Baccara Gold Band 7

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1000 KÜSSE SIND NICHT GENUG von SELLERS, ALEXANDRA
Instinktiv spürt der attraktive Millionär Brad Slinger, dass die aufregende Natasha und die unscheinbare Tallia ein sinnliches Doppelspiel mit ihm treiben. Beide lassen sein Herz höher schlagen. Welche ist die Frau fürs Leben? Er lädt sie zusammen ein - und macht eine überraschende Entdeckung …

INSEL DER VERLOCKUNG von WINSTON, ANNE MARIE
Der exzentrische Whit Montgomery braucht dringend einen Erben - und die zierliche Susannah Geld, um die Operation für ihre kleine Tochter zu bezahlen. In ihrer gemeinsamen Nacht weckt Susannah in Whit jedoch eine Zärtlichkeit, die ihn hoffen lässt, auch ihr Herz erobern zu können.

KÜSS MICH, WÄRM MICH - LIEBE MICH von PACHECO, CHRISTINE
Romantische Weihnachten? Das ist nichts für Meghan! Bis ihr ein mächtiger Schneesturm einen Motorradfahrer beschert: Kyle Murdoch klopft an die Tür ihres Cottages. So sexy und männlich in seiner schwarzen Lederkluft, dass Meghan plötzlich an das Fest der Liebe glaubt …


  • Erscheinungstag 01.12.2018
  • Bandnummer 0007
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724719
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Alexandra Sellers, Anne Marie Winston, Christine Pacheco

BACCARA GOLD BAND 7

1. KAPITEL

Millionär gesucht

Sind Sie reich und möchten gern noch reicher werden? Erfinder sucht wegen Verlust der Förderung durch öffentliche Mittel Kapitalgeber für profitable Projekte. Zuschriften unter Chiffre 1686, Vancouver Herald.

„Vielleicht hast du diese Woche mehr Glück“, sagte Bel und legte die Zeitung beiseite, um sich ihrem Frühstücksei zu widmen. „Trotzdem finde ich, du solltest auch auf nationaler Ebene inserieren.“

Tallia, ihre Schwester, nickte stumm, kaute und schluckte. „Du hast recht. Wenn ich nächste Woche keine Antwort habe, werde ich es tun. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, als hätte ich bessere Chancen hier in Vancouver. Die Leute an der Ostküste glauben sowieso, wir hier an der Westküste wären Dummköpfe.“

Bel lachte über die bittere Ironie in ihrem Ton. „Und dass eine gut aussehende Blondine aus dem Westen höchstens den Intelligenzquotienten eines …“

„… Gartenwurms besitzen könnte“, schloss Tallia trocken. Die beiden Schwestern frühstückten in Bels Wohnung, weil ihr Balkon nach Osten hinausging und morgens Sonnenschein hatte. In Tallias Wohnung, die ein Stockwerk tiefer und nach Westen lag, aßen sie zusammen zu Abend, wenn Tallia nicht bis spätnachts im Labor arbeitete oder Bel in der Bibliothek der Uni. Da Tallia jedoch seit einigen Wochen kein Labor mehr hatte, saßen sie jetzt sogar noch häufiger als früher zusammen.

„Du hast mir noch nichts über diesen Mel Carter erzählt“, bemerkte Bel. Sie wusste, dass die Besprechung kein Erfolg gewesen war, interessierte sich aber für die Einzelheiten. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie so viel gelacht wie seit dem Tag, als ihre Schwester ihre Anzeigenkampagne begonnen hatte.

Tallia knirschte mit den Zähnen bei der Erinnerung daran und rümpfte ihre hübsche kleine Nase. „Mel Carter hat mehr Fangarme als ein Krake. Zum Schluss blieb mir nichts anderes übrig, als ihn zu treten.“

Bel machte große Augen. „Wow! Und wie hat er darauf reagiert?“

„Er sagte, Karate sei dem Gesetz nach eine Waffe, und er werde mich wegen Körperverletzung anzeigen.“

„Karate? Du hast doch gar keine Ahnung von Karate!“, entgegnete Bel verblüfft. „Was hast du mit ihm angestellt?“

Tallia zuckte die Schultern. „Ich habe ihm gesagt, dass es kein Karate war, sondern nur die ganz normale Reaktion einer Frau, die meint, was sie sagt. Er war wirklich wütend, aber das war ich auch.“

Bel richtete den Blick auf Tallias üppige Brüste, die sich unter dem dünnen Baumwollhemd abmalten. „Du kannst nicht einmal mit den Schultern zucken, ohne ein mittleres Erdbeben zu verursachen“, bemerkte sie. „Kein Wunder, dass der arme Kerl nicht mehr klar denken konnte.“

Bels Schwester war eine Schönheit. Von ihrem natürlich blonden Haar bis zu den Zehen ihrer perfekten kleinen Füße wies die sechsundzwanzigjährige Tallia Venables auch nicht den kleinsten Makel auf. Ihr dichtes blondes Haar war seidenweich und fiel ihr in üppigen Wellen auf die Schultern. Ihre Augenfarbe war von einem ungewöhnlichen Blaugrün, das Männer poetische Vergleiche über tropische Ozeane anstellen ließ. Ihre Nase war perfekt geformt wie die einer Statue. Sie hatte schöne weiche Lippen, deren sinnliche Fülle nicht auf Injektionen zurückzuführen war. Ihre festen Brüste – die ihre Agentin ein bisschen zu üppig fand für die momentane Mode – gingen in eine schmale Taille über und diese wiederum in schlanke, aber hübsch gerundete Hüften. Fantastische Beine, zierliche Fußknöchel …

Nicht, dass Bel neidisch auf ihre Schwester gewesen wäre. Schließlich galten alle aus der Familie Venables als recht gut aussehend, und Bel konnte man wahrhaftig nicht als unscheinbar bezeichnen. Und Tallia um ihre hinreißende Schönheit zu beneiden war ohnehin nicht leicht, wenn man bedachte, wie sehr sie darunter litt.

Das war etwas, was Bel erst aufgefallen war, seit sie in Vancouver studierte und im selben Gebäude lebte wie ihre Schwester. Denn erst jetzt, zum ersten Mal seit Tallia vor einigen Jahren nach Vancouver gezogen war, standen sich die beiden Schwestern wieder so nahe wie früher in ihrer Kindheit.

Tallias Schönheit war der Grund gewesen, warum sie ihre Familie vor einigen Jahren verlassen hatte. Eine Agentin, die ein Foto von ihr gesehen hatte, war in die kleine Heimatstadt der Schwestern gekommen und hatte Tallia überredet, ihre Studienpläne aufzugeben und stattdessen Geld mit ihrem Aussehen zu verdienen. „Deinen Verstand wirst du behalten“, hatte sie gesagt. „Aber wenn du Kapital aus deinem Aussehen schlagen willst, ist jetzt der richtige Moment dazu.“

Mit siebzehn war es Tallia wie eine wunderbare Idee erschienen, und ihre Eltern hatten es ihr auch erlaubt, unter einer Bedingung allerdings: dass sie für zwei Jahre nicht weiter fortging als nach Vancouver. Wenn es ihr nach zwei Jahren gelungen war, sich von ihrem Einkommen als Model zu ernähren, und es nach wie vor ihr Wunsch war, reich und berühmt zu werden, dann konnte sie gehen, wohin sie wollte. Toronto, Hollywood und New York würden warten müssen, bis Tallia älter war als siebzehn.

Es war das Klügste, was ihre Eltern hätten tun können, und ihre beste Verbündete dabei war Tallias Intelligenz. Nach zwei Jahren des Lächelns und Posierens als Natasha Fox – ihrem Alter Ego, in das ihre Agentin sie verwandelt hatte – langweilte Tallia sich zu Tode. Das Geld war ganz nett, aber der Ruhm war ihr eigentlich eher lästig. Mit neunzehn kehrte Tallia an die Universität zurück und zu ihrer ersten Liebe – den angewandten Wissenschaften. Ihre Film- und Fotomodellkarriere war fortan zweitrangig und nichts weiter als ein Nebenjob, von dem sie gut leben konnte, ohne auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen zu sein. Und ihre Einkünfte genügten sogar, um ihre Schwester Bel zu unterstützen, als sie nach Vancouver kam, um dort zu studieren. Das war der Grund, warum Tallia weitermachte. Und im Augenblick war sie auch froh darüber, weil das Geld ihr eine gewisse Unabhängigkeit verschaffte, während sie entschied, was sie als Nächstes tun sollte.

Tallia war in erster Linie Erfinderin, und da ihr Aussehen sich dabei oft als störend erwies, empfand sie ihre Schönheit eher als Behinderung denn als Vorteil. Als ziemlich große Behinderung im Moment sogar, weil sie mit der Grund gewesen war, dass sie ihren Forschungsauftrag an der Universität verloren hatte – durch einen Vorgesetzten, der es nicht verschmerzen konnte, dass sie seine sexuellen Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte. Nun stand sie vor der Wahl, entweder die Stellung anzunehmen, die ihr in der Entwicklungsabteilung einer großen Firma angeboten worden war, und zu tun, was diese Leute wollten, oder ihre Forschungen irgendwie selbst zu finanzieren und an dem zu arbeiten, was sie interessierte.

Daher also die Annonce. Aber wie Tallia sehr schnell lernte, ließen sich sogar geldgierige Multimillionäre von Sex ablenken. Sie hätte ihre gestrige Erfahrung mit dem aufdringlichen Mr. Carter auf eine Art beschreiben können, die Bel zum Lachen gebracht hätte, doch es lag echte Verzweiflung in ihrer Stimme, als sie seufzend fragte: „Was soll ich bloß tun, um diesen Leuten klarzumachen, dass ich Verstand besitze?“

Und Bel, mit dem Pragmatismus, den sie von ihrer Mutter übernommen hatte, erwiderte darauf: „Sie glauben ja gar nicht, dass du keinen Verstand besitzt, Tallia; Sex ist für sie bloß wichtiger. Vielleicht solltest du versuchen, deine Schönheit zu verbergen.“

„Verbergen? Wie?“, konterte Tallia. „Du hast doch gesehen, wie ich gestern Abend zu diesem Termin gegangen bin! Kein Make-up, die Haare zusammengebunden und in diesem schlichten Hosenanzug …“

Bel nickte geistesabwesend. „Marlon Brando“, sagte sie.

Tallia blinzelte verwirrt. „Was?“

„Hamsterbäckchen. Erinnerst du dich an den alten Film, den wir vor ein paar Monaten von ihm sahen? Darin trug er Wattepolster in den Wangen. Der Verzicht aufs Make-up nützt gar nichts. Du musst dich so zurechtmachen, dass du hässlich aussiehst. Ich wette, dass die Visagistin, die dich für ‚Northern Nights‘ schminkte, dich in eine unscheinbare graue Maus verwandeln könnte.“

Tallia starrte ihre Schwester an, während die Idee in ihrem Kopf Gestalt annahm. „Bel!“ Doch dann winkte sie wieder ab. „Nein, das kann nicht funktionieren. So ein Film ist etwas ganz anderes als die Wirklichkeit.“

„Ach komm, natürlich klappt es!“, rief Bel, die sich allmählich für die Idee erwärmte. „Wir könnten dich in den Glöckner von …“

Sie brach ab, als das unverkennbare Geräusch von Post, die durch den Schlitz in der Haustür fiel, ertönte und Tallia aufsprang. „Der Postbote!“, erklärte sie unnötigerweise und lief zur Tür.

„Lee!“, rief sie dem jungen Mann zu, der inzwischen weitergegangen war. Langsam wandte er sich zu ihr um und lächelte. Männer lächelten immer, wenn sie Tallia sahen, vor allem, wenn sie wie heute nur ein knappes Baumwollhemd trug und keine Strumpfhose, sodass man ihre nackten Beine bewundern konnte.

„Hi, Tallia“, sagte er.

„Hi, Lee. Hast du etwas für mich?“

„Moment“, sagte er und schaute in seine Tasche. „Nichts als Rechnungen, fürchte ich“, erwiderte er und gab ihr drei Umschläge.

Tallia nahm sie mit einem dankbaren Lächeln und lief zu Bel zurück. „Post!“, rief sie schon von Weitem. „Von der Zeitung!“

Bel schaute von ihren eigenen Briefen auf. „Schnell! Mach auf!“, befahl sie.

Tallia hatte den großen braunen Umschlag bereits aufgerissen und öffnete nun das einzelne Kuvert, das er enthielt. „Nicht zu fassen … Ich glaube es nicht!“, rief sie.

„Von wem ist er?“, fragte Bel.

Tallia hob den Kopf. „Von Brad Slinger“, wisperte sie. „Oh Bel!“

„Es wäre sinnlos, mitzukommen, Jake“, sagte Brad Slinger. „Ich kann dir jetzt schon sagen, dass ich nicht bereit bin, auch nur fünf Cents in irgendeinen Film zu investieren. Und es ist mir egal, ob dieser Regisseur der nächste François Truffaut ist.“

„Siehst du, genau das ist dein Problem“, wandte sein Freund, Anwalt und gelegentlicher Anlageberater nüchtern ein. „Jeder andere hätte Steven Spielberg genannt. Du hast Vorurteile gegen kommerzielle Filme.“

„Ich habe Vorurteile gegen alle Filme“, berichtigte Brad ihn trocken. „Und du kannst sagen, was du willst, es wird nichts daran ändern.“

„Aber wir reden hier von einem kanadischen Film. Es soll keine Geldanlage, sondern ein Geschenk sein. Damon Picton wäre vermutlich entsetzt, wenn ein Film von ihm als kommerzieller Erfolg betrachtet würde. Für ihn hieße das bloß, dass sein intellektuelles Niveau gesunken ist.“

„Ha.“

„Brad, ich muss es dir mal sagen“, entgegnete der Anwalt ruhig. „Du hast einen Ödipuskomplex, mein Junge.“

Sein Freund runzelte die Stirn. „Wie kann ich einen Ödipuskomplex haben, wenn ich meine Mutter seit meinem dritten Lebensjahr kaum noch gesehen habe?“

Jake, der es ihm nicht erklären konnte, obwohl er wusste, dass er recht hatte, gab es auf. „Hör zu“, sagte er. „Filme bedeuten Frauen. Schöne, sexy Frauen. Du liebst schöne Frauen, Brad. Also komm wenigstens mit, und sieh sie dir an.“

„Mag sein, dass ich schöne Frauen liebe, aber nicht, wenn sie Schauspielerinnen sind. Denn die …“, begann er, brach aber ab, als das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. „Entschuldige“, sagte er und nahm den Hörer auf. „Ja, Linda?“

„Jemand namens Tallia Venables, Brad. Sie sagt, sie sei Erfinderin, und Sie hätten ihr einen Brief geschrieben und sie gebeten, sich zu melden.“

„Sie?“, wiederholte er. „Na schön, stell sie durch. Brad Slinger“, meldete er sich, als er das Klicken in der Leitung hörte.

„Hi, Mr. Slinger. Hat Ihre Sekretärin Ihnen mitgeteilt, wer ich bin?“, fragte eine klare, warme Stimme.

„Tallia Venables … Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen überrascht bin.“

Sie zögerte. „Sie baten mich in Ihrem Brief, Sie anzurufen.“

„Ja. Aber ich hatte eigentlich einen Mann erwartet.“

Sie lachte ein wenig, obwohl sie an diese Reaktion gewöhnt sein musste, dachte er etwas verspätet. „Nun, dann muss ich Sie enttäuschen. Der Erfinder ist eine Frau.“

Sie unterhielten sich noch einen Moment, und Brad merkte, dass er sie sympathisch fand. „Hören Sie, ich glaube, am Telefon können wir nicht allzu viel besprechen“, meinte er schließlich.

„Ich fürchte, bevor ich Ihnen mehr erzählen kann, brauche ich von Ihnen eine schriftliche Erklärung, dass Sie sämtliche Informationen, die ich Ihnen gebe, vertraulich behandeln werden.“

„Dann sollten wir uns vielleicht treffen? Wann haben Sie Zeit?“

„Immer. Ich habe kein Labor mehr.“

„Gut. Einen Moment, bitte.“ Er schaltete sie auf Warten und betätigte die Gegensprechanlage. „Linda, suchen Sie mir einen freien Lunchtermin für diese Woche“, wies er seine Sekretärin an, weil irgendetwas in Tallia Venables’ Stimme ihm verriet, dass er das Gespräch mit ihr lieber in einer angenehmen, zwanglosen Atmosphäre führen wollte.

Linda blätterte in seinem Terminkalender. „Sie könnten Brian Holdiss am Freitag absagen. Das wollten Sie doch sowieso“, erinnerte sie ihn trocken.

„Linda, Sie sind ein Schatz“, sagte er und stellte wieder die Verbindung zu Tallia her. „Wie wäre es mit Freitagmittag, Miss Venables?“

„Das ist mir recht“, erwiderte sie erfreut. „Wo sollen wir uns treffen?“

„Geben Sie Ihre Adresse meiner Sekretärin. Sie wird Ihnen einen Wagen schicken.“

„Siehst du, das ist der Typ Frau, den ich bewundere“, bemerkte er zu Jake, als er aufgelegt hatte.

„Welcher Typ?“, fragte Jake ungläubig. „Du kennst sie doch noch gar nicht, oder?“

„Nein, aber sie ist intelligent, und ich kann an ihrer Stimme hören, dass sie nicht ihren Sex-Appeal verkauft.“

„Vielleicht, weil sie keinen hat.“

„Na und? Was macht das schon?“

Jake schaute ihn nur an. „Brad, wir sind Freunde, seit wir sechs waren. Ich muss dich erst noch mit einer grauen Maus im Arm sehen, um dir zu glauben. Ich meine, wann habe ich dich je mit etwas anderem als einem richtigen Superweib am Arm erlebt?“

„Nun ja, das kann sich ändern. Vielleicht war das ja mein Problem.“

„Problem? Du hast ein Problem mit Frauen? Seit wann?“

„Jake, man braucht kein Seelenklempner zu sein, um zu erkennen, dass ich schönen Frauen nicht vertrauen kann, weil meine schöne Mutter mich und meinen Vater verließ, als ich drei Jahre alt war, um nach Hollywood zu gehen. Ich habe oft darüber nachgedacht in letzter Zeit. Warum, glaubst du, bin ich noch nicht verheiratet?“

Sein Freund betrachtete ihn gleichmütig. „Aus zwei Gründen, Brad. Erstens, weil du erst dreiunddreißig bist und das zu jung ist, um zu heiraten, und zweitens, weil du viel lieber den Playboy spielst und alle Mädchen glücklich machst statt nur eines, wie mein Großvater zu sagen pflegte.“

Brad beharrte eigensinnig: „Ich weiß jetzt, dass ich mich bei einer unscheinbaren Frau wohler fühlen würde. Weil ich bei ihr sicher sein könnte, dass sie mich nicht verlassen wird. Ich könnte mich vielleicht sogar in eine solche Frau verlieben.“

„Hast du vollkommen den Verstand verloren? Was soll dieses plötzliche Gerede von Verlieben, und wieso dann auch noch ausgerechnet in ein Mauerblümchen?“

„Ich habe nicht gesagt, dass sie ein Mauerblümchen sein muss.“ Belehrend hob er einen Finger. „Sie muss ja nicht gleich hässlich sein. Aber angesichts dieses Dilemmas sehe ich die Dinge plötzlich sehr viel klarer, Jake.“

Jake wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Meinte sein Freund es ernst, oder machte er sich lustig über ihn? Plötzlich sah Jake das Ende eines idealen Lebensstils nahen, fühlte den eisigen Luftzug seiner eigenen Sterblichkeit über seine Brauen streichen und erschauderte. „Was für ein Dilemma, Brad?“

„Einerseits sind da deine frivolen Freunde aus dem Filmgeschäft und eine Menge höchst anziehender Frauen“, sagte Brad, „während wir auf der anderen Seite eine ernsthafte, intelligente und vermutlich recht unscheinbare Wissenschaftlerin haben. Beide Seiten wollen meine finanzielle Unterstützung. Und mir wird plötzlich klar, wo meine wahren Interessen liegen.“

„Nun, dann bin ich ja froh, dass das erledigt ist. Ich werde Damon sagen, dass er dich zur Premiere erwarten kann“, sagte Jake und tat, als sei er ungemein erleichtert. „Du solltest Linda bitten, Miss Venables anzurufen und ihr abzusagen.“

Brad schaute ihn an. „Siehst du, das ist dein Problem, Jake – dass du nie ernst sein kannst.“

„Das ist kein Problem, Brad“, erwiderte Jake, jetzt eine Spur gereizt. „Sei doch nicht so stur, und komm wenigstens mit zu der Premiere. Was hast du zu verlieren?“ Auf einmal erschien es ihm unendlich wichtig, dass Brad ihn zu der Premiere begleitete. „Es gibt danach ein ausgezeichnetes Büfett, und der Champagner wird in Strömen fließen.“

Brad seufzte. „Wenn sie ihren Lachs und Champagner darauf verschwenden wollen, mich zu überzeugen, dann können sie es gern tun. Aber ich habe noch nie in Filme investiert und beabsichtige auch nicht, es jetzt zu tun.“

Jake stand auf. „Alles klar, Brad. Bis Mittwochabend also“, antwortete er und nahm sich beim Hinausgehen vor, sofort Damon Picton anzurufen und ihn zu bitten, für den Premierenabend eine besonders attraktive Begleiterin für Brad zu finden. Denn wenn man ihn nicht so schnell wie möglich aus dieser seltsamen Stimmung riss, war es gar nicht auszudenken, wo das alles enden würde!

Tallia tanzte ausgelassen durch die Wohnung, als sie ihr Gespräch mit Brad beendet hatte. „Wir bekommen Geld und ein brandneues Labor, Bel!“, jubelte sie.

„Und eine Sekretärin und ein Handy“, fügte Bel lachend hinzu. Doch dann runzelte sie die Stirn und fragte: „Wieso bist du dir so sicher, dass Brad Slinger in deine neueste Erfindung investieren wird?“

Tallia lächelte. „Weil ihm die ‚Fitness Now‘-Studios gehören.“

„Wirklich? Ich dachte, er hätte Computerläden oder so etwas.“

„Hat er auch. Aber ihm gehört auch ‚Fitness Now‘.“

„Und du glaubst, du könntest ihn für diese Virtual-Reality-Geschichte interessieren?“

„Nun, er ist als Mann bekannt, der sich für Innovationen begeistert. Ich hätte gleich zu ihm gehen sollen.“

Bel schaute plötzlich auf die Uhr. „Himmel, ich muss zur Vorlesung!“ Sie lief zur Couch und schnappte sich rasch ihre Bücher. „Schließt du ab?“

„Ich komme mit“, sagte Tallia und nahm ihre Post vom Tisch.

Einige Minuten später, als sie die Tür zu ihrer eigenen Wohnung aufschloss, klingelte das Telefon.

„Ja?“

„Natasha?“

„Hallo, Damon“, sagte sie, als sie die Stimme des Regisseurs erkannte. „Wie geht’s?“

„Großartig. Hör mal, du kommst doch morgen Abend, nicht? Ich verlasse mich darauf.“

„Natürlich komme ich, Damon. Warum fragst du?“

„Weil ich einen Auftrag für dich habe. Wir haben einen Mann, der nur so im Geld schwimmt, aber noch nie in Filme investiert hat. Er kommt mit einem Freund. Hast du Jake Drummond kennengelernt, den Anwalt, der die Verträge für mich aufgesetzt hat? Er bringt ihn mit.“

„Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Tallia resigniert, weil sie bereits ziemlich sicher war, dass sie es wusste.

„Er liebt schöne Frauen.“

„Ach, Damon!“

„Du brauchst bloß beim Essen neben ihm zu sitzen und hübsch auszusehen“, meinte Damon beschwichtigend. „Und ihm klarzumachen, wie wichtig ‚Talent Films‘ für die kanadische Kultur ist. Versprich mir, dass du es tun wirst, Darling!“

„Damon …“

„Ich bitte dich ja nicht, mit ihm zu schlafen, Natasha. Es genügt, wenn du ein bisschen mit ihm flirtest“, drängte Damon. „Und dafür kriegst du die Rolle einer intelligenten Frau in meinem nächsten Film. Du kannst eine Brille tragen und eine Intellektuelle sein, und du brauchst dich nicht mal auszuziehen – nein, streich das wieder. Wir werden eine dieser Verwandlungsszenen einbauen – klischeehaft, aber immer sehr beliebt –, in denen das hässliche Entlein sich als wunderschöner Schwan entpuppt …“

„Du schaufelst dir dein eigenes Grab, Damon“, sagte Tallia unfreundlich.

„Darling, es ist ungeheuer wichtig für mich, dass du es tust.“

„Ja, das ist mir klar.“ Und dann, weil er wirklich ein sehr guter Regisseur war und sie wusste, wie es war, wenn man Geld für ein Projekt benötigte, seufzte sie.

Ihre Kapitulation entging ihm nicht. „Du bist ein Schatz, Natasha. Sieh mal, wir können es dir auch leichter machen, wenn du willst. Wir ziehen dich einfach wie Honey an, und du kannst den ganzen Abend ihre Rolle spielen.“

Honey war die Country-Sängerin, die Tallia in Damons Film gespielt hatte. Sanft, verführerisch und sexy. Sie hatte im Film eine Perücke mit einer blonden Löwenmähne getragen und einen Wonderbra.

Tallia atmete erleichtert auf. „Oh Damon, glaubst du wirklich, dass das ginge? Würde er keinen Verdacht schöpfen?“

„Natasha, reiche Geschäftsleute verstehen erstaunlich wenig von Filmen und Schauspielerei. Honey ist die Person, die er erwarten wird. Er wäre enttäuscht, sie nicht zu treffen. Ich werde Marie bitten, dir deine Perücke und die anderen Accessoires zu bringen und dir beim Schminken zu helfen, wenn du möchtest.“

„Aber es ist doch nur für dieses eine Mal, oder? Du erwartest doch wohl nicht, dass ich ihn nach Mittwochabend noch einmal wiedersehe?“

„Das liegt ganz bei dir, Natasha. Vielleicht gefällt er dir ja – er oder sein Geld.“

„Haha, Damon.“

„Solange du mir etwas davon übrig lässt. Du wirst dein Bestes tun, nicht wahr?“, fragte der Regisseur besorgt.

„Ich werde ihm sagen, du seist der nächste François Truffaut.“

Erst als sie den Hörer auflegte, kam Tallia zu Bewusstsein, dass sie nicht einmal den Namen des reichen Mannes kannte. Aber das war eigentlich auch gar nicht wichtig. Sie würde ihn noch früh genug erfahren.

2. KAPITEL

Im Film spielte Natasha Fox die Rolle der Honey Childe, einer berühmten Country-Sängerin. Welterfahren, aber nicht besonders intelligent, war Honey eines Sommers auf der Heimatinsel der jungen Hauptdarstellerin erschienen und hatte, unter ihren schmerzerfüllten Blicken, den gut aussehenden jungen Helden, in den die Hauptdarstellerin verliebt war, in die Freuden der körperlichen Liebe eingeführt. Zehn Jahre später, als sie vom Selbstmord ihrer einstigen Rivalin hörte, erinnerte sich die Heldin an die Qualen jenes Sommers.

Es war eine wunderbare Rolle, klein, aber zentral, die Natasha Fox hervorragend zur Geltung brachte. Als Star auf der Bühne war sie glamourös und selbstbewusst, doch hinter der Bühne war sie verletzlich und auf der Suche nach ihrer verlorenen Unschuld. Mit ihrem ewig zerzausten Haar und der abgeschnittenen alten Jeans war sie so verführerisch und sexy, dass ihr alle Männerherzen zuflogen.

Vor allem Brads. Während er dasaß und sich den Film ansah, versuchte er beständig, sich in Erinnerung zu rufen, dass er ein Narr war, falls er glaubte, die Schauspielerin sei auch nur entfernt wie jene Rolle, die sie spielte – aber es gelang ihm einfach nicht, sich ihrem Zauber zu entziehen. Die Szenen, in denen Honey barfuß durch das hohe Gras lief, lachend zur Sonne aufschaute, sich in dieser unglaublich kurzen Hose bückte, um eine Muschel aufzuheben, oder den jungen Hauptdarsteller küsste … all das erinnerte Brad nur allzu deutlich an das Erwachen seiner eigenen Sexualität. Nicht, dass er damals jemanden wie Honey Childe gehabt hätte, aber irgendwie rief diese Schauspielerin ihm all den jugendlichen Überschwang von damals wieder deutlich ins Gedächtnis. Während er auf die Leinwand starrte, gierte er geradezu nach diesen Erinnerungen, konnte gar nicht genug davon bekommen.

Als der Film beendet war und der Abspann lief, suchte er unwillkürlich nach dem Namen der Frau, die den Part der Honey Childe gespielt hatte. Natasha Fox. Das konnte unmöglich ihr richtiger Name sein; vermutlich war er genauso fiktiv wie die Frau im Film. Sie ist Schauspielerin, ermahnte er sich schroff. Das bedeutet eine falsche Persönlichkeit und falsches Haar, falsche Wimpern, falscher Mund und falsche … nein, falsche Beine sicher nicht.

„Ich gehe“, sagte er zu Jake, als das Publikum endlich aufhörte, zu applaudieren, und die beiden Männer sich erhoben.

Jake ergriff seinen Arm. „Bist du verrückt? Hast du sie nicht gesehen? Sie ist perfekt, verdammt!“

„Gesehen? Wen?“, stellte Brad sich dumm.

„Du weißt verdammt gut, wen. Sie ist deine Begleiterin heute Abend, Brad! Sie wird beim Essen neben dir sitzen. Benimm dich, Brad!“

Und damit er es auch wirklich tat, hielt Jake seinen Arm fest. Es war ein täuschend leichter Griff, der Brad jedoch unausweichlich zum Regisseur hinüberzwang, der im Foyer stand und in scheinbar entspannter Atmosphäre die Gratulationen verschiedener Freunde und Kollegen entgegennahm. Doch Jake ließ sich davon nicht täuschen. Als er Brad Damon Picton vorstellte, widmete der Regisseur unverzüglich Brad seine ganze Aufmerksamkeit.

„Wie schön, Sie zu sehen!“, rief Damon und schüttelte seinem potenziellen Geldgeber die Hand. „Hat Ihnen der Film gefallen?“

„Sehr gut“, antwortete Brad knapp. Er fühlte sich immer unbehaglich bei Leuten, die nur deshalb liebenswürdig zu ihm waren, weil er reich war.

„Damon, er war fabelhaft!“, sagte eine hagere dunkelhaarige Frau. „Ich verstehe jetzt, dass du mir nicht die Rolle der Honey geben konntest, obwohl ich damals furchtbar wütend war.“ Sie küsste seine Wange. „Natasha war wunderbar in dieser Rolle. Der Film ist einfach großartig!“

„Danke, das freut mich“, erwiderte Damon vage.

„Melody“, half ihm die Schauspielerin auf die Sprünge, und Brad starrte sie sprachlos an. Noch nie in seinem Leben hatte er jemanden mit einem solch unpassenden Namen gekannt. Melody? „Dissonanz“ wäre in diesem Fall treffender gewesen.

Damon befreite sich von der aufdringlichen Schauspielerin und ergriff Brads Arm, als befürchtete er, ihn im Gedränge zu verlieren. „Wo ist Nash?“, hörte Brad ihn leise zu jemandem an seiner Seite sagen. „Hat jemand Natasha gesehen?“, rief er dann lauter.

„Ich bin hier, Damon, Darling“, sagte die Stimme, die Brad schon während des Films unter die Haut gegangen war, und neugierig schaute er sich nach der Frau um, vor der die Menge sich jetzt ehrerbietig teilte. Ja, das war Honey Childe – von den wundervollen blaugrünen Augen, die ihn eben noch von der Leinwand angeschaut hatten, bis hin zu den üppigen, halb entblößten Brüsten und der schmalen Taille, die einen Mann dazu verlockte, seine Hand darumzulegen, und den perfekten kleinen Füßen, die in Pumps mit Stilettoabsätzen steckten … „Was kann ich für dich tun?“

Selbst die Stimme war dieselbe – sanft, kehlig und von einem starken Südstaatenakzent geprägt.

„Natasha, ich möchte dir jemanden vorstellen“, sagte Damon.

Sie lächelte und zeigte dabei perfekte weiße Zähne. „Aber gern“, erwiderte sie und lächelte noch strahlender, als sie sich Brad zuwandte. Und all seinen guten Vorsätzen zum Trotz machte sein Herz einen kleinen Sprung.

„Brad, das ist Natasha Fox. Sie haben Sie auf der Leinwand gesehen. Nash, das ist Brad Slinger.“

Unter ihrem Make-up erblasste Natasha Fox, und das Lächeln wich aus ihren Zügen. „Brad Slinger?“, wisperte sie und schwankte leicht. Brad war ziemlich sicher, dass er sich die Überraschung in ihrem Ton nicht eingebildet hatte – und auch nicht die verblüffende Erkenntnis, dass sie seinen Namen vollkommen akzentfrei ausgesprochen hatte.

Tallia taumelte vor lauter Schreck, was in den Stilettoabsätzen, die sie trug, lebensgefährlich sein konnte. Einer ihrer Füße knickte um, und wenn Brad Slinger nicht da gewesen wäre, hätte sie sich ganz bestimmt den Fuß verstaucht. Aber er umfasste rasch ihre Taille, noch bevor Honey merkte, dass sie stürzte.

„Danke“, hauchte sie erschrocken, während ihr Gehirn auf Hochtouren arbeitete und sie sich den Kopf zerbrach, wie sie sich verhalten sollte.

Du bist Natasha Fox, ermahnte sie sich streng. Und du spielst die Rolle der Honey Childe.

„Alles in Ordnung?“, fragte Brad Slinger besorgt, seine Hand noch immer fest um ihre Taille.

„Was ist passiert, Nash?“ Das war Damon. „Hast du dir wehgetan?“

„Nein, nein“, versicherte sie lächelnd und schlüpfte mühelos wieder in ihre Rolle als Honey Childe. „Es war nur mein Schuh, der sich im Teppich verfangen hatte.“ Damon nickte verständnisvoll, während er sich fragte, was hier vorgehen mochte. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht, das war klar. Falls Nash und Brad Slinger etwas miteinander hatten … Prüfend wandte Damon sich zu Brad um, doch dessen Gesicht verriet nichts anderes als die natürliche sexuelle Neugierde, die jeder normale Mann bei der ersten Begegnung mit Natasha Fox gezeigt hätte.

„Danke, dass Sie mich vor einem Sturz bewahrt haben“, sagte sie zu Brad.

„Es war mir ein Vergnügen“, gab Brad zurück, der inzwischen durchschaut hatte, dass die beiden ihr Spielchen mit ihm trieben. Und je mehr Natasha Fox ihn anlächelte, desto schwerer fiel es ihm, zu denken. Als sie sich sanft aus seinem Griff lösen wollte, hakte er sie unter. „Stützen Sie sich auf mich“, befahl er, und das Schlimmste war, dass er es auch so meinte.

Tallia erahnte harte, gut trainierte Muskeln unter seinem schwarzen Dinnerjackett. Verflixt, warum hatte sie Damon nicht nach dem Namen des reichen alten Geldgebers gefragt? Warum hatte ihr niemand erzählt, dass Brad Slinger ein atemberaubend attraktiver Mann war? Dass er jung war, hatte sie gewusst, weil sie erst vor Kurzem etwas über ihn gelesen hatte, in einer Reportage über Männer und Frauen, die ihr Vermögen vor ihrem dreißigsten Lebensjahr gemacht hatten – daher wusste sie, dass ihm „Fitness Now“ gehörte – aber das Foto in dem Artikel war ihm nicht gerecht geworden. Es hatte weder den Magnetismus in seinen wachen blauen Augen wiedergegeben, noch den verführerischen Duft, der seiner Haut anhaftete …

Einige Minuten später, als Tallias Verwirrung endlich nachließ, merkte sie, dass sie mit Brad Slinger im Fond einer Limousine saß und auf dem Weg zur Premierenfeier war. Und da sie nach wie vor nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte, starrte sie nur schweigend aus dem Fenster und versuchte, sich über ihr Dilemma klar zu werden.

Als Natasha Fox hatte sie versprochen, Brad Slinger heute Abend dazu zu überreden, in Damons nächsten Film zu investieren. Dann, am Freitag, hatte sie als Tallia Venables einen Termin mit ihm, bei dem sie ihn dazu bewegen musste, ihr ein Laboratorium zu finanzieren …

Es war gut möglich, dass er nicht mehrere Projekte fördern, sondern seine Mittel auf eines konzentrieren wollte.

Konnte sie jetzt noch mit der Wahrheit herausrücken? Ach, wissen Sie, ganz zufällig bin ich nämlich auch Tallia Venables, die Erfinderin. Sie verwarf die Idee sofort. Die meisten Männer hatten Schwierigkeiten, einzusehen, dass sie ein Gehirn besaß, selbst wenn sie sich in Sack und Asche hüllte. Wie sollte sie dann jemanden davon überzeugen, wenn sie so wie jetzt gekleidet war? Sie trug sogar den extra für sie entworfenen Wonderbra, der ihre ohnehin schon recht ansehnlichen Brüste noch viel üppiger erscheinen ließ.

Wäre es nicht einfacher, es ihm am Freitag zu erklären, wenn sie wieder wie sie selbst gekleidet war? Tallia beschloss, den peinlichen Moment noch etwas aufzuschieben. Lächelnd wandte sie sich an Brad. „Hat Ihnen der Film gefallen?“

„Sehr“, erwiderte er prompt. „Vor allem Sie.“

Sie wandte sich ab von dem, was sie in seinen Augen sah, und strich ihr Kleid über den Knien glatt. „Wirklich?“

„Wirklich“, wiederholte er trocken. „Ist das nicht der Grund, warum Sie hier sind?“

Ihr Blick kehrte zu seinem Gesicht zurück. „Sie verzeihen …?“

„Nun, Sie sind die aufregendste Frau im ganzen Film, nicht wahr? Hat Damon in seinem nächsten Film auch eine Rolle für Sie? Ich möchte wetten, dass er Ihnen bereits eine versprochen hat“, erwiderte Brad gereizt.

„Oh … keine Ahnung. Wieso fragen Sie?“

„Weil Sie dann nämlich ein echtes Interesse daran hätten, mich zu einer Beteiligung an den Produktionskosten zu überreden.“

„Ich brauche keine Rolle in seinem nächsten Film, um das zu tun“, erwiderte sie. „Damon ist ein sehr guter Regisseur. Er verdient jede Unterstützung, die er kriegen kann.“

Brad grinste. „Nun, es könnte ja sein, dass ‚Northern Nights‘ ein Kassenschlager wird und er dann kein fremdes Kapital mehr braucht.“

„Das hoffe ich.“ Neugierig neigte sie den Kopf. „Heißt das, dass Sie sich bereits entschieden haben, ihm kein Geld zu geben?“

„Ja“, antwortete er knapp.

Sie schien verwirrt. „Warum? Sie sagten doch, der Film habe Ihnen gefallen.“

„Das hat er, aber ich investiere nicht in Filme.“

„Sie meinen … nie?“

„Grundsätzlich nicht“, betonte er, falls sie glaubte, ihn noch umstimmen zu können.

Er begriff nicht, wieso sie das zum Lächeln brachte. „Wirklich? Warum? Weil die Aussichten, dass Ihr Geld Gewinn abwirft, Ihnen zu gering erscheinen?“

„Nein, das nicht.“ Er merkte plötzlich, dass er keine Lust hatte, über Geld mit ihr zu reden. Er wollte sie küssen. Aber das würde ihr bestimmt etwas verfrüht erscheinen. Zum Teufel damit, dachte er und beugte sich zu ihr vor, wobei er unwillkürlich ihr Parfüm einatmete. Es schien zu schwer für sie, zu süß, aber es musste eine Menge Moschus darin enthalten sein, oder was immer es auch sein mochte in Parfüms, was männliche Hormone anregte.

Nur Millimeter von ihrem Mund entfernt, hielt er inne. „Ich möchte Sie küssen“, sagte er mit leiser Stimme, die heiser vor Verlangen klang.

Tallia hielt den Atem an. Es war nichts Ungewohntes für sie, dass Männer so auf ihre Nähe reagierten. Was sie verblüffte, war ihre eigene Reaktion auf ihn; der prickelnde Schauer, der ihr über die Haut lief. Normalerweise interessierte sie sich nicht so schnell für einen Mann. Und Männer, die es eilig hatten, stießen sie besonders ab.

„Ich nehme an, das war als Kompliment gemeint“, erwiderte sie und kämpfte um Beherrschung.

„Es war eine klare Feststellung“, entgegnete er. „Lassen Sie sich küssen.“

„Nein!“, stammelte sie empört.

„Sie wollen es doch auch.“

„Wie können Sie so sicher sein?“

Er strich ihr mit einem Finger über den Nacken.

Abrupt wich sie zurück. „Geld scheint Männern sehr viel Selbstbewusstsein zu verleihen“, bemerkte sie trocken.

Brad war so schockiert, dass er sich zurücklehnte. Was war nur in ihn gefahren? Der letzte Mensch auf Erden, den er begehren wollte, war eine Schauspielerin. Und schon gar nicht eine, die wie Natasha Fox aussah. Wenn er je eine Frau getroffen hatte, die bei der ersten Gelegenheit nach Hollywood verschwinden würde, war es Natasha Fox. Er war nur erstaunt, dass sich ihr die Gelegenheit noch nicht geboten hatte.

„Entschuldigen Sie“, sagte er schroff. „Ich dachte, das wäre die Reaktion, die von mir erwartet wurde.“

Sie betrachtete ihn nachdenklich, und im Licht der untergehenden Sonne erkannte er das Misstrauen in ihrem Blick. „Sie kommen mir nicht wie ein Mann vor, der tut, was man von ihm erwartet. Und wenn, dann höchstens, weil es seinen Zwecken dient.“

Brad lachte unwillkürlich. Intelligent war sie also auch. Je schneller er sie loswurde, desto besser. „Sie haben recht, es ist ganz allein meine Schuld. Ich bitte um Entschuldigung.“

Es war nicht weit bis zu der Premierenfeier, und beide sahen mit Erleichterung, dass der Wagen bereits vor dem Restaurant anhielt. Tallia stieg aus und folgte einer kleinen Gruppe, die in einer anderen Limousine eingetroffen war, zum Eingang des Lokals. Doch falls sie glaubte, Brad für den Rest des Abends entkommen zu können, hatte sie sich getäuscht. Er mochte sich zwar sagen, dass es besser für ihn war, sie gehen zu lassen, aber als er merkte, wie sie die Flucht ergriff, erwachte in ihm der Instinkt des Jägers. Als sie das Restaurant betreten wollte, spürte sie eine warme Hand an ihrer Taille und brauchte sich nicht erst umzusehen, um zu wissen, wessen Hand es war. Das Prickeln ihrer Haut hatte es ihr schon verraten.

Immerhin war Damon bereits da und achtete darauf, dass seine Pläne an diesem Abend nicht durchkreuzt wurden. Brad und Natasha hätten schon das Lokal verlassen müssen, um seinem Arrangement zu entkommen. Brad verstand nicht, warum er es nicht einfach tat. Es wäre das Vernünftigste gewesen. Aber irgendwie schien ihm Vernunft die am wenigsten verlockende Option zu sein.

Es standen mehrere Tische in dem kleinen Saal, an denen Freunde und Kollegen saßen, und Damon hatte es so arrangiert, dass Tallia zwischen Brad und der Visagistin saß. Die Visagistin hatte strikte Anweisung erhalten, Natashas Aufmerksamkeit nicht von Brad abzulenken. Auf Brads anderer Seite saß ein Mitglied des Kamerateams, das angewiesen worden war, Brads und Natashas Gespräch in Gang zu halten.

Weder Brad noch Tallia waren sich dieser geschickten Absprachen bewusst. Sie wussten nur, dass es keine Möglichkeit zu geben schien, eine Unterhaltung zu vermeiden.

Und der Champagner floss in Strömen. Alle tranken mindestens zwei Gläser, bevor das Essen serviert wurde. Es war dieselbe Champagnermarke wie im Film; die Firma hatte auch die Getränke zur Premierenfeier beigesteuert.

Im Film war der naive junge Hauptdarsteller verlegen in ein Weingeschäft gegangen und hatte die Verkäuferin gebeten, etwas richtig Gutes für seinen Abend mit Honey auszuwählen. Die Verkäuferin hatte ihm also diese Champagnermarke empfohlen, und Honey, auf ihre liebenswerte, sexy Art, war dann auch mächtig beeindruckt gewesen. Kichernd hatte sie dem jungen Mann gestanden, dass Champagner sie ganz furchtbar unvernünftig mache …

Brad war viel zu weltmännisch für solche Albernheiten, und trotzdem merkte er, dass er fasziniert verfolgte, wie Natasha Fox den Champagner trank. Man konnte fast glauben, dass sie sich jeden Augenblick vorbeugen würde, um ihn zu küssen, so wie sie den romantischen jungen Helden in dem Film geküsst hatte …

„Mögen Sie Champagner?“, fragte er leise.

„Oh ja“, erwiderte Tallia. Sie hatte eine Vorliebe für dieses Getränk entwickelt, als sie die Szene drehten, die die Leute jetzt so erotisch fanden. Sie ließ Honey Childe – oder war es Natasha? – ein träges, verführerisches Lächeln aufsetzen, weil es ihr, solange es eine andere tat, nicht allzu gefährlich erschien, mit Brad Slinger zu flirten.

„Er macht Sie unvernünftig, was?“

„Manchmal.“

„Dann küssen Sie mich“, befahl er mit sinnlich rauer Stimme und beugte sich langsam vor. Tallia stockte der Atem, aber sie wandte sich nicht ab. Es war fast, als ob sie ganz allein an diesem Tisch säßen.

„Lassen Sie das!“, wisperte sie.

„Küssen Sie mich.“

„Nein!“

Er fluchte leise. Dann sagte er: „Dort ist eine Tanzfläche. Glauben Sie, dass die Leute nach dem Essen tanzen werden?“ Sie wusste, dass er sie berühren wollte. Es war fast, als ob er sie gefragt hätte, ob sie mit ihm ins Bett gehen wolle.

„Nein“, erwiderte sie. Dann: „Ich weiß es nicht. Aber wie auch immer, ich tanze nicht mit Ihnen.“ Sie wusste, dass es eine Lüge war, noch während sie es so vehement betonte. Er schaute sie an und bedachte sie mit einem Blick, der eindeutig besagte, dass auch er es wusste.

„Wie weit bat Damon Picton Sie, bei mir zu gehen?“, fragte er. „Welche Macht besitzt er über Sie?“ Er konnte es nicht fassen, dass er so redete. Er klang wie ein Verrückter. Aber er konnte einfach nicht mehr damit aufhören.

„Was fällt Ihnen ein!“ Tallia schob ihren Stuhl zurück und begann sich zu erheben.

Brads starke Hand legte sich um ihr Handgelenk. „Nein“, versetzte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Bleiben Sie – sonst stehe ich auf und gehe.“

„Sie werden Damon sowieso nichts geben. Das haben Sie selbst gesagt“, flüsterte Tallia ärgerlich, obwohl sie aufhörte, sich zu wehren.

Er ignorierte die Bemerkung. „Sie sind daran gewöhnt“, erklärte er schroff. „Sie erleben andauernd diese Reaktion bei Männern. Warum spielen Sie die Schüchterne bei mir? Ich will Ihnen doch nur zeigen, dass Sie gewonnen haben.“

Eines ihrer größten Handicaps in Tallias Filmkarriere war, dass sie Szenen hasste. Und deshalb schaffte sie es einfach nicht, zu tun, was sie jetzt hätte tun müssen – aufstehen und gehen. Die Szene zwischen ihr und Brad wurde von ihren anderen beiden Tischnachbarn bewusst ignoriert. Es war tatsächlich so, als säßen sie allein am Tisch.

„Sie sind der arroganteste Mann, dem ich je begegnet bin!“

„Und ich will Sie“, sagte er und schaute ihr in die Augen. „Was gedenken Sie dagegen zu unternehmen?“

„Sie sind verrückt!“

Wieder schaute er sie an, ließ seine Augen für sich sprechen und lächelte zufrieden, als sie den Atem anhielt und den Blick nicht von ihm abwenden konnte. „Vollkommen“, stimmte er ihr ruhig zu und starrte ihren Mund an. „Haben Sie Silikon in Ihren Lippen?“, erkundigte er sich leise. Sein eindringlicher Blick war ihr fast unerträglich. Er schaute sie an wie ein Tiger sein Opfer, kurz bevor er sich zum Sprung entschließt.

„Selbstverständlich nicht“, erwiderte sie. Endlich gelang es ihr, den Blick von Slinger abzuwenden. Jemand stellte einen Teller vor sie hin, und froh über die Unterbrechung, nahm sie ihre Gabel auf.

„Es ist also alles Natur bei Ihnen?“

„Ich glaube nicht, dass Sie Gelegenheit bekommen werden, enttäuscht zu sein, falls es nicht so sein sollte“, erwiderte sie in gedehntem Ton, weil sie sich plötzlich an ihren Südstaatenakzent erinnerte. Hatte sie ihn in diesen letzten verrückten Augenblicken etwa ganz vergessen? Mit einem sinkenden Gefühl, das Verzweiflung ziemlich nahe kam, fragte sie sich, was sie Brad sagen sollte, wenn sie ihm als Tallia Venables begegnete.

„Verlassen Sie sich nicht darauf. Ich habe einen Verbündeten im gegnerischen Lager.“

Sie starrte ihn an. „Wen? Falls Sie glauben, Damon …“

Er berührte sie nicht, aber sein Blick war wie ein Streicheln. „Sie“, sagte er leise.

Erschauernd senkte sie den Kopf. Sie war nicht gewappnet gegen seinen Charme. Viele Männer fühlten sich sexuell zu ihr hingezogen, obwohl sie bei ihr nichts anderes als Groll und Abscheu weckten. Doch diesmal war es anders. Brad Slinger machte sich nichts vor; er war sich seiner völlig sicher. Ein fast ärgerlicher Zug lag um seine Lippen, und seine Augen glitzerten wie blaues Eis.

Dennoch musste sie es versuchen. „Viele Männer würden das gern glauben“, sagte sie.

Brad schüttelte sich im Stillen. Was zum Teufel fiel ihm ein, eine schöne Schauspielerin anzumachen wie ein Teenager oder … Er hatte genug Männer gesehen, die so mit Frauen redeten, die sie für verfügbar hielten. Sie hatten ihn immer angewidert, und es entsetzte ihn, dass er sich auf ihr Niveau herabbegeben hatte.

„Dann setze ich mich auf die Liste“, entgegnete er trocken. Der strafende Ton in seiner Stimme galt ihm selbst, nicht ihr, aber sie runzelte die Stirn und bedachte ihn mit einem kühlen Blick.

„Tun Sie das ruhig!“, sagte sie und wandte sich resolut zu der Stilistin auf ihrer anderen Seite um.

Danach gab es nichts mehr, was Natasha dazu bringen konnte, das Wort an Brad zu richten, und schließlich sagte er sich resigniert, dass es wahrscheinlich sowieso das Beste war, diese Frau so schnell wie möglich zu vergessen.

Natasha verließ die Party früh, in einem Taxi. Brad sah ihr nach, als sie zur Tür ging, machte aber keinen Versuch, sie aufzuhalten. Sie war genau die Art von Frau, in die er sich auf gar keinen Fall verlieben wollte.

3. KAPITEL

Tallia schlief kaum in jener Nacht und stand schon sehr früh auf. Um halb acht rief sie ihre Schwester an.

„Hm?“, murmelte Bel verschlafen.

„Bel, entschuldige, dass ich dich geweckt habe, aber ich brauche deine Hilfe.“

„Ich stehe sofort auf.“ Bels Stimme klang plötzlich überraschend klar, und vier Minuten später stand Bel schon vor Tallias Tür. „Was ist passiert?“

„Der reiche Mann, den Natasha Fox dazu bringen sollte, Damons nächsten Film zu finanzieren, war Brad Slinger.“

Bel sah sie entgeistert an. „Im Ernst?“ Sie kam herein und schloss die Tür. „Das ist ja furchtbar! Wird er jetzt sein ganzes Geld für diesen Film ausgeben?“

„Er investiert nicht in Filme. Das hat er selbst ausdrücklich betont.“

„Und was hast du gesagt? Wie hast du ihm erklärt, dass du zwei verschiedene Personen bist?“

„Gar nicht. Ich war zu feige.“

Bel starrte sie betroffen an. „Du hast ihm nicht erzählt, dass Natasha Fox in Wirklichkeit Tallia Venables ist und du ihn morgen treffen wirst?“

Tallia hob wie zum Protest die Hand, ließ sie dann aber wieder sinken. „Nein“, erwiderte sie, wandte sich ab und ging zur Küche.

Bel folgte ihr. „Ich fasse es nicht! Er weiß es wirklich nicht? Was wirst du ihm sagen, wenn du ihn siehst?“

„Deswegen habe ich dich angerufen. Wir müssen uns etwas überlegen. Es ist nämlich bei Weitem nicht so simpel, wie es sich anhört. Er hat sich auf den ersten Blick in Natasha Fox verliebt. Alles rein körperlich natürlich. Wenn ich daran denke, wie ich angezogen war, könnte ich mich ohrfeigen!“

„Wie hättest du das auch ahnen sollen?“, wandte Bel ein.

„Ich bin ziemlich sicher, dass er mich für dumm wie Bohnenstroh hält. Und er wird sich meine Ideen nicht anhören, solange er nichts anderes als Sex im Kopf hat. Das Einzige, was bei ihm noch funktionieren wird, sind seine Augen. Aber er wird mir weder zuhören noch mich ernst nehmen. Es sei denn, ich ginge auf sein Spielchen ein.“

„Würdest du das tun?“, fragte Bel erstaunt.

„Nein!“, erklärte Tallia entschieden. „Natürlich nicht!“

Bel rümpfte die Nase. „Ist er alt und hässlich?“

Tallia seufzte. „Nein. Er ist jung und …“ Ihr fehlten die Worte, um ihn zu beschreiben, aber das wohlige Erschauern, das sie bei der Erinnerung durchzuckte, war beredt genug.

„Attraktiv?“, fragte Bel lächelnd.

Tallia kehrte ihr den Rücken zu und schwieg.

„Hat er dich – Natasha, meine ich – um eine Verabredung gebeten?“

„Nein. Er hat mir praktisch rundheraus erklärt, dass er mit mir ins Bett will, aber er hat sich nicht die Mühe gemacht, mich wenigstens vorher zum Essen einzuladen. Und dann haben wir uns gestritten und kein Wort mehr miteinander geredet.“

„Du hast dich gestritten? Mit dem Millionär, durch den du wieder an ein Labor zu kommen hoffst? Du kennst ihn doch überhaupt nicht, Tallia! Wie konntest du da mit ihm Streit beginnen?“

„Sag du es mir.“ Tallia setzte sich an den Küchentisch und schenkte Kaffee ein. „Was soll ich jetzt bloß tun, Bel?“

Bel zuckte hilflos mit den Schultern. „Du könntest den Termin mit ihm verschieben.“

„Was würde mir das nützen?“

„Keine Ahnung. Vielleicht verblasst dann seine Erinnerung an dich.“

„Er braucht mich nur anzusehen, um zu wissen, dass ich Natasha Fox bin.“

Bel, die gerade an ihrem Kaffee nippte, richtete sich plötzlich auf und setzte ihre Tasse ab. „Vielleicht. Vielleicht auch nicht.“

„Komm schon, Bel, du …“

„Nein! Weißt du noch, worüber wir vor ein paar Tagen sprachen? Dass du dich als graue Maus verkleiden solltest? Das wäre doch eine Möglichkeit!“

Auch Tallia setzte ihre Kaffeetasse ab. „Glaubst du wirklich, dass er es nicht merken würde, Bel?“

„Der Trick dabei ist, dich so unscheinbar zu machen, dass er dich nicht mal ansieht. Das Problem ist höchstens deine Stimme.“

Tallia grinste. „Aber Daaaaarling – ich habe den ganzen Abend lang wie Honey Childe gesprochen“, erwiderte sie mit kehliger Stimme und dick aufgetragenem Südstaatenakzent. Dann verzog sie das Gesicht. „Oder zumindest hoffe ich es.“

Bel ließ ihre Vorlesungen an diesem Morgen ausfallen, um mit Tallia in die Stadt zu fahren. Am späten Nachmittag, als sie alles besorgt hatten, was sie benötigten, kehrten sie heim zu einer Kostümprobe.

„Das Wichtigste zuerst“, befahl Bel. „Geh und wasch dein Haar.“ Sie hatten sich für eine mittelbraune Tönung für Tallia entschieden, die sich mit der Zeit herauswaschen würde.

„Perfekt!“, entschied Bel, als Tallia frisch getönt zu ihr zurückkam. „Diese Farbe hat wirklich null Sex-Appeal!“

Tallia musste ihr zustimmen, als sie in den Spiegel schaute. Die mittelbraune Tönung war zu schwach, um ihre eigene Haarfarbe drastisch zu verändern, aber sie hatte ihrem blonden Haar einen ungesunden, schmutzig grauen Ton verliehen.

„Wunderbar! Und jetzt der BH.“ Es war Bels Idee gewesen, Tallias Oberkörper mit einer elastischen Binde zu umwickeln, um ihre Brüste flacher erscheinen zu lassen.

Tallia hatte sich in einem Warenhaus einen billigen Hosenanzug aus braunem Jersey gekauft, mit einer etwas zu engen Jacke und einer viel zu weiten Hose, was die Silhouette ihrer Hüften und Oberschenkel ruinierte, und eine scheußliche Polyesterbluse in Pink und Orange mit weitem Rüschenkragen, der ihren Hals zu dünn erscheinen ließ. Tallia betonte den Effekt noch mit Make-up.

Ihre ungewöhnliche Augenfarbe verfälschten sie mit braunen Kontaktlinsen. Da ihnen keine Zeit geblieben war, ein Rezept zu holen, würde Tallia nun eine alte Brille tragen müssen, die sie nicht mehr benutzte, seit sie fünfzehn war. Die großen Gläser und das schwere Gestell waren einst modern gewesen, aber heute wirkten sie schlicht unmöglich.

Bel trat zurück, um sie kritisch zu betrachten. „Also, wie eine Intellektuelle siehst du wirklich nicht mit dieser Brille aus“, bemerkte sie zweifelnd.

„Macht nichts.“ Tallia begann allmählich Vergnügen an ihrer Verwandlung zu empfinden. Warum war sie bloß nicht schon vorher auf die Idee gekommen? Die Freiheit winkte. Vor ihren eigenen Augen verwandelte sie sich in eine unscheinbare graue Maus. Es war nicht schwer, ihr Gesicht zu verändern, wenn sie ihre Augenbrauen mit einem schwarzen Stift ausmalte und sich mit den falschen Farben schminkte. Braun- und Orangetöne passten einfach nicht zu ihrer Haut und ließen sie fahl und ungesund erscheinen.

Was Bel als „Tüpfelchen auf dem ‚i‘ bezeichnete“, waren die falschen Zähne. Tallia hatte sie einmal bei einem Vorher-nachher-Werbespot für eine Zahnklinik getragen. Aus dünnem Porzellan, ließen sie ihre eigenen Vorderzähne uneben und etwas vorstehend erscheinen und veränderten die Form ihres Mundes. Da die Spange eigens für sie angefertigt worden war, hatte man ihr erlaubt, sie zu behalten.

Als Tallias Verwandlung komplett war, traten die beiden Mädchen vor den Spiegel und bewunderten ihr Werk. Tallia war nicht eigentlich hässlich jetzt, nur eine ganz normale, etwas unattraktive Frau, die ihre Vorzüge nicht zu betonen wusste und keine Ahnung hatte, wie man sich richtig anzog. Für ihr Alter war sie viel zu konservativ gekleidet.

„Ich verstehe nicht, wie du es ertragen kannst, dich so zu zeigen“, sagte Bel.

Tallia lächelte nur zufrieden, worauf Bel sie warnte: „Lächle ihn bloß nicht so an, denn dann siehst du trotz deiner Zähne wie du selbst aus. Wenn du lächelst, dann nur mit geschlossenem Mund, Tallia.“

„Einverstanden“, sagte sie und dachte, dass es ihr bestimmt nicht schwerfallen würde, sich bei Brad Slinger das Lächeln zu verkneifen.

„Und beweg dich wie eine Frau, die sich ihres Körpers nicht bewusst ist. Lass ein bisschen die Schultern hängen. Dein Gang könnte dich genauso gut verraten wie alles andere.“

Tallia nickte und ging ein paarmal durch das Wohnzimmer, um zu üben. Als das Telefon klingelte, zuckte sie zusammen. „Wer kann das sein?“ Sie nahm ab.

„Nash?“, fragte eine besorgte Stimme.

„Hi, Damon“, sagte sie verlegen und fragte sich, ob der Regisseur wohl anrief, um sich über ihr Benehmen bei der Premierenfeier zu beschweren.

„Hi, Nash. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leidtut.“

„Schon gut“, sagte sie. „Ich habe es überlebt.“

„Dann hat er sich also schon gemeldet? Ich habe versucht, dich heute Morgen anzurufen, um dich zu warnen, aber es nahm keiner ab, und dein Anrufbeantworter schaltete sich nicht ein.“

Tallia runzelte die Stirn. „Warnen? Wovor?“

„Ich habe Brad Slinger gestern Abend deine Telefonnummer gegeben“, gestand der Regisseur zerknirscht.

„Oh nein, das ist nicht wahr, Damon!“, rief Tallia entsetzt.

„Ich fürchte doch. Tut mir leid, Nash.“

„Nun, ich hoffe, dass er dir wenigstens eine Finanzspritze für deinen Film dafür versprochen hat“, entgegnete sie bitter.

„Nein“, widersprach er ernst. „So war es nicht, überhaupt nicht! Es war seine Persönlichkeit … Großer Gott, Nash, ich konnte ihm diese Bitte nicht abschlagen. Weißt du, er ist einer dieser Menschen, die ein Nein einfach nicht akzeptieren … Sag, dass du mir verzeihst, Darling.“

„Oh, verdammt!“, murmelte sie hilflos. Als sie den reumütigen Regisseur endlich losgeworden war, wandte sie sich kopfschüttelnd zu ihrer Schwester um und erzählte ihr die Neuigkeiten. „Was soll ich jetzt tun? Er wird Tallias Telefonnummer haben wollen, und wenn er merkt, dass es dieselbe ist … denn das muss er doch merken, oder?“

Die letzten Worte klangen hoffnungsvoll, aber Bel verzog nur das Gesicht und sagte: „Wenn er euch beide anruft, merkt er es auf jeden Fall.“

„Dieser verflixte Damon! Was soll das heißen, er konnte ihm diese Bitte nicht abschlagen?“

Bel zog die Brauen hoch. „Wie immer er es auch gemeint hat – betrachte es als Warnung! Wahrscheinlich wird es auch dir nicht leichtfallen, ihm irgendetwas zu verweigern. Du solltest ihm meine Telefonnummer geben.“

„Ich habe das Gefühl, dass es ein komplettes Desaster wird!“, stöhnte Tallia. „Fast wünschte ich, er würde anrufen und absagen!“

Aber Brad Slinger sagte nicht ab. Am nächsten Mittag, nach einer Nacht der Ungewissheit und einem Morgen hektischer Vorbereitungen, stieg Tallia nervös aus dem Wagen, den er ihr geschickt hatte, und ging durch die Tür eines sehr teuren und sehr exklusiven Restaurants. Die Tische waren mit Damast gedeckt, mit Silber und Kristall, und die Kellner waren Franzosen – oder gaben sich zumindest so.

„Ich bin mit Mr. Slinger verabredet“, sagte sie dem Oberkellner, der den Gästen die Plätze zuwies.

Er nickte höflich. „Selbstverständlich, Madame.“ Sie hatte schon des Öfteren hier gegessen, aber nichts ließ darauf schließen, dass er sie erkannte. Das war ein gutes Zeichen, denn die Aufgabe eines Maître war, seine Gäste zu erkennen.

Die Restauranttür öffnete sich hinter ihnen, und sämtliche Gespräche schienen zu verstummen, als Brad Slinger das Lokal betrat. Er strahlte eine Vitalität und Männlichkeit aus, die niemandem entgehen konnte, aber natürlich umgab ihn auch der unverwechselbare Duft des Geldes, was wohl der Grund war, warum der Oberkellner sich so dienstbeflissen vor ihm verbeugte. Nicht wie bei Tallia, wo seine Verbeugung fast ein wenig überheblich ausgesehen hatte, sondern mit einer fast unmerklichen Kopfbewegung und einem sehr zuvorkommenden: „Mr. Slinger! Ich bin entzückt, Sie wieder bei uns zu begrüßen, Sir. Diese Dame hier hat nach Ihnen gefragt. Ihr Tisch ist bereit, Sir.“

Brad trug einen eleganten Anzug mit Krawatte. Als der Oberkellner sie zu ihrem Tisch führen wollte, blieb Brad einen Moment stehen. „Miss Venables“, sagte er und reichte ihr die Hand.

Die kühle Förmlichkeit der Geste verblüffte sie nach der Intensität ihrer letzten Begegnung, aber Tallia erholte sich sehr schnell von ihrer Überraschung und legte ihre Hand in seine. Ihre Hände trugen keine Spuren mehr von Natashas dunkelrotem Nagellack, den langen, künstlichen Fingernägeln und ihrem Schmuck. Mit den flachen Schuhen war sie etwas kleiner als Natasha Fox, und Brad Slinger schaute sie ohne das geringste sexuelle Interesse an. Plötzlich fühlte sie sich hundertprozentig sicher in ihrer Kostümierung.

„Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Slinger“, sagte sie und bemühte sich, nicht allzu atemlos dabei zu klingen. Sie hatte ihren Sex-Appeal verloren, doch Brad Slinger besaß den seinen noch, und das ließ sie unwillkürlich schneller atmen. Aber diese atemlose Stimme gehörte nicht ihr, sondern Natasha.

Sie nahmen Platz und ließen sich die Speisekarte geben.

„Was möchten Sie trinken?“, fragte Brad, während er die Weinkarte studierte.

Es kam selten vor, dass Männer mit ihr sprachen, ohne sie anzusehen. Tallia blinzelte vor Erstaunen über diese neueste Erfahrung. „Tomatensaft, bitte“, erwiderte sie.

Erst als die Getränke kamen und die Bestellung aufgenommen war, schien Brad Tallia zum ersten Mal richtig anzusehen. In einem stummen Toast hob er sein Glas und trank. Tallia lächelte, ohne die Lippen zu öffnen, und nahm einen Schluck von ihrem Saft.

Jake hatte recht, dachte Brad gleichgültig. Sie verließ sich nicht auf ihren Sex-Appeal, weil sie kaum welchen besaß – obwohl er ziemlich sicher war, dass sie, wenn sie sich ein bisschen bemühte, mehr aus sich machen könnte. Er sah, dass sie den Mund geschlossen hielt beim Lächeln, um schiefe Zähne zu verbergen, aber so schlecht waren sie auch wieder nicht. Und im Übrigen musste sie doch wissen, dass man Zähne richten konnte.

Er war ein Experte auf dem Gebiet der Damenmode – und ihrer Kosten –, aber was diese Frau trug, passte in keins seiner Konzepte; so etwas hatte er noch nie gesehen. Vielleicht hatte sie den Anzug und die Bluse in einem Secondhandshop oder in einem billigen Warenhaus gekauft. Wenn ich Geld in sie investiere, dachte er belustigt, müsste ich eigentlich froh sein, wenn sie es nicht für Kleider ausgibt. Doch statt Erleichterung zu verspüren, wurde er zunehmend ärgerlicher, denn vergeudetes Talent empörte ihn. Und diese Frau hätte ihre Vorzüge gar nicht wirksamer verschwenden können, selbst wenn sie sich die größte Mühe gegeben hätte, es zu tun.

Unwillkürlich dachte er daran, dass er Jake gesagt hatte, er würde sich gern in eine unscheinbare Frau verlieben. Aber dabei hatte er wohl eher an irgendeine interessante, aber nicht wirklich unscheinbare Frau gedacht. Ganz sicher jedoch nicht an jemanden wie Tallia – mit dieser unmöglichen Brille, dem fast mausgrauen Haar, das zu einem altmodischen Knoten aufgesteckt war, dem viel zu dünnen Hals und dem ungesunden Teint.

Als sie sich dann jedoch unterhielten, begann sie ihm sympathischer zu werden. Sie besaß Verstand, eine Eigenschaft, die er immer sehr geschätzt hatte, und in gewisser Weise war es eine Erleichterung für ihn, mit einer Frau zusammen zu sein, die nicht versuchte, mit ihm zu flirten. Das gefiel ihm, obwohl er aufrichtig genug war, um sich einzugestehen, dass weibliche Koketterie auch durchaus ihre Reize haben konnte und nur selten ihre Wirkung auf ihn verfehlte – wie zwei Abende zuvor bei Natasha Fox, erinnerte er sich mit einem Anflug von Begierde.

Geistesabwesend fragte er sich, ob er sich allen Ernstes dazu entschließen könne, sich in eine Frau wie Tallia zu verlieben. Oder ob er sich dazu zwingen könne, Natashas Reize zu vergessen. Eine Frau wie sie war genau die Richtige, um „sich die Hörner abzustoßen“, wie Jake zu sagen pflegte, aber Brad wusste aus Erfahrung, dass der Mann, der eine solche Frau auch heiratete, ein Narr war.

„Wieso haben Sie die öffentlichen Mittel für Ihre Forschungen verloren?“, fragte er, um das Gespräch nicht abbrechen zu lassen.

Tallia zuckte mit den Schultern. „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“, erwiderte sie, ohne lange nachzudenken. „Ich habe den Leiter des Projekts wohl einmal zu oft abgewiesen, und auf diese Weise hat er sich an mir gerächt.“

Brad schwieg einen Moment und senkte dann den Blick. „Warum haben Sie ihn nicht angezeigt?“

„Weil es Jahre dauern würde, bis über den Fall entschieden würde. Außerdem bin ich froh, nicht mehr mit Henry zusammenarbeiten zu müssen. Ich hatte immer Bedenken, ihm von meinen Projekten zu erzählen, aus Angst, er würde mir meine Ideen stehlen.“

Brad nickte. Diese Erklärung befriedigte ihn. Über Geschmack ließ sich nicht streiten, und es gab Männer, die sich aus purer Machtbesessenheit Frauen aufdrängten, ganz gleich, ob diese nun attraktiv waren oder nicht. Aber diese Frau so gelassen über sexuelle Belästigung reden zu hören – so wie sie aussah … Nun ja, er glaubte ihr schon, aber es kam ihm irgendwie doch ein bisschen komisch vor.

Vielleicht war diese sexuelle Belästigung der Grund, warum sie sich so kleidete? Auch das erschien ihm eine logische Erklärung, die er akzeptieren konnte.

„Was erforschen Sie gerade?“, fragte er.

Sie überlegte kurz. „Ich arbeite an verschiedenen Projekten, aber was Sie interessieren dürfte, liegt im Bereich von Virtual Reality. Es ist auch das einzige meiner Projekte, das kurz vor dem Abschluss steht.“ Sie legte die Gabel nieder und griff nach ihrem Aktenkoffer. „Aber bevor ich Ihnen mehr erzähle, müssten Sie mir dieses Dokument hier unterzeichnen.“

Er nahm es und stellte fest, dass es sich um eine Art eidesstattlicher Erklärung handelte, der zufolge er Schweigen über den Inhalt des beiliegenden Dokuments bewahren würde. Er nahm einen Kugelschreiber aus der Jacketttasche und winkte dem Oberkellner, an den Tisch zu kommen. „Wären Sie bereit, eine Unterschrift zu bezeugen, François?“

Nachdem Brad seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hatte, unterzeichnete auch der Maître und schrieb seinen Namen und seine Adresse auf, bevor Brad Tallia das Dokument zurückgab. Nach einem neugierigen Blick auf sie ging der Oberkellner wieder.

„So“, sagte Brad.

Tallia stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn auf ihre Hände. „Urlaub mit Virtual Reality“, sagte sie ruhig. „Das könnten Sie in Ihren Fitnessclubs anbieten, wenn mein Projekt entwickelt ist. Wir könnten stressgeplagten Leuten eine Stunde in einem tropischen Paradies verschaffen, ohne dass sie Vancouver verlassen müssten.“

Brad beugte sich vor. „Und wie soll das möglich sein?“

„Wie gut kennen Sie sich aus mit Virtual Reality?“

„Meine Neffen haben mir einmal einen Helm aufgesetzt, um ‚Krieg der Sterne‘ mit mir zu spielen.“

„Gut. Für ‚Ferien in Virtual Reality‘ würden Sie auch einen Helm tragen, der Sie – sozusagen – an einen tropischen Strand versetzen würde. Sie befänden sich in einem Raum, der über ein Wellenbad mit Sandboden verfügen und von Spektrumscheinwerfern erhellt werden würde, die eine Art natürliches Sonnenlicht erzeugen.“

„Ist das nicht gefährlich?“, fragte Brad.

„Mangel an natürlichem Licht erzeugt Depressionen bei Menschen“, sagte sie. „Dieses Licht wird nicht so stark sein wie die Tropensonne, aber durch zusätzliche Wärmestrahler wird es sich so anfühlen. Und die UV-Bestrahlung wird so niedrig sein, dass dieses Licht nicht bräunt.“

„Das klingt, als hätten Sie das meiste bereits geklärt. Was fehlt Ihnen noch bis zur endgültigen Fertigstellung?“

„Es sind noch einige logistische Probleme zu klären. Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich es erreichen kann, dass das Licht den Leuten direkt in die Augen scheint … was sehr wichtig ist, weil die Augen unter Lichtmangel am meisten leiden. Und dann muss ich noch irgendwie die Szene im VR-Helm mit der wahren Umgebung aus Pool und Sand verbinden. Verstehen Sie, was ich meine?“

Brad nickte. „Damit die Leute, wenn eine Welle im Pool sie überrollt, auch eine Welle in ihrem Helm sehen?“

Tallia war froh, dass er so schnell begriff. „Richtig. Das dürfte das einzige wirkliche Problem sein, denke ich.“ Nachdem sie ihm noch einige andere Erklärungen gegeben hatte, schwieg sie und ließ ihn nachdenken.

Nach einer Weile nickte er. „Wie lange brauchen Sie zur endgültigen Entwicklung, und was benötigen Sie dafür?“, erkundigte er sich. Es war eine ausgefallene Idee, aber sie gefiel ihm. Tallia hatte recht, es war etwas, was sich wahrscheinlich gut mit seinen Fitnessstudios verbinden ließ. Wellenbäder würden der größte Kostenfaktor nach der Entwicklung sein, und natürlich musste er zuerst eine genaue Kalkulation erstellen, bevor er sich entschied. Aber das kurze Gespräch mit Tallia hatte ihn bereits ziemlich von ihrem Vorhaben überzeugt.

Nachdem sie besprochen hatten, was für eine Art Labor sie brauchte und welche Kosten damit verbunden waren, merkte Brad, dass es höchste Zeit war, in sein Büro zurückzukehren, und bat um die Rechnung.

„Gut. Hat meine Sekretärin Ihre Telefonnummer?“, fragte er.

Tallia erschrak. „Ich glaube nicht.“

„Rufen Sie sie an, und geben Sie sie ihr“, sagte er, während er die Rechnung unterschrieb. „Ihre Idee gefällt mir. In ein, zwei Tagen rufe ich Sie an, dann können Sie mir etwas über Ihre anderen Projekte erzählen.“

„Falls Sie sich dagegen entscheiden sollten“, sagte Tallia rasch, „habe ich noch einige andere Ideen, deren Verwirklichung allerdings mehr Zeit erfordern würde.“

Er nickte. „Gut. Tut mir leid, dass ich jetzt gehen muss, aber ich habe gleich einen Termin. Ich melde mich bei Ihnen.“ Er stand auf, reichte ihr die Hand und wandte sich an den Oberkellner: „François, besorgen Sie dieser jungen Wissenschaftlerin bitte ein Taxi, ja? Und setzen Sie es auf meine Rechnung.“

Bevor der Oberkellner mehr als „Selbstverständlich, Mr. …“ erwidern konnte, lächelte Brad, nickte und wandte sich zum Gehen.

„Darf ich Ihnen noch einen Kaffee bringen, Madame?“, fragte François, und in seiner Stimme klang ein Respekt mit, der vor anderthalb Stunden noch nicht da gewesen war.

„Danke“, sagte sie lächelnd. „Gern.“

Sie blieb noch eine Weile sitzen und kostete die Hoffnung aus, die Brad Slingers Verhalten in ihr geweckt hatte. Warum war sie nicht schon früher darauf gekommen? Er hatte sie während des gesamten Gesprächs wie eine Wissenschaftlerin behandelt und nicht wie eine Frau. Er hatte sie als intelligenten Menschen akzeptiert und über ihre Ideen nachgedacht. Es war nicht die Spur einer sexuellen Anziehung zwischen ihnen zu spüren gewesen. Er war meilenweit entfernt davon gewesen, „Küssen Sie mich“ zu sagen und sie dabei anzusehen, wie er es bei Natasha getan hatte …

Ein unbewusster Seufzer entrang sich ihr. Das bewies im Grunde nur, dass seine Reaktion auf Natasha Fox rein körperlich gewesen war, und deshalb verstand sie nicht, warum der Gedanke sie so deprimierte. Denn das hatte sie doch schließlich schon die ganze Zeit gewusst – dass Natasha ihn als Mensch nicht im Geringsten interessierte.

4. KAPITEL

„Gehen Sie mit mir aus.“

Die Stimme war leise, aber sehr entschieden. Tallia verspürte ein Prickeln auf den Armen. „Nein“, erwiderte sie kalt. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an ihren Südstaatenakzent. „Woher haben Sie eigentlich meine Telefonnummer?“

„Sie wissen, woher. Oder hat Ihr Freund es Ihnen nicht gesagt?“

„Er hatte kein Recht, sie Ihnen zu geben, und Sie hatten kein Recht, danach zu fragen, Mr. Slinger.“

„Ha!“, erwiderte er bloß. „Ich möchte Sie zum Dinner einladen. Sind Sie heute Abend frei für mich?“

„Ich bin nie frei für Sie.“

„Warum nicht?“

Tja, wenn sie ihm nicht alles beichten wollte, konnte sie diese Frage nicht beantworten. Tallia hasste es, keine Erwiderung darauf zu haben, weil er jetzt leise lachte, als hätte er einen Punkt gewonnen.

„Weil ich Sie nicht mag“, erwiderte sie etwas verspätet.

„Oh, das glaube ich Ihnen nicht“, erklärte Brad.

„Sie bilden sich wohl ein, alles erreichen zu können mit Ihrem Geld“, entgegnete sie trocken und bereute ihre Worte augenblicklich, weil sie gegen sie sprachen, falls er je herausfand, dass Tallia Venables und Natasha Fox ein und dieselbe Person waren. Aber seine arrogante Art empörte sie. Wenn sie einen Dollar für jeden Mann gehabt hätte, der auf Ablehnung so reagierte, hätte sie auf Brad Slingers Geld sehr gut verzichten können.

Die Tatsache, dass es ausnahmsweise einmal stimmte, was er sagte, dämpfte ihren Ärger nicht, sondern steigerte ihn höchstens noch.

„Ich glaube ganz und gar nicht, mit Geld alles erreichen zu können“, erwiderte er, und jetzt haftete seiner Stimme eine gewisse Schärfe an. Das, dachte Tallia nervös, ist der Mann, der Konferenzsäle erbeben lässt. „Aber wenn Sie wollen, mache ich Ihnen gern ein Angebot …“

Sie war entsetzt über seine Andeutung. „Kein Angebot von Ihnen würde je etwas an meiner Entscheidung ändern, Mr. Slinger!“, sagte sie empört.

„Oh, das glaube ich aber doch“, widersprach er.

Nun wurde er wirklich unverschämt. „Wie können Sie es wagen!“

„Sie sind doch Schauspielerin, nicht wahr?“

Sie legte auf, wütend, aber froh zugleich, dass er es ihr so leicht gemacht hatte. Es wäre der Gipfel der Dummheit für Natasha Fox gewesen, zu glauben, dass sie mit Brad Slinger ausgehen konnte, ohne sich in gefährliche Gewässer zu begeben, und außerdem, ermahnte Tallia sich, wollte sie es auch gar nicht. Ein Mann, dessen Interesse rein sexueller Natur war, war das Letzte, was sie brauchen konnte. Und die damit verbundenen Komplikationen waren schlicht unausdenkbar.

Brad legte langsam den Hörer auf und versetzte sich in Gedanken einen Tritt. Was zum Teufel hatte er sich bloß dabei gedacht? Das war wirklich keine Art, sich einer Frau zu nähern! Aber Natasha Fox war ihm von Anfang an unter die Haut gegangen. Obwohl er es sein Leben lang vermieden hatte, sich mit Schauspielerinnen abzugeben, hatte er nun seine eigene Regel gebrochen – um herauszufinden, dass die einzige Schauspielerin, die ihm je gefallen hatte, sich weigerte, ihn zu treffen!

Darauf gab es nur eine einzige Antwort: Er würde sie aus seinem Gedächtnis streichen. Es gab noch viele andere schöne Frauen auf dieser Welt, mehr, als Natasha Fox zu glauben schien. Und ganz sicher mehr als reiche Männer. Zum Teufel mit ihr. Er war ja schließlich nicht verliebt in sie. Er begriff nicht, warum er das mit dem Angebot gesagt hatte. Aus Wut wahrscheinlich. Aber eher würde die Hölle zufrieren, bevor er irgendeiner Frau Geld anbot.

Fünf Minuten später ertappte er sich bei dem Gedanken, warum er sie nicht gefragt hatte, wie das Parfüm hieß, das sie benutzte …

„Wow! Das ist ja fantastisch!“

Tallia schaute sich mit leuchtenden Augen zu Brad um. „Es ist einfach wunderbar!“

Es war ein Traumlabor. Mindestens doppelt so groß, wie sie ihm gesagt hatte, hell und luftig, mit hohen Decken, großen Fenstern und modernster Beleuchtungstechnik. Mit Computern, über deren Beschreibung sie an der Universität sehnsüchtig geseufzt hatte. Mit Aktenschränken und Arbeitsplätzen … und ihrem persönlichen Büro mit Schreibtisch und allem anderen, wovon ein aufstrebender junger Erfinder sonst nur träumen konnte.

„Schön, dass es Ihnen gefällt“, sagte er.

„Ja, aber … es ist so groß! Es ist mehr, als ich erwartet habe. Ich meine … die Kosten …“

„Ich wünschte, die Leute würden aufhören, ständig über Geld zu reden!“, unterbrach er sie gereizt. „Entschuldigen Sie“, sagte er, als er ihr verwirrtes Blinzeln sah. „Ich dachte gerade an etwas anderes.“ An eine Frau. Zwei Wochen waren seit seinem Gespräch mit Natasha Fox vergangen, und noch immer spukte sie in seinem Kopf herum. „Machen Sie sich keine Sorgen um Ihr Budget, die Miete für das Labor wird nicht davon bezahlt. Das Gebäude gehört mir, ich kann die Miete abschreiben.“

„Nun, das ist ja wunderbar!“, sagte Tallia wieder. „Sie ahnen gar nicht, was das für mich bedeutet.“ Sie strich über die glatte Oberfläche eines Zeichenbretts, und die Geste war so zärtlich, als streichle sie einen Geliebten.

Plötzlich fiel ihm das alberne Gespräch ein, das er vor einiger Zeit mit Jake geführt hatte. Damals hatte er ihm gesagt, er würde sich gern in Tallia Venables verlieben, obwohl er sie nicht einmal gekannt hatte. Und dann hatte er sich von Jake überreden lassen, ihn zu der Premierenfeier zu begleiten … Das war ein Fehler gewesen. Denn wenn er Natasha Fox nie begegnet wäre, hätte er sich jetzt vielleicht für Tallia interessieren können.

Aber vielleicht war es ja noch nicht zu spät …

„Möchten Sie mit mir zu Abend essen?“, fragte er.

Tallia, die etwas in einen Computer eintippte, wandte sich verwundert um, und wieder hätte Brad sich am liebsten einen Tritt versetzt. Er hoffte nur, dass er nicht all sein Geschick bei Frauen verlor, nur weil eine blonde Sexbombe ihn abgewiesen hatte.

„Was sagten Sie?“, fragte sie ein wenig atemlos.

„Hätten Sie heute Abend Zeit, mit mir zu essen?“

Sie richtete sich auf, und er dachte, dass er in seinem ganzen Leben noch mit keiner Frau ausgegangen war, die ihr Aussehen derart vernachlässigte. Aber das mochte daran liegen, dass sie Wissenschaftlerin war – das weibliche Gegenstück eines zerstreuten Professors.

„Auf welcher Basis, Brad?“, fragte sie leise. „Geschäftlich?“

„Nein, nicht geschäftlich! Zum Vergnügen – oder zumindest würde ich mir das gerne einbilden!“, erwiderte er gereizter, als die Situation erforderte. „Werden Sie also mit mir essen oder nicht?“

Tallia war plötzlich so aufgeregt, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. War das möglich? Hatte sie richtig gehört? Brad Slinger wollte mit ihr ausgehen? So, wie sie geschminkt und angezogen war?

Sie spürte, wie sie lächelte, und rief sich jäh zur Ordnung. Sie konnte unmöglich mit ihm ausgehen. Falls es zu einer intimeren Begegnung kam, bestand Gefahr, dass er ihre Verkleidung durchschaute, ganz gleich, wie vorsichtig sie auch war. Und wenn er sich nun wirklich zu ihr hingezogen fühlte? Sie war ziemlich sicher, dass ihre falschen Zähne bei einem Kuss zu spüren wären.

Der Gedanke, Brad zu küssen, ließ sie erröten, und verlegen senkte sie den Blick. „Tut mir leid, Brad“, sagte sie. „Das kann ich nicht.“

„Warum nicht?“, fragte er.

„Weil …“ Hilflos brach sie ab. Ihr Widerstand war schwach, und er war erfahren genug, es zu durchschauen. „Weil ich nicht … mit Männern ausgehe.“

Brad begann ganz plötzlich zu begreifen – warum sie sich so hässlich kleidete und wieso sie ihre körperlichen Vorzüge nicht betonte. Sie war eine Frau, die auf der Flucht vor ihrer eigenen Sexualität war, ihrer eigenen und der aller anderen, und das konnte nur ein Mann verschuldet haben. Er war ziemlich sicher, dass es sinnlos gewesen wäre, sie noch weiter zu bedrängen, zumindest für den Augenblick.

„Schade“, sagte er und begann davon zu sprechen, dass er eine Assistentin für sie einstellen wollte.

Tallias Absage scheint ihm erheblich weniger auszumachen als Natashas, dachte Tallia bitter, und ihr Herz sank bei dem Gedanken, dass sie ihre einzige Chance verspielt hatte, mit einem Mann zusammen zu sein, der sich – wenn auch vielleicht nur schwach – für ihre Persönlichkeit und ihren Verstand zu interessieren schien.

Jake brach eine Auster auf und schlürfte sie. „Es ist sehr lehrreich, zu beobachten, wie du mit Frauen umgehst“, bemerkte er. „Du hast sie also auf dem Rücksitz der Limousine attackiert, und jetzt will sie nicht mehr mit dir reden?“ Grinsend schüttelte er den Kopf. „Wo warst du, als die Regeln ausgegeben wurden?“

Brad runzelte ärgerlich die Stirn. „Verdammt, ich kenne die Regeln! Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist. Es muss ihr Parfüm gewesen sein.“

Jake nahm sich eine weitere Auster. „Es war ihre Oberweite, mein Freund, warum gibst du es nicht zu? Und die großen blauen Augen, die blonde Mähne und die Beine … du hast dich verliebt, mein Junge – was gedenkst du also jetzt zu tun?“

„Ich werde es überwinden“, beharrte Brad.

„Nicht, ohne mit ihr ins Bett zu gehen. Aber da könnte ich dir vielleicht sogar behilflich sein“, meinte er trocken.

„Misch dich da nicht ein“, befahl Brad.

„Ha! Siehst du? Eifersucht! Weißt du was, Brad?“ Jake lehnte sich zurück und betrachtete seinen Freund stirnrunzelnd. „Ich glaube, deine sorglosen Junggesellentage sind vorbei. Du bist verliebt, mein Junge.“

„Ich bin in keine Schauspielerin verliebt und werde mich auch nie in eine verlieben“, beharrte Brad. „Da wäre es noch viel wahrscheinlicher, dass ich mich in Tallia Venables verliebe.“

„Ich dachte, sie sei hässlich“, erinnerte Jake ihn rücksichtslos.

„Ich habe nicht gesagt, sie wäre hässlich. Sie sieht nicht schlecht aus, sie hat nur zu wenig Selbstvertrauen.“

„Nicht nur daran fehlt es ihr, scheint mir. Vielleicht sollte sie Natasha Fox bitten, ihr etwas von ihrer Oberweite abzugeben … Sie hat genug für zwei“, erklärte Jake, der sich langsam für das Thema zu erwärmen schien.

„Du kennst sie nicht mal, Jake.“

„Ich brauche sie nicht zu kennen, um zu wissen, dass du dich, wenn man sie nebeneinander stellen würde, für Natasha Fox entscheiden würdest. Und das weißt du selbst am besten.“

Autor

Anne Marie Winston
<p>Anne Marie Winston lebt im ländlichen Pennsylvania und war früher Lehrerin. Doch als sie wegen ihrer Kinder zu Hause blieb, wusste sie eines Tages, dass es an der Zeit war, etwas Neues zu probieren. 1989 fing sie an, ihre erste Romance zu schreiben, und 1991 verkaufte sie ihr erstes Manuskript...
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Alexandra Sellers

Alexandra Sellers hat schon an vielen verschiedenen Orten gelebt – wie viele genau, kann sie selbst nicht mehr sagen. Schon als kleines Mädchen träumte sie von fernen Ländern, inspiriert von den Märchen aus 1001 Nacht. Und irgendwann sah sie sich selbst an diesen geheimnisvollen Orten als Schriftstellerin. Prompt wurde die...

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