Historical Herzensbrecher Band 1

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DAS GEHEIMNIS DES HIGHLANDERS vonTERRI BRISBIN
Der Preis für die Freiheit ihres Bruders ist hoch: Lady Jocelyn soll den gefürchteten Connor MacLerie heiraten, um den sich düstere Gerüchte ranken. Nur Jocelyn kann einfach nicht glauben, dass ihr künftiger Gemahl tatsächlich seine erste Frau umgebracht haben soll! Wird sie einen Weg finden, seine Unschuld zu beweisen und sein verbittertes Herz zu heilen?


SCHOTTISCHE BALLADE vonSUZANNE BARCLAY
"Du kannst dich nicht gegen das Unabwendbare wehren", flüstert Lion, Lord Sutherland, Rowena ins Ohr. Sein warmer Atem streicht über ihre Haut; seine zärtlichen Worte beschwören alte Gefühle herauf. Er war ihre große Liebe … bis er aus Schottland verschwand. Ihn nun wiederzusehen ist schrecklich. Verwirrend. Und unglaublich erregend …


  • Erscheinungstag 13.10.2017
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768225
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Terri Brisbin, Suzanne Barclay

HISTORICAL HERZENSBRECHER BAND 1

PROLOG

Schottland, 1352

Dass seine Frau tot war, wusste er in dem Moment, als sie mit einem hässlichen Knall fünf Stufen unter ihm auf der Treppe aufschlug. Hilflos sah Connor MacLerie mit an, wie sich der Ausdruck in ihren Augen veränderte. Eben noch hatte sie ihr Schicksal bewusst wahrgenommen und stumm akzeptiert, und jetzt war ihr Blick vom matten Schein des Todes getrübt. Kenna hatte nicht geschrien, als sie stürzte, und das Einzige, was er hörte, war ein weiterer dumpfer Aufschlag, als sie schließlich am Ende der langen Steintreppe aufprallte und reglos liegen blieb.

Doch auch wenn sie keinen Laut von sich gab, so tat er es an ihrer Stelle, indem er seinen grenzenlosen Zorn derart unüberhörbar hinausbrüllte, dass Angehörige seines Clans und die Dienerschaft aus dem großen Saal zu ihm stürmten. Sie scharten sich um die Treppe, starrten auf die Tote, zeigten und tuschelten – und waren sich so gut wie sicher, was sich hier abgespielt haben musste. Denn einige von ihnen hatten zweifellos den wutentbrannten Streit von Anfang an mitbekommen. Connor schloss kurz die Augen, dann wandte er sich ab und ging fort.

Der Moment, als seine Frau starb, war zugleich die Geburtsstunde der Bestie. Dieser Ruf eilte ihm überall in den Highlands voraus, und Kennas letzte Worte, mit denen sie ihn um Gnade anflehte, sowie seine Weigerung, ihrer Beerdigung beizuwohnen, schürten noch zusätzlich jene Gerüchte, die von seiner Grausamkeit und Herzlosigkeit im Umlauf waren.

Mütter bangten um ihre Töchter, Väter rätselten über den Wahrheitsgehalt der Geschichten, und Jungfrauen aller benachbarten Clans beteten Nacht für Nacht, niemals Gegenstand eines Handels zu werden, der sie von seiner fragwürdigen Barmherzigkeit abhängig machte.

Nicht ganz ein Jahr nach dem Ableben seiner Frau trat Connor die Nachfolge seines verstorbenen Vaters als Laird an, als Oberhaupt des MacLerie-Clans. Damit wurde es für ihn notwendig, sich wieder eine Braut zu nehmen.

Und so zog die Bestie durch die Highlands und hielt Ausschau nach einer neuen Gefährtin.

1. KAPITEL

Drei Jahre später

Dann gibt es also keine andere Lösung?“

Jocelyn bemühte sich, mit fester Stimme zu reden. Verkrampft hielt sie die Hände ineinander verschränkt und drückte die Fingernägel ins Fleisch, damit sie angesichts dieser Nachricht nicht ohnmächtig wurde.

„Nein, meine Tochter, er hat ganz bewusst nach dir gefragt. Nur so kann das Leben deines Bruders gerettet werden.“

Ihr Vater konnte ihr nicht in die Augen sehen. Es war vorbei. Die Bestie hatte ihre Wünsche geäußert, und da sich ihr Clan diesen nicht verweigern konnte, würde man sie opfern, um einen anderen zu retten.

„Vielleicht wirst du ihm ja schnell einen Sohn schenken können“, flüsterte ihre Mutter ihr vom Krankenbett aus zu. Als Jocelyn sich zu ihr umdrehte, wich ihr alles Blut aus dem Gesicht, da ihr bewusst wurde, dass diese Abmachung sie mit Leib und Seele einem Mann ausliefern würde, dessen Brutalität Gegenstand zahlreicher, immer wieder neuer Gerüchte war. „Wenn du ihm den Sohn gibst, nach dem er verlangt, wird er dich womöglich freundlich behandeln.“

Sie versuchte, Ruhe zu bewahren, doch das leise Schluchzen, das den Worten ihrer Mutter folgte, machte diese Bemühungen zunichte. Ein Zittern erfasste sie am ganzen Leib, und sie fürchtete erneut, sie müsse ohnmächtig werden, obwohl sie sich geschworen hatte, es vor den Augen des Gesandten der MacLeries nicht dazu kommen zu lassen. Sie atmete tief durch und drehte sich zu ihrem Vater und dessen Beratern um.

„Du benötigst dafür nicht meine Zustimmung, Vater, also tu, was du tun musst.“

Sie nickte ihm und dem Gesandten der MacLeries zu, dann drückte sie den Rücken durch und straffte ihre Schultern so weit es ihr möglich war, sodass sie äußerlich gefasst wirkte, als sie aus dem Raum ging. Doch als ihre Mutter lauter zu weinen begann, wäre Jocelyn am liebsten davongerannt, um sich irgendwo zu verstecken. Aber sie war MacCallums Tochter, und sie würde keine Schande über sich bringen, selbst wenn ihr Vater das bereits getan hatte. Nur ein paar Schritte noch, dann hatte sie den großen Saal erreicht. Sie schaute sich um und sah, wie ein paar Dienstmädchen damit beschäftigt waren, die Überreste des Mittagsmahls von den Tischen zu räumen. Jocelyn wurde klar, dass sich die Nachricht von ihrer Verlobung in Windeseile herumsprechen würde, sobald die Zusammenkunft beendet war. Sie wusste, sie musste diejenige sein, von der Ewan es erfahren sollte.

Auf dem kürzesten Weg durch die Küche verließ sie die Festung und ging zum Kampfplatz. Dort schirmte sie ihre Augen gegen die Sonne ab und musterte nacheinander die Männer, die in Übungskämpfe vertieft waren, bis sie ihn entdeckt hatte.

Ewan MacRae. Ihre erste Liebe.

Der Mann, von dem sie angenommen hatte, sie würde ihn eines Tages heiraten.

Und nun stand sie vor der Aufgabe, ihm sagen zu müssen, dass sie niemals ein Paar sein würden. Als er sie bemerkte, kam er lächelnd auf sie zu.

„Ich wünsche dir einen guten Tag, Jocelyn“, sagte er mit seiner vertrauten, tiefen Stimme.

„Ewan, ich muss mit dir reden.“ Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen.

Er stieg über den Zaun und ging schweigend neben ihr her, bis der Kampfplatz ein Stück weit hinter ihnen lag. Plötzlich drehte sie sich ihm zu und wollte jenen Satz aussprechen, der ihrer beider Leben für alle Zeit verändern würde. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, Tränen standen ihr in den Augen, aber schließlich riss sie sich doch zusammen und schaute ihn an.

„Jocelyn? Was ist los? Dein Gesicht ist so bleich, und du zitterst am ganzen Leib.“ Er fasste sie an den Schultern und zog sie an sich. So unangemessen diese Berührung auch war, verharrte sie in seiner Umarmung und nahm seine Wärme, seinen Schutz und seine Zuneigung in sich auf, die sie niemals wieder so spüren würde. Nach einigen Augenblicken löste sie sich aus seinen Armen und sah ihn wieder an. Ihr Gesicht war nass von den Tränen, die sie nicht länger hatte zurückhalten können.

„Mein Vater hat mich einem anderen versprochen. Wir werden nicht zusammen sein können, obwohl ich das so gehofft hatte. Aber er verheiratet mich mit der … mit Connor MacLerie.“

„Mit der Bestie?“, erwiderte er in einem ängstlichen Flüsterton.

Sie konnte nur bestätigend nicken, da sie noch viel mehr Furcht verspürte als Ewan. MacLeries Ruf war überall in den Highlands bekannt, und obwohl sie sich wünschte, diese Gerüchte seien nichts weiter als gehässiger Klatsch und Tratsch, vermochte diese Hoffnung ihre Ängste nicht zu lindern.

„Und dein Vater ist damit einverstanden?“ Ihm stand sein Unglaube deutlich ins Gesicht geschrieben.

Wäre sie nicht selbst dabei gewesen, hätte sie es auch nicht glauben wollen. Es war nie eine förmliche Vereinbarung getroffen worden, was ihre und Ewans Zukunft anging, aber in der Zeit, als er als Pflegesohn der Familie bei ihnen lebte, waren sie beide sich immer nähergekommen. Jocelyn wusste, er hatte geplant, um ihre Hand anzuhalten, sobald er im Frühjahr seine Eltern besuchte.

„Ja, das ist er. Ich werde MacLeries Männer begleiten, wenn die sich auf den Rückweg machen, und gleich nach meiner Ankunft wird die Hochzeit stattfinden.“ Es waren zwar ihre Worte, doch nicht einmal ihr selbst schienen sie real zu sein.

„Du wirst dort heiraten? Ohne dass deine Familie bei dir ist? Dieser Mann ist wahrlich eine Bestie!“

„Von allen Titeln, die der MacLerie trägt, ist das der eine, den er nicht mag.“

Jocelyn wirbelte herum und sah, dass MacLeries Gesandter hinter ihnen stand. Wie viel er gesehen und gehört hatte, wusste sie nicht. Sie sah, wie Ewans Miene sich versteinerte und wie er sich schützend vor sie stellte. Die Arme vor der Brust verschränkt, wandte er sich dem Fremden zu.

„Wer seid Ihr?“, fragte er ihn herausfordernd. „Und wer gibt Euch das Recht, im Namen von MacLerie zu sprechen?“

„Ich bin Duncan MacLerie“, antwortete der Mann und ließ seine Hand sinken, bis sie auf dem Heft seines Schwertes ruhte. „Ich vertrete seine Interessen in dieser Angelegenheit.“

„Was meinen Sie mit dieser Angelegenheit? Seine Verlobung mit Jocelyn?“

„Aye. Ich sorge dafür, dass seinen Wünschen Rechnung getragen wird.“ Duncan sprach mit tiefer, ruhiger Stimme, aber seine Körperhaltung verriet, dass er Ewans provozierenden Tonfall nicht auf die leichte Schulter nahm.

„Sie ist aber keine Angelegenheit“, erwiderte Ewan. „Jocelyn ist …“

„… die Verlobte von Connor MacLerie und damit von diesem Moment an nicht mehr Euer Problem.“

Jocelyn verschlug es angesichts dieser kühnen Aussage die Sprache. Sie ging langsam um Ewan herum, während Duncan weiterredete und sich erneut nur an Ewan zu wenden schien.

„Es sei denn, Ihr habt Euch einander vor Zeugen versprochen.“

Ewan drehte den Kopf zur Seite, spuckte auf die Erde und antwortete dann für sie beide mit einem knappen Nein.

„Es sei denn ferner, sie trägt Euer Kind in sich.“ Dabei zeigte Duncan auf Jocelyn. Sie war entsetzt, dass er es wagte, ihre und Ewans Ehre so zu beleidigen. Aufgebracht stieß sie diesen zur Seite und versetzte mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, Duncan MacLerie eine Ohrfeige.

„Wer gibt Euch das Recht, meine Ehre zu beschmutzen?“ Sie stand vor dem Mann und stemmte die Fäuste in die Hüften.

„Ich werde meinem Laird keine Braut überbringen, die die Saat eines anderen in sich trägt.“

„Oh, wir wissen alle, wie sehr Euer Laird diese Saat persönlich auszusetzen wünscht.“

Kaum waren ihr diese Worte über die Lippen gekommen, wünschte sie, sie hätte sie nicht ausgesprochen. Duncans Miene verfinsterte sich, sein Blick loderte vor Wut, als er einen Schritt auf sie zu machte.

„Aye, Mylady“, presste er heraus. „Wir wissen alle, wie er darüber denkt.“ Er sah zwischen Ewan und Jocelyn hin und her, dann fügte er hinzu: „Verabschiedet Euch, denn wir werden in zwei Stunden aufbrechen, ob Ihr bereit seid oder nicht.“ Abrupt drehte er sich um und schritt davon.

Verdutzt schaute sie dem Mann nach. Sein Zorn war ihm unübersehbar anzumerken. So hatte sie ihr Leben als zukünftige Frau von Connor MacLerie eigentlich nicht anfangen wollen. Seinen Vertreter zu beleidigen, war wirklich töricht, zumal der Laird zweifellos davon erfahren würde, sobald sie dessen Burg Broch Dubh erreichten.

„Ich werde mit deinem Vater reden, Jocelyn. In dieser Ehe habe ich Angst um dich“, sprach Ewan leise, der immer noch hinter ihr stand, während Duncan sich zum Kampfplatz begab und dort in der Nähe verharrte.

„Nein, das kannst du nicht machen, Ewan.“ Ein letztes Mal drehte sie sich zu ihm um. Beim Gedanken an die gefährliche Situation, in der sich ihr Bruder befand, wusste sie, es gab für sie nur einen Weg, den sie einschlagen konnte. „Ich fürchte, es steckt mehr dahinter, als wir beide uns vorstellen können.“

„Dann soll ich also einfach nur zuschauen und dir alles Gute für dein Leben an MacLeries Seite wünschen?“

Wieder war ihre Kehle wie zugeschnürt, als sie nickte. „Bitte“, sagte sie kaum vernehmbar.

Er fasste ihre Hände und zog sie abermals an sich, obwohl Duncan MacLerie sie genau beobachtete. Sanft strich er ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht und berührte ihre Wange.

„Ich wünsche dir ein langes und glückliches Leben, Jocelyn. Und wenn du dieses mit ihm verbringen musst, möge Gott dir helfen. Ich bete, dass der Mann nicht den Geist zerstört, der in deinem Herzen und deiner Seele wohnt.“

Ewan küsste sie auf die Stirn und trat einen Schritt nach hinten. Mit seiner Bemerkung hatte er sie aufheitern wollen, denn jeder in ihrer Familie wusste um ihr aufbrausendes und eigenwilliges Temperament. Danach ging er ohne ein weiteres Wort von dannen. Erneut strömten ihr Tränen über die Wangen, als sie dem Mann nachsah, mit dem sie ihr Leben hatte verbringen wollen. Sie wischte sich übers Gesicht und atmete tief durch. Sie konnte es sich nicht leisten, dem nachzutrauern, was vielleicht hätte sein können, denn es gab noch einiges zu erledigen, wenn sie tatsächlich in zwei Stunden aufbrechen sollten. Die Gedanken auf die zu treffenden Vorbereitungen gerichtet, kehrte sie zur Festung zurück.

Zwar wusste sie, dass sie sich bei Duncan dafür entschuldigen sollte, weil sie seinen Laird beleidigt und ihm eine Ohrfeige versetzt hatte, doch ihr Stolz hinderte sie daran. Stattdessen warf sie ihm einen zornigen Blick zu, als sie an ihm vorbeikam. Er nickte ihr im Gegenzug nur knapp zu. Verwirrt darüber, was diese Geste bedeuten sollte, betrat sie die Burg, um alles für die Abreise fertig zu machen.

Duncan musste sich ein Lächeln verkneifen, als Jocelyn an ihm vorüberging. Er hatte in gewisser Weise Mitleid mit der jungen Frau, hatte sie doch bis vor wenigen Augenblicken noch geglaubt, diesen einen Mann heiraten zu können, nur um dann zu erfahren, dass sie ihr Zuhause verlassen musste, um die Gemahlin eines anderen zu werden. Auch wenn man von der Tochter eines Lairds erwarten durfte, dass sie sich widerspruchslos solchen Entwicklungen unterwarf, hätte man die Angelegenheit zweifellos besser lösen können.

Er drehte sich um, lehnte sich gegen den Zaun und schaute ihr nach, wie sie sich der Festung näherte. Sie hatte Mut und Kraft, denn schließlich brannte seine Wange immer noch von der Ohrfeige. Und wenn man von dieser einen Reaktion absah, hatte sie sich ihm gegenüber die ganze Zeit bestens im Griff gehabt, sogar als ihre Mutter so erbärmlich schluchzte. Deren Wehklagen hätte ihn beinahe dazu gebracht, die Vereinbarung abzusagen. Er wusste, Connor hätte ihn deswegen einen Kopf kürzer gemacht, doch das blanke Entsetzen in der Stimme der Mutter hatte ihn tatsächlich einen Moment lang zögern lassen.

Jocelyn warf die Tür hinter sich ins Schloss, als sie die Burg betrat, und Duncan ließ das Lächeln über seine Lippen huschen, das er sich so lange verkniffen hatte.

Sie würde Connors Anforderungen genügen. Weder von außergewöhnlicher Schönheit noch ein verängstigtes, scheues Reh, lauteten dessen Anweisungen, die Duncan nur mit einem Kopfschütteln kommentieren konnte. Die „außergewöhnliche Schönheit“ war eine recht klare Aussage, aber wie bestimmte man, ob ein Mädchen verschüchtert war, wenn sie alle bloß den Namen seines Lairds hören mussten, um wie Espenlaub zu zittern?

Connor MacLerie, die Bestie.

Erzürnt trat Duncan in den Staub zu seinen Füßen. Zwar wusste er, dass die wenigsten in seiner Gegenwart offen sagten, was sie dachten, dennoch konnte er nicht fassen, in welchem Maß sich dieser erschreckende Name und der damit einhergehende Ruf bei Verbündeten und Feinden gleichermaßen herumgesprochen hatte. Er hätte etwas gegen diese Gerüchte unternehmen können, wäre ihm die Wahrheit über Kennas Tod bekannt. Aber er hatte sich an jenem schicksalhaften Abend nicht in der Festung aufgehalten, und er wusste nur von den Geschichten, die man sich anschließend erzählte. Vom Laird, der auch sein Freund war, erfuhr er überhaupt nichts, da der nach Kennas Tod nie wieder auch nur ihren Namen in den Mund nahm.

Seine Gedanken wurden dadurch unterbrochen, dass sich ihm der Mann näherte, zu dem Jocelyn gleich nach dem Bekanntwerden ihrer Verlobung gerannt war: Ewan MacRae. MacCallum hatte ihm zugesichert, dass Jocelyn noch keinem anderen Mann versprochen war, doch es war nicht zu übersehen, welch gegenseitige Zuneigung die beiden verband und wie sie von einer gemeinsamen Zukunft ausgegangen waren. Duncan stieß sich vom Zaun ab und drehte sich zu Ewan.

„Werdet Ihr Eurem Laird davon berichten, was Ihr gesehen habt?“

„Redet Ihr davon, dass seine Verlobte Hals über Kopf zu Euch gerannt ist?“ Wieder legte Duncan seine Hand auf das Heft seines Schwertes.

Ewan richtete seinen Blick auf einen Punkt in weiter Ferne, ehe er antwortete: „Sie ist über alle Maßen loyal. Ich sollte diese Neuigkeit von ihr erfahren, von niemandem sonst.“

„Loyalität ist eine bewundernswerte Eigenschaft“, sagte Duncan, ohne die Frage zu beantworten.

„Das ist wahr“, pflichtete Ewan ihm bei und schaute sein Gegenüber an. „Ich möchte nicht, dass sie deswegen bestraft oder schlecht behandelt wird.“

„Und Ihr glaubt, Connor MacLerie würde das tun?“ Duncan machte einen Schritt auf ihn zu.

„Ich habe die gleichen Geschichten gehört wie Ihr. Wenn ich schon nicht bei ihr sein kann, möchte ich wenigstens Gewissheit haben, dass sie in Sicherheit ist.“

Duncan nickte und ging wieder auf Abstand. „Mein Laird wird mich nur fragen, ob die notwendigen Vereinbarungen getroffen wurden. Es wird ihn nicht interessieren, mit wem sie vor ihrer Abreise sprach.“

Er sah die Geste, mit der der jüngere Mann sein Wort akzeptierte. Diesem Ewan blieb auch keine andere Wahl, doch Duncan respektierte dessen Bemühen, Jocelyn zu beschützen. Hier war noch jemand, dessen Leben unwiderruflich als Folge jener Ereignisse verändert wurde, die aus seinem Laird die Bestie hatten werden lassen. Er wandte sich ab und ging zu seinen Leuten, die auf ihre Befehle warteten. Wie viele würden noch von dieser Angst heimgesucht werden, bis endlich die Wahrheit ans Tageslicht kam? Kopfschüttelnd befahl er den Männern, alles für eine baldige Abreise bereit zu machen.

2. Kapitel

Der Wind zerrte an seinem Haar und der Kleidung, als er auf der Brustwehr stand und wartete. Mit einer Hand schirmte Connor die Augen ab, um einmal mehr den Horizont abzusuchen, ohne jedoch das zu entdecken, wonach er Ausschau hielt. Sie waren spät dran. Laut Duncans Nachricht hätten sie gegen Mittag eintreffen sollen, doch es war bereits deutlich später.

Während er zu einem anderen Punkt auf dem höchsten Turm der Festung Broch Dubh wechselte, schaute er abermals in die Ferne und fühlte die Angst an seinem Verstand nagen. Nein, Duncan würde unterwegs für ihre Sicherheit sorgen. Sein Cousin war seit Jahren seine rechte Hand, und er erfüllte seine Pflichten mit einer Hingabe, mit der es kein anderer im MacLerie-Clan aufnehmen konnte. Ob sie sich verspätet hatten oder nicht, sie war in Duncans Händen gut aufgehoben. Ein Räuspern gleich hinter ihm ließ Connor hochschrecken. Er drehte sich um und sah einen seiner Männer vor sich stehen.

„Was gibt es, Eachann?“

„Soll ich mehr Männer losschicken, damit sie nach ihnen suchen?“

Connors Blick folgte zum wiederholten Mal dem Verlauf des Weges, der vom Dorf Lairig Dubh zur Burg führte, dann schüttelte er den Kopf.

„Nein. Duncan hat seine Befehle, er wird mich nicht enttäuschen.“

Eachann nickte und ging ein paar Schritte zur Seite, ohne weitere Fragen zu stellen. Der Hauptmann seiner Wache stand schweigend und mit verschränkten Armen da, während er weiterer Befehle harrte. Connor stellte sich unterdessen wieder näher an die Brustwehr, sah in die Ferne und wartete.

Insgeheim verfluchte er seine Dummheit. Er wusste jede sich ihm bietende Gelegenheit zu nutzen, doch zu fordern, dass er die Schwester des jungen MacCallum heiratete, damit er im Gegenzug dessen Leben verschonte, das war keine Gelegenheit, sondern eine Katastrophe.

Da hatte er so viel Zeit und Mühe darauf verwendet, jenen schrecklichen Gerüchten über ihn Nahrung zu geben, die ihn vor einer weiteren Ehe bewahrten, und dann machte der Tod seines Vaters all diese Anstrengungen zunichte. Jetzt war es unvermeidlich, wieder zu heiraten, doch all diese Schreckensgeschichten bewirkten, dass weder Freund noch Feind ihm eine Tochter als zukünftige Ehefrau anbieten wollten. Er selbst und sein Clan waren vermögend, er hatte einen Titel und besaß viel Land in den Highlands, eine Braut wollte ihm aber niemand aus freien Stücken geben.

Er verlagerte sein Gewicht und beugte sich über den Rand der Brustwehr, um seine Krieger zu beobachten, wie sie sich auf dem Hof im Kampf übten. In diesem Moment hätte er Kampfübungen mit seinen Männern den Vorzug gegeben. Jederzeit waren sie bereit, ins Gefecht zu ziehen. Die MacLeries verfügten über mehr als fünfhundert eigene Krieger, und zusammen mit denen ihrer Verbündeten ergab sich eine Streitmacht, mit der es niemand in den Highlands aufnehmen konnte. Aber zu Connors Pflichten gehörte es auch, für einen Erben zu sorgen, der seine Nachfolge antreten konnte. Zwar konnten verschiedene Cousins und Onkel den Clan führen, jedoch sprachen sich die Ältesten zunehmend dafür aus, dem Brauch des Erstgeburtsrechts zu folgen. Damit stand er unter dem Druck, eine geeignete Ehefrau zu finden und einen Erben zu zeugen.

Ein Ruf von einem der Wachleute machte ihn auf eine Gruppe Reiter aufmerksam, die soeben aus dem Schutz des Waldes gekommen war und sich dem Tor näherte. Er blinzelte in den Sonnenschein und versuchte, Duncan in der Gruppe zu erkennen. Auf die große Entfernung wollte ihm das nicht gelingen, also ging er die Treppe nach unten, die bis ins Erdgeschoss der Burg führte. Ohne langsamer zu werden, durchquerte er den großen Saal und betrat in dem Moment den Innenhof, als die Gruppe eingelassen wurde.

Da ihm der Gedanke kam, seine Eile könnte von den Umstehenden falsch gedeutet werden, wurden seine Schritte gemächlicher, während er seinem Freund entgegenging … und seiner Verlobten. Als die Gruppe sich näherte, brachten sich die Stalljungen in Position, um sich der Pferde anzunehmen. In Windeseile bildete sich eine Menschenmenge, weil jeder einen Blick auf die neue Lady werfen wollte. Das interessierte Murmeln verwandelte sich in ein Kichern und Gelächter, als ihnen eine einfache Frau präsentiert wurde.

Duncan streckte die Arme aus, um Jocelyn vom Pferd zu helfen, und Connor musste feststellen, dass er vornübergebeugt dastand, um besser sehen und beurteilen zu können, ob seine Befehle befolgt worden waren. Eine schlichte Braut, die etwas im Kopf hatte, so lautete Connors Anweisung. Wenn die Frau nicht diese Bedingungen erfüllte, war es Duncan nicht gestattet, in seinem Namen die Dokumente zu unterzeichnen und mit seinem Siegel zu versehen.

Ihr Aussehen war schwierig, nein, sogar unmöglich zu beurteilen, da sie von Kopf bis Fuß mit einer dicken Schicht Schlamm überzogen war, die nicht einmal einen Blick auf ihre Haarfarbe zuließ. Er war versucht, sich dem allgemeinen Gelächter anzuschließen, bis ihm einfiel, dass es sich bei dieser Frau um seine Braut handelte. Zugleich wurde ihm erst jetzt bewusst, dass Duncan genauso verschmutzt aussah. Eine Erklärung war vonnöten, und zwar auf der Stelle.

„Duncan?“, rief er laut genug, um die Menge zu übertönen, die daraufhin sofort verstummte und eine Reaktion seinerseits auf die Frau und ihren Anblick erwartete.

„Aye, Laird“, antwortete Duncan und führte Jocelyn bis zur Treppe, ehe er ihn ansah.

„Hast du die Verlobungsvereinbarung?“

Duncan griff in seinen durchweichten Übermantel aus Leder und zog mehrere Pergamentrollen heraus. Während er sie ihm so hinhielt, dass sie nicht auch noch schmutzig werden konnten, war sich Connor sicher, den Anflug eines Lächelns über das Gesicht seines Freundes huschen zu sehen. Er nahm den Stapel mit Pergamenten an sich, faltete sie auseinander und las den enthaltenen Text. Zufrieden darüber, dass alles seinen Anweisungen entsprechend erledigt worden war, nickte er Duncan zu.

„Willkommen …“ Wieder sah er auf das Pergament, da er nach dem Vornamen seiner Braut suchte. „Willkommen, Jocelyn MacCallum, beim MacLerie-Clan. Reinigt Euch ein wenig, denn der Priester wartet bereits in der Kapelle auf uns.“

Ihm entging nicht Duncans verärgerter Blick, dem ein ebensolcher von seiner Verlobten folgte. Dies erstaunte ihn, denn sie wusste doch, die Vermählung sollte gleich nach ihrer Ankunft erfolgen. Ihr Bruder würde erst freikommen, wenn man sie zu Mann und Frau erklärt hatte und die Ehe vollzogen war. Letzteres erschien ihm aber nun gar nicht mehr so verlockend, da sie vor ihm stand und sich Brocken übel riechenden Morastes von ihrer Kleidung lösten und vor seinen Füßen landeten. Sein ganzer Clan stand um sie versammelt, beobachtete jede Bewegung von ihr und lauschte gebannt auf jedes folgende Wort.

„Ich möchte meinen Bruder sehen, bevor wir heiraten, Mylord.“ Ihre Stimme klang klar, wobei ein empörter Unterton nicht zu überhören war. Sie wollte sich ihm nicht hingeben ohne die versprochene Gegenleistung.

„Es geht ihm gut. Und jetzt wascht Euch und sputet Euch.“ Nachdem er sich zum Heiraten entschlossen hatte und eine passende Braut gefunden war, wollte er nicht unnötig lange warten. Dass er den ganzen Tag im kalten Wind hoch oben auf der Festung gestanden hatte, war seiner Laune nicht unbedingt zuträglich. Und nun stellte sie auch noch Forderungen.

Sie kam einen Schritt auf ihn zu, sodass eine übelst riechende Wolke ihn vollkommen einhüllte. „Ich möchte ihn jetzt sehen, Mylord.“

Die Umstehenden schnappten in Anbetracht einer solchen Unverfrorenheit erschrocken nach Luft. Vor seinem Clan wagte sie es, an seinem Wort zu zweifeln? Dieser Fehler musste ihr aufgefallen sein, denn plötzlich machte sie einen erschreckten Eindruck und sah irritiert die Menschen an, die sich um sie drängten. Dann aber schaute sie wieder Connor an und war kühn genug, seinem Blick zu trotzen.

„Respektlosigkeit scheint im MacCallum-Clan weit verbreitet zu sein, wie ich sehe. Zweifelt Ihr an meinem Wort?“

„Aye, Mylord. Ich möchte erst meinen Bruder sehen, bevor ich das Ehegelübde ablege.“

Er hielt den Atem an und war im Begriff, sie auf das Schärfste zurechtzuweisen, da sie seine Ehre anzweifelte und sich seinen Anweisungen widersetzte. Doch Duncans Miene war für ihn Warnung genug, genau das nicht zu machen. So verlockend es auch sein mochte, sie hier und jetzt zu tadeln, so sollte ihr Leben im Clan nicht auf diese Weise beginnen. Connor wusste, ihm blieben noch genügend Gelegenheiten, um sie auf den rechten Weg zu bringen, wenn sie erst einmal ganz und gar sein Besitz war. Er winkte einen seiner Männer zu sich und flüsterte ihm etwas zu. Anschließend baute er sich mit verschränkten Armen vor Jocelyn auf und starrte sie durchdringend an, während ihr Bruder aus dem Verlies geholt wurde.

Diese Wartezeit nutzte er, um seine künftige Ehefrau gründlich zu mustern. Er versuchte, diese Schlammschicht zu durchdringen, aber bis auf ihre Augenfarbe konnte er nichts näher bestimmen. Sie hatte grüne Augen.

So wie Kenna.

Er fühlte, wie sich ihm der Magen umdrehte, und er hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. So sehr wurde er von einer Übelkeit attackiert, dass er fürchtete, das erbrechen zu müssen, was er am Nachmittag gegessen hatte. Seit Langem hatte er nicht mehr an Kenna gedacht, und er fragte sich, warum sie ihm jetzt auf einmal in den Sinn kam. Vermutlich wurden durch die anstehende Hochzeit Erinnerungen geweckt, die besser nicht zum Leben erwachen sollten.

Er konzentrierte sich wieder auf die Frau, die vor ihm stand. Sie beobachtete ihn genauso eindringlich wie er sie. War sein Unbehagen etwa für alle Umstehenden erkennbar? Er drehte sich um und sah in der Tür zwei seiner Soldaten, die Athdar MacCallum festhielten. Der junge Mann, der den linken Arm in einer Schlinge trug und dessen Gesicht mit blauen Flecken übersät war, machte einen benommenen, verwirrten Eindruck.

Connor hörte Jocelyn erschrocken nach Luft schnappen. Er bekam ihren Arm zu fassen, als sie versuchte, an ihm vorbei zu ihrem Bruder zu eilen. Zwar setzte sie sich gegen seinen Griff zur Wehr, aber mit seiner Kraft und Entschlossenheit konnte sie es nicht aufnehmen.

„Ich muss zu ihm“, sagte sie. „Er ist verletzt.“

„Ihr sagtet, Ihr wolltet ihn sehen, und das habt Ihr jetzt. Nun werdet Ihr Euren Teil der Vereinbarung einhalten“, flüsterte er ihr leise zu, sodass nur sie ihn hören konnte.

„Wie Ihr wollt, Mylord. Dann lasst uns jetzt heiraten, damit ich die Wunden meines Bruders versorgen kann.“

Connor riss sie heftig zurück. „Euch sind doch die Einzelheiten dieser Abmachung bekannt, oder nicht?“ Er sah zu Duncan, der bestätigend nickte, und fügte hinzu: „Der Junge wird freigelassen, sobald wir verheiratet sind und Ihr das Bett mit mir geteilt habt.“

Sicher war er sich nicht, doch er hätte schwören können, dass sie bei seinen Worten unter der Morastschicht errötete. Duncan verschluckte sich vor Schreck und begann zu husten, während die anderen ihren Ohren nicht trauen wollten. So viel zum Thema Diskretion.

„Dann, Mylord, sollten wir uns zum Priester begeben und die Sache hinter uns bringen.“

„Ihr solltet Euch waschen und umziehen, bevor …“

„Ich kann mein Gelübde schmutzig oder gewaschen ablegen, Mylord. Ich würde es vorziehen, wenn wir es so bald als möglich hinter uns bringen könnten.“

Sie war unausstehlich! Da stand sie vor ihm und seinem ganzen Clan, und obwohl sie eindeutig die Verliererin bei dieser Abmachung war, wollte man das angesichts ihrer trotzigen Haltung und ihres aufbegehrenden Tonfalls kaum glauben. Aber er war nicht der Mann, der vor einer Herausforderung zurückschreckte, erst recht nicht, wenn die von einer Frau kam, die so schnell wie möglich in ihre Schranken verwiesen werden musste.

„Duncan, bring den Priester her.“

„Aber Connor …“, wandte Duncan ein und trat vor.

„Du hast die Lady gehört. Sie verlangt, auf der Stelle vermählt zu werden, und ich möchte ihr diesen Wunsch erfüllen. Und jetzt hol ihn her, Duncan.“

Duncan war schon lange genug sein Freund, um den zornigen Ton in Connors Stimme zu bemerken. Die Lady, um die es ging, kannte ihn zwar erst seit ein paar Augenblicken, doch ihr Fehlverhalten schien ihr auf einmal aufgefallen zu sein, da sie einen Schritt vor ihm zurückwich. MacLerie hielt sie fest, damit sie nicht vor dem Schicksal davonlaufen konnte, das sie soeben selbst herausgefordert hatte. Über die Schulter hinweg befahl er seinen Männern, den Gefangenen zurück ins Verlies zu bringen. Da sie Anstalten machte, ihm abermals Widerworte zu geben, drückte er ihren Arm so fest, dass sie ihn fragend ansah.

„Nicht nur sein Leben hängt von Eurem Verhalten ab, Mylady, sondern auch die Art seiner weiteren Unterbringung. Überlegt Euch gut, was Ihr sagen wollt, bevor Ihr den Mund aufmacht.“

Connor beobachtete, wie sie zum Reden ansetzte, dann aber innehielt und die Lippen zusammenpresste. Mit ihrer freien Hand strich sie ihr Haar aus dem Gesicht und warf es über die Schulter. Weitere Klumpen Schlamm tropften auf ihren ohnehin völlig verdreckten Mantel.

Betretenes Schweigen machte sich breit, während sie auf Duncans Rückkehr warteten. Endlich kam Unruhe auf, als sich die Menge teilte, um für ihn und den Priester eine Gasse freizumachen.

Der Priester kam zu Connor und verbeugte sich.

„Mylord, das ist sehr ungewöhnlich.“

„Aye, Pater, das ist wohl wahr.“

„Sollten wir der Lady nicht gestatten, sich auf die Zeremonie vorzubereiten, und sie morgen früh stattfinden lassen?“

„Nein. Meine Verlobte bittet darum … nein, sie besteht darauf, dass wir unser Gelübde augenblicklich ablegen. Wenn Ihr dann so gütig wärt, Euch dieses anzuhören und Euren Teil dazu beizutragen?“

Connor wusste, der Geistliche konnte den Ereignissen momentan zwar nicht folgen, doch er würde alles tun, was von ihm verlangt wurde. Und so passierte es, dass er ein paar Augenblicke später zum zweiten Mal verheiratet war. Er selbst fühlte sich von dieser Tatsache überwältigt, doch was seine Braut empfand, das war ein anderes Thema. So wie ihr Arm zitterte und wie sie mit den Zähnen klapperte, konnte die Ehre, seine Gemahlin zu sein, sie nicht mit Freude erfüllen.

„Ailsa“, rief er eine seiner Dienstmägde zu sich. „Bring die Lady in ihre Gemächer und kümmere dich um sie.“

Er ließ Jocelyn los und sah ihr nach, wie sie wortlos Ailsa in die Burg folgte. Danach winkte er Duncan zu sich. Nachdem sich die Menge aufgelöst hatte und jeder auf dem Hof wieder seiner Arbeit nachging, sagte er: „Komm mit nach drinnen. Ich will eine Erklärung hören, wieso du, genauso wie meine Braut, von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt bist.“

Es war pure Willenskraft, die Jocelyn auf den Beinen hielt, um die Hochzeit zu überstehen und dieser älteren Bediensteten durch die Festung und mehrere Treppen hinauf bis in den wohl entlegensten Turm zu folgen. Jeder Schritt war eine Herausforderung, jeder Moment war von Schmerz erfüllt. Aber sie wusste, wenn sie auch nur ein Mal zögerte, würde sie auf der Stelle zusammenbrechen. Also fixierte sie den Rocksaum der Frau, die ihr den Weg zeigte, und betete, das Ziel möge bald erreicht sein.

Nachdem sie mit der Missachtung Bekanntschaft gemacht hatte, die ihr frisch gebackener Ehemann ihr entgegenbrachte, war sie sich nicht sicher, was sie in ihren Gemächern erwartete. Ailsa öffnete die Tür und wartete, bis Jocelyn eingetreten war. Nachdem sie in ihrer schmutzigen Kleidung die Schwelle überschritten hatte, erstarrte sie förmlich beim Anblick der Ausstattung, mit der sie konfrontiert wurde.

Der nach Osten ausgerichtete Raum war großzügig bemessen, mehrere verglaste Fenster ließen viel Licht herein. Ein Teil einer Wand wurde von einem ausladenden Kamin in Anspruch genommen, unter dem größeren Fenster war ein Alkoven in die Mauer eingelassen.

Bequeme Kissen luden zum Verweilen auf der Holzbank ein, und noch verlockender war das riesige Bett in einer Ecke des Raums. Da sie die frischen Bezüge nicht schmutzig machen wollte, sah sie sich Hilfe suchend nach Ailsa um.

„Kommt, Mylady“, sagte diese und führte ihre neue Herrin in die Kammer. „Lasst Euch aus diesen Kleidern helfen.“ Jocelyn verspürte weder den Wunsch noch besaß sie die Kraft, sich den Bemühungen der älteren Frau zu widersetzen. „Ich habe Bescheid gegeben, damit Euch heißes Badewasser gebracht wird.“

Jocelyn kämpfte einmal mehr gegen die Tränen an, die sie zu überwältigen drohten, seit sie erfahren hatte, dass ihr Schicksal in den Händen der MacLeries lag. Die Schuld daran schob sie auf ihre Erschöpfung und ihre Sorge um das Wohl ihres Bruders. Sie gestattete Ailsa, sie von den schlammigen Gewändern zu befreien, selbst ihr Unterkleid war vollkommen verdreckt. Als Geräusche vor der Tür darauf hindeuteten, dass das versprochene Badewasser gebracht wurde, führte Ailsa Jocelyn hinter einen Wandschirm und zog ihr dort noch die restlichen Hemden aus. Danach säuberte sie jenen groben Morast von ihrem Körper, der es bis auf ihre nackte Haut geschafft hatte. Wenig später tauchte Jocelyn in einen riesig anmutenden Holzzuber ein, der mit dampfendem Wasser gefüllt war, das einen aromatischen Duft verbreitete.

Ailsa wusch ihr Haar mit einer beißenden Seife und spülte es mehrmals aus, und sie bekam auch mit, dass ihr das Mädchen bei der restlichen Körperwäsche half. Sie nahm ebenfalls wahr, wie sie in dicke Tücher gewickelt wurde, sich aufs Bett setzte und man ihr ein Tablett mit Speisen servierte. Was danach geschah, wollte ihr beim besten Willen nicht einfallen, nachdem die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne sie aus einem tiefen Schlaf geweckt hatten.

Panik überfiel sie, als ihr bewusst wurde, dass sie den zweiten Teil der Abmachung bislang nicht eingehalten hatte. Es sei denn, alle Welt machte viel zu viel Aufhebens um die Erfahrung, das Bett mit einem Mann zu teilen. Allerdings bezweifelte sie, dass ihr Ehemann in der vergangenen Nacht, von ihr unbemerkt, seine ehelichen Rechte eingefordert haben könnte.

Sie stieg aus dem Bett, immer noch in die Tücher vom vorherigen Abend gewickelt, und durchsuchte die verschiedenen Truhen nach etwas, das sie anziehen konnte. Jocelyn wusste nicht, wo ihr eigenes Gepäck geblieben war, und hier fand sie nichts Passendes. Jäh packte sie erneut die Angst, da Connor weiterhin an ihrem Bruder Vergeltung üben konnte, solange die Ehe nicht vollzogen war. Da auch die nächste Truhe außer Bettlaken nichts hergab, knallte sie aufgebracht den Deckel zu und schüttelte den Kopf. Sie war hier gefangen, bis sich jemand von der Dienerschaft bei ihr blicken ließ. Kurzerhand griff sie nach der Bürste, die auf einem Beitisch lag, und brachte ihr Haar in Ordnung, um es dann rasch zu einem Zopf zu flechten.

Ihre Betriebsamkeit war den Bediensteten offenbar nicht entgangen, da kurze Zeit später angeklopft wurde und ein junges Mädchen eintrat, um ihr einen Eimer mit heißem Wasser zu bringen. Nach einem Knicks goss es einen Teil des Wassers in eine Schüssel neben dem Bett und stellte den Eimer neben dem Kamin ab. Mit jener aus langer Erfahrung geborenen Schnelligkeit entzündete das Mädchen ein Feuer im Kamin, danach wandte sie sich zum Gehen, blieb aber an der geöffneten Tür noch einmal stehen.

„Mylady, der Laird bittet Euch, sich zu ihm in den Saal zu begeben, um das Frühstück einzunehmen.“

„Ich fürchte, das kann ich nicht … wie heißt du?“

„Cora, Mylady.“ Wieder machte sie einen Knicks.

„Cora, sag bitte dem Laird, ich kann seinem Wunsch nicht nachkommen …“

Bevor sie zu Ende gesprochen hatte, war das junge Dienstmädchen verschwunden. Jocelyn wollte nicht glauben, dass ein Mensch sich so rasch entfernen konnte, doch von einem Augenblick auf den nächsten war sie wieder allein. In der Hoffnung, dass jemand zu ihr kommen würde, dem auch auffiel, dass sie Kleidung brauchte, begann sie, sich zu waschen. Sie zog die um sie geschlungenen Stofftücher zurecht, beugte sich vor und tauchte die Hände in das heiße Wasser, um es sich ins Gesicht zu spritzen. Gerade griff sie nach einem Leinenstück, um sich abzutrocknen, als sie hinter sich einen solchen Lärm hörte, dass sie sich erschrocken umdrehte. Dabei verloren die Tücher ihren Halt, und ehe sie nach ihnen greifen konnte, waren sie bereits bis auf die Hüften gerutscht. Sie sah zugleich hoch, da sie mit Cora rechnete.

Doch da stand ihr Ehemann Connor MacLerie.

Sein bedrohlicher Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, warum man ihn die Bestie nannte. Alles, was sie ihm hatte sagen wollen, blieb ihr nun im Hals stecken, als seine Augen über ihren Körper wanderten und an ihren Brüsten hängen blieben. Am liebsten hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst, um ihm diesen lüsternen Blick auszutreiben, aber als ihr Ehemann hatte er nicht nur das Recht, sie so anzuschauen, er durfte sie auch berühren, wann immer er das wollte. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Schließlich sah er ihr in die Augen.

„Wie ich sehe, hat nicht einmal die Nachtruhe, die ich Euch gewährt habe, Eure Einstellung ändern können. Ihr weigert Euch also, selbst meiner bescheidensten Bitte nachzukommen?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und trat einige Schritte auf sie zu. Obwohl sie am liebsten vor ihm zurückgewichen wäre, gab es für sie keinen Fluchtweg.

„Laird“, sagte sie und schaute sich suchend um. „Ich habe mich Eurer Bitte nicht verweigert.“

„Ich verlangte einzig von Euch, nach unten in den Saal zu kommen, und das habt Ihr abgelehnt. Ungehorsam nennt man das. Oder wie sollte ich sonst dieses Verhalten bezeichnen?“

Einen solchen Anfang durfte ihr Eheleben auf keinen Fall nehmen. Ein simples Missverständnis, das schwerwiegende Folgen nach sich ziehen konnte, wenn sie es nicht behutsam aufklärte. Als sie ihn nun anschaute, wurde ihr bewusst, dass sie ihn bei ihrer Ankunft gar nicht richtig zur Kenntnis genommen hatte. Sie war erschöpft gewesen, von Kopf bis Fuß mit feuchter, dreckiger Erde bedeckt und voller Angst und Sorge um das Wohl ihres Bruders. Die erste Begegnung mit MacLerie und die Hochzeit hatte sie nur wie durch einen dichten Nebel wahrgenommen. Jetzt dagegen, im strahlenden Sonnenschein, konnte sie sehen, dass sie einen ausgesprochen gut aussehenden Mann geheiratet hatte. Connor war größer als ihr Vater, sogar größer als Ewan, und die beiden hatten sie schon deutlich überragt. Sein Haar trug er streng nach hinten gekämmt, an den Schläfen war es zu kleinen Zöpfen geflochten. Das Gesicht war glatt, und seine schroffen Züge betonten seine Männlichkeit. Nahezu bronzefarbene Augen starrten sie an und ließen seinen Zorn über ihre Widerspenstigkeit erkennen, die sich nicht nur gegen ihn als Ehemann, sondern auch als Laird richtete.

„Mylord, ich habe keine Gewänder.“ Sie verbeugte sich vor ihm, so tief es ging. Auch wenn sie seine Reaktion dadurch nicht beobachten konnte, hörte sie, wie er sich räusperte.

„Keine Gewänder?“, fragte er.

„Nein, Mylord. Es scheint in diesem Gemach nichts zu geben, das ich hätte anziehen können, um zu Euch in den Saal zu kommen. Es sei denn, Ihr wollt, dass ich nackt vor Euren Clan trete.“

Er gab einen erstickten Laut von sich, während draußen im Gang jemand lachte. Jocelyn hob den Kopf gerade so weit, um Connors Stiefel wahrnehmen zu können. Er ging zur Tür, dann war ein Scharren zu hören, und Augenblicke später landete ein Bündel Kleidung gleich neben ihr auf dem Boden. Sie schaute nun ganz hoch und entdeckte ein weiteres Mal MacLerie, dessen Blick abermals auf dem nur locker um ihren Busen geschlungenen Tuch ruhte. Als sie sich nun zu dem Stoffbündel bückte und sich, nachdem sie ihn näher in Augenschein genommen hatte, wieder erheben wollte, verlor sie das Gleichgewicht und kippte nach hinten. Aber er bekam ihre Arme zu fassen und verhinderte so, dass sie mit dem Kopf auf dem Steinboden aufschlug. Er zog sie an seine Brust, bis sie wieder sicher auf ihren Füßen stand.

„Jetzt zieht Euch an und kommt nach unten in den Saal.“ Mit rauer Stimme flüsterte er ihr diese Aufforderung ins Ohr.

„Aye, Mylord“, antwortete sie, woraufhin er sie losließ und sich entfernte. Sie konnte ihn jedoch nicht weggehen lassen, ohne sich nach dem Befinden ihres Bruders zu erkundigen.

„Laird?“, rief sie ihm nach. Er blieb stehen, drehte sich jedoch nicht zu ihr um. „Musste mein Bruder dafür büßen, dass wir meinetwegen vergangene Nacht nicht die Ehe vollzogen haben?“

Wieder hörte sie ein überraschtes Räuspern aus dem Gang. Jocelyn konnte aber den Blick nicht von Connor abwenden, da dieser sich plötzlich umwandte und ihr in die Augen sah. Er straffte die Schultern, was ihn noch größer erscheinen ließ, und kam mit bedrohlicher Miene zu ihr zurück. Bei jedem Schritt öffnete und ballte er die Fäuste. Dann blieb er so dicht vor ihr stehen, wie es möglich war, ohne sie dabei zu berühren. Er schaute auf sie herab, und als er seine Erwiderung förmlich herauspresste, da spürte sie die Wut, die in jedem Wort mitschwang.

„Euer Bruder ist für sein eigenes Verhalten verantwortlich, so wie Ihr für Eures. Und jetzt kleidet Euch an und begebt Euch nach unten.“

Der eisige Zorn in seiner Stimme ließ sie wie erstarrt dastehen, während er den Raum verließ und die Tür mit solcher Wucht hinter sich zuschlug, dass die Fensterrahmen rappelten. Für einen Moment richtete sich Jocelyns Aufmerksamkeit auf einen gedämpften Streit vor ihrem Gemach, doch als die Stimmen leiser wurden, wusste sie, Connor und seine Begleiter hatten sich entfernt. Vor Angst zitternd, sank sie auf die Knie.

Wie lange sie dort auf dem Boden verharrte, wusste sie nicht, doch irgendwann bemerkte sie ein Flüstern und Tuscheln vor ihrer Tür. Sie rieb sich mit den Händen übers Gesicht, als wolle sie so die Furcht vertreiben. Danach riss sie sich zusammen und richtete sich wieder auf, auch wenn sie weiterhin zitterte. In dem hingeworfenen Bündel fand sie ein sauberes Unterkleid, ein Übergewand und Strümpfe. Nachdem sie sich einige Zeit mit den Schnüren abgemüht hatte, war sie endlich fertig angezogen. Sie beschloss, ein Stück eines karierten Stoffes als Schultertuch umzulegen, und erneut versuchte sie, ihr inneres und äußeres Beben in den Griff zu bekommen.

Nachdem sie einige Male tief durchgeatmet hatte, fühlte sie sich bereit, Connors Ruf zu folgen. Als sie die Tür öffnete, traf sie dort zu ihrer Überraschung auf Duncan und Ailsa. Letztere machte einen Knicks, und er verbeugte sich höflich, nachdem er sich für die Dauer ihrer Reise hierher immer nur von seiner respektlosen Seite gezeigt hatte.

„Der Laird bat mich, Euch in den Saal zu begleiten.“

„Gut“, sagte sie und wartete, dass er voranging.

„Vielleicht würden Schuhe den Weg etwas angenehmer machen.“ Bei diesen Worten deutete er auf ihr eigenes Paar Stiefel, das wieder sauber war und glänzte. „Ich denke, der Laird möchte seine Braut nicht mit bloßen Füßen empfangen.“

„Gut“, antwortete sie auch dieses Mal und bückte sich, um die Stiefel anzuziehen.

„Wartet, Mylady, ich werde Euch dabei helfen“, warf Ailsa ein.

Die tüchtige Dienstmagd benötigte nur wenige Augenblicke, dann hatte sie ihr die Schuhe angezogen, und Jocelyn war bereit. Nein, ganz so stimmte es nicht. Sie war zwar jetzt komplett eingekleidet, aber sie bezweifelte, dass sie jemals wirklich bereit sein würde für das, was sie dort unten im Saal erwartete. Sie hatte sich Connors Zorn zugezogen, als sie die Unversehrtheit ihres Bruders infrage stellte. Es war ein Gebot der Ehre, eine Geisel für die Dauer ihrer Haft nicht anzutasten, doch sie wusste nur zu gut, dass viele Geiseln misshandelt oder geschlagen wurden oder dass man sie einfach verhungern ließ. Der Gedanke, ihrem jüngeren Bruder könnte man etwas angetan haben, während sie von der Dienerschaft gebadet wurde und die Nacht in einem großen, bequemen Bett verbrachte, ließ ihr Tränen in die Augen steigen. Sie wusste: Sein Leben konnte sie nur retten, wenn sie ihren Teil der Vereinbarung erfüllte.

Duncan hielt ihr seinen Arm hin, und sie legte ihre Hand darauf, damit er sie führen und ihr Halt geben konnte. Sie zitterte immer noch und richtete deshalb ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Stufen, die sie im Geiste mitzählte. An der Treppe angelangt, ging ihr ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf: Waren dies die gleichen Stufen, auf denen Connors erste Frau zu Tode gekommen war?

Ihr kurzes Innehalten entging Duncan nicht. Er schien ihre Gedanken zu erahnen, denn er beantwortete ihre unausgesprochene Frage mit einem Kopfschütteln: „Nein, hier ist es nicht geschehen.“

„Ich … hörte …“ Sie wusste gar nicht, was sie erwidern sollte.

Duncan hatte aus seinem Missfallen keinen Hehl gemacht, als sie zuvor von der Bestie sprach. Wie würde er jetzt reagieren, nachdem sie zu erkennen gegeben hatte, dass sie auch mit dem Rest der schauerlichen Geschichte vertraut war?

„Er würde Euch auch nicht ihre Gemächer geben. Niemand hat sie seit ihrem Tod je wieder betreten.“

„Dann stimmt es also? Hat er sie getötet?“

Als sie daraufhin Duncans zornigen Blick bemerkte, stockte ihr der Atem, und sie zog ihre Hand zurück, da sie sich vor seiner möglichen Reaktion fürchtete. Bevor er jedoch darauf antworten konnte, mischte sich eine andere Stimme in ihr schwieriges Gespräch ein.

„Ich habe dich gebeten, meine Frau in den Saal zu bringen, Duncan. Du sollst mit ihr keine Besichtigung der Treppe veranstalten.“

3. KAPITEL

Connor stand einige Schritte von ihnen entfernt und beobachtete sie. Wieder hatte er die Arme vor der Brust verschränkt, und Jocelyn war sich sicher, dass er immer noch wütend auf sie war, weil sie an seiner Ehre gezweifelt hatte. Schließlich hielt er ihr aber den Arm hin, und sie kam schweigend zu ihm und hakte sich bei ihm unter. Danach führte er sie in den großen Saal, den sie jetzt zum ersten Mal genauer betrachten konnte – einschließlich der Menschen, die dort versammelt waren.

Diese Halle war wesentlich größer und befand sich in einem besseren Zustand als die auf der Burg ihres Vaters. Wie sehr die MacCallums das Glück verlassen hatte, war am Verfall der Festung ebenso abzulesen wie am Fehlen jeglicher Bequemlichkeit. Die drohende Armut hatte ihren Vater für MacLeries Angebot überhaupt erst empfänglich werden lassen.

Sie betraten den Saal von der rückwärtigen Seite, sodass sie an allen vorbeigehen mussten, die sich dort zum Frühstück versammelt hatten. Niemand lächelte sie an, niemand rief ihr etwas zu, und sie sah nur in fremde Gesichter. Es war unmöglich, diesen Menschen anzusehen, was in ihnen vorging, denn sobald Jocelyn in ihre Nähe kam, drehten sie sich demonstrativ weg.

Nie zuvor war ihr solche Ablehnung entgegengeschlagen. Fürchteten sich diese Menschen vor ihrem Laird, dass sie so beharrlich schwiegen? Brachten sie ihr genauso wenig Hochachtung entgegen, wie Connor es tat? Ihr schauderte, und unwillkürlich zog sie das Schultertuch enger um sich, als sie schließlich die auf einem Podest gelegene Tafel erreichten. Falls ihrem Mann ihr Unbehagen aufgefallen war, ließ er sich das nicht anmerken. Aber er nahm ja nicht mal Notiz von ihr, als sie Seite an Seite durch den Raum schritten, einzig grüßte er den einen oder anderen Anwesenden. An der Tafel angelangt, wartete er, bis sie ihren Platz gleich neben einem großen, kunstvoll geschnitzten Stuhl eingenommen hatte, der eindeutig für den Laird bestimmt war.

Während er seinen Arm sinken ließ, verstummte das Gemurmel im Saal, und er erklärte mit lauter Stimme: „Dies ist Lady Jocelyn MacCallum, die jetzt meine Ehefrau ist.“

Sie wartete, dass er ihre Vorstellung zu Ende brachte, doch das war nach diesem einen Satz bereits geschehen. Als sie sich zu ihm umdrehte, musste sie feststellen, dass er bereits auf seinem Stuhl saß. Was genau sie von ihm erwartet hatte, vermochte sie nicht zu sagen, doch diese Bekanntmachung war in jedem Fall enttäuschend, denn knapper hätte sie nicht ausfallen können. Sie sah die Leute an, die mit an dieser Tafel saßen, doch alle schauten rasch zur Seite. Da ihr klar wurde, dass sie durch ihr weiteres Stehenbleiben erst recht auf sich aufmerksam machte, setzte sie sich hin und zog ihren Hocker näher an die Tischkante. Auf MacLeries Zeichen hin brachten die Diener ihnen Tabletts mit Brot und Käse, dazu Krüge mit Wasser und Ale. Als Nächstes wurde jedem Einzelnen von ihnen eine Schale mit dampfendem Porridge serviert. Die Aromen der verschiedenen Speisen verteilten sich im Saal, und Jocelyns Magen knurrte in freudiger Erwartung einer Mahlzeit.

Ob ihr Ehemann davon etwas bemerkte, wusste sie nicht, da er einfach nur ein Stück Brot vom Laib abbrach und zu essen begann. Jocelyn wartete, die Hände verkrampft in den Schoß gelegt, während die anderen längst Connors Beispiel gefolgt waren. Ihr entging nicht, wie verstohlene Blicken sie unablässig musterten, während sie dann ebenfalls genießerisch einen Löffel von dem dicklichen Porridge nahm. Sie schluckte, und ihr Magen knurrte noch lauter als zuvor, woraufhin sie eine Hand auf ihren Bauch legte, als könnte sie so die Geräusche ersticken.

„Habt Ihr gestern Abend nicht genug gegessen?“, fragte Connor kauend.

„Nein, Mylord.“

„Ailsa sollte sich darum kümmern. Hat sie Euch keine Speisen gebracht?“

„Sie hat Eure Anweisung befolgt, Mylord, aber ich war wohl einfach so müde, dass es vor dem Einschlafen nur noch zu einem Bad gereicht hat.“

Mit einem Laut, der nach einem Brummen klang, nahm er ihre Antwort zur Kenntnis, weitere Fragen stellte er nicht. Plötzlich musste sie an ihren Bruder denken, und sofort verging ihr der Appetit. Der Löffel fiel scheppernd auf die Tafel, während sie sich vorstellte, wie er verletzt und hungrig in einer verdreckten Zelle wartete. Ihre Sorge schien man ihr anzusehen, da Connor stutzig wurde.

„Fühlt Ihr Euch nicht wohl? Euch ist eben alles Blut aus dem Gesicht gewichen.“ Er beugte sich vor und musterte sie aufmerksam.

Jocelyn wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Schon einmal hatte sie an diesem Tag ihre Befürchtungen um ihren Bruder zum Ausdruck gebracht – und damit Connors Ehre verletzt. Weitere Fragen in diese Richtung würde er zweifellos als erneuten Angriff auf seine Person deuten. Angesichts seines Rufs, dass er schnell beleidigt war und mit großer Härte seinen Namen verteidigte, hatte sie Angst vor dem, was er womöglich mit ihr anstellen würde, sollte sie das aussprechen, was ihr auf der Zunge brannte.

Sie wusste nicht, wodurch er ihre Gedanken erriet, die durch ihren Kopf gingen. Auf jeden Fall stand er im nächsten Moment schneller auf, als sie es ihm zugetraut hätte, wobei er seinen Stuhl umwarf. Während der mit lautem Knall auf den Boden aufschlug, packte Connor ihr Handgelenk und zog sie von ihrem Hocker hoch. Ohne ein erklärendes Wort zog er sie hinter sich aus dem Saal und durch einen Gang, der in den hinteren Teil der Burg führte.

Die Luft erschien ihr umso schwerer und feuchter, je weiter sie in diesem vorankamen. Jocelyn konnte nicht sehen, was sich vor ihnen befand, zu dunkel war es hier. Daher hatte sie auch keine Ahnung, wie weit sie noch gehen würden. Plötzlich wurde Connor langsamer. Sie stiegen eine Treppe nach unten.

Wohin brachte er sie? Hatte sie durch ihr wiederholtes Aufbegehren ihr Leben verwirkt? Vergeblich versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien.

„Ich will nicht annehmen, dass Ihr Euch jedem meiner Worte und jeder meiner Handlungen widersetzen werdet, Frau. Ihr seid wie ein Hund, der an einem saftigen Knochen knabbert. Ihr gebt erst auf, wenn man Euch dazu zwingt.“

„Mylord …“, begann sie.

„Das ist das allerletzte Mal, dass ich Euch gegenüber solche Nachsicht walten lasse.“

Mit diesen Worten packte er sie an den Schultern und schob sie vor sich her, bis sie in eine kleine Zelle schauen konnte. Das Verlies. Ihr Bruder! Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte durch das Gitter. Dann sah sie ihren Bruder in der gegenüberliegenden Ecke auf einer Strohmatte liegen. Sie rief seinen Namen, doch er rührte sich nicht.

„Ihr habt nur kurze Zeit, mehr nicht.“ Connor wandte sich nun einem Wachmann zu, der ihr bis dahin nicht aufgefallen war: „Duff, du bringst die Lady zurück in den Saal, sobald die Zeit um ist. Und sie bleibt auf dieser Seite der Tür. Lass sie nicht in die Zelle.“

„Aye, Connor“, erwiderte der Mann, der dunkle Haare und ebenso dunkle Augen hatte.

Zwar bemerkte Connor nichts weiter zu Jocelyn, doch sein finsterer Blick ließ keinen Zweifel an seiner Laune, als er sich von ihr abwandte und sie vor der Zellentür stehen ließ. Sie drehte sich wieder zur Tür um und rief abermals nach ihrem Bruder.

Connor konnte über sein eigenes Verhalten und das seiner Frau nur den Kopf schütteln. Als er sie in den Saal gerufen hatte, war ihm nicht im Entferntesten der Gedanke gekommen, sie zu ihrem Bruder zu bringen, damit sie mit ihm reden konnte. Er beabsichtigte, zu seinem Wort zu stehen, wonach ihr Bruder erst freigelassen wurde, wenn die Ehe vollzogen war. Aber da war etwas in ihren Augen, als sie ihn und seine Ehre herausforderte, das ihn dazu veranlasste, anders als beabsichtigt zu handeln.

Es war ihm klar, dass sie buchstäblich ihr Leben aufgegeben hatte, um das ihres Bruders zu retten. Und er wusste, sie hatte schreckliche Angst vor ihm, ihrem Ehemann. Doch sie hatte diese große Furcht im Griff, und sie schaffte es immer wieder, ihn von seinen Vorsätzen abzubringen, was den jungen Athdar betraf. Möglicherweise würde sie noch entrüsteter reagieren, wenn sie die Wahrheit darüber herausfand, wie es dazu kommen konnte, dass sie die Bestie MacLerie hatte heiraten müssen – und welche Rolle dabei ihrem Bruder zugefallen war.

Er kehrte an seinen Platz im Saal zurück und nahm sich noch ein Stück von dem Brot. Ein paar Augenblicke verstrichen, ehe ihm die Totenstille auffiel, die im Saal herrschte. Als er sich umsah, musste er feststellen, dass jeder ihn voller Entsetzen anstarrte. Dachten sie etwa, er hätte sie in den Kerker geworfen? Er schlug mit der Faust auf den Tisch, erhob sich und ließ wortlos seinen Blick über die Anwesenden wandern.

„Du kannst es ihnen nicht verübeln, Connor“, sagte Duncan zu ihm, doch der amüsierte Tonfall seines Freundes gefiel ihm gar nicht. „Du hast deinen eigenen Ruf gepflegt und ihn benutzt, wann immer es nötig war. Du kannst diesen Menschen keinen Vorwurf machen, auch wenn sie jetzt das Schlimmste von dir denken.“

„Und du, Duncan?“, fragte er, als er sich wieder setzte. „Glaubst du das nicht? Hältst du es nicht für möglich, dass ich meine Ehefrau in eine Zelle gesperrt habe? Immerhin ist ja auch ihr Bruder in meiner Gewalt.“

„Wenn sie so weitermacht, wie sie begonnen hat, könnte ich mir vorstellen, dass du dir noch wünschst, du hättest sie eingesperrt.“

Connor nickte, da er genau wusste, was Duncan meinte. Sie war erst einen Tag hier, und schon hatte sie ihn dazu gebracht, wiederholt mit seinen Vorsätzen zu brechen. Als er Duncan zu ihrem Vater schickte, da ging er von einer Ehe aus, bei der sie die Nacht in seinem Bett verbringen und ihm tagsüber aus dem Weg gehen würde. Es gab keinen Zweifel daran, dass er nie wieder eine Frau so lieben würde, wie er Kenna geliebt hatte. Also hatte er sich an den Gedanken gewöhnt, ein zweites Mal nur aus dem einen Grund zu heiraten, dem Clan einen Erben zu geben. Wenn es ihm gelang, sich nicht um Jocelyn zu kümmern und auf Abstand zu ihr zu bleiben, dann konnte er sein Herz davor schützen, noch einmal einen solchen Verlust verschmerzen zu müssen.

Doch jetzt sagte ihm eine innere Stimme, diese Ehefrau würde ihm mehr Probleme bereiten als erwartet. Und als hätten seine Überlegungen sie beschworen, betrat sie auf einmal in Duffs Begleitung den Saal. Ihr Blick war starr auf den Boden gerichtet, als sie sich der Tafel näherte. Was sie dann machte, verblüffte ihn vollends.

Sie blieb vor seinem Platz stehen, und zwar so, dass alle sie beobachten konnten. Danach machte sie einen Knicks, den Blick weiter nach unten gesenkt. Ihre Stimme wurde bis in die hintersten Reihen des Saals getragen, als sie in die gebannte Stille sprach: „Verzeiht mir, Mylord. Ich bitte Euch um Vergebung, denn ich habe voreilig Eure Ehre angezweifelt.“

Connor merkte, wie sich seine Kehle zuschnürte, sodass er nicht das Ale herunterschlucken konnte. Aus ihren Worten war nichts weiter als eine ernsthafte Entschuldigung herauszuhören. Dass sie das machte, damit alle es mitbekamen, war nicht zu übersehen, dennoch sagte ihm sein Gefühl, sie meinte es ehrlich. Er zwang sich, das Ale zu schlucken.

„Setzt Euch zu mir, Mylady, und frühstückt mit mir.“

Geschmeidig richtete sie sich auf und nahm auf dem Hocker neben ihm Platz. Er hielt ihr einen Laib Brot hin, den sie dankend annahm, wobei ihre Finger sich kurz berührten. Connor beobachtete sie, wie sie die Schale mit dem nunmehr abgekühlten Porridge zur Seite schob und sich stattdessen ein Stück Käse abbrach.

„Ian? Bring der Lady noch eine Schale Porridge. Ihre Portion ist kalt geworden.“

„Nein, Ian, ich brauche es nicht.“

Schon wieder forderte sie ihn heraus, obwohl noch die Worte ihrer Entschuldigung durch den Saal hallten. Einen Moment lang schloss er die Augen und atmete tief durch. Mit einem wütenden Blick in ihre Richtung wiederholte er den Befehl an seinen Diener.

„Wird das jetzt immer so sein? Ich ordne etwas an, und Ihr widersetzt Euch?“

Ein Teil von ihm wollte laut lachen, denn wenigstens war er nicht mit einer Frau verheiratet worden, die keinen Verstand hatte. Zwar war ihm sein hart erarbeiteter Ruf stets dienlich, dennoch bewirkte er, dass Frauen und auch weniger nervenstarke Männer in seiner Gegenwart kaum ein Wort über die Lippen brachten. Wenn er schon verheiratet sein musste, dann konnte er mehr als froh sein, dass diese Frau nicht vor ihm und vor jeder seiner Äußerungen vor Angst gleich davonlaufen wollte. Doch als Laird konnte und wollte er es ihr nicht durchgehen lassen, wenn sie sich über jeden seiner Befehle hinwegsetzte.

Schließlich sah Jocelyn ihn an, und er konnte beobachten, wie ihr trotziger Gesichtsausdruck einen Zug annahm, der nicht mehr ganz so ungehorsam wirkte. Sie schürzte die Lippen und schien mit sich zu ringen, nicht das zu sagen, was ihr auf der Zunge lag. Gut. Sie sollte ruhig über ihr Handeln nachdenken, bevor sie zur Tat schritt. Er wusste, sie hatte ihn verstanden, als sie nun die Schale mit dem kalten Porridge in jene Richtung über den Tisch schob, wo Ian abwartend stand.

„Bitte, Ian“, sagte sie leise.

Zufrieden nickte Connor. Na also, es ging doch. Er aß weiter und verwickelte Duncan in eine Diskussion über die Aufgaben für den heutigen Tag. Diese Unterhaltung nutzte er, um seine Frau beiläufig genauer zu mustern.

Sie war von schlichter Erscheinung. Gesicht, Augen und Haare hatten nichts Außergewöhnliches an sich, aber man konnte bei ihr auch nicht von einer unansehnlichen Person sprechen. Nach Kennas unvergleichlicher Schönheit wollte Connor keine weitere Frau, die eine zu große verführerische Ausstrahlung besaß. Jedoch bewegte sich Jocelyn mit einer gewissen Anmut, und ihre Kurven zählten eindeutig zu ihren besseren Eigenschaften. Als das Tuch, das sie um sich geschlungen hatte, ins Rutschen geraten war und er ihre Schultern und den Ansatz ihrer Brüste hatte sehen können, da verriet ihm die Reaktion seines Körpers, dass es ihm keine Schwierigkeit bereiten würde, diese Ehe zu vollziehen. Es genügte der Gedanke an ihre zarte weiße Haut, um ihn jetzt und hier zu erregen.

Als hätte sie seinen forschenden Blick bemerkt, sah sie ihn auf einmal an. Vielleicht hatte er ein vorschnelles Urteil über sie gefällt, denn als nun ihre Augen aufblitzten, entdeckte er in ihnen etwas recht Anziehendes. Er wandte sich wieder Duncan zu, damit er einen Grund hatte, den Blick von Jocelyn abzuwenden. Ja, es würde wirklich nicht schwierig werden, sie zu begehren. Bilder drängten sich in seinen Kopf, wie sie schon sehr bald nackt unter ihm lag, Bilder, die besser noch eine Weile zu warten hatten.

„Ihr solltet noch heute die Schneiderin aufsuchen, damit sie für Euch Gewänder näht“, ließ er sie wissen.

„Ich kann dies selbst tun, Mylord, und ich habe Kleider … nur sind sie nicht hier. Euer Befehl ließ mir keine Zeit, meine Habseligkeiten zu packen.“

„Wir werden sie durch neue ersetzen. Schließlich kann ich nicht zulassen, dass Lady MacLerie so durch die Burg und das Dorf spaziert, wie ich sie heute Morgen angetroffen habe.“

Sie setzte zu einer Erwiderung an, verstummte aber augenblicklich. Gleichzeitig erröteten ihre Wangen, was ihr sehr gut stand. So, so, man konnte sie also zum Schweigen bringen.

„Ailsa wird alles für Euch arrangieren. Wenn Ihr mich entschuldigen würdet …“ Er stand auf und deutete auf Duncan, der sich ebenfalls erhoben hatte. „Wir müssen unseren Pflichten nachkommen.“

Zügig verließen die beiden Männer den Saal, und je weiter Connor sich von seiner Frau entfernte, umso mehr kühlte das Feuer ab, das in seinem Inneren loderte. Die kommende Nacht würde interessant werden. Dann würde sie ihm gehören, und die Ehe konnte vollzogen werden.

Schon heute Nacht.

Die Dunkelheit war vor einiger Zeit hereingebrochen, doch Connor war bislang nicht zurückgekehrt. Egal welchen Diener sie danach befragte, ob das eine Gepflogenheit von ihm sei, sie bekam nur ein knappes Nicken oder ein unbestimmbares Brummen als Antwort. Danach war sie genauso schlau wie zuvor. Sie musste einsehen, dass keiner von ihnen bereit war, irgendwelches Entgegenkommen zu zeigen, also gab sie ihre Bemühungen auf und zog sich in ihre Gemächer zurück, wo sie Trost und Ruhe fand.

Tagsüber hatte sie die Schneiderin in der Festung aufgesucht, danach den Schuster im Dorf, und das alles unter Ailsas wachsamem Blick. Immerhin fand sie einige Stoffe, die ihr gefielen. Auch entdeckte sie ein zusätzliches Paar Schuhe, das nur geringfügig geändert werden musste, damit es ihr passte. Nach ihrer Rückkehr stellte sie aber überrascht fest, dass Connor von seinen Pflichten und Aufgaben noch nicht zurückgekehrt war. Das Abendessen wurde serviert, aber da seine Abwesenheit im Saal die kritischen Blicke der anderen auf sie lenkte, zog sie sich voll Unbehagen und Verdruss in ihre Gemächer zurück. Sie bat darum, dass man ihr ein Tablett mit Speisen nach oben brachte. Nachdem sie gegessen hatte, verbrachte sie die nächsten Stunden mit Warten.

Einem endlosen Warten.

Bei jedem Geräusch sprang sie auf.

Kam die Nacht, dann würde auch er zu ihr kommen.

Sie wusste, ihr Aufschub aufgrund ihrer Müdigkeit war abgelaufen, und nun würde sie tun müssen, was die Vereinbarung von ihr verlangte. Konnte sie das auch? Durch ihre Erwartung, eines Tages Ewan zu heiraten, hatte Jocelyn seine feurigen Küsse lieben gelernt. Sie wusste, was von einer Frau im Ehebett erwartet wurde, aber sie war nicht mit den Einzelheiten vertraut. Sich diesem Fremden und seinen Wünschen zu unterwerfen, war für sie schlicht unvorstellbar. Ihr schauderte, da Angst, Verwirrung und Neugier auf das Kommende miteinander wetteiferten.

Cora, die junge Frau, die das morgendliche Missverständnis mit Connor herbeigeführt hatte, war erschienen, um im Gemach Ordnung zu schaffen und sich um das Kaminfeuer zu kümmern. Jocelyn schaute aus dem Fenster hinaus auf den Burghof. Sie sah, wie die Wachen auf den Brustwehren der Burgmauer umhergingen und die Umgebung beobachteten. Keine anderen Bewegungen waren für ihr Auge erkennbar, während sie versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie herumfahren. Doch als Cora öffnete, stand da nicht ihr Ehemann, sondern Ailsa, die einen Berg Wäsche in den Armen hielt. Die ältere Frau flüsterte Cora etwas zu, woraufhin diese wenige Augenblicke darauf den Raum verließ. Nachdem sie die Wäsche aufs Bett gelegt hatte, kam die Alte zu ihr.

„Hier, Mylady, ich habe Euch ein frisches Kleid und einen Umhang mitgebracht. Wenn Ihr Euch umgezogen habt, kann ich Euch das Haar bürsten, falls Ihr das möchtet.“

Ohne nachzudenken, tat Jocelyn, was Ailsa ihr vorschlug, und nach kurzer Zeit saß sie vor dem Kamin. Das langsame, gleichmäßige Bürsten beruhigte ihre Nerven, während sie darauf wartete, dass das Schicksal seinen Lauf nahm. Würde er bald eintreffen? Würde er sie einfach nehmen und ihr keine Wahl lassen? Unruhig rutschte sie auf ihrem Hocker hin und her, da immer mehr Zweifel und Bedenken in ihr hochkamen.

„Mylady, gibt es irgendetwas, das Ihr mich fragen möchtet?“

Verdutzt über diese Frage, drehte sich Jocelyn um und sah die Bedienstete an. „Wie meinst du da, Ailsa?“

„Nun, ich dachte, dass Eure Mutter Euch vielleicht nicht auf die Hochzeitsnacht vorbereitet hat.“

„Nein, Ailsa, es gibt nichts, was ich dich fragen müsste.“

„Gut. Dann hat Eure Mutter gesagt, was Euch erwartet?“

„Nun, eigentlich hat sie mir gesagt, dass mein Ehemann mir alles erklären wird, was ich wissen muss“, flüsterte Jocelyn, die sich nun nicht mehr so sicher war, ob das tatsächlich eine kluge Vorgehensweise war. Bei Ewan mochte das noch zugetroffen haben, aber da nun Connor derjenige war, hätte sie doch gern gewusst, was sich zwischen ihnen abzuspielen hatte.

„Seid Ihr Euch ganz sicher?“, hakte Ailsa nach, während Jocelyn sich von ihrem Platz am Kamin erhob.

„Du hast die Lady gehört, Ailsa. Ihr Ehemann wird ihre Fragen beantworten.“

Jocelyn schnappte erschrocken nach Luft und drehte sich um. Connors Anblick, wie er da den Türrahmen nahezu ausfüllte, raubte ihr den Atem, und sie zog ihren Umhang fester um sich. Ailsa nickte bestätigend und ging um ihn herum aus dem Raum. Connor kam nun näher. Vorher schloss er die Tür hinter sich, wobei er den Riegel mit einem dumpfen Knall umlegte. Wie angewurzelt saß sie da, während er einen Schritt nach dem anderen auf sie zu machte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und machte ihr das Atmen unmöglich. Schon stand er dicht vor ihr, und sie hob schließlich den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.

„Nun, meine Ehefrau, was ist es, das ich Euch erklären soll?“

Sie kämpfte gegen den dringenden Wunsch an, auf der anderen Seite des Bettes Schutz zu suchen. Stattdessen zwang sie sich dazu, den Griff ihrer Bürste nicht so krampfhaft umschlossen zu halten, sondern sie auf einen Tisch zu legen. Danach verschränkte sie die Hände und überlegte, welche Antwort sie ihm geben konnte.

Was sollte er ihr erklären? Alles? Nichts? Sie wusste um die Abläufe dessen, was ihr bevorstand, wenigstens dem Hörensagen nach. Das war aber nicht das, was ihr zu schaffen machte, seit sie gehört hatte, dass sie ihn heiraten sollte. Plötzlich schob sich die Frage wie von selbst in den Vordergrund.

„Warum habt Ihr mich ausgewählt?“

Sie mied es, ihm in die Augen zu schauen, da sie sich nicht sicher war, ob sie wirklich sehen wollte, was die ihr verrieten. Sein Verhalten ihr gegenüber war bislang alles andere als einladend, es grenzte gar an Feindseligkeit oder Verachtung. Dennoch oder gerade deshalb wollte sie den Grund für diese Heirat wissen.

„Ich benötigte eine Ehefrau, und Ihr wart verfügbar.“

Seine Stimme hatte keinen feindseligen Unterton. Da war kein Hinweis, dass seine Worte etwas anderes ausdrückten als die Wahrheit. Seine Erklärung sprach einfach nur eine Tatsache aus, die in ihrem Kreis an der Tagesordnung war: Ehen wurden ohne Rücksicht auf die Gefühle derer geschlossen, um die es dabei ging. Und die Gefühle, die sie für einen anderen hegte, waren in solchen Fällen sogar noch unbedeutender.

Jocelyn nahm eine weitere Bewegung seinerseits in ihre Richtung wahr, obwohl er dabei kein Geräusch verursachte. Nur das Knistern der Holzscheite im Kamin war in der angespannten Stille zu hören.

„Ihr wollt gar nicht verheiratet sein?“ Warum sie ihn das fragte, war ihr nicht klar, doch seine Worte und sein Verhalten ihr gegenüber sprachen eine deutliche Sprache.

„Ich bin weder dagegen noch dafür. Ich bin ein Laird, ich brauche Erben. Und dafür wiederum brauche ich eine Ehefrau.“

„Und jede Frau wäre Euch dafür recht?“ Sie kniff die Lippen zusammen, doch die Frage war ihr bereits herausgerutscht. Ihr Tonfall ließ ihn aufhorchen, und selbst ihr entging nicht der Sarkasmus in ihren Worten. Das war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt, um ihn zu verärgern, umso überraschender war seine Reaktion: Sein schallendes Gelächter ließ das Gemach regelrecht erzittern. Sie stellte fest, dass Connor nahezu zugänglich wirkte, wenn er lächelte.

„Nein, ich bin schon etwas wählerischer. Ich bat um eine Frau von schlichtem Aussehen und mit Verstand.“

Vor Erstaunen stockte ihr der Atem. Nicht zu fassen, dass er solche Maßstäbe anlegte und er sich auch noch freimütig dazu bekannte! Es verstrichen nur ein paar Augenblicke, dann wurde ihr bewusst, welche Beleidigung über ihr Äußeres ihm soeben entglitten war. Rasch ließ sie sich auf den Hocker sinken und sah zur Seite, damit er ihr nicht ansehen konnte, wie sehr diese Worte sie verletzt hatten.

„Ich wollte Euch nicht beleidigen, Mylady“, sagte er und kam noch etwas näher. Im Flüsterton fuhr er fort, während er sich neben den Hocker kniete. „Ich wollte keine Frau, die bei jedem meiner Worte zusammenzuckt und die Flucht ergreift. Ich wollte eine Frau mit Mumm.“

„Und das schlichte Gesicht?“ Sie griff nach der Bürste, jedoch in erster Linie, um sich von dem Schmerz abzulenken, der sich in ihr regte.

„Ich muss gestehen, das war mehr ein Scherz als eine tatsächliche Bedingung.“ Connor nahm ihr die Bürste aus der Hand. „Können wir uns etwas anderem widmen, über das wir nicht streiten müssen?“

Eine Gänsehaut lief ihr über den Nacken, als er ihr Haar anhob und es über ihre Schulter nach hinten strich. War es jetzt so weit? War der Zeitpunkt gekommen?

4. KAPITEL

Ich weiß nicht, was ich tun soll.“

Entsetzt darüber, dass sie diese unüberlegten Worte ausgesprochen hatte, wich Jocelyn vor ihm zurück. Connors Größe und Kraft, dazu seine Nähe machten sie über alle Maßen nervös, und sie musste unbedingt auf Abstand zu ihm gehen, damit sie ihre Ängste unter Kontrolle bekam. Dass er ihr gestattete, sich aus seinem Griff zu befreien, verwunderte sie, und nachdem sie sie einige Schritte von ihm entfernt hatte, drehte sie sich zu ihm um.

„Ich habe auch nichts anderes von Euch erwartet, Mylady. Wer noch nie eine Kuh gemolken oder ein Schwein geschlachtet hat, der kann auch nicht wissen, was er zu tun hat, wenn man ihn zum ersten Mal dazu auffordert.“

Ihr fehlten die Worte angesichts der Tatsache, dass er das, was sich zwischen ihnen abspielen sollte, mit den Aufgaben eines Schlachters oder einer Milchmagd verglich. Rasch hob er seine Hand, um sie an jeglicher Erwiderung zu hindern, dann trat er wieder auf sie zu. „Ich sehe, in Euch regt sich schon wieder Protest. Wird das mit uns in jeder Hinsicht so sein? Ich sage etwas, und Ihr widersprecht mir?“ Noch während er redete, veränderte sich seine Miene. Sein Lächeln wechselte zu einem eindringlichen, fast ernsten Ausdruck.

Jocelyn ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen und musste zugeben, dass Connor recht hatte. Seit ihrer ersten Begegnung hatte sie sich immer nur gegen ihn gewehrt, sogar gerade eben erst wieder. Sie machte den Mund zu, da sie tatsächlich nicht wusste, was sie erwidern sollte. Sicher, in ihr regte sich Protest, wie er ganz zutreffend gesagt hatte, doch die wohlige Wärme im Raum und sein Duft umgaben sie, und einmal mehr wurde ihr bewusst, was sie erwartete. Ihre Wangen begannen zu glühen, und unwillkürlich versuchte sie, mit den Fingerspitzen diese Hitze in ihrem Gesicht zu ertasten.

„Ah“, sagte er nun und begab sich entspannt zu einem kleinen Tisch neben dem Bett. Er griff nach dem Krug, der auf ihm stand, und schenkte zwei Kelche mit Wein ein. „Ich vermute, das wahre Problem ist nicht der Trotz einer Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann, sondern die Angst einer unwissenden Unschuldigen.“

Er drehte sich zu ihr um und hielt ihr einen Kelch hin. Jocelyn kam zu ihm und nahm das Trinkgefäß entgegen. Vielleicht würde der Wein sie beruhigen und ihr alles Weitere irgendwie erleichtern. Abgesehen davon blieb ihr ohnehin keine andere Wahl. Das Leben ihres Bruders, ja, sogar das Überleben ihres Clans hingen davon ab, dass sie diesen Teil der Abmachung erfüllte. Wenn sie in Schmach und Schande zurückgeschickt werden sollte, dann …

Sie nickte Connor zu, um sich zu bedanken, bis ihr bewusst wurde, dass er diese Geste als Zustimmung zu seiner Vermutung deuten konnte.

Er setzte seinen Kelch an und trank ihn in einem Zug leer. Über den Rand hinweg schaute er sie an, während sie ebenfalls den Wein, ohne abzusetzen, austrank. Vom Magen aus stieg eine angenehme Wärme in ihr auf, die sich bis in ihre Arme und Beine ausbreitete. Vielleicht würde ein weiterer Schluck die Furcht verstummen lassen, die sie immer noch verspürte. Sie hielt ihm den Kelch hin.

Während er nachschenkte, musterte Connor aufmerksam ihr Gesicht. Ein dunkler rosafarbener Ton überzog ihre Wangen, und Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. Kein Zweifel, die Ängste einer Unschuldigen. Mit Rücksicht darauf goss er ihr nur wenig Wein nach. Sie auf diese Weise zu besänftigen, war eine Sache, aber er wollte nicht, dass ihr übel wurde, wenn sie mit ihm im Bett lag.

Connor stellte seinen Wein weg und machte wieder einen Schritt auf sie zu. Je eher sie anfingen, umso eher würden sie fertig sein, sagte er sich und ließ die Hände erneut in ihr Haar gleiten. Ihr stockte dabei fast der Atem, daher wartete er ab, bis sie den starken Wein getrunken hatte. Kaum hatte sie ihren Kelch auf den Tisch gestellt, umfasste er den Gürtel ihres Umhangs und öffnete ihn. Der Stoff glitt zur Seite und gab den Blick frei auf ein dünnes Unterkleid aus Leinen, unter dem sich ihre üppigen Kurven abzeichneten.

Im ersten Moment versteifte sich Jocelyn am ganzen Körper, als er seine Hände unter den Umhang schob und auf ihre Hüften legte. Trotz ihrer widerborstigen Haltung fühlte sie sich an den richtigen Stellen sanft an, und er atmete den Duft jenes Öls ein, das sie in ihr Badewasser gegeben hatte. Nachdem der erste Schreck über seine Berührung verflogen war, beruhigte sie sich zum Glück wieder, jedoch blickte sie weiter starr über seine Schulter in den Raum.

„Legt Eure Hände an meine Taille“, forderte er sie auf.

Sie erschrak, sah ihm aber dennoch in die Augen. „Was?“

„Ihr habt gesagt, Ihr wisst nicht, was Ihr zu tun habt.“

Er trug ein schlichtes Hemd und einen Plaid, aber durch den Stoff hindurch konnte er die Hitze ihrer Berührung deutlich spüren. Und ebenso entging ihm nicht ihr nervöses Zittern. Trotzdem nahm er die von ihren Kurven ausgehende Versuchung wahr und stellte gleichzeitig fest, wie sein Körper sich voller Verlangen auf das gefasst machte, was folgen würde. Einen Moment lang wartete er, dann zog er Jocelyn nah an sich heran, schob seine Hände auf ihren Rücken und drückte sich gegen sie.

Ihre Brustspitzen verhärteten sich prompt, vielleicht aus Furcht, vielleicht auch aus einem Begehren heraus. Er schmiegte sich noch enger an sie. Ein Keuchen entwich ihrer Kehle, und Jocelyn stand nun mit offenem Mund vor ihm. Aber er wollte ihre Brüste noch nicht berühren. Stattdessen beugte er sich vor und umfasste mit seinen Lippen ihr Kinn, um dann eine Reihe von Küssen folgen zu lassen, bis er am Hals angelangt war. Als sie heftiger atmete und ihre Fingerspitzen sich immer spürbarer in seine Lenden krallten, wusste er, so konnte er weitermachen.

Er strich zärtlich ihre Haare nach hinten, küsste ein weiteres Mal ihren Hals und ein Ohr. Schließlich griff er behutsam in ihre Locken, um ihren Kopf so zu drehen, dass er ihr Überkleid leichter von den Schultern gleiten lassen konnte. Als sie ihre Arme sinken ließ, landete dieses auf dem Boden.

Ob reflexartig oder bewusst, augenblicklich versuchte sie, ihre Brüste zu bedecken, während er seinen Blick über ihren ganzen Körper schweifen ließ. Vermutlich hatte sie keine Ahnung, wie verführerisch sie in dem flackernden Kerzenlicht wirkte. Das dunkle Dreieck, das am Ende ihrer Oberschenkel sichtbar wurde, lockte ihn, doch er wollte noch warten. Stattdessen stellte er sich hinter sie und begann, sie mit seiner Zunge zu liebkosen.

Nachdem er einen Augenblick lang verharrt hatte, ohne ein Anzeichen von Widerstand wahrzunehmen, schob Connor den dünnen Leinenstoff ihres Untergewands zur Seite und küsste die nackte, heiße Haut ihrer Schulter. Seine Berührungen ließen sie beben, und ihr Atem war nur noch ein Keuchen, als er die Hände um ihre Taille legte und langsam nach oben gleiten ließ, bis sie knapp unter ihren Brüsten zum Halten kamen. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen ihn, und er nutzte diese Bewegung, um die Hände auf ihren Busen zu legen, während er sie fester an sich drückte. Jocelyns Kopf sank an seinen Oberkörper, und mit Zunge und Lippen spielte er weiter an den empfindlichen Partien ihres Halses.

Sie war schon zuvor geküsst worden, und sie hatte sogar Ewan erlaubt, ihre Brüste anzufassen, aber nichts davon hatte sie auf diese Empfindungen vorbereitet. Obwohl keine Liebe im Spiel war und sie sich so gut wie fremd waren, führte dieser Mann sie auf bis dahin ungeahnte Weise in Versuchung. Ihr Kopf war wie von selbst gegen seine muskulöse Brust gefallen, kaum dass er seine Hände auf ihren Busen gelegt hatte.

Die Gefühle, die sein Mund auf ihrer Haut auslöste, erregten sie. Ihre Brüste spannten sich, zwischen ihren Schenkeln stieg eine unbekannte Hitze auf. Nun spielten seine Finger mit ihren Brustspitzen, die sich noch steiler aufrichteten, was sie nach … nach irgendetwas verlangen ließ. Nach mehr von … von dieser Lust.

Jocelyn hoffte, Connor würde ihr dieses Mehr geben, ohne dass sie ihn danach fragen musste. Da sie nicht wusste, was sie machen sollte, krallte sie ihre Finger in den Stoff ihres Unterkleids und ballte sie zu Fäusten.

Wieder glitten seine Hände über sie, und sie hielt gebannt den Atem an, als sie seine Finger auf ihren Schenkeln spürte. Jetzt fasste er den Saum ihres Untergewands und zog es höher und höher, bis er ihre nackte Haut streicheln konnte. Eine Hand umschloss ihre Brust, mit der anderen berührte er nun ihren Bauch. Vor Lust musste sie sich auf die Unterlippe beißen.

Der raue Stoff seines Hemdes und des Plaids löste auf ihrem bloßen Körper faszinierende Empfindungen aus, da es sich so ganz anders anfühlte als die Berührung durch seine Hände. Die bewegten sich jetzt langsam, aber unaufhaltsam zu jener Stelle ihres Körpers, die sich am stärksten danach sehnte, begehrt zu werden. Sie konnte fast vergessen, dass dieser Mann ein Unbekannter für sie war und man sie dazu gezwungen hatte, ihn zu heiraten, und nicht Ewan.

Ewan!

Er sollte derjenige sein, der sie so erregend anfasste. Ihm sollte sie sich hingeben, um sich mit dem Mann zu vereinen, der sie liebte und schätzte. Aber nicht diesem Fremden.

Alles verkrampfte sich in ihr, als ihr klar wurde, dass sie sich von ihren sämtlichen Träumen würde verabschieden müssen, wenn diese Nacht vorüber war. Jegliche Hoffnung auf eine Heirat aus Liebe mit dem Mann, den sie sich ausgewählt hatte, würde dann hinfällig sein. Das galt auch für ihre Sehnsucht auf ein Leben in einer Familie, die sie liebte und die sie zu schätzen wusste. Wenn dieser Mann – ihr Ehemann – sie erst einmal genommen hatte, gab es kein Zurück.

Er hatte die Veränderung bemerkt, die so abrupt in ihr vorgegangen war. Augenblicklich hörte er auf, sie zu streicheln, und obwohl sein Mund nach wie vor nah an ihrem Hals war, spürte sie nur noch seinen warmen Atem, aber nicht mehr seine Lippen. Jocelyn wartete auf seine Reaktion.

„Keine Angst“, flüsterte er. „Ich will Euch nichts antun.“

Sie ließ zu, dass er sie zu sich umdrehte, und sie sah ihm in die Augen, die im Kerzenschein golden flackerten, während die Flammen im Kamin sein markantes Gesicht in scharfe Schatten tauchte. Alles an diesem Mann strahlte Kraft und Härte aus, lediglich seine Stimme besaß einen sanften Klang.

„Kommt, lasst es mich so machen, wie es für eine Braut angemessen ist“, redete er vorsichtig auf sie ein, nahm ihre Hände und führte sie zum Bett.

Dort beugte er sich vor und hob sie ganz ohne Mühe hoch, um sie auf die Decke zu legen. Sie sah ihm zu, wie er den Gürtel öffnete und seinen Plaid zu Boden fallen ließ. Jocelyn konnte nicht anders, als auf seine muskulösen Oberschenkel zu starren, die unter seinem langen Hemd sichtbar wurden. Sie schluckte nervös und sah ihm wieder ins Gesicht, gerade als er sich ihr näherte.

Connor streckte sich neben seiner nunmehr unwilligen Braut aus. Sie hatte ihre Einwände nicht ausgesprochen, aber ihr Körper verriet ihm nur zu deutlich, dass sie auf dem Weg zum Vollzug der Ehe ins Stocken geraten waren. Er stand nun vor der schwierigen Aufgabe, ihre Leidenschaft von Neuem zu wecken, damit sie dieser Pflicht nachkommen und nach vorn schauen konnten.

„Ganz ruhig“, flüsterte er, legte eine Hand auf ihre Schenkel und ließ das Untergewand vorsichtig nach oben gleiten. Gleichzeitig stützte er sich auf einen Arm ab, während er mit der freien Hand weiter ihren Oberschenkel liebkoste. Als sie sich trotz seiner Berührung nicht entspannte, wählte er einen anderen Weg. Ihr hatte gefallen, und ihm nicht minder, wie er sich ihren Brüsten widmete, und dort würde er jetzt auch wieder anfangen.

Connor berührte mit dem Mund ihre Brustspitze, um durch den dünnen Stoff hindurch daran zu saugen. Gleichzeitig massierte er sanft die befeuchtete Stelle, bis sie zwischen seinen Lippen eine perfekte Knospe bildete. Nach einer Weile merkte er, dass die plötzlich entstandene Anspannung allmählich von ihr abfiel.

„Mädchen, denkt nur an die Lust, die Ihr verspürt, und lasst Euch von mir führen“, murmelte er und strich mit seinem Glied über ihre Hüften. Zwar betrachtete sie ihn zuerst ängstlich, dann jedoch schloss sie die Augen und nickte.

Nach und nach reagierte sie auf seine Berührungen, bis er schließlich den Eindruck hatte, dass sie für mehr bereit war. Dass er selbst mehr als bereit war und es nicht mehr lange dauern konnte, bis er die Kontrolle über sich verlor, wusste er nur zu gut. Als er nun ihr Gewand hochhob und eine Hand zwischen ihre Beine schob, schien sie ihn willkommen zu heißen. Mit sanftem Druck öffnete er ihre Schenkel und brachte sich in Position, da er fühlen konnte, dass Jocelyn ihn erwartete.

Es geschah in dem Moment, da er in sie eindrang, dass ihm ein absurder Gedanke durch den Kopf ging. Dies hier war das erste Mal, dass er eine Frau liebte, die in seinem Leben eine wichtige Rolle spielen würde, seit er vor drei Jahre Kenna verloren hatte. Während er die Unschuld seiner neuen Ehefrau durchdrang, hörte er auf einmal eine innere Stimme, die Kenna anflehte, sie möge ihm dieses Tun verzeihen. Herz und Seele schrien gequält auf, er breche sein Versprechen, das er Kenna bei ihrer Hochzeit gegeben hätte, er betrüge sie jetzt mit seiner neuen Frau.

Es gab so vieles, was Kenna ihm hätte verzeihen sollen, doch dafür war es jetzt zu spät. Für jeden von ihnen war es dafür zu spät.

Er biss die Zähne zusammen und drang tiefer in Jocelyn ein, obwohl ihr eine Träne aus dem Augenwinkel und über ihre Wange lief, bis diese sich in ihrem Haar verlor. Da er nicht nachlassen wollte, weil er fürchtete, sich zu blamieren, wenn es ihm nicht gelang, diese Pflicht zu erfüllen, stieß Connor fest und tief zu. Dann zog er sich langsam zurück, um gleich wieder, fast brutal, in sie einzudringen. Obwohl er ahnte, dass dies Jocelyn keine Freude bereitete, konnte er nicht damit aufhören. Nach kurzer Zeit erreichte er den Höhepunkt und ergoss sich in ihr.

Abgekämpft und außer Atem verharrte er noch einen Moment über sie gebeugt, erst dann vermochte er sich aus ihr zurückzuziehen. Er säuberte sie beide mit einer Ecke des langen Waffenrocks, den er immer noch trug, richtete sich auf und stieg aus dem Bett. Nachdem er seinen Plaid aufgehoben hatte, warf er ihn so über die Schulter, dass seine Blöße bedeckt war, ohne ihn ordentlich anziehen zu müssen. Er musste von hier nur zu seinen Gemächern gehen.

Jocelyn lag reglos auf dem großen Bett, die Beine noch immer gespreizt. Als er die Decke über sie legte, berührte er ihren Oberschenkel. Sie presste die Lippen zusammen, und ihr Gesicht war fast so bleich wie ihr Gewand. Von der verführerischen Röte war nichts mehr zu sehen. Ihn überkam der unerklärliche Wunsch, sie in seine Arme zu nehmen, um sie zu trösten. Immerhin hatte er ihr Schmerzen zugefügt. Aber um das nicht in die Tat umzusetzen, zog er sich mit drei Schritten zur Tür zurück.

Mit drei sehr hastigen Schritten.

Er versuchte, etwas zu sagen, doch eine Empfindung, über die er lieber nicht näher nachdenken wollte, schnürte ihm die Kehle zu. Erst nachdem er sich geräuspert hatte, war er zum Sprechen in der Lage. „Ich werde Ailsa zu Euch schicken“, sagte er, ihr den Rücken zugewandt und eine Hand auf dem Türriegel.

„Nein“, rief sie hastig, setzte sich auf und schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Schickt bitte niemanden her.“

„Wie Ihr wünscht, Mylady.“ Er akzeptierte ihren Widerspruch, ohne Fragen zu stellen. Im Gang zog er dann die schwere Tür hinter sich zu und ließ den Kopf gegen das Holz sinken. Ohne zu wissen, worauf er noch wartete, drehte er sich um, da in seinen Gemächern noch mehr von dem gleichen starken Wein auf ihn wartete, der bei Jocelyn jenseits der Tür auf dem Tisch stand.

Kaum hatte er seine Gemächer erreicht, entlud sich ein Unwetter – grelle Blitze durchzuckten den Himmel, gefolgt von einem lauten Donnerschlag, dazu ein Wolkenbruch, der über Broch Dubh niederging.

Irgendwie erschien ihm das passend. Er warf die Tür hinter sich zu und entdeckte den Krug genau dort, wo er für ihn hingestellt werden sollte.

Als die Tür ins Schloss fiel, sank Jocelyn zurück auf das Bett, überwältigt und verausgabt durch das, was soeben zwischen ihnen geschehen war. Connors überhasteter Aufbruch und seine Miene verrieten ihr nur zu deutlich: Sie hatte vollkommen versagt, ohne dass er das auch noch in Worte fassen musste.

Hatte sie Ewans Namen laut ausgesprochen? Sie glaubte es nicht, aber sie hatte den Namen hundertfach in ihren Gedanken und in ihrem Herzen wiederholt, um nicht über die Identität des Mannes nachdenken zu müssen, der ihren Körper für sich beanspruchte. Als er sie aufforderte, nur an die Lust zu denken, wurde er in ihrer Fantasie zu Ewan. Sie stellte sich vor, wie Ewan ihre Brüste küsste, wie er seine Hände über ihre Haut wandern ließ und ein Verlangen in ihr auslöste, das sie so noch nie zuvor verspürt hatte.

Nur der stechende, brennende Schmerz hatte die Szene in ihrem Geist zunichte gemacht, und die finstere Miene ihres Ehemanns, als der in sie eindrang, bestätigte die Wahrheit: Sie gehörte jetzt ihm, und er war darüber nicht erfreut.

Zwischen ihren Schenkeln verspürte sie nach wie vor einen durchdringenden Schmerz, und sie suchte in der Kammer nach etwas, womit sie sich säubern konnte. Ihr Umhang lag dort auf dem Boden, wo Connor ihn hingeworfen hatte. Auf dem Weg zu dem Tisch nahe dem Kamin hob sie ihn auf. Nach einem weiteren Schritt bemerkte sie, wie nass ihre Oberschenkel waren. In Ermangelung eines Tuches riss sie ein Stück von ihrem Gewand ab und wischte ihr Blut und seinen Samen weg.

Da ihr klar wurde, dass das Kleidungsstück damit zu nichts mehr zu gebrauchen war, zog sie es aus und tauchte es in einen Krug mit kaltem Wasser. Sie wrang es aus und wusch sich, so gut es ging, während sie am ganzen Leib zitterte. Nachdem sie damit fertig war, rollte sie einen Teil des Stoffes zusammen, tauchte ihn erneut ins Wasser und drückte ihn schließlich zwischen ihre Schenkel. Zwar empfand sie die Kälte im ersten Moment wie einen Schock, aber nachdem sie die Prozedur einige Male wiederholt hatte, wirkte sie lindernd, und nach einer Weile ließ das Brennen ganz nach.

Sie legte ihren Umhang um und zog den Gürtel zu, danach kehrte sie zum Bett zurück. Doch sie konnte sich nicht einfach wieder hinlegen. Früher oder später würde sie es tun müssen, genauso wie sie Connor über kurz oder lang gegenübertreten musste. Aber für den Augenblick wollte sie um beides lieber einen Bogen machen. Also zog sie den obersten Überwurf der Schlafstätte ab und warf ihn zur Seite. Anschließend entfernte sie drei weitere Decken sowie zwei Laken und baute sich daraus ein Nachtlager unmittelbar vor dem Kamin. Dort war es warm genug, und um alles andere konnte sie sich auch noch am Morgen kümmern. Und dann gab es auch noch den Weinkrug.

Erst später, als draußen das Unwetter tobte und die Geräuschkulisse aus Sturm, Regen und Donnerschlag lauter und lauter wurde, ließ sie den Gefühlen, die sich die ganze Zeit über in ihr aufgestaut hatten, freien Lauf. Die Panik, diesem Mann ausgeliefert zu sein, der Schmerz darüber, dass sie ihre Familie und ihre wahre Liebe hatte verlassen müssen, die ganze Hoffnungslosigkeit, was ihre Zukunft anging – das alles kam an die Oberfläche, als aus den Wolken ein gewaltiger Regen auf die Burg niederging.

In ihrem Kokon aus Decken und erschöpft von dem, was sie für die Freilassung ihres Bruders hatte geben müssen, fiel Jocelyn in einen tiefen Schlaf, in dem die Wirklichkeit ihres neuen Lebens keine Rolle spielte. In ihren Träumen sah sie nur das Gesicht des Mannes, den sie von ganzem Herzen liebte.

Dunkelheit und Wärme umhüllten Jocelyn, als sie hörte, dass jemand in ihren Gemächern war. Obwohl sie sich versucht fühlte, die Laken zur Seite zu schlagen, die sie um sich geschlungen hatte, blieb sie reglos liegen und hielt die Augen geschlossen. Sie wusste aus Erfahrung, wenn sie sich bewegte, würde ihr Kopf zu pochen beginnen, und der Raum würde sich so wild um sie drehen, dass sie sich übergeben musste.

Nein, die Nacht, die wohlige Wärme ihrer Decken sowie die Tatsache, dass sie still verharrte, waren genau das richtige Rezept, um davon verschont zu bleiben. Doch auf einmal rief jemand leise ihren Namen.

„Mylady? Lady Jocelyn? Geht es Euch gut?“

Es war die alte Frau, die ihr bereits mehrfach geholfen hatte. Doch die Schmerzen und die drohende Übelkeit unter Kontrolle zu haben, schien ihr wichtiger, als auf die Rufe der Frau zu reagieren.

„Mylady, soll ich den Laird holen?“

„Nein!“, rief sie sofort und schlug die Decken und Laken zur Seite.

Als sie Ailsa entdeckte, die sich fast bis auf den Boden gebückt hatte, um ihrer ansichtig zu werden, schüttelte Jocelyn zudem hastig den Kopf und musste gleich darauf den gefürchteten Preis für ihre Reaktion bezahlen. Sie konnte von Glück reden, dass Ailsa vorausschauend genug war, um zu erkennen, was jeden Moment geschehen würde. Gerade noch rechtzeitig bekam sie den Nachttopf zu fassen und hielt ihn ihr hin.

Erst nach einer Weile kam Jocelyns Magen zur Ruhe, und sie konnte sich wieder hinlegen. Ailsa redete beruhigend auf sie ein und drückte ihr ein feuchtes Tuch auf die Stirn.

„Bleibt liegen, Mylady. Es wird vorübergehen.“

„Das war der Wein“, erklärte Jocelyn ihr im Flüsterton.

„War der etwa nicht gut?“ Die Dienerin griff nach dem Weinkrug, der gleich neben ihr auf dem Boden stand und schnupperte daran, dann schüttelte sie den Kopf. „Der riecht nicht schlecht, Mylady.“ Sie drehte den Krug um, aber nicht ein einziger Tropfen lief heraus. „Vielleicht war nicht die Qualität, sondern die Menge das Problem.“

Jocelyn erwiderte nichts darauf, weil es sich erübrigte. Nachdem sie die Decken wieder über den Kopf gezogen hatte, wurde der Lärm in der erwachenden Festung auf ein erträgliches Maß gedämpft. Ailsa räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen. Damit war für Jocelyn klar: Es würde nicht möglich sein, hier auf dem Boden liegen zu bleiben, eingehüllt in ihren Kokon, um für den Rest ihres Lebens niemanden mehr sehen zu müssen.

„Mylady, ich habe mich um ein Bad für Euch gekümmert, das in Kürze gebracht werden wird. Vielleicht könnte ich Euch zu einer Sitzgelegenheit helfen, damit Ihr dort wartet.“ Die alte Magd gab sich größte Mühe, um ihrer Herrin zu helfen.

„Ich möchte lieber bleiben, wo ich bin, Ailsa.“

Als an die Tür geklopft wurde, war dies ein unüberhörbarer Hinweis darauf, dass man ihr das nicht gestattet würde. Wieder schlug sie die Laken zur Seite und blicke Ailsa an. Die Frau mochte alt sein, aber schon bei ihrer ersten Begegnung war Jocelyn deren eiserner Wille aufgefallen. Jetzt war sie von der letzten Nacht zu erschöpft, um ernsthaft Gegenwehr zu leisten, also ergriff sie die dargebotene Hand und ließ sich zunächst in eine kniende Position helfen. Schließlich stand sie auf. Ihr Kopf pochte bei jeder Bewegung, und ihr Magen schien abermals rebellieren zu wollen. Sie schloss die Augen und ließ sich von der Dienerin zu einem Stuhl führen.

Ailsa schien zu merken, welche Anstrengung die wenigen Schritte für sie bedeutet hatten, denn sie zog wortlos den Umhang gerade und entfernte sich von ihr. Jocelyn ließ den Kopf nach hinten gegen die Rückenlehne sinken, doch ein erschrockener Laut aus Ailsas Mund ließ sie hochfahren.

Die Magd hielt das zuvor in die Ecke geworfene, zerrissene und blutbeschmierte Untergewand in der Hand und betrachtete es entsetzt. Jocelyn drehte sich bei diesem Anblick ein weiteres Mal der Magen um.

„Mylady …“, begann Ailsa leise, hielt dann aber inne, zog die Schürze aus und wickelte den blutigen Stoff darin ein. „Benötigt Ihr unsere Heilerin?“

Jocelyn fand keine passenden Worte, um darauf zu antworten. Von den Auswirkungen abgesehen, die das Übermaß an Wein mit sich gebracht hatte – der erfolgreich die anderen Schmerzen aus ihrem Bewusstsein hatte verdrängen können –, benötigte sie ihrer Meinung nach eigentlich nur mehr Schlaf und das angekündigte Bad. Also schüttelte sie den Kopf.

Die alte Frau sah sich nun genau im Gemach um und konnte kaum glauben, welcher Anblick sich ihr dort bot. Der Raum hätte genauso gut ein Schlachtfeld sein können. Das Bett war komplett zerwühlt, die Laken lagen auf dem Boden verstreut, wo auch der Weinkrug gelandet war. Hinzu kam Jocelyns eigener erbärmlicher Zustand, der die Bedienstete nur in ihren Spekulationen bestärken konnte.

Auf ihre Geste hin nickte Ailsa und begann damit, das Gemach aufzuräumen, wobei sie offenbar diejenigen ignorierte, die draußen im Gang warteten und hin und wieder an der Tür klopften. Irgendwann ging Ailsa dann doch zur Tür, öffnete sie und wisperte jemandem etwas zu. Danach schloss sie diese und machte dort weiter, wo sie aufgehört hatte.

Jocelyn sah ihr zu, wie sie das Bett richtete und dank jahrelanger Übung innerhalb von ein paar Augenblicken neu bezog. Als sie das Laken hochhob, das einen Blutfleck aufwies, zögerte Ailsa kurz, legte es aber schließlich zu der übrigen Wäsche und beendete ihre Arbeit. Als der Raum wieder vorzeigbar und Ailsa mit ihrem Werk zufrieden war, blieb sie kurz stehen und nickte vor sich hin.

„Bleibt dort, wo Ihr seid, Mylady, bis ich zurückgekehrt bin.“

„Mir geht es gut, Ailsa, wirklich“, beteuerte sie, doch nicht mal sie selbst fand ihren Tonfall überzeugend.

„Die anderen werden nicht hereinkommen, solange ich es nicht zulasse. Schließt also die Augen und ruht Euch aus. Ich werde Euch etwas bringen, das Euren Magen beruhigt. Danach fühlt Ihr Euch wieder kräftiger und werdet in der Lage sein, ein Bad zu nehmen.“

Nahezu geräuschlos trat sie hinaus, und Jocelyn war wieder allein in ihrem Gemach, in dem nichts mehr auf die Geschehnisse der letzten Nacht hindeutete. Nur der Schmerz in ihrem Herzen würde sich nicht so leicht aus der Welt schaffen lassen.

5. Kapitel

Connor starrte aus dem kleinen Fenster und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er trank nicht oft so viel Wein, wie er es nach der Rückkehr in seine Räumlichkeiten am gestrigen Abend gemacht hatte. Nach dem zweiten Krug Wein hatte er befohlen, den MacCallum-Jungen freizulassen. Nach dem dritten schloss er sich in seinen Gemächern ein und versuchte zu verdrängen, was er getan hatte, das ihn die Flucht vor seiner neuen Ehefrau ergreifen ließ. Der vierte Krug erzielte dann endlich die gewünschte Wirkung und ließ ihn, auf seinem Stuhl sitzend, einschlafen.

Der Schleier, den der Wein um seinen Verstand gelegt hatte, half ihm nun, Duncans Gerede von ihm fernzuhalten, das sich um irgendwelches gestohlene Vieh drehte, das wiedergefunden werden musste. Er ignorierte seinen Cousin bereits seit geraumer Zeit, als auf einmal die Tür aufgestoßen wurde und er von einer kleinen, alten Verrückten attackiert wurde.

Obwohl Ailsa kaum bis zu seiner Schulter heranreichte, gelang es ihr, ihm einen Schlag auf den Kopf zu verpassen, dem sogleich ein zweiter Treffer folgte, da er nicht schnell genug auswich.

„Ailsa? Was ist denn in dich gefahren?“

Als sie zu einem dritten Hieb ausholte und auf ihn nicht den Eindruck machte, als würde sie ihren Auftritt bereuen, bekam er ihre Hände zu fassen und hielt sie fest. Duncan grinste nur breit und unternahm nichts, um ihm zu helfen.

„Wie konntet Ihr nur? Ich habe Euch an meiner Brust genährt, und ich weiß, niemand hat Euch je schlecht behandelt!“ Sie bekam eine Hand frei und schlug abermals nach seinem Kopf.

„Sag mir, was dich zu diesem Tobsuchtsanfall veranlasst hat. Auch wenn du dich in der Vergangenheit um mich gekümmert hast, werde ich dieses Verhalten nicht länger dulden.“

Die Frau wich vor ihm zurück und atmete mehrmals tief durch. Ihre Wut war so sehr auf Connor gerichtet, dass sie den im Schatten stehenden Duncan noch immer nicht bemerkt hatte.

„Ich kenne Eure Einstellung zu einer erneuten Heirat. Die kennen wir alle. Aber sie ist Eure Ehefrau, und sie war eine Jungfrau.“

Er spürte, wie sich Verärgerung in ihm regte. Ihm war nicht danach, über diese Situation oder über das zu reden, was sich ansonsten zwischen ihm und seiner Ehefrau abspielte, weder mit seinem alten Kindermädchen noch mit sonst jemandem. Bevor er sie jedoch zurechtweisen konnte, flüsterte sie schroff: „Ich habe soeben die Gemächer Eurer Frau verlassen, wo ich sie vor dem erloschenen Kamin, auf dem Boden kauernd, vorgefunden habe. Sie hat die Nacht dort verbracht, musste sich wiederholt übergeben und war in Laken gewickelt, die sie mit letzter Kraft vom Bett gezogen hat.“

„Was?“, brüllte Connor. „Das kann nicht wahr sein. Als ich sie verließ, lag sie in ihrem Bett.“

Sie trat erneut näher und stieß ihm den Finger in die Brust. „Sie hat alles getrunken, was von Eurem guten Wein übrig war, und dann auf dem Boden geschlafen, wie ich es Euch sage! Und das hier“, sie drückte ihm ein Stoffbündel in die Hand und schüttelte mit einem Anflug von Abscheu den Kopf, „ist das, worin Ihr sie zurückgelassen habt.“

Das Bündel fiel auseinander, und er hielt ein zerrissenes Untergewand in seinen Händen, an dem getrocknetes Blut zu kleben schien. Der Wein mochte noch immer seine Gedanken benebeln, doch er brauchte nicht lange, um zu erkennen, was Ailsa ihm gegeben hatte.

Connor presste die Lippen zusammen. Sollte das ihr Hemd sein? Sie war ihm nicht übermäßig aufgewühlt vorgekommen, als er sie verlassen hatte. Sie schien sich mehr darüber aufgeregt zu haben, wie er mit ihr umgegangen war, als darüber, dass er anschließend so unvermittelt aufgebrochen war. Und dass sie sein Angebot ablehnte, Ailsa zu ihr zu schicken, deutete seiner Ansicht nach auf eine stabile Verfassung hin.

„Es ging ihr gut, als ich sie verließ.“

„Das kann man jetzt nicht gerade sagen.“

Sie standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber, bis Duncan einen Laut von sich gab, der ihre private Unterhaltung jäh beendete. Ailsa bemerkte Connors Cousin nahe der Tür und wich automatisch einen Schritt zurück.

Da Ersterer nach wie vor nicht willens war, über das zu reden, was er getan oder nicht getan hatte, und da er nicht einmal darüber nachdenken wollte, verschränkte er die Arme vor der Brust, um so deutlich zu machen, dass die Unterhaltung für ihn beendet war.

„Ailsa, kümmere du dich um deine Aufgaben, und ich kümmere mich um meine.“

„Aye, Laird, wie Ihr wünscht“, antwortete sie zornig.

„Ich habe ihr nicht wehgetan, Ailsa.“

Die alte Frau erwiderte etwas, was Duncan dazu veranlasste, sich ein Lachen zu verkneifen. Connor hatte nicht alles verstanden, nur etwas in der Art, dass Jocelyn ihm wohl unwichtig sei. Voller Zorn gab er ihr zu verstehen: „Ich glaube, jemand in deinem Alter ist womöglich nicht als Bedienstete für meine jetzige Ehefrau geeignet. Lerne eines der Mädchen aus dem Dorf an, das dann deinen Platz einnehmen kann.“

Ailsa ließ sich nicht anmerken, ob seine Drohung ihr Angst machte. Allenfalls wirkte ihre Miene noch versteinerter, und ihre Augen blitzten noch wütender auf. Sie verschränkte ihrerseits die Arme und begegnete seinem aufgebrachten Blick umso energischer.

Connor hatte diese Drohung schon bei zahlreichen Anlässen ausgesprochen, aber die Frau trotzdem nie weggeschickt.

War jetzt vielleicht der Zeitpunkt gekommen, um zur Tat zu schreiten?

„Connor?“ Duncan unterbrach das angespannte Schweigen.

„Behalt deine Gedanken für dich, Cousin. Du hast bei dieser Sache nicht mitzureden.“

„Dann wünsche ich einen guten Tag“, erwiderte Duncan. Ein erstarrtes Lächeln auf den Lippen und die Augen leicht zusammengekniffen, nicke er beiden zu, und nur einen Moment später war er verschwunden – und mit ihm auch Connors letzte Hoffnung, Ailsas Wut in Schach zu halten. Er wollte nicht in die Situation gebracht werden, sich mit seinen Absichten gegenüber seiner Ehefrau auseinandersetzen zu müssen. Nicht einmal der Alten zuliebe. Also hob er rasch die Hand, damit sie schwieg, und schüttelte den Kopf.

„Ailsa, geh und kümmere dich um die Lady. Ich werde später mit ihr sprechen.“

„Und wenn sie nach ihrem Bruder fragt?“

Verdammt! Wie war es der Frau nur gelungen, in so kurzer Zeit so viel in Erfahrung zu bringen? „Sag dazu nichts. Das werde ich ebenfalls später mit ihr besprechen.“

Vielleicht lag es an seiner Wortwahl oder dem Ton in seiner Stimme, auf jeden Fall hielt Ailsa inne, schob das Kinn vor und sah ihm einen Moment lang in die Augen. Hatte sie erkannt, dass sie an die Grenze dessen gelangt war, was er an persönlicher Einmischung von ihrer Seite dulden würde? So oder so hatte irgendetwas Wirkung gezeigt, und darüber war er heilfroh. Die Dienerin nickte und ging zur Tür. Als sie sie hinter sich zuzog, rief er ihr gegen seinen Willen nach: „Ich habe ihr nichts getan, Ailsa.“

„Wenn Ihr das sagt, Laird, dann stimmt das wohl“, konterte sie, ohne sich zu ihm umzudrehen.

Connor verdrängte alle Gedanken an jene Frau, um die sich die Diskussion gedreht hatte, und kam zu dem Schluss, dass er für diesen Tag genug Zeit in seinen Gemächern verbracht hatte. So wie Ailsa musste auch er sich um seine Aufgaben kümmern. Er verließ seine Turmkammer, durchquerte den großen Saal und verließ das hoch aufragende Gebäude. An den Ställen angelangt, befahl er einem kleinen Trupp Männer, ihn in das Gebiet zu begleiten, aus dem in der letzten Zeit verstärkt Beschwerden kamen, es würden sich dort Eindringlinge aufhalten. Einige Stunden später und viele Meilen entfernt, kreisten seine Überlegungen einzig um die Sicherheit seines Clans und seiner Ländereien.

Die alte Frau stieg rasch in Jocelyns Achtung, da jedes der von ihr angebotenen Heilmittel wahre Wunder bewirkte. Ailsas heißes Gebräu besänftigte ihren rebellischen Magen und linderte die Kopfschmerzen. Ein langes, sehr heißes Bad führte dazu, dass die Schmerzen und die Kälte aus dem Körper schwanden, die in der Nacht bis in ihre Knochen eingedrungen waren. In warmen Strümpfen, neuen Gewändern und einem Wolltuch um die Schultern, kam es Jocelyn vor, als sei alles nur ein Albtraum gewesen.

Da sie nicht zu Selbstmitleid oder gar schlechter Laune neigte, sagte sich Jocelyn, dass das Schlimmste wohl bereits hinter ihr lag. Sie hatte die mühselige Reise hierher überlebt sowie die Heirat und die Hochzeitsnacht mit der berüchtigten Bestie überstanden. Sie konnte sich angenehmere Erfahrungen vorstellen, aber das galt nicht ausnahmslos für jeden Aspekt ihrer neuen Situation. So hatten Connors Berührungen bei ihr Empfindungen ausgelöst, über die sie in Andeutungen von anderen Frauen vernommen hatte. Empfindungen, von denen ihr Ewan nur einen kleinen Vorgeschmack geboten hatte.

Wenn ihr Mann Wort hielt – und daran zweifelte sie nicht –, dann würde ihr Bruder inzwischen frei und unter dem Schutz der MacLeries auf dem Weg zu ihrem Clan sein. Jocelyn beabsichtigte, den Laird danach zu fragen, sobald sie ihm begegnete. Die MacLeries hatten Athdar mit Sicherheit kaum anständig behandelt, und sie konnte nur hoffen, dass er sich mit seinem aufbrausenden Temperament nicht noch mehr Schwierigkeiten eingehandelt hatte. Sie war davon überzeugt, er würde lernen, diesen Wesenszug zu zügeln, wenn er erst einmal älter war.

Zunächst einmal jedoch würde Athdar mit den nötigen Mitteln und Männern heimkehren, um die Burg und das Dorf wiederaufzubauen und den gesamten Clan durch den nächsten Winter zu bringen. Durch ihre Heirat war das Überleben ihrer Familie gesichert. Und auch wenn Ewans Verlust sie nach wie vor schmerzte, konnte sie nun davon ausgehen, dass dieses Jahr keiner ihrer Verwandten vor Hunger oder Kälte sterben musste.

Die Sonne hatte sich einen Weg durch die dichten Wolken gebahnt, die vom Unwetter der vergangenen Nacht noch über dem Land hingen. Ihre Strahlen verführten Jocelyn dazu, nach draußen zu gehen. Die griff nach ihrem Mantel und begab sich nach unten in den Saal. Als Erstes wollte sie zu ihrem Bruder und sich davon überzeugen, dass seine Freilassung in die Wege geleitet worden war. Vielleicht könnte sie anschließend mit ihm Festung und Vorburg erkunden, da er sicher froh darüber sein würde, endlich seine Zelle verlassen zu dürfen. Sie ging zu der Treppe, die in die Gewölbe führte.

Voller Vorfreude wollte sie die schwere Holztür aufdrücken, doch die gab nicht nach. Auch als sie den Riegel herunterdrückte, geschah nichts. Sie streckte sich, um durch das kleine Fenster in der Tür zu spähen. Gleichzeitig versuchte sie, sich an den Namen des Mannes zu erinnern, der hier am Abend zuvor Wache gehalten hatte.

Nein, zwei Abende zuvor, korrigierte sie sich. So viel war in so kurzer Zeit geschehen, dass sie die Ereignisse durcheinanderzuwerfen begann.

Sie schaute sich um, um sicher zu sein, vor der richtigen Tür zu stehen. Als der Laird sie zu ihrem Bruder gebracht hatte, war sie nicht verschlossen gewesen. Wieso jetzt? Dann auf einmal erinnerte sie sich an den Namen des Mannes.

„Duff? Duff, seid Ihr da?“

Keine Antwort. Sie versuchte noch einmal, die Tür zu öffnen, doch die wollte nicht nachgeben. Und nach der Stille zu urteilen, hielt unten auch niemand Wache.

„Duff?“, rief sie lauter. „Ist jemand da?“

„Weiß Ailsa, dass Ihr Euch nicht in Euren Gemächern aufhaltet?“

Vor Schreck stieß sie einen Schrei aus, als ihr diese Frage völlig unvermittelt ins Ohr geflüstert wurde. Sie drehte sich um und sah Connors Cousin Duncan vor sich stehen, der offenbar wieder nur Unfug im Sinn hatte. Ihr Gesäß schmerzte ihr bei dem Gedanken daran, wie sie seinetwegen beide im Morast gelandet waren.

Die Reise war zu einem Kräftemessen ausgeartet, da sie alles tat, um die Ankunft so lange wie möglich hinauszuzögern, während er sie immer wieder zur Eile anzutreiben versuchte. Als Duncan ihrem Pferd einen Klaps gab, damit es schneller wurde, ließ sie sich absichtlich vom Rücken des Tieres gleiten. Dabei griff sie nach Duncan, damit er ihren Aufprall abschwächte. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass er sie stattdessen mit sich zu Boden ziehen würde.

„Duncan“, sagte sie nur, ohne sich von der Stelle zu rühren.

„Mylady.“ Er verbeugte sich und setzte wieder dieses aufreizende Lächeln auf, mit dem er zum Ausdruck brachte, dass er alle Antworten kannte, sie aber nicht mit ihr teilen wollte. Warum hatte der Laird nur ihn ausgewählt, um sie aus ihrem Zuhause wegzubringen und an diesen Ort zu eskortieren? „Also? Weiß Ailsa von Eurer Flucht aus Euren Gemächern?“

„Bin ich hier eine Gefangene? So wie mein Bruder?“ Über die Schulter sah sie zur Tür in ihrem Rücken. Sein Gesichtsausdruck sprach in diesem Moment dafür, dass er letzte Nacht dem Wein gut zugesprochen hatte.

„Ihr seid eine Ehefrau, Mylady, keine Gefangene. Ailsa berichtete von Eurer Verfassung … davon, dass Ihr Euch heute Morgen nicht wohlfühlt.“ Er wich dabei ihrem Blick aus. Sie musste nicht wissen, dass andere Kenntnis von ihren persönlichen Angelegenheiten hatten. Vor allem nicht jemand wie er, der dieses Wissen benutzen konnte, um ihr Unbehagen zu bereiten.

„Mir geht es wieder besser, und zudem ich bin auf der Suche nach meinem Bruder“, sagte sie, drehte sich zur Tür um und klopfte an. „Aber Duff scheint nicht auf seinem Posten zu sein.“ Sie hielt inne und zögerte, ihn um einen Gefallen zu bitten, durch den sie in seiner Schuld stehen würde. „Könnt Ihr mich zu ihm bringen?“

Sein Gesicht nahm eine so graue Farbe an, als sei er derjenige von ihnen, dem übel war. Schließlich schüttelte er den Kopf. „Ihr müsst mit dem Laird über Euren Bruder reden.“ Dann bedeutete er ihr, ihm zu folgen. „Kommt, ich begleite Euch zurück zu Euren Gemächern.“

„Ich wünsche nicht, in meine Gemächer zurückzukehren. Ich will meinen Bruder sehen und für seine Freilassung sorgen. Die Abmachung ist Euch bekannt, schließlich habt Ihr sie im Namen der MacLeries ausgehandelt.“ Jocelyn zog den Wollschal höher um ihre Schultern. „Wenn Ihr sagt, ich muss mit dem Laird sprechen, bevor ich zu Athdar kann, dann holt den Laird her.“

„Holt den Laird her?“ Duncan blieben die Worte fast im Hals stecken. „Ihr redet von ihm wie von einem Tier, das Euch zu Diensten sein soll. Ihr müsst sehr behütet groß geworden sein, wenn Euch ein solches Benehmen gestattet wurde. Kein Wunder, dass Euer Clan am Boden liegt, wenn Euer Vater jedem erlaubt, so über MacLerie zu reden oder auch nur zu denken.“

Sein scharfer Tonfall machte sie stutzig. Auch wenn sie fand, dass er ihren Worten viel zu große Bedeutung zumaß, wusste Jocelyn, er war der Vertraute des Lairds. Wenn es ihm gelegen kam, konnte er das schwierige Verhältnis zwischen ihr und ihrem Ehemann noch komplizierter machen. Sie merkte ihm an, er war ein ehrbarer Mann, doch er war trotz allem die rechte Hand des Lairds.

„Ihr habt mich falsch verstanden, Duncan. Wenn Ihr mir den momentanen Aufenthaltsort des Lairds nennt, werde ich ihn gern persönlich aufsuchen, um ihn zu fragen. Meine Worte waren nicht respektlos gemeint.“

Er schien über ihre Bemerkung nachzudenken, dann nickte er. „Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr Euch von der Reise und von den … den Ereignissen der letzten Tage noch nicht vollständig erholt habt. Eure Sorge um Euren Bruder ist verständlich und sogar bewundernswert, jedoch unnötig. Connor hat gesagt, es geht ihm gut, und dann geht es ihm auch gut.“

Nur die heilige Mutter Gottes wusste, wie es ihr möglich war, ihre Hand unter Kontrolle zu halten. Mit jeder Faser ihres Körpers wollte sie eine Faust ballen, so wie Ewan es ihr beigebracht hatte, und sie am Kopf dieses Narren landen lassen. Doch auf einmal wurde ihr etwas anderes bewusst: Er hatte ihre Frage nicht beantwortet, sondern nur um ihr Anliegen herumgeredet.

Er wusste etwas, das er ihr nicht enthüllen sollte.

„Duncan, wo ist mein Bruder?“ Jocelyn starrte ihm ins Gesicht und sah, wie er einen Moment lang nach Worten suchte, um eine Erklärung oder eine Ausrede zu formulieren.

„Ah, seht, Mylady, da ist Ailsa.“ Duncan drehte sich auf dem Absatz herum und rief der Bediensteten quer durch den Gang zu: „Ailsa, deine Lady ist hier. Du bist keinen Augenblick zu früh eingetroffen, denn sie muss sich ausruhen.“

Autor

Suzanne Barclay
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Terri Brisbin
Das geschriebene Wort begleitet Terri Brisbin schon ihr ganzes Leben lang. So verfasste sie zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, bis sie 1994 anfing Romane zu schreiben. Seit 1998 hat sie mehr als 18 historische und übersinnliche Romane veröffentlicht. Wenn sie nicht gerade ihr Leben als Liebesromanautorin in New Jersey genießt, verbringt...
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