Wiedersehen in deinem Bett

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Ob Luca sie wiedererkennt? Brianna Carson ist unsicher, wie sie mit ihrem Schwarm vom College umgehen soll. Damals hat er sie abgewiesen, aber jetzt - mit einer neuen Frisur und ein paar Pfunden weniger auf den Rippen - könnte Brianna undercover einen neuen Versuch wagen, den verboten heißen Luca zu verführen. Auf mehr als ein paar leidenschaftliche Nächte ist sie nicht aus, denn als Scheidungsanwältin weiß sie, was passiert, wenn die Liebe nachlässt. Doch Lucas sanfte Berührungen wecken ganz neue, zarte Gefühle in ihr …


  • Erscheinungstag 19.03.2021
  • Bandnummer 57
  • ISBN / Artikelnummer 9783745752793
  • Seitenanzahl 208
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Brianna

„Komm schon, komm schon, komm schon“, murmele ich vor mich hin, während der Taxifahrer durch St. Moritz schleicht. In diesem wunderschönen Ort inmitten der Alpen heiratet mein Cousin Tate, und wahrscheinlich fragt er sich gerade, wo ich bleibe.

Beim Blick auf meine Uhr stöhne ich innerlich auf. Ich hasse es, zu spät zu kommen. Das kann ich einfach nicht ausstehen. Sonst bin ich immer stolz auf meine Pünktlichkeit, aber der Termin am Scheidungsgericht hat sich verzögert, und dadurch musste ich zum Flugplatz hetzen, um dort Granddads Privatjet zu besteigen. Als ich endlich auf meinem Platz saß, hatte der Learjet bereits stundenlang auf dem Flugfeld gewartet. Granddads persönliche Flugbegleitung hat mich streng gemustert. Wahrscheinlich sehe ich aus, als hätte man mich frisch aus dem Schleudergang gezogen und falschrum zum Trocknen aufgehängt.

Allerdings fühle ich mich jetzt alles andere als trocken. Das liegt wohl an dem turbulenten Flug und der sommerlich hohen Luftfeuchtigkeit hier in den Alpen.

Ich zupfe mir die klammfeuchte Bluse etwas von der Haut und werfe wieder einen schnellen Blick auf die Uhr. Verdammt, das Partydinner des Brautpaars sollte vor einer Viertelstunde anfangen! Als umsichtiger Mensch lässt Tate meinetwegen bestimmt gerade alle auf das Essen warten.

In mir entlädt sich eine Doppelpackung Schuldgefühle. Alle anderen müssen warten, nur weil ich aufgehalten wurde und weil ich jetzt bei diesem vor sich hinpfeifenden Fahrer im Taxi festsitze, das sich im Schneckentempo fortbewegt. Die New Yorkerin in mir würde am liebsten nach vorn auf den Beifahrersitz klettern, um mit dem Fuß ans Gaspedal zu kommen. Und es bis zum Bodenblech durchzutreten.

„Immer mit der Ruhe, wir sind fast da.“ Anscheinend merkt der Taxifahrer mir die innere Anspannung an. Er lässt die Hand schweifen. „Sehen Sie sich um. Genießen Sie die Aussicht. Wenn einen solche Schönheit umgibt, vergisst man jede Hektik“, erklärt er mit einem so starken französischen Akzent, dass man ihn kaum versteht.

Langsam atme ich aus und sehe nach draußen. Mein Gott, ich hatte vergessen, wie fantastisch die hohen Berge der Alpen sind. So etwas habe ich noch nirgendwo sonst gesehen. Ich bewundere die Bergspitzen, die im Sonnenlicht strahlen. Selbst im Sommer sind diese Gipfel schneebedeckt. Mein Blick schweift zu dem imposanten Palace Hotel oberhalb vom St. Moritzersee. Die Erinnerungen, die mich bestürmen, bringen mich zum Lächeln. Als Teenager habe ich viel Zeit mit Granddad und Tate verbracht, besonders nachdem mein Vater uns verlassen und meine Mutter sich innerlich ausgeklinkt hat. Aber der Gedanke an Granddad bringt mir sofort wieder einen neuen Schwung an Schuldgefühlen.

Im Verlauf der letzten Jahre hat seine Gesundheit nachgelassen, und deshalb hat Tate erst kürzlich seine Anwaltskanzlei von Boston nach Manhattan verlegt, um ihm näher zu sein. Ich hatte beruflich so verdammt viel zu tun und habe teilweise sechzehn Stunden am Tag gearbeitet, um zu beweisen, dass ich als Teilhaberin der Kanzlei geeignet bin. Deshalb hatte ich weniger Kontakt zu meiner Familie, als mir lieb gewesen wäre. Aber wenn ich mit ihm zusammen bin, verbringt Granddad die meiste Zeit damit, mich zu löchern, wann ich endlich heirate.

Das werde ich nicht.

Niemals.

Ein erstickter Laut dringt aus meiner Kehle, und ich bemerke den Blick des Taxifahrers im Rückspiegel. Aber mal im Ernst: Als Scheidungsanwältin habe ich tagtäglich mit Pärchen zu tun, die sich bis aufs Blut bekämpfen. Mittlerweile habe ich gelernt, dass die anfängliche Liebe immer in Gier und Hass endet. Und wenn mir das noch nicht als Ernüchterung reicht, brauche ich mich nur im privaten Umfeld umzusehen. In meiner Familie haben die meisten Männer eine Schwäche für jüngere Frauen und schaffen es nicht, sich für lange Zeit zu binden. Deshalb setzen sie immer wasserfeste Eheverträge auf. Noch dazu hat sich der letzte Kerl, mit dem ich längere Zeit ausgegangen bin, als verlogenes Arschloch entpuppt hat. Und dann spüre ich natürlich immer noch den Stich der Zurückweisung durch diesen einen Typen an der Uni, damals, in meinem ersten Jahr an der University of Oxford. Er war der fleischgewordene, italienische Gott, nach dem jedes Mädchen sich sehnt. Ein Vorfall hat gereicht, um mir zu zeigen, was für ein arroganter Schnösel er war. Es hat mir auf Jahre hinweg das Selbstbewusstsein geraubt.

Ob ich zynisch bin? Ja, unbedingt, zu hundert Prozent. Wenn ich jetzt mit einem Mann zusammen bin, dann nur zu meinen Bedingungen. Keine Liebe, keine Romantik, nur rein körperliche One-Night-Stands ohne jede Erwartung. So mag ich es, und auch wenn es Granddad nicht gefällt, bleibt ihm keine andere Wahl als es zu akzeptieren.

„Da sind wir.“ Der Fahrer bremst vor dem Raydolins Hotel an, das wie viele andere luxuriöse Resorts meinem Granddad gehört. Ich ziehe ein paar Geldscheine aus meiner Handtasche und reiche sie dem Fahrer schnell. Der Mann steigt aus und holt mein Gepäck aus dem Kofferraum, während ich von der Rückbank klettere und in der Autoscheibe mein Aussehen prüfe. Ist diese verschwitzte und zerzauste Person wirklich Brianna Carson? Innerlich zucke ich zusammen.

Mein Haar ist ein krauses Chaos, das bei dieser Luftfeuchtigkeit kein Haarspray jemals wieder geordnet bekommt. Ich wische mir über die dunklen Ringe unter meinen müden Augen und mache dadurch alles nur noch schlimmer. Na toll, jetzt sehe ich aus wie ein wütender Waschbär auf Schmerzpillen! Vielleicht hilft ein bisschen Lippenstift, um mich wieder frischer wirken zu lassen. Aber schließlich bin ich nicht hier, um irgendjemanden zu beeindrucken. Ich wünschte nur, ich hätte noch Zeit zum Umziehen und Duschen, doch ich möchte Tate und seine Gäste keine Sekunde länger warten lassen.

„Entspannen Sie sich und genießen Sie Ihren Aufenthalt, so gut Sie können. Schneller als Sie denken, sind Sie wieder zurück in New York.“ Der Taxifahrer schlendert zurück zu seinem Wagen, und ich kann nicht anders, als ihn zu beneiden. Mein Leben verläuft so hektisch und größtenteils chaotisch. Ich wünschte, ich könnte so entspannt wie dieser Mann sein. Scheiße, wenn ich nicht aufpasse, bekomme ich einen Herzinfarkt, noch ehe ich nächsten Monat achtundzwanzig werde. Und wofür? Sorge ich wirklich dafür, aus dieser Welt einen besseren Ort zu machen? Ist meine Arbeit so bedeutungsvoll?

Mit Rollkoffer und Reisetasche beladen gehe ich auf das Hotel zu. Der Page öffnet mir die Tür, als ich mich dem Eingang nähere, und aus dem Inneren weht mir kühle Luft entgegen. In der Eingangshalle breite ich die Arme aus und stoße ein dankbares Stöhnen aus. Dann haste ich zur Rezeption, checke schnell ein und lasse mein Gepäck stehen, damit der Concierge es in mein Zimmer bringen lässt.

Meine Absätze hallen klackend auf dem Marmor wider, während ich mich beeile, in den Speisesaal zu gelangen, wo die private Feier stattfindet. Vor dem Eintreten atme ich tief ein, lasse die Luft langsam wieder entweichen und setze ein Lächeln auf. Dann trete ich ein und versuche, das Bild einer selbstbeherrschten, kultivierten Frau abzugeben, während ich den langen Tisch nach Tate absuche. Sobald er mich entdeckt, springt er auf, kommt zu mir und zieht mich in eine rippenbrechende Umarmung.

„Es tut mir so leid, Tate. Ich wurde aufgehalten, und dann dieser Taxifahrer …“

„Hey, Schluss damit. Es ist okay.“ Er schenkt mir sein strahlendes Lächeln, und sofort schlägt mein Herz ein bisschen schneller. Noch nie habe ich ihn so glücklich gesehen. Es wärmt mich von innen heraus. Summer Love, seine wunderschöne Verlobte, tut ihm unglaublich gut, und er verdient alles Glück, das das Leben ihm bieten kann. Trotzdem macht sich tief in mir ein Teil immer noch Sorgen um ihre Zukunft. Die zwei sind erst seit sechs Monaten zusammen. Reicht diese Zeit für eine starke Bindung, auf der sie aufbauen können? Alle Welt weiß, wie schnell Liebe sich in pures Gift verwandeln kann. Wenigstens weiß ich, dass Summer ihn nicht des Geldes wegen heiratet und dass Tate ein von Grund auf guter Mensch ist. Das hält mich jedoch nicht davon ab, insgeheim ein Stoßgebet für ihn loszuschicken, damit er nicht wie die übrigen Männer in unserer Familie endet, die allesamt auf eine lange Liste von Ex-Partnerinnen zurückblicken.

„Komm mit. Alle werden sich freuen, dich zu sehen“, raunt er mir über die Geräuschkulisse der Gäste hinweg zu, während er mir einen Arm um die Taille legt und mich durch den Saal führt.

Ich betrachte die elegante Tafel mit dem makellos weißen Leinentischtuch, dem edlen Porzellan und den Kristallgläsern. Der Wein fließt bereits, doch bisher wurden keine Gerichte serviert. „Ja, aber nur, weil sie schon fast verhungern“, erwidere ich.

Tate lacht so überschwänglich, dass ich nicht anders kann als mitzulachen.

„Was ist denn so lustig?“, will Granddad wissen, während Tate mir den letzten freien Stuhl vom Tisch zieht.

„Ach, nichts.“ Ich ziehe meinen Großvater in eine dicke Umarmung, bevor ich mich setze. Ich sehe mich um, erkenne ein paar bekannte Gesichter meiner Verwandtschaft und lächle in die Runde. Mit den Blicken folge ich Tate, während er zum Kopfende des Tisches geht und seiner Verlobten einen Kuss auf den Mund gibt, bevor er sich aus Gewohnheit über die Krawatte streicht.

„Wo steckt denn dein Begleiter?“, erkundigt sich Granddad, und ich unterdrücke ein Seufzen.

„Ich bin allein gekommen.“ Ich lächele ihn an.

Er hebt seine verkrümmte, arthritische Hand und wackelt mit einem Finger vor meinem Gesicht. „Ich kann nicht ewig warten, Brianna. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, das weißt du.“

Mein Magen fühlt sich bleischwer an. Ehrlich, ich wünschte, ich wäre nicht so ernüchtert. Ich würde mir wünschen, diesem sterbenden Mann seinen Wunsch zu erfüllen, aber ich werde mich ganz sicher nicht in eine Ehe stürzen und dann unweigerlich den Kummer der Scheidung durchzustehen, nur um meinem Großvater einen Gefallen zu tun.

„Granddad …“

„Ich mache mir Sorgen um dich, Brianna.“ Seine früher so samtweiche Stimme bricht, und er hustet in die Armbeuge. Ein paar Sekunden lang keucht und hustet er, dann wendet er sich mir wieder zu. „Es ist einfach nicht natürlich, ewig allein zu sein.“

Da spricht er sicher aus Erfahrung. Im Lauf der Jahre gab es in seinem Leben eine ganze Reihe jüngerer Frauen. Aber wer bin ich, um darüber zu urteilen? Nach dem Tod von Grandma, seiner einzigen wahren Liebe, war es schön, ihn wieder glücklich zu sehen, weil er jemanden hatte, der diese Leere füllen konnte.

Stirnrunzelnd sieht er mich an, und mir wird das Herz schwer, als ich die tiefen Falten sehe, die seine besorgten Augen umrahmen. Ich habe ihn noch nie so alt, müde und vollkommen erschöpft erlebt. Die Anreise muss ihm schwergefallen sein, doch er hat darauf bestanden, dass Tate hier in diesem Resort heiratet, und er hat behauptet, er sei fit genug für die Reise. Aber wenn man ihn sich jetzt so ansieht? Ich bin mir nicht sicher, ob er die kommende Woche übersteht. Mir zieht sich das Herz zusammen. Granddad war immer gut zu mir. Er war für mich da, als mein Dad uns verlassen hat, und auch, als vor ein paar Jahren meine Mom gestorben ist. Von ihm habe ich den Wert harter Arbeit gelernt. Er hat mich unterstützt, als ich über den großen Teich geflogen bin, um in Oxford zu studieren. Als ich mich dort einsam gefühlt habe, hat er mich sogar besucht. Verdammt, vielleicht sollte ich einfach erzählen, dass es jemanden in meinem Leben gibt. Nur um Granddad zu beruhigen, damit er sich keine Sorgen mehr macht.

Sollte ich das vielleicht wirklich tun?

Das würde niemandem schaden, oder? Soll er doch glauben, ich hätte einen festen Partner. Dann wäre er während der Hochzeitsfeier beruhigt. Schließlich hat er recht, ihm bleibt nicht mehr viel Zeit. Und ich will nicht, dass er sich den Rest seiner Tage grundlos Sorgen um mich macht.

Ich breite die Serviette auf meinem Schoß aus und trinke einen großen Schluck Wein, sobald der Kellner mir das Glas gefüllt hat. Wird schon schiefgehen.

„Granddad, das ist hier zwar nicht der richtige Ort oder Zeitpunkt, um darüber zu reden, aber du kannst ganz beruhigt sein. Ich bin mit jemandem zusammen, und es ist was Ernstes. Ehrlich gesagt sind wir verlobt.“ Was, verdammt? Das geht zu weit, Bri.

Seine trüben, blauen Augen klaren sich auf, und seine faltigen Lippen formen sich zu einem Lächeln. „Erzähl mir von ihm.“ Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück.

Ich öffne den Mund, um noch mehr Lügen vom Stapel zu lassen. Habe ich erwähnt, wie sehr ich das Lügen hasse? Fast genauso sehr wie zu spät zu kommen. Und jetzt sitze ich hier – verspätet und lügend. Gerade als ich mir eine Geschichte über meinen Märchenprinzen zusammenreimen will, steht Tate auf und klopft mit einem Löffel an sein Kristallglas. Alle drehen sich zu ihm, auch Granddad.

Dem Himmel sei Dank!

„Jetzt, da wir alle hier versammelt sind“, setzt er an, und ich werde rot, als er mir scherzhaft zuzwinkert, „möchte ich euch miteinander bekanntmachen.“

Er fängt mit seiner schönen Verlobten an, die ihren Zukünftigen strahlend anlächelt. Ein unsichtbares Band zieht sich um mein Herz zusammen, und mir brennen Tränen in den Augen, aber dann rufe ich mir in Erinnerung, dass mir nichts an Liebe und Heiraten liegt. Nein, für mich heißt es Genießen und Verschwinden, so hart das auch klingen mag.

Langsam geht Tate um den Tisch herum und spricht kurz über jeden Einzelnen der Hochzeitsgesellschaft, wobei er kleine, witzige Geschichten verrät. Als er zu mir kommt, der letzten Brautjungfer, knabbere ich mir verlegen an der Unterlippe. Die Geschichten, die dieser Mann über mich verraten könnte, wären bestenfalls demütigend. Aber anstatt mich in Verlegenheit zu bringen, stellt er mich als seine Lieblingscousine vor und lässt alle wissen, dass ich einen Wahnsinnsapfelkuchen hinbekomme, was absolut gelogen ist. Allerdings hätte dieser Apfelkuchen vielleicht tatsächlich gut geschmeckt, wenn ich beim Backen nicht die Küche in Brand gesetzt hätte.

Bei diesem Insider lacht Granddad auf, während Tate mich verschwörerisch angrinst. Er macht mit den Vorstellungen weiter, und ich recke den Hals, damit ich an Onkel Bill vorbeisehen kann, der rechts von mir sitzt. Tate kommt zum letzten Gast am Tisch, der links von ihm selbst sitzt. Ich greife nach meinem Glas, um einen Schluck zu trinken.

„Dieser Kerl hier ist meine rechte Hand“, erklärt Tate. „Die meisten von euch kennen ihn nicht. Es ist erst ein paar Monate her, seit er in meine Kanzlei gekommen ist. Wir haben uns vom ersten Moment an verstanden, als ich ihm hier in den Alpen begegnet bin, und jetzt wüsste ich nicht mehr, wie ich es ohne ihn an meiner Seite in der Kanzlei schaffen sollte. Er ist klug und gründlich, und er arbeitet lang und hart bis spät in die Nacht, wenn noch etwas zu erledigen ist. Ich freue mich, euch Luca Marino vorzustellen, meinen Trauzeugen.“

Luca Marino!

Der Wein schwappt mir über den Rand meines Kristallglases, so stark zittern mir die Hände. Mühsam schlucke ich den Kloß im Hals herunter und stelle mein Glas ab, bevor es mir runterfallen kann. Das kann einfach nicht wahr sein. Ich muss mich irren. Niemals kann der Mann links von Tate der Luca Marino sein! Dieser Scheißkerl hat mir auf dem College eine Abfuhr erteilt! Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Tate diesen Kerl überhaupt kennt?

Während ich meinen Puls am Hals doppelt schnell schlagen spüre, erhebe ich mich ein wenig, um über den Kopf meines Onkels hinwegsehen zu können, und mir rutscht das Herz in die Hose, als mein Blick auf den umwerfendsten Mann fällt, der mir je begegnet ist. Mister Arrogant höchstpersönlich!

2. KAPITEL

Luca

Brianna Carson ist Tates Cousine?

Brianna Carson ist Tates Cousine!

Das versuche ich zu verdauen, aber ich kann es immer noch nicht richtig glauben. Dieser Gedanke ist mir bisher nie gekommen. Wieso auch? Seit unseren Zeiten auf der Oxford University habe ich sie nicht mehr gesehen. Nachdem ich sie nach einer Party eines Nachts zurückbegleitet habe, hat sie sich große Mühe gegeben, mir nicht mehr über den Weg zu laufen. Ich weiß immer noch nicht, was ich gesagt oder getan habe, das sie so vergrätzt hat, und obwohl ich gern mit ihr gesprochen hätte, um es zu erfahren, hat sich nie die Gelegenheit dazu ergeben. Dafür hat sie gesorgt.

Als sie mich vom anderen Ende des Tisches her ansieht, spannt sich alles in mir an. Ungezügelte Energie scheint sich zwischen uns zu entladen, und ich schnappe schnell nach Luft, während sie leicht zu schwanken scheint, als sei mein Anblick für sie auch vollkommen unerwartet. Ich bemerke ein kurzes Aufflackern des Erkennens, aber dann lächelt sie mir höflich, doch distanziert zu und wendet sich ab. Moment mal, vielleicht erinnert sie sich nicht an mich. Habe ich mir dieses kurze Erkennen nur eingebildet? Da bin ich mir nicht sicher, aber ich könnte sie ganz bestimmt niemals vergessen. Sie hat zwar ein paar Pfunde verloren und hat jetzt eine andere Frisur und Haarfarbe, aber die sexy Brianna Carson würde ich überall wiedererkennen.

Oh, ich wollte in jener Nacht so sehr mit ihr ins Bett, um sie überall zu berühren und zu küssen! Ich wollte all die schmutzigen Dinge mit ihr anstellen, die mir durch den Kopf gegangen sind, als ich sie in meinem letzten Studienjahr zum ersten Mal gesehen habe. Diese heißen Fantasien weckt ihr Anblick jetzt wieder in mir. Ich muss unbedingt etwas unternehmen. Wieso bin ich damals eigentlich einfach gegangen und habe sie allein in ihrem Wohnheimzimmer zurückgelassen? Richtig, sie hatte viel getrunken. Man könnte mir einiges vorwerfen, aber ich würde es niemals ausnutzen, wenn eine Frau zu viel getrunken hat.

Tate stößt mir in die Rippen. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht mitbekommen habe, was er gesagt hat. „Was ist?“

Tate lacht. „In welcher Welt warst du denn gerade?“

Einige Kellner fangen an, uns den ersten Gang zu servieren.

Mein Blick fällt auf das Roastbeef vor mir. „Bei der Arbeit“, lüge ich. „Statistik. Es gibt da ein paar Kurven, die ich noch eingehend prüfen muss.“ Okay, das war nicht wirklich gelogen. Ich würde Bris Kurven liebend gern prüfen. Mit der Zunge. Mein Schwanz wird hart und drückt gegen den Reißverschluss.

Cazzo!

Reiß dich zusammen! Das ist weder der passende Ort noch der passende Zeitpunkt für einen Ständer!

„Du sollst diese Woche freinehmen und dich entspannen, mein Freund. Vergiss die Arbeit und hab ein bisschen Spaß. Das ist ein Befehl.“ Tate beugt sich vor, sodass nur ich ihn hören kann. „Lass dich mal flachlegen, Kumpel. Du brauchst es.“

Ich muss lachen. „Wahrscheinlich hast du recht.“ Erst vor Kurzem bin ich von St. Moritz nach New York gezogen, um Tate dabei zu helfen, mit seiner Anwaltskanzlei durchzustarten. Dann bin ich in Arbeit versunken und habe es genossen, noch ein bisschen länger mein Leben weit weg von meinen Verpflichtungen in Italien zu genießen.

Diesen Pflichten entziehe ich mich jetzt schon seit Jahren. Seit mein Dad und mein Bruder vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Schon davor habe ich seit Langem meine Identität verborgen. Nicht einmal Tate weiß, wer ich wirklich bin – ein Herzog. Die Menschen behandeln mich anders, sobald sie davon erfahren. Meinem Freund könnte ich zwar vertrauen, aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass jede Frau gern Herzogin wäre, nicht aus Liebe, sondern um prominent zu sein.

Leider kann ich meine Verpflichtungen nicht mehr lange ignorieren. Der Brief in meiner Jacketttasche scheint zu glühen, um mich ständig daran zu erinnern. Seit mein Vater gestorben ist und mein älterer Bruder Matteo mit ihm, fällt mir das Familienerbe zu. Die Pflichten des Herzogtums und die Verantwortung für den Familienkonzern. Im Moment verwaltet mein Onkel Giovanni alles, aber wenn ich nicht die Klauseln des Testaments meines Vaters erfülle und die Tochter seines besten Freundes heirate, bevor ich dieses Jahr dreißig werde, gehen die entscheidenden Aktienanteile des Unternehmens meines Vaters in den Besitz meines ältesten Cousins Marco über. Dazu darf ich es nicht kommen lassen. Er wird das gesamte Vermögen der Marinos innerhalb kürzester Zeit verpulvern und alles zerstören, was mein Vater aufgebaut hat.

„Das sieht köstlich aus“, stellt Summer fest, und wir alle stürzen uns auf das Essen.

Während der einzelnen Gänge betreiben wir Small Talk, und als über eine Stunde später die Dessertteller abserviert werden, gehen wir alle auf einen Drink in die Bar.

Ich suche die Menge nach Brianna ab und entdecke sie, wie sie sich mit Tate unterhält. Aber immer wieder wirft sie mir einen flüchtigen Blick zu. Das einzige Problem besteht darin, dass sie, sobald sie bemerkt, dass ich zu ihr sehe, schnell wieder wegsieht. Wenigstens gibt mir das die Gelegenheit, sie eingehend zu mustern und zu genießen, wie perfekt der Rock sich an ihre Hüften schmiegt. Immer wieder fingert sie am obersten Knopf ihrer Bluse herum. Diese nervöse kleine Geste ist mir schon damals vor all den Jahren an ihr aufgefallen. Ich weiß zwar nicht, wieso sie das tut, aber es lässt mich grübeln, was die sexy Brianna Carson innerlich so aufwühlt.

„Kann ich einen einfachen Whisky bekommen?“, frage ich den Barkeeper, während ich mir das Jackett ausziehe und es über die Lehne des Barhockers hänge, bevor ich es mir auf dem weichen Sitz bequem mache.

Summer kommt zu mir und legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich drehe mich zu ihr und lächele sie an. „Hey, Summer.“ Ich gebe ihr einen kleinen Wangenkuss. „Du siehst heute Abend wunderschön aus.“

Sie neigt den Kopf zur Seite und sieht mich aus ihren großen blauen Augen prüfend an. Neugierig mustert sie mein Gesicht.

„Was ist?“ Ich rutsche etwas auf dem Hocker herum.

Mit den Fingernägeln tippt sie auf den Bartresen. „Brianna und du. Kennt ihr euch?“

Grinsend schüttele ich den Kopf. Natürlich hat Summer die Anspannung zwischen uns bemerkt. Als Ärztin ist sie ziemlich gut darin, feine Schwingungen wahrzunehmen. Ihr entgeht so gut wie gar nichts. Gerade will ich den Mund aufmachen, um ihr zu antworten, da legt Tate den Arm um die Taille seiner Verlobten.

„Dasselbe habe ich mich auch schon gefragt“, stellt er fest, und in diesem Moment bemerke ich Brianna, die ihm gefolgt ist und meinem Blick ausweicht, während sie dem Barkeeper ein Zeichen gibt, dass sie etwas bestellen möchte.

„Brianna“, sage ich, und sie lächelt mir höflich zu.

„Luca, stimmt’s?“ Sie wendet sich an Tate. „Tut mir leid, ich hatte noch Jetlag, als du alle vorgestellt hast. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich richtig an den Namen erinnere.“

„Ah, dann kennt ihr zwei euch also nicht“, stellt Summer fest, aber der Blick, mit dem sie uns zwei abwechselnd mustert, verrät mir, dass sie davon nicht überzeugt ist.

Es gab eine Zeit, da hätte ich Brianna liebend gern gekannt. Ein Mädchen wie sie hätte mich alle Verpflichtungen und die Verantwortung meiner Familie in Italien gegenüber vergessen lassen können. In einem anderen Leben hätte ich es darauf abgesehen, sie zu erobern. Aber in Oxford hatte ich keine Dates, weil ich jeder Frau die strengen Regeln und Verpflichtungen meines Titels aufgebürdet hätte.

„Woher sollten wir zwei uns denn kennen?“, fragt Brianna nach und streicht sich über das dichte, dunkelbraune Haar.

Einen Moment lang male ich mir aus, wie ich ihr durch die zerzausten Haare streiche und an einer der langen Strähnen ziehe, bis sie den Mund für mich öffnet. Ich stelle mir vor, was ich alles tun würde, damit ich sie schmecken kann und das beenden, was wir vor all den Jahren nicht einmal beginnen konnten. Allerdings werde ich nichts in Gang setzen, was ich nicht auch zu Ende bringen kann. Brianna verdient etwas Besseres als das. Sie verdient ihren eigenen Märchenprinzen und keinen Herzog, der bereits vergeben ist. Während der letzten Jahre wartet Valentina im Abseits begehrlich darauf, dass ich sie zum Altar führe und zu meiner Herzogin mache. Ich habe diese Frau seit Jahren nicht gesehen. Verfluchte Scheiße, wo gibt es überhaupt noch arrangierte Ehen? Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mein Vater so eine Klausel in sein Testament setzt.

„Ihr habt beide in Oxford Jura studiert“, stellt Tate fest und zieht eine Schulter hoch. „Allerdings ist der Campus groß, und Luca war bestimmt ein paar Semester weiter als du.“ In dem Moment wird das Deckenlicht gedämpft, und die Musik wird eingeschaltet. Tate wendet sich an Summer. „Tanz mit mir.“

Bei der Art, wie sie ihren Verlobten anlächelt, muss ich auch lächeln. Diese zwei sind füreinander geschaffen. Das wusste ich vom ersten Moment an, als ich hier in diese Bar in St. Moritz kam, wo Tate und ich vor sechs Monaten gearbeitet haben. Er hat sich als Barkeeper ausgegeben, um zu beweisen, dass Summer eine Heiratsschwindlerin war, die seinen Granddad um seine Milliarden erleichtern wollte. Damals habe ich mir hier in den Schweizer Alpen die Zeit damit vertrieben, ein ganz gewöhnliches Leben zu führen. Seit Jahren schon reise ich umher, nehme ganz schlichte Jobs an und versuche, das Leben zu genießen, bevor mich meine Pflichten einholen und ich meine rechtmäßige Stellung als Luca Marino, Herzog von Massara, einnehmen muss.

Brianna öffnet den Mund. Zweifellos will sie sich entschuldigen und zurückziehen. Doch in diesem Moment hört man das Klopfen des Gehstocks ihres Granddads, der zur Bar kommt.

„Ich nehme einen Brandy.“

„Granddad, ich finde, du solltest lieber keinen Alkohol trinken“, erwidert Brianna.

Abwehrend winkt er ab. „Unsinn, mein Kind. Mittlerweile habe ich mehr Brandy als Blut in den Adern. Also, was höre ich da? Ihr beide kennt euch?“

Kopfschüttelnd frage ich mich, wie er das quer durch den Raum mitbekommen hat. Er lässt sich auf den Barhocker neben mir sinken, und der Barkeeper schiebt ihm seinen Drink zu. In einem einzigen Schluck leert der alte Mann das Glas mit der bernsteingelben Flüssigkeit, knallt das leere Glas auf den Mahagonitresen und verlangt mit einer Geste Nachschub.

„Nein, wir kennen uns nicht“, stellt Brianna hastig klar und sieht kurz zu mir, als habe sie Angst, ich könne ihr widersprechen.

„Tja, dann geht schon auf die Tanzfläche und fangt an, euch kennenzulernen.“

Eine Sekunde lang schließt Brianna die Augen, und ich bemerke etwas im Lächeln ihres Großvaters. Es wirkt so, als würde er uns einen Streich spielen. Was hat der alte Kerl vor? Tate hat mir verraten, dass sein Großvater dahintergesteckt hat, als er Summer kennengelernt und sich in sie verliebt hat. Ich mustere den alten Mann und die Art, wie aufrecht er sich hält und bewegt. Irgendwas verrät mir, dass er nicht so altersschwach und kränklich ist, wie er sich gibt. Das fällt allen anderen vielleicht nicht so stark auf, weil sie ihm nahestehen. Aber ich spüre, dass der alte James Carson mehr im Schilde führt.

„Ich bin müde, Granddad. Es war ein langer Flug und ein noch längerer Tag. Jetzt will ich nur noch in mein Zimmer und schlafen.“

„Ich bin auch fertig“, füge ich hinzu, als mir die Anspannung zwischen Brianna und ihrem Großvater auffällt. Um ihr zu helfen, erkläre ich: „Ich begleite dich zu deinem Zimmer.“

„Schon okay“, widerspricht sie schnell mit aufgesetztem Lächeln. „Ich habe ein paar Sachen vergessen und muss erst noch in die Geschenkboutique.“ Sie gibt ihrem Granddad einen Kuss auf die Wange und verlässt hastig die Bar, wobei sie wieder meinen Blicken ausweicht und so tut, als würde sie mich nicht erkennen. Dabei bin ich mir sicher, dass sie genau weiß, wer ich bin. Verdammt, was ist mit ihr los?

„Ich schätze, ich sollte mich auch zurückziehen“, sage ich zu James, der gerade seinen zweiten Brandy kippt. „Ich muss noch ein paar Kurven analysieren.“

„Das glaube ich gern.“ Dabei lächelt James fast hinterlistig, als würde er mir schon den ganzen Abend lang in den Kopf gucken und all die schmutzigen Dinge kennen, an die ich denke. Schwer vorstellbar, dass er darüber wirklich glücklich ist, zumal Brianna seine Enkelin ist.

Tate und Summer kommen zurück, um nach Granddad zu sehen, und ich nutze die Gelegenheit, um mich zu verabschieden. Ich verlasse die Bar und gehe nach draußen. Ich habe mich entschieden, in einem der Chalets der Familie unterzukommen anstatt im Grand Hotel. Schon immer habe ich die Einsamkeit vorgezogen.

Ich nicke einer Gruppe von Frauen zu, die mir zuwinken, und halte auf dem Weg zu meinem Cottage den Kopf gesenkt. Die feuchtwarme Nachtluft umgibt mich, und mir klebt die Kleidung am Körper. Da ich das Resort und die Umgebung wie meine Westentasche kenne, wende ich mich nach links anstatt nach rechts. Das Schlafen kann warten. Ich nehme einen weniger bekannten Pfad, der den Berg hinauf führt. Rings um den Ort gibt es eine ganze Reihe von Seen, in denen man baden kann, aber hier oben sind die meisten fast unberührt. In dieser Höhe ist es den meisten Touristen ein bisschen zu kalt. Während meines Aufstiegs frischt der Wind auf, und ich weiche ein paar Pfützen aus, die der starke Regen am Nachmittag hinterlassen hat. Ich fange an, mir das Hemd aufzuknöpfen und mir vom Leib zu ziehen, während ich es nicht erwarten kann, ins Wasser zu springen und mich abzukühlen. Aber in diesem Moment bemerke ich, dass ich mein Jackett im Hotel vergessen habe. Zum Glück habe ich Ersatz im Gepäck.

Der Pfad verengt sich, und direkt vor mir huscht ein Kaninchen ins Gebüsch. Die Temperatur ist deutlich gefallen, doch das macht mir nichts aus. Während ich mich meiner Lieblingsstelle am Ufer nähere, will ich mir gerade den Reißverschluss an der Hose öffnen, als ich ein leises Summen höre. Was in aller Welt? Nur Tate und ich kennen diesen Platz, und er ist im Hotel.

Ich verlangsame meine Schritte, weil ich niemanden erschrecken will, der vielleicht zufällig diesen kleinen See entdeckt hat, aber als ich den Stapel Kleidung auf dem Boden entdecke, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Diese Bluse und dieser Rock. Eine gewisse Frau aus meiner Vergangenheit hat das heute getragen.

3. KAPITEL

Brianna

Keine Sekunde lang kann ich glauben, dass Luca und Tate sich kennen, geschweige denn zusammenarbeiten. Ich tauche in dem kalten Wasser unter und lasse es meinen überhitzten Körper abkühlen, obwohl diese Hitze vielleicht mehr mit dem Mann zu tun hat, den ich nicht ausstehen kann, als mit der feuchten Nachtluft. Luca Marino ist ein absolutes Arschloch, allerdings kann mein Körper nicht leugnen, dass er heute so fantastisch aussieht wie vor all den Jahren. Okay, das stimmt vielleicht nicht ganz. Damals war er ein Junge, der in seinem blauen Oxford-Hoodie gut aussah. Heute würde er diesen Hoodie als muskulöser Mann ausfüllen. Verdammt, das würde ich wirklich gern sehen.

Mir strömt es wieder heiß durch die Adern, obwohl das Wasser eiskalt ist. Ich schwimme von einem Ufer zum anderen, während ich in Gedanken wieder den peinlichen Abend erlebe, als er mich zu meinem Zimmer begleitet und dort einfach zurückgelassen hat. Allein. Jedes Mädchen im Wohnheim war scharf auf Luca Marino, da war ich keine Ausnahme. Ich hatte mitbekommen, welcher Typ Frau ihm gefiel, und ich war eher pummelig, deshalb hatte ich mir nie große Chancen bei ihm ausgerechnet. Bis zu jener Party.

An dem Abend hatte er wieder den bequemen Hoodie getragen, und er hatte mich angelächelt. Zuerst hatte ich geglaubt, er würde zu jemand anderem sehen, doch als ich mich umdrehte, war da niemand hinter mir.

Meine Freundin ermutigte mich, aufs Ganze zu gehen, und ich war so nervös, dass ich immer weitertrank. Als mir genug Alkohol durch die Adern strömte, um mein Urteilsvermögen zu trüben, schlenderte ich zu ihm hinüber. Der Moment war da. Endlich würde ich eine richtige Unterhaltung mit ihm führen.

Wir hatten bereits ein paar Minuten geredet, als er mich fragte, wo ich wohne. Das ließ mich natürlich innerlich ausrasten. Der Luca Marino wollte wissen, wo ich wohne! Ich hatte es ihm gesagt, und als er mich zu meinem Wohnheim begleitete, schaffte ich es kaum, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Das lag weniger am Alkohol in meinem Blut, sondern weil mir die Nacht bevorstand, von der ich schon seit Ewigkeiten fantasierte. Mit dem Mann meiner Träume. Schon morgen würde ich diesen Hoodie tragen als Zeichen unserer Beziehung.

Wir erreichten das Wohnheim, und ich betrat mein Zimmer. Doch als ich mich zu ihm umdrehte, zog er gerade das Handy aus seiner Tasche und schloss die Tür dicht vor meinem Gesicht.

Ich kann mir gut vorstellen, dass er in diesem Moment seine Freunde angerufen hat. Haben sie alle im Anschluss daran laut darüber gelacht? Soll das pummelige Mädchen doch glauben, du hättest es auf sie abgesehen, und dann servierst du sie direkt an ihrer Tür ab. War das ein übler Scherz? Laut einem fiesen Gerücht, das danach im Wohnheim kursierte, war es genau das.

Scheiße, ich war damals ein echtes Klischee.

Hör auf, daran zu denken.

Ich muss den Kopf freibekommen und fange an zu summen. Aber so sehr ich es auch versuche, ich bekomme diesen Mann nicht aus meinen Gedanken. In meinem Hals perlt ein Lachen hoch, das ich nicht beherrschen kann. Auf dem Campus habe ich damals bis zu seinem Abschluss am Ende des Semesters alles getan, um ihm aus dem Weg zu gehen. Aber hier kann ich ihm nicht ausweichen, oder? Nein. Scheiße, wir sind beide Teil derselben Hochzeitsgesellschaft.

Als wir uns vorgestellt wurden, bin ich in Panik geraten und habe so getan, als würde ich ihn nicht kennen. Er hat nicht widersprochen, also scheint er sich nicht an mich zu erinnern. Wieso sollte er auch? Seit meinem Studienabschluss in Jura vor ein paar Jahren habe ich einige Pfunde abgenommen und meine Frisur verändert. Auch innerlich bin ich nicht mehr das schüchterne, verunsicherte Mädchen von früher. Aber obwohl ich nicht leugnen kann, mich verändert zu haben, habe ich ihn und den Abend von damals nie vergessen. Allerdings hat es eine Weile gedauert, bis ich wieder selbstsicher genug war, um auf ein Date zu gehen. Ich bin mir jedoch sicher, dass er seitdem keinen zweiten Gedanken an mich verschwendet hat.

Während ich darüber grüble, gehen meine Gedanken in eine düstere Richtung und überlegen sich Möglichkeiten, wie ich mich an ihm dafür rächen könnte, dass er mich so gedemütigt hat. Vielleicht könnte ich ihn heute dazu bringen, dass er mich mit zu sich nimmt. Und dann gehe ich einfach und lasse ihn zurück, wie er es damals mit mir gemacht hat. Das wäre kindisch, zugegeben, aber möglicherweise würde mir diese Rache helfen, ihn ein für alle Mal aus dem Kopf zu bekommen.

Erschöpft höre ich mit dem Schwimmen auf und steige aus dem See. In der kalten Bergluft wird mir sofort kalt. Ich hätte ein Badetuch mitbringen sollen, aber ich bin so überhastet aus dem Hotel geflüchtet, um mich von Lucas Nähe zu erholen, dass mir gar nicht der Gedanke kam, eins mitzunehmen. Ich schlinge die Arme um meinen nackten Körper und suche nach meiner Kleidung. Der Wind trifft mich eisig kalt, während ich den Blick schweifen lasse und die Stelle absuche, wo ich die Sachen abgelegt habe.

Kopfschüttelnd stehe ich da, als ich nichts entdecken kann. „Verdammte Scheiße.“

„Suchst du das hier?“

Abrupt fahre ich herum und sehe Luca, der dicht hinter mir steht und mir meine Kleidung am langen Arm hinhält.

„Was tust du hier?“, will ich wissen und reiße ihm meine Sachen aus der Hand. Wenigstens hat er den Anstand, die Augen geschlossen zu halten. „Dreh dich um“, verlange ich, und als er es tut, ziehe ich mich an, was nicht so leicht ist, weil ich klitschnass bin. Ich kämpfe mit dem Rock, bis ich es endlich schaffe, ihn mir über die nassen Hüften zu ziehen.

„Ich wollte dich nicht stören“, antwortet er. „Bri, richtig?“

Okay, entweder treibt er Spielchen mit mir, oder er weiß wirklich nicht mehr, wer ich bin. „Brianna. Meine Freunde nennen mich Bri. Was tust du hier?“

„Ich bin zum Schwimmen hergekommen. Hätte nicht erwartet, dass irgendjemand hier ist.“

„Woher kennst du diesen See?“

„Tate hat ihn mir gezeigt.“

Ich nicke, auch wenn er das nicht sehen kann. Hastig ziehe ich mir die Bluse an und knöpfe sie zu. „Okay, du kannst dich jetzt wieder umdrehen.“

Langsam dreht er sich zu mir, und sein hungriger Blick streicht über meinen Körper. Es ist eine lässige Inspektion, und mir entweicht die Luft aus den Lungen. Mit einem Daumen drückt er sich an die Unterlippe, und als er den Kopf hebt und mir in die Augen sieht, beiße ich mir fast die Zunge ab.

Hastig gehe ich noch mal meinen kindischen Racheplan durch. So wie er mich ansieht, gibt es für mich keinen Zweifel, dass ich ihn dazu bringen könnte, mit mir ins Bett zu gehen. Aber ist das nicht typisch für Kerle wie ihn? Jetzt hat er Interesse an mir, weil ich seinen Normen entspreche. Mein Ex Ryan war genauso. Er hat mir gesagt, ich sei schön, aber sobald ich mal ein paar Pfunde zugenommen habe, hat er mich genervt und an mir rumgenörgelt.

Autor

Cathryn Fox
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