Baccara Gold Band 29

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EINGESPERRT MIT DER VERSUCHUNG von JAN COLLEY
Schmuckdesignerin Danielle soll für den Juwelier Quinn Everard ein Brillantcollier in seinem Haus anfertigen – der Auftrag ihres Lebens. Aber ständig zusammen mit einem Mann, der puren Sex ausstrahlt? Unmöglich für Danielle. Doch Quinn weiß, wie er seine Ziele bei ihr erreicht …

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  • Erscheinungstag 29.07.2022
  • Bandnummer 29
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510424
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jan Colley, Joss Wood, Caroline Cross

BACCARA GOLD BAND 29

1. KAPITEL

„Danielle Hammond? Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.“

Dani schrak hoch und riss die Augen auf. Gerade noch hatte sie in dem Straßencafé vor sich hin geträumt, als der große dunkle Schatten eines Mannes auf sie fiel.

„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“ Die leise tiefe Stimme hatte einen britischen Akzent. Dani brauchte ein paar Sekunden, bis sie begriff, dass der Mann, an den sie gerade gedacht hatte, nun plötzlich vor ihr stand. Vor wenigen Minuten hatte sie gesehen, wie er ihren kleinen Laden auf der anderen Straßenseite betreten hatte. Irgendwoher kannte sie ihn. Auf alle Fälle hatte sie ihn schon einmal gesehen, wenn auch vielleicht nur auf einem Foto. Ja, natürlich, es war Quinn Everard – ausgerechnet!

Lässig warf er eine Visitenkarte auf den Tisch, zog einen Stuhl heran und setzte sich.

Dani schob sich die Sonnenbrille tiefer auf die Nase und nahm die Karte in die Hand. „Quinn Everard. Edelsteinhändler.“ Sie hatte sich nicht getäuscht. Zwar waren sie sich nie persönlich begegnet, aber sein Foto tauchte häufig in den einschlägigen Fachzeitschriften auf.

Während der berühmte australische Edelsteinexperte sich einen Kaffee bestellte, überlegte Dani fieberhaft, was er wohl von ihr wollte. Immerhin hatte er sie und ihre Arbeit vor Kurzem in einem ätzenden Artikel sehr negativ beurteilt.

„Haben Sie irgendetwas gesehen, was Ihnen gefällt?“, fragte sie kühl und trank einen Schluck von ihrem Milchshake.

Er musterte sie mit seinen großen dunkelbraunen Augen und zog dabei fragend die dichten Brauen hoch.

„In meinem Laden“, fügte sie hinzu und schlüpfte unter dem Tisch aus ihren Schuhen. Ihr war plötzlich heiß geworden.

„Ich habe Sie gesucht. Ihr Mitarbeiter hat mir verraten, wo Sie sind.“

„Aber Sie haben sich auch die Auslage im Schaufenster angesehen.“

Er antwortete nicht gleich, sondern stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch auf und betrachtete sein Gegenüber leicht unwillig. Wahrscheinlich war er von ihr und ihrer Arbeit gelangweilt. Tapfer erwiderte Dani seinen Blick. Wie er da vor ihrem Schaufenster gestanden hatte, groß und aufrecht in seinem eleganten Anzug, wie er dann mit geschmeidigen Schritten den Laden betreten hatte … Sie hatte den Blick einfach nicht von ihm lösen können. Er bewegte sich wie ein Kämpfer, der er möglicherweise auch war, wenn auch nicht auf dem üblichen Schlachtfeld. Allerdings sah es so aus, als wäre ihm schon einmal das Nasenbein gebrochen worden, und über seinem rechten Mundwinkel war eine dünne weiße Narbe sichtbar.

Jetzt lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „In letzter Zeit ist mir Ihr Name häufiger zu Ohren gekommen.“

Das hatte sie wahrscheinlich dem verstorbenen Howard Blackstone zu verdanken, der sie und ihre Arbeit immer unterstützt hatte. „Wahrscheinlich auf der Vernissage von Blackstone Diamonds.“ Das Unternehmen förderte und verarbeitete Edelsteine nicht nur, sondern hatte auch einen Vertriebszweig, der sich um das Marketing und den Verkauf kümmerte. Dani lächelte süffisant. „Ach so, Pardon, das hatte ich ganz vergessen. Sie waren zur Eröffnung ja nicht eingeladen.“

Quinn Everard hob amüsiert die Mundwinkel, sodass sogar ein kleines Grübchen sichtbar wurde. „Ich habe nie behauptet, dass Sie kein Talent haben, Ms. Hammond. Im Gegenteil. Und deshalb bin ich hier. Wie ich schon sagte, ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen.“

Heiß durchfuhr Dani ein Gefühl des Triumphs. Aber sie ließ es sich nicht anmerken. Dieser Mann hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er von ihren Arbeiten nicht viel hielt. Und nun saß er ihr gegenüber und wollte ihr ein Angebot machen? Interessant.

Dani konnte sich so einiges vorstellen, was er ihr anbieten konnte, aber das hatte mehr mit seinem männlichen Sexappeal zu tun. Denn er war ihr schon aufgefallen, bevor sie wusste, wer er war.

Hoffentlich konnte er ihr nicht ansehen, was in ihr vorging. „Sie wollen mir einen Vorschlag machen? Für einen Aprilscherz ist es wohl etwas zu früh, finden Sie nicht?“

Er ging darauf nicht ein. „Ich möchte, dass Sie die Fassung und Kette für einen sehr großen und teuren Diamanten entwerfen und das Schmuckstück selbst anfertigen.“

Soso. Dani konnte ein selbstzufriedenes Grinsen nicht unterdrücken. Der große Quinn Everard wollte, dass sie, Danielle Hammond, ein Diamantcollier nach eigenen Entwürfen herstellte? Sehr schön. Allerdings gab es ein kleines Problem. Sie waren sich total unsympathisch. Also konnte ihr ein solcher Auftrag nur Ärger bringen.

Sie sah ihm direkt in die Augen. „Nein.“

„Was soll das heißen?“

„Diamanten sind nicht mein Ding, wie Sie selbst wissen.“ Nie würde sie vergessen, wie er sie und ihre Arbeit vor vier Jahren bei einem Designerwettbewerb abgekanzelt hatte: Ein Schmuckdesigner sollte bei dem bleiben, was er kann und beherrscht. Ms. Hammond mag sich bemühen, mit Diamanten zu arbeiten, aber das ist wohl eine Nummer zu groß für sie. Sie scheint wenig Verständnis für das Besondere dieser Steine zu haben.

Und das war nicht die einzige Herabsetzung, mit der Quinn Everard sie öffentlich gedemütigt hatte. Dani vermutete, dass sein Zorn auf Howard Blackstone etwas damit zu tun hatte. „Sie erinnern sich doch sicher?“, fragte sie und lächelte süffisant.

Kühl sah er sie an. „Ich kann Ihnen ein sehr großzügiges Honorar anbieten.“

Hm, das hörte sich interessant an. „Wie großzügig?“ Ein bisschen extra Bargeld konnte sie gut gebrauchen. Dann könnte sie endlich den Rest des Darlehens zurückzahlen, das der verstorbene Howard Blackstone ihr seinerzeit gegeben hatte. Vielleicht blieb auch noch etwas für neue Ausstellungskästen übrig.

Langsam zog Quinn einen goldenen Füllfederhalter aus der Brusttasche, schrieb etwas auf die Rückseite der Visitenkarte und schob sie ihr hin.

Dani stockte der Atem. „Was? So viel wollen Sie mir für ein einziges Schmuckstück zahlen?“, brachte sie schließlich mit Mühe heraus.

Er nickte.

Die Summe war gigantisch hoch. Mit dem Geld konnte sie sich ein neues modernes Ladenlokal mit angeschlossener Werkstatt leisten. „Das ist viel mehr, als man normalerweise für eine solche Arbeit bezahlt, das ist Ihnen doch klar, oder?“

„Ja oder nein?“

Sie schüttelte den Kopf. Hier konnte es sich nur um einen üblen Scherz handeln. „Nein.“

Verärgert beugte Quinn sich vor und starrte Dani an. „Ich warne Sie. In letzter Zeit sind Sie und Ihre Familie mit guten Nachrichten nicht gerade verwöhnt worden. Ich spreche von Howards mysteriösem Tod vor drei Monaten, von seiner Begleiterin auf dem Flug gar nicht zu reden. Das alles hat in der Öffentlichkeit viel Staub aufgewirbelt.“

Wem sagte er das! Niemand hatte den Flug überlebt, als das Flugzeug, das Howard Blackstone gechartert hatte, an einem Januartag ins Meer stürzte. Als sich herausstellte, dass Marise Hammond mit an Bord gewesen war, war das für die Medien ein gefundenes Fressen gewesen. Denn Marise war mit Howards Erzfeind Matt Hammond verheiratet, dem Chef vom House of Hammond, dem Konkurrenzunternehmen in Neuseeland. Matt war außerdem Danis Cousin, allerdings war sie ihm nie persönlich begegnet. Immerhin waren sich die Hammonds und die Blackstones schon seit dreißig Jahren spinnefeind. Und Danielle Hammond war im Haus von Howard Blackstone aufgewachsen.

Howards Testament war ein erneuter Schock für die Familien gewesen. Denn Marise Hammond war eine der Haupterben. Und nicht nur das. Für ihren Sohn Blake hatte Howard einen Trust Fund eingesetzt, was natürlich die Gerüchteküche ordentlich angeheizt hatte. Hatten Howard Blackstone und Marise Hammond ein Verhältnis gehabt? Wer war der Vater von Blake? Vielleicht nicht Matt Hammond, sondern Howard Blackstone? Alle Feindseligkeiten der letzten drei Jahrzehnte waren wieder hochgekocht und wurden in der Presse breitgetreten.

Dani tat unbefangen. „So?“

„Und auch Ric und Kimberley tun mir leid“, fuhr er fort. „Bei all dem Medienrummel können sie ihre Hochzeit kaum genossen haben.“

Das war noch untertrieben. Dani war mit ihrer Mutter, Cousine Kimberley und Cousin Ryan in dem Herrenhaus von Howard Blackstone aufgewachsen. Kim hatte kürzlich noch einmal ihren Exmann Ric Perrini geheiratet, und die Hochzeitsfeier auf der großen Jacht im Hafen von Sydney war von Journalisten gestürmt worden.

Wie genau wusste Quinn Everard darüber Bescheid?

„Ich bin Ryan offiziell noch nicht begegnet“, meinte Quinn jetzt, „aber ich kenne Jessica ein wenig. Sie wird sicher eine strahlende Braut abgeben, glauben Sie nicht?“

Dani wollte ihm schon zustimmen, als ihr einfiel, dass die bevorstehende Hochzeit zwischen Ryan und Jessica noch als Familiengeheimnis gehandelt wurde. „Keine Ahnung, wovon Sie sprechen“, erwiderte sie abweisend.

Ryan war sehr scheu, was die Öffentlichkeit betraf. Deshalb hatte er Dani gebeten, die Trauung im Norden Australiens, in Port Douglas, ausrichten zu lassen. Dort, fernab von Sydney, würden die Einwohner die Familie nicht kennen. In gut drei Wochen sollte die Hochzeit sein, und Dani hatte schon das Nötigste vorbereitet.

„Tatsächlich nicht?“ Quinn Everard ließ nicht locker. „Auch hier oben gibt es sehr gute Hotels und luxuriöse Resorts. Wie zum Beispiel am Strand von Oak Hill.“

Dani wurde das Herz schwer. Wie hatte er das herausfinden können? Es war alles schon abgesprochen, und jeder, der mit der Hochzeit zu tun hatte, war zu absolutem Stillschweigen verpflichtet worden. „Ihre Informationen sind längst überholt“, log sie. „In Port Douglas wird die Hochzeit nicht stattfinden. Diese Info haben wir absichtlich lanciert, um die Leute auf die falsche Fährte zu bringen.“

„Sind Sie sicher? Meine Quelle meint, dass am zwanzigsten April im Van Berhopt Resort ein besonderes Ereignis stattfindet. Auf der Webseite macht das Hotel einen fantastischen Eindruck, genau das Richtige für eine intime Familienfeier. Und Sie wollen doch sicher nicht, dass das Gleiche passiert wie bei Rics Hochzeit.“

Wütend presste sie die Lippen aufeinander. „Woher zum Teufel wissen Sie das nun wieder?“

Lächelnd hob er die Augenbrauen. „In der Welt der Diamanten spricht sich alles schnell herum.“

Sie stand mit dem Rücken zur Wand. „Das ist Erpressung!“

Er musterte sie kalt. „Das gehört zum Geschäft, Ms. Hammond. Sind Sie so erfolgreich, dass Sie ein Honorar dieser Größenordnung ablehnen können?“

„Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber ich lasse mich nicht von Ihnen erpressen.“ Sie schob ihr Glas von sich und griff nach ihrer Handtasche. „Die Blackstones und ich sind an den Medienrummel gewöhnt.“ Howards Frauenverschleiß und seine manchmal undurchsichtige Art, Geschäfte zu machen, hatten immer schon das Interesse der Klatschblätter geweckt.

Quinn strich sich nachdenklich über das Kinn. „Die arme Jessica und der arme Ryan. So wird der schönste Tag ihres Lebens ruiniert werden. Und wie denkt der Rest der Familie darüber, besonders Ihre Mutter Sonya? Ist es auch ihr gleichgültig, dass alles wieder von der Presse hervorgekramt wird? Dass alte Gerüchte wiederbelebt und alte Wunden wieder aufgerissen werden?“

„Lassen Sie meine Mutter aus dem Spiel!“, fuhr Dani ihn an. Das Schlimmste war, dass ihre Mutter durch die Fehde zwischen den Blackstones und den Hammonds seit dreißig Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem leiblichen Bruder hatte. Sie hatte sehr gehofft, dass nach Howard Blackstones Tod eine Versöhnung zwischen den Familien zustande kommen könnte.

„Ich habe durchaus Verständnis für Ihre Situation“, sagte er, und das klang sogar ehrlich. „Denn ich scheue die Öffentlichkeit auch.“

Dani senkte den Kopf. Sie saß in der Falle. Denn sie hatte einfach nicht das Recht, ihre Familie weiteren Diffamierungen und einem öffentlichen Skandal auszusetzen.

„Sie könnten sich viel unwillkommene Aufmerksamkeit durch die Medien ersparen. Ryan und Jessica könnten ihre Traumhochzeit haben, so wie sie es sich wünschen. Und außerdem könnten Sie, Danielle, eine Menge Geld verdienen.“

Verärgert blickte sie ihn an. Nur ihre Familie nannte sie Danielle. Hier oben in Port Douglas war sie unter dem Namen Dani Hammond bekannt. Kaum einer wusste, dass sie mit einer der reichsten Familien Australiens verwandt war.

Quinn machte eine ungeduldige Handbewegung. „Was ist nun? Ja oder nein?“

Würde sie es ertragen, aus ihrer so angenehmen Anonymität herausgerissen zu werden und wieder all dem Klatsch ausgesetzt zu sein, unter dem sie viele Jahre ihres Lebens gelitten hatte? Und schlimmer noch, konnte sie verantworten, dass aus Ryans und Jessicas Hochzeit ein Desaster wurde? „Okay, bringen Sie mir Ihren verdammten Diamanten in die Werkstatt.“ Sie klemmte sich die Tasche unter den Arm, stand auf und starrte wütend auf Quinn herunter.

Quinn Everard neigte leicht den Kopf zur Seite und erwiderte ihren Blick. Dann erhob auch er sich. „Mein Auto steht da drüben. Kommen Sie doch kurz mit.“

Was? Mit ihm fahren? Sie war alarmiert, allerdings weniger, weil sie glaubte, dass er irgendetwas Gefährliches mit ihr vorhatte. Ein Mann mit seinem Ruf würde so etwas nie tun. Nein, sie war höchst beunruhigt, weil sie selbst so stark auf ihn reagierte. Aber wie konnte sie jemandem etwas abschlagen, der ihr ein Superangebot gemacht hatte?

Da sie zögerte, fügte Quinn ungeduldig hinzu: „Ich trage diesen Diamanten schließlich nicht in meiner Hosentasche mit mir herum. Es ist nicht weit. Ich habe ein Haus in Four Mile Beach gemietet.“

Four Mile war ein Vorort von Port Douglas, wo auch Dani ihr Apartment hatte. „Ich kann nicht, ich habe zu tun.“

„Ich weiß. Zeit ist Geld. Deshalb wollen wir uns auch nicht lange aufhalten.“

Misstrauisch sah sie ihn an. „Wo denn in Four Mile?“

Er ging nicht darauf ein. „Nun kommen Sie schon.“ Er wies auf den Fußgängerüberweg.

„Sie mögen ja berühmt sein, aber mir sind Sie fremd.“ Danis Stimme klang gepresst. „Ich komme nicht mit, wenn Sie mir nicht sagen, wohin. Ich will meinem Mitarbeiter Bescheid sagen.“

„Beach Road Nummer 2.“ Quinn blieb neben einem schwarzen BMW stehen. „Ich warte hier.“

Wütend über diesen Befehlston, steckte sie den Kopf durch die Ladentür und gab Steve die Adresse. Dann setzte sie sich in den Wagen. Auf der kurzen Fahrt sprachen sie wenig. Als sie vor der Nummer 2 hielten, riss sie die Augen auf. Auf dem Weg zur Arbeit kam sie jeden Tag an diesem Haus vorbei.

Es lag direkt an den Dünen, umgeben von einer hohen Mauer. Dani hatte schon immer wissen wollen, wie es wohl von innen aussah.

Sie folgte Quinn durch das Eingangstor und betrat hinter ihm die großzügigen Wohn- und Essräume, die über mehrere Ebenen verteilt waren. Das Haus war im australisch-asiatischen Stil eingerichtet, sehr geschickt möbliert, wie sie fand, in Rattan, Teak und Leder. Es war sogar noch luxuriöser, als sie es sich vorgestellt hatte.

„Wollen wir?“

Quinn war am Fuß der Treppe stehen geblieben. Sekundenlang zögerte Dani. Immer noch war sie von tiefem Misstrauen gegen diesen Mann erfüllt, weil alles, was er sich vorgenommen hatte, ihm zuzufallen schien. Er sah gut aus und lebte offenbar ein sehr luxuriöses Leben. Immer wieder musste sie sich sagen, dass er dennoch zu solch unfeinen Mitteln wie Erpressung greifen musste, um sein Ziel zu erreichen.

Er ging die Treppe hinauf und öffnete dann die erste Tür. Helles Licht drang aus dem Raum. Es war der Traum einer Goldschmiedewerkstatt. In einer Ecke, ideal beleuchtet, stand eine Staffelei. Eine Seite des Raums war mit einer langen Werkbank ausgestattet. Zwei hohe Hocker standen davor, an der Wand hingen alle Werkzeuge, die man sich für die Schmuckbearbeitung nur vorstellen konnte, von Pinzetten in allen Größen über Messgeräte bis zu Lupen in unterschiedlichen Stärken. Es war alles vorhanden, was sie auch in ihrer Werkstatt hatte, dabei aber technisch auf dem neuesten Stand und von hoher Qualität. Die Einrichtung musste ein Vermögen gekostet haben.

Allmählich dämmerte ihr, dass dies offenbar ihr Arbeitsplatz sein sollte, dass er erwartete, dass sie den Schmuck hier entwarf und anfertigte. Staunend sah sie sich um. Ein Laptop stand auf dem Schreibtisch, zweifellos ausgestattet mit den neuesten Zeichenprogrammen, und die Beleuchtung ließ keine Wünsche offen. Das alles hatte er sicher nur für diesen einen Zweck angeschafft, dachte sie, immer noch ganz überwältigt.

Langsam strich sie mit der flachen Hand über die Werkbank. „Waren Sie so sicher, dass ich Ja sagen würde?“

„Ihre Motivation habe ich in der Vergangenheit manchmal infrage gestellt, nie aber Ihre Intelligenz, Ms. Hammond.“

Sie blickte zu ihm hinüber. Er stand da, an den Türrahmen gelehnt, und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Aber warum das alles? Ich habe doch eine voll eingerichtete Werkstatt.“

„Weil der Diamant dieses Haus nicht verlassen wird.“

„Wie stellen Sie sich das vor? Dass ich hin und wieder komme, wenn ich gerade Zeit habe, und an dem Projekt arbeite?“ Sie schüttelte den Kopf. „Das dauert Monate.“

Ohne zu antworten, drehte Quinn sich um und bedeutete Dani, ihm zu folgen. Zögernd ging sie hinter ihm her und blieb bald wieder stehen. Er stieß schon die nächste Tür auf. Dani trat ein.

Lange weiße Vorhänge wehten sanft in der leichten Brise, die durch die geöffneten Fenster strich. Das Meer und das Rauschen der Bäume waren zu hören. Ein großes Bett mit einer seidenen Überdecke in sanften Farben stand an der einen Wand. Die Nachttischlampen hatten die gleiche dunkelviolette Farbe wie die Kissen, die sich auf der Erkerbank stapelten. Was für ein traumhaftes Schlafzimmer, dachte Dani, während sie sich langsam um die eigene Achse drehte. Ohne dass es ihr bewusst war, lag ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Doch als sie Quinn ansah, der immer noch an der Tür stand, erstarb ihr Lächeln.

Was hatte er vor? Erwartete er, dass sie hier wohnte, allein mit ihm? „Nein“, stieß sie leise hervor, obgleich er ihr noch gar keine Frage gestellt hatte.

Er stieß sich leicht von dem Rahmen ab, blieb aber in der Tür stehen. „Das sind meine Bedingungen. Sie wohnen und arbeiten hier, bis die Aufgabe erfüllt ist.“

Nachdenklich runzelte sie die Stirn und schüttelte langsam den Kopf.

„Die Bedingungen sind nicht verhandelbar.“ Das hörte sich beinahe gelangweilt an.

„Nein, ich bleibe nicht hier, nicht allein mit Ihnen.“

Er lachte kurz und trocken auf. „Seien Sie nicht albern, Ms. Hammond. Was, meinen Sie denn, kann Ihnen hier passieren?“

Sie wusste, er legte es darauf an, sie einzuschüchtern und als kleines dummes Mädchen hinzustellen. Leider gelang ihm das nur zu gut. „Aber … aber aus welchen Gründen … soll … muss ich denn …“

„Das sind reine Sicherheitsvorkehrungen und Überlegungen der Zweckmäßigkeit. Dies ist ein sehr wertvoller Diamant, und ich bin ein sehr beschäftigter Mann. Ich kann es mir nicht leisten, mich länger als nötig in diesem verlassenen Kaff aufzuhalten.“

Wieder schüttelte Dani den Kopf. „Kommt nicht infrage. Bringen Sie den Diamanten in meine Werkstatt. Ich werde daran arbeiten, sooft ich kann.“

„Das wird wohl nichts werden“, erwiderte er leise, drehte sich um und ging.

Minutenlang blieb Dani wie erstarrt in der Mitte des Raums stehen. Sie hatte den Eindruck, dass er ihr Nein einfach nicht akzeptierte. Am liebsten wäre sie hinter ihm hergestürzt, hätte ihn angeschrien und mit den Fäusten gegen seine breite Brust getrommelt. Doch bei dieser Vorstellung überfiel sie wieder diese verräterische Hitze, die sie immer in seiner Gegenwart verspürte.

Sie benahm sich wirklich lächerlich. Ein Mann wie Quinn Everard, der international als Edelsteinexperte geschätzt und bewundert wurde, dachte doch nicht daran, sie zu entführen. Sie lief hinter ihm her. „Mr. Everard, wenn Sie sich Sorgen machen, der Diamant könnte gestohlen werden, dann kann ich Sie beruhigen. In dieser Gegend ist schon seit Jahren kein Diebstahl mehr vorgekommen.“

„Ich fürchte, Sie haben mich immer noch nicht verstanden, Ms. Hammond.“ Er drehte sich so abrupt um, dass sie fast mit ihm zusammengestoßen wäre. „Es handelt sich hier um einen sehr besonderen Diamanten.“

„In der Werkstatt kann ihm nichts passieren. Außerdem habe ich eine Versicherung gegen Diebstahl.“

Er sah sie so durchdringend an, dass sie automatisch zwei Schritte rückwärts ging. „Haben Sie schon einmal etwas von dem Distinction Diamanten gehört, Danielle?“

„Dem Dist …“ Es verschlug ihr die Sprache, und ihr Herz klopfte wie verrückt. Der Distinction Diamant hatte fast vierzig Karat und war der berühmteste gelbe Diamant, der je in der Kimberley Mine in Südafrika gefunden worden war. Allerdings galt er seit vielen Jahren als verschollen. „Sie haben den Distinction Diamanten? Hier?“

Quinn sah sie an. Ein gefährliches Glitzern lag in seinen Augen. „Nein, Ms. Hammond, nicht den Distinction Diamanten.“ Er drehte sich um, ging ein Stück den Flur hinunter und blieb vor der nächsten Tür stehen. „Aber seinen großen Bruder.“

2. KAPITEL

Quinn drehte sich um und ging in sein Schlafzimmer. Er musste lächeln, als er Danis leise Schritte hinter sich hörte. Er klappte ein Bild von der Wand ab, hinter dem der Safe verborgen war, und tippte ein paar Zahlen ein. Das ganze Haus war einbruchssicher, der Safe hatte dazu noch einen Bewegungsmelder. Er legte den allergrößten Wert auf Sicherheit, was in seinem Gewerbe auch absolut nötig war.

Er warf einen Blick zurück. Dani stand an der Tür und beobachtete ihn. Durch ihre großen hellbraunen Augen abgelenkt, tippte er eine falsche Zahl ein. „Piiiep!“ Er fluchte leise vor sich hin und wiederholte die Zahlenreihe. Er hatte Dani da, wo er sie haben wollte. Sie hatte auf den Köder angebissen. Nur das zählte.

Vorsichtig nahm er einen schweren Metallkasten aus dem Safe, öffnete ihn mit einem Schlüssel und hob eine kleinere Lederbox heraus. Er klappte den Deckel auf, und auf einer mit Samt überzogenen Platte lag der Diamant. Quinn trug den Kasten zum Schreibtisch und schaltete die Lampe ein. Dann erst winkte er Dani, näher zu kommen.

Mit angehaltenem Atem kam sie auf ihn zu, und als sie in den Lichtkreis der Lampe trat, musste Quinn wieder daran denken, wie wenig ihr Gesicht von der wirklichen Danielle Hammond verriet. Denn mit ihren sanften braunen Augen, der kleinen gerade Nase und den vollen rosigen Lippen wirkte sie sehr feminin, unschuldig und beinahe unsicher.

Im Gegensatz dazu war ihr Outfit mutig, unkonventionell und verriet ein starkes Selbstbewusstsein. Sie trug leuchtende Farben in ungewöhnlichen Zusammenstellungen, und ihre kräftigen roten Locken konnte auch der Seidenschal nicht bändigen, den sie sich um den Kopf geschlungen hatte. Quinn kannte viele schöne Frauen, aber keine hatte eine derart lebendige Ausstrahlung.

Jetzt richtete sie den Blick auf den Diamanten, und ihre Augen leuchteten auf. Als sie Quinn kurz von der Seite her ansah, stand sogar etwas wie Dankbarkeit darin, Dankbarkeit dafür, dass er ihr die Gelegenheit gab, eine Kostbarkeit wie diese hier mit eigenen Augen zu sehen.

Nun gut, freu dich daran, dachte er grimmig. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er Danielle Hammond nie für diese Aufgabe ausgewählt, auch wenn sie als Frau noch so aufregend war.

Zögernd streckte sie die Hand aus. „Darf ich?“

Plötzlich musste er daran denken, wie dieser Diamant wohl in ihrer Hand oder auf ihrem Dekolleté aussehen würde, umrahmt von den roten Locken … Andererseits sträubte sich alles in ihm bei der Vorstellung, sie könnte den Stein berühren. Aber er hatte seine Anweisungen. Unwillig nickte er.

Vorsichtig strich sie mit dem Mittelfinger über die glatte Oberfläche des Steins. Dabei hielt sie den Blick gesenkt, sodass ihre dichten dunklen Wimpern Schatten auf die rosigen Wangen warfen.

„Wie ist es, Ms. Hammond, sind Sie bereit, mein Angebot anzunehmen?“, fragte Quinn vorsichtig, als wollte er diesen andächtigen Moment nicht zerstören. Er konnte ihre Gefühle gut verstehen, denn auch ihm war es so ergangen, als er den Diamanten sechs Jahre zuvor zum ersten Mal gesehen hatte.

„Habe ich denn eine Wahl?“, erwiderte sie leise.

Nein. Kein Schmuckdesigner, der bei Verstand war, würde sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen.

„Da Sie mich erpressen …“, fuhr sie fort.

Quinn musste lächeln, weil ihr diese Ausrede gerade noch rechtzeitig eingefallen war. „Eben. Noch einmal, das sind die Bedingungen: Sie wohnen und arbeiten hier in diesem Haus, bis der Auftrag erfüllt ist. Außerdem werden Sie mit niemandem über den Stein sprechen.“

Stirnrunzelnd sah sie ihn an. „Aber ich habe auch noch ein anderes Leben.“

„Nein. Nicht während der nächsten Wochen.“

„Und meine Werkstatt? Mein Laden?“

Quinn hatte am Vormittag die Gelegenheit genutzt, mit ihrem Mitarbeiter Steve zu sprechen. „Steve möchte gern länger arbeiten. Seine Freundin ist schwanger, und sie brauchen mehr Geld.“

„Was? Das alles haben Sie in kürzester Zeit herausbekommen?“

„Ja. Ich kann sehr überzeugend sein.“

Sie seufzte leise auf. „Das kann man wohl sagen.“ Dann straffte sie sich und sah ihn an. „Was haben Sie sich denn so vorgestellt?“

„Keine Ahnung. Sie sind die Künstlerin.“

„Ich meine, was soll es werden? Eine Brosche, eine Kette? Ein Collier? Ich habe kein Werkzeug zum Schneiden gesehen.“

„Aus gutem Grund. Dieser Stein darf nur von Ihren Fingern berührt werden.“

Dani rollte mit den Augen. „Das versteht sich doch von selbst. Aber es kann sein, dass ich auch noch andere Steine benutze, die geschnitten werden müssen. Kommen Sie denn für alles auf, was ich brauche? Ich meine, Gold, Platin, kleinere Diamanten?“

„Solange der Stein so bleibt, wie er ist, haben Sie vollkommen freie Hand. Sowie ich Ihren Entwurf akzeptiert habe, werde ich alles für Sie besorgen, was Sie brauchen.“

„Aber das Ganze kann Wochen dauern …“

„Drei. Weniger wären besser. Sind Sie mit Ihrem Zimmer zufrieden?“

Sie nickte.

„Ich werde für Ihre Verpflegung sorgen. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern.“

„Wer ist Ihr Auftraggeber?“

Er musterte sie kühl. „Jemand, der mir sehr nahesteht. Ein sehr besonderer Mensch.“ Er hatte sich verpflichtet, auf keinen Fall den Namen preiszugeben. Entschlossen streckte er die Hand aus. „Wie ist es, schlagen Sie ein?“

Wieder blickte sie auf den Diamanten, als wollte sie sich Kraft für ihre Entscheidung holen. „Unter einer Bedingung“, sagte sie dann. „Die Hälfte des Honorars brauche ich sofort, außerdem müssen Sie Steves Gehaltserhöhung übernehmen.“

„Typisch Blackstone!“, sagte er leicht verärgert. „Aber ich muss wohl oder übel zustimmen.“ Ihre familiären Bindungen an die Blackstones waren der Hauptgrund dafür gewesen, dass er ursprünglich mit dem Auftrag nichts zu tun haben wollte. Aber er hatte dann doch eingesehen, dass die ganze Sache zu delikat war, als dass er sie einem seiner Angestellten überlassen konnte.

Er klappte die Lederbox zu, stellte sie wieder in den Metallkasten, den er sicher im Safe verschloss.

Dani war mit den Augen seinen Bewegungen gefolgt. „Das Ganze ist Wahnsinn“, flüsterte sie.

„Je eher Sie anfangen, desto schneller werden sich unsere Wege wieder trennen“, sagte er knapp. „Ich bringe Sie jetzt nach Hause, damit Sie packen und das Nötigste regeln können.“

Sie schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und rieb sich langsam die schmerzende Stirn. Quinn spürte, wie bei der Geste heißes Verlangen in ihm aufstieg, und unwillkürlich fiel sein Blick auf das große Bett. Sofort wurde seine Fantasie angeregt. Und als Dani die Augen wieder öffnete, sah sie, wie er sie erregt anstarrte. Schnell wandte sie den Blick ab. „Nicht nötig. Ich wohne hier gleich um die Ecke.“

Entschlossen wies er auf die Tür. „Keine Widerrede. Ich fahre Sie.“ Nur raus aus dem Schlafzimmer, dachte er, sonst kann ich für nichts garantieren …

Quinn ging in Danis Wohnzimmer auf und ab, während sie ihre Sachen zusammenpackte und, das Handy fest ans Ohr gepresst, versuchte, Dinge während ihrer Abwesenheit zu regeln. Ihm war heiß, denn in dem winzigen Apartment gab es keine Klimaanlage. Das feucht-heiße Klima hier in Northern Queensland gefiel ihm gar nicht. Außerdem trieb ihm schon die Vorstellung den Schweiß auf die Stirn, in den nächsten Wochen den Babysitter für eine verwöhnte Frau mit aufbrausendem Künstlertemperament und überzogenem Selbstbewusstsein spielen zu müssen.

Allerdings wurde ihm noch heißer, als er am Nachmittag von seinem Bürofenster aus beobachtete, wie sein neuer Hausgast ein Bad im Pool nahm. Er vergaß, was er eigentlich hatte tun wollen, und konnte den Blick nicht von der langbeinigen Schönheit mit dem flammend roten Haar wenden. Sie trug Shorts und ein großes T-Shirt, was sehr züchtig aussah, solange es nicht nass war. Quinn drehte die Klimaanlage ein paar Grade herunter und öffnete die zwei obersten Hemdknöpfe.

Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte er wieder dieses ungezügelte Verlangen eines sehr jungen Mannes. Er lebte auch jetzt nicht wie ein Mönch, aber seine Freundinnen waren meist in seinem Alter, gepflegt, kultiviert und finanziell unabhängig. Sie hatten die gleichen Interessen wie er und entstammten derselben Gesellschaftsschicht. Danielle Hammond dagegen schien Mitte bis Ende zwanzig zu sein, und selbst wenn sie mit dem Reichtum der Blackstones aufgewachsen war, so führte sie doch ein Leben, das Lichtjahre von seinem entfernt war.

Es war seiner unwürdig, am Fenster zu stehen und begierig nach einem schlanken Körper Ausschau zu halten, an dem der nasse Stoff klebte, sodass die vollen Brüste mit den harten Spitzen nur allzu deutlich sichtbar waren. Was Frauen betraf, war er doch viel zu anspruchsvoll, als dass er Sehnsucht danach verspüren konnte, den Kopf mit den wilden roten Locken an sich zu pressen. Oder nicht?

Schnell kehrte er an seinen Schreibtisch zurück und versuchte, diese unreifen Gefühle zu unterdrücken. Schließlich war er nicht zu seinem Vergnügen hier. In wenigen Tagen fand eine Auktion berühmter Gemälde statt, zu der er gern gefahren wäre, denn einige seiner besten Kunden waren an verschiedenen Objekten interessiert. Immerhin hatte er einen Gewährsmann, der für ihn an der Auktion teilnehmen würde.

Schließlich gelang es ihm, sich ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren. Als Danielle abends an seine Tür klopfte, schrak er hoch. Sie bat ihn darum, den Diamanten in die Werkstatt zu bringen, weil sie sich mit dem Stück vertraut machen wollte.

Er öffnete den Safe, trug den Metallkasten in die Werkstatt und setzte den Diamanten vorsichtig auf die Arbeitsplatte. Dann beobachtete er mit zunehmendem Interesse, wie Dani den Stein von allen Seiten fotografierte. Dabei beugte und streckte sie sich, ging in die Hocke und hob sich auf die Zehenspitzen, sodass Quinn den Blick nicht von ihrem schlanken Körper lösen konnte. Und als sie sich plötzlich aufrichtete und ihn ansah, ertappte sie ihn dabei, wie er sie verlangend musterte.

Lächelnd hob sie die fein gezeichneten Augenbrauen. „Was ist sie denn für ein Typ?“

„Wie bitte?“

„Ihre Freundin. Die, der Sie diesen wundervollen Diamanten verehren wollen.“

„Typ?“

Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. „Ja, was für ein Typ ist sie? Groß, klein, dick, dünn? Ich möchte nicht einen zierlichen Schmuck für eine eher große Frau entwerfen und umgekehrt.“

Hm, die Frage war berechtigt. Er musterte Dani kurz von oben bis unten. An diesem Abend trug sie eine weite bequeme Baumwollhose in einem dunklen Braun und dazu ein knappes helllila Top. Um den Kopf hatte sie ein passendes Tuch gebunden, damit ihr die widerspenstigen Locken nicht in die Stirn fielen.

„Sie ist ungefähr einen Meter siebzig groß“, meinte er, „schlank und sehr sportlich.“

Dani nahm ihre Digitalkamera hoch und überprüfte die Bilder, die sie bisher gemacht hatte. „Ist sie blass oder sonnengebräunt?“, fragte sie, ohne ihn anzusehen.

„Leicht gebräunt. Sommersprossen.“

Wieder beugte sie sich vor und machte zwei Aufnahmen. „Und ihr Haar?“ Als Quinn nicht gleich antwortete, ließ sie die Kamera sinken und sah ihn unwillig an. „Was für eine Haarfarbe hat sie?“

Als er zögerte, weil er nicht wusste, wie er ihre leuchtend roten Locken beschreiben sollte, schüttelte sie tadelnd den Kopf, grinste aber dabei. „Aber, aber, Mr. Everard, haben Sie sie sich nie genau angesehen? Haben Sie vielleicht zufällig ein Foto mitgebracht?“

„Leider nein. Aber warten Sie, ja, sie hat rotes Haar, ziemlich dunkel sogar, und viele Locken.“ Ob jetzt der Groschen fallen würde?

Aber sie hob nur überrascht die Augenbrauen.

„Sie ist stilmäßig nicht festzulegen“, fügte er schnell hinzu. „Sie ist ganz sicher unkonventionell, eher so ein Künstler-Typ, obgleich sie nur von außen so wirkt. Eben ein ganz besonderer Mensch.“ Und das war die Wahrheit. Die Art und Weise, wie Danielle sich anzog, wie sie vor allem die Farben miteinander kombinierte, sollte einen konservativen Mann wie ihn eigentlich abstoßen. Seltsamerweise war genau das Gegenteil der Fall. Er fand sie nämlich äußerst anziehend. Ein Leben mit Danielle Hammond war sicher nie langweilig.

Dani blickte ihn nachdenklich an. „Sieht so aus, als hätten Sie einen guten Geschmack, was Frauen betrifft“, meinte sie dann und setzte die Kamera ab. „Also kommt eher eine moderne Fassung für diesen Klunker infrage.“

„Das müssen Sie wissen.“ Quinn wurde ganz elend bei der respektlosen Art und Weise, in der sie über diesen edlen Diamanten sprach. Er hatte ja gleich seine Zweifel gehabt, ob Danielle Hammond geeignet war, diese Aufgabe zu erfüllen. Sie war einfach zu jung und hatte zu wenig Erfahrung. Aber sein Klient hatte darauf bestanden.

Doch zu seiner eigenen Überraschung lächelte er die ganze Zeit auf dem Weg zu seinem Zimmer. Bisher hatte alles wunderbar geklappt. Und vielleicht waren die nächsten Wochen doch ganz gut auszuhalten. Danielle Hammond war schlagfertig und intelligent, und obgleich sie im Luxus aufgewachsen war, wirkte sie, als hätte sie auch schlechtere Zeiten erlebt.

Ganz sicher ließ sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen.

In den folgenden zwei Tagen ließ Dani sich kaum blicken. Bis spät in die Nacht arbeitete sie an dem Entwurf, und entsprechend spät stand sie auch auf. Meist ließ sie sich am späten Vormittag den Diamanten bringen. Und wenn Quinn zu Bett ging, schloss er ihn wieder ein.

Er achtete darauf, dass der Kühlschrank immer gut gefüllt war, und war dankbar, dass er nicht mehr in Versuchung kam, seine Zeit am Fenster zu vergeuden, denn Dani benutzte den Pool nicht mehr. Sie aß auch kaum etwas. Sie hätte keine Zeit, hungrig zu sein, meinte sie. Obgleich er noch nichts gesehen hatte, bewunderte er ihre Ausdauer und ihren Einsatz.

Am dritten Abend gab sie endlich nach und kam zum Dinner, was von einem der besten Restaurants geschickt worden war. Beim Kaffee dann lehnte sie sich aufatmend zurück und sah Quinn nachdenklich an. „Warum haben Sie gerade mich ausgesucht?“, fragte sie. „Sie müssen doch eine Unmenge Goldschmiede und Schmuckdesigner kennen, die für einen solchen Auftrag alles für Sie tun würden.“

Er nahm ein wenig Sahne und rührte dann langsam den Kaffee um. „Aber Sie nicht, oder?“

„Haben Sie keine Angst, dass ich Ihren kostbaren Stein aus lauter Wut ruiniere, weil Sie mich erpresst haben?“

„Dann müsste ich Ihren Ruf ruinieren.“

„Haben Sie das nicht bereits getan? Ich zitiere: Ms. Hammond hat ein ganz hübsches Talent, das sie aber leider an minderwertige Schmuckproduzenten und Massenware verschwendet.“

Quinn musste unwillkürlich lächeln. Er erinnerte sich an den Artikel, den er etwa ein Jahr zuvor in der Monatszeitschrift Diamond World veröffentlicht hatte. Danielle hatte immerhin die Nerven gehabt, in der nächsten Ausgabe darauf zu antworten.

„Das war doch nur eine kleine Spitze, die Ihnen offenbar nicht geschadet hat. Dennoch, warum haben Sie sich eigentlich in dieser hoffnungslosen Provinzstadt vergraben?“

„Das ist wieder die typische Arroganz der Leute aus Sydney“, sagte sie seufzend. „Ich liebe die Tropen.“

„Was kann man an den Tropen schon lieben? Ein Meer, in dem man wegen der Stachelrochen nicht schwimmen kann …“

„Das gilt nur für ein paar Monate des Jahres.“

„Meist ist das Wetter unerträglich heiß und feucht.“

„Das gefällt mir gerade.“

Aha, die Dame hat es gern heiß und schwül … Quinn verbot sich, diesen Gedanken weiterzuspinnen. „Und wie ist es mit dem Nachtleben? Gibt es so etwas, oder klappt man um sieben Uhr bereits die Bürgersteige hoch?“

Dani lachte und lehnte sich vor, die Unterarme aufgestützt. „Vielleicht läuft alles etwas gemächlicher ab. Aber es ist eine ganze Menge los hier. Ich wenigstens komme gut zurecht und fühle mich wohl.“ Sie lehnte sich wieder zurück und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. „Aber was mich viel mehr interessiert, ist, was denn nun eigentlich zwischen Ihnen und Howard war.“

„Das wissen Sie nicht?“

„Nein. Ich lebte damals nicht zu Hause. Aber ich weiß, dass Howard jedes Mal vor Wut kochte, wenn Ihr Name fiel.“

Das überraschte Quinn nicht. Damals hatte Howard Blackstone sein ganzes Gewicht in die Waagschale geworfen, um ihn, den jungen Edelsteinbroker, zu vernichten. Und zwar nur, weil er sich mit der Gegenseite eingelassen hatte. „Ich hatte damals meine Firma gerade erst gegründet“, begann er. Seine Frau Laura war krank, und er hatte den Eindruck, alles brach über ihm zusammen. „Howard wollte den Posten als australischer Repräsentant in der World Association of Diamonds haben. Damals hatte endlich jeder begriffen, dass der Diamantenhandel, mit dem wir alle zu tun hatten, die Kriege in Afrika unterstützte.“

„Ja, ich weiß.“ Dani nickte langsam. „Diamanten hatten keinen guten Ruf. Aber was konnten ein paar Organisationen gegen die beiden mächtigen Schürfgesellschaften ausrichten, die damals die Minen kontrollierten?“

Gut beobachtet, dachte er. „Die World Association hat aber immerhin weltweit auf die Missstände aufmerksam gemacht. Selbst in den USA verlangten viele Käufer plötzlich den Nachweis, dass ihr Diamant nicht aus einer Mine kam, deren Besitzer die Kriegsparteien unterstützte.“

„Aber ist ein Zertifikat nicht leicht auszustellen? Papier ist geduldig.“ Dani sah Quinn fragend an. „Doch das erklärt noch nicht die Feindschaft zwischen Ihnen und Howard.“

Quinn schob seinen leeren Teller zur Seite und lehnte sich zurück. „Blackstone hat mich nach allen Regeln der Kunst umworben, denn er wollte unbedingt meine Stimme haben. Er war wohl am Ende auch überzeugt, mich auf seiner Seite zu haben. Aber dann hat mich ein Kollege gefragt, und ich habe letzten Endes für ihn gestimmt. Ehrlich gesagt war ich davon ausgegangen, dass Howard auf alle Fälle gewählt werden würde, ob mit oder ohne meine Stimme.“

„Aber das war nicht der Fall …“

Wieder fragte Quinn sich, wie wohl das Verhältnis zwischen Danielle und dem Diamantenmogul Howard Blackstone gewesen war. „Er bekam eine Stimme zu wenig. Und das hat er mir nie verziehen.“

„Das heißt, Sie haben nie wieder eine Weihnachtskarte von ihm bekommen?“

Schlimmer, dachte Quinn grimmig. Howards Hass hatte ihn fast ruiniert. „Ich bekam keine Steine mehr aus den Blackstone-Minen. Das bedeutete, dass ich sie mir woanders besorgen musste, was finanziell viel aufwendiger war.“ Wenn er nicht ein paar gute Freunde gehabt hätte, die ihn unterstützten, hätte sein Unternehmen Konkurs anmelden müssen.

Dani stieß einen kurzen Pfiff aus. „Das muss bitter gewesen sein. Ein Diamantenhändler ohne Diamanten.“

„Ja, das war eine sehr schwierige Situation für mich.“

Sie sah sich in dem luxuriös ausgestatteten Raum um. „Offenbar nicht für lange.“

„Nein, aber das lag nicht an den Blackstones.“

„Haben Sie nach Howards Tod mit Ric oder Ryan Kontakt aufgenommen? Vielleicht sind die beiden bereit, den Bann aufzuheben.“

Vielleicht. Irgendwie fand Quinn es pervers, dass er jetzt hier mit dem Schützling seines Erzfeindes an einem Tisch saß. „Ich komme ganz gut ohne die Blackstone-Diamanten zurecht, vielen Dank.“

Dani musterte ihn aus leicht zusammengekniffenen Augen. „Noch nie etwas von Vergeben und Vergessen gehört? Der Mann ist tot.“

Vergeben? Vergessen, was Howard Blackstone ihm angetan hatte? Quinn konnte es nicht. „Es ist sehr schwierig und nahezu unmöglich, die eigene Firma zu halten, wenn der wichtigste Mann der Branche gegen einen arbeitet.“

Und das in einer Zeit, in der seine Frau mit dem Tode rang. Das war eigentlich auch die Hauptursache für seinen unversöhnlichen Groll. Das Geschäftliche hätte er irgendwie wegstecken können. Aber er würde nie vergessen, wie Laura ihn angesehen hatte, als er ihr nicht das verschaffen konnte, wonach sie sich so sehr sehnte.

„Howard Blackstone war unmoralisch, nachtragend und hat die Menschen manipuliert.“

Dani wurde kreidebleich, und kurz hatte Quinn ein schlechtes Gewissen. Konnte es wirklich sein, dass sie um diesen Mann trauerte, den so viele gehasst hatten?

„Nachtragend?“, fragte sie mit mühsam unterdrücktem Zorn. „In dem Punkt kennen Sie sich doch sicher gut aus. Haben Sie mich nicht deshalb bei allen Wettbewerben so schlecht beurteilt? Oder die miesen Artikel über mich geschrieben?“ Sie trank ihren Kaffee aus, knallte die Tasse auf den Tisch und stand auf. „Vielleicht sind Sie und Howard sich ähnlicher, als Sie wahrhaben wollen.“

„Vielleicht sind Sie nicht so gut, wie Sie glauben“, konterte er.

„Wenn das so ist, warum bin ich dann hier?“

„Ich weiß es nicht. Aber jetzt haben Sie doch sicher noch zu tun?“

„Allerdings!“ Sie sah ihn wütend an, und ihre bernsteinfarbenen Augen blitzten im Kerzenlicht. „Glücklicherweise ist das Haus groß genug, Mr. Everard. Da können wir uns gut aus dem Weg gehen!“

„Ist mir nur recht!“

3. KAPITEL

Wütend knallte Dani die Tür zu und ging die Treppe hinauf.

Zugegeben, Howard Blackstone war kein Engel gewesen. Sein aggressives Verhalten und sein immenser Reichtum hatten ihm viele Feinde beschert. Aber ihr und ihrer Mutter gegenüber war er immer fair und großzügig gewesen. Daher gehörten Dani und Sonya Hammond wahrscheinlich zu den wenigen Menschen, die wirklich um Howard trauerten.

Dani stieß die Tür zur Werkstatt auf und schlug sie hinter sich zu. Dieser Mistkerl!

Mit zwölf war Sonya in das Haus von Howard und ihrer Schwester Ursula gezogen. Nachdem ihr Erstgeborener entführt worden war, litt Ursula unter schweren Depressionen und nahm sich schließlich das Leben. Howard war so verzweifelt, dass Sonya bei den Blackstones blieb, um für ihre Nichte Kim und den Neffen Ryan zu sorgen. Als sie dann selbst schwanger wurde, überredete Howard sie, zu bleiben und ihr Kind gemeinsam mit seinen aufzuziehen. Er kam für alle Kosten auf, bezahlte auch Danis Ausbildung, und mit der Zeit entwickelte sich zwischen den beiden eine große Zuneigung.

Die Leute ahnten nicht, wie Howard wirklich war. Wütend zerriss Dani ihre letzte Skizze. Der Mann hatte viele Fehler gehabt, aber Sonya und sie kannten Seiten an ihm, von denen sonst keiner wusste. Und sie würden ihm immer dankbar sein.

Tatsächlich schafften es Dani und Quinn, sich am nächsten Tag aus dem Weg zu gehen. Sie musste sich endlich auf einen Entwurf festlegen, aber immer, wenn sie den Diamanten ansah, hatte sie wieder neue Ideen.

Schließlich kam sie auf ihren ursprünglichen Entwurf zurück und skizzierte grob die Fassung. Sie wusste nur eins, sie musste aus Platin sein, das war das einzige Metall, das den Farben gerecht werden konnte, dem sanften Gelb und Rosa. Denn der Stein selbst war das Wesentliche, nicht die Fassung.

Doch die Stunden vergingen, und sie konnte sich noch immer nicht zu einem abschließenden Entwurf durchringen. Verärgert blickte sie den Diamanten an, der sich in all seiner strahlenden Schönheit über sie lustig zu machen schien. Schließlich nahm sie ihn von seinem Samttablett und setzte sich auf den Fußboden. Wie herrlich sich die kühle Glätte an ihre Handfläche schmiegte.

Die Tür wurde aufgestoßen, und Quinn kam herein, in der einen Hand einen Teller, in der anderen ein Glas Wein. Fassungslos starrte er sie an, dann drehte er sich um und stellte den Teller auf dem Schreibtisch ab.

Unwillkürlich ging Dani durch den Kopf, ob ihr Haar wohl gut saß. Hatte sie heute geduscht oder nicht? Sie sah zu ihm hoch und musste sich wieder eingestehen, dass er wirklich sehr attraktiv war. Zu den schwarzen Hosen trug er ein schwarzes Polohemd, das seinen kräftigen Bizeps und die breiten Schultern betonte. Seine Rolex blitzte, als er sich vorbeugte und die Lampe anknipste.

„Was machen Sie da?“, fragte er und starrte auf sie herunter.

„Ich denke nach. Was glauben Sie denn?“

Er antwortete nicht, sondern wies mit dem Kopf auf den Teller. „Sie sollten was essen.“

„Wie spät ist es?“ Sie reckte den Hals und blickte aus dem Fenster. Draußen war es dunkel. Schon? Wo war bloß die Zeit geblieben?

„Acht Uhr.“ Er runzelte die Stirn, als er sah, dass sie das Sandwich nicht aufgegessen hatte, das er ihr mittags gebracht hatte.

Mit dem Diamanten in der Hand stand sie langsam auf. Das Essen roch gut, und sie merkte plötzlich, dass sie Hunger hatte. Sie legte den Diamanten wieder auf die Samtunterlage und griff nach dem Weinglas.

„Wie kommen Sie voran?“

„Ganz gut.“

Von wegen. Die ganze Sache machte sie wahnsinnig. Leider konnte man gute Ideen nicht herbeizaubern. Manchmal verbrachte sie Stunden oder auch Tage damit, einen ersten Entwurf auszuarbeiten, verwarf die Skizze dann aber doch, weil sie das Gefühl hatte, so etwas schon einmal irgendwo gesehen zu haben.

Mit einer langsamen Bewegung schob er die zusammengeknüllten Papiere auf dem Fußboden zusammen. „Wie lange haben Sie denn gestern noch gearbeitet?“

Sie zuckte nur mit den Schultern. Was ging ihn das an? Es wäre sehr viel besser, wenn er sie mit ihren Gedanken allein ließe. Und dem Essen.

„Sie sollten nicht vergessen, ab und zu etwas zu essen und zu schlafen.“

„Danke.“ Der Wein hatte ihren Appetit weiter angeregt, und sie griff nach der Gabel.

„Gibt es Probleme mit der Fassung?“ Er bückte sich und hob einige der Papiere auf.

„Nein.“ Dani nahm ein Stück Brokkoli auf die Gabel. „Ich bin noch nicht ganz mit dem Entwurf fertig, aber keine Sorge, das kriege ich hin.“

Quinn warf die Papiere in den Papierkorb. Dann trat er an die Staffelei heran und betrachtete die letzte Skizze, die sie noch nicht zerrissen hatte. „Haben Sie mit den Grafikprogrammen etwas anfangen können?“

Dani schüttelte den Kopf und schnitt sich ein ordentliches Stück von dem saftigen Kalbssteak ab. Für Anfänger waren die Computerprogramme oft hilfreich, aber die meisten Designer, die sie kannte, arbeiteten lieber nach der alten Methode.

Er stellte sich neben sie und griff nach ihrer Arbeitsmappe, die neben ihr lag. „Darf ich?“

Sie überlegte kurz. Seine Bemerkungen über ihre Arbeit wurmten sie immer noch. Aber nun war sie hier, war sehr komfortabel untergebracht, wurde versorgt mit allem, was das Herz begehrte, und hatte noch eine große Summe Geld in Aussicht.

„Von mir aus.“ Was auch immer er von ihren Sachen hielt, er hatte sie dazu ausgewählt, diesen Auftrag auszuführen, das war immerhin doch auch so etwas wie eine Anerkennung. Quinn Everard, der große australische Edelsteinexperte, wollte, dass sie und nicht etwa Cartier diesen Stein in ein außergewöhnliches Schmuckstück verwandelte. Sie, Dani Hammond.

Quinn schob die eine Hand in die Hosentasche und blätterte mit der anderen die Seiten in dem großen schwarzen Ordner um. Sehr genau betrachtete er die einzelnen Stücke, ließ aber nicht erkennen, was er davon hielt.

Dani beobachtete ihn unauffällig, während sie mit ihrem Essen beschäftigt war. Das eng geschnittene Polohemd ließ keinen Zweifel daran, dass Quinn Everard ausgesprochen gut gebaut war. An den Schläfen durchzogen die ersten Silberfäden das sehr dunkle Haar. Hm, dachte sie und musterte ihn verstohlen von der Seite, wahrscheinlich ist er so Mitte dreißig und mindestens dreimal in der Woche im Fitnessclub, um in Form zu bleiben. Nicht schlecht …

Sie wandte schnell den Blick ab, bevor er sie bei dieser eingehenden Musterung ertappen konnte. Wieder stieg eine verräterische Wärme in ihr auf. Der Mann war einfach zu groß für diesen Raum, zu attraktiv. Ihr Atem beschleunigte sich.

Plötzlich warf er ihr einen Blick zu und lächelte amüsiert. Dann wurde er wieder ernst. „Die Sachen sind gut, gefallen mir.“

Sie holte tief Luft. Hatte er etwa bemerkt, dass sie …? „Danke.“

„Ihre Arbeiten sind sehr viel besser geworden, sehr viel reifer.“

Besser? Reifer? Übernimm dich nur nicht, Junge. „Danke“, stieß sie leicht pikiert hervor und wandte sich wieder dem fast leeren Teller zu.

„Vielleicht haben Sie damals für die Wettbewerbe die falschen Stücke ausgesucht.“

„Sie waren als Einziger dieser Meinung.“

Das war eine Lüge. Denn auch sie hatte ihre Zweifel gehabt. Für den Wettbewerb um den Young Designer Award hatte sie einen breiten goldenen Armreif eingereicht, der ganz mit rosa und weißen Diamanten aus der Blackstone-Mine besetzt war. Obwohl es ein hinreißendes Stück war und viel Aufsehen erregte, war Dani nie ganz zufrieden damit gewesen.

Und Quinn Everard, der damals die eingereichten Arbeiten beurteilte, war der Einzige gewesen, der sich nicht hatte blenden lassen und sah, dass etwas fehlte.

„Aber dieses hier …“ Er blätterte zurück und schlug eine Doppelseite auf. Dani stand auf und stellte sich neben ihn. Wie gut er roch. Sie genoss das Gefühl, dicht neben ihm zu stehen und seine Wärme zu spüren. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen.

Sie blickte auf die Seiten. „Das Perlenhalsband!“ Das war eine ihrer ersten Arbeiten und immer noch eins ihrer liebsten Stücke. Die großen rosa Perlen wechselten ab mit goldenen Röschen, in deren Mitte jeweils ein kleiner blauer Saphir saß.

„Damit hätten Sie den Preis gewonnen, schon wegen der Farbzusammenstellung, die den leuchtenden Schimmer der Perlen noch unterstreicht.“

Sie sah ihn an. „Ich hatte es einreichen wollen, aber man meinte, es sei nicht kostbar genug.“

Quinn blickte ihr in die Augen, und ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Das Blut stieg ihr heiß in die Wangen, aber sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden und wenn ihr Leben davon abhinge. Sie standen so dicht nebeneinander, dass sie die feinen Linien um seine Augen wahrnahm. Am liebsten hätte sie die weiße Narbe an seinem Mundwinkel mit dem Finger nachgezogen, weich und glatt sah sie aus. Seine Augen wirkten sehr dunkel, als er den Blick jetzt auf ihren Mund richtete und leise sagte: „Vertrau deinem Instinkt.“

Oh Mann, wenn er nur wüsste, was ihr Instinkt ihr im Augenblick riet. Er war ihr so nah, dass sie seinen warmen Atem spüren konnte. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Ihre Haut prickelte, als ihr plötzlich durch den Kopf schoss, dass sie furchtbar aussehen musste. Sie hatte am Morgen nicht geduscht und ihr Haar zu einem lockeren Knoten zusammengedreht, der sich im Laufe des Tages immer weiter gelöst hatte.

Entsetzt trat sie ein paar Schritte zurück. Schließlich hatte auch sie ihren Stolz. Selbst wenn ihr dieser Mann unsympathisch war, konnte sie doch nicht die starke Anziehungskraft zwischen ihnen leugnen. Und wenn sie der nachgab, wollte sie ihm wenigstens sauber und gut riechend gegenüberstehen.

„Ich glaube, ich sollte jetzt ins Bett gehen …“, stammelte sie verwirrt. Vor Verlegenheit klang ihre Stimme dunkel und rau, was Dani extrem peinlich war. Jetzt dachte er sicher, sie wollte ihn verführen.

„Wieso? Es ist doch erst kurz nach acht.“

„Es war ein langer … Tag. Für mich wenigstens.“

Quinn nickte. Dabei fiel sein Blick auf ihre Brüste, und er sah, was sie längst wusste. Dass ihre Knospen sich vor Erregung aufgerichtet hatten.

„Sie können den Diamanten jetzt zu Bett bringen“, stieß sie leise hervor und hätte sich danach am liebsten auf die Zunge gebissen. Wie konnte sie in dieser Situation nur dauernd das Wort „Bett“ in den Mund nehmen? Sie war doch sonst nicht so ungeschickt.

Quinns Mundwinkel zuckten.

Dani war knallrot geworden.

„Ist Ihnen heiß, Dani?“, fragte er lächelnd.

„Ja.“ Sie räusperte sich. „Die Lampen hier heizen den Raum stark auf.“

„So? Tun sie das?“

Bloß raus hier!, schoss es ihr durch den Kopf. „Gute Nacht“, sagte sie und stürzte zur Tür.

Quinn legte den Kopf in den Nacken und starrte in die hellen Deckenlampen. „Nimm dich zusammen“, sagte er halblaut, denn seine Schwäche war ihm peinlich. Ob sie bemerkt hatte, dass er erregt war? Dass sie es war, war ihm nicht verborgen geblieben. Die sexuelle Spannung im Raum hatte er genau wie sie empfunden. Und als er dann auf ihre Brüste mit den harten Spitzen sah, war es um ihn geschehen.

Sie hatten ihm verraten, dass sie interessiert war, obwohl sie sich so kratzbürstig gab. Das eröffnete ganz neue Perspektiven. Er hatte sie zwar noch nicht berührt, wusste aber instinktiv, dass sie sexuell sehr gut zusammenpassten, extrem gut sogar.

Interessant … Er blickte auf den leeren Teller, und ihm fiel wieder ein, weshalb er überhaupt gekommen war. Er hatte keine Lust mehr, allein zu essen, was im Grunde seltsam war, weil er normalerweise froh war, wenn er für sich war. Denn zu oft reihte sich ein Geschäftsessen an das andere, immer in irgendwelchen Luxusrestaurants. Am liebsten saß er mit einem Käsebrot in seinem Apartment in Sydney, direkt an dem großen Fenster mit einem weiten Blick über die Stadt, die für ihn die schönste der Welt war.

Wahrscheinlich genoss er diese gepflegte Ruhe auch deshalb so sehr, weil es in seinem Elternhaus immer sehr turbulent zugegangen war. Er war bei sehr liebevollen, aber etwas exzentrischen Eltern aufgewachsen, die in dem großen alten Haus immer viele schwierige Pflegekinder um sich scharten. Als Kind hatte er alles teilen müssen, die Liebe der Eltern, ihre Zeit, sein Zimmer, Spielsachen und später sogar seine Frau. Da Laura und er beide noch studierten und kaum Geld hatten, zog sie mit in das Haus. Sie studierte Sozialpädagogik und half nur zu gern bei der Erziehung der Kinder mit, die gleichzeitig Studienobjekte für sie waren.

Leider starb sie bereits mit sechsundzwanzig Jahren an einem Gehirntumor.

Jetzt teilte er nicht mehr viel mit anderen Menschen, aber immer noch liebte er seine Eltern sehr. Allerdings nervte es ihn, dass sie ihn ständig fragten, wann sie denn nun endlich mit Enkelkindern rechnen könnten. Und auch heute noch gab er ihnen die gleiche Antwort wie damals mit zwanzig: „Ich bin in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass es auf der Welt viel zu viele unerwünschte Kinder gibt.“

Vorsichtig nahm er den Diamanten hoch und schloss ihn in seinem Zimmer im Safe ein. Dann brachte er den leeren Teller und die Reste vom Mittagessen in die Küche.

Das Telefon klingelte. Matt Hammond rief aus Neuseeland an.

Quinn kannte Matt Hammond persönlich, denn beide hielten Aktien von verschiedenen Unternehmen, unter anderem auch von Blackstone Diamonds. „Können wir uns in der nächsten Woche treffen?“, fragte Matt. „Es gibt einiges zu besprechen, aber ich möchte dir auch gern noch persönlich danken, dass du die rosa Diamanten an den rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben hast.“

Im vergangenen Monat hatte Quinn vier rosa Diamanten auf Wunsch von Briana Davenport, australisches Supermodel und Schwester von Matts verstorbener Frau Marise, geschätzt und auch identifiziert. Briana hatte sie in ihrem Safe gefunden, nachdem ihre Schwester bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Quinn hatte herausgefunden, dass diese vier Steine zu dem berühmten Rosen-Halsband gehörten, das drei Jahrzehnte zuvor im Haus der Blackstones gestohlen worden war. Briana war gleich bereit gewesen, sie dem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben, und so wurden sie erst einmal in die Erbmasse des verstorbenen Howard überführt.

Wie überall zu lesen gewesen war, hatte Howard noch kurz vor dem Flugzeugabsturz, bei dem er zu Tode kam, sein Testament zugunsten von Marise Hammond geändert. Vor allem hatte er ihr seine gesamte Schmucksammlung vererbt. Da nach Meinung der Anwälte auch das gestohlene Halsband dazu zählte, gehörten die vier Steine nun Marise’ Witwer Matt Hammond.

„Ich werde noch die nächsten zwei Wochen hier in Port Douglas Ferien machen“, sagte Quinn.

„Tatsächlich? Das passt ja fabelhaft, denn ich komme auch in den nächsten Tagen. Dann können wir uns ja problemlos treffen.“

Ob Matt vorhat, Dani zu besuchen?, fragte sich Quinn. Immerhin waren sie Cousin und Cousine, aber soviel er wusste, hatten die beiden schon ewig nicht mehr miteinander gesprochen. Schließlich hatten Dani und ihre Mutter Sonya in dem Haus von Matts Erzfeind Howard Blackstone gewohnt.

„Außerdem wäre ich dir dankbar“, fuhr Matt fort, „wenn du inzwischen überall erzählen könntest, dass ich sehr an dem fehlenden fünften Stein interessiert bin, der ursprünglich zu der Blackstone-Rose gehörte. Ich werde keine Fragen stellen und bin bereit, Höchstsummen zu zahlen.“

Wahrscheinlich war der letzte fehlende Stein auf dem Schwarzmarkt verkauft worden. Man hatte nie wieder etwas von ihm gehört. Quinn hatte sehr gute Verbindungen und kannte eine Reihe von Leuten, die gegen gutes Geld Informationen preisgeben würden. Ein rosa Stein dieser Größenordnung konnte nicht spurlos verschwunden sein.

Als Quinn sein Handy zuklappte und wieder in die Tasche steckte, musste er daran denken, dass er in den letzten Wochen viel Kontakt mit den Blackstones und den Hammonds gehabt hatte. Nicht nur geschäftlich, sondern auch privat. Erst hatte er mit Matt und den vier Blackstone-Diamanten zu tun, dann kam die mehr oder weniger erzwungene Zusammenarbeit mit Danielle Hammond. Und privat? Er brauchte nur an den verlangenden Ausdruck in ihren Augen zu denken und an ihre dunkle rauchige Stimme, und schon war er aufs Heftigste erregt.

Er musste Danielle Hammond haben, beschloss er. Das würde ihm die Zeit versüßen, die er in Port Douglas mit seinen unerträglichen Sauna-Temperaturen verbringen musste.

Er grinste, während er sich auszog und zwischen die kühlen Betttücher schlüpfte. Den Schützling von Howard zu verführen würde ihm ein besonderes Vergnügen bereiten. Damit streckte er dem alten Mann, auch wenn er tot war, sozusagen noch einmal die Zunge heraus, ein sehr befriedigendes Gefühl. Howard hatte sicher im Grab rotiert, als die vier Diamanten seinem Erzfeind Matt Hammond übergeben worden waren.

4. KAPITEL

Schon kurz nach sechs Uhr morgens, was eine ungewöhnliche Zeit für sie war, verließ Dani leise das Haus, um den Sonnenaufgang über dem Meer zu erleben. Immer wieder gähnend, schlenderte sie durch das kleine Wäldchen, das den Strand säumte, und zog dann die Sandalen aus, um die Temperatur des Wassers zu testen.

Dass sie körperlich so stark auf Quinn reagierte, hatte sie die ganze Nacht wach gehalten. Und dass er praktisch mit einem einzigen Blick hatte feststellen können, was in ihr vorging, machte das Ganze noch schlimmer.

Dieser Mann war ihr alles andere als freundschaftlich gesinnt. Mehr noch, er war auch in festen Händen. Auf alle Fälle hatte er eine Freundin, die ihm im wahrsten Sinn lieb und teuer war, wenn man bedachte, was für ein kostbares Geschenk er ihr machen wollte. Aber warum musste gerade er so unwiderstehlich sein? Wie sollte sie es die nächsten zwei oder drei Wochen hier in einem Haus mit ihm aushalten, ohne seinem Charme zu erliegen?

Sie wusste, was passieren konnte. Zu genau erinnerte sie sich noch an die Affäre mit Nick und das Gefühl der Demütigung, das sie danach empfunden hatte.

Das Wasser, das ihre nackten Füße umspülte, war erstaunlich kühl. Der Winter war nah. Es war jetzt etwas mehr als zwei Jahre her, dass sie an einem kühlen Wintermorgen hier am Strand entlanggelaufen war, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie hatte nicht mehr leben wollen, Nick hatte sie entsetzlich gedemütigt.

Dabei hätte sie es besser wissen sollen, denn mit fünfundzwanzig sollte man schließlich trocken hinter den Ohren sein. Nick hatte sie nach allen Regeln der Kunst umworben, und sie war voll auf ihn hereingefallen. Er hatte von Liebe gesprochen, davon, dass er sie heiraten und immer mit ihr zusammenleben wollte. Und sie hatte ihr gesundes Misstrauen über Bord geworfen und Nick vertraut.

Bis zu dem Tag, an dem sie das Haus verließ, weil sie einen Termin bei ihrer Schneiderin wegen des Hochzeitskleids hatte. Zu ihrer Überraschung war das Gartentor trotz strömenden Regens von Journalisten umlagert. Seitdem hasste Dani schwarze Regenschirme, die sie an Geier erinnerten, die auf eine Beute lauerten.

Voller Schadenfreude hatten die Reporter sie mit den Einzelheiten vertraut gemacht. Während sie zu Hause saß und ihre Hochzeit plante, hatte Nick in einer Seitenstraße neben einem bekannten Nachtclub mit einem berühmten Fernsehstar herumgeknutscht. Die Bilder waren eindeutig. Als Dani ihn damit konfrontierte, hatte dieser Mistkerl nur gelacht und gemeint, sie wäre daran schuld, denn sie hätte ihm etwas vorgemacht. Sie hätte ihre Position in der Blackstone-Familie immer vollkommen falsch dargestellt. Erst jetzt begriff sie, dass er nur die reiche Erbin hatte heiraten wollen und trotz ihrer Beteuerungen nie geglaubt hatte, dass sie nicht erbberechtigt war.

Wieder war Howard ihr zu Hilfe gekommen, so wie vor vielen Jahren auch ihrer Mutter. Dani hatte nur den einen Wunsch, sie wollte verschwinden, unsichtbar sein. Ein paar Monate war sie nur mit einem Rucksack durch Asien gereist, was ihr gutgetan, ihre Mutter aber zu Tode geängstigt hatte. Auch danach war Dani nicht bereit, sich wieder dem Klatsch der Gesellschaft von Sydney auszusetzen, was Howard verstand. Er hatte sie finanziell dabei unterstützt, in Port Douglas ihre eigene Werkstatt aufzumachen, in einer Stadt, in der sie keiner kannte und niemand etwas von ihrer Verbindung zu den berühmten Blackstones wusste.

Der Sonnenaufgang war wunderschön und machte ihr wieder deutlich, weshalb sie so gern hier lebte. Weit breitete sie die Arme aus und holte tief Luft. Die würzige Seeluft tat ihr gut. Sie wusste, sie musste Quinn widerstehen, denn sonst würde sie Schlimmeres als mit Nick durchmachen. Und dieser schöne Ort wäre ihr auf immer verleidet.

Gestärkt und voll Zuversicht, der Verführung widerstehen und ihren Auftrag bald ausführen zu können, wandte sie sich um, um zurückzugehen. Doch als sie sah, dass eine Gestalt in blauen Shorts und schwarzem Muskelshirt auf sie zukam, blieb sie wie vom Donner gerührt stehen, und ihr Herz begann, wie verrückt zu klopfen. Leider hatte sie vollkommen vergessen, dass Quinn am liebsten morgens joggte, bevor die schwüle Hitze des Tages einsetzte.

Quinn wurde langsamer, als er näher herankam. „War Ihnen zu … heiß zum Schlafen?“

Wenn sie auch bisher versucht hatte, sich einzureden, er hätte am Vorabend nichts von ihrer Erregung gemerkt, jetzt wusste sie, dass sie sich etwas vormachte. Schlimmer noch, er wollte, dass sie wusste, dass er wusste, dass sie … Deshalb ging sie auf seine Bemerkung nicht ein, sondern setzte ihren Weg in Richtung Wäldchen fort. „Viel Spaß noch beim Joggen.“

Doch er ließ sich nicht abschütteln. Er lief rückwärts vor ihr her und beobachtete sie genau, als er sagte: „Wussten Sie, dass Matt Hammond in die Stadt kommt?“

Das war ihr neu. Unwillkürlich ging sie langsamer. „Nein, ich hatte keine Ahnung.“

Dani war Matt nie persönlich begegnet. Er war zwar zu Howards Beerdigung gekommen, hatte sich aber bewusst von der Familie ferngehalten. Eigentlich hatte sie auf ihn zugehen und ihn begrüßen wollen. Aber dann hielt sie es doch für besser, mit der Familie, bei der sie aufgewachsen war, eine Front zu bilden und so ihre Dankbarkeit zu zeigen.

Matts Bruder Jarrod hatte sie schon ein paar Mal getroffen, sie mochte ihn sehr. Aber Matt war verständlicherweise besonders schlecht auf die Blackstones zu sprechen, da seine Frau Marise zusammen mit seinem Erzfeind Howard Blackstone an Bord der Maschine gewesen war, die dann abstürzte. Da Howard sie außerdem sehr großzügig in seinem Testament bedacht hatte, kam sehr schnell das Gerücht auf, die beiden hätten ein Verhältnis gehabt und Matt wäre gar nicht der Vater des kleinen Blake, Marise’ Sohn.

„Woher wissen Sie das?“, fragte Dani.

„Er hat mich gestern Abend angerufen.“

„Er hat Sie angerufen?“

Quinn blieb stehen, beugte sich vor und band die Schnürsenkel neu. „Wir sind beide im Edelsteinhandel tätig. Da kennt man sich.“

„Möglich.“

„Als ich ihm sagte, wo ich sei, meinte er, er sei selbst auf dem Weg nach Port Douglas. Und da Sie verwandt sind, nahm ich an, er will Sie besuchen.“

„Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.“

Quinn stellte den linken Fuß auf einen umgestürzten Baumstamm und machte ein paar Stretchübungen.

Was für lange kräftige Beine er hatte … Doch jetzt ging es um Matt. Weshalb sollte er sie besuchen kommen? Und worin bestand seine Verbindung mit Quinn? Beide hatten Howard Blackstone gehasst, aber soweit sie wusste, war das ihre einzige Gemeinsamkeit. „Was genau haben Sie mit Matt Hammond zu tun?“, fragte sie.

Quinn hielt inne und sah sie an. „Sollte Sie das etwas angehen?“

„Geht es hier vielleicht um die Diamanten der Blackstone Rose?“

Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Was wissen Sie denn von der Blackstone Rose?“

„Dass vier der Steine vor einem Monat auf mysteriöse Weise bei Howards Testamentsvollstreckern auftauchten und Matt Hammond übergeben werden mussten.“ Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Sie haben die Steine gefunden. Sie haben sie Howards Leuten übergeben.“

„Nein, ich habe die Steine nicht gefunden, sie wurden mir übergeben. Ich sollte sie schätzen und identifizieren.“

Atemlos vor Spannung sah sie ihn an. „Von wem hatten Sie die Diamanten?“

„Nach den Einzelheiten müssen Sie Matt fragen. Die Steine gehören ihm, daran besteht kein Zweifel.“

„Aber ich habe Ihnen doch gesagt, ich kenne den Mann nicht.“ Sie seufzte. „Er kam zwar zur Beerdigung, wollte aber nichts mit uns zu tun haben.“

„Was wieder mal beweist, dass Sie etwas vorsichtiger hätten sein sollen. Ich meine in Bezug auf Ihr Verhältnis zu Howard Blackstone. Gibt es überhaupt irgendjemanden auf der Welt, von Ihnen einmal abgesehen, den Howard nicht vor den Kopf gestoßen hat?“

„Dass es zu diesem Bruch zwischen den Familien kam, war nicht allein Howards Schuld.“

„Nein?“

„Nein. Jeder weiß das. Auch Sie müssten es wissen.“

„Ich weiß nur das, was in den Zeitungen stand.“ Quinn setzte sich auf den Baumstamm und klopfte auf den Platz neben sich. „Aber ich würde es gern mal von einem Insider hören.“

Zögernd nahm auch Dani Platz. So dicht neben ihm spürte sie die Wärme seines Körpers. Verstohlen sah sie ihn von der Seite her an. Ein Schweißtropfen lief ihm die Schläfe hinunter. Wahrscheinlich war auch sein Rücken feucht von Schweiß. Anstatt abstoßend fand sie diese Vorstellung erregend. Dani verstand sich selbst nicht mehr.

Sie beugte sich herunter und zog die Sandalen wieder an. Seit Howards Tod war in der Presse die Geschichte der tiefen Feindschaft zwischen den Blackstones und den Hammonds x-mal wieder aufgewärmt worden. Ihr hing diese ganze Sache schon lange zum Halse heraus.

„Mein Großvater Jeb und Howard waren Freunde, nachdem Howard Jebs eine Tochter, meine Tante Ursula, geheiratet hatte. Onkel Oliver, der Bruder von Mum und Ursula, führte bereits in Neuseeland die Geschäfte des Familienunternehmens House of Hammonds. Als Großvater Jeb krank wurde, überschrieb er Howard all seine Schürfrechte. Verständlicherweise war Oliver davon nicht gerade begeistert.“

Das war natürlich untertrieben. Auch heute noch wurde Onkel Oliver, der nach einem Schlaganfall ans Bett gefesselt war, weiß vor Wut, wenn jemand den Namen Howard erwähnte. So hatte es wenigstens Cousin Jarrod erzählt.

„Er war besonders wütend, als Großvater den Heart of Outback, den größten Diamanten, den er je gefunden hatte, Tante Ursula schenkte.“ Leider hatte der Stein beiden Familien kein Glück gebracht. „Howard ließ den Stein schneiden und daraus die berühmte Halskette Blackstone Rose fertigen.“

„Womit er noch Öl ins Feuer goss, was Oliver betraf“, fügte Quinn hinzu.

Sie nickte. Oliver war außer sich vor Zorn gewesen, dass damit der Name Hammond nicht mehr in Verbindung mit dem „Heart of Outback“ gebracht werden konnte. „Nachdem ihr Erstgeborener James entführt worden war, wurde Tante Ursula schwer depressiv. Um sie aufzuheitern, veranstaltete Howard zu ihrem dreißigsten Geburtstag eine Riesenparty, zu der sogar der Premierminister kam.“

Dani musste lächeln, als sie daran dachte, wie oft ihre Mutter ihr von dieser Party erzählt hatte, von den kostbaren Roben und der fantastischen Dekoration „Aber der Abend nahm ein böses Ende.“

„Ja, ich weiß. Die Blackstone Rose wurde gestohlen.“

Über den Diebstahl gab es die wildesten Theorien. Manche glaubten, dass die Kette als Lösegeld für James gefordert worden war. Der Junge war allerdings nie wiederaufgetaucht. „Howard beschuldigte Oliver des Diebstahls, und alles geriet vollkommen außer Kontrolle“, sagte Dani leise. „Oliver wiederum griff seine Schwestern an. Er wolle nichts mehr mit ihnen zu tun haben, solange sie mit Howard unter einem Dach lebten. Mit den Blackstones sei er fertig.“

„Aber haben Sie nicht noch etwas vergessen?“ Quinn sah sie fragend an.

„Was denn? Ach so, dann wissen Sie, dass die arme Tante Ursula an dem Abend in den Pool gestürzt ist?“

„Ja, nachdem sie offenbar zu viel getrunken hatte.“

„Pst.“ Dani legte sich den Zeigefinger auf die Lippen. „Darüber wird bei uns nicht gesprochen. In dem ganzen Durcheinander beschuldigte Howard sogar Oliver, hinter der Entführung des kleinen James zu stecken. Das brachte das Fass zum Überlaufen.“

Dies war eine Beschuldigung, die Oliver nie hatte verzeihen können. Denn er und seine Frau Katherine liebten Kinder, konnten aber keine eigenen haben. So hatten sie Matt und Jarrod adoptiert.

„Was für ein reizender Zeitgenosse“, meinte Quinn nur.

„Sie dürfen nicht vergessen, dass er einen Sohn verloren hatte“, verteidigte Dani ihn schnell. „Und was auch immer man über seine angeblich unzähligen Affären sagt, Mum hat mir immer wieder bestätigt, dass er Ursula wirklich sehr geliebt hat. Es muss schwer für ihn gewesen sein, mit anzusehen, wie sie unter diesen Depressionen litt.“

Das alles schien Quinn nicht sehr zu berühren. Sein Hass auf Howard musste tiefer gehen, als sie dachte. Was war nur zwischen den beiden vorgefallen? „Ich begreife Sie nicht, Quinn. Matt hat wirklich allen Grund, wütend auf Howard zu sein, besonders nach dem, was in den letzten Monaten passiert ist. Aber Sie? Ihre Auseinandersetzung liegt doch schon viele Jahre zurück. Warum sind Sie immer noch so schlecht auf ihn zu sprechen, selbst nach seinem Tod?“

„Dazu möchte ich mich nicht äußern“, sagte er kalt.

Es muss mehr dahinterstecken als die fehlende Stimme, ging Dani durch den Kopf. Quinn war ein sehr erfolgreicher Edelsteinhändler, einer der bekanntesten der Welt. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er so unversöhnlich war, nur weil Howard ihm vor vielen Jahren das Leben schwer gemacht hatte. „Sie scheinen von Ihrem Hass auf Howard ja geradezu besessen zu sein.“

Fragend hob er eine Augenbraue. „Tatsächlich?“

Arroganter Kerl! „Sie reagieren, als hätte er Sie ganz persönlich getroffen. Was hat er denn getan? Ihnen eine Frau vor der Nase weggeschnappt?“

Er lachte so laut los, dass sie zusammenzuckte.

„Was denn dann? Waren Sie eifersüchtig auf seinen beruflichen Erfolg?“ Sie blieb hartnäckig.

„Völlig falsch. Ich war nie eifersüchtig, in keiner Beziehung.“

„Vielleicht haben Sie auch all die Geschichten von dem entführten Kind gehört und bildeten sich plötzlich ein, Sie seien James.“ Sie grinste. Das war natürlich nur ein Scherz. Aber eigentlich machte man über so was keine Witze.

Nur Howard war immer felsenfest davon überzeugt gewesen, dass James noch lebte und eines Tages einfach durch die Tür spazieren würde. Er hatte die Suche nie aufgegeben und musste noch unmittelbar vor seinem Tod eine heiße Spur gehabt haben, sonst hätte er sein Testament nicht so kurzfristig geändert. Das neue Testament schloss die Tochter Kimberley komplett vom Erbe aus und bevorzugte stattdessen seinen Ältesten James, falls der in dem halben Jahr nach Howards Tod gefunden werden sollte.

„Lassen Sie uns den Gedanken mal weiterspinnen“, fuhr sie lächelnd fort. „Sie sind genau in dem richtigen Alter, Mitte dreißig. Und ich habe gehört, dass Sie in einer Familie mit vielen Pflegekindern aufgewachsen sind.“

Er legte eine Hand auf den rechten Oberschenkel und massierte den Muskel. Offenbar war er alles andere als entspannt. Sie nahm all ihren Mut zusammen und blickte ihm ins Gesicht. Doch er schwieg. Nur das Rauschen der Wellen war zu hören.

Als Quinn weder zustimmte noch ablehnte, ritt sie der Teufel. „Wer weiß, vielleicht waren Sie sogar bei Howard, haben sich als der verlorene Sohn vorgestellt, und er hat Sie ausgelacht?“ Das war unverschämt und taktlos, und sie wusste es. Aber es war zu spät.

Ein paar Sekunden lang blieb er wie erstarrt sitzen, dann stand er auf, drehte sich zu ihr um, beugte sich vor und stützte sich mit beiden Händen neben ihr auf dem Baumstamm ab, sodass sie zwischen seinen Armen gefangen war.

Ihr wurde heiß und kalt zugleich, als er so dicht vor ihr stand. Sein Geruch nach Seife und Schweiß, die Wärme, die von seinem Körper ausging, ihr eigenes uneingestandenes Begehren, sein Gesicht, das immer näher kam … Sie stand kurz vor einer Ohnmacht.

„Da irren Sie sich, Danielle“, sagte er leise, und in seiner Stimme schwang ein gefährlicher Unterton mit, während er sie mit seinen dunkelbraunen Augen warnend und gleichzeitig voll Verlangen ansah.

Sie war zu weit gegangen mit ihrem albernen Scherz.

Autor

Jan Colley
<p>Jan Colley lebt auf den südlichen Inseln von Neuseeland mit ihrem Helden aus dem wahren Leben, Feuerwehrmann Les und zwei süßen Katzen. Nach Jahren in denen sie den Erdball bereist hatte arbeitete sie acht Jahre lang als Zollbeamtin und eröffnete dann mit Les eine Herberge für Rucksacktouristen genannt Vagabund. Ein...
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<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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