Baccara Gold Band 37

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WENN EIN WÜSTENPRINZ IN LIEBE ENTBRENNT von BRENDA JACKSON

„Seien Sie ein artiger Prinz und tragen Sie mein Gepäck ins Haus!“ Scheich Jamal Ari Yasir verschlägt es die Sprache. Was bildet diese Frau sich eigentlich ein! Und wie soll er sich einen Monat mit ihr ein Haus teilen, wenn Delaneys Anwesenheit jetzt schon diese tiefe Lust in ihm weckt?

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  • Erscheinungstag 04.11.2023
  • Bandnummer 37
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516648
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Jackson, Tessa Radley, Nalini Singh

BACCARA GOLD BAND 37

1. KAPITEL

Jamal Ari Yasir atmete tief ein, bevor er unter dem Tisch hervorkam, aufstand und sich den Schweiß von der Stirn wischte. Nach mehr als einer Stunde hatte er immer noch nicht herausgefunden, warum der Tisch wackelte.

„Ich bin Scheich und kein Handwerker“, murmelte er schließlich frustriert und verstaute das Werkzeug wieder im Koffer. Eigentlich war er in das Ferienhaus gekommen, um ein wenig auszuspannen – stattdessen hatte er sich in einem fort gelangweilt. Dabei war heute erst der zweite Tag – und achtundzwanzig weitere musste er noch herumbekommen.

Es war einfach nicht seine Art, nichts zu tun. In seiner Heimat wurde ein Mann danach beurteilt, was er leistete. Obwohl Jamal der Sohn eines der einflussreichsten Scheiche der Welt war, arbeitete er genauso hart wie die Menschen, die er regierte.

In den vergangenen drei Monaten hatte Jamal als Unterhändler sein Land Tahran in Verhandlungen mit den Nachbarreichen vertreten. Nachdem die Gespräche zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgeschlossen worden waren, hatte Jamal sich nach etwas Ruhe und Erholung gesehnt und war dankbar auf Philips Vorschlag eingegangen. Seinem früheren Zimmergenossen von Harvard gehörte dieses einsame Ferienhaus in den Bergen North Carolinas, und er hatte Jamal angeboten, seinen geplanten Urlaub in Ruhe und Abgeschiedenheit doch einfach hier zu verbringen.

Das Geräusch einer zuschlagenden Autotür riss Jamal aus seinen Überlegungen. Philip konnte es nicht sein. Er hatte vor Kurzem geheiratet und verbrachte jetzt seine Flitterwochen in der Karibik.

Neugierig ging Jamal in das Wohnzimmer. Wer mochte das wohl sein? In diese einsame Gegend verirrte sich sonst niemand. Als er aus dem Fenster sah, blieb ihm fast die Luft weg. Eine bemerkenswert schöne Frau war aus einem alten Auto gestiegen und beugte sich gerade über den Kofferraum, was ein überaus erregender Anblick war.

Jamal sah sie zwar nur von hinten, aber das genügte, um unanständige Gedanken in ihm zu wecken. Fasziniert musterte er die Fremde, die ihn in ihren Bann gezogen hatte.

Die engen Shorts der Frau betonten den knackigsten Po, den Jamal je gesehen hatte – und er hatte schon einige gesehen. Unwillkürlich malte er sich aus, wie es wohl wäre, hinter dieser Frau zu schlafen, ihren Po an sich geschmiegt zu fühlen. Die Frage war bloß: Konnte man neben einem solchen Wahnsinnskörpers auch nur eine Sekunde an Schlaf denken?

Für einen Moment stand Jamal wie angewurzelt da und konnte den Blick nicht von der Frau wenden, während sie zunächst einen großen und dann einen kleineren Koffer aus dem Auto hervorholte. Er musste unbedingt wissen, wie ihr Gesicht aussah.

Kaum hatte Jamal den Gedanken zu Ende geführt, klappte sie den Kofferraum zu und drehte sich um. Ihm wurde heiß, als er sah, was für eine außergewöhnliche Schönheit da vor dem Haus stand und sich mit ihren Gepäckstücken abmühte.

Bewundernd musterte er ihr dunkles, gelocktes Haar, das auf ihre bloßen, gebräunten Schultern fiel. Ein sanft gerundetes Kinn und volle, sinnliche Lippen vervollständigten ihre exotische Schönheit. Langsam ließ er seinen Blick von ihrem faszinierenden Gesicht über den schlanken Hals und das aufregende Dekolleté bis zu den formvollendeten Beinen schweifen.

Diese Frau war die Versuchung in Person.

Leicht benommen schüttelte Jamal den Kopf. Wie bedauerlich, dass sie sich offenbar verfahren hatte und dieses Haus fälschlicherweise für ihr Ziel hielt. Er beschloss, auf die Veranda hinauszugehen, und hoffte inständig, dass ihm seine Erregung nicht allzu sehr anzusehen war.

„Kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte er sich betont gelassen bei der langbeinigen Schönheit.

Delaney Westmoreland sah überrascht hoch. Ihr Herz begann zu klopfen, als sie den Mann auf der Veranda bemerkte. Entspannt lehnte er an der Eingangstür. Und was für ein Mann das war! Wenn sie jemals einen Vertreter der männlichen Gattung als schön bezeichnen würde, dann diesen hier.

Der sanfte Schein der Spätnachmittagssonne verlieh seinem bronzenen Teint eine faszinierende Schönheit. Überhaupt gab seine Erscheinung den Worten groß und gut aussehend eine vollkommen neue Bedeutung.

Zwar waren Delaneys Erfahrungen in Bezug auf Männer eher gering, aber man brauchte wirklich keine Expertin zu sein, um zu sehen, dass dieses Exemplar zweifellos eine Sünde wert war.

Delaney schätzte ihn auf fast ein Meter neunzig. Seine Kleidung war vermutlich maßgeschneidert. Eigentlich waren das weiße Hemd und die dunkle Hose viel zu elegant für diese einsame Bergregion – aber gut sah der Typ darin trotzdem aus. Sein schwarzes, dichtes Haar reichte bis knapp über den Kragen des Hemdes, und die dunklen, intelligent blickenden Augen waren auf sie gerichtet.

Sie merkte, dass sie ihn unverwandt ansah und blinzelte einige Male, um sicherzugehen, dass er keine Fata Morgana war. Als er daraufhin immer noch auf der Veranda zu sehen war, schaltete sich ihr Verstand wieder ein.

„Wer sind Sie?“, fragte sie erstaunt.

Einen Augenblick herrschte Schweigen zwischen ihnen. „Eigentlich sollte ich Sie das fragen“, behauptete der Mann und kam die Stufen hinunter.

Atemlos sah Delaney ihm dabei zu und versuchte, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. Immerhin war er ein Fremder, und sie waren vollkommen allein mitten im Nirgendwo. Eine törichte Stimme in ihr versuchte ihr einzureden, dass nichts schlimm daran sein konnte, eine so gut aussehende Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen. Ihr gesunder Menschenverstand setzte sich aber durch und mahnte zur Vorsicht.

„Ich bin Delaney Westmoreland, und Sie befinden sich auf privatem Eigentum“, erwiderte sie.

Der Traum von einem Mann blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um zu ihm hochzusehen. Ein angenehmes Kribbeln breitete sich in ihrem Magen aus. Aus der Nähe betrachtet wirkte er sogar noch schöner, falls das überhaupt möglich war.

„Ich bin Jamal Ari Yasir. Dieses Ferienhaus gehört einem guten Freund von mir, und ich glaube, dass Sie diejenige sind, die sich hier unbefugt aufhält.“

Delaney blinzelte skeptisch und fragte sich, ob er wirklich ein Freund von Reggie war, wie er behauptete. Hatte ihr Cousin etwa vergessen, dass er das Haus bereits einem anderen Freund versprochen hatte?

„Und wie heißt Ihr Freund?“, wollte sie wissen.

„Philip Dunbar.“

„Philip Dunbar?“, wiederholte sie erstaunt.

„Ja, kennen Sie ihn etwa?“

Sie nickte. „Klar, Philip und mein Cousin Reggie waren mal Geschäftspartner. Dieses Haus gehört ihnen gemeinsam.“

„Sind Sie denn schon mal hier gewesen?“

„Ja, einmal. Und Sie?“

Jamal schüttelte lächelnd den Kopf. „Das ist mein erster Besuch.“

Sein Lächeln ließ Delaney den Atem anhalten, ebenso wie der Blick, mit dem er sie bedachte. Sie mochte es nicht, das Objekt seiner unverhohlenen Neugierde zu sein. „Müssen Sie mich denn so anstarren?“, fragte sie ungehalten.

Überrascht zog er eine Augenbraue hoch. „Ich habe nicht gemerkt, dass ich starre.“

„Das tun Sie aber“, entgegnete sie, während sie ihn ihrerseits musterte. „Wie jemand aus der Gegend hier sehen Sie ja nicht gerade aus. Woher kommen Sie denn?“

„Aus Tahran“, erwiderte er lächelnd. „Haben Sie schon mal davon gehört? Das ist ein kleines Reich im Nahen Osten.“

„Nein, aber Erdkunde ist auch nie meine Stärke gewesen. Sie sprechen unsere Sprache übrigens ziemlich gut.“

„Man hat mich seit meiner Kindheit in Englisch unterrichtet“, erwiderte Jamal achselzuckend. „Mit achtzehn habe ich dann begonnen, in Harvard zu studieren.“

„Sie haben in Harvard studiert?“, wiederholte Delaney überrascht.

„Ja.“

„Und womit verdienen Sie ihren Lebensunterhalt?“ Vielleicht arbeitete er ja für die Regierung, überlegte Delaney.

Jamal verschränkte die Arme vor der Brust, als wunderte er sich darüber, warum sie so viele Fragen stellte. „Ich helfe meinem Vater dabei, unser Volk zu regieren.“

Ihr Volk?“

„Ja, mein Volk. Ich bin ein Scheich und gleichzeitig der Prinz von Tahran. Mein Vater ist der Amir des Landes.“

Delaney hatte schon mal gehört, dass ein Amir so etwas wie ein König war. „Wenn Sie ein Königssohn sind, was machen Sie dann ausgerechnet hier in dieser verlassenen Gegend? Als Prinz könnten Sie sich doch auch was anderes leisten.“

Jamal runzelte die Stirn. „Das hätte ich, wenn ich gewollt hätte. Aber Philip hat mir sein Haus angeboten, und es wäre unhöflich gewesen abzulehnen. Er hat gewusst, dass ich eine Weile ungestört verbringen will. Immer, wenn ich in Ihrem Land bin, werde ich von den Presseleuten verfolgt. Philip dachte, ein Monat in dieser Abgeschiedenheit würde mir guttun.“

„Ein Monat?“

„Ja. Und wie lange wollen Sie bleiben?“

„Einen Monat.“

„Da wir unmöglich zusammen hier bleiben können, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihr Gepäck wieder in das Auto verfrachten und diesen Ort verlassen könnten“, erklärte Jamal.

Wütend stemmte Delaney die Hände in die Hüfte. „Und warum soll ausgerechnet ich gehen?“

„Weil ich als Erster da war.“

Dagegen ließ sich nichts einwenden, aber Delaney wollte nicht kampflos das Feld räumen. „Aber Sie können sich auch einen anderen Urlaub leisten. Ich hingegen nicht. Reggie hat mir diesen Monat für mein bestandenes Examen geschenkt.“

„Examen?“, fragte er nach.

„Ja, seit vergangenem Freitag bin ich Ärztin, und die vergangenen acht Jahre habe ich wirklich hart dafür studiert. Reggie dachte, ein Monat Ruhe wäre jetzt genau das Richtige für mich.“

„Stimmt. Das wäre es sicher gewesen.“

Delaney seufzte unüberhörbar. Es sah ganz danach aus, als würde dieser Mann Schwierigkeiten bereiten. „Wir können das auf demokratischem Wege klären“, schlug sie vor.

„Ach ja?“

„Ja. Was wollen Sie lieber? Eine Münze werfen oder Strohhalme ziehen?“

Er lächelte. „Nichts von beidem. Ich schlage vor, ich helfe Ihnen jetzt einfach dabei, das Gepäck wieder im Kofferraum zu verstauen.“

Delaney atmete wütend ein. Was glaubte er eigentlich, wer er war, ihr zu sagen, was sie tun sollte? Sie war als einziges Mädchen mit fünf Brüdern aufgewachsen und hatte schon früh gelernt, sich von keinem Mann der Welt herumstoßen zu lassen. Sie würde diesem hier genauso begegnen wie allen anderen auch: mit unerschütterlicher Sturheit.

„Ich gehe nicht“, betonte sie und sah ihn herausfordernd an.

„Doch, das werden Sie“, erwiderte er vollkommen unbeeindruckt.

„Nein, werde ich nicht.“

Plötzlich verhärteten sich seine Gesichtszüge. „In meinem Land machen Frauen, was man ihnen sagt.“

„Dann herzlich willkommen in Amerika, Eure Hoheit“, gab Delaney verärgert zurück. „In diesem Land dürfen Frauen sagen, was sie denken. Wir können sogar einem Mann sagen, wohin er sich scheren soll.“

„Wohin denn?“, fragte Jamal verwirrt.

„Zur Hölle.“

Irgendetwas an ihrer Antwort schien Jamal zu amüsieren, denn er lachte leise. „Seien Sie doch vernünftig“, forderte er sie auf. Anscheinend hoffte er, sie auf diesem Weg zum Rückzug bewegen zu können.

Delaney warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ich bin vernünftig. In meiner Lage ist die Aussicht auf einen Monat kostenlosen Urlaub in einem einsamen Haus am See sehr vernünftig. Ich habe mir das immer gewünscht, es ist ein Traum, der für mich in Erfüllung geht. Sie sind nicht der einzige Mensch, der im Augenblick die Einsamkeit sucht.“

Seit sie die Medizinprüfung bestanden hatten, kam jeder in ihrer Familie mit seinen Wehwehchen und Beschwerden zu ihr. Sie würde sich niemals erholen können, solange ihre zahlreichen Verwandten wussten, wo sie sich aufhielt. Lediglich ihren Eltern hatte sie mitgeteilt, wo sie ihre Tochter im Notfall erreichen konnten – und dabei sollte es auch bleiben. Obwohl Delaney ihre Familie über alles liebte, brauchte sie jetzt unbedingt eine Verschnaufpause.

„Warum zieht es Sie in die Einsamkeit?“, wollte der Prinz wissen.

„Das ist meine Sache“, erwiderte Delaney ungehalten.

„Sind Sie verheiratet?“, fragte er unverblümt.

„Nein. Und Sie?“, gab sie die Frage ungerührt zurück.

„Noch nicht“, entgegnete er. „Aber noch vor meinem nächsten Geburtstag werde ich es sein.“

„Wie schön für Sie. Seien Sie jetzt ein artiger Prinz und tragen Sie mein Gepäck ins Haus. Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es hier drei Schlafzimmer mit separaten Bädern, sodass für uns beide genügend Platz und Privatsphäre da sein sollte. Und weil ich vorhabe, viel zu schlafen, werden Sie mich so gut wie gar nicht zu Gesicht bekommen.“

„Und wenn Sie nicht schlafen?“, fragte Jamal und starrte sie an.

„Dann tun Sie einfach so, als ob Sie mich nicht sehen würden“, erwiderte sie achselzuckend. „Natürlich steht es Ihnen jederzeit frei zu gehen, wenn Sie mit der Situation nicht klarkommen. Und überhaupt“, sie sah sich um. „Wo ist eigentlich Ihr Auto?“

Jamal seufzte. „Mein Sekretär hat es. Er wohnt in einem Motel nicht weit von hier, falls ich etwas brauchen sollte.“

„Es scheint ja einige Vorteile zu haben, der Sohn eines Königs zu sein“, entgegnete Delaney ironisch.

Jamal überhörte ihren Sarkasmus. „Ja, einige. Asalum kümmert sich um mich seit dem Tag meiner Geburt.“

Delaney entging die Zuneigung in seiner Stimme nicht. „Bestimmt kein schlechtes Leben, was Sie da führen.“

Doch er ging nicht weiter darauf ein. „Sind Sie sicher, dass Sie hier bleiben wollen?“ Plötzlich war sein Tonfall nicht mehr ganz so feindselig. Unverwandt sah er sie mit seinen schwarzen Augen an. In seiner Frage schwang eindeutig eine erotische Andeutung mit, und Delaney dachte nach.

Nein, sicher war sie nicht, aber gehen wollte sie auch nicht. Vor allem nicht, nachdem sie sieben Stunden lang hierhergefahren war. Vielleicht würde sie ihre Meinung ja ändern, nachdem sie geduscht und ein ausgiebiges Nickerchen gemacht hatte.

Delaney erschauerte beinahe unter der Intensität von Jamals Blick. Erneut spürte sie einen Funken Verlangen in sich aufglimmen. Mit fünfundzwanzig war sie erwachsen genug, um zu wissen, dass dafür lediglich überaktive Hormone verantwortlich waren. Sie wusste, dass man sie kontrollieren konnte und nicht jeder Versuchung nachgeben musste. Ein Verhältnis mit einem chauvinistischen Prinzen war wirklich das Letzte, was sie wollte und jetzt gebrauchen konnte.

Delaney hielt seinem bohrenden Blick stand und hob trotzig das Kinn. „Ich bleibe“, erklärte sie bestimmt.

Diese Frau ist wirklich stur, dachte Jamal. Während er an einem Türpfosten in der Küche lehnte, sah er Delaney dabei zu, wie sie ihre Lebensmittelvorräte auspackte.

„Danke fürs Reintragen“, sagte sie, als alles verstaut war, und drehte sich zu ihm um.

Erneut überkam ihn brennendes Verlangen, und er ahnte, dass ihr das nicht entgangen war. Nervös befeuchtete sie die Lippen und sah von ihm fort. Auch sie musste die erotische Spannung spüren, die sich zwischen ihnen aufbaute.

„Vielleicht ändern Sie ihre Meinung ja noch …“, begann er.

„Vergessen Sie’s!“, unterbrach sie ihn und warf ihm einen wütenden Blick zu.

Jamal war über ihre Offenheit verwundert. Ihm war nicht entgangen, dass die Frauen hierzulande nicht lange um den heißen Brei herumredeten. Im Gegensatz zu den Frauen in Tahran, die schon von Kindesbeinen an lernten, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. „Wie Sie wollen“, entgegnete er ruhig.

„Ja, genau.“ Delaney kam auf ihn zu und sah zu ihm auf. „Und ich rate Ihnen, keine Tricks zu versuchen, um mich wegzuekeln. Ich gehe, wenn ich gehen will und nicht eine Sekunde früher.“

Je mehr sie sich aufregte, umso schöner erschien sie Jamal. „Ich bin ein Gentleman und würde mich niemals so verhalten“, verteidigte er sich.

„Ich nehme Sie beim Wort.“ Delaney wandte sich zum Gehen.

Als sie die Küche verlassen hatte, blieb Jamal alleine mit ihrem betörenden Duft. Tief atmete er ein. Er konnte sich einfach nicht gegen das Verlangen zur Wehr setzen, das in ihm aufstieg. Eins war jedenfalls sicher: Von jetzt an würde Langeweile ein Fremdwort für ihn sein.

Mit einem tiefen Seufzer strich Delaney sich durchs Haar und lehnte gegen die geschlossene Schlafzimmertür. Von Kopf bis Fuß war sie erfüllt von den erregenden Nachwirkungen, die Jamals Blick in ihr wachgerufen hatte.

In welche Lage hatte sie sich da gebracht? Was für ein lächerlicher Einfall, das Ferienhaus mit einem Mann zu teilen, den sie noch nicht einmal kannte. Immerhin hatte sie, während der Prinz ihre Koffer ins Haus getragen hatte, Reggie angerufen und sich vergewissert, dass Jamal wirklich Philips Freund war.

Mit Reggie verband Delaney seit ihrer frühesten Kindheit eine tiefe Freundschaft. Nach seinem Abschluss am Business Administration College in Atlanta hatte Reggie eine eigene Unternehmensberatung gegründet. Cousin und Cousine waren gleich alt und hatten so gut wie keine Geheimnisse voreinander.

Reggie hatte das Missgeschick mit der doppelten Belegung des Ferienhauses ehrlich bedauert. Und er hatte Delaney vor Jamal gewarnt, denn er hatte den Prinzen vor einigen Jahren über Philip kennengelernt und wusste um seine intolerante Einstellung westlichen Frauen gegenüber.

Nach diesem Gespräch war Delaney klar, dass sie sich kein Stück für Jamals seltsame Ansichten interessierte. Auf gar keinen Fall würde sie sich von ihm sagen lassen, was sie zu tun hatte. Sie hatte sich ihre dreißig Tage Urlaub redlich verdient, und zum Donnerwetter, sie würde diesen Urlaub in vollen Zügen genießen.

Sie durchquerte den Raum, um sich in einen Schaukelstuhl fallen zu lassen. Als sie das Gepäck am Fußende des Bettes sah, stöhnte sie innerlich. Vor Müdigkeit konnte sie sich kaum rühren, und das Verstauen der Lebensmittel hatte ihre letzten Kraftreserven aufgebraucht. Zumal Jamal ihr die ganze Zeit dabei auf die Finger gesehen hatte.

Obwohl er kein Wort gesagt hatte, war sie sich seiner Aufmerksamkeit bewusst gewesen, beinahe so, als ob er sie mit seinem Blick liebkosen würde. Zweifellos versuchte er, sie auf diese Weise aus der Ruhe zu bringen.

Aber da hatte er sich geschnitten – ihre Haut war dicker, als er dachte. Im Vergleich zu ihren Brüdern Dare, Thorn, Stone, Chase und Storm war der süße Prinz keine wirkliche Herausforderung.

Ihre Wangen wurden heiß, als sie überlegte, ob er in jeder Hinsicht so süß war, wie sie annahm. Allein bei seinem Anblick durchfuhr es sie siedend heiß. Noch nie hatte sie so stark auf einen Mann reagiert.

Kopfschüttelnd beschloss sie, dass sie umgehend eine kalte Dusche benötigte. Gleichgültig, wonach ihr Körper verlangte, sie brauchte keinen Mann. Alles, was sie jetzt brauchte, war Schlaf.

2. KAPITEL

Wie gebannt starrte Delaney auf die ansehnlichen Männerbeine in den makellos gebügelten Jeans, die unter dem Küchentisch hervorragten. Seit ihrer Ankunft vor vier Tagen sah sie Jamal heute erst zum dritten Mal, denn wie angekündigt, hatte sie eine Menge Schlaf nachholen müssen. Ihre Ruhezeiten hatte sie nur durch gelegentliche Mahlzeiten unterbrochen. Ansonsten hatte sie friedlich wie ein Baby geschlummert.

Abgesehen von dem einen Mal, als Jamal irgendeine geräuschvolle Kampfsportübung vor ihrem Schlafzimmerfenster abgehalten hatte. Müde hatte Delaney sich aus den Decken geschält und war zum Fenster geschlurft, um nach der Ursache für den Lärm zu sehen.

Jamal hatte an jenem Tag einen teuren Trainingsanzug getragen, der seinen muskulösen Körper voll zur Geltung brachte. Fasziniert beobachtete sie ihn dabei, wie er eine Reihe von Tritten und Schlägen trainierte. Sie konnte nicht anders, als die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen, seine Kraft und seine Disziplin zu bewundern. Kaum konnte sie den Blick von ihm wenden.

Aber ein Mann wie Jamal war wie ein starker Drink, den man besser nur in kleinen Schlucken genoss. Um ihren Hormonhaushalt nicht zu sehr aus dem Gleichgewicht zu bringen, war sie schließlich, wenn auch nur widerwillig, wieder ins Bett zurückgegangen.

„Mist!“

Der herzhafte Ausruf Jamals riss Delaney in die Gegenwart zurück, und sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Verglichen mit den Flüchen, die sie von ihren Brüdern gewöhnt war, war dieser hier recht harmlos. Offenbar war Jamal auf manchen Gebieten doch nicht so vertraut mit dem Englischen wie ein Muttersprachler.

„Brauchen Sie Hilfe?“, fragte sie und spähte unter den Tisch.

Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass noch jemand außer ihm in der Küche war, denn er verharrte überrascht mitten in der Bewegung.

„Nein, ich komme schon klar“, erwiderte er ungehalten.

„Sind Sie sicher?“

„Ja, bin ich!“, lautete die barsche Antwort.

„Wie Sie meinen!“ Eingeschnappt ging Delaney zum Küchenschrank, um sich eine Schüssel für ihre Getreideflocken zu nehmen. Jamal schob sich unter dem Tisch hervor, um aufzustehen.

„Warum sind Sie denn ausgerechnet heute Morgen wach?“, fragte er, während er die Werkzeuge verstaute.

„Weil ich Hunger habe“, antwortete Delaney kurz angebunden, schüttete sich die Flocken ein und goss Milch darüber. Da der Küchentisch offensichtlich immer noch wackelte, nahm sie ihr Frühstück und ging auf die Veranda.

Obwohl der Tag erst begonnen hatte, war es schon heiß, und Delaney wusste, dass es noch sehr viel wärmer werden würde – ein typischer Sommertag in North Carolina. Glücklicherweise besaß das Ferienhaus eine Klimaanlage, die schwüle Hitze hätte sich sonst nur unbekleidet ertragen lassen. Seufzend setzte sich Delaney auf die Treppenstufe. Es wäre sicher keine gute Idee, in Jamals Gegenwart nackt umherzulaufen.

Sie hatte gerade zu frühstücken begonnen, als die Fliegentür hinter ihr aufgestoßen wurde. Allein das Wissen, dass Jamal nur wenige Schritte von ihr entfernt auf der Veranda stand, brachte ihr Blut in Wallung. Aus dem Augenwinkel sah sie ihn mit einer Tasse Kaffee in der Hand gegen das Geländer lehnen.

„Na, für heute genug den Heimwerker gespielt, Eure Hoheit?“, fragte Delaney ironisch.

Wie gewöhnlich überhörte er den Sarkasmus in ihrer Stimme. „Für heute ja. Aber bevor ich wieder abreise, werde ich noch herausfinden, was mit diesem Tisch nicht stimmt. Ich kann nichts kaputt zurücklassen.“

Delaney sah flüchtig zu ihm hinüber und wünschte sich augenblicklich, es besser nicht getan zu haben. Im Licht der Morgensonne wirkte Jamals Gesicht geheimnisvoll und atemberaubend attraktiv.

Bei ihrer Ankunft vor vier Tagen hatte Delaney noch gedacht, dass er mit seinen klassischen Zügen und dem eleganten Kleidungsstil überhaupt nicht in diese Umgebung passte. Heute jedoch sah er vollkommen anders aus: Mit bloßem Oberkörper, unrasiert und in Jeans stand er vor ihr und wirkte unbezähmbar, kraftvoll und wild. Durch und durch wie ein Raubtier auf der Jagd, und Delaney war fest davon überzeugt, dass er sie mit Haut und Haaren fressen würde, wenn er sie nur zu fassen bekam.

Als er den Kopf senkte, um einen Schluck Kaffee zu trinken, nutzte sie die Gelegenheit, ihn noch eine Weile länger unbemerkt zu beobachten. Seine Jeans saßen perfekt, als wären sie extra für ihn geschneidert worden. Die breiten Schultern, der durchtrainierte Bauch und die schmalen Hüften zeigten, dass der Prinz sich bestens in Form hielt.

Unwillkürlich stellte Delaney sich vor, diese Jeans über seine Hüften zu ziehen und ihre Beine um seine Taille zu schlingen. Und diese verführerische Brust! Delaney musste den Atem anhalten, so stark war ihr Verlangen, die nackte Haut seines Oberkörpers zu berühren. Alles hätte sie dafür gegeben, um herauszufinden, ob seine Muskeln tatsächlich so hart waren, wie sie aussahen. Mit klopfendem Herzen rief Delaney sich zur Ruhe. Was kam ihr denn da alles in den Sinn? Ohne Zweifel war sie dabei, ihre Selbstbeherrschung zu verlieren – zum ersten Mal in ihrem Leben.

Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals zuvor einen Mann so schamlos begehrt zu haben. Ganz im Gegenteil: Die meisten Männer, mit denen sie sich bisher getroffen hatte, hatten in ihr lediglich den Wunsch geweckt, das Date so schnell wie möglich wieder zu beenden. Und ihr einziges unbezähmbares Verlangen war bisher auf den Erdbeerkuchen ihrer Mutter beschränkt gewesen.

Weil Delaney nicht länger über ihr eher spärliches Sexleben nachdenken wollte, konzentrierte sie sich auf die Frage, die sie Jamal eigentlich hatte stellen wollen. „Was ist denn mit dem Tisch nicht in Ordnung?“

Jamal warf ihr einen Blick zu, als ob sie schwer von Begriff sei. „Er ist kaputt.“

„Ja, schon klar“, meinte sie. „Aber was genau ist kaputt?“

Er zuckte ratlos mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Er wackelt halt.“

„Wie? Das ist alles?“ Erstaunt zog Delaney die Augenbrauen hoch.

„Ein Tisch wackelt normalerweise nicht, Delaney“, belehrte er sie schulmeisterlich.

Und normalerweise sollte es mich auch nicht so erregen, wenn du meinen Namen aussprichst, fügte Delaney in Gedanken hinzu und starrte verlegen in ihre Müslischale. Das war das erste Mal, dass er sie bei ihrem Vornamen genannt hatte – und wie sexy seine heisere Stimme klang! Delaney versuchte, ihre Aufmerksamkeit nicht auf Jamal, den Wolf, sondern auf Tony, den Tiger von der Cornflakespackung, zu richten. Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, waren unnötige Komplikationen in ihrem Leben. Und sie war sich ziemlich sicher, dass eine Beziehung mit Jamal mehr als nur ein paar unnötige Komplikationen nach sich ziehen würde.

Zweifellos war er ein Meister der Verführung und Delaney in diesem Bereich haushoch überlegen. Sie lächelte zufrieden, als sie weiteraß und ihre Gefühle wieder im Griff hatte. Vorübergehend zumindest.

Jamal stieß einen tiefen Seufzer aus, als er das aufkeimende Verlangen in ihm zu unterdrücken versuchte. Seit dem Beginn der Verhandlungen um das Land zwischen Tahran und den Nachbarreichen hatte er enthaltsam gelebt, um sich voll und ganz auf seine bedeutende Aufgabe zu konzentrieren. Jetzt, nach dem Abschluss der diplomatischen Geschäfte, erinnerte ihn sein Körper allerdings mit aller Macht an seine vernachlässigten Bedürfnisse.

Jamal schalt sich selbst wegen dieser Schwäche. Zu was konnte dieses neu erwachte unstillbare Verlangen nach körperlicher Liebe schon gut sein? Wäre er nach Philips Hochzeit gleich nach Tahran zurückgekehrt und nicht in dieses einsame Ferienhaus gefahren, müsste er jetzt nicht diese Qualen durchleiden.

In Tahran lagen ihm die Frauen zu Füßen. Sie sahen es als ein Privileg an, ihrem Prinzen alle Wünsche von den Augen abzulesen. Seit seinem achtzehnten Geburtstag gab es genug Frauen, die ihn in seinem Palast aufsuchten, wann immer er es wünschte.

Außerdem gab es da noch die reizende Najeen, die seit drei Jahren seine offizielle Geliebte war. Jamal hatte ihr ein luxuriöses Häuschen nahe beim Palast geschenkt und Diener zur Verfügung gestellt, damit es ihr an nichts fehlte. „Erzählen Sie mir von Ihrem Land, Jamal.“

Überrascht von dieser Frage sah er Delaney an. Das Sonnenlicht ließ ihren gebräunten Teint geheimnisvoll schimmern. Obwohl sie kein Make-up trug, war sie umwerfend schön. Jamal schluckte hart, als sein Körper erneut in Flammen aufzugehen schien.

„Was wollen Sie denn wissen?“, stieß er heiser hervor.

Delaney stellte die leere Schüssel auf den Boden, stützte sich mit beiden Händen ab und lehnte sich zurück. „Alles, was Sie mir erzählen wollen“, erwiderte sie und sah Jamal dabei an. „Es ist doch bestimmt sehr aufregend bei Ihnen in Tahran.“

Die unverhohlene Neugier in ihrer Stimme brachte ihn zum Lächeln. „Aufregend ist es“, entgegnete er, „und wunderschön.“

Und nicht nur meine Heimat, sondern auch du …

Beherrsch dich, ermahnte Jamal sich selbst, bevor er weiterredete. „Tahran liegt nicht weit von Saudi Arabien, am Persischen Golf. Im Vergleich zu Kuwait oder Oman ist es relativ klein. Unsere Sommer sind heiß und die Winter kurz und kalt. Aber im Gegensatz zu anderen Ländern im Nahen Osten haben wir verhältnismäßig viel Niederschlag. Neben Öl ist unser Land reich an Meeresfrüchten und Erdgas. In den vergangenen Jahren haben wir in Frieden mit unseren Nachbarn gelebt. Unstimmigkeiten werden durch Verhandlungen aus der Welt geschafft – und daran beteilige ich mich.“

„Leben Ihre Eltern noch?“, wollte Delaney wissen.

Bevor Jamal antwortete, trank er einen weiteren Schluck Kaffee. „Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben, und mein Vater hatte lange Zeit keine neue Frau. Aber dann kam Fatimah.“

„Fatimah?“

„Meine Stiefmutter. Sie und mein Vater haben geheiratet, als ich zwölf war.“ Jamal verschwieg wohlweislich, dass seine Eltern in einer arrangierten Ehe gelebt hatten, um Frieden zwischen zwei verfeindeten Ländern zu stiften. Sie hatten einander respektiert, aber sich nicht geliebt, und Jamal war das einzige Kind aus dieser Verbindung.

Doch mit Fatimah hatte sich sein Leben und das seines Vaters grundlegend verändert.

Obwohl auch die zweite Ehe des Königs aus Vernunftgründen geschlossen worden war, wurde schnell klar, dass sich zwischen der zweiundzwanzigjährigen ägyptischen Schönheit und ihrem älteren Ehemann eine ganz andere Art der Verbindung entwickelte.

Bald schon begann König Yasir glücklich zu lächeln und verließ das Land immer seltener. Auch wollte er nicht mehr, dass ihm andere Frauen Gesellschaft leisteten – von nun an begehrte er nur noch Fatimah. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit wurde die kleine Arielle geboren, drei Jahre später ihre Schwester Johari.

Arielle war mittlerweile mit Prinz Shudoya verheiratet, und Johari wohnte noch zu Hause. Jamal lächelte bei dem Gedanken an seine reizende kleine Schwester. Von ihrem Vater wurde sie zwar nach Strich und Faden verwöhnt, aber sie war jedermanns Liebling.

Von seiner Stiefmutter wurde Jamal abgöttisch geliebt, und auch er verehrte sie sehr. Als er noch ein Kind gewesen war, war sie mehr als einmal bei seinem Vater für Jamals Interessen eingetreten.

„Verstehen Sie sich gut, Sie und Ihre Stiefmutter?“, erkundigte Delaney sich und schreckte ihn aus seinen Gedanken auf.

„Ja, wir stehen uns sehr nah.“

Delaney sah ihn verwundert an, als könne sie sich nur schwer vorstellen, dass ein stolzer Mann wie er einem anderen Menschen sehr nah stehen konnte. „Haben Sie Geschwister?“, fragte sie.

„Zwei Schwestern“, erwiderte Jamal nickend. „Arielle und Johari. Arielle ist neunzehn und mit einem Scheich aus einem Nachbarstaat verheiratet. Johari ist sechzehn und gerade erst mit der Schule fertig. Sie würde gerne in Amerika studieren.“

„Und wird sie das tun?“

„Natürlich nicht!“, erwiderte er bestimmt.

„Aber warum nicht? Was haben Sie dagegen, dass Ihre Schwester hier studiert. Sie haben es doch auch getan?“, wollte Delaney verblüfft wissen.

Jamal streckte das Kinn vor. „Bei mir war das etwas anderes.“

„So? Warum denn?“, fragte Delaney stirnrunzelnd.

„Ich bin ein Mann.“

„Das ist alles?“

„Ich weiß, dass es bei Ihnen hier keinen Unterschied macht. Hierzulande lassen sich die Männer von Frauen sogar Befehle geben.“

„Sie meinen also, dass Gleichberechtigung bedeutet, Frauen würden Männer kontrollieren?“, hakte Delaney mit finsterem Gesichtsausdruck nach.

„In gewisser Weise, ja. Männer sollten für ihre Frauen sorgen. In Ihrem Land werden die Frauen aber dazu erzogen, für sich selbst zu sorgen.“

„Und das ist Ihrer Meinung nach etwas Schlechtes?“

Jamal erinnerte sich nur zu gut daran, wie unverfroren sie ihm schon am ersten Tag erschienen war, und beschloss, sich nicht auf einen Streit einzulassen. Er hatte seine Ansichten und sie ihre. Wenn sie ihn aber nach seiner Meinung fragte, wollte er sie ihr auch sagen.

„In meinem Land würde so etwas nicht toleriert.“ Jamal verschwieg, dass Frauen in seinem Land trotzdem ihren Willen durchzusetzen verstanden. Seine Stiefmutter hatte diese Kunst perfektioniert: Sie hatte ihren Mann dazu gebracht, sie so sehr zu lieben, dass er ihr die Sterne vom Himmel holen würde, wenn sie ihn darum bäte. Nach einem weiteren Schluck Kaffee fand Jamal, dass es das Beste war, ihr Gespräch in andere Bahnen zu lenken. „Erzählen Sie mir doch von Ihrer Familie“, schlug er vor.

„Wir kommen aus Atlanta“, erklärte Delaney. „Ich bin die Jüngste und gleichzeitig auch das einzige Mädchen von sechs Geschwistern. Meine Brüder waren immer der Meinung, mich beschützen zu müssen. Sie haben jedem Jungen, der mir näher als zwanzig Fuß kam, das Leben zur Hölle gemacht. Als ich bis zu meinem achtzehnten Geburtstag immer noch kein Date hatte, habe ich meinen Brüdern dann einen Strich durch die Rechnung gemacht.“

„Und wie haben Sie das angestellt?“, erkundigte er sich interessiert.

Ein hinterhältiges Lächeln huschte über ihre Lippen. „Tja, weil ich notgedrungen sehr viel freie Zeit hatte, habe ich sie dafür genutzt, mich in die Angelegenheiten meiner Brüder einzumischen. Plötzlich war ich ganz die neugierige Schwester. Ich habe ihre Telefonate mitgehört, ihre Freundinnen absichtlich mit falschen Namen angesprochen und bin grundsätzlich dann aufgetaucht, wenn sie mit ihren Mädchen alleine sein wollten“, erzählte Delaney amüsiert. „Ich glaube, ich bin der Albtraum einer kleinen Schwester geworden. Es hat nicht lange gedauert, bis sie mich in Ruhe gelassen haben. Gelegentlich machen sie den Fehler, sich in mein Leben einmischen zu wollen. Aber sobald ich sie auf die möglichen Folgen für ihr eigenes Liebesleben hinweise, verziehen sie sich normalerweise schnell wieder.“

Jamal empfand tiefes Mitgefühl für ihre Brüder und schüttelte den Kopf. „Ist denn keiner von ihnen verheiratet?“

Sie starrte ihn an, als ob er einen Witz gemacht hätte. „Machen Sie Scherze? Die haben viel zu viel Spaß an ihrem Singledasein. Dare ist fünfunddreißig und Sheriff in einem Vorort von Atlanta. Thorn ist ein Jahr jünger, baut Motorräder und fährt sie in Rennen. Stone wird nächsten Monat zweiunddreißig und schreibt unter dem Pseudonym Rock Mason Actionthriller.“ Sie machte eine kurze Pause. „Und Chase und Storm sind wieder ein Jahr jünger. Sie sind Zwillinge, sehen sich aber gar nicht ähnlich. Chase hat ein eigenes Restaurant und Storm ist Feuerwehrmann.“

„Wie finden Ihre Brüder bei solchen Jobs noch die Zeit, auf Sie aufzupassen?“

„Sie wären überrascht“, entgegnete sie amüsiert. „Irgendwie bekommen sie es hin.“

„Leben Ihre Eltern noch?“, fragte Jamal.

„Ja. Sie sind jetzt seit über siebenunddreißig Jahren glücklich verheiratet. Meine Mutter hat die ganzen Jahre den Haushalt geschmissen und nichts anderes gemacht. Als ich dann aber weggezogen bin, hat sie zu studieren begonnen. Mein Daddy war natürlich nicht sehr begeistert von der Idee und hat wohl insgeheim gehofft, dass sie nicht lange durchhält. Aber sie hat es geschafft und vor drei Jahren einen Abschluss in Erziehungswissenschaften gemacht.“

Jamal stellte den leeren Kaffeebecher zur Seite. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie nicht ganz unschuldig an der Entscheidung Ihrer Mutter sind.“

„Stimmt auch“, gestand Delaney heiter. „Ich habe immer gewusst, dass sie clever ist – und dass sie all die Jahre ihr Potenzial verschwendet hat. Warum sollen nur Männer eine Chance bekommen, während Frauen zu Hause bleiben und Kinder kriegen?“

Kopfschüttelnd hoffte Jamal inständig, dass Delaney Westmoreland niemals für einen längeren Zeitraum sein Land besuchen würde. Vermutlich würde sie die Frauen Tahrans zu einer Frauenrechtsbewegung aufstacheln. Das Gespräch ermüdete ihn allmählich. Er streckte sich und versuchte zu ignorieren, dass Delaneys betörender Duft ihn fast um den Verstand brachte. Auch konnte er kaum den Blick von ihren halb nackten Beinen abwenden.

„Gibt es in Ihrem Land auch Ärztinnen?“ Delaney riss ihn erneut aus seinen Gedanken.

„Bei uns gibt es Hebammen.“

„Nur Hebammen?“, fragte sie, offensichtlich enttäuscht.

„Ja, hauptsächlich“, bestätigte er.

Missbilligend spitzte sie die Lippen. „Ihr Land ist ja viel ärmer dran, als ich dachte.“

„Das denken aber auch nur Sie. Die Menschen in Tahran sind glücklich.“

„Das ist traurig“, meinte sie kopfschüttelnd.

„Was ist traurig?“, fragte Jamal mit hochgezogenen Augenbrauen.

Sie hielt seinem Blick stand. „Dass Sie denken, die Menschen wären glücklich.“

Jamals Laune verschlechterte sich schlagartig. Wenn Delaney ihm die Gelegenheit dazu gegeben hätte, hätte er ihr erzählt, dass nicht alles so war, wie es schien. Die Dinge hatten sich dank Fatimah bereits zu ändern begonnen. Die Frauen Tahrans genossen nun wesentlich mehr Bildung, besuchten sogar Universitäten und konnten Karriere machen, wenn sie es wünschten.

Fatimah engagierte sich stark in politischen und sozialen Fragen – aber sie zwang die Reformen nicht herbei, sondern nutzte ihren Einfluss auf König Yasir aus, um die Veränderungen einzuläuten.

Jamal stieß sich vom Geländer ab. Es war Zeit für sein Kickboxtraining. Vorher musste er allerdings einen ausgedehnten Spaziergang unternehmen, um den Ärger wieder loszuwerden, der sich in ihm angestaut hatte. Vielleicht konnte er auf diesem Wege auch etwas gegen diese verdammte Erregung tun, in die sein Körper geraten war.

„Ich gehe für eine Weile zum See. Bis später.“

Delaney rutschte auf den Stufen zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Gerade wollte sie ihm hinterherrufen, er solle sich ruhig Zeit lassen mit seiner Rückkehr, als ihr Blick auf seinen knackigen Po fiel. Verwirrt schluckte sie ihre Bemerkung herunter.

Jedes Mal, wenn sie ihn ansah, wurde ihr heiß. Jetzt erst verstand sie, was ihre Zimmergenossin Ellen Draper auf dem College gemeint hatte, als sie von unwiderstehlicher erotischer Anziehungskraft gesprochen hatte.

Delaney stand auf und streckte sich. Heute wollte sie die Gegend rund um das Ferienhaus erkunden und später wieder schlafen. Endlich konnte sie sich so richtig vom Prüfungsstress erholen. Und je weniger sie von Jamal Yasir sah, desto besser.

Jamal hatte den See bereits eine Meile hinter sich gelassen, aber er beschloss, noch weiterzulaufen, um wieder zu sich zu kommen. Die Wut über Delaneys Bemerkung, dass sein Volk nicht glücklich sein konnte, war bereits verraucht. Was geblieben war, war diese seltsame Erregung.

Schließlich blieb er stehen, um die Landschaft zu betrachten. Seitdem er im Ferienhaus angekommen war, hatte er noch keinen Ausflug in die nähere Umgebung gemacht. Die Aussicht auf die Berge North Carolinas war atemberaubend schön, ganz so, wie Philip es versprochen hatte.

Jamal dachte an Delaney und fragte sich, ob ihr dieser Platz genauso gut gefallen würde. Er bezweifelte, dass sie schon hierhergekommen war, da sie seit ihrer Ankunft das Schlafzimmer kaum verlassen hatte.

Er lehnte sich an einen Baum, als sein Handy klingelte. „Ja, Asalum, was gibt es?“, fragte er, als er das Gespräch annahm.

„Ich wollte mich nur danach erkundigen, ob Eure Hoheit mit allem zufrieden ist oder ob ich etwas für Euch tun kann“, fragte sein Sekretär.

„Mir geht es gut“, erwiderte Jamal. „Aber ich habe unerwarteten Besuch bekommen.“

„Von wem?“ Sofort wurde Asalum hellhörig. Er war nicht nur Jamals persönlicher Sekretär, sondern auch bis zu dessen achtzehntem Geburtstag sein Leibwächter gewesen.

Jamal erzählte ihm von Delaney.

„Wenn diese Frau Euch Ärger bereitet, kann ich sie vielleicht davon überzeugen, dass sie wieder gehen soll.“

„Das ist nicht nötig, Asalum“, seufzte Jamal. „Sie schläft sowieso die meiste Zeit.“

„Und warum schläft sie so viel?“, wollte Asalum wissen. „Ist sie etwa krank?“

„Sie hat vor Kurzem ihre medizinische Abschlussprüfung an der Universität bestanden.“

„Das ist alles? Sie kann wohl nicht viel ab, wenn ein Studium sie so sehr erschöpft“, urteilte Asalum ungnädig.

„Das kann man wohl nicht gerade behaupten“, verteidigte Jamal sie und wusste selbst nicht, warum er das tat. „Sie ist ziemlich stark … besonders, wenn es darum geht, ihre Meinung durchzusetzen.“

„Das klingt ganz nach einer typischen westlichen Frau, Eure Hoheit.“

„Ja, das kann man laut sagen“, erwiderte Jamal und rieb sich mit der Hand sein Gesicht. „Und außerdem ist sie sehr attraktiv.“

„Seid vorsichtig“, riet Asalum.

Jamal dachte an das Gefühlskarussell, dass Delaney bei ihm ausgelöst hatte. Schon bei dem Gedanken an sie signalisierte sein Körper ein unbändiges Verlangen. „Deine Warnung kommt zu spät“, gestand er.

„Und wie soll ich das verstehen?“

„Ich bin ihr längst verfallen.“

Nach einer ganzen Woche im Ferienhaus hatte Delaney endlich alle Sachen ausgepackt, die sie mitgebracht hatte. Zufrieden trat sie ans Fenster, um den wundervollen Blick auf den See zu genießen.

Seit ihrem morgendlichen Gespräch mit Jamal vor einigen Tagen hatte sie das ihrer Meinung nach einzig Richtige getan und den Prinzen wie die Pest gemieden. Dennoch ging er ihr einfach nicht aus dem Kopf.

Delaneys besonderes Talent bestand darin, sich vollständig auf eine einzige Sache zu konzentrieren, weswegen sie ihr Medizinstudium so erfolgreich abgeschlossen hatte. Jetzt, da die Universität hinter ihr lag, stand auf einmal Jamal im Mittelpunkt ihres Interesses.

Ihre Gefühle für ihn waren erstaunlich intensiv. Eigenwillig. Und erotisch. Eigentlich überraschte sie das nicht sonderlich, denn Jamal war der Typ Mann, der auf Frauen eben diese Wirkung hatte. Dennoch wurmte es sie, dass sie sich vor Sehnsucht nach ihm geradezu verzehrte.

Sie hatte keine Zeit für eine intime Beziehung zu einem Mann, denn schließlich musste sie noch zwei Jahre Facharztausbildung absolvieren, und der würde ihre ungeteilte Aufmerksamkeit gelten müssen.

Verärgerte schüttelte Delaney den Kopf, wie um die Gedanken an Jamal loszuwerden. Vielleicht würde ein Spaziergang ihr wieder zu einem kühlen Kopf verhelfen.

Entschlossenen Schrittes lief sie aus dem Schlafzimmer in die Küche – und prallte gegen Jamal. Als sie ins Taumeln geriet, fasste er nach ihren Schultern, um sie vor einem Sturz zu bewahren.

Delaney spürte seinen nackten Oberkörper und rang nach Luft. Unter seinem durchdringenden Blick schienen ihre Knie plötzlich weich zu werden, und Verlangen flammte in ihr auf. Atemlos spürte sie, wie seine Hände zärtlich über ihre Schulter und ihren Hals glitten.

In der Ferne erklang ein Donnerschlag und riss sie aus dem Bann, der sie beide gleichermaßen gefangen gehalten hatte. Langsam ließ Jamal die Hände sinken. Der Blick in seinen Augen verriet ihr, dass er dieselbe unwiderstehliche Anziehungskraft empfunden hatte.

„Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht umrennen“, flüsterte er heiser.

Delaney hörte, wie ihr Blut in den Ohren zu rauschen begann. „Ist schon okay, es war meine Schuld, ich habe nicht aufgepasst“, erwiderte sie atemlos und versuchte, ihren wilden Herzschlag zu zähmen.

Als sie seinen Blick auf ihren Shorts und dem figurbetonenden Top ruhen spürte, kam sie sich plötzlich nackt vor, und heißes Verlangen wallte erneut in ihr auf.

„Delaney?“ Zärtlich sprach er ihren Namen aus und sah ihr unverwandt in die Augen, bevor er sich zu ihr herunterbeugte.

Er war viel zu nah und gleichzeitig nicht nah genug. Als der Hauch seines warmen Atems ihren Hals streifte, flüsterte sie erregt: „Ja?“

„Es fängt gleich an zu regnen“, entgegnete er heiser, wobei sein Blick verriet, dass er an alles andere dachte, nur nicht an das Wetter.

„Hört sich ganz danach an“, stieß sie mühsam hervor und befeuchtete ihre trockenen Lippen.

Alles um sie herum schien zu verblassen, und nur schwach nahm sie das Geräusch der ersten schweren Regentropfen auf dem Dach wahr. Auch die plötzliche Kühle, die von draußen in das Haus drang, fiel ihr kaum auf. Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit war auf den Mann vor ihr gerichtet, und sie setzte sich nicht zur Wehr, als er sie zärtlich an sich heranzog.

Los, lass dich küssen, flüsterte ihre innere Stimme eindringlich. Lass es zu und dann ist alles wieder in Ordnung. Dann könnt ihr euch wieder wie Menschen benehmen, und nicht wie brünstige Tiere. Nur ein Kuss, und du kannst wieder klar denken.

Delaney glaubte, vor Verlangen zu vergehen. Sicherlich würde ein Kuss tatsächlich genügen, um wieder zu Sinnen zu kommen. Die Anziehungskraft zwischen Mann und Frau war etwas ganz Normales. Es war gesund und erfüllend.

Noch nie zuvor hatte sie Gelegenheit gehabt loszulassen, aber jetzt war sie dazu bereit. Jetzt, mit Jamal, schien es ihr regelrecht notwendig. Das war das Letzte, was sie dachte, als seine Lippen ihren Mund berührten.

Jamal küsste sie voller Verlangen. Unmöglich konnte er dem Drang widerstehen, Delaney zu schmecken und ihre Zunge zu einem erotischen Tanz aufzufordern. Doch das genügte ihm nicht, er wollte mit jedem Atemzug alles von ihr in sich aufnehmen, immer inniger mit ihr verschmelzen.

Langsam schob er seine Hand hinter ihren Kopf, um sie noch näher an sich heranzuziehen. In seinem Leben hatte er schon viele Frauen geküsst, aber nie hatte er den Wunsch verspürt, einer Frau so nahe zu sein, jedes Molekül von ihr schmecken zu wollen.

Intimität und Sex waren ein natürlicher Bestandteil seines Lebens. Aber das hier war etwas anderes – das konnte nicht normal sein. Er konnte sie nicht erfüllend genug küssen, nicht annähernd so viel von ihr schmecken, wie er es ersehnte.

Er presste sich fest an sie, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie begehrte. Sie sollte wissen, dass er es nicht bei dem Kuss belassen wollte. Nein, ihm verlangte nach mehr – viel mehr. Und er würde es bekommen.

Begehrlich liebkoste er ihren Rücken. Als er spürte, wie sich ihre Brustknospen unter ihrem Top an seiner nackten Brust aufrichteten, steigerte sich seine Spannung süß und unerträglich.

Kaum konnte er sich beherrschen. Wenn er dem drängenden Pulsieren nicht nachgab, würde er noch verrückt werden. Mit jedem Millimeter seines Körpers wollte er Delaney an seiner Erregung teilhaben lassen und zog sie dichter an seine Hüfte. Als sie durch sein Haar strich und seinen Kuss ungehemmt erwiderte, war er sicher, dass seine unmissverständliche Botschaft bei ihr angekommen war.

Plötzlich erklang ein Donner so nahe, dass der Boden unter ihren Füßen bebte und sie sich erschrocken voneinander trennten. Schwer atmend machte Delaney einen Schritt zurück. Als sie Jamals glutvollem Blick begegnete, spürte sie die männliche Anziehungskraft wie einen Sog.

Wie hatte sie nur glauben können, dass ein Kuss ausreichen würde, um ihn sich ihr aus dem Kopf zu schlagen? Schlagartig wurde ihr klar, dass sie sich zurückziehen musste, bevor es zu spät war.

Aber vielleicht war sie jetzt schon hoffnungslos an ihn verloren.

„Wir hätten das nicht tun sollen“, sagte sie mit zittriger Stimme.

Jamal hingegen schien anderer Meinung zu sein. „Ganz im Gegenteil. Schon seit einer Woche wohnen wir jetzt gemeinsam in diesem Haus“, entgegnete er heiser. „Das hätten wir längst schon tun sollen.“

„Warum?“, erkundigte sie sich. Aber als sie erneut die Begierde in seinem Blick aufflammen sah, wünschte sie sich, nicht danach gefragt zu haben.

Die Art und Weise, wie er sie ansah, ließ sie vor Leidenschaft erschauern. Und Delaney bezweifelte, jemals dazu imstande sein zu können, mit diesen wilden Gefühlen klarzukommen.

„Weil wir einander begehren und deswegen auch miteinander schlafen sollten“, beantwortete er ihre Frage offen heraus.

Delaney begann zu zittern. Jamal schien vollkommen unverkrampft mit solchen Dingen umzugehen. Sie hatte sich zwar schon mit vielen Männern getroffen, doch keiner von ihnen hatte in ihr den Wunsch geweckt, mit ihm zu schlafen. Bei Jamal war das anders – er wäre der Richtige, davon war sie überzeugt. Aber etwas hielt sie zurück.

„Ich bin keine Frau, die mit jedem Mann ins Bett geht“, sagte sie sanft, aber bestimmt. Um keinen Preis sollte er ihr anmerken, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben ernsthaft darüber nachdachte, ihre Meinung zu ändern.

„Wir müssen es ja nicht in einem Bett machen“, erwiderte er. „Suchen Sie sich etwas aus: Tisch, Sofa, Boden – Sie haben die Wahl. Ich bin mehr als bereit.“

Delaney war sich der Bedeutung seiner Worte mehr als bewusst. Sie holte tief Luft. „Ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden“, entgegnete sie. „Ich habe gemeint, dass ich nicht leichtfertig mit einem Mann schlafe.“

„Sie meinen, Sie würden nicht mit einem Mann schlafen, nur um Spaß daran zu haben?“, wollte er wissen.

Sex nur um Spaß zu haben? Von ihren Brüdern wusste sie, dass sie sozusagen wahre Experten auf diesem Gebiet waren, denn keiner von ihnen hatte ernsthaft vor zu heiraten. „Ist das nicht eher das, was Männer antreibt?“, entgegnete sie. „Tun es Männer nicht immer nur, um Spaß zu haben?“

„Ich glaube nicht“, erwiderte Jamal lächelnd, und bevor sie etwas erwidern konnte, füllte er sie erneut mit seinem begierigen Kuss aus. Sanft berührte er sie zwischen den Beinen.

Sie zitterte, als er den Reißverschluss ihrer Shorts aufzog und langsam über ihren Slip strich. Ein Teil von ihr wollte diesen Mann wegstoßen, aber der neugierige Teil von ihr war bis zum Zerreißen gespannt auf das, was noch folgen würde – jetzt, da Jamal das Feuer in ihr entfacht hatte.

Ihr Atem wurde so unregelmäßig wie seiner, als er sie dort zu streicheln begann, wo sie noch nie ein Mann zuvor berührt hatte. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Körper schlagartig in Flammen aufging, so stark war das Verlangen, dass seine Berührung in ihr weckte. Nie zuvor hatte sie etwas Vergleichbares empfunden wie in diesem Moment, in dem er gleichzeitig ihre empfindlichste Stelle herausfordernd neckte und mit seiner Zunge ihre Lippen umwarb. Ein Gefühl von Ohnmacht überkam sie. Ein Gefühl von Empörung. Und von grenzenlosem Vergnügen.

Ein weiterer heftiger Donnerschlag brachte Delaney wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie stieß Jamal von sich und sank nach Atem ringend gegen die Wand.

Kaum zu glauben, was gerade zwischen ihnen beiden vorgefallen war! Wie hatte sie ihm nur erlauben können, sie derartig zu berühren? Wie hatte sie in seinen Armen so willenlos dahinschmelzen können? Fast war es, als hätten sie seine Berührungen in eine andere Frau verwandelt.

Glücklicherweise hatte sie gerade noch verhindern können, einen Narren aus sich zu machen. Jamal war der geborene Verführer, wie sie bereits vermutet hatte. Er wusste genau, wie er zu küssen, welche empfindlichen Stellen er zu streicheln hatte, um sie ihre Vorsicht vergessen zu lassen. Das würde ihr nicht noch einmal passieren.

Dieser Mann war es gewohnt, seinen Willen zu bekommen. Er brauchte nur mit den Fingern zu schnippen oder ein Glöckchen zu läuten oder was immer ein Prinz tat, damit seine Wünsche erfüllt wurden.

Wenn er denkt, auf diese Art in Amerika Erfolg zu haben, dann hat er sich geschnitten, dachte Delaney wütend. Sie war kein Teil seines Harems. Es ärgerte sie, dass sie ihm so ein leichtes Spiel geliefert hatte.

„Ich nehme jetzt eine kalte Dusche. Die würde Ihnen übrigens auch gut tun“, empfahl sie streng.

Jamal lächelte. „Ich glaube kaum, dass eine kalte Dusche hilft, Delaney“, meinte er.

„So?“ Delany versuchte, möglichst souverän zu klingen, was ihr gründlich misslang.

„Weil wir jetzt beide auf den Geschmack gekommen sind“, erwiderte er seelenruhig. „Und wenn Sie es vor Verlangen nicht mehr aushalten, werde ich Ihnen geben, was Sie wollen, und Ihnen jeden ihrer geheimsten Wünsche von den Augen ablesen.“

Noch bevor sie die Möglichkeit hatte, darauf etwas zu erwidern, drehte er sich um und verließ den Raum.

In ihrem Schlafzimmer ging Delaney eine Weile auf und ab, bevor sie sich auf die Bettkante setzte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so verwirrt und enttäuscht gewesen war – und gleichzeitig so wild vor Verlangen. Unruhig sprang sie auf und begann erneut, durch das Zimmer zu laufen.

Du musst wieder einen klaren Kopf bekommen, ermahnte sie sich. Wie konnte es sein, dass ein einziger Mann sie in ein solches Gefühlschaos zu stürzen vermochte? Noch immer glaubte sie, seine Lippen, seine Hände auf ihrer Haut und seine heiße Erregung spüren zu können.

Am liebsten hätte sie jetzt einen ausgedehnten Spaziergang unternommen, aber es regnete in Strömen. Und vermutlich würde selbst der Gewittersturm, der draußen tobte, nicht ausreichen, um die Erinnerungen an Jamals leidenschaftliche Küsse von ihren Lippen zu spülen. Ob er im Augenblick die gleichen Qualen durchlitt wie sie?

Es blieb ihr nichts anderes übrig, als standhaft zu bleiben. Und damit ihr das gelang, musste sie in Zukunft um jeden Preis Jamal Ari Yasir aus dem Weg gehen.

3. KAPITEL

„Na, wohin soll’s denn gehen?“

Delaney blieb wie angewurzelt auf dem Weg zur Haustür stehen. Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass Jamal bereits schlief. Nach ihrer Begegnung vor einigen Tagen war sie ihm bisher erfolgreich aus dem Weg gegangen. Aber irgendwann hatte sie es vor Anspannung nicht mehr in ihrem Schlafzimmer ausgehalten.

Ständig musste sie an ihre letzte Begegnung denken, und sie fühlte, was sie noch nie zuvor gefühlt hatte. Ruhelosigkeit. Angespanntheit. Begierde.

Weil es die vergangenen zwei Tage unentwegt geregnet hatte, waren sie gezwungen gewesen, im Haus zu bleiben. Immer, wenn der Hunger Delaney in die Küche getrieben hatte, hatte Jamal dort am wackeligen Küchentisch gesessen und gezeichnet. Doch sobald sie eintrat, hatte er seine Aufmerksamkeit ganz auf sie gerichtet – fast wie ein Wolf, der seine Beute im Blick behielt.

Heute Nacht trug er eine weiße Pyjamahose, und im silbrigen Mondlicht wirkte er wie ein Prinz aus 1001 Nacht. Zwar hatte Delaney ihre Brüder unzählige Male in Schlafanzughosen gesehen, aber keiner von ihnen hatte darin so gut ausgesehen wie Jamal.

Seit ihrem Kuss kostete es Delaney alle Kraft, seinem Blick standzuhalten. Wenn sie nur an ihn dachte, stockte ihr der Atem. Es war auch nicht gerade hilfreich, dass ihr mittlerweile immer mehr schöne Dinge an ihm auffielen. Seine Hände, die perfekt geformt waren. Die langen, kräftigen Finger, die ihre Wange berührt hatten, ihre Lippen, ihre empfindlichste Stelle. Seine perfekt geformten Augenbrauen. Sein verführerischer Blick.

„Delaney, ich habe Sie gefragt, wohin Sie wollen“, wiederholte Jamal, als sie nicht antwortete.

Sie schluckte. „Zum Laden“, erwiderte sie schließlich. „Ich will ein paar Sachen einkaufen.“

„Um diese Zeit? Mitten in der Nacht?“, fragte er stirnrunzelnd.

Delaney hielt seinem Blick stand. „Ja, um diese Zeit“, erwiderte sie. „Haben Sie ein Problem damit?“

Für einen langen Augenblick starrten sie einander herausfordernd an, keiner von beiden wollte nachgeben. Jamal erinnerte sie viel zu sehr an das überbesorgte Gehabe ihrer Brüder. Das war wirklich das Letzte, was sie sich jetzt gefallen lassen wollte.

„Nein, kein Problem“, meinte er. „Aber ich mache mir Sorgen. Es kann gefährlich sein für eine Frau, nachts alleine unterwegs zu sein.“

Die Ruhe, mit der er antwortete, und die Art, wie er sie ansah, gingen ihr mehr unter die Haut, als ihr lieb war. Sie hatte Abstand gesucht, deswegen hatte sie sich in ihr Zimmer eingeschlossen. Aber kaum stand sie ihm wieder gegenüber, pochte ihr Herz fast bis zum Hals, und das Blut rauschte in ihren Ohren.

„Ich bin es gewohnt, allein zu leben, Jamal“, entgegnete sie. „Und ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich habe es mir während des Studiums angewöhnt, nachts Einkaufen zu gehen.“

„Könnten Sie mich in Ihrem Wagen mitnehmen? Ich könnte auch ein paar Sachen gebrauchen.“

Brauchte er wirklich etwas oder war das nur eine Ausrede, um mitzukommen? Falls er nur nach einem Vorwand suchte, sich ihr zu nähern, dann konnte er sich das getrost sparen. „Und was würden Sie machen, wenn ich nicht hier wäre?“, fragte sie herausfordernd.

„Ich würde Asalum anrufen“, antwortete Jamal schulterzuckend. „Es macht ihn glücklich, für mich einzukaufen. Aber ich erledige das lieber selbst. Außerdem ist es nach Mitternacht, und er schläft sicher schon.“

Delaney fand es rührend, dass ein Prinz sich um das Wohl seiner Angestellten Gedanken machte. „Okay“, nickte sie ihm zu. „Dann kommen Sie eben mit.“

Jamal lachte sein heiseres, tiefes Lachen, das ihre Haut kribbeln ließ. Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Ist irgendwas komisch?“

„Ja, es klingt beinahe so, als wäre es eine Belastung für Sie, Zeit mit mir zu verbringen.“

Delaney sah zur Seite. Wenn er wüsste … „Ich hatte eigentlich geplant, meinen Urlaub hier alleine zu verbringen“, versuchte sie, sich herauszureden.

Jamals Gesichtszüge wurden weich, und augenblicklich vergaß sie ihren Ärger. „Mir geht es ähnlich“, gestand er mit seiner wohlklingenden Stimme und kam langsam auf sie zu. „Es war aber Ihre Entscheidung, hierzubleiben. Denken Sie nicht, wir sollten damit aufhören, uns aus dem Weg zu gehen, und stattdessen das Beste daraus machen?“

Delaney versuchte, die unmissverständlichen Reaktionen ihres Körpers auf seine Nähe zu ignorieren. „Wir können es versuchen, schätze ich.“

„Was haben wir schon zu verlieren?“

Du meine Güte, dachte sie, da könnte ich dir eine Menge Dinge nennen. Sie ließ seine Frage jedoch unbeantwortet und ging weiter zur Tür. „Sie werden ja sicher etwas anderes anziehen wollen. Ich warte im Wagen auf Sie.“

„Haben Sie alles bekommen, was Sie brauchen?“, fragte Delaney, als sie nach dem Einkauf zum Auto zurückgingen. Nachdem sie den durchgehend geöffneten Supermarkt betreten hatten, war Jamal wie vom Erdboden verschluckt gewesen.

„Ja. Was ist mit Ihnen?“

„Ich habe sogar mehr gekauft, als ich eigentlich wollte“, erwiderte sie und dachte an den Liebesroman, an dem sie einfach nicht hatte vorbeigehen können. Sie wusste schon gar nicht mehr, wann sie das letzte Mal ein Buch einfach zum Vergnügen gelesen hatte.

Schweigend fuhren sie zum Ferienhaus zurück. Obwohl Delaney aufmerksam auf die Straße sah, entging ihr nicht, wie Jamal sie musterte.

„Was für eine Ärztin sind Sie eigentlich?“, erkundigte er sich nach ein paar Meilen.

Unwillkürlich musste sie lächeln, denn sie liebte es, über ihren Beruf zu reden – und darüber, dass sie die einzige Ärztin in ihrer Familie war. „Wenn ich in zwei Jahren meine Facharztausbildung beendet habe, bin ich Kinderärztin.“

„Mögen Sie Kinder?“

„Ob ich sie mag?“, entfuhr es ihr. „Ich liebe sie.“

„Ich auch.“

Seine Bemerkung überraschte sie. „Wirklich?“ Die meisten ledigen Männer, die sie kannte, hätten das nicht so offen zugegeben.

„Ja. Eines Tages möchte ich heiraten und eine Familie gründen.“

„Ich auch“, stimmte sie zu. „Ein ganzes Haus voll Kinder wäre toll.“

Jamal lachte leise. „Wie viele sind das Ihrer Meinung nach?“, erkundigte er sich neugierig.

Ohne darüber nachzudenken, antwortete Delaney: „Wenigstens sechs.“

„Sie haben sich ganz schön viel vorgenommen“, bemerkte er und schien das gar nicht schlimm zu finden.

Sie lächelte. Genau dasselbe sagten ihre Brüder auch immer. Sie waren der Meinung, dass es nicht einfach sein würde, einen Mann zu finden, der genauso dachte wie Delaney. „Ich finde, das ist eine schöne, runde Zahl. Es wird mich glücklich machen.“

Als sie an einer roten Ampel hielten, warf Jamal seiner Mitfahrerin einen verstohlenen Blick zu. Für Delaneys Schönheit fand er einfach keine Worte. Obwohl sie heute Nacht kein Make-up trug und ihre Locken lediglich mit einem Tuch gebändigt hatte, sah sie unglaublich sexy aus.

Seine Gedanken drifteten ab zu Najeen, mit der er auch nach seiner Hochzeit mit einer anderen Frau das Bett teilen würde, woran niemand in Tahran Anstoß nahm. Er wusste, dass westliche Ehefrauen eine Geliebte nie akzeptieren würden. Allerdings heirateten die meisten amerikanischen Frauen auch aus Liebe und nicht, wie in seinem Land, aus Vernunftgründen. Seine eigene Ehe würde da keine Ausnahme bilden.

Da er nicht an die Liebe glaubte, brauchte er sich auch nicht den Kopf über eine Liebesheirat zu zerbrechen. Seine zukünftige Verbindung zu einer Frau würde arrangiert sein – nicht mehr und nicht weniger.

Delaney hingegen würde sicher alles von einem Mann haben wollen: seine Liebe, seine Hingabe und seine Seele, falls sie die auch in ihre Finger bekam. Jamal konnte sich nicht vorstellen, dass eine Frau jemals so viel Macht über ihn haben würde.

„Glauben Sie denn, dass Sie Karriere machen und gleichzeitig Mutter sein können?“, fragte er und wartete gespannt auf ihre Antwor...

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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Tessa Radley liebt das Lesen seit sie denken kann. Schon als Kind hatte sie immer einen ganzen Stapel an Büchern in Reichweite, die sie als nächstes lesen wollte. Dass sie sich irgendwann dazu entschloss, selbst Geschichten zu schreiben, war eigentlich eine logische Konsequenz. Bis heute hat die USA TODAY Bestsellerautorin...
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<p>Die internationale Bestsellerautorin verbrachte ihre Kindheit in Neuseeland. Drei Jahre lebte und arbeitete sie unter anderem in Japan und bereiste in dieser Zeit wiederholt den Fernen Osten. Bislang hat sie als Anwältin, Bibliothekarin, in einer Süßwarenfabrik und in einer Bank gearbeitet -- eine Quelle von Erfahrungen, aus der Nalini Singh...
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