Wenn nur die Liebe siegt

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Seit seinem schweren Unfall hat Formel-1-Rennfahrer Rafael de Cervantes nur ein Ziel: wieder gesund zu werden. Und statt Frauen auf der ganzen Welt gibt es nur noch eine für ihn: seine Physiotherapeutin Raven. Allerdings steht sie an Schönheit den vielen Eroberungen aus seiner Vergangenheit in nichts nach! Und mit ihren sanften Händen lindert sie die Schmerzen in seinem Körper und entflammt sein Herz. Doch egal, in welche seiner Luxus-Welten der Playboy-Millionär sie mitnimmt, eine will sie absolut nicht betreten: die, in der die Leidenschaft siegt …


  • Erscheinungstag 29.09.2015
  • Bandnummer 2199
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702083
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Legen Sie die Arme um mich und halten Sie sich fest.“

Die Antwort auf ihre Aufforderung war ein tiefes, klangvolles Lachen.

Raven Blass spürte, wie es sie heiß und kalt durchlief. Bitte, lass mich diesem Lachen widerstehen, betete sie wie schon so oft in letzter Zeit. Bisher ohne Erfolg.

„Glauben Sie mir, bonita, mir braucht man nicht zu sagen, wie ich eine Frau umarmen muss“, erwiderte Rafael de Cervantes gedehnt. Seine Antwort wurde begleitet von einem tiefen Blick aus seinen scharfen, eisblauen Augen. Er strich langsam mit einem Finger über ihren nackten Arm.

Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, keine Reaktion auf seine Berührung zu zeigen. Es war nur einer seiner zahllosen Tests, mit denen er versuchte, sie aus der Ruhe zu bringen.

„Nun, Sie können tun, was ich sage, oder Sie bleiben im Wagen und verpassen die Taufe Ihres Neffen“, sagte sie äußerlich ungerührt. „Nachdem Sie zugesagt haben, Pate zu sein, würde das bei Ihrem Bruder und Sasha bestimmt nicht gut ankommen.“ Sie hatte gewusst, dass schon die Erwähnung von Sasha de Cervantes ausreichen würde, um seine provozierende Haltung in eisige Kälte zu verwandeln.

Rafael nahm die Hand von ihrem Arm und griff nach dem Gehstock. Sein Blick wurde hart. Tief in ihrem Inneren zog sich etwas schmerzhaft zusammen. Sie ignorierte das Gefühl und gratulierte sich im Stillen zu dem schalen Sieg.

Es ist gut, wenn er mich nicht berührt, sagte sie sich immer wieder. Jedenfalls, wenn es nichts mit meinem Job zu tun hat …

„Ich habe nicht zugesagt. Jedenfalls nicht direkt.“

Ihr entfuhr ein Schnauben. „Ja, stimmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ja zu etwas sagen, das nicht voll und ganz Ihrer Meinung entspricht, liegt ziemlich genau bei null Prozent. Es sei denn …“

Seine Augen wurden schmal. „Es sein denn?“

Es sei denn, Sasha hätte darum gebeten. „Nichts. Sollen wir es noch einmal versuchen? Legen Sie Ihre Arme …“

„Falls Sie nicht wollen, dass ich Sie küsse, bis Sie ruhig sind, schlage ich vor, Sie sparen sich Ihre Anweisungen und kommen näher. Wie soll das funktionieren, wenn Sie so weit weg sind? So dünn wie Sie sind, muss ich nur eine falsche Bewegung machen. Dann lande ich auf Ihnen und breche Ihnen alle Knochen.“

„Ich bin nicht dünn!“ Sie trat einen Schritt näher zur Tür des schwarzen Geländewagens. Verbissen bemühte sie sich, nicht zu tief seinen beunruhigend männlichen Duft einzuatmen. „Ich bin ein Meter neunundsiebzig groß, durchtrainiert und kann Ihnen mit einem Tritt die Knochen brechen. Denken Sie daran, bevor Sie etwas auch nur ansatzweise Anrüchiges versuchen.“

Sein Lächeln kehrte zurück. „Dios, ich liebe es, wenn Sie so schmutzige Dinge zu mir sagen. Obwohl man mir bisher noch nie unterstellt hat, anrüchig zu sein. Was soll das überhaupt bedeuten?“

„Das soll bedeuten: Konzentrieren Sie sich, oder es wird nie funktionieren!“

Rafael lachte leise, löste seinen Sicherheitsgurt und legte einen Arm um ihre Schultern. „Schön. Tun Sie mit mir, was Sie wollen, Raven. Ich begebe mich voll und ganz in Ihre Hände.“

Mit jeder Faser wünschte sie, die Röte stoppen zu können, die in ihre Wangen stieg. Aber das war die einzige Reaktion, die sie noch nie hatte kontrollieren können. Früher war dies eine großartige Quelle der Erheiterung für ihren Vater und seine Freunde gewesen. Besonders für einen Freund.

Raven schob die unwillkommene Erinnerung fort und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Ihren Job.

Sie brachte sich in die richtige Position, legte einen Arm um Rafaels Taille und spannte die Muskeln an. Zwar war er verletzt, aber fast zwei Meter groß. Durch Jahre disziplinierten Trainings gab es nicht ein Gramm Fett an seinem perfekten Körper, nur harte Muskeln. Sie brauchte ihre gesamte Erfahrung als Physiotherapeutin, damit er sie nicht wie angekündigt umwarf.

Sie spürte, wie er zusammenzuckte, als er sich aufrichtete, aber als sie ihn ansah, verriet sein Gesicht keine Spur von seinem Schmerz.

Ein Unfall mit seinem Formel-1-Rennwagen, gefolgt von Wochen im Koma, hatte vor acht Monaten seine Weltmeisterschaft vorzeitig beendet. Rafaels Becken war an mehreren Stellen gebrochen gewesen, ebenso ein Bein. Während der Zeit im Koma konnten nur die nötigsten Behandlungen vorgenommen werden, und nun war die Genesung ein langwieriger und entmutigender Prozess.

Dass er sich starrköpfig weigerte, auch nur die kleinste Anweisung zu befolgen, und ständig ihre Grenzen testen musste, verschlimmerte die Situation noch.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte Raven. Denn es war ihr Job, dafür zu sorgen, dass es ihm gut ging. Mehr nicht!

Er zog sich allein zu seiner vollen Größe hoch, zupfte seinen handgenähten Maßanzug zurecht und strich sich mit den Fingern das schwarze Haar aus der Stirn. Dann musterte er ihr Gesicht mit derselben unerträglichen Ungerührtheit, mit der er alles im Leben anging. Für einen langen Moment ließ er seinen Blick auf ihrem Mund ruhen, bevor er ihr in die Augen sah. „Fragen Sie das als meine Physiotherapeutin oder als die Frau, die hartnäckig meine Aufmerksamkeiten verschmäht?“

Sie presste die Lippen zusammen. „Als Therapeutin natürlich. Ich habe nicht das geringste Interesse, Ihre … Ihre …“

„Meine Geliebte zu werden? Nun, das würde aber viele Ihrer Probleme lösen, Raven, meinen Sie nicht? Es würde zum Beispiel die erotische Spannung zwischen uns erträglicher machen. Ich kann sehen, wie Sie fast daran ersticken. Stellen Sie sich vor, wie ich Sie …“

„Können Sie laufen, Rafael?“, unterbrach sie ihn energisch. Sie hasste es, wie ihr Herz bei seinen Worten raste.

„Aber natürlich, querida. Dank Ihrer unermüdlichen Bemühungen im letzten Monat bin ich nicht mehr an den Rollstuhl gefesselt. Aber Sie dürfen gern noch länger mit Ihren Fingern mein Hinterteil liebkosen.“

Sofern überhaupt möglich, vertiefte sich die Röte in ihren Wangen noch. Raven fluchte erstickt und zog ihre Hand zurück. Hastig trat sie einen Schritt zurück und wandte das Gesicht ab.

„Spielverderber“, spottete er lachend.

Sie unterdrückte den Impuls, die Hände zu Fäusten zu ballen. „Wie lange wollen Sie damit noch weitermachen? Warum suchen Sie sich nicht jemand anderen, über den Sie sich amüsieren können?“

Sein Lächeln verschwand. „Vielleicht ist es ja genau das, was mich dazu bringt weiterzumachen, guapa. Vielleicht will ich sehen, wie weit ich bei Ihnen gehen kann.“

Sie schluckte und überlegte, ob sie versuchen sollte, seinem Blick standzuhalten, bis er aufgab. Aber sie wusste, wie gut er dieses Spiel beherrschte. Zum Teufel, Rafael war in den meisten Spielen ein Meister. Er würde die Herausforderung nur begrüßen.

Sie griff hinter ihn und knallte die Tür zu, dann begann sie, mit ihm auf den Eingang der Kirche zuzugehen. „Falls Sie versuchen, mich mit Ihrem unerträglichen Verhalten zur Kündigung zu bewegen, geben Sie auf!“, sagte sie fest. „Dazu ist schon etwas mehr nötig, als Ihre sexuellen Belästigungen.“

Bevor er antworten konnte, begann die Kirchenglocke zu läuten. Tauben flatterten aus dem Glockenturm der winzigen weiß gekalkten Kirche, die seit Hunderten von Jahren auf dem Land der de Cervantes stand.

Raven ließ den Blick an der Kirche vorbei über die endlosen Weinberge gleiten.

„Sollen wir den ganzen Tag lang hier stehen oder müssen wir für diese Veranstaltung hineingehen?“

Sie holte tief Luft. „Es ist nicht irgendeine Veranstaltung, sondern die Taufe Ihres Neffen. In einer Kirche. Mit anderen Gästen. Also benehmen Sie sich anständig!“

Er lachte leise. „Sonst was? Wollen Sie mich übers Knie legen? Oder nur darum beten, dass ich vom Blitz erschlagen werde?“

Raven verkniff sich eine schnippische Erwiderung, vor allem, weil ihr durchaus bewusst war, wie hart dieser Morgen für ihn sein musste. Von seiner Haushälterin wusste sie, dass Rafael seit seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus in Barcelona heute zum ersten Mal wieder mit seiner Familie zusammentraf. „Ärgern Sie mich, so viel Sie wollen. Sie werden es nicht schaffen, mich auf diese Weise zu vertreiben.“

„Eine Märtyrerin bis zum bitteren Ende?“

„Eine Physiotherapeutin, die weiß, wie schlecht gelaunt Patienten sein können, wenn nicht alles nach ihrem Willen läuft.“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich nicht genau das bekomme, was ich will?“

„Ich habe heute Morgen gehört, wie Sie mit Marco telefoniert haben … Sie wollten sich vor der Patenschaft drücken. Aber da Sie jetzt hier sind, nehme ich an, dass er Sie nicht aus Ihrer Pflicht entlassen hat.“

Ein Muskel zuckte in seiner Wange.

„Wie gesagt, ich erkenne einen schlecht gelaunten Patienten, wenn ich einen vor mir sehe.“ Sie spürte, wie er sich anspannte, als sie die Kirche betraten. Die Cervantes-Familie und die wenigen anwesenden Freunde wandten die Köpfe und sahen zu, wie sie langsam durch den Mittelgang schritten.

„Ein Jammer, dass Sie kein weißes Kleid tragen“, raunte Rafael ihr zu. Er nahm ihren Ellbogen und zwinkerte einem Supermodel zwischen den Gästen zu.

Doch Raven konnte die angespannten Linien um seinen Mund sehen. Rafael wollte wirklich nicht hier sein. „Weißes Kleid?“, fragte sie nach.

„Stellen Sie sich vor, wie die Fantasie mit allen durchgehen würde.“

„Selbst wenn ich einen Schleier zum weißen Kleid tragen würde, würde keiner auf den Gedanken kommen, es könnte Ihre Hochzeit sein, Rafael. Die Leute hier würden eher an den Weihnachtsmann glauben als an Sie vor dem Altar!“

Für einen winzigen Moment wurde sein Griff fester, dann kehrte sein Lächeln zurück. „Ausnahmsweise haben Sie recht. Hochzeiten langweilen mich zu Tode, und wenn Sie mich fragen, sollte im Lexikon neben diesem unsäglichen Wort eine Schlinge abgebildet sein.“

Inzwischen waren sie nur noch wenige Schritte von der vordersten Kirchenbank entfernt, wo Rafaels Bruder und seine Frau saßen und ihr Baby bewunderten.

„Ich denke nicht, dass Ihr Bruder und seine Frau diese Meinung teilen“, gab Raven zu bedenken.

Rafaels Lippen wurden schmal. Er zuckte mit den Schultern. „Ich gebe zu, dass hin und wieder ein Wunder geschieht. Aber warten wir erst einmal ab, ob es sich hier um eine Illusion oder die wahre Liebe handelt.“

Sein Zynismus ließ ihren Atem stocken. Bevor sie etwas entgegnen konnte, trat der Pfarrer an den Altar und begann mit der Messe. Raven sah, wie Rafaels Miene mit jeder Minute angespannter wurde.

Sein offensichtliches Unbehagen erweichte ihr Herz. „Entspannen Sie sich“, flüsterte sie ihm zu. „Selbst der größte Idiot würde kein Baby fallen lassen.“

Er sah sie an und zog die Brauen zusammen. „Sehr schmeichelhaft, vielen Dank, aber ich habe nicht vor, meinen Neffen fallen zu lassen. Ich will das Ganze einfach nur hinter mir haben, damit ich mich endlich wieder spannenderen Dingen zuwenden kann.“ Er ließ seinen Blick langsam wie eine Liebkosung über ihren Körper zum Ausschnitt ihres orangefarbenen Chiffonkleides gleiten. „Zum Beispiel der Frage, wie Sie ohne dieses Kleid aussehen.“

Glühende Hitze schoss in ihre Wangen. Es hatte keinen Sinn, ihn zurechtzuweisen. Er wusste selbst ganz genau, wie unangebracht seine Worte waren.

„Rafa?“, unterbrach sie die tiefe Stimme von Marco de Cervantes.

Wie die meisten Leute, die für das Formel-1-Team gearbeitet hatten, wusste Raven alles über die Cervantes-Brüder. Jeder auf seine Weise umwerfend attraktiv und erfolgreich, brachten sie die Frauenherzen reihenweise zum Schmelzen.

Marco hatte seine Karriere als Formel-1-Fahrer schon vor Jahren hinter sich gelassen und war jetzt Chef des Rennteams und Rennwagendesigner. Rafael dagegen fuhr nicht nur selbst Rennen, sondern war seit seinem achtundzwanzigsten Geburtstag auch Vorstandsvorsitzender von Formel-1-Premier. Aufgabe des millionenschweren Unternehmens war es, Formel-1-Fahrer zu betreuen und zu trainieren.

Zusammen hatten die beiden Brüder mehr Medaillen und Titel gewonnen als jedes andere Team in der Geschichte des Rennsports. Doch das vergangene Jahr hatte alles verändert. Marco hatte das Rennteam verkauft und die Rennfahrerin Sasha Fleming geheiratet. Und Rafaels schwerer Unfall hatte vorerst seine Karriere als Fahrer beendet.

Wie immer, wenn Raven an den Unfall dachte – und ihren eigenen Anteil daran –, durchfuhren sie Schuldgefühle. Doch jetzt war weder die Zeit noch der Ort dafür.

Aber richtiges Timing war noch nie ihre Stärke gewesen

Wenn es darum ging, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, würde sie jedes einzelne Mal den ersten Preis gewinnen. Mit sechzehn hatte ihr diese Fähigkeit eine ungewollte Aufmerksamkeit beschert, die nicht nur ihre ohnehin schon harte Kindheit grausam beendet, sondern sie für das ganze Leben gezeichnet hatte.

Als erwachsene Frau von dreiundzwanzig hatte sie dann dummerweise geglaubt, sie hätte die Vergangenheit hinter sich gelassen. Durch die Begegnung mit Rafael de Cervantes war ihr dann aber schnell klar geworden, wie gründlich sie sich geirrt hatte.

Rafaels Lippen dicht an ihrem Ohr unterbrachen ihre quälenden Gedanken. „Ich bin dran. Das heißt, Sie auch.“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. „Wie bitte?“

„Ich muss zum Taufbecken, aber ich kann kaum gerade stehen, pequeña. Es wird Zeit für Sie, Ihre Pflicht zu tun und mich zu stützen – für den Fall, dass es mir zu viel wird und ich umfalle.“

„Aber Sie sind sehr gut in der Lage …“

„Rafa!“ Ein Hauch Ungeduld klang in Marcos Stimme mit.

Rafaels Braue zuckte, und er streckte seinen Arm aus. Raven seufzte, dann erhob sie sich und half ihm beim Aufstehen. Wieder legte er seinen Arm um ihren Körper. Und wieder spürte sie, wie ihre Professionalität ihr zu entgleiten drohte. Erfolglos versuchte sie, das ungezügelte Begehren zu bekämpfen – oder es wenigstens zu ignorieren. Seitdem sie Rafael vor einem Jahr zum ersten Mal gesehen hatte, entzündete er mühelos diese wilde Leidenschaft in ihr.

Während der Zeremonie wiederholte Rafael die Worte, die ihn an seinen kleinen Patensohn banden. Welches Recht habe ich, Pate zu werden? dachte er voller Selbstverachtung. Alles, was er anfasste, wurde am Ende zu Schutt und Asche. Früher oder später ruinierte er alles Gute in seinem Leben. Immer wieder hatte er versucht, Marco dies zu erklären. Zum Teufel, noch heute Morgen hatte er seinen Bruder gebeten, ihn aus seiner Verpflichtung zu entlassen! Aber in seinem neu gefundenen Liebesglück hatte Marco sich geweigert, einen anderen Paten zu suchen.

Rafael war niemandes Held. Und der letzte Mensch, dem ein Vater sein Kind anvertrauen sollte.

Er sah auf das süße, unschuldige Gesicht seines Neffen herunter. Wie lange würde es dauern, bis Jack de Cervantes ihn als das sah, was er wirklich war? Eine leere Hülle. Ein herzloser Bastard, der nur zwei Dinge konnte: schnelle Autos fahren und Frauen verführen.

Rafael bewegte sich, und Schmerz schoss durch seine Hüfte. Er zuckte innerlich mit den Schultern, nahm die Kelle aus der Hand des Priesters und ließ einige Tropfen Wasser auf die Stirn seines Neffen fallen.

Als das Baby protestierend aufschrie, nickte er zufrieden. Hoffentlich sah der Kleine ihn gründlich an und lief in Zukunft bei jeder Begegnung schreiend weg.

Als sich nun auch andere Gäste versammelten und versuchten, den schreienden Jungen zu beruhigen, legte Rafael die Kelle ins Becken und trat zurück. Er hörte, wie Raven neben ihm tief Luft holte. Froh über die Ablenkung, sah er sie an. Sein Blick traf ihre meergrünen Augen, dann glitt er tiefer, hinunter zu dem verlockenden Tal zwischen ihren vollen Brüsten. Nicht hier, nicht jetzt, dachte er bedauernd.

Was auch immer zwischen ihnen war – es gehörte nicht an diesen Ort, an dem überall dunkle Erinnerungen lauerten.

Sein Körper versteifte sich, als Rafael hinter sich das Geräusch eines Rollstuhls vernahm. Er heftete seinen Blick fest auf Raven. Zum Glück hielt der Rollstuhl einige Schritte hinter ihm an, und er hörte, wie die vertraute Stimme Grußworte mit anderen Gästen tauschte.

Mit jeder Faser wünschte Rafael sich fort … an jeden anderen Ort, nur nicht hierher, wo ihn die dicken Kerzen und die duftenden Blumen an andere Kerzen und Blumen in einem Schrein erinnerten, nicht allzu weit entfernt von dem Platz, an dem er jetzt stand. Sie waren eine ständige Erinnerung an das, was er getan hatte. Eine Erinnerung, dass nur durch seine Schuld dies der letzte Ruheplatz seiner Mutter war.

Sein Atem stockte, als jetzt Sasha auf ihn zukam und ihm ihren Sohn in den Arm legte.

„Er hat eine kräftige Stimme, nicht wahr?“, sagte sie lachend.

Er betrachtete das perfekte Bild von Mutter und Kind, und etwas zog sich in seiner Brust zusammen. Dies hatte er seiner Mutter genommen – die Chance, ihren Enkel kennenzulernen.

„Rafael?“

Er brachte ein halbes Lächeln zustande. „, meine armen Ohren schmerzen jetzt noch.“

Sie lachte und verdrehte die Augen. „Ach, komm, so schlimm ist mein kleiner Junior nun auch wieder nicht. Außerdem hat Marco mir erzählt, dass er ganz nach dir kommt.“ Sie wurde ernst und musterte ihn aufmerksam. „Und jetzt sag: Wie geht es dir?“

„Was soll ich sagen? Dass ich durch und durch gelangweilt von dieser Frage bin, weil sie mir nahezu jeder stellt?“ Er hob seinen Gehstock. „Meine kluge Physiotherapeutin behauptet, ich wäre zwischen Phase zwei und drei im Genesungsprozess, was immer das bedeuten soll. Ich weiß nur, dass ich immer noch ein gebrochener Mann bin.“ Auf mehr Arten, als er zugeben wollte.

Sie rieb sanft den Rücken ihres Sohnes. „Du bist alles, aber nicht gebrochen. Und wir fragen alle auch nur, weil wir uns Sorgen machen.“

, ich weiß. Aber es ist mir unangenehm.“

Ihre Augen wurden dunkler, doch ihr Lächeln blieb. „Das tut mir leid. Aber wir werden damit nicht aufhören, nur weil du jedes Mal deine Stacheln aufstellst, sobald wir in deine Nähe kommen.“ Ihr energischer Blick glitt zu Raven, die sich gerade mit einem anderen Gast unterhielt. „Ich hoffe, du machst es ihr nicht zu schwer. Ich habe gehört, es gäbe keine bessere Physiotherapeutin.“

Obwohl er selbst wusste, wie unpassend es war, konnte er seinen Blick nicht von Ravens perfektem Körper lösen. „Wie ich meine Physiotherapeutin behandle, geht dich nun wirklich nichts an, Sasha.“

Sie senkte den Blick, doch Rafael hatte noch die Traurigkeit in ihren Augen gesehen.

„Ich bin immer noch deine Freundin, ganz egal, was du denkst. Also hör auf, mich wegzustoßen.“

Er seufzte. „Ich hatte völlig vergessen, wie hartnäckig du bist.“

„So hartnäckig wie dein Patensohn. Er fordert deine Anwesenheit bei der Feier. Wir sehen euch also in einer halben Stunde in der Villa. Und keine Ausreden!“

„Wenn du darauf bestehst.“

„Das tue ich. Oder muss ich meine Gäste im Stich lassen und dich persönlich abholen? Das würde Marco gar nicht gefallen.“

„Ich habe keine Angst mehr vor meinem Bruder, seit ich meine Milchzähne verloren haben.“

„Ich weiß, aber ich weiß auch, dass du ihn nicht enttäuschen willst. Und außerdem ist ja auch noch Raven da.“

Er wandte sich um und sah, dass Raven mit einem der Messdiener sprach. Ihr Kopf war gebeugt. Als sie nickte, fiel ihr das Haar über die Wangen. Im Licht der Kirchenfenster schimmerte es schwarz wie Rabenflügel. Da seine Krankheit ihren engen Körperkontakt nötig machte, wusste Rafael genau, wie weich und seidig es sich auf seiner Haut anfühlte. Schon lange ärgerte er sich nicht mehr über das wilde Verlangen bei jedem Blick auf Raven. Im Gegenteil, er begrüßte es, dass seine Libido endlich zurückgekehrt war.

„Was ist mit Raven?“, fragte er.

„Wir haben sie bei der Arbeit gesehen. Sie ist dafür berüchtigt, ausgewachsene Männer zum Weinen zu bringen. Ich wette, ich kann sie davon überzeugen, dich notfalls auch gegen deinen Willen in den Wagen zu verfrachten und an der Villa abzuliefern.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und ging zu Marco zurück. Rafael sah, wie sein Bruder sofort die Hand nach ihr ausstreckte, und biss die Zähne zusammen. Er hatte seiner Familie so viel genommen …

„Also, wofür haben Sie sich entschieden?“, fragte Raven und schlenderte auf ihn zu. „Werden Sie freiwillig gehen oder muss ich Gewalt anwenden?“

Bei der Vorstellung schlug sein Herz schneller. „Sie haben zugehört?“

„Das ließ sich nicht vermeiden. Sie denken ja ganz offensichtlich nicht daran, Ihre Stimme zu senken, wenn Sie Ihre Frechheiten loslassen.“

Jetzt musste er lachen. Es überraschte ihn selbst, wie gut es sich anfühlte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal Grund zum Lachen gehabt hatte. Köpfe drehte sich nach ihnen um, aber es interessierte ihn nicht. Viel mehr interessierte ihn die Röte in Ravens Wangen. „Denken Sie, die Engel werden mich strafen? Werden Sie mich dann retten?“

„Nein, Rafael. Ich denke, alle Engel und Heiligen sind sich einig, dass Sie nicht mehr zu retten sind. Niemand kann Sie retten.“

Obwohl er sich seit langer Zeit selbst verdammte, zog sich bei ihren Worten seine Brust zusammen. Jeder Funken Freude verschwand aus seiner Seele, als er sich an ähnliche Worte erinnerte, gesprochen vor acht Monaten, von derselben Stimme, von derselben Frau.

Damals – genau wie heute – hatte er gespürt, wie sich ein Abgrund der Verzweiflung vor ihm öffnete und seine Seele verschlang, bis nur noch Dunkelheit zurückblieb.

Er beugte sich vor. „Was, zum Teufel, wollen Sie dann hier, Raven?“

2. KAPITEL

Ich bin nicht hier, um Sie zu retten.

Raven sprach die Worte nicht aus, doch eine Stunde später lauerten sie noch immer in ihrem Kopf. Sie stand auf der Terrasse von Marcos und Sashas Haus, aber diesmal konnte selbst die atemberaubende Umgebung der Casa León sie nicht von ihren Gedanken ablenken.

Ich bin nicht hier, um Sie zu retten …

Sie schnaubte. So ein Blödsinn, natürlich war sie das! Genau aus diesem Grund hatte sie Rafael schließlich besucht, nachdem er aus dem Koma erwacht war.

Deshalb war sie vor fünf Wochen nach London geflogen. Und hatte ihn angefleht, ihr den Job zu geben, nachdem sie herausgefunden hatte, welch schlechte Arbeit seine Physiotherapeuten leisteten. Nicht weil sie ihre Arbeit nicht beherrschten, sondern weil Rafael offensichtlich gar nicht wollte, dass es ihm besserging und seine Therapeuten zu eingeschüchtert waren, um gegen seine Wünsche zu handeln. Und mit Sicherheit ertrug sie deshalb jetzt auch seinen respektlosen Spott. Sie wollte die Dinge in Ordnung bringen, wollte jedes einzelne Wort zurücknehmen, das sie vor acht Monaten zu ihm gesagt hatte, direkt bevor er in das Cockpit seines Wagens geklettert und wenige Minuten später gegen die Betonmauer gefahren war.

Es war nicht seine Schuld, dass sie nicht in der Lage gewesen war, ihre albernen, verrückten, wahnwitzigen Gefühle in den Griff zu bekommen, bevor es fast zu spät gewesen war.

Und er konnte auch nichts dafür, dass er eine Kopie ihres herzlosen Playboy-Vaters war.

Nein, das ist nicht wahr. Er war keine bloße Kopie. Rafael war niemandes Kopie. Er war ein ganz eigenes Exemplar, mit einem Lächeln, bei dem jeder Frau das Herz aufging, selbst wenn sie genau wusste, dass er es brechen würde. Er besaß mehr Charme in seinem kleinen Finger als die meisten Playboys im ganzen Körper – ihren Vater eingeschlossen.

Aber Raven hatte bei ihrer Mutter miterlebt, welchen verheerenden Schaden der Charme eines Playboys anrichten konnte. Und doch – nach fünf Wochen in Rafaels Gesellschaft hatte sie sehen wollen, was sich unter seiner glatten Fassade verbarg.

Wie oft hatte sie sich schon gewünscht, einfach die Uhr zurückdrehen zu können. Den Mund gehalten zu haben.

„Na, denken Sie an mich?“

An ihrem Ohr spürte sie Rafaels warmen Atem.

„Wie kommen Sie darauf?“ Sie holte tief Luft, bevor sie sich zu ihm umwandte.

„Ich haben Sie lange genug gründlich beobachtet, um Ihr Stirnrunzeln zu deuten. Zwei Linien heißen, Sie sind unzufrieden, weil ich nicht zuhöre, wenn Sie mir predigen, wie viele Bauchmuskelübungen oder Kniebeugen ich machen soll. Drei Linien verraten, dass Sie aufgewühlt sind. Wahrscheinlich wegen unseres letzten Gesprächs vor meinem Unfall.“ Er reichte ihr ein Glas Champagner. „Jetzt sehe ich ein Drei-Linien-Runzeln.“

Sie nahm das Glas und sah zur Seite. „Denken Sie wirklich, ich wäre so leicht zu durchschauen?“

„Allein die Tatsache, dass Sie meine Worte nicht abstreiten, bestätigt mir das. Ihr Schuldgefühl bringt Sie fast um. Geben Sie es zu“, sagte er in leichtem Plauderton. Er nahm einen Schluck Champagner. „Und es macht Sie wahnsinnig, dass ich mich zwar nicht an den Unfall erinnern kann, dafür aber an jedes Wort, das Sie kurz vorher zu mir gesagt haben. Habe ich recht?“

„Ich … Rafael … es tut mir leid …“

„Ich habe Ihnen schon in Barcelona gesagt, dass eine einfache Entschuldigung nicht reicht, um alles wiedergutzumachen. Dazu braucht es mehr als bloßer Worte, mi corazón.“

„Und ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich nicht Ihr Betthäschen werde, nur um Ihnen zu beweisen, wie leid es mir tut.“

„Sollen wir einfach so weitermachen? Wir halten die erotische Anziehung doch beide kaum noch aus.“ Er lächelte spöttisch. „Aber wir werden ja sehen, wer zuerst nachgibt.“

„Ist das alles wirklich nur ein Spiel für Sie?“

„Natürlich. Womit soll ich sonst die Zeit totschlagen?“

„Sie können zurzeit vielleicht keine Rennen fahren, ja. Aber mit Ihrem Geld sollte Ihnen etwas Sinnvolleres einfallen, um Erfüllung zu finden.“

„Erfüllung … Als Nächstes empfehlen Sie mir noch, zu meditieren, um mit meinem Chakra in Berührung zu kommen.“

„Meditation ist gar keine schlechte Sache. Ich könnte Ihnen zeigen …“

Er lachte spöttisch. „Flechten wir uns dabei auch die Haare? Und rauchen einen Joint oder zwei?“

Raven versuchte, nicht zu zeigen, wie wütend sie war. „Ich kann nicht verstehen, was all diese Mädchen in Ihnen sehen. Sie sind eingebildet, arrogant und urteilen über Dinge, von denen Sie nichts verstehen.“

„Ich verschwende meine Zeit nicht mit Sachen, die mich nicht interessieren. Aber Frauen interessieren mich. Davon verstehe ich etwas. Und ich weiß eine Menge über Frauen wie Sie.“

„Frauen wie mich?“ Sie erstarrte. „Was soll das heißen?“

„Nun, Sie verstecken Ihre Gefühle gern hinter Angriffen, nehmen alles persönlich und regen sich über die kleinste Provokation auf. Es ist ganz offensichtlich, dass Sie in der Vergangenheit ein traumatisches Erlebnis …“

„Die meisten Leute in meinem Alter haben nicht nur schöne Zeiten hinter sich“, fiel Raven ihm ins Wort. „Sie müssen sich schon etwas mehr anstrengen, um mich von Ihrer Fähigkeit als Frauenversteher zu überzeugen.“

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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