Baccara Gold Band 24

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AUSGERECHNET MIT DEM CHEF? von CHARLENE SANDS
In ihrer Beziehung hat die süße Gina ihn einst enttäuscht. Und nun bittet sie ihn um einen Job? William hat Zweifel, aber er entschließt sich, ihr eine Chance zu geben. Schließlich braucht er sie nur anzusehen, um zu wissen, dass er sie nicht einfach gehen lassen kann.

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  • Erscheinungstag 24.09.2021
  • Bandnummer 24
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501408
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Charlene Sands, Barbara Dunlop, Kristi Gold

BACCARA GOLD BAND 24

1. KAPITEL

Ausgerechnet hier hatte Gina Grady als Allerletztes arbeiten wollen.

Aber was tat man nicht alles, wenn man verzweifelt war und keine andere Wahl hatte! Und nicht zuletzt war sie es ihrem Stolz schuldig, dass sie diese Gelegenheit ergriff. Sie brauchte diesen Job. Und sie musste unbedingt in Los Angeles bleiben.

Gina wurde in ein leeres Büro geführt. „Mr. Beaumont kommt sofort“, sagte Mrs. Danner von der Personalabteilung. Sie nickte Gina noch einmal kurz zu und ging wieder.

Gina trat an das große Fenster. Das Büro lag im zwölften Stock, und der Blick über Santa Monica war atemberaubend. Hoffentlich lief das Bewerbungsgespräch gut. Aber eigentlich musste sie sich deswegen keine Sorgen machen. Schließlich war Sam Beaumont früher ein sehr guter Freund und immer sehr nett zu ihr gewesen. Trotzdem hatte es einigen Mut erfordert, sein Jobangebot anzunehmen. Denn schon bei dem Namen Beaumont zitterten ihr die Knie, als wäre das alles erst gestern gewesen. Und doch war Sam immer ganz anders gewesen als sein jüngerer Bruder William, dem sie hoffentlich nie wieder begegnen würde.

Der Pazifik erstreckte sich weit bis zum Horizont, weiße Schaumkronen tanzten auf dem Wasser. Dieser Anblick jagte Gina immer noch eine Höllenangst ein, und entschlossen verdrängte sie den Gedanken an William. Es war schon schwer genug, die Angst vor dem Wasser unter Kontrolle zu bekommen, denn sie wollte und musste einen ruhigen selbstsicheren Eindruck machen.

Ihre zahlreichen Gläubiger kümmerte es wenig, dass Gina am Misserfolg ihrer Firma nicht schuld war. Sie war von einem Hochstapler hereingelegt worden, den sie für einen vertrauenswürdigen Partner gehalten hatte. Aber so hatte ihre Firma GiGi Designs nicht die geringste Chance gehabt, sich auf dem Markt durchzusetzen. Immer hatte sie davon geträumt, ihr eigenes Unternehmen zu haben, aber nun war dieser Traum in null Komma nichts zerstört worden. Dabei hatte sie so hart dafür gearbeitet.

Doch davon ließ Gina sich nicht entmutigen. Sie war entschlossen, ihre Modemarke wieder aufzubauen, auch wenn sie noch einmal ganz von vorn anfangen musste.

Aber zuerst musste sie ihre Schulden zurückzahlen.

Gina strich sich ein paar lose Strähnen zurück, die sich aus dem Knoten lösten, in den sie ihr langes dunkles Haar zusammengefasst hatte. Sorgfältig glättete sie den schmalen Rock des taillierten Kostüms und setzte sich dann vor den großen Schreibtisch aus massiver Eiche. Die elegante schwarze Tasche von Gucci behielt sie auf dem Schoß.

Tief atmete sie durch und schloss die Augen, um ihre Nerven zu beruhigen. Doch als sie sie wieder aufschlug, durchfuhr es sie siedend heiß. Hatte sie sich etwa verlesen? Aber vor ihr auf dem Namensschild aus glänzendem Messing stand es tatsächlich groß und deutlich.

William Beaumont. Vorstandsvorsitzender.

„Oh, nein!“ Sie sprang auf, das Herz klopfte ihr wie verrückt. Auf keinen Fall durfte sie William hier begegnen, und für ihn arbeiten konnte sie schon gar nicht. So weit konnte sie sich nun doch nicht erniedrigen, egal wie sehr sie den Job auch brauchte. Sie hing sich die Tasche über die Schulter und wandte sich zur Tür.

„Willst du schon wieder davonlaufen, Gina?“

Fast wäre sie mit William Beaumont zusammengestoßen, der in diesem Augenblick die Tür öffnete und Gina mit seinen dunkelgrünen Augen amüsiert ansah. Er blieb mitten in dem Türrahmen stehen und neigte leicht den Kopf, während er sie lächelnd betrachtete. „Darin bist du ja Meisterin.“

Gina hielt den Kopf hoch und bemühte sich, gelassen zu erscheinen, auch wenn es in ihr drunter und drüber ging. Wie hatte sie nur so naiv sein können zu glauben, dass William nichts mit der Firma Triple B zu tun hatte!

Sie musterte ihn und musste zugeben, dass er sehr gut aussah, irgendwie männlicher und reifer und sogar noch besser als vor neun Jahren, als sie ihn fluchtartig verlassen hatte. Die schwarze Hose und das weiße Hemd mit den aufgekrempelten Ärmeln unterstrichen seine natürliche Bräune, dazu das intensive Grün der Augen, das immer ein wenig blasser schien, wenn er sie ansah. Daran erinnerte sie sich so genau, als sei es gestern gewesen, auch an das unbeschreibliche Gefühl, wenn er sie an seinen muskulösen Körper drückte.

„Entschuldige, das wusste ich nicht. Ich hätte nicht kommen sollen“, stieß sie schließlich leise hervor.

„Wieso? Du hast dich doch um diese Stellung beworben, oder nicht?“

„Ja, aber ich dachte, dass Sam jetzt euer Familienunternehmen führt.“

„Dann hast du nicht damit gerechnet, mich hier vorzufinden?“

Sie schüttelte den Kopf. Nein, auf diesen Gedanken war sie wirklich nicht gekommen. Denn sie wusste, wie sehr William die Firma immer gehasst hatte, die seinem Vater mehr zu bedeuten schien als seine beiden Söhne. Triple B ging für Blake Beaumont über allem. Als sie William damals in El Paso kennen gelernt hatte, konnte sie gut verstehen, dass er von der Firma und auch von seinem Vater nichts wissen wollte. Deswegen hätte sie auch nie gedacht, dass William wieder für das Unternehmen arbeiten könnte. „Nein, allerdings nicht. Das Ganze ist ein Versehen.“

Gina sah, wie er ein Lächeln unterdrückte. Dann ging er um den Schreibtisch herum, nahm ihre Bewerbungsunterlagen und las in aller Ruhe. „Ich führe das Unternehmen jetzt hier von der Westküste aus“, sagte er ohne hochzusehen. „Mein Vater ist tot, und Sam hat wieder geheiratet und ist nach Texas gezogen.“ Dann hob er den Kopf und sah sie an. „Hast du denn angenommen, ich würde den Rest meines Lebens auf Onkel Lees Ranch verbringen oder mir vielleicht ein kleines Grundstück in El Paso kaufen?“

„Ehrlich gesagt habe ich mir darüber gar keine Gedanken gemacht.“ Und das war die reine Wahrheit. Denn sie hatte zwar viel an William gedacht in den letzten Jahren, hatte von ihm geträumt und sich überlegt, wie sein Leben jetzt wohl aussehen mochte. Aber womit er sein Geld verdiente, war ihr eigentlich immer ziemlich gleichgültig gewesen.

Als sie damals den Sommer bei den Buckleys in El Paso verbracht hatte, war ihr William zum ersten Mal begegnet. Mit Sarah Buckley hatte sie im College ein Zimmer geteilt und war in den Sommerferien mit ihr nach Hause gefahren, weil Ginas Eltern bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen waren. Auch Gina war auf dem Boot gewesen und nur ganz knapp dem Tod entkommen. Sarah hatte sich um die Beerdigung gekümmert und ihre Freundin fest in die Arme genommen, als die beiden Särge hinabgelassen wurden. Danach hatte sie Gina, die nicht wusste wohin, mit zu ihren Eltern nach El Paso genommen.

Das Grundstück der Buckleys grenzte an die Ranch von Williams Onkel, und so hatten die vier jungen Leute Sarah, William, Gina und Sam viel Zeit miteinander verbracht – ja, sie waren so gut wie unzertrennlich gewesen. Diese Freundschaft wurde für Gina geradezu überlebenswichtig, und allmählich kam sie mit dem schrecklichen Verlust zurecht. Bis eines Tages ihre Welt aufs Neue zusammenbrach.

Und nun saß William ihr gegenüber. Er lehnte sich zurück und musterte sie sehr genau. Unter seinem Blick fühlte sie sich unbehaglich und ihm ausgeliefert, aber sie schaffte es einfach nicht, sich diesen unergründlich grünen Augen zu entziehen.

„So, du hast also nicht an mich gedacht?“, fragte er mit einem spöttischen Lächeln. „Kann ich mir vorstellen, mein Vater hat schon dafür gesorgt, oder?“ Er wies auf den Besucherstuhl. „Setz dich doch. Wir sollten uns jetzt über dich und den Job unterhalten.“

Gina blieb stehen. „Nein, ich glaube nicht, dass das sinnvoll ist, William.“

„Wieso? Ich dachte, du brauchst einen Job?“

„Das stimmt.“ Sie wich seinem Blick nicht aus. „Aber nicht diesen.“

Er überflog noch einmal ihre Unterlagen. „Du bist mehr als qualifiziert für die Stelle.“

Da ihre Beine sie kaum noch trugen, setzte Gina sich doch schnell hin.

„Du hast deinen Master in Betriebswirtschaft. Und dann hast du dein eigenes Modeunternehmen gegründet. Hat mein Vater das finanziert?“

Er fragte das so nebenbei, dass Gina sich die Frage noch einmal im Kopf wiederholen musste, weil sie nicht sicher war, ihn richtig verstanden zu haben. Er glaubte also tatsächlich, dass sie sich von seinem Vater hatte bestechen lassen, William zu verlassen, Er glaubte es, weil sie es nie abgestritten hatte. Sie hatte ihn absichtlich in dem Glauben gelassen, dass sie das Geld genommen und deshalb El Paso verlassen hatte, obwohl es vollkommen anders gewesen war.

Sie hatte William aus einem ganz anderen Grund verlassen, aber wenn er die Sache mit der Bestechung für buchstäblich bare Münze hielt, würde er sie wenigstens in Ruhe lassen.

Denn was er ihr angetan hatte, hatte sie in tiefe Verzweiflung gestürzt. Und den mächtigen Patriarchen Blake Beaumont hasste sie aus tiefster Seele.

Aber davon abgesehen hatte sie einen wunderbaren Sommer bei den Buckleys verlebt. Nur die Nacht, in der William und sie sich geliebt hatten, hätte sie am liebsten ungeschehen gemacht, auch wenn die süßen Erinnerungen daran sie immer noch verfolgten.

Sie hängte sich die Tasche über die Schulter und stand wieder auf. „Tut mir leid, dass ich deine Zeit umsonst in Anspruch genommen habe“, sagte sie leise.

Auch William erhob sich und ließ sie dabei nicht aus den Augen. „Davon kann gar keine Rede sein. Du hast den Job.“

Gina riss überrascht die dunkelbraunen Augen auf, und wieder ging William durch den Kopf, dass er nie eine schönere Frau gesehen hatte. In den vergangenen neun Jahren war sie nur noch hübscher geworden, und er ärgerte sich, dass sie immer noch eine solche Wirkung auf ihn hatte. Er brauchte nur in diese großen Augen zu blicken, von ihrem verführerischen Körper gar nicht zu reden, und schon schlug sein Herz schneller. Immer wieder musste er sich sagen, wie sehr sie ihn damals verletzt hatte, um nicht wieder auf sie hereinzufallen. Damals, als er ihr erster Liebhaber wurde, hatte er geglaubt, dass sie nun für immer zu ihm gehörte.

Aber sie hatte ihn und die Stadt verlassen, ohne sich auch nur von ihm zu verabschieden. Offenbar hatte sie erreicht, was sie wollte. Sein Vater, der sich überall einmischte, hatte ihr viel Geld zugesteckt, das sie ohne Scham angenommen hatte. Doch wenn es ihr nur um das Geld gegangen wäre, dann hätte sie ebenso gut abwarten können. Denn er war schon lange nicht mehr Rancharbeiter bei seinem Onkel, sondern hatte inzwischen mehr Geld auf der Bank, als er jemals ausgeben konnte. Doch nun war es zu spät. Dass sie sich damals so schändlich hatte bestechen lassen, hatte er immer noch nicht verwunden.

Gina strich sich über den Rock und nahm die Schultern zurück, sodass sich unter der engen Kostümjacke die vollen Brüste abzeichneten. William betrachtete sie ungeniert. Ihre Brust hob und senkte sich in schnellen Atemzügen, als habe sie Schwierigkeiten, ihr Temperament zu zügeln, das sie ihrer italienisch-irischen Abstammung verdankte.

Ihre Haut hatte eine natürliche Tönung, die Lippen waren voll und rosig, und wieder musste William daran denken, wie er ihr zum ersten Mal begegnet war. Es war in Tante Dotties Küche gewesen, in die Gina ungestüm hineingeplatzt war, in der Hand frisches italienisches Brot und eine würzig duftende Pastasoße.

Im Handumdrehen hatte sie ihm den Kopf verdreht.

„Das kann ich nicht annehmen. Aber trotzdem vielen Dank.“

William fuhr aus seinen Träumereien hoch. War das ihr Ernst? Die Worte hatten eher zögernd geklungen, als sei sie kurz in Versuchung gewesen, das Angebot doch zu akzeptieren. Verdammt, er brauchte sie nur anzusehen und schon wusste er, dass er sie nicht einfach so gehen lassen konnte. Erst mussten sie zu einem Abschluss bringen, was sie vor neun Jahren angefangen hatten.

„Zusätzlich zu dem Gehalt zahlen wir noch eine ordentliche Extravergütung“, sagte er und bemerkte mit Genugtuung, wie sie überrascht die Augenbrauen hob. „Ich bin in der Klemme. Meine Assistentin ist plötzlich schwanger geworden. Ihr ist dauernd schlecht, und so hat sie sich krankschreiben lassen müssen. Und alle anderen fähigen Leute sind bereits voll ausgelastet.“

„Wie hoch ist die Extravergütung?“

William wusste, er hatte ihr Interesse geweckt. Geld war wohl das Einzige, was sie wirklich umstimmen konnte. Eigentlich schade. Aber wieso wunderte er sich eigentlich darüber? Er hatte doch gewusst, zu welchem Typ Frau sie gehörte, hatte es bitter lernen müssen, als er damals vor neun Jahren auf sie hereingefallen war. „Tausend Dollar pro Woche, und wenn das Projekt abgeschlossen ist, noch mal ein Bonus von zehntausend Dollar. Aber über eins musst du dir im Klaren sein, Gina. Du wirst viel arbeiten und abends oft länger bleiben müssen. Was meinst du?“

Er konnte geradezu sehen, wie ihr Gehirn arbeitete. Wahrscheinlich rechnete sie sich in Gedanken alles durch. Offenbar brauchte sie wirklich sehr dringend einen Job. Dadurch war William in der besseren Position, das war ihm durchaus klar. Sie war offensichtlich sehr versucht, sein Angebot anzunehmen.

Er setzte sich wieder an den Schreibtisch und ging die Papiere durch, die sich auf der Platte stapelten. Da waren auch die Unterlagen für das Projekt auf der Insel Catalina, die Los Angeles vorgelagert war. Es würde noch viele Stunden an Arbeit kosten, bis er ein Angebot machen konnte. Catalina war das größte Projekt, das Triple B bisher angepackt hatte.

Ginas Anwesenheit war er sich dabei ständig bewusst, schon wegen ihres unverwechselbaren exotischen Parfüms. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, er solle sie gehen lassen. Er würde sich nur in Schwierigkeiten bringen, wenn er eng mit der einzigen Frau zusammenarbeitete, die ihn mit einem einzigen Blick aus ihren dunklen Augen um den Verstand bringen konnte. Schon jetzt hatte er Schwierigkeiten, seine Erregung zu verbergen.

„Ich muss verrückt sein, aber ich nehme an“, sagte Gina leise.

William hob den Kopf und nickte befriedigt. Doch im selben Augenblick ärgerte ihn, wie sehr er sich über ihre Zusage freute. „Ich erwarte von meinen Angestellten hundertprozentigen Einsatz. Wenn du damit einverstanden bist, hast du die Stellung.“

Sie runzelte kurz die Stirn. „Kein Problem, ein voller Einsatz ist für mich selbstverständlich.“

William musste wieder an die Nacht in der Scheune seines Onkels denken. Damals hatte sie tatsächlich „vollen Einsatz“ gezeigt, hatte sich ihm leidenschaftlich hingegeben. Erst hinterher war ihm klar geworden, dass er in eine Falle getappt war.

Dieses Mal würde er besser aufpassen.

„Ich hole dich dann später am Nachmittag ab. Zieh dir was Bequemes an, denn wir arbeiten bei mir zu Hause, und es kann später werden.“

Gina erinnerte sich genau an seine Worte. War sie denn von allen guten Geistern verlassen gewesen, als sie diesen Job annahm? Aber die Extravergütung war einfach zu verführerisch. Ihre Gläubiger wurden langsam ungeduldig, und mit dem Geld konnte sie sie erst einmal ruhigstellen.

Sie hatte sich bereits dreimal umgezogen und entschied sich schließlich für eine weiße Hose und ein rosa Top mit passendem Pullover. Das war bequem und trotzdem angemessen für eine Frau, die einen neuen Job bei einem alten Liebhaber antrat.

Gina konnte es immer noch kaum glauben, dass sie nach all den Jahren ausgerechnet mit William Beaumont zusammenarbeiten würde. Er war wütend auf sie, das sprühte nur so aus seinen Augen, wenn er sie ansah – da mochte er sich noch so sehr bemühen, es mit seinem Beaumont’schen Charme zu überspielen.

Gina griff nach ihrer Aktentasche. William hatte ihr Unterlagen mitgegeben, über die sie später sprechen wollten. Noch einmal sah sie sich in dem kleinen Häuschen um. Der kleine Wohnraum, das Schlafzimmer, die winzige Küche und das Bad reichten ihr völlig. Aber William hätte daran sofort sehen können, wie dringend sie den Job brauchte.

Denn sie hatte ihren Lebensstil total ändern müssen, nachdem Mike Bailey sie betrogen hatte. Sie hatte geglaubt, dass sie beide die gleichen Vorstellungen von der Zukunft der Firma hatten und die gleichen Träume träumten, und hatte sich deshalb mit Mike zusammengetan. Der Tag der Eröffnung von GiGi Designs war der glücklichste Tag in Ginas Leben gewesen. Der Tag, an dem sie herausfand, dass Mike mitsamt allem Geld und ihren Entwürfen abgehauen war, gehörte zu den schlimmsten ihres Lebens, nur vergleichbar mit dem Tag, an dem sie El Paso verlassen hatte.

Gina seufzte leise und verließ ihr kleines Häuschen. Sie wollte lieber draußen auf William warten. Kurz darauf bog bereits ein schwarzes Cabriolet um die Ecke. Während William ausstieg und auf sie zukam, musterte er sie von oben bis unten. Ob ihm gefiel, was sie angezogen hatte? Sie hatte die Sachen zwar nicht selbst entworfen, aber auf gute Kleidung legte sie allergrößten Wert.

Dann wurde die Haustür hinter ihr zugeschlagen, und Gina wandte sich um. Es war Marcus, ihr Vermieter.

„Hallo, Gina. Gehst du aus?“ Marcus zog die Stirn in Falten, als William näher kam. Gina musste lachen. Marcus musste Anfang fünfzig sein, sah gut aus und schien einen Narren an ihr gefressen zu haben.

„Ja, aber das ist rein geschäftlich. Ich habe einen neuen Job.“

„Ach so. Na denn, viel Erfolg!“ Marcus winkte kurz und ging zu seinem Wagen.

Als Gina sich wieder umwandte, stand William vor ihr und sah sie durchdringend an. „Lebst du mit dem zusammen?“

Gina schluckte ihren Ärger hinunter. Wie kam er dazu, ihr eine solche Frage zu stellen? Ihr Privatleben ging ihn schließlich rein gar nichts an. Wo er doch sowieso nichts als Verachtung für sie übrig hatte. „Nein. Ich wohne in dem kleinen Gästehaus hinten im Garten.“

William lächelte leicht angespannt. „Wie praktisch.“ Sie gingen zu seinem Auto. Bevor er Gas gab, warf William noch einen Blick auf das Haus. Sie waren schon eine ganze Zeit lang unterwegs, als er plötzlich fragte: „Ist er verheiratet?“

Gina musste innerlich lächeln und lehnte den Kopf behaglich gegen die Kopfstütze. Marcus und Delia führten eine wunderbare Ehe, so ähnlich wie ihre Eltern damals. Diese Art der Zuneigung war selten, und immer wieder stiegen Gina die Tränen in die Augen, wenn sie sich vorstellte, dass die Ehe ihrer Eltern durch einen grausamen Unfall so brutal beendet worden war. „Ja, und zwar sehr glücklich.“

„Und er ist dein Vermieter?“

„Ja, mein Vermieter und ein sehr guter Freund.“

William schaute sie kurz und misstrauisch von der Seite an. Sie sagte nichts, sondern sah betont interessiert aus dem Fenster. Sie fuhren die kalifornische Küstenstraße hinunter, von der rechts die Berge aufstiegen und links sich die unendliche Weite des Meeres erstreckte.

Zehn Minuten später hielten sie vor einem hübschen zweistöckigen Haus nah am Strand von Malibu. Ginas Haar war vom Wind zerzaust, und während sie die losen Strähnen wieder feststeckte, spürte sie Williams brennenden Blick. Dann sprang er aus dem Wagen, kam um die Kühlerhaube herum und öffnete ihr die Beifahrertür.

Gina stieg aus und sah sich um. Der Blick auf das Meer war atemberaubend, besonders jetzt, wo die Sonne sich dem Horizont näherte. „Gehört das alles dir?“

William nahm ihre und seine Aktentasche aus dem Wagen und schaute sie unverwandt an: „Ja, das gehört mir.“ Sie erbebte unter seinem kalten prüfenden Blick, der zu sagen schien: „Es könnte auch dir gehören.“

Aber vielleicht bildete sie sich das nur ein. Warum sollte er immer noch an ihr hängen? Ein Mann wie er, gut aussehend und erfolgreich, hatte sich sicher sehr schnell trösten können. Er war sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst und erreichte ganz bestimmt immer das, was er sich vorgenommen hatte. Bei Frauen und im Leben ganz allgemein.

Sie folgte ihm durch die Haustür in die große Eingangshalle. Durch die Fenster konnte man bis auf den Strand sehen, und Gina hatte das Gefühl, die weiße Gischt der Wellen beinahe berühren zu können. „Wenn du willst, kannst du dich gern umsehen“, sagte William. „Ich gehe mal eben nach oben, um zu duschen.“

Er warf die beiden Aktenkoffer auf eine große moosgrüne Couch und verschwand über eine Wendeltreppe nach oben. Sie trat in das Wohnzimmer und konnte nicht widerstehen, die Türen zu der großen Terrasse zu öffnen. Die Aussicht war atemberaubend, aber das war nicht alles. Das Haus schien mit allem Luxus ausgestattet zu sein, den ein reicher Junggeselle wohl zum Leben brauchte. Ein Whirlpool, angrenzend an eine kleine Bar, war auf der einen Seite in die Terrasse eingelassen, auf der anderen Seite befand sich ein großer gemauerter Grill. In der Mitte standen bequeme Terrassenstühle und ein großer Tisch, ideal für die ausschweifenden Partys eines Junggesellen.

Gina ging bis zu dem hölzernen Geländer vor und schloss kurz die Augen. Sie holte tief Luft. Doch so sehr sie die salzige Meeresbrise genoss, das schäumende Meer und das Bewusstsein, dass William ganz in der Nähe war, war zu viel für ihre Nerven. Die Knie gaben nach, und sie umklammerte schnell das Geländer.

„Ich glaube, das kannst du jetzt gebrauchen“, hörte sie Williams tiefe Stimme hinter sich und fuhr herum. Er reichte ihr ein Glas Weißwein. „Zum Wohl.“

Dankbar nahm sie das Glas und drehte sich dann wieder zum Meer um. „Alles sieht so friedlich aus.“

Er trat neben sie und nahm einen Schluck von seinem Wein. „Das Aussehen kann täuschen.“

Das war auch Gina gerade durch den Kopf gegangen. Sie musste dabei an die verräterische Ruhe des Meeres denken. Doch sie war sicher, William meinte etwas anderes.

Sie machte einen kleinen Schritt zur Seite und betrachtete William Beaumont nachdenklich. Das dunkle Haar, noch nass vom Duschen, hatte er glatt nach hinten gekämmt, kleine Wassertropfen glitzerten auf seiner Haut. Das rötliche Licht der untergehenden Sonne betonte die klare Linie seiner Wangenknochen und die männlich festen Lippen. Er hatte eine gut sitzende Jeans angezogen und ein schwarzes Polohemd, das einen muskulösen Oberkörper und breite Schultern umspannte.

Wie schon vor neun Jahren konnte Gina sich gar nicht sattsehen. Und seither hatte kein anderer Mann mehr diese Wirkung auf sie ausgeübt. Wenn er sie ansah, schlug ihr Herz schneller. Und wenn er näher kam, durchlief sie ein heißes erwartungsvolles Zittern. In diesem Outfit erinnerte er sie wieder an den Mann von damals, an ein sorgloses Sommerleben mit fröhlichen Tagen und heißen Nächten.

Schnell wandte sie sich ab und nahm einen kleinen Schluck Wein. Sie trank sehr selten Alkohol und musste jetzt ihren Verstand unbedingt beisammenhalten. „Mehr sollte ich nicht trinken“, sagte sie, „sonst bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen.“ Sie setzte das Glas auf dem Tisch ab und wandte sich William zu. Hoffentlich hatte er den Hinweis bemerkt und ging mit ihr nach drinnen, um endlich mit der Arbeit anzufangen. Sie wollte ihm und sich selbst beweisen, dass sie den Aufgaben gewachsen war, die er ihr stellte. Außerdem musste und wollte sie sich auf die Arbeit konzentrieren, um sich von ihrem sexy Boss abzulenken.

William blieb stehen. Er drehte den Kopf und sah Gina direkt in die Augen. „Tut mir leid“, sagte er, wirkte aber keineswegs verlegen. „Ich kann nicht mit dir arbeiten.“

Ich kann nicht mit dir arbeiten.

Sie zog die feinen dunklen Brauen zusammen und starrte ihn an. Was sollte das? Was für ein Spiel spielte er mit ihr? Schließlich hatte sie sich überwinden müssen, sein Angebot überhaupt anzunehmen. Aber es ging nur darum, möglichst bald wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Und jetzt sollte es das schon gewesen sein? „Ich dachte, du hast mich heute angestellt!“, sagte sie wütend.

William stellte das Glas unsanft ab und wandte sich ganz zu ihr um. „Ja, ich habe dich angestellt. Glaubst du denn, ich lasse dich so einfach wieder gehen, ohne dass du mir erklärst, was damals geschehen ist? Vor neun Jahren bist du vor mir davongerannt, und ich muss endlich wissen, warum.“

2. KAPITEL

Gina war so schockiert, dass ihr nicht gleich eine Erwiderung einfiel. „Wir waren doch so jung damals“, sagte sie schließlich leise.

Am liebsten wäre sie gestorben nach dieser Nacht. Denn die Vorstellung, William nie wiederzusehen, hatte sie kaum ertragen können, und es hatte lange gedauert, darüber hinwegzukommen. Aber jetzt wollte sie nicht die alten Geschichten wieder aufwärmen, etwa wie ihre Freundin Sarah sie belogen und damit Gina und William unwissentlich auseinandergebracht hatte. Erst Jahre später war die Wahrheit herausgekommen, und inzwischen hatte Gina ihrer Freundin längst verziehen. Aber Tatsache war, dass Gina William nach einer leidenschaftlichen Nacht in El Paso verlassen hatte.

„So jung nun auch wieder nicht“, meinte William. „Du hattest immerhin das College bereits hinter dir, musst also zwanzig oder einundzwanzig gewesen sein. Wir waren keine Kinder mehr.“

„In dem Jahr sind meine Eltern umgekommen. Ich war vollkommen durcheinander und fand mich überhaupt nicht mehr zurecht.“

„Und dann hat mein Vater dieses Problem für dich gelöst, war es nicht so? Er hat dich sozusagen ‚ausgezahlt‘. Und du hast nicht lange überlegt, hast das Geld genommen und bist verschwunden.“

Ja, Gina hatte das Geld von Blake Beaumont akzeptiert. Sie hatte sich in William verliebt, und die Nacht mit ihm, in der sie ihre Jungfräulichkeit verlor, war unbeschreiblich schön gewesen. Sofort hatte sie sich eine Zukunft mit ihm ausgemalt, was im Rückblick wirklich reichlich vorschnell und naiv gewesen war. Denn die rosigen Zukunftsträume waren noch in derselben Nacht jäh zerstört worden.

Sarah war schwanger und behauptete, William sei der Vater ihres Kindes.

In jener Nacht hatte Gina so geweint wie noch nie in ihrem Leben, sie konnte die Tränen einfach nicht stoppen. Der einzige Mann, bei dem sie Trost und vielleicht ein bisschen Glück nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern zu finden hoffte, hatte sie rücksichtslos betrogen. Das war mehr, als sie ertragen konnte.

Da kam Blake Beaumonts Angebot goldrichtig. Sie wollte William für seine Grausamkeit strafen, wollte ihn büßen lassen. Sie hasste ihn.

Sie erinnerte sich noch genau an den Moment. Sie stand Blake Beaumont gegenüber, dem Mann, der herzlos seine beiden Söhne weggegeben hatte, nur um ungestört sein Unternehmen aufbauen zu können. Triple B stand für den alten Beaumont über allem, auch über dem Familienleben mit seinen beiden Söhne. Die hatte er bei seinem Bruder und Schwägerin „geparkt“.

Blake Beaumont hatte einen Umschlag über den Tisch geschoben. „Nimm das Geld und das Flugticket und verschwinde aus El Paso. Ich möchte nicht, dass William durch dich von seinen Aufgaben abgelenkt wird. Das kann er momentan nicht gebrauchen. Ich habe seine Kindheit geopfert, damit er eines Tages mit mir zusammen das Unternehmen führen kann. Diese Zeit ist nah, ich spüre es. Sam, William und ich, wir werden etwas ganz Großes aufbauen. Da ist für dich kein Platz, Kindchen.“

Ginas erster Impuls war, den Scheck zu zerreißen und dem alten Mann die Papierschnitzel in sein selbstgefällig grinsendes Gesicht zu werfen. Dieser Egoist wollte, dass sein Sohn sich nur auf ihn und die Firma konzentrierte, wollte über ein Leben bestimmen, in dem die Liebe keinen Platz haben sollte.

Die Ironie daran war, dass Blake glaubte, er müsse einfach nur Gina loswerden. Wie würde er reagieren, wenn er erfuhr, dass sein eigentliches Problem Sarah und sein ungeborenes Enkelkind waren? Wenn ihr nicht so elend zumute gewesen wäre, hätte Gina laut gelacht. Stattdessen griff sie nach dem Scheck und dem Flugticket und verließ die Stadt, so schnell sie konnte.

Sie war sicher, dass der alte Beaumont seinem Sohn sofort von seinem erfolgreichen Bestechungsversuch erzählen würde. Damit war sie für William gestorben, und genauso musste es sein.

William und Sarah würden ein Kind haben, und das war der entscheidende Punkt. Sarah wusste nichts von Ginas Gefühlen für William, und dabei sollte es auch bleiben. Wenn Gina sich bestechen ließ und aus der Stadt verschwand, würde William dort mit seiner Familie bleiben. Denn Gina hoffte, dass er seine Verantwortung Sarah und dem Baby gegenüber ernst nahm.

Den Kontakt zu Sarah hatte Gina verloren. Irgendwie musste sie mit ihrem Schmerz allein fertig werden. Sie zog nach Los Angeles, fest entschlossen, sich ein gutes Leben aus eigener Kraft aufzubauen. Einige Jahre später hatte Sarah ihre frühere Freundin besucht, und erst dann war die ganze Wahrheit ans Licht gekommen.

„Sag ehrlich, Gina. Warum bist du damals abgehauen?“

„Ich hatte meine Gründe, William. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Du kannst mir glauben, als ich El Paso damals verließ, hat es mir das Herz gebrochen.“

„Es brach dir das Herz?“ William trat auf sie zu und stand jetzt dicht vor ihr. „Das habe ich aber ganz anders in Erinnerung. Ich erinnere mich nur zu genau, wie ich dich ausgezogen habe, damals in der Scheune meines Onkels. Ich weiß noch genau, wie du gestöhnt hast und gekeucht und dich an mich gedrückt. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass du sagtest, dein Herz sei gebrochen und du würdest El Paso am nächsten Tag verlassen.“

Tränen stiegen Gina in die Augen, sie zitterte. Wie sehr hatte sie William damals geliebt, und wie vernichtend war die Erkenntnis gewesen, dass er sie mit ihrer besten Freundin betrog. Auf der ganzen Strecke nach Los Angeles hatte sie nur geweint, aber dann hatte sie sich fest vorgenommen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

„Damals in der Scheune hatte ich ganz bestimmt nicht vor, die Stadt am nächsten Tag zu verlassen. Ich sehnte mich nach dir, ich wollte dich.“

Er lachte spöttisch. „Und Gina kriegt immer, was sie will, oder?“

Im Gegenteil. Gina senkte den Kopf, um ihre Tränen zu verbergen. Sie hatte ihre beste Freundin verloren und den Mann, den sie liebte.

William war so liebevoll gewesen, so fürsorglich. Als er sie das erste Mal küsste und dabei in die Arme nahm, hatte sie plötzlich eine tiefe Sehnsucht überfallen, die nicht nur mit körperlichem Verlangen zu tun hatte. Sie wollte ihn halten, wollte ihn niemals gehen lassen, wünschte sich eine Zukunft mit ihm, und seine Liebkosungen wärmten ihr vom Tod der Eltern noch ganz verzweifeltes Herz. In dieser Nacht hatten sie auch von Liebe gesprochen, von der Zukunft, und William hatte Gina fest in die Arme genommen und ihr ins Ohr geflüstert, wie gut es sei, dass sie sich für den richtigen Mann aufgespart hatte. Natürlich war alles noch sehr neu und irgendwie auch vage gewesen, aber Gina war längst davon überzeugt, dass William Beaumont der richtige Mann für sie war.

„Nein, so war es nicht“, sagte sie nur.

Aber William wollte sowieso keine Erklärungen hören, er wollte endlich seinen ganzen Frust loswerden. „Ich war dein erster Mann. Meinst du, dass hätte mir nichts bedeutet? Ich war kein Junge mehr, ich war einundzwanzig. Und hatte keine Ahnung, ob ich dir vielleicht wehgetan hatte, körperlich oder seelisch. Ich wusste nicht, was ich von deinem Verschwinden halten sollte. Halb wahnsinnig war ich, als ich erfuhr, dass du El Paso mit dem ersten Flugzeug verlassen hattest.“ Er fuhr sich erregt durchs Haar. „Ich hatte sogar schon meinen Vater angerufen, um ihm mitzuteilen, dass ich die Frau meines Lebens gefunden hatte. Schon an dem Tag, bevor wir uns in der Scheune trafen, bevor wir uns geliebt haben. Schon da wusste ich, dass ich dich nicht verlieren wollte. Zu meiner Verblüffung erfuhr ich dann, dass mein Vater nach El Paso gekommen war. Und voll Genugtuung eröffnete er mir am nächsten Tag, dass du die Bestechungssumme angenommen und bereits die Stadt verlassen hättest. Er strahlte dabei, weil er gar nicht auf die Idee kam, dass ich ihn dafür hassen würde. Er meinte, er habe mir einen Gefallen getan, indem er mir die Augen öffnete. Aber das ist ja jetzt auch egal. Ich habe dich ziemlich bald danach abgeschrieben als den größten Fehler meines Lebens.“

Gina zuckte zusammen. Das tat weh. Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr sie gelitten hatte in jener Nacht, wie dieses Wechselbad der Gefühle ihr zugesetzt hatte. Erst war sie so glücklich gewesen, endlich den Mann gefunden zu haben, von dem sie immer geträumt hatte. Und dann die tiefe Verzweiflung, weil er sie betrog. Doch das war vergangen – wenn auch nicht vergessen.

Sie hob den Kopf und sah William kühl an. „Wenn das so ist, warum hast du mir dann den Job gegeben?“

„Das war Sams Idee. Er bat mich darum. Und ich wollte ihm die Bitte nicht abschlagen.“

So war es also. Sam hatte sie aus Mitleid vorgeschlagen. Als sie ihn vor ein paar Monaten zufällig mit seiner Familie am Flughafen traf, hatten sie sich kurz unterhalten. Und als er hörte, dass sie jetzt in Los Angeles lebte, sagte er, sie könne immer bei Triple B einsteigen, falls sie mal einen Job brauchte.

Das war ein harter Schlag für ihren Stolz. „Du bist in keiner Form an deine Zusage gebunden. Schließlich kann ich dir nicht zumuten, mit dem größten Fehler deines Lebens zusammenzuarbeiten.“

Schnell drehte sie sich auf dem Absatz um und ging auf die Terrassentür zu. Sie musste weg hier, musste William ein für alle Mal vergessen. Doch als sie das Haus betrat, ergriff William sie von hinten. Er legte ihr die Arme um die Taille und drückte sie an sich. Dann spürte sie, wie er ihr die Haarnadeln herauszog, sodass ihr die weichen Locken auf die Schultern fielen. Er küsste sie aufs Ohr und flüsterte: „Lauf nicht wieder vor mir davon. Bitte.“

Gina wurde heiß vor Verlangen. Wie gern hätte sie sich seinen erfahrenen Händen überlassen, hätte sich an ihn geschmiegt und einfach vergessen, was damals passiert war. „Aber du willst mich doch nicht in deiner Nähe haben“, wisperte sie.

„Kann sein. Aber ich brauche dich.“

Gina kniff verzweifelt die Augen zusammen. Sie konnte nichts dagegen tun, sie spürte, wie ihr Körper in seinen Armen butterweich wurde. Sie drehte sich um und drückte sich an ihn. Zögernd öffnete sie die Augen und begegnete seinem ernsten Blick. „Du brauchst mich?“

Sein Mund kam immer näher, und unwillkürlich schloss sie die Augen. Und dann spürte sie seine Lippen auf ihren und öffnete sich ihm. Sofort legte er seine Hände um ihr Gesicht und küsste sie tief und leidenschaftlich. Gina stöhnte leise und drückte sich an ihn. Die Hitze seiner Haut übertrug sich sofort auf sie, und sie erwiderte seine Küsse voll brennendem Verlangen. Plötzlich war es wieder so wie damals … Er strich ihr mit den Händen über den Rücken, bis er ihren kleinen festen Po umfasste und sie spüren ließ, wie sehr er sie begehrte. Gina konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie wollte ihn so sehr …

„Hallo! William? Bist du zu Hause? Ich habe dir Chili mitgebracht, Darling. Den scharfen, den du so gern magst.“

Bei dem Klang der rauen dunklen Frauenstimme stieß Gina William hastig von sich. Gerade noch rechtzeitig, denn sogleich tauchte der leuchtend rote Haarschopf einer jungen Frau auf den Stufen auf, die vom Strand her auf die Terrasse führten. Sie stieg die Treppe hinauf, nur mit einem Bikini bekleidet, und trug einen Topf vor sich her. Als sie Gina erblickte, blieb sie abrupt stehen. „Oh, entschuldige, William. Ich habe mich wohl im Datum geirrt. Ich dachte, wir seien heute für den Whirlpool verabredet. Da muss ich etwas durcheinandergebracht haben.“ Sie nickte Gina lächelnd zu und setzte den Topf auf dem Terrassentisch ab. „Ich lasse ihn dir hier.“

„Tut mir leid, Veronica, wirklich. Ich habe unsere Verabredung total vergessen.“ Er zwinkerte ihr zu und grinste. „Ich muss heute noch arbeiten.“

„Das ist offensichtlich.“ Veronica warf Gina einen Blick zu und stieg dann die Stufen wieder hinunter. „Überarbeite dich nicht, Honey.“ Sie lachte noch und verschwand aus dem Blickfeld.

Gina starrte William an. Plötzlich war ihr alles klar. Vorübergehend hatte sie sich wieder nach El Paso zurückversetzt gefühlt, lag in den Armen des jungen Mannes von damals, dem sie sich bedingungslos hingegeben hatte. Aber das war neun Jahre her. Wie dumm von ihr zu glauben, nichts habe sich verändert. Wie naiv.

Sie versuchte, an ihm vorbeizukommen, aber er versperrte ihr den Weg und hielt sie am Arm fest. „Sieh mich an“, befahl er leise. Und als sie es tat, zuckte er mit den Schultern und sagte: „Veronika ist nur eine gute Freundin.“

Hielt er sie wirklich für so dumm? William war nicht der Typ Mann für Frauenfreundschaften, die sich auf gemeinsame Mahlzeiten und ein Bad im Whirlpool beschränkten. Gina schüttelte heftig den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, ich sollte jetzt lieber nach Hause fahren. Bringst du mich, oder soll ich mir ein Taxi bestellen?“

„Weder noch. Wir müssen heute Abend noch ein paar Sachen durchgehen. Als ich sagte, ich brauche dich, habe ich das wörtlich gemeint. Ich brauche eine Assistentin für dieses Projekt, und je schneller du dich einarbeitest, desto besser.“

„Dafür willst du deine heiße Verabredung opfern?“

„Ja, wie du siehst.“

Sie kochte vor Wut. „Du bist sie auch ja sehr schnell wieder losgeworden. Aber was ist mit uns? Mit dem, was da eben mit uns passierte? Kannst du das auch so einfach zur Seite schieben?“

Er sah sie von oben bis unten an, dann blieb sein Blick auf ihren Lippen hängen, denen man seine Küsse von eben noch ansah. „Ich könnte dich nie zur Seite schieben, Gina. Du bist eine Frau, die man nur schwer vergessen kann.“

„Damit ist meine Frage nicht beantwortet.“

„Nun hör mir mal gut zu. Kann sein, dass ich mich habe gehen lassen. Aber es stimmt, dass ich dich brauche, dringend sogar. Auf alle Fälle als meine Assistentin. Denn morgen fahren wir mit dem Boot.“

„Wir fahren? Mit einem Boot?“, unterbrach sie ihn sofort. „Wohin denn?“

„Nach Catalina. Das hätte Helen von der Personalabteilung dir schon bei eurem ersten Gespräch sagen sollen. Denn das war eine Bedingung für den Job.“

William steckte wirklich voller Überraschungen. Erst küsste er sie, dass sie fast wahnsinnig vor Verlangen wurde, und nun sollte sie mit ihm auch noch nach Catalina fahren. „Davon hat sie mir nichts gesagt.“

„Aber du kennst das neueste Projekt, für das Triple B ein Angebot machen will. Es wäre eine Riesensache für das Unternehmen, und ich werde um den Auftrag kämpfen. Die Unterlagen sind in dem Ordner, den ich dir mitgegeben habe.“

„Ja, ich weiß, und ich habe sie auch durchgelesen. Aber ich habe nicht gewusst …“

„Dieses Projekt ist der Grund für die Extravergütung“, warf er schnell ein.

„Trotzdem verstehe ich das Ganze nicht. Für einen Kurztrip nach Catalina ist das viel zu viel Geld. Wir werden uns da doch höchstens einen Tag aufhalten.“

„Einen Tag? Wie kommst du denn darauf? Mindestens eine Woche werden wir dort bleiben, und ich garantiere dir, du wirst mit einem Achtstundentag nicht auskommen.“

„Eine Woche?“

„Allerdings. Sieben Tage, das Wochenende eingeschlossen. Wie ist es, machst du mit, oder fahre ich morgen allein los?“

Gina ließ den Kopf sinken. Wenn sie doch nur nicht so feige wäre! Seit dem Bootsunfall der Eltern war sie nicht wieder auf dem Wasser gewesen. Das hatte auch damit zu tun, dass sie sich irgendwie schuldig fühlte, weil sie als Einzige überlebt hatte. Bisher hatte sie sich dieser Furcht nicht gestellt, aber jetzt musste sie es. Und das war auch gut so. Im Grunde hatte sie schon lange nach einer Gelegenheit gesucht, ihre Angst vor dem Wasser zu überwinden. Und nun war sie da. Wenn sie sie jetzt nicht ergriff, würde sie nicht nur viel Geld verlieren, sondern auch sich selbst nicht mehr in die Augen sehen können.

Entschlossen hob sie den Kopf. Sie würde annehmen, denn sie brauchte den Job aus mehreren Gründen. „Gut, ich komme mit. Allerdings nur unter einer Bedingung.“

„So? Normalerweise bin ich es, der hier die Bedingungen stellt.“

„Kann sein. Aber ich komme nur mit, wenn die Sache rein geschäftlich ist und bleibt.“ Sie hatte schon einmal ihren Gefühlen vertraut, als sie sich auf ein rein sachliches Verhältnis zu ihrem Geschäftspartner hätte beschränken sollen, und war bös dabei hereingefallen. Das durfte nicht wieder geschehen. „Einverstanden?“

William presste die Lippen aufeinander.

Aber sie sah ihn nur auffordernd an.

Schließlich nickte er. „Einverstanden. Ich werde nichts tun, was du nicht willst. Aber nun wollen wir uns die Unterlagen noch einmal gemeinsam ansehen. Denn du solltest nicht zu spät nach Hause kommen. Schließlich wollen wir Punkt acht morgen früh los.“

„Okay“, sagte sie betont fröhlich. Doch im Grunde ihres Herzens zitterte sie vor Angst und Erregung. Wie sollte sie es durchstehen, Tage und Nächte mit dem Mann zu verbringen, der sie wütend machen konnte, der sie verwirrte und sie gleichzeitig dazu brachte, sich verzweifelt nach seiner Berührung zu sehnen?

Ich werde nichts tun, was du nicht willst.

Na, wunderbar, dachte sie. Ihr war gerade aufgefallen, dass William keineswegs auf ihre Bedingung eingegangen war, sondern sie mit dieser Bemerkung geradezu herausgefordert hatte. Das konnte ja heiter werden.

Bereits jetzt hatte sie das Gefühl, bis zum Hals im Wasser zu stecken und nur mit Mühe den Kopf oben zu halten. Und das widerfuhr ausgerechnet ihr, die eine Höllenangst vor Wasser hatte.

3. KAPITEL

Am nächsten Morgen beobachtete William, wie Gina den Steg entlanglief, der zu seinem Anleger führte. Er hatte ihr gesagt, sie solle sich etwas Bequemes für die Überfahrt anziehen. Aber nun bedauerte er fast, ihr diesen Rat gegeben zu haben. Sicher, das geblümte Sommerkleid war bestimmt bequem, aber der leichte Stoff schmiegte sich viel zu deutlich an die vollen Brüste und die schmale Taille. Hinzu kam, dass die frische Brise ihren Rock hob und ihre langen schlanken Beine besonders gut zur Geltung brachte. Das Haar hatte sie zwar wieder in einem Knoten zusammengefasst, aber schon jetzt lösten sich die ersten Strähnen in dem frischen Seewind und umspielten reizvoll ihr hübsches Gesicht.

William fluchte leise, als die anderen Skipper ihre Arbeit vergaßen und hinter Gina herstarrten. Schwer zu akzeptieren, dass es sich hier um eine reine Geschäftsreise handelte. Nie zuvor hatte er sich von einer Frau so ablenken lassen, dass er deswegen die Ziele seines Unternehmens aus den Augen verlor. Aber als Gina mit ihrem schwingenden Gang auf ihn zukam, vergaß er fast den Grund für die Fahrt nach Catalina.

„Morgen“, brummte er unfreundlicher, als es sonst seine Art war.

„Guten Morgen“, sagte sie und schaute vom Steg herunter. Allerdings sah sie weder William an noch die Jacht, sondern richtete den Blick auf den weiten Ozean. Irgendwo ganz hinten lag Catalina.

„Du bist ja sehr pünktlich.“

„Nur, weil du mir den Fahrer geschickt hast.“ Immer noch sah sie in die Ferne, ihr Gesicht war ernst, das Kinn erhoben. Wenn das Kleid nicht gewesen wäre, hätte sie problemlos als professionelle Kollegin durchgehen können. Aber so konnte sie einen Mann wirklich um den Verstand bringen.

„Willkommen an Bord“, sagte er und reichte ihr die Hand.

Sie übersah die Geste, sondern musterte das Boot in seiner ganzen Länge. Dabei kniff sie die Augen zusammen und holte tief Luft.

„Du hast deine Meinung doch nicht etwa geändert?“, fragte er misstrauisch.

Langsam schüttelte sie den Kopf. „Nein.“ Das kam reichlich zögernd.

William machte mit seiner ausgestreckten Hand eine ungeduldige Bewegung. „Dann komm an Bord, Gina. Wir wollen los.“

Als er vor ein paar Jahren die knapp zwanzig Meter lange Jacht zum ersten Mal gesehen hatte, hatte William sie einfach haben müssen – auch wenn er vom Segeln keinen blassen Schimmer hatte. Und er hatte es nie bereut. Sie war sein liebstes Hobby geworden und er ein geübter Segler.

Gina schaute über das Deck und wies dann auf die Stufen, die unter Deck führten. „Wo ist denn die Mannschaft? Haben die Leute sich verspätet?“

William lachte. „Ich bin die Mannschaft.“

Gina riss die dunklen Augen auf. „Du?“

„Ja. Sam ist der Pilot in der Familie, und ich bin der Seemann.“

Mit einem großen Schritt trat er neben sie auf den Steg und griff nach ihrem Koffer. „Los, komm an Bord. Ich werde dir alles zeigen.“

Nach kurzem Zögern reichte sie ihm die Hand, die er sofort wieder losließ, sowie sie das Deck betreten hatte.

Sie sah sich ein wenig ängstlich um. „Ich hatte keine Ahnung, dass wir nach Catalina segeln.“

Das hatte William in vollster Absicht nicht erwähnt. Denn er war unsicher, wie Gina darauf reagieren würde. Außerdem konnten sich viele Leute nicht vorstellen, dass ein einzelner Mann ein so großes Boot im Griff haben konnte. Doch genau das machte es für ihn so reizvoll. Ganz allein eine solche Aufgabe zu meistern, war eine willkommene Herausforderung. Aber es war schon schwierig genug gewesen war, Gina überhaupt zu diesem Job zu überreden.

Das Timing muss stimmen, hatte sein Vater ihm immer gepredigt. Und er hatte recht. Denn Veronica war gestern genau zum falschen Zeitpunkt erschienen, als er Gina gerade küsste. Und das hatte zur Folge gehabt, dass sie fast wieder aus Williams Leben verschwunden wäre. Viel hatte nicht gefehlt.

Glücklicherweise hatte er Gina überreden können, doch zu bleiben. Denn dieser Kuss hatte ihn vollkommen durcheinandergebracht. Die ganze Nacht hatte er daran denken müssen, wie sie dahingeschmolzen war in seinen Armen. Das zumindest hatte sich in den letzten neun Jahren nicht verändert. Ihre Lippen waren weich und voll, und als sie sich an ihn schmiegte, war er überzeugt, dass sie sich zueinander verhielten wie zwei passende Puzzleteile. Er konnte seine Reaktion auf sie nicht verbergen, und ihr ging es nicht anders. Und wieder einmal wurde ihm bewusst, dass er sie nicht gehen lassen konnte, bevor sie geklärt hatten, was damals passiert war.

„Ich muss gestehen, ich hätte nie gedacht, dich mal unter meinem Kommando zu haben.“ William grinste.

„Wie bitte?“

Mein Kommando. Das ist der Name der Jacht.“

„Ach so.“ Gina warf ihm einen missbilligenden Blick zu.

Er wurde ernst. „Mach dir keine Sorgen. Ich bringe uns schnell und sicher zur Insel.“ Rasch nahm er ihr Gepäck und stieg die Bordleiter hinab. Dann reichte er ihr die Hand. Sie nahm sie und nahm vorsichtig eine Sprosse nach der nächsten. Doch plötzlich schaukelte das Boot, Gina verlor das Gleichgewicht und fiel William geradewegs in die Arme. Kurz drückte er sie fest an sich und ließ sie dann gleich wieder los. Verdammt, wenn sie sich doch nur nicht so gut anfühlen würde!

Er zeigte ihr den kleinen Wohnraum und dann die Kombüse, wo er für sie einen Imbiss vorbereitet hatte: Kaffee, Käse und frisches Obst.

Dann erklärte er ihr, wie das Funksystem funktionierte und wie sie Hilfe herbeirufen könnte, wenn es notwendig war. „Aber keine Sorge, die Wettervorhersage ist sehr gut. Momentan ist es klar, der Wind steht genau richtig, und ich bin in bester Verfassung. Wahrscheinlich werden wir schon am späten Vormittag in Catalina sein.“

Gina nickte, aber William war nicht entgangen, wie erschrocken sie ihn angesehen hatte, als er ihr den Notfallruf an die Küstenwache erklärt hatte.

„Und was ist da?“, fragte sie und wies auf einen schmalen Durchgang.

„Da geht’s zum Schlafraum des Skippers mit angeschlossenem Bad. Auf der anderen Seite gibt es noch zwei Kajüten.“

„Aber du erwartest doch nicht, dass ich die ganze Woche hier unten schlafe?“

Um Himmels willen, dann würde er sich überhaupt nicht auf seine Arbeit konzentrieren können. „Nein, nein. Das wäre wohl ein bisschen viel verlangt. Ich habe für dich ein Zimmer in einem der schönsten Hotels auf Catalina gebucht.“

„Und du? Wo schläfst du?“

„Hier. Ich werde auf dem Boot bleiben. Ich bin sowieso viel zu selten hier und genieße es, die Planken unter meinen Füßen zu spüren. Eine Kajüte habe ich mir als kleines Büro eingerichtet.“

Als er hinter ihr die steile Treppe wieder hinaufstieg, nahm er ihr erregendes Parfüm wahr – irgendetwas Exotisches, das ihn an schwüle tropische Nächte denken ließ. Ihr kleiner fester Po bewegte sich im Rhythmus der Schritte, und diese langen braunen Beine … Schnell wandte er den Blick ab und konzentrierte sich auf die Stufen.

Oben an Deck prüfte er noch einmal den Himmel. „Bist du bereit?“

Sie atmete tief durch und setzte sich eine große, sehr dunkle Sonnenbrille auf. Das gab ihr etwas Geheimnisvolles. Sie sah aus wie ein berühmter Filmstar, der nicht erkannt werden wollte. Und irgendwie war Gina ja auch ein Geheimnis für ihn. Im Grunde hatte er keine Ahnung, wer sie eigentlich war, was sie beschäftigte, was sie traurig und was sie fröhlich machte. Er kannte ihren Körper und würde ihn hoffentlich noch genauer kennenlernen. Das zumindest hatte er fest vor. Aber er würde nie wieder den Fehler machen zu glauben, er wisse, was in ihr vorging.

William bereitete alles für das Auslaufen vor. Er hatte die Segel bereits gesetzt, fuhr aber mit Motorkraft aus dem Hafen. Erst auf offener See stellte er den Motor ab und fing den Wind in den Segeln ein, der sie nach Catalina bringen sollte.

Sowie das Boot die ruhigen Hafengewässer verlassen und die offene See erreicht hatte, zitterte Gina vor Angst. Sie setzte sich nah ans Cockpit, und Meerwasser sprühte auf, als die Jacht die sanften Wellen durchschnitt. Wenn sie doch bloß die Bilder verdrängen könnte, Bilder von ihrem letzten Aufenthalt auf dem Wasser und den letzten Minuten mit ihren Eltern.

Hoffentlich stand sie die Überfahrt durch. William war sicher ein ausgezeichneter Segler und kannte sein Boot genau. Sie beobachtete, wie er ruhig am Steuerrad stand. In der verwaschenen Jeans und dem weißen T-Shirt sah er aus wie jeder Segler. Allerdings war sein Körper bestimmt durchtrainierter, seine Muskeln härter und sein Gesicht konzentrierter als bei den meisten Männern. Und wenn sie sah, wie er mit dem Tauwerk umging, wie er die Segel dirigierte, konnte sie ihn nur bewundern.

Der Kuss gestern Abend, sie konnte ihn nicht vergessen.

Ihm hatte das sicher nichts bedeutet.

Ich brauche dich.

Sie hatte schon verstanden, er brauchte sie als Assistentin, das heißt: als Sekretärin und rechte Hand in einem. Und das war’s dann auch schon. Nicht so, wie sie ihn in den letzten neun Jahren gebraucht hätte und vor Sehnsucht fast vergangen war.

Hoch aufgerichtet stand er da und schaute geradeaus. Urplötzlich schwankte das Boot, und die Wellen schlugen heftig gegen die Bordwand. Gina fuhr entsetzt hoch und krümmte sich dann zitternd zusammen.

Ausgerechnet in diesem Moment sah William sich nach ihr um. Sie lächelte ihn tapfer an, aber er sah sofort, was mit ihr los war. Sowie die See wieder ruhiger war, verließ er kurz das Steuerrad und kam mit einer Schwimmweste zurück. „Zieh das an. Dann fühlst du dich besser.“

Gina nickte und nahm die Weste entgegen. Er hatte recht. Gegen ihre Furcht vor dem Ertrinken konnte sie etwas tun. Allerdings war das kein Heilmittel gegen die quälenden Erinnerungen an ihre Eltern und deren grausamen Tod, die sie hatte verdrängen wollen und sich jetzt mit voller Wucht wieder bemerkbar machten. Doch gehorsam zog sie die Weste über. William half ihr, die einzelnen Bänder festzuziehen und setzte sich dann neben sie. „Was ist mit dir? Bist du seekrank?“

„Nein.“ Dass sie sich elend fühlte, hatte nichts mit der Bewegung des Meeres zu tun.

„Aber du zitterst und bist kalkweiß.“

„Ich bin nicht …“

„Und ob!“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich wollte sagen, ich bin nicht seekrank. Seit dem Unfall meiner Eltern war ich nicht wieder auf einem Boot und …“

William hob überrascht die Augenbrauen.

„Ich weiß, dies ist das Meer, und sie sind auf einem See umgekommen, aber …“

„Willst du damit sagen, dass du seitdem nie wieder auf dem Wasser warst?“, fragte er ungläubig.

Gina schloss die Augen. Alles war wieder da. Das Motorboot, das sie zog. Die Freude am Wasserskifahren. Das Lachen der Mutter, die ihr zuwinkte. Dann der Zusammenstoß. Gina flog ins Wasser und war außer Gefahr. Ihre Eltern hatten nicht so viel Glück.

Sie öffnete die Augen und sah auf ihre Hände. „Nein, ich hatte bisher nicht den Mut. Das ist nun fast zehn Jahre her.“

„Und warum jetzt?“, fragte William leise.

Warum ich? sollte das vermutlich eigentlich heißen. Warum wagte sie sich ausgerechnet mit ihm das erste Mal wieder aufs Wasser? Ja, warum? Sie brauchte den Job, sie brauchte Geld. Denn sie wollte ihr Geschäft wieder eröffnen, und zwar diesmal ganz ohne fremde Hilfe. Sie war von ihrem Geschäftspartner betrogen worden, aber darüber kam sie hinweg. Sie würde nicht aufgeben, auch wenn das bedeutete, dass sie sich mit ihren Ängsten auseinandersetzen musste.

Sie schaute auf. William sah sie besorgt an, und unwillkürlich musste sie an den zärtlichen und liebevollen William Beaumont von vor neun Jahren denken. „Es wird Zeit, William, das ist alles.“

Er legte ihr den Arm um die Schultern. „Nein, das ist nicht alles. Erzähl mir von dem Unfall.“

„Darüber möchte ich nicht reden.“ Tatsächlich hatte sie bisher nur mit den Leuten von der Selbsthilfegruppe über den Unfall gesprochen, mit Menschen, die Ähnliches durchgemacht hatten und die sie vollkommen verstanden. Es war schon schlimm genug, beide Eltern zu verlieren. Aber als Einzige einen Unfall zu überleben, der insgesamt vier Menschenleben gekostet hatte, hatte sie als unglaublich bedrückend empfunden. Sie fühlte sich schuldig, weil sie noch am Leben war – eine ganz normale Reaktion, wie ihr die Mitglieder der Gruppe versicherten.

„Aber vielleicht solltest du es. Vielleicht hilft es dir, deine Angst vor dem Wasser zu überwinden.“

Sie schüttelte den Kopf und starrte hinaus aufs weite Meer. „Das glaube ich nicht.“

William griff nach ihren beiden Händen und hielt sie fest. „Sieh mich an.“ Seine Miene war ernst. „Versuch es, Gina. Wir werden jetzt eine Woche auf einer Insel verbringen, die von Wasser umgeben ist. Ganz sicher werden wir hin und wieder auch auf dem Boot arbeiten.“ Er lächelte aufmunternd. „Du kannst doch nicht jedes Mal in Ohnmacht fallen.“

Gina sah ihn an. In seinen Augen las sie Verständnis und Mitgefühl. Aber warum? Wollte er damit erreichen, dass seine kompetente Assistentin sich wieder beruhigte und einsatzfähig war? Oder ging es ihm um sie, um Gina Grady?

Liebevoll drückte er ihr die Hände, und ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus: „Es war am Wochenende um den Memorial Day herum. Wir sind gar nicht auf die Idee gekommen, dass betrunkene Motorbootfahrer gefährlich sein könnten …“

Es war schmerzhaft und tat gleichzeitig so gut, sich alles von der Seele reden zu können, was an diesem schrecklichen Tag passiert war. Gina gab sich alle Mühe, die Tränen zu unterdrücken, aber hin und wieder musste sie schluchzen. Dann drückte William sie an sich. Im Übrigen hörte er nur aufmerksam zu, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen. Schließlich hielt sie erschöpft inne und senkte den Kopf.

„Danke, dass du mir alles erzählt hast“, sagte er leise und streichelte über ihren Arm. „Fühlst du dich jetzt besser?“

„Ein bisschen.“

Er stand auf. „Jetzt solltest du unbedingt etwas essen.“

Sie drückte ihre Hand auf den Bauch. „Nein, ich habe keinen Hunger.“

„Gut. Dann trink wenigstens einen Kaffee. Er steht unten.“ Er warf einen Blick auf den strahlend blauen Himmel über ihnen und sah ihr dann in die Augen, als überlege er, was das Beste für sie wäre. „Du siehst müde aus, Gina. Leg dich doch ein bisschen hin. Es schadet sicher nichts, wenn du eine Zeit lang mal kein Wasser siehst.“

Seine leise Stimme klang tröstlich und bestimmt zugleich. Sie hätte sich sofort wieder in ihn verlieben können, wenn sie nicht allen Männern abgeschworen hätte – aber so wie er sie jetzt ansah, ohne Verachtung, ohne Reue … „Ja, vielleicht sollte ich mich wirklich ein bisschen hinlegen.“

Er brachte sie zur Treppe und zog sie dann zärtlich in seine Arme. Da das Boot gerade schwankte, fiel sie gegen ihn. Er hielt sie fest, dann beugte er sich vor und küsste sie flüchtig auf den Mund. Als sie ihm danach in die Augen sah, musste sie lächeln.

Doch er wandte den Blick sofort wieder ab, und gleich darauf war alle Zärtlichkeit verschwunden. „Glaub nicht, dass ich Genugtuung empfunden habe, Gina, weil du Angst hattest und deine Erinnerungen dich so sehr quälen. Ganz so schlimm bin ich nun auch wieder nicht.“

Sie legte ihm die Hand auf den Mund. „Ich weiß, William. Du bist überhaupt nicht …“

„Oh, doch.“ Er schob ihre Hand zur Seite. „Da gib dich keinem Irrtum hin. Aber ich würde die Schwäche eines anderen nie ausnutzen. Doch davon abgesehen …“ Er machte eine vage Handbewegung. „Das nur als Warnung.“

Sein plötzlich so schroffer Ton ließ sie zusammenfahren. Für einen Augenblick war er wieder der Mann gewesen, in den sie sich vor neun Jahren verliebt hatte. Aber dieser kostbare Moment war vorbei, jetzt wirkte er wieder kalt und berechnend. Und daran war sie schuld, das war ihr nie so klar gewesen wie jetzt. „Keine Angst, ich habe die Warnung verstanden.“ Sie wandte sich um und stieg hinunter. Im Rücken spürte sie seinen Blick wie ein glühendes Messer.

William steuerte das Boot in den Hafen und legte an. Dann holte er die Segel ein und vertäute sie. Die Fahrt war einfach gewesen, ohne große Vorkommnisse. Allerdings war sein Passagier noch nicht wieder an Deck erschienen.

Er stieg nach unten. Die Kombüse war leer, das Essen stand noch unberührt da. Leise ging er den schmalen Gang entlang und öffnete vorsichtig die Tür zu seinem Schlafraum. Auch der war leer, ebenso das anschließende Bad. Er lächelte. Das hätte er sich denken können. Doch er wurde schlagartig ernst, als er sie schließlich in der Gästekajüte fand, fest schlafend.

„Gina“, sagte er leise.

Als sie sich nicht rührte, trat er näher ans Bett, auf dem sie bäuchlings lag. Ihr Kleid war ein Stück hochgerutscht, das dunkle Haar zerzaust. Sie hatte die Schuhe ausgezogen und die langen schlanken Beine gespreizt. So friedlich und gleichzeitig so verführerisch war dieser Anblick, dass William der Atem stockte. Selbst die rot lackierten Fußnägel erregten ihn.

Ganz langsam öffnete sie die Augen, als spüre sie seine Gegenwart. Sie drehte sich um, seufzte schlaftrunken auf und streckte sich wohlig wie eine Katze.

„Oh, William“, sagte sie und streckte sich wieder, während sie ihn unter schweren Lidern verschlafen ansah.

Verdammt, war sie sexy!

Aber sie hatte ihn einmal schwer enttäuscht, rief er sich sofort in Erinnerung. Warum hatte er sie bloß eingestellt? Er wusste doch genau, dass er ihr nicht vollkommen vertrauen konnte. Doch sein Bruder Sam hatte sich so für sie eingesetzt. „Du musst ihr eine Chance geben“, hatte er immer wieder gedrängt. Und das hatte William schließlich getan. Andererseits hätte er sie auch ohne Sams Fürsprache eingestellt, wenn sie einfach so in seinem Büro aufgetaucht wäre. Da brauchte er sich nichts vorzumachen. Denn sie hatten noch eine Rechnung offen und mussten endlich Klarheit schaffen.

„Ich würde gern zu dir ins Bett kommen“, sagte er sanft. „Aber leider haben wir noch sehr viel zu erledigen.“

„Oh!“ Gina sprang entsetzt auf, als würde ihr erst jetzt bewusst, wo sie war und wer da vor ihr stand.

William wäre am liebsten über sie hergefallen. Nur mit Mühe verbarg er seine Erregung und ärgerte sich gleichzeitig, dass er so vernünftig war.

„Entschuldige, William“, sagte sie hastig und fuhr sich durch das zerzauste Haar. „Ich fürchte, ich bin eingeschlafen. Das Schaukeln …“

Sie beugte sich vor, um die Schuhe anzuziehen, ohne daran zu denken, dass William ihr dabei tief in den Ausschnitt sehen konnte.

„Das ist mir wirklich peinlich“, fuhr sie fort. „Ich bin noch nie während meiner Arbeitszeit eingeschlafen.“

„Das macht doch nichts. Im Gegenteil.“ Er grinste. „Wann immer du in eins meiner Betten willst, bist du herzlich willkommen.“

Gina richtete sich auf und sah ihn streitlustig an. „Wie schade, dass wir heute noch so viel erledigen müssen.“

Er lachte. „Gut gebrüllt, Löwe.“

Sie blickte aus dem Bullauge. „Sind wir schon auf der Insel?“

„Fast. Wir müssen noch ein kurzes Stück mit dem Dingi zum Anleger fahren.“

Gina wurde blass. „Wie weit ist das?“

„Nicht weit. Wir brauchen höchstens fünf Minuten.“

„Das sind genau fünf Minuten zu viel.“

„Aber, Gina, du kannst mir wirklich vertrauen. Ich bringe dich sicher an Land.“

Sie sah ihn nachdenklich an. „Vertrauen ist so eine Sache. Vertraust du mir denn?“

Er stutzte und stand einen Moment unschlüssig da, dann drehte er sich um und ging hinaus.

Gina vertrauen? Das kam überhaupt nicht infrage.

4. KAPITEL

Während der ganzen Fahrt mit dem Dingi saß Gina wie versteinert da und wagte kaum zu atmen. Hin und wieder warf William ihr einen prüfenden Blick zu, musste sich aber im Übrigen darauf konzentrieren, das Boot sicher zum Anleger zu bringen. Dort vertäute er das Boot, nahm Ginas Koffer und sprang auf den Steg. Dann stellte er den Koffer ab und streckte die Hand aus. „Alles in Ordnung mit dir?“

Sie stand vorsichtig auf und nahm seine Hand. „Ja, sobald meine Beine nicht mehr zittern.“

William musterte sie langsam von oben bis unten. „Was hast du gegen deine Beine? Sehen doch toll aus.“ Er grinste. „Komm, wir gehen als Erstes zu deinem Hotel.“

Sowie Gina wieder festen Boden unter den Füßen hatte, fühlte sie sich besser. Die Sonne strahlte vom blauen Himmel, und vom Strand drang fröhliches Kinderlachen herüber. Catalina, eine Insel 22 Meilen vor der kalifornischen Küste, war ein beliebtes Ziel für die Einwohner von Los Angeles, die der Großstadt entfliehen wollten. An einem klaren Tag wie diesem war das Festland gut sichtbar. Sie gingen die Strandpromenade entlang, und sofort war der spanische Einfluss auf die Insel unübersehbar.

„Sieh mal, wie hübsch!“ Gina blieb vor einem gekachelten Brunnen stehen, der in der Mitte eines kleinen Platzes stand.

„Ja, das sind die typischen mexikanischen Kacheln.“ Auch William war stehen geblieben. „Die Insel heißt nach Santa Catalina, der Heiligen aller unverheirateten Frauen.“ Er lachte. „Glücklicherweise hat sich das Image der Insel gewandelt. Heute wird sie im Wesentlichen von jungen Pärchen besucht.“

„Dann soll die Insel wohl mehr und mehr zum Ziel für Hochzeitsreisende werden, was?“

William nickte. „Ja. Sie ist dafür auch extrem gut geeignet. Die meisten Hotels haben weder Telefon noch Fernsehen auf dem Zimmer. Die Gäste müssen sich schon etwas einfallen lassen, um sich zu amüsieren. Ideal für Liebespaare.“

Sie konnte ihm nur recht geben, als sie unter Palmen spazierten, die sich in der sanften Meeresbrise wiegten. Die Luft roch nach Salz und Sand. Die meisten Menschen würden mit diesem Geruch sicher Sonne, Meer und Ferienglück verbinden. Doch Gina dachte nur an Wasser, Ertrinken, Tod – an Bilder, die sie lieber vergessen wollte.

Und dann erreichten sie Avalon, wo Gina die lange, mit Bäumen bestandene Straße entlangsah, die die Hauptstraße des Städtchens sein musste. Bis an den Strand reichten Geschäfte und Restaurants. Die meisten Leute trugen Badeanzüge, einige waren mit dem Rad unterwegs. Autos waren kaum zu sehen, allenfalls kleine Golfwagen mit Zeltdach. William ging voran und blieb vor einem kleinen Hotel im italienischen Stil stehen, der Villa Portofino. „Da wären wir“, sagte er und wies auf den Hoteleingang.

„Hübsch und sicher teuer.“

„Sehr hübsch und sehr italienisch“, sagte er nur.

Gina musterte ihn misstrauisch. Warum hatte er so ein teures Hotel ausgesucht, wo es sich doch nur um eine Geschäftsreise handelte? Vielleicht sollte sie ihn noch einmal daran erinnern? Wenn es sein musste, würde sie es tun. „Eine echte Konkurrenz für das Hotel, das Triple B bauen will, oder?“

„Überhaupt nicht. Wir planen ein Luxushotel für Flitterwöchner mit Pools, Tennisplätzen und einem Golfplatz. Das Portofino ist ein kleines, aber feines Strandhotel. Das ist keine Konkurrenz für uns. Hier bringen wir normalerweise unsere Leute unter, die an dem Catalina-Projekt arbeiten. Es wird dir gefallen.“

Wie recht er hat, dachte sie, als sie die Bella Vista Suite betrat. Der umlaufende Balkon bot nicht nur einen herrlichen Blick auf den Hafen, sondern auch auf das grüne hügelige Hinterland. Das breite Bett stand einem großen Kamin gegenüber, vor dem zwei bequeme Sessel standen. Die Blumen in der Vase dufteten betörend. Das luxuriöse Bad war mit feinstem italienischem Marmor gefliest. Vermutlich war die Suite größer als ihr ganzes Häuschen in Los Angeles.

William setzte ihren Koffer ab und trat ans Fenster, das auf den Hafen hinausging. „Das ist doch etwas ganz anderes als El Paso.“

Das schon, dachte sie. Und viel war inzwischen passiert, sehr viel Positives, wenn sie an Williams Karriere dachte. Er hatte viel aus sich gemacht. Sicher, er hatte die Firma geerbt, aber erst unter seiner Führung war Triple B wirklich erfolgreich geworden. Das musste sie zugeben. Dennoch: „Mir hat El Paso gut gefallen. Ich habe da den schönsten Sommer meines Lebens verbracht.“

Er drehte sich um und sah sie ernst an. „Ich auch.“

Gina musste an ihre letzte Woche in El Paso denken. Sarah war mit ihrer Mutter nach Dallas und nach Austin gefahren, um sich nach Arbeitsmöglichkeiten als Lehrerin zu erkundigen. Mr. Buckley hatte immer viel zu tun, und so war Gina im Wesentlichen sich selbst überlassen gewesen.

Normalerweise traf sie sich mit Sam und William, wenn die beiden mit der Arbeit auf der Ranch des Onkels fertig waren. Meist gingen sie ein Eis essen oder ins Kino oder saßen nur so zusammen und unterhielten sich. Doch schon bald kam William allein. In dieser letzten Woche waren Gina und er sich sehr nahegekommen, näher als Gina es sich hatte vorstellen können. Sie verbrachten jede freie Minute zusammen. Und natürlich hatten sie sich unsterblich ineinander verknallt.

Dass ihre Freundschaft sich verändert hatte, war den anderen gar nicht aufgefallen. Sie hatten zwar kein Geheimnis daraus gemacht, aber sie hatten es auch nicht an die große Glocke gehängt. Vor allem Sarah wusste nichts davon, denn Gina hatte noch gar keine Gelegenheit gehabt, es ihr zu erzählen. Als Sarah von dem Trip mit ihrer Mutter zurückkam, war sie viel zu nervös und gereizt gewesen für dieses Thema.

Und dann hatte sie ihrer Freundin und ihrer Mutter gebeichtet, dass sie schwanger war.

Wie gern hätte sie William jetzt diese ganze Geschichte erzählt. Aber damit würde sie Sarah anschwärzen, und das wollte sie nicht. Denn ganz sicher würde sie damit Williams Freundschaft mit Sarah zerstören, ohne dass es ihr selbst etwas nützte. Denn es hätte ja nichts an der Tatsache verändert, dass sie kein Vertrauen zu William gehabt hatte. Sie hatte das Geld seines Vaters genommen und El Paso verlassen. Die Gründe dafür waren für William zweitrangig, denn er war ein Mann, der absolute Loyalität erwartete. Damals hatte sie ihn sehr geliebt, aber er hatte sich inzwischen verändert. Er war nicht mehr derselbe Mann, in den sie sich verliebt hatte. Und sie war nicht mehr dieselbe Frau. Die Jahre waren alles andere als spurlos an ihr vorübergegangen.

„Was machen wir nun?“, wollte sie wissen.

„Jetzt?“ Sein Ton war sachlich. „Zum Mittag treffen wir uns mit James Robinique von der Inselverwaltung. Das Essen wird sicher ein paar Stunden dauern.“ Er sah sich kurz in dem Raum um. „Ich hoffe, es gefällt dir hier. Leider wirst du nicht viel Zeit haben, die Suite zu genießen. Wir haben sehr viel zu tun.“

„Das macht nichts.“ Viel Arbeit hatte sie noch nie gestört. „Was soll ich anziehen?“

William musterte sie nun langsam von oben bis unten. „Robinique kommt ursprünglich aus Frankreich und hat etwas übrig für weibliche Schönheit. Er wird sowieso versuchen, dich zu verführen, selbst wenn du in Sackleinen gehst.“

Gina sah ihm fassungslos hinterher, als er mit diesen Worten einfach ging. Sollte das eine Warnung sein? Oder hatte William sie aus ganz bestimmten Gründen mitgenommen, etwa um James den Kopf zu verdrehen? Sie wusste, wie wichtig dieses Projekt für ihn war, aber die Verführung des Mannes, der ihm den Zuschlag geben musste, gehörte eigentlich nicht zu ihrem Arbeitsbereich.

Nein, so etwas würde William nie tun und auch nicht erwarten. Dennoch, sie wurde den Gedanken nicht los.

Wütend griff sie nach einem Kissen und warf es gegen die Tür, die William gerade hinter sich geschlossen hatte. Wie ärgerlich, dass sie nicht irgendetwas besonders Unvorteilhaftes zum Anziehen besaß. Sie hätte es, ohne zu zögern, angezogen, nur um William Beaumont zu ärgern.

Seufzend hob sie den Koffer aufs Bett und fing an auszupacken.

Als eine kühle Brise vom Balkon hereinwehte, trat sie hinaus und lehnte sich gegen die Brüstung. Sie schaute über das Meer und konnte kaum glauben, dass sie die weite Strecke im Segelboot zurückgelegt hatte. Bei dem Gedanken daran fingen ihre Knie erneut an zu zittern. Doch sie umfasste das Geländer fester und atmete tief durch. Auch wenn sie den größten Teil der Zeit unter Deck verbracht hatte, so war es doch ein Anfang gewesen, und dafür war sie William im Nachhinein sehr dankbar.

Aber was tat sie hier auf diesem kleinen Stück Land, umgeben vom Meer? Sie arbeitete für Triple B. „Wer hätte das gedacht?“, flüsterte sie. Sie war mit dem konfrontiert, was sie am meisten fürchtete: das Meer und William Beaumont. Und der Mann, den sie nie hatte wiedersehen wollen, hatte beides eingefädelt.

Eine ausgiebige Dusche würde ihr sicher guttun. Sie benutzte alle Duftseifen, Öle und Bodylotions, die das Hotel zu bieten hatte, und fühlte sich hinterher herrlich erfrischt. Dann kämmte sie ihr langes Haar, bis es glänzte, steckte es dann aber doch auf. Nur ein paar gelockte Strähnen ließ sie ihr Gesicht umspielen. Sie legte ein wenig Lidschatten auf, tuschte sich die Wimpern und benutzte einen unauffälligen bräunlichen Lippenstift, der gut zu ihrem Teint passte.

Eine Zeit lang stand sie vor dem Kleiderschrank, entschied sich dann aber doch für einen engen schwarzen Rock und eine klassische weiße Bluse aus grobem Leinen. Zufrieden nickte sie ihrem Spiegelbild zu. Das war genau richtig. Sie sah elegant aus und sehr professionell. Und trotz Williams anzüglicher Bemerkungen ging es hier ja schließlich ums Geschäft.

Eine Stunde später klopfte er. „Ich bin fertig“, rief sie und öffnete die Tür.

Auch er war schwarz-weiß gekleidet. Zu der schwarzen Hose trug er ein weißes Hemd, dessen Ärmel er ein Stück aufgekrempelt hatte. Die Aktentasche hatte er in der Hand, und groß und dunkel, wie er war, sah er wieder atemberaubend gut aus.

Er musterte flüchtig ihr Outfit, und fast hätte sie eine Bemerkung wegen der farblichen Übereinstimmung gemacht. Dann fiel sein Blick auf die schwarzen Sandaletten mit den hohen Absätzen. „Hm, kannst du in denen überhaupt laufen? Wir müssen ein ziemliches Stück gehen.“

Gina hob einen Fuß an. „Das sind die bequemsten Schuhe, die ich besitze.“

„Ach so?“ Nachdenklich betrachtete er ihre rot lackierten Zehen. „Mal sehen, wie du das siehst, wenn wir wieder zurück sind.“

Auf der Straße blieb er dicht neben ihr. „Wir wollen uns noch einmal klarmachen, welche Rolle die Inselverwaltung bei der ganzen Sache spielt“, sagte er. Gina hatte sich schon in den Unterlagen ausführlich über dieses Thema informiert, aber William bestand darauf, alles noch einmal durchzugehen. Wahrscheinlich wollte er ganz sicher sein, dass er bei dem Termin keine Einzelheit ausließ. Gina selbst würde im Wesentlichen schweigend dabeisitzen und Protokoll führen.

„Dieses Gespräch jetzt ist wirklich sehr wichtig für uns“, betonte er noch einmal. Ein großer Teil der Insel war Naturschutzgebiet, weshalb nach den hiesigen Gesetzen jedes Bauprojekt im Einklang mit strengen ökologischen Auflagen stehen musste. Die Baubehörde hatte den Plan von Triple B bereits abgesegnet, aber Mr. Robinique wollte von den konkurrierenden Unternehmen für das Projekt noch einmal detailliert informiert werden. Und wer den strengen Bestimmungen am ehesten entsprach, würde den Zuschlag bekommen. Robiniques Entscheidung war bindend.

William erinnerte Gina daran, dass er drei Mitbewerber hatte. Aber allein John Wheatley von Creekside Construction konnte ihm wirklich gefährlich werden.

Sie stiegen eine hügelige Straße empor, die sie zu dem gemütlichen Harbor Inn führte. Mr. James Robinique war bereits da und erhob sich, als die beiden an seinen Tisch traten. Er schüttelte William die Hand und lächelte Gina an.

„Dies ist meine Assistentin Miss Grady“, sagte William.

Gina streckte die Hand aus, die Robinique mit beiden Händen ergriff. „Es ist mir ein Vergnügen“, sagte er und strahlte sie mit seinen blauen Augen an.

Auch Gina lächelte. Sie war überrascht, wie jung James Robinique aussah. Nach Williams Erzählungen hatte sie sich einen Herrn gereiften Alters vorgestellt. Aber dieser hier schien kaum älter als sie selbst zu sein. Er hielt ihre Hand etwas länger als nötig fest und gab sie nur zögernd frei. Schließlich setzte Gina sich, und auch die beiden Herren nahmen Platz.

William und James hatten Heilbutt in Weinsoße bestellt und aßen mit gutem Appetit. Gina stocherte in ihrem Hühnersalat herum. Sie hatte keinen großen Hunger, außerdem machte sie die Situation nervös. William trank Bier vom Fass, Mr. Robinique hatte sich für einen Pinot Grigio entschieden, und Gina begnügte sich mit einem Eistee.

„Ich möchte Ihnen noch einmal versichern, James, dass wir auf die Schonung der Umwelt bei unseren Überlegungen ein ganz besonderes Gewicht gelegt haben“, eröffnete William nach dem Essen das eigentliche Gespräch. „Sie sehen hier auf den Architektenplänen, dass wir ein Vogelschutzgebiet eingeplant haben. Kein Baum wird gefällt, und mit kleinen Seen und Bächen wollen wir zusätzliche Biotope schaffen.“

Sie hatten die Zeichnungen auf dem Tisch ausgebreitet, und während William erläuterte, was genau Triple B vorhatte, vertiefte James sich in die Zeichnungen, nickte hin und wieder und wirkte voll konzentriert.

Gina notierte seine Kommentare und seine Fragen, darum hatte William sie gebeten. Denn ihm war wichtig, dass alle Probleme offen behandelt und möglichst alle Bedenken, die James haben könnte, ausgeräumt wurden.

Sie bewunderte William für seine konsequente Haltung. Was er sich vorgenommen hatte, verfolgte er kompromisslos und legte dabei alle Karten auf den Tisch. Dadurch wirkte er absolut glaubwürdig. Man nahm ihm sofort ab, dass die geplante Hotelanlage mit fünfundsiebzig Zimmern, fünf Luxussuiten und sechs Cottages, Pferdestall, Pools, Tennisplätzen und Golfplatz keinerlei negative Auswirkungen auf die Umwelt haben würde.

Aber Mr. Robinique ließ sich nicht so leicht überzeugen. Er hatte sehr spezifische und detaillierte Fragen. Und William musste zugeben, dass er noch bestimmte Untersuchungen machen lassen musste, um diese Fragen beantworten zu können.

„Gut, dann treffen wir uns Ende der Woche noch einmal“, meinte Mr. Robinique abschließend und schlug vor, dass William sich das Areal einmal zu Pferd ansehen sollte.

„Gute Idee“, meinte William, und James wandte sich jetzt Gina zu, die die beiden Männer abwechselnd ansah. „Was halten Sie denn von dem Ganzen?“, fragte er mit seinem leicht französischen Akzent und wies auf die Zeichnungen.

„Ich bin der Meinung, dass Mr. Beaumont und seine Leute von Triple B sehr sorgfältig gearbeitet haben und eigentlich Ihre Erwartungen in jeder Hinsicht erfüllen müssten.“

Er lächelte. „Und ich bin der Meinung, dass Mr. Beaumont in Ihnen eine sehr loyale Mitarbeiterin hat.“

„Danke.“

William ließ Robinique nicht aus den Augen.

„Noch eins, Miss Grady. Ist Ihre Aufgabe hier jetzt erfüllt? Ich meine, haben Sie alles protokolliert, was nötig war?“

Gina blickte zu William, und als er nickte, steckte sie ihren Stenoblock in die Aktentasche. „Ja, ich glaube schon.“

„Dann sind Sie für heute fertig?“

„Das kann ich nicht entscheiden.“ Wieder sah sie William an.

„Wenn Sie mit der Präsentation soweit zufrieden sind, dann sind wir fertig“, bestätigte William. „Wir treffen uns am Ende der Woche noch einmal. Das wär’s dann wohl für heute.“

„Ja.“ James nickte lächelnd. „Es sei denn, Sie möchten noch einen Kaffee.“

William schüttelte den Kopf und schaute Gina an. Als sie ebenfalls verneinte, dankte er und stand auf. Auch James erhob sich, und die beiden Männer gaben sich die Hand. „Ich rufe Sie dann an“, meinte William und griff nach der Aktentasche.

„In Ordnung.“ Mr. Robinique wandte sich an Gina. Seine blauen Augen leuchteten. „Ich würde Sie gern heute Abend zu einem Drink einladen, Miss Grady“, sagte er. „Wir hier auf der Insel halten viel von Gastfreundschaft. Und Sie sind ja offenbar zum ersten Mal hier.“

Gina spürte Williams Blick. Sie zögerte, wie sie auf die Frage des charmanten Franzosen antworten sollte, denn sie hatte nicht damit gerechnet. Dann musste sie an Williams Worte denken.

Er wird versuchen, dich zu verführen.

Sackleinen.

James Robinique hatte viel Charme, aber Gina war nicht an ihm interessiert. Noch vor ein paar Monaten wäre sie vielleicht bereit gewesen, mit dem gut aussehenden Mann etwas anzufangen. Aber im Augenblick war anderes wichtiger. Sie wollte ihre Arbeit gut machen, auch um William zu beweisen, dass sie den Anforderungen gewachsen war. Sie war geschäftlich auf der Insel, und sie wollte sich durch nichts ablenken lassen. Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, antwortete William an ihrer Stelle.

Autor

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