Das Beste, was passieren kann

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Heiß und sexy! Der Auftakt zu Lauren Danes aufregender Rockstar-Trilogie.

Die Frauen liegen dem berühmten Rockstar Patrick Hurley zu Füßen, doch er will nur eine: Natalie! Selbst nach Jahren im Musik-Business hat Patrick nie die beiden teuflisch heißen Wochen vergessen, die er einst mit ihr verbracht hat. Aber Natalie ist mittlerweile zufriedener Single - und dummerweise fest davon überzeugt, dass ein sexy Typ wie er nichts als Ärger bedeutet. Zumindest, wenn man so wie sie immer alles im Leben unter Kontrolle haben will. Was muss Patrick sich noch alles einfallen lassen, damit seine Auserwählte endlich einsieht, dass er das Beste ist, was ihr passieren kann …


  • Erscheinungstag 10.12.2015
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783956495083
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lauren Dane

Das Beste, was passieren kann

Roman

Aus dem Amerikanischen von Barbara Alberter

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

The Best Kind Of Trouble

Copyright © 2014 by Lauren Dane

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Laura Oehlke

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz;

Thinkstock / Piotr Krześlak

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz; David Hiller

ISBN eBook 978-3-95649-508-3

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Der Tag war so heiß, dass vermutlich der Asphalt schmelzen würde, aber das spielte keine Rolle – Kaffee war ein Muss, wenn sie den ganzen Tag in der Bibliothek arbeiten sollte, ohne dass dabei jemand zu Schaden kam.

Die öffentliche Sicherheit war schließlich wichtig. Das und ihre schreckliche Sucht nach Dingen, die schlecht für sie waren, wie Koffein und zuckerhaltige Backwaren.

Auf dem Weg zur Arbeit machte sie täglich einen Abstecher ins Common Grounds, und auch sonst, wenn sie in der Stadt etwas zu erledigen hatte.

Hinter der Theke stand Bobbi, und als sie Natalie durch die Tür kommen sah, rief sie strahlend: „Guten Morgen!“ Aber so was von putzmunter!

Mit putzmunter konnte Natalie gerade nicht dienen, deshalb probierte sie es mit freundlich, immerhin war Bobbi Natalies Dealer. „Morgen. Mach mir einfach einen echten Knaller.“

Mit einem weiteren strahlenden Lächeln machte Natalies Lieblingsbarista sich an die Arbeit. „Ich habe etwas Neues, das du mal probieren solltest. Einverstanden?“

„Da meine Laster sich in Grenzen halten, kann ich die paar, die ich habe, wenigstens genießen.“ Natalie sah sich die Sachen in der Auslage an. Leider gab es keine Donuts, also würde sie sich mit einem Scone begnügen müssen. „Neben meinem neuen Etwas würde ich dann gern noch dieses Zimt-Scone dort näher kennenlernen.“

„Du bist früh dran, oder? Ich dachte, die Bibliothek öffnet heute erst um zehn?“

„Stimmt, aber ich gebe vorher eine Märchenstunde für ein paar Kids im Vorschulalter.“

„Das ist aber nett von dir!“

Natalie konnte es sich leisten, in ihrer Freizeit ehrenamtlich zu arbeiten, und hatte das große Bedürfnis, anderen etwas zurückzugeben. So gesehen, war es das reinste Vergnügen, den Kleinen ein- oder zweimal in der Woche etwas vorzulesen.

Bobbi reichte ihr die Tüte mit dem Scone und ihr Getränk. „Latte mit Orangenessenz und etwas gehobelter Schokolade. Sag mir, was du davon hältst.“

„Klingt super.“ Und zum Thema nette Geste, das mit dem Vorlesen? „Es ist gut, wenn Kinder Bücher mögen. Außerdem sind sie mit ihren drei oder vier Jahren einfach bezaubernd. Sie plappern, ohne nachzudenken. Meistens irgendwelchen Mist über ihre Eltern. Letzte Woche, als ich gerade mit ‚Fancy Nancy‘ durch war, meldete sich ein Junge und verkündete lautstark: ‚Mein Dad hat am Wochenende nie Hosen an.‘ Es war zum Totlachen.“

Bobbi lachte. „Mein Neffe ist genauso. Meine Schwester sagt, dass sie und ihr Mann jetzt aufpassen müssen, worüber sie sprechen, nachdem er in seiner Kindergartengruppe erzählt hat, wie er Mom und Dad beim ‚Nacktringen‘ überrascht hat.“

Natalie musste schallend lachen. „Wenn es die Kinder anderer Leute sind, die ihre Eltern in die Pfanne hauen, ist es wirklich irre komisch.“

„Ja. Unsere Zeit wird … Oh … ach du meine Güte.“ Bobbis Blick schien sich zu verschleiern, sie starrte mit offenem Mund Richtung Eingang, und im selben Moment hörte Natalie seine Stimme.

Nicht zum ersten Mal.

„Würden Sie einem Mann helfen, der dringend etwas Koffein braucht?“

Sie konnte nicht anders. Natalie drehte sich um und nahm das Prachtexemplar von Mann in Augenschein, das auf den Namen Paddy Hurley hörte. Selbst in Jeans und T-Shirt sah er noch aus wie ein Rockstar. Obwohl, sie hatte ihn schon nackt gesehen, und auch da hatte er ausgesehen wie ein Rockstar. Seine dunkelbraunen Haare waren heller geworden – wahrscheinlich verbrachte er viel Zeit in der Sonne. Die Sonnenbrille hatte er auf den Kopf geschoben, sodass man seine großen haselnussbraunen Augen erkennen konnte, die von sagenhaft dichten, rußdunklen Wimpern umrahmt wurden.

Augen, die Natalies Herz schneller schlagen ließen und ihr die Hitze in die Wangen trieben, als ihr ein paar der Sachen einfielen, die sie zusammen gemacht hatten. Die sie miteinander gemacht hatten. Unanständige, schmutzige, nackte Sachen. Allein bei dem Gedanken daran setzte ihre Libido sich auf und fing an zu hecheln.

Bobbi war völlig verzaubert. Vor lauter Bewunderung offensichtlich total entrückt, stand sie dort an der Theke und starrte ihn an. Er lächelte weiter, als wäre er an diese Art von Aufmerksamkeit gewöhnt. Was er natürlich auch war.

„Kann ich einen Eiskaffee zum hier Trinken haben, und dazu ein Stück von diesem Blaubeerkuchen?“ Er sprach jetzt sachlicher, ohne den verführerischen Unterton, was die Barista aus ihrer Starre zu reißen schien.

Bobbi richtete sich ein wenig auf und räusperte sich. „Äh. Klar. Entschuldigung. Ja, natürlich.“

„Danke.“ Paddy grinste, und Natalie saugte seinen Anblick in sich auf – das jungenhafte Lächeln, das strahlend weiße Zähne enthüllte, die braunen Augen, die immer zu flirten schienen, die gebräunte Haut über einem Körper, der ihr nur zu vertraut war. Lieber Gott, er war schön!

„Kommt sofort.“ Bobbi machte sich an die Arbeit, wackelte vorher aber noch mit den Augenbrauen in Natalies Richtung und formte lautlos mit den Lippen: Heilige Scheiße, das ist Paddy Hurley.

Natalie versuchte, sich schnell umzudrehen und abzuhauen, aber er war Bobbis Blick gefolgt, und sie sah das Erkennen in seinem Gesicht aufblitzen.

„Hey. Wow!“ Er versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern, was ihr Zeit gab, ihre imaginäre Maske aufzusetzen und so zu tun, als hätte sie keine Ahnung, wer er war.

„Hallo“, erwiderte sie und wandte sich dann an Bobbi: „Bis morgen!“ Natalie drückte einen Deckel auf ihren Kaffeebecher und wollte die Flucht ergreifen, aber Paddy kam auf sie zu.

„Natalie, richtig? Du hast in dieser Bar neben der Kegelbahn in der Nähe von Portland gearbeitet.“

In einem früheren Leben.

Sie legte den Kopf zur Seite, als hätte sie keine Ahnung, dass er von den zwei Wochen redete, in denen sie miteinander gevögelt hatten, als könnte Sex jeden Augenblick verboten werden.

„Ich bin’s, Paddy Hurley. Diesen Mund hätte ich überall wiedererkannt.“ Er sprach leise. Jedenfalls leise genug, um ihm für seine Diskretion dankbar zu sein.

Die frühere Natalie hatte in der Bar gearbeitet. Die Natalie, die sie jetzt war, hatte sich auf dem College aus der Asche erhoben, und blickte nur dann zurück, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. Paddy Hurley und die zwei Wochen, die sie zusammen verbracht hatten, waren eine tolle Erinnerung, vor allem der nackte Teil. Aber sie hatte zu viele Jahre und eine ganze Menge Anstrengungen investiert, um mehr zu sein, und sie hatte keine Lust, diese Zeit ihres Lebens wieder auszugraben.

„Schön, dich kennenzulernen, Paddy. Deine Musik gefällt mir. Ich muss los.“ Sie griff nach der Türklinke. Er schaute ihr forschend ins Gesicht und schüttelte den Kopf, als könnte er nicht fassen, was gerade geschah. Irgendwie war es charmant, und Natalie musste ihre Hormone ernsthaft ermahnen, sich zurückzuhalten und die Arbeit ihrem Gehirn zu überlassen.

Aber er fing sich wieder. „Ich weiß, dass du es bist. Bleib doch noch ein bisschen, damit wir uns unterhalten können.“

„Ich muss zur Arbeit.“ Sie öffnete die Tür, wobei sie ihn sanft aus dem Weg schob, und die Hitze des Tages empfing sie. Sie trat hinaus, setzte ihre Sonnenbrille auf und marschierte los.

Die Vergangenheit war Geschichte. Sie hatte ein Leben in der Gegenwart, ein Leben, das sie sich mit viel Zeit und Energie aufgebaut hatte, und die Tür zu der Person, die sie früher einmal gewesen war, musste fest verschlossen bleiben.

Selbst dann, wenn dadurch ein Leckerbissen wie Paddy Hurley außen vor blieb.

Paddy sah ihr nach, während sie über den Bürgersteig davoneilte. Ihr Rocksaum schwang hin und her und entblößte die Rückseite ihrer Oberschenkel. Oberschenkel, die nicht nur einmal seine Hüften umfangen hatten.

Sie hatte Tattoos, zwei identische, ganz oben auf diesen Oberschenkeln, direkt unter jeder Pobacke – hübsche rote Schleifen wie an einem Strumpfband. Bei dieser Erinnerung musste er lächeln.

„Sie heißt doch Natalie, oder?“, erkundigte er sich bei der Barista, als sie ihm den Eiskaffee und sein Gebäck brachte.

„Ja. Kennst du sie?“

„Wohnt sie hier im Ort?“ Er trank einen Schluck Kaffee. Er hatte früh am Morgen mit seinen Brüdern einen Ausritt gemacht, deshalb war ihm heiß, und er war ein wenig müde. Der eiskalte Kaffee half gegen beides.

„Klar. Sie arbeitet in der Bibliothek. Jeden Morgen vor der Arbeit kommt sie vorbei, um sich ihren Kaffee zu holen. Sie ist Single. Falls du mich nach ihr gefragt haben solltest, weil du sie hübsch findest.“

Paddy lächelte die Barista an. Er fand tatsächlich, dass Natalie hübsch war. Sie trug ihre Haare jetzt kurz. Damals, vor Jahren, waren sie lang gewesen. Eigentlich stand er eher auf Frauen mit langen Haaren, aber sie konnte sich dieses Pixie-Dings leisten, denn sie hatte einen fantastischen Hals.

Alles an ihr war fantastisch. Sie hatte auf allen Ebenen mit ihm mithalten können – sie hatten wild gefeiert, wild gevögelt, wild gearbeitet. Damals hatte er mit seinen Brüdern die Band aufgebaut, und Sweet Hollow Ranch hatte im Großraum Portland und im Südwesten von Washington eine Reihe von Auftritten in Bars gehabt. Die Bezahlung hatte sogar öfter ein paar schäbige Motelzimmer beinhaltet.

Eins dieser Motels lag direkt hinter einer Kegelbahn, und das Dreckloch von Bar, wo er Natalie kennenlernte, war daran angebaut. Sie arbeitete dort als Kellnerin, servierte Drinks und wich übereifrigen Händen aus.

Es hatte nur Stunden gedauert, bis sie nach ihrer ersten Begegnung in ihr Einzimmerapartment und weiter in ihr Bett gestolpert waren, so unmittelbar und intensiv war die Chemie zwischen ihnen gewesen.

Sie war damals noch minderjährig gewesen, er ebenfalls. Aber das hatte sie nicht daran gehindert, die nächsten zwei Wochen miteinander zu verbringen, wann immer ihre Schichten und seine Auftritte es zuließen.

Dann war er auf Tour gegangen, und sie aufs College. Aber er hatte immer wieder an sie denken müssen. Einer seiner Songs – „Dive Bar“ – handelte von Natalie und diesen zwei Wochen.

Und jetzt stellte sich heraus, dass sie in derselben Stadt lebte wie er, was Paddy als Wink des Schicksals verstand. Er lächelte immer noch, nachdem er sich bei der Barista bedankt hatte.

Die Frage war nur, warum sie so getan hatte, als würde sie ihn nicht kennen. Sie musste ihre Gründe dafür haben, und er war wild entschlossen, diese Gründe herauszufinden. Die Barista hatte gesagt, dass Natalie Single war, also konnte ihr Verhalten nichts mit einem Freund zu tun haben.

Paddy war nicht so erfolgreich, weil er aufgab, wenn es schwierig wurde.

Er ließ einfach nicht locker, bis er erreichte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte.

Während er seinen Kaffee trank, lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und blickte auf die Straße. Neue Herausforderungen machten ihm immer Spaß. Vor allem, wenn es dabei um eine hübsche Blondine ging, mit langen Beinen und einem Lächeln, das einen Mann zur Sünde ohne Reue einlud.

2. KAPITEL

Weißt du noch, dieses Dreckloch von Bar kurz hinter Portland, wo wir uns mal rumgetrieben haben?“ Paddy reichte seinem ältesten Bruder Ezra ein zusammengerolltes Seil.

„Alter, du musst dich schon etwas klarer ausdrücken. Es gibt Dutzende Drecklöcher von Bars, an die ich mich erinnern kann, und noch mehr, an die ich mich nicht erinnern kann.“ Ezra schnaubte verächtlich, während er das Seil an einen Haken hing, der innen an der Stalltür angebracht war.

Paddy lachte. Es war jetzt fünfzehn Jahre her, seit sie angefangen hatten, und dieses spezielle Dreckloch musste mindestens zwölf Jahre zurückliegen. „Ganz am Anfang. Kurz bevor wir nach L. A. sind und die erste Platte unter dem Label aufgenommen haben. Die Bar war neben einer Kegelbahn, und wir hatten zwei Zimmer in dieser Bruchbude von einem Motel, das dahinter lag.“

„Ach! Jetzt weiß ich, was du meinst. Dort hat Damien von diesen Cowboys, die uns erst durch Zwischenrufe aus dem Konzept brachten und dann nach der Show auf ihn warteten, die Hucke vollgekriegt.“

„Und wir sind ihm zu Hilfe geeilt und wurden verhaftet.“

„War nicht das letzte Mal.“

„Und jetzt hast du Schweine und Hunde und verprügelst nur noch deine Brüder.“

„Ich bin zu alt, um außer euch noch jemanden zu schlagen. Außerdem sind mir meine Hände zu schade. Was soll plötzlich dieser Ausflug in die guten alten Zeiten?“

„Da gab es ein Mädchen.“

Ezra lachte schallend. „Mann, auch da musst du schon etwas deutlicher werden. Von denen gab es sogar noch mehr als dreckige Kellerbars.“

„Natalie. Lange blonde Haare. Große blaue Augen. Grübchen. Hinreißender Mund. Sie hat in dieser Bar gearbeitet. Wir hatten was laufen. Heiß, heftig, schnell. Zwei Wochen, bevor wir nach L. A. abgedampft sind.“

„Hmm, kommt mir bekannt vor, aber Paddy, du hast nun mal eine Schwäche für Blondinen. Solche Geschichten hattest du von einer Küste zur anderen und über ganz Europa verteilt. Nach einer gewissen Zeit vermischt sich das alles.“

„Ich habe echt ein verdammt geiles Leben.“

Ezra verdrehte die Augen. „Hat diese Anekdote eine Pointe?“

„Sie ist hier. In der Stadt, meine ich. Nach unserem Ausritt heute Morgen bin ich runtergefahren, um einen Kaffee zu trinken. Da stand sie. An der Theke. Ihre Haare sind jetzt kurz, aber dadurch kommt ihr Hals besser zur Geltung.“

Ezra brummte nur zustimmend, während er Sachen wegräumte.

„Sie ist Bibliothekarin.“

Anerkennend zog Ezra die Augenbrauen hoch. „Alle Achtung.“

„Kann man so sagen. Aber sie hat so getan, als würde sie sich nicht an mich erinnern.“

Ezra prustete los, es schüttelte ihn so sehr, dass er die Hände auf die Knie stützen musste. „Mensch, ich wünschte, ich hätte dein Gesicht dabei sehen können“, brachte er zwischen zwei Lachanfällen heraus. „Ich finde es super, wie dein Ego dir vorgaukelt, sie hätte nur vorgegeben, dich nicht zu kennen, statt einzuräumen, dass sie dich tatsächlich vergessen hat.“

„Sehr lustig. Sie muss sich an mich erinnern. Das kann sie unmöglich vergessen haben. Es waren nicht nur ein oder zwei Nächte. Es waren zwei wirklich heftige Wochen. Außerdem, du Arsch, bin ich grundsätzlich unvergesslich. Wie auch immer, sie hat nicht abgestritten, dass sie mich kennt. Sie hat es bloß nicht zugegeben. Den Unterschied kenne ich.“

Ezra richtete sich auf, wischte die Lachtränen aus seinen Augen und beruhigte sich etwas. „Vielen Dank. Du hast mir absolut den Tag gerettet.“

„Ich bitte dich um Rat. Damien gibst du die ganze Zeit Ratschläge.“

„Der ist ein Idiot. Er braucht das mehr als du.“ Damien war einer ihrer Brüder und Drummer der Sweet Hollow Ranch.

„Das stimmt natürlich.“

„Okay, also schieß los. Was soll ich dir raten? Wie du mit diesem Schlag gegen dein Ego umgehen sollst? Einfach hinnehmen und dann vergessen. Was soll’s? Es muss schließlich dutzendweise Frauen geben, die ganz ähnliche Gefühle für dich hegen, Paddy. Du hast sie verlassen, und sie hat keine liebevollen Erinnerungen an dich. Du kannst noch von Glück reden, dass sie dir nicht das Knie in die Eier gerammt hat.“

„Ich habe sie nicht verlassen! Es war Herbst, sie wollte aufs College, und wir waren unterwegs. Es war alles in Ordnung. Keine Tränen. Kein Drama.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich mochte sie. Ich habe sie damals gemocht und würde gern wissen, ob ich sie heute mögen würde.“

Ezra musterte ihn prüfend, während sie aus dem Stall ins Freie traten. „Und dann? Willst du der feste Freund dieser Frau sein? Das hier ist deine Heimatstadt, Paddy. Du kannst hier keinen Mist bauen. Wenn du sie noch mal rumkriegst und flachlegst, und es läuft schief, was dann? Willst du wirklich eine wütende Exfreundin haben, die weiß, wo du wohnst?“

Paddy verzog das Gesicht. „Nein, das ist es nicht. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich ihr nicht schon vorher begegnet bin. Schließlich ist Hood River keine hektische Metropole.“

„Na ja, du warst nacheinander auf mehreren Tourneen, und zwischendurch bist du gereist.“

„Ja, stimmt. Wie auch immer, ich will sie nicht einfach nur bumsen, obwohl sie umwerfend schön ist. Wie gesagt, ich will herausfinden, ob es zwischen uns noch immer funkt.“

„Quatsch. Sie interessiert dich, weil sie eine Herausforderung ist.“

Paddy atmete geräuschvoll ein. „Okay, kann sein. Aber das ist nicht alles.“

„Ach was. Du hast nun mal dieses übersteigerte Selbstvertrauen, und jetzt fühlst du dich auf den Schlips getreten. Du siehst ganz gut aus, die Mädchen fahren auf dich ab, und du kannst es nicht ausstehen, zu verlieren. Also, dann tu halt, was du nicht lassen kannst, aber benimm dich nicht wie ein Arschloch.“

Was bei Licht betrachtet ein ziemlich guter Rat war.

Voller Elan betrat Natalie das Common Grounds. Am Abend zuvor hatte sie mit ihrer Mitbewohnerin und besten Freundin fantastisch gegessen, anschließend einen Film angeschaut, und schließlich hatte sie ganze acht Stunden richtig gut geschlafen.

Die Sonne schien, vom Columbia wehte eine frische Brise herüber, es ging ihr gut, und sie war mehr als bereit, sich diesem außergewöhnlich schönen Freitag zu stellen.

Sie winkte Bobbi zur Begrüßung zu. „Guten Morgen! Ich glaube, heute nehme ich einen Americano mit viel Platz für Milch. Welche leckere Kalorienbombe kannst du mir denn dazu empfehlen?“

Bobbi schaute nach links. „Siehst du, pünktlich wie die Maurer.“

Natalie folgte ihrem Blick und wäre vor Schreck fast zusammengezuckt, als sie Paddy Hurley an einem der Tische sitzen saß, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Das gedämpfte Licht, das durch das Fenster neben ihm fiel, tanzte über seine Haut. Himmel, er sah umwerfend aus! Die langen Beine hatte er vor sich ausgestreckt, und seine Jeans spannte sich an den Oberschenkeln und im Schritt.

Kein Wunder, er hatte schließlich ganz schön was unter seinem Reißverschluss unterzubringen. Bei dieser Erinnerung zogen sich ihre Bauchmuskeln und die Körperregionen weiter südlich begehrlich zusammen.

Sie riss den Blick von seinem Schritt los und versuchte, nicht rot zu werden.

„Setz dich doch.“ Mit einem gestiefelten Fuß schob er den Stuhl auf der anderen Seite des Tischs zurück. Es waren keine Cowboystiefel, sondern abgetragene Arbeitsstiefel, die vermutlich mehr gekostet hatten, als sie im Monat verdiente.

Natalie wollte rübergehen und sich setzen. Sie wollte flirten und plaudern und ihn dann auf direktem Weg in ihre Wohnung abschleppen. Dieser Mann hatte etwas an sich, das ihr von Anfang an unter die Haut gegangen war. Er war gefährlich, und für sie war es gefährlich, sich zu viel zu wünschen.

„Ich muss zur Arbeit.“ Mit äußerster Willenskraft richtete Natalie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Theke mit dem Gebäck.

Bobbi zog nur fragend eine Braue hoch, machte sich dann aber an den Americano. Das Zischen und der Duft des Kaffeedampfs beruhigten Natalie ein wenig. „Oh, ich will eins von diesen Muffin-Dingern mit Bananen- und Schokoladenstückchen.“

„Da gibt es folgendes Problem, Natalie.“ Plötzlich stand Paddy sehr nahe bei ihr. Wie hatte er das angestellt? „Genau dieser Muffin ist reserviert. Aber ich bin ein netter Kerl, deshalb überlasse ich ihn dir gerne, wenn du dich zu mir setzt und deinen Kaffee mit mir trinkst, während wir uns unterhalten.“

Im Kopf war ihr Seufzer ausschließlich sehnsüchtig, aber nach außen hin mischte sie ihm etwas Verärgerung bei, um Paddy auf Abstand zu halten. Natalie hatte eine Schwäche für charmante Typen, und Mannomann!, Charme hatte Paddy in rauen Mengen.

Sie drehte sich nicht zu ihm um. Er stand so dicht hinter ihr, dass ihr bisschen Entschlossenheit verpufft wäre und sie ihre Paddy-freie Diät nie und nimmer hätte durchhalten können. „Dann nehme ich eben den mit Blaubeeren.“

Deutlich verwirrt von der ganzen Situation, zuckte Bobbi mit den Schultern und reichte ihr den Americano und den Muffin. Natalie dankte ihr, zahlte und wandte sich zum Gehen.

Sie kam nur ein paar Schritte weit, dann hatte Paddy sie wieder eingeholt. „Natalie? Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass zwischen uns alles okay war, als wir uns damals voneinander verabschiedet hatten. Aber da lag ich wohl falsch. Was immer ich getan haben mag, es tut mir leid.“

Natalie blieb stehen. Obwohl sie wusste, dass es das Beste war, ihn auf Distanz zu halten, wollte sie nicht, dass er sich schuldig fühlte und auch selbst nicht als miesepetrig rüberkommen. „Das war schon in Ordnung. Nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest.“

Für einen Moment erlaubte er sich eine selbstgefällige Miene, dann riss er sich am Riemen und lächelte sie erfreut an. „Also erinnerst du dich doch an mich.“

Sie hätte sich um keinen Preis der Welt davon abhalten können, sein Lächeln zu erwidern. „Ja. Du bist ziemlich unvergesslich.“

„Was soll das Ganze dann?“ Er kam näher. „Magst du es, wenn man dir nachjagt?“

Natalie zischte verärgert und trat von ihm weg. „Nein. Ich habe kein Interesse an diesem … was auch immer. Ich will keine Spielchen, und ich ziere mich auch nicht. Ich habe ein schönes, ruhiges Leben, und das gefällt mir.“

„Es gibt kein was auch immer. Noch nicht. So was hatten wir bereits. Ich finde einfach, wir könnten uns neu kennenlernen. Und ich verspreche dir, dass ich dein Wohnzimmer nicht demolieren und auch keine Gitarre in deinen Fernseher schmettern werde oder sonst etwas.“

Er verströmte tonnenweise Charisma. Das war nichts, was er sich zulegen oder vortäuschen konnte. Es war schlichtweg unmöglich, nicht von ihm angezogen zu sein. Damals, vor all diesen Jahren, hatte es von der ersten Sekunde an zwischen ihnen gefunkt, und offenbar hatte sich nichts an diesem knisternden Magnetismus geändert, der sie leicht ins Schwitzen brachte und schwindelig machte.

Sie richtete sich etwas gerader auf. „Ich muss arbeiten. Es freut mich, dass mit dir und deiner Karriere alles gut läuft. Ein schönes Leben noch, Paddy.“

Er griff nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Die Berührung wirkte auf sie wie ein prickelnder elektrischer Schock. Oh nein, dies hier durfte sie nicht wollen.

Seine Hitze liebkoste ihre Haut geradezu, und obwohl draußen ungefähr tausend Grad herrschten, fühlte es sich kein bisschen klebrig oder eklig an. War er eine Art Zauberer oder was?

Sein Blick wanderte von ihren ineinander verschlungenen Händen zu Natalies Gesicht. „Warte. Lass mich mitkommen. Du musst zur Bibliothek, nicht wahr?“

Unter Einsatz ihrer gesamten Willenskraft entzog sie ihm langsam ihre Hand, wobei ihre Finger noch bis zum letzten Moment verbunden blieben.

„Nein. Wirklich. Ich kann nicht. In meinem Leben gibt es keinen Platz für dich und alles, was mit dir zusammenhängt.“

Das ließ ihn zwar leicht zusammenzucken, aber sie musste ihm zugestehen, dass er beharrlich war. „Du hast doch gar keine Ahnung, wie ich jetzt bin. Woher willst du denn wissen, was alles mit mir zusammenhängt?“

„Ich freue mich wirklich, dass du so viel Erfolg hast. Du hast hart dafür gearbeitet. Aber komm schon, ich bin nicht blöd. Ich weiß genau, was für einen Lifestyle so eine Karriere wie deine mit sich bringt.“ Sie trat einen Schritt von ihm weg, und dann noch einen, bis der Abstand groß genug war, um Luft atmen zu können, die nicht von ihm durchdrungen war. „Schönen Freitag noch.“

Sie ließ ihn auf dem Bürgersteig stehen, aber erst als sie um eine Ecke gebogen war, ließ der Druck in ihrem Bauch langsam nach. Endlich konnte sie wieder frei durchatmen.

Es war die richtige Entscheidung.

Sie mochte ihn. Das konnte sie nicht leugnen. Aber sie hatte jahrelang darum gekämpft, sich ein Leben aufzubauen, wie sie es sich wünschte. Zu viele Jahre, um jetzt ihren Hormonen das Ruder zu überlassen. Stattdessen hörte sie auf ihre Angst. Und diese Angst – vor diesem ganzen Chaos und Wahnsinn und davor, dass sein wildes Leben von einem oberpeinlichen Erlebnis zum nächsten führen könnte – ließ sie standhaft bleiben.

Wie ein Zeichen lag die Bibliothek vor ihr, und sie ging weiter darauf zu. Sie hatte eine Richtung, und die ging nach vorne, nicht zurück. Das hieß nicht, dass kein Raum für Spaß blieb; den Sex hatte sie nun wahrlich nicht hinter sich gelassen. Aber eine flüchtige Affäre war nichts, was sie stabil oder stark machte. Und da er ihr genau das anbot, musste sie unbedingt darauf verzichten. Aber als sie das nächste Mal ins Café kam, war er wieder da. Natalie ignorierte ihn, aber als sie endlich wieder draußen war – Mann, was für ein Glück, dass sie an diesem Tag den Wagen genommen hatte, so konnte sie wenigstens eine verschlossene Tür und jede Menge Stahl zwischen sie bringen –, sah sie, dass er einfach auf der anderen Seite ihres Wagens auf sie wartete.

Was? Mein Gott, ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht interessiert bin.“

Sein Lächeln war unverkrampft, träge und unglaublich sexy. „Du bist nicht an Paddy, dem Rockstar interessiert.“

Natalie schaute ihn böse an. „Ist das so schwer zu glauben? Weißt du, nicht jeder will sich an dich und deinen Ruhm hängen. Ich freue mich für dich und deine Brüder. Eure Musik gefällt mir. Aber solche Partys sind nicht mehr mein Ding.“ Verflucht, ein solches Leben war nicht mehr ihr Ding. „Ich bin nicht mehr das Mädchen von damals.“

Geschmeidig wie ein Kater lehnte er an ihrem Wagen. „Schätzchen, keiner von uns ist mehr so drauf wie damals. Würde ich heute noch derart viel trinken, wäre für mich der nächste Tag ernsthaft gelaufen. Wenn ich nicht auf Tour bin, dann bin ich hier in Hood River. Nicht unbedingt der Ort, um sich vom Arsch einer Nutte einen reinzuziehen, oder?“

Sie stöhnte. „Keine Ahnung. Kann schon sein, kann aber auch sein, dass hier mächtig was mit Nutten und Kokain läuft, ohne dass ich was davon mitkriege. Und genau darum geht’s mir. Warum bist du überhaupt so hartnäckig hinter mir her?“

„Du bist so misstrauisch. Das ist irgendwie sexy. Ich bin hinter dir her, weil ich dich mag. Ich möchte dich zum Essen einladen. Irgendwo, ohne Aufsehen zu erregen. Zum Teufel, ich koche für dich bei mir zu Hause. Keine Fotografen. Keine Trinkspiele. Nur Paddy und Natalie.“

„Patrick, vergiss es einfach. Es gibt eine Million Frauen, die liebend gern mit dir essen gehen würden. Ich bin eine Bibliothekarin in einer Kleinstadt. Ich gehe nicht mit Rockstars aus.“

„Das wird kein Rockstar-Dinner sein. Da bin ich einfach Paddy. Außerdem bin ich ganz wild auf Bücher. Nun komm schon. Gib mir eine Chance. Es schmeichelt mir zwar, dass du glaubst, eine Million Frauen wären an mir interessiert, aber für mich gibt es nur eine Frau, die mich interessiert. Du.“

Sie stieg ein und machte die Tür zu. Nachdem sie den Motor angelassen hatte, ließ sie das Fenster auf der Beifahrerseite ein Stück runter. „Hör zu, ich fühle mich geehrt, wirklich. Aber ich bin nicht die Richtige für dich.“

Sie fuhr los, und er winkte ihr unverschämt fröhlich hinterher. Rückblickend musste sie einräumen, dass ihr in genau diesem Moment klar wurde, wie klaftertief sie in Sachen Patrick Hurley bereits in Schwierigkeiten steckte.

3. KAPITEL

Also echt, er ist einfach … Es ist so, als würde ich mir andauernd sagen, dass ich vor meinem Klassentreffen dringend zehn Pfund abnehmen muss, und dann kommt er wie ein Dutzend Donuts daher. Ooooh, Natalie, du weißt doch, wie köstlich ich bin. Nur einmal abbeißen. Ich schmecke so gut zum Kaffee.

Tuesday, Natalies Mitbewohnerin und beste Freundin, platzte fast vor Lachen. „Aber du bist doch ganz verrückt auf Donuts. Warum solltest du also nicht mal einen essen? Oder sechs? Ich meine, wen interessiert denn, ob du Paddy Hurley einmal vernaschst? Wir sind doch hier nicht bei ‚Unsere kleine Farm‘. Du wirst schon nicht von den Stadtvätern gefeuert werden, weil du vorehelichen Sex hast.“

„Das ist es ja gar nicht.“ Natalie machte keinen Hehl daraus, dass sie Sex mochte. Für sie war guter Sex im Leben ebenso wichtig wie Donuts und Kaffee. Mit Paddy kamen einfach zu viele Komplikationen und zu viel Lärm auf sie zu. Verdammt, ihm stand praktisch das Wort kompliziert auf der Stirn geschrieben.

„Was ist es dann?“

Aber eigentlich war es das auch nicht.

„Es ist nur …“ Natalie leckte sich die Lippen. „Er ist chaotisch und kompliziert. Es würde so viel Zeit kosten, mit ihm klarzukommen, und ich will mir meine Zeit nicht mehr damit um die Ohren schlagen, andere Erwachsene zu betütern. Ich will weder Krankenschwester sein noch Psychologin und habe ganz bestimmt nicht das geringste Bedürfnis, die Mami für ihn zu spielen, wenn ich mit ihm ficke. Würg! Jahrelang musste ich über Leute steigen, die in meinem Haus aus den Latschen gekippt waren. Mehr als einmal musste ich den Rettungsdienst rufen, weil irgendein Fremder, wahlweise auch mein Vater, sich eine Überdosis verpasst hatte. Ich habe genug Kotze aufgewischt oder so getan, als würde ich um neun Uhr morgens die Alkoholfahne nicht riechen.“

Sie hatte ein total chaotisches Leben geführt, bis sie mit siebzehn schließlich von zu Hause ausgezogen war. Und selbst dann hatte es noch bis zum College gedauert, bis sie ihren Mist endlich geregelt bekam. Kontrolle bedeutete alles. Es bedeutete, ein Leben zu führen, das man sich ausgesucht hatte und in dem man niemandem ausgeliefert war, und es bedeutete, dass man nicht verantwortlich war, wenn erwachsene Idioten sich mit dem Wagen von einer Klippe stürzten.

Das Entscheidende war gewesen, dass sie gegangen war. Sie hatte den Absprung geschafft, das war ihre ultimative Leistung, der Schlüssel zu einem kontrollierten Leben. Es war ihr gelungen, dieses Haus zu verlassen. Dieses hübsche, massive, vornehme Gehäuse, das von innen verrottete. Genau so, wie es mit ihrer Kindheit geschehen war.

„Er hat zu viel mit all der Scheiße zu tun, die mich wieder draufbringen könnte. Da kann er im Bett noch so eine Kanone sein, das Risiko ist mir zu groß.“ Paddy war wie eine Reklame für Zügellosigkeit auf zwei Beinen.

Tuesday achtete darauf, kein Mitleid zu zeigen, aber sie seufzte schwer. „Ich sage ja nur, dass das ganze Leben aus Risiken besteht. Woher willst du wissen, dass er es nicht wert ist?“

Tuesday hatte leicht reden. Andererseits hatte ihre beste Freundin aber auch ihre eigenen verzwickten Gründe, lieber im Haus zu hocken und sensationellen Schmuck zu entwerfen oder mit Natalie wandern zu gehen, anstatt sich mit Männern zu treffen. Aber als Freundin musste man wissen, wann man jemanden mit seinem Mist konfrontierte und wann man die Sache besser ruhen ließ. Und Tuesday war definitiv noch nicht bereit, sich mit diesen Dämonen auseinanderzusetzen.

„Ich wusste ja sogar, dass er hier wohnt. Ungefähr sechs Monate, nachdem ich das Haus hier gekauft hatte, habe ich es herausgefunden.“ Hood River war stolz darauf, dass die Jungs von Sweet Hollow Ranch die Stadt weiterhin als ihre Heimat betrachteten. Es war Ehrensache für die Leute, die gesamte Familie Hurley zu schützen. Niemand rief die Paparazzi an, wenn einer von ihnen in ein Restaurant kam oder in den örtlichen Läden einkaufte. Man fotografierte sie nicht heimlich, wenn sie ihren alltäglichen Geschäften nachgingen, und es wurden keine Bilder von ihnen an die Boulevardpresse verkauft.

Als Natalie davon erfuhr, war sie zwar ein bisschen beunruhigt gewesen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits angefangen, Wurzeln zu schlagen, und sah absolut nicht ein, warum sie weglaufen sollte, nur weil ein früherer Lover in derselben Gegend wohnte.

Und dann hatte Tuesday zufällig eine Ladenfront an der Oakstreet entdeckt und beschlossen, dort einen Laden zu eröffnen und die Hälfte von Natalies Haus zu übernehmen. Für beide Frauen war Hood River ein Neuanfang gewesen.

„Jetzt lebe ich schon so lange hier und bin ihm nie begegnet oder habe ihn auch nur gesehen. Ich glaube, ich hatte einfach gehofft, dass sich unsere Wege nie kreuzen.“

Tuesday gab einen abschätzigen Ton von sich. „Nun haben sie sich eben gekreuzt, und offensichtlich ist er ja an einem Nachschlag interessiert. Wenn du ihn weiter ignorierst, gibt er wahrscheinlich irgendwann von selbst auf. Ich meine, warum siehst du dir nicht einfach mal an, was er zu bieten hat?“

Natalie war nicht bereit, zuzugeben, dass sie vielleicht doch neugierig war.

„Gib mir mal das Kartoffelpü und lass uns bitte das Thema wechseln.“

Tuesday verdrehte die Augen, reichte ihr jedoch die Schüssel. „Das ist dir übrigens ziemlich gut gelungen.“

Natalies Kochkünste waren eine einzige Katastrophe, aber während der Collegejahre, in denen sie mit Tuesday ein Zimmer geteilt hatte, war es der Freundin gelungen, ihr beizubringen, ein paar nicht ganz so schreckliche Gerichte zuzubereiten. In erster Linie waren das einfache Sachen wie Sandwiches und Suppe. Aber seit ungefähr einem Jahr arbeitete sie nun an Kartoffelbrei, und inzwischen schaffte sie es, dass nichts mehr anbrannte und das Zeug tatsächlich schmeckte.

„Jetzt kann ich immerhin schon Dosensuppe, Schinkensandwiches und Kartoffelbrei. Vielleicht ist es das, worauf Paddy so scharf ist. Er hat auf eine Frau gewartet, die ihm sein Leben lang Kartoffelbrei machen wird.“

Sie lachten sich schlapp.

„Wenigstens habt ihr beide zusammen genug Geld, um euch jeden Abend was bringen lassen zu können. Oder vielleicht kann er ja kochen. Das wäre dann noch eine Sonderzulage neben dem guten Aussehen und dem Ruhm.“

„Wahrscheinlich ist er verwöhnt. Er wohnt da oben bei seiner Familie auf der Ranch. Vielleicht kocht seine Mutter für ihn.“

„Vielleicht. Aber irgendwie bezweifele ich das. Allerdings wirst du es nie herausfinden, wenn du ihn nicht ranlässt.“

„Wozu brauche ich Gewissheit, wenn ich mich über ihn lustig machen will? Nun lass mir doch den Spaß, mir auszumalen, wie er zu Tode gegarte Fertiggerichte aus der Mikrowelle isst oder am Schürzenband seiner Mutter hängt.“

„Ich muss schon sagen“, verkündete Paddy, als er sich am nächsten Morgen im Café neben Natalie stellte, „ich finde es echt gut, dass du nicht vor neun zur Arbeit musst.“

„Wieso?“ Sie reichte Bobbi, die mit offensichtlichem Vergnügen die tägliche Paddy-Show verfolgte, etwas Kleingeld. „Damit du nicht so früh aufstehen musst, um in die Stadt zu kommen und mich zu belästigen?“

Er lachte. „Ich möchte dich davon in Kenntnis setzen, dass ich seit halb sieben auf den Beinen bin, um meinem ältesten Bruder bei einem Problem mit dem Zaun zu helfen. Hast du schon mal ein Loch für einen Zaunpfosten gegraben? Das geht total an die Substanz. Ezra ist schon irgendwie verrückt, denn diese Sachen scheinen ihm richtig Spaß zu machen.“

Natalie ließ ihn stehen, um sich Honig für ihren Milchkaffee zu holen, aber er ließ sich in seinem Redefluss nicht stören. „Nein, ich finde es gut, weil ich dann erst meine eigene Arbeit erledigen und trotzdem rechtzeitig hier unten sein kann, um tatsächlich irgendwann einmal mit dir zu frühstücken.“

„Bis morgen, Bobbi.“ Natalie winkte ihr zu und ging zur Tür, die Paddy ihr prompt aufhielt.

„Ich stehe nicht gern früh auf. Und ich frühstücke auch nicht sehr oft.“

Er setzte das Gespräch fort, während er neben ihr herging, und sie ließ ihn gewähren. „Aber du hast doch einen Muffin in dieser Tüte.“

„Das ist kein Frühstück. Eier und Schinken und vielleicht ein paar Kartoffelpuffer, das ist Frühstück.“

„Ich sehe schon, du nimmst das Frühstück sehr ernst.“

„Nicht wirklich. Aber wenn ich eine ernsthafte Frühstückerin wäre, dann würde ich so was essen. Meist esse ich morgens Donuts, Muffins oder so eins von diesen Gebäckdingern aus dem Toaster.“

Er rümpfte die Nase. „Wirklich? Die schmecken doch wie Pappe. Und du siehst auch nicht so aus, als würdest du ständig Donuts essen.“

„Donuts nehme ich tatsächlich sehr ernst. Aber für meine Lieblingssorte muss ich nach Portland fahren. Deshalb esse ich sie auch nicht dauernd. Und meine Mitbewohnerin ist sportlich. Sie schleppt mich immer zum Wandern, Radfahren und Windsurfen mit. Das ist zwar jedes Mal ein ziemlicher Akt, aber dafür kann ich eben auch ungestraft meiner Sucht nach Donuts frönen.“

„Du hast dir die Haare schneiden lassen. Früher waren sie lang.“

„Du bist gut im Themenwechsel.“

Er schnaubte belustigt. „Ich weiß ja nie, wann du mir wieder wegläufst, also versuche ich, bis dahin so viel Small Talk wie möglich unterzubringen.“

Sie blieb stehen und wandte sich ihm zu. „Wieso bist du so hartnäckig? Ich bin ja nicht mal besonders nett zu dir!“ Was ihr übrigens verdammt schwerfiel. Verflixt noch mal, sie mochte ihn!

„Du verachtest meinen Status.“

Sie schüttelte ratlos den Kopf. „Status?“

„Dieses Promi-Ding.“

Sie verdrehte die Augen. „Als ich dich kennengelernt habe, hattest du keinen Status.“

Er grinste. „Nee. Nur einen klapprigen Transporter und ein paar Instrumente, auf denen meine Brüder und ich gespielt haben.“

Eine ganze Weile sagte sie nichts, dann setzte sie sich wieder in Bewegung. „Die Haare habe ich mir schon vor Jahren abschneiden lassen. Tuesday – das ist meine Mitbewohnerin – hatte mal eine Phase, in der sie Friseuse werden wollte. Das hat zwar nur ein halbes Semester gedauert, aber sie hat mir damals die Haare geschnitten, und es gefiel mir so kurz. Außerdem stehen mir Hüte gut, und die kann man mit kurzen Haaren besser tragen.“

„Und? Hat das nun wehgetan? Ich meine, dass du mir dieses kleine Detail aus deinem Leben mitgeteilt hast?“ Er zwinkerte ihr zu, und es war süß. Gnadenlos versuchte sie, sich nicht anmerken zu lassen, wie amüsiert sie war, aber wahrscheinlich gelang es ihr nicht.

„Dann seid ihr beide also seit dem College schon Zimmergenossinnen?“

„Nein. Am College haben wir uns ein Apartment geteilt, aber dann hat sie geheiratet, und ich habe meinen Master gemacht. Vor drei Jahren hat sie mich dann besucht und dann beschlossen, hier ein Geschäft zu eröffnen. Für den Übergang habe ich ihr angeboten, bei mir zu wohnen, und sie ist nicht wieder ausgezogen. Was gut ist, denn ich kann nicht kochen, und sie kann es nicht nur, es macht ihr sogar Spaß.“

„Wie Wandern?“

Natalie verzog den Mund. „Ja. Würg.“

„Nicht verheiratet?“

„Patrick Hurley, ich würde dir nicht erlauben, mich auf dem Weg zur Arbeit zu begleiten, wenn ich verheiratet wäre.“

Paddys Lachen machte sie etwas kribbelig. Es war ein verruchtes Lachen. „Das klang ebenso streng, als hättest du vor, mich zu versohlen oder mir mit dem Lineal auf die Finger zu hauen. Du solltest wissen, dass mich so was nur anfeuern würde.“

Sie presste die Lippen zusammen, aber schließlich gab sie auf und lachte.

Er ging neben ihr, dennoch konnte sie aus dem Augenwinkel sein Lächeln sehen. „Ich meinte deine Freundin.“

Ach was? Natürlich meinte er sie, wen sonst? „Sie ist Witwe.“

„Oh, verdammt. Das ist scheiße. Tut mir leid.“

„Ja.“ Sie näherten sich der Bibliothek, und sie reichte ihm ihren Kaffee. „Halt bitte mal kurz.“ Sie wühlte in ihrer Tasche herum, bis sie die Schlüssel gefunden hatte. „Danke.“ Sie nahm den Kaffee wieder an sich und stopfte die Tüte mit dem Gebäck in ihre Handtasche.

Es passte Paddy überhaupt nicht, dass dieser kurze Augenblick zwischen ihnen ein Ende nahm. Aber immerhin konnte er sich über einen Sieg freuen, also würde er diesen kleinen Fortschritt hinnehmen und beim nächsten Mal mehr bekommen. „Wow, ich habe das Gefühl, dass wir eine Hürde genommen haben, Natalie.“ Er verbeugte sich. „Vielen Dank, dass du mir erlaubt hast, dich zur Arbeit zu begleiten.“

Natalie schien zu überlegen, was sie sagen sollte, und er wollte verhindern, dass sie ihm erklärte, so was würde nie wieder vorkommen.

„Darf ich dich zum Essen einladen?“

Sie seufzte, aber es war ein sehnsüchtiges Seufzen, also legte er nach.

„Ich meine, ich hatte zwar ein Frühstück im Sinn, weil es die Mahlzeit ist, die am wenigsten an ein Date erinnert. Es sei denn natürlich, du würdest bei mir übernachten. Und wenn das passiert, werde ich dir Schinken, Eier, Kartoffelpuffer und Toast machen. Vielleicht sogar Plätzchen. Aber da wir noch nicht so weit sind und du sonst nicht frühstückst, wäre ein Abendessen doch eine gute Alternative.“

„Nicht zum Lunch?“

Zog sie ihn auf? Das war ein gutes Zeichen. „Ich nehme, was ich kriegen kann. Aber wenn ich hier in Hood River bin, arbeite ich tagsüber normalerweise. Entweder an der Musik oder auf der Ranch. Der Sommer ist eine wahnsinnig geschäftige Zeit, und mein Bruder macht so viel, wenn wir anderen auf Tournee sind, deshalb helfe ich ihm gerne.“

Natalie schüttelte seufzend den Kopf und sah ihn eindringlich an. „Warum musst du bloß so menschlich sein, Patrick Hurley?“

„Ist das gut oder schlecht? Bei dir weiß man nie.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Da bin ich mir selbst auch nicht so sicher. Du kannst mich morgen Abend hier abholen. Um sechs mache ich Schluss.“

Damit schloss sie die Tür auf und ging hinein. „Schönen Tag noch, Paddy.“ Sie winkte ein letztes Mal, schloss hinter sich wieder ab und verschwand im Gebäude. Ihn ließ sie dort stehen, mit einem dämlichen Lächeln im Gesicht.

4. KAPITEL

Keine Ahnung, warum ich zugesagt habe. Ich sollte ihn anrufen und absagen.“ Noch immer erst halb angezogen, lief Natalie vor ihrem Schrank auf und ab. Tuesday verdrehte die Augen. „Du hast nicht einmal seine Nummer.“

„Ich habe die von seiner Mutter. Sie hat einen Bibliotheksausweis, und ich habe sie in unserem System aufgerufen. Ich kann sie anrufen, sie wird die Nachricht bestimmt weiterleiten.“

„Klar, und das wäre auch kein bisschen fies von dir.“

„Oh Mann!“

Tuesday schnaubte. „Halt den Mund! Zieh das blaue Kleid mit den weißen Biesen am Ausschnitt an. Das kannst du den ganzen Tag bei der Arbeit tragen, und abends sieht es immer noch top aus. Und es vermittelt folgende Botschaft: Diese Einladung ist mir wichtig genug, um nicht den Eindruck erwecken zu wollen, ich hätte in einem Müllcontainer übernachtet, aber das Ganze ist immer noch lässig genug, um dich sitzen zu lassen, falls du mir zu nahe trittst und dabei auch noch superheiß aussiehst.

Natalie zögerte kurz, dann lachte sie. „Du solltest diese Red-Carpet-Shows im Fernsehen moderieren. Das gefällt mir viel besser als Ich trage Blabla aus der und der Frühlingskollektion, weil kirschrot gerade die In-Farbe ist oder so.“

„Deshalb werden wir uns auch dann noch, wenn du längst Patrick Hurley geheiratet hast und seinen Nachwuchs ausbrütest, zusammen diese Preisverleihungen mit den roten Teppichen anschauen.“

Heirat? Nein danke. Ich bin ja noch nicht mal überzeugt davon, dass es eine gute Idee ist, mit ihm essen zu gehen. Wie auch immer, er ist gewiss nicht auf Heirat aus. Er will nur mit mir vögeln.“

„Nun sieh dich doch mal an!“ Tuesday deutete mit der Hand auf Natalie. „Du bist total blond und hinreißend, und du hast fantastische Titten. So was gefällt den Jungs. Natürlich will er dich vögeln. Abgesehen davon, dass er es bereits getan hat.“

Manchmal hatte Natalie noch Schwierigkeiten mit dem richtigen Gleichgewicht zwischen ihren Wünschen und den dazugehörigen Schuldgefühlen. Wie auch immer, Brüste hatten Macht, und ihre waren tatsächlich hübsch. Paddy schienen sie jedenfalls zu beeindrucken. Dieses Wissen erfüllte sie mit einer eigenartigen Tabu-Befriedigung. Sie war nicht sicher, was das zu bedeuten hatte, außer dass es ihr gefiel, dass sie ihm gefielen.

Sie zog das Kleid aus dem Schrank und begutachtete es kritisch.

„Siehst du, was ich meine?“ Tuesday deutete mit dem Kinn auf den blauen Stoff. „Du solltest einfach immer auf mich hören. Ich kenne mich aus. Jetzt muss ich mich aber fertig machen, um den Laden zu öffnen. Zieh diese flachen Schuhe an, aber steck dir irgendwelche High Heels in die Tasche. Darüber will ich nicht diskutieren. Hohe Absätze passen perfekt zu diesem Kleid, und so wie auf Titten steht auch jeder auf ein paar scharfe Absätze.“

Tuesday küsste sie auf die Wange und ging aus dem Zimmer.

Natürlich zog sie das blaue Kleid an. Mit flachen Schuhen. Die blauen Sandalen mit den hohen Absätzen steckte sie in die Tasche, um abends zu wechseln. Auf dem Weg zur Tür warf Tuesday ihr einen kleinen Kordelzugbeutel zu. „Die habe ich vor ein paar Tagen gemacht. Sie werden super zu deinem Outfit passen.“

Ihre Mitbewohnerin betrieb nicht nur ein Geschäft für individuelle Einrahmungen, sie fertigte auch Schmuck, den sie in ihrem Laden verkaufte. Die Ohrringe, die Natalie in ihre Handfläche schüttelte, bestanden aus kleinen blauen Steinen, die zu einer Libelle zusammengefügt waren, eins von Tuesdays Lieblingsmotiven.

Sie nahm die Ohrringe, die sie trug, ab und legte die Libellen an. „Danke.“

„Schick mir eine Nachricht, wenn ich dich retten soll. Ansonsten kannst du mir morgen alles erzählen. Aber gib auch Bescheid, wenn du bei ihm übernachtest, damit ich mir keine Sorgen mache.“

„Ich werde nicht bei ihm übernachten.“ Egal, wie sexy er war, und obwohl sie nur allzu gut wusste, wie gut er im Bett war. Trotz ihrer gemeinsamen Geschichte gleich beim ersten Date wieder mit Paddy in die Kiste zu springen, wäre einfach nur blöd von ihr.

„Das ist das Traurigste, was ich heute zu hören gekriegt habe, Nat.“

„Was hast du heute Abend vor?“

Paddy warf den Ball ein letztes Mal, und Ezras dummer, aber total süßer Hund jagte ihm hinterher, ließ sich dann aber von einem Schmetterling ablenken.

Er schaute zu seiner Mutter hoch, die mit Damiens Frau Mary auf Ezras Veranda stand, und versuchte, seine Stimme zu senken, um nicht gehört zu werden. „Ich habe ein Date.“

„Ist das ein Euphemismus?“, fragte seine Mutter laut. So viel dazu, das Ganze unter dem Radar zu lassen.

Mary lachte, und Paddy schüttelte den Kopf. „Du bist zynisch, Mom.“

„Ich habe euch vier aufgezogen! Das macht mich zur unverwüstlichen Optimistin. Aber du hast keine Dates, du rennst los, hast deine kleinen Affären und kommst nach ungefähr einer Woche wieder nach Hause.“

„Nun, dann möchte ich dich davon in Kenntnis setzen, dass ich eine Bibliothekarin zum Essen ausführe.“

„Ist das jetzt ein Euphemismus?“, erkundigte Mary sich feixend.

„Zufällig arbeitet sie hier im Ort. Ich werde auf dem Boot ein Essen für sie zubereiten.“

„Brauchst du Hilfe?“

Einer der Vorzüge, Mary als Schwägerin zu haben, war, dass sie eine großartige Köchin war. Sie hatte bereits drei Kochbücher veröffentlicht und war auch die ganz persönliche Chefköchin der Band, wenn sie auf Tour waren.

„Ich wollte den Lachs grillen, den ich vor ein paar Wochen auf diesem Angeltrip mit Vaughan gefangen habe. Und dazu Maiskolben.“

Mary legte den Kopf schräg. „Du willst deinem Date tatsächlich Maiskolben vorsetzen? Ist das ein erstes Date?“

Paddy entnahm der entrüsteten Miene seiner Schwägerin, dass das wahrscheinlich keine so gute Idee war.

„Ja und nein. Ich kenne sie von früher. Aber das ist Jahre her. Bevor wir so viel Erfolg hatten.“

Seine Mutter verschränkte die Arme vor der Brust. „Ach, und plötzlich will sie mit dir ausgehen?“ Wenn es darum ging, dass jemand ihre Söhne ausnutzen könnte, verstand Sharon Hurley keinen Spaß.

Paddy lachte. „Oh nein, ganz im Gegenteil. Ezra hat sich gar nicht mehr eingekriegt, als ich ihm davon erzählte. Letzten Monat ist sie mir in der Stadt über den Weg gelaufen, und am Anfang hat sie so getan, als würde sie mich nicht kennen. Seitdem hab ihr an drei oder vier Tagen in der Woche regelrecht aufgelauert, um sie dazu zu überreden, mit mir auszugehen. Sie interessiert sich absolut nicht für meinen Promi-Status, ich glaube sogar, er verschreckt sie. Deshalb koche ich auch lieber auf dem Boot, anstatt sie in ein Restaurant auszuführen.“

Marys Stimmung besserte sich schlagartig. „Oh, na dann! Warte mal. Ist es Natalie? Eine supersüße kleine Blondine? So eine, die gern Röhrenhosen mit flachen Schuhen trägt und dabei aussieht, als ob sie Werbung für einen Vintage-Modekatalog macht?“

Verwirrt von Marys Frage, sah Paddy zwischen seiner Mutter und seiner Schwägerin hin und her, in der Hoffnung, aus dem Kontext schlau zu werden.

Seine Mutter zog die Augenbrauen hoch, nickte dann und tätschelte Marys Arm.

Dieser bedeutungsschwangere Blickwechsel verhieß nichts Gutes, deshalb wollte Paddy das Unheil, das er witterte, lieber gleich im Keim ersticken. „Heh, was geht da zwischen euch ab? Ihr seht aus, als ob ihr was im Schilde führt. Bitte, keine Streiche. Lieber Himmel! Ich bin dieser Frau einen Monat lang wie ein verirrtes Hündchen hinterhergetrottet, bis sie mir erlaubt hat, sie zur Arbeit zu begleiten. Wenn ihr beiden jetzt dazwischenfunkt, macht ihr all meine Fortschritte zunichte. Und was meinst du mit Vintage-Reklame?“

Mary machte eine wegwerfende Handbewegung. „Vergiss es. Sie muss es sein. Sie ist die einzige Blondine, die in der Bibliothek arbeitet. Setz ihr keine Maiskolben vor. Nicht beim ersten Date. Auch dann nicht, wenn du sie von früher kennst.“ Sie kam die Treppe herunter. „Los, wir gehen schnell zu mir. Ich bin sicher, dass ich ein paar bessere Beilagen für dich habe.“ Sie hakte sich bei ihm ein.

„Hast du etwa Mitleid mit mir?“ Paddy zog seine Schwägerin gerne auf. Mary kam aus einer ähnlich verrückten Familie und passte einfach prima in seine. Sie war wie eine Schwester für ihn. Sie hielt seinen Bruder Damien in der Spur und verhinderte, dass er Sachen abfackelte. Obendrein war sie eine echt gute Köchin und bei all dem auch noch ein erfreulicher Anblick.

„Wozu hat man schließlich eine Familie?“ Sie zwinkerte ihm zu.

„Lass uns rüberfahren. Ich will zum Boot und alles vorbereiten. Um sechs hole ich Natalie dann ab.“

Er hielt ihr die Tür seines Wagens auf, und sie stieg ein.

Paddy warf normalerweise nicht mit Geld um sich, aber er liebte Autos und hatte neben seinem Haus eine spezielle Garage für seine Sammlung bauen lassen. Heute war seine Wahl auf den Mustang Shelby Fastback gefallen. Er hatte ihn vor einem Jahr in Seattle restaurieren lassen. Jetzt war er froh, dass endlich Sommer war und er ihn oft fahren konnte.

Es war ein geiler Wagen. Und ja, er gab damit an. Ein bisschen.

Vom Hauptgebäude der Ranch, in dem seine Eltern wohnten, war es nicht weit zu Damiens Haus. Sein Bruder war gerade draußen, als Paddy und Marie vorfuhren. Als er seine Frau sah, hellte sich Damiens Miene auf. „Hey, da bist du ja, Löckchen. Hast du aufgepasst, dass Paddy sich nicht in Schwierigkeiten bringt?“ Damien küsste sie ziemlich ausgiebig.

„Es ist unmöglich, auf die Hurley-Brüder aufzupassen“, erklärte Mary, als er sich von ihr löste. „Nur eure Mutter hat die innere Kraft dazu. Aber er hat ein Date, und ich habe ein paar Sachen für ihn.“

Damien legte einen Arm um ihre Schultern und schaute Paddy prüfend an. „Aber nicht diese köstlichen Kartoffeln! Wobei, das hat sich eigentlich schon erledigt, denn die habe ich mir vor ungefähr zehn Minuten selbst zu Gemüte geführt.“

„Damien! Die waren für heute Abend.“

Er lachte, und Paddy verdrehte die Augen. Sein Bruder war echt ein Gierschlund.

„Ich hatte Hunger. Wie hätte ich da widerstehen können? Und an der Schüssel klebte nicht mal ein Zettel wie an all den anderen Sachen, die ich nicht aufessen soll.“

„Diese Zettel ignorierst du doch auch. Ich dachte, wenn ich die Kartoffeln hinter die Rote Bete schiebe, findest du sie nicht.“ Sie warf Paddy einen Blick über die Schulter zu. „Komm rein. Wir gucken mal, was noch übrig ist, nachdem Hurrikan Damien wie eine Heuschreckenplage durch meinen Kühlschrank getobt ist.“ Mary stupste ihren Mann in die Seite. „Wo steckst du das eigentlich alles hin? Das ist so was von unfair. Eigentlich müsstest du längst einen Wanst haben.“

Paddy folgte ihr in die Küche und setzte sich an den Tresen, während sie ihm eine Tragetasche mit Leckereien zusammenstellte. Marys bunte Baumwollbeutel waren in der Familie berühmt. Sie hatte eine ganze Reihe davon, mit aufgenähten Streifen in unterschiedlichen Farben; eine für jeden Empfänger ihrer milden Gaben. Paddys Streifenfarbe war blau, und sie überreichte ihm gleich drei Taschen, eine davon eine Kühltasche.

„Das sind Balsamico-Erdbeeren. Ein toller Nachtisch! Es sind sogar wilde Erdbeeren. Da ist auch noch eine Packung Vanilleeis, falls sie das möchte, passt super dazu.“

Zunächst war Paddy bei ihren seltsamen Kombinationen misstrauisch gewesen. Aber nachdem er ihre Kochkünste nun seit drei Jahren genoss, wusste er, dass alles, was sie ihm gab, gut schmecken würde.

Sie rasselte noch ein paar Anweisungen herunter, wie er mit diesem oder jenem umzugehen hatte; er nickte nur, und als sie fertig war, küsste er sie auf die Wange. „Danke schön.“

Damien, der seiner Frau mit halb geschlossenen Augen träge zugesehen hatte, schien endlich aufzuwachen. Paddy versuchte, nicht daran zu denken, welche Gemeinheiten seinem Bruder gerade durch den Kopf gehen mochten. „Warte mal, ein Date? Oh! Ist das etwa diese Bibliothekarin?“

„Du hast davon gewusst und mir nichts erzählt?“ Mary sah ihren Mann an.

„Glaub mir, bei den meisten Dingen, die ich dir nicht erzähle, würdest du eh nur ausrasten.“

Sie verdrehte die Augen. „Komm morgen zum Frühstück und erzähle uns, wie es gelaufen ist. Ich müsste eigentlich mal wieder ein paar Bücher ausleihen. Ich war schon länger nicht mehr in der Stadtbücherei.“

„Misch dich nicht ein, Löckchen.“ Damien zupfte an einer ihrer langen dunklen Locken, die für ihren Spitznamen verantwortlich waren.

„Pff. Wenn es in der Familie bleibt, ist es doch kein Einmischen.“

Paddy griff nach den Taschen. „Und ob es das ist! Sie ist scheu. Wenn du auf den Busch klopfen willst, mach’s bitte diskret. Ich mag diese Frau.“

Mary blickte lächelnd zu ihm hoch und klopfte ihm auf den Arm. „Das schaff ich schon. Geh jetzt. Amüsiere dich gut und benutze ein Kondom!“

Paddy merkte, wie er rot wurde, und fühlte sich erst besser, als er Damien lauthals lachen hörte.

Natalie begutachtete sich ein letztes Mal im Spiegel der Mitarbeitertoilette. Die Ohrringe entlockten ihr ein Lächeln. Es war, als wäre ein kleiner Teil von Tuesday bei ihr, wenn sie zu diesem Date ging.

Ein Date. Mit Paddy Hurley. Sie war ja so blöd.

Aber hier stand sie nun mal, frischte ihren Lippenstift auf und kämmte sich die Haare mit den Fingern. „Ich muss jetzt los“, erklärte sie ihrem Spiegelbild. Noch ein Abschiedswinken für die Kolleginnen, dann stand sie draußen auf dem Bürgersteig.

Sie hörte einen Motor grollen und wusste, dass er es war, bevor der dunkelgrüne Oldtimer überhaupt in ihr Blickfeld kam.

Paddy hielt an, aber als sie Anstalten machte, die Beifahrertür zu öffnen, schüttelte er so heftig den Kopf, dass sie unwillkürlich zwei Schritte zurücktrat, während er ausstieg.

„Warte!“ Er kam um den Wagen herum.

„Ist die Tür kaputt?“

Paddy schnaubte belustigt. „Nein. Aber meine Manieren sind ebenfalls intakt. Das Wichtigste zuerst.“ Er musterte sie eingehend, und sie war froh, dass sie die hohen Schuhe trug. „Du siehst hübsch aus. Ich würde gern mehr sagen, weiß aber nicht, ob ich das sollte.“

„Also jetzt hast du mich echt nervös gemacht.“

Er küsste sie. Nichts wirklich Ungehöriges, nur ein kleines Küsschen mitten auf den Mund. Aber ihre verräterischen Lippen kribbelten, und dann hatte sie auch noch seinen Duft in der Nase. Er hatte Eau de Cologne aufgelegt, was ihr merkwürdig vorkam, aber es roch gut. Sexy und maskulin, ohne aufdringlich zu sein.

Damals, vor all diesen Jahren, hatte er noch keinen Bart gehabt. Das leichte Kratzen gefiel ihr.

Paddy öffnete die Tür und bedeutete ihr einzusteigen. Es gelang ihr, in den Sitz zu sinken, ohne ihre Unterhose zu zeigen oder allzu trampelig zu wirken.

Ein oder zwei Sekunden später saß er neben ihr, ließ den Motor an und lenkte den Wagen auf die Straße.

„Du hast tolle Beine und süße Zehen.“

Er sagte das, während seine Aufmerksamkeit dem Verkehr galt, daher bekam er nicht mit, dass sie rot wurde.

„Ähm. Danke.“ Meine Güte, hatte er vielleicht einen Fußfetisch oder etwas ähnlich Schräges? Sie versuchte sich zu erinnern, und plötzlich war ihr glühend heiß und sie geriet ins Schwitzen. Okay, das war unklug, denn Paddy war wirklich superklasse, was Sex anging. Aber damals schien er nicht übermäßig an ihren Füßen interessiert gewesen zu sein.

„Wohin fahren wir?“

„Auf mein Boot. Ich dachte, wir könnten draußen auf dem Deck essen. Es ist ein so schöner Abend, und es ist jetzt so lange hell. Ich schippere uns aus dem Hafen heraus, ich kenne da ein hübsches kleines Plätzchen ganz in der Nähe. Total einsam. Wir können uns den Sonnenuntergang ansehen, und ich werde dich ganz für mich haben. Keine Angst, nicht wie in Es reibt sich die Haut mit der Lotion ein, sonst kriegt es wieder eins mit dem Schlauch verpasst.

Natalie prustete vor Lachen. „Kommst du mir da etwa mit einem Zitat aus Das Schweigen der Lämmer? Der Spruch eines Serienkillers soll mich beruhigen?“

Er fluchte leise, und sie tätschelte ihm besänftigend den Arm. „Ich weiß, das war ein Witz. Wirklich. Ich mache mir eher Gedanken, dass du ein Fußfetischist sein könntest, nicht ein Serienkiller.“

„Ein Fußfetischist?“

„Deine Bemerkung über meine Zehen? Also ich meine, wenn es jemanden anmacht, nur zu. Aber ich kann nicht mal eine Pediküre ertragen, weil es mich verrückt macht, wenn jemand meine Füße berührt.“

„Notiz an mich selbst: Versuche nie, Natalie die Fußnägel zu lackieren.“ Er schaute sie an und grinste. „Wir sind beide viel nervöser als nötig.“

„Ja. Wahrscheinlich.“

„Mir gefallen hübsche Zehen, sie sehen in offenen High Heels einfach toll aus. Ich will sie aber nicht ablecken oder sonst etwas. Deine wären das zwar vermutlich sogar wert, aber ich habe meine niederen Instinkte ganz gut im Griff.“

Paddy parkte am Jachthafen, der weniger als fünf Autominuten von der Bibliothek entfernt lag, und führte sie zu einem ziemlich beeindruckenden Boot.

„Was ist das denn? Eine Fünfzehn-Meter-Jacht? Sehr nett.“

„Ach was? Da hab ich mir ja offenbar eine Kennerin angelacht. Ich fahre gern mit meinen Brüdern oder unseren Freunden zum Fischen raus. Wenn wir im Sommer hier sind und nicht auf Tour, können wir vom Wasser aus die Feuerwerke sehen und an Bord essen. Eine echt lohnende Investition. Du hast doch kein Problem mit Booten? Wirst nicht seekrank oder so?“

„Ich bin gerne auf dem Wasser. Meine Großeltern hatten ein Boot, und als Kind bin ich öfter mit ihnen rausgefahren. Sie haben am Lake Washington gewohnt.“

„Oh, in Seattle?“

„Nein, Medina.“ Ihre Großeltern hatten in einer Villa gewohnt, auf einem tipptopp gepflegten Hanggrundstück, das zum See hin abfiel, und dort lag ihre Jacht vor Anker. Zu schade, dass die beiden der Villa und dem Boot und ihrem ganzen anderen Luxuskram mehr Aufmerksamkeit gewidmet hatten als der bedenklichen Entwicklung ihres verwöhnten Sohns.

Paddy hielt sie am Arm fest, als sie an Bord ging.

„Oooh, nobel, nobel. Wie hat es ein reiches Mädchen aus Medina denn nach Portland in diese abgewrackte Bar verschlagen?“

„Sie waren die mit dem Reichtum.“ Damit war das Thema für sie erledigt, denn sie wollte nicht weiter darauf eingehen. Zwar war Natalie ebenfalls vermögend, aber Medina, das waren ihre Großeltern und deren Lebensstil. Wenn sie zu lange darüber nachdachte, kämen wieder diese Schuldgefühle hoch und die Wut und all das andere Zeug, das zwar eigentlich nichts mit ihr zu tun hatte, dem sie sich aber trotzdem nicht entziehen konnte.

Er akzeptierte, dass sie dem Thema auswich. „Dann komm mit. Ich bereite alles vor. Setz du dich einfach da oben hin. Wenn wir aus der Marina raus sind, mache ich eine Flasche Champagner auf.“

Natalie schaute ihm zu. Die Sonne stand direkt hinter ihm, es sah fast aus wie ein Heiligenschein, als wäre er ein verdammter Engel oder so was. Er steuerte das Boot mit sicherer Hand aus dem Hafen, und die Sonnenbrille, die er aufgesetzt hatte, ließ ihn noch attraktiver wirken.

Bis sie die Bucht erreichten, in der sie ankern wollten, hatte Natalie sich wieder gefangen und die ganze Geschichte mit ihrer Familie weit von sich geschoben.

Paddy reichte ihr ein Glas. „Worauf sollen wir anstoßen? Auf Neuanfänge? Alte Zeiten?“

„Auf das Dinner.“

Grinsend stieß er mit ihr an. „Das ist schon mal ein guter Anfang. Komm mit und setz dich zu mir, während ich mich ums Essen kümmere.“

Nach einem ziemlich wackligen Abstieg bückte sie sich und streifte ihre Sandalen ab. Ja, sie waren süß und sexy, aber es war leichter, barfuß auf einem Boot herumzulaufen als in High Heels. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen“, sagte sie, als sie seinen Blick bemerkte.

„Absolut nicht. Die Schuhe sind zwar rattenscharf, das muss ich schon sagen. Aber mir gefällt noch viel besser, wenn du es dir auf meinem Boot bequem machst. Hoffentlich bläst dir der Wind den Rock so hoch, dass ich sehe, ob du noch immer diese Schleifen hinten an den Oberschenkeln hast.“

Wenn ihre Erinnerung sie nicht trog, hatte er ziemlich oft an diesen Tattoos geleckt. Und wie sollte ihre Erinnerung sie trügen? Als ob man vergessen könnte, wenn ein Mann wie Paddy Hurley einem erst über die alleroberste Stelle der Oberschenkel leckt und dann kräftig in beide Pobacken beißt? Sie musste unwillkürlich zittern und war stolz darauf, dass ihre Stimme nicht verriet, wie sehr er ihr den Atem verschlagen hatte. „Das müssten aber schon kräftigere Windstöße sein. Das Kleid ist lang genug, um der aktuellen Brise standzuhalten.“

Er schaute sie über die Schulter hinweg an. „Dann sind die hellroten Schleifen also noch dort?“

„Ich habe gehört, dass es ziemlich wehtun soll, ein Tattoo zu entfernen.“

„Das wäre auch eine Schande. Vielleicht kriege ich sie ja später noch zu sehen. Oder du ziehst dir beim nächsten Date einen kürzeren Rock an.“

„Mach dir nicht zu viele Hoffnungen. Bei der Arbeit muss ich mich die ganze Zeit bücken oder hinknien, und die Eltern in Hood River halten nicht allzu viel von Bibliothekarinnen, die ihre Höschen in der Bücherei blitzen lassen.“

Er stöhnte. „Du bist grausam, Natalie.“

Wieder musste sie lachten. Sie hatte nicht erwartet, dass sie sich so entspannt mit ihm fühlen würde. Ihr war klar, dass sie mit dem Feuer spielte, aber sie konnte nicht anders. Es machte einfach Spaß, mit ihm zu flirten. Und … es fiel ihr leicht, weil die Bälle ganz unangestrengt zwischen ihnen hin- und herflogen.

Noch immer lächelnd schüttelte er den Kopf. „Bin gleich zurück. Ich muss nur rasch etwas in den Ofen und die Mikrowelle schieben.“ Er flitzte runter in die Kombüse, und sie schaute zufrieden aufs Wasser. Sie war seit Jahren nicht mehr auf einem Boot gewesen. Das letzte Mal war, als Tuesday Erics Asche verstreut hatte.

Ein paar Minuten später tauchte Paddy wieder auf. „Soll ich dir noch mal nachgießen? Ich habe auch Saft und Mineralwasser, falls du das vorziehst.“

Sie mochte Champagner, daher genoss sie ihn bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen sie überhaupt Alkohol trank. Andererseits sollte sie sich wohl vorsehen, denn Paddy hatte auf sie dieselbe Wirkung wie drei Gläser Schampus auf nüchternen Magen.

„Ich trinke dann noch etwas zum Essen.“

Er stellte ein Tablett auf den niedrigen Tisch vor ihr ab.

„Ein paar Snacks. Eigentlich wollte ich ja die Lorbeeren dafür einheimsen, denn du wirst total begeistert sein und würdest mich dafür, dass ich so was hinkriege, fantastisch finden. Und das ist schließlich mein Ziel. Aber es wäre nicht nett von mir, und irgendwann könntest du ohnehin herausfinden, dass meine Schwägerin Mary eine sensationelle Köchin ist und uns regelmäßig mit Essen versorgt. Sie hat diese ganzen kleinen Schweinereien hier gezaubert und mir mitgegeben. Ich selbst hätte da eher an Käse und Cracker gedacht. Diese da, die aussehen wie kleine Säckchen, schmecken mir besonders gut. Sie sind mit Käse, Spinat und noch anderem Zeug gefüllt.“ Er zeigte darauf.

Natalie steckte sich eins der Filoteig-Bündel in den Mund. „Hmm. Oh ja, die sind wirklich gut.“ Sie aß noch zwei davon und machte sich dann daran, die anderen Sachen zu probieren. Mit Blauschimmelkäse gefüllte Datteln, gewürzte Nüsse, in Prosciutto gewickelte Zuckermelonen.

Paddy schnappte sich ein paar Appetithäppchen und wandte sich dann dem Grill zu. Natalie machte es sich auf der ziemlich komfortablen Couch bequem und schaute ihm beim Arbeiten zu. Er hantierte ganz gelassen mit diversen Utensilien und fühlte sich deutlich wohl in seiner Haut.

„Es müsste in etwa fünf Minuten fertig sein. Man darf den Fisch nicht zu lange auf dem Feuer lassen.“

„Soll ich dir helfen? Nicht beim Kochen, denn ich würde wahrscheinlich irgendwas anzünden. Aber ich kann Teller auf den Tisch stellen und solche Sachen.“

„Nix da. Der Tisch ist schon gedeckt. Wenn du willst, kannst du den Pilaw aus der Mikrowelle holen. Da sind noch Sachen in der Kühlbox, aber die bringe ich gleich zusammen mit dem Lachs.“

Sie konnte nur vermuten, wo die Kombüse lag, fand sie aber ohne Mühe, holte den Reis und brachte ihn zum Tisch auf dem Hauptdeck.

5. KAPITEL

Paddy trug ein großes Tablett mit Lachs und den anderen Sachen aus der Kombüse, blieb jedoch kurz stehen, als er sah, wie der Wind mit dem Saum ihres Kleides und den Haaren in ihrem Nacken spielte. Er fragte sich, ob sie wohl inzwischen noch mehr Tattoos hatte.

Er würde schrecklich gern selbst nachsehen, morgen früh, wenn die Sonne aufging und Natalie in seinem Bett aufwachte.

„Ich hoffe, du hast Hunger.“

Sie drehte sich zu ihm um, und ihr Anblick traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Das erwartungsvolle Lächeln, ihre ungezwungene Miene. Sie war so verdammt schön. In diesem Augenblick war sie ganz offen, und er sehnte sich nach ihr, so heftig, dass es ihn selbst erschreckte. Sie hatte etwas unwiderstehlich Verführerisches an sich. Nicht, wenn sie sich verschloss, das war Mist, und er konnte es nicht ausstehen. Natalie war … so elegant. Sie war auch stark, klar, aber sie bewegte sich mit einer geschmeidigen Anmut.

Auf nackten Füßen schlenderte sie zum Tisch. Und nein, er war kein Fußfetischist, aber verdammt, sie hatte sexy Füße, und auch sonst gefiel ihm alles an ihr. Sie war heute so lässig, ein bisschen windzerzaust, was ihn furchtbar ablenkte. Denn er malte sich ständig aus, wie sie unter diesem Kleid aussah. Sicher, er war schon mit ihr zusammen gewesen, aber das war jetzt mehr als zwölf Jahre her.

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