. „Können wir uns noch mein Zimmer ansehen, bevor wir in die Stadt fahren?“

„Na klar.“ Steven richtete sich auf.

Der unverwüstliche Matt begann bereits zu zweifeln, ob es wirklich eine so gute Idee war, wieder von hier wegzufahren. „Vielleicht sollten wir doch bleiben“, meinte er. „Es ist besser als im Hotel.“

„Dem widerspreche ich nicht. Aber im Happy Wanderer gibt es warmes Wasser, was ein Vorteil ist.“

„Wir könnten ein paar Tage aufs Duschen verzichten“, schlug Matt vor. Wenn er nicht gerade schwimmen ging, hasste er es zutiefst, nass zu werden. „Wo ist mein Zimmer?“

Steven führte ihn durchs Esszimmer. Obwohl es einen ersten Stock gab, würde dort oben niemand schlafen, solange die Renovierungsarbeiten nicht abgeschlossen und die Rauchmelder eingebaut und getestet worden waren.

„Da wären wir“, sagte er, öffnete eine Tür und machte einen Schritt zur Seite, damit Matt das Zimmer betreten konnte. Steven hatte nach dem Rundgang mit dem Makler vor einigen Monaten noch richtig in Erinnerung, dass es sich um ein großzügiges Zimmer mit hohen schmalen Fenstern handelte, durch die viel Licht nach drinnen fiel.

„Und wo ist dein Zimmer?“, wollte Matt wissen, als er in der Mitte des verstaubten Raums stand, den Kopf in den Nacken legte und die Decke anstarrte, als würde er überlegen, ob er in diesem Moment eine Kathedrale irgendwo in Europa besuchte und nicht in einem alten Ranchhaus mitten in Arizona stand.

Autor

Linda Lael Miller
<p>Nach ihren ersten Erfolgen als Schriftstellerin unternahm Linda Lael Miller längere Reisen nach Russland, Hongkong und Israel und lebte einige Zeit in London und Italien. Inzwischen ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt – in den weiten „Wilden Westen“, an den bevorzugten Schauplatz ihrer Romane.</p>
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