Der Vampirprinz

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Seite an Seite lebten Gestaltwandler, Werwölfe und Vampire im magischen Elden. Bis der grausame Blutzauberer das Königspaar stürzte. Erst wenn sich jetzt die vier Erben verbünden, kann Elden wieder aufblühen. Aber zuerst müssen sie erfahren, wer sie sind!

Angekettet an ein Bett muss Vampirprinz Nicolai Nacht für Nacht die Wünsche der Hexenprinzessin erfüllen. Obwohl die Erinnerungen an seine Vergangenheit wie ausgelöscht sind, brodelt Rachedurst in ihm. Nicolai weiß nur, dass er den Hexen entkommen muss, um diesem schwarzen Ruf zu folgen. Deshalb beschwört er Hilfe herauf - und ist erstaunt, als Jane Parker vor ihm steht: ein Mensch! Noch ahnen weder er noch sie, dass sie ineinander nicht nur heiße Begierde, sondern auch den Schlüssel zu ihrer wahren Bestimmung gefunden haben


  • Erscheinungstag 01.10.2012
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783862785315
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Image

Gena Showalter

Royal House of Shadows:
Der Vampirprinz

Roman

Aus dem Amerikanischen von
Justine Kapeller

image

MIRA® TASCHENBUCH

PROLOG

Es war einmal, in einem Land der Vampire, Formwandler und Hexen, ein Blutmagier, den verlangte es nach der einzigen Macht, die ihm verwehrt war: der Macht zu regieren. Er und seine Armee der Monster griffen den Königspalast an, schlachteten das beliebte Königspaar von Elden ab und wollten mit Nicolai, dem Kronprinzen, und seinen drei Geschwistern Breena, Dayn und Micah das Gleiche tun.

Nur gelang es dem Magier nicht, sein grausames Werk zu vollenden. Er hatte nicht damit gerechnet, wie stark der Durst eines Königs nach Rache sein konnte und wie stark die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern.

Ehe er seinen letzten Atem aushauchte, benutzte der König seine Magie, um seine Nachkommen mit einem unstillbaren Verlangen nach Rache zu füllen. So stellte er sicher, dass sie bis in alle Ewigkeit kämpfen würden, um zu bekommen, was ihnen zustand. Zur gleichen Zeit benutzte die Königin ihre Magie, um ihre Kinder fortzuschicken und sie zu retten. Jedenfalls für den Augenblick.

Doch der König und die Königin waren geschwächt, ihre Gedanken vor Schmerzen verwirrt, und ihre Zauber widersprachen einander.

Und so geschah es, dass es den Königskindern auferlegt war, den Mann zu zerstören, der ihre Eltern umgebracht hatte. Doch sie waren auch des Palastes verwiesen, jedes in ein anderes Königreich ihrer Welt geschleudert. Die einzige Verbindung zum königlichen Haus Elden, die ihnen noch blieb, war ein Zeitmesser, den ihre Eltern ihnen geschenkt hatten.

Nicolai, den die Leute auch den dunklen Verführer nannten, war im Bett gewesen, aber nicht allein. Er war nie allein. Er war ein Mann, der ebenso für seine Launen bekannt war wie für seine köstlichen Berührungen. Und nach der Geburtstagsfeier für seinen jüngsten Bruder hatte er sich in seine privaten Gemächer zurückgezogen und sich an seiner neuesten Eroberung gelabt.

Dort hatte ihn die zwiespältige Kraft der Zauber getroffen.

Als er seine Augen das nächste Mal geöffnet hatte, war er in einem anderen Bett gewesen … jedoch nicht mit der Partnerin, die er gewählt hatte. Er war immer noch nackt, aber jetzt lag er in Ketten. Er war Sklave eben jener Leidenschaften, die er in seiner Geliebten geweckt hatte. Leidenschaften, die sich mit der Magie verwoben und ihn direkt auf den Sexmarkt gesandt hatten, wo er schnell an eine Prinzessin von Delfina verkauft worden war. Sein Wille war gebrochen, die Begierden waren ihm genommen, sein Zeitmesser gestohlen und seine Erinnerungen gelöscht.

Nur zwei Dinge konnte man ihm nicht nehmen, egal wie sehr die Prinzessin es versuchte: die kalte Wut in seiner Brust und das brennende Verlangen nach Rache in seinen Adern.

Ersteres würde er entfesseln. Das Zweite genießen. Die Prinzessin wollte er sich zuerst vornehmen und dann den Magier, an den er sich kaum erinnern konnte, den er aber dennoch verachtete.

Bald.

Er musste nur entkommen …

1. KAPITEL

Ich brauche Dich, Jane.

Mit einem Stirnrunzeln legte Jane Parker die Nachricht auf die Küchenanrichte. Sie betrachtete das abgegriffene ledergebundene Buch, das in einer schmucklosen Schachtel auf einem Meer aus schwarzem Samt lag. Vor einigen Minuten war sie von ihrem Fünf-Meilen-Lauf zurückgekehrt. Das Paket hatte sie danach auf der Veranda gefunden.

Es stand kein Absender darauf. Keine Erklärung, warum das Ding für sie hinterlassen worden war, und kein Hinweis darauf, wer „Ich“ sein sollte. Oder warum Jane gebraucht wurde. Warum sollte irgendjemand ausgerechnet sie brauchen? Sie war siebenundzwanzig Jahre alt und hatte gerade erst wieder gelernt, ihre Beine zu benutzen. Sie hatte keine Familie, keine Freunde, keinen Job. Nicht mehr. Ihre kleine Hütte in Kleinste Stadt Aller Zeiten, Oklahoma, lag abgeschieden, eine winzige Erhebung in der umliegenden Weite aus grünen Bäumen und endlos blauem Himmel.

Sie sollte das Ding einfach wegwerfen. Aber natürlich war ihre Neugierde wieder einmal größer als ihre Vorsicht. Wie immer.

Vorsichtig nahm sie das Buch hoch. Doch sobald sie es berührte, sah sie ihre Hände in Blut getaucht. Sie keuchte erschrocken auf und ließ das schwere Buch auf die Anrichte fallen. Aber als sie dann ihre Hände ins Licht hielt, waren sie sauber, die Fingernägel ordentlich geschnitten und in einem hübschen Rosa lackiert.

Deine Fantasie geht mit dir durch, und in deinem Blut ist vom Laufen noch zu viel Sauerstoff. Das ist alles.

Kalte, harte Logik – ihr bester und einziger Freund.

Der Einband des Buches knarrte, als sie es in der Mitte aufschlug, wo ein zerfetztes rosa Band lag. Der Duft von Staub und Moschus drang zu ihr hinauf und dazwischen noch etwas anderes. Etwas … das ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ und das ihr vertraut war. Sie legte die Stirn in noch tiefere Falten.

Jane rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, als ein scharfer Schmerz durch ihre Beine fuhr, und atmete tief ein. Oh ja. Ihr lief wirklich das Wasser im Mund zusammen, als sie einen Hauch von Sandelholz wahrnahm. Sie bekam eine Gänsehaut, verspürte ein angenehmes Prickeln, ihr Blut erhitzte sich. Wie peinlich. Und, okay, auch interessant. Seit dem Autounfall, der ihr Leben vor elf Monaten zerstört hatte, kannte sie Erregung nur noch in der Nacht, in ihren Träumen. Am helllichten Tag so zu reagieren, und das nur wegen eines Buches, war … merkwürdig.

Sie gestattete es sich nicht, darüber nachzudenken. Sie würde ohnehin keine zufriedenstellende Antwort darauf finden. Stattdessen konzentrierte Jane sich auf die Seiten, die vor ihr lagen. Sie waren vergilbt und empfindlich, brüchig. Und mit Blut besprenkelt? Kleine scharlachrote Tropfen befleckten die Ränder.

Mit den Fingerspitzen fuhr sie behutsam über den handgeschriebenen Text, und ihr Blick blieb dabei an einzelnen Worten hängen. Ketten. Vampir. Gehören. Seele. Mehr Gänsehaut, mehr Kribbeln.

Sie errötete ein wenig.

Jane kniff die Augen zusammen. Wenigstens ergab der Duft nach Sandelholz jetzt einen Sinn. In den letzten Monaten hatte sie immer wieder von einem Vampir geträumt, der in Ketten lag, und beim Aufwachen hatte sein Duft noch an ihrer Haut geklebt. Und ja, er hatte sie erregt. Davon erzählt hatte sie niemandem. Wer hätte ihr also dieses … Tagebuch schicken sollen?

Sie hatte jahrelang nicht nur in der Quantenphysik gearbeitet, sondern auch im Bereich der Grenzwissenschaften. Manchmal hatte sie Kreaturen erforscht, die aus „Mythen“ und „Legenden“ stammten. Sie hatte kontrollierte Befragungen mit tatsächlichen Bluttrinkern durchgeführt und sogar deren Leichen seziert, wenn man sie ihr ins Labor gebracht hatte.

Sie wusste also, dass es Vampire, Formwandler und andere Kreaturen der Nacht wirklich gab, auch wenn sie ihre Mitarbeiter aus der Quantenphysik nicht in diese Wahrheit eingeweiht hatte. Vielleicht hatte es jemand herausgefunden und ihr einfach einen Streich gespielt. Vielleicht gab es keine Verbindung zu ihren Träumen. Allerdings schien bereits eine Ewigkeit vergangen zu sein, seit sie mit diesen Mitarbeitern zuletzt Kontakt gehabt hatte. Und außerdem, wer würde so etwas tun? Keiner von ihnen hatte sich genug für sie interessiert, um irgendetwas zu tun.

Lass die Sache ruhen, Parker. Ehe es zu spät ist.

Dieser Befehl ihres Selbsterhaltungstriebs ergab keinerlei Sinn. Zu spät wofür?

Ihre Instinkte antworteten nicht. Na gut, die Wissenschaftlerin in ihr musste jedenfalls wissen, was vor sich ging.

Jane räusperte sich. „Ich lese ein paar Absätze, mehr nicht“, sagte sie laut. Sie war allein, seit man sie vor einigen Monaten aus dem Krankenhaus entlassen hatte, und manchmal war der Klang ihrer Stimme besser als die Stille. „Ketten lagen um den Hals des Vampirs, um seine Handgelenke und seine Fußknöchel. Man hatte ihm das Hemd und die Hosen genommen, ein Lendenschurz war seine einzige Kleidung, und nichts schützte seine bereits misshandelte Haut. Die Glieder der Ketten schnitten ihm bis auf die Knochen, ehe er heilte – und sie ihn wieder schnitten. Es war ihm gleich. Was war Schmerz, wenn der freie Wille, wenn die eigene Seele einem nicht mehr gehörte?“

Eine Welle des Schwindels brach über sie herein, und sie presste die Lippen zusammen. Ein Augenblick verging, dann ein weiterer, ihr Herz schlug schneller und hämmerte wild gegen ihre Rippen.

Brutale Bilder tauchten vor ihr auf. Dieser Mann – dieser Vampir – gefesselt, hilflos. Hungrig. Seine sinnlichen Lippen waren straff gespannt über scharfen weißen Zähnen. Er war überraschend gebräunt und verlockend muskulös, mit dunklem unordentlichem Haar und einem Gesicht, das sie mit seiner überirdischen Schönheit noch jahrelang in ihren nächtlichen Fantasien heimsuchen würde.

Was sie gerade gelesen hatte, hatte sie schon gesehen. Viele Male. Aber wie? Das wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass sie in ihren Träumen Mitleid für diesen Mann empfunden hatte, sogar wütend gewesen war. Und gleichzeitig war da immer eine Andeutung von Erregung im Spiel gewesen. Jetzt ergriff diese Erregung Besitz von ihr.

Je mehr sie atmete, desto mehr hing der Duft nach Sandelholz an ihr und desto mehr veränderte sich ihre Wirklichkeit, als wäre ihr Zuhause nicht mehr als ein Trugbild. Als wäre der Käfig des Vampirs echt. Als bräuchte sie nur aufzustehen und loszugehen – nein, zu rennen –, um bei ihm zu sein, jetzt und auf ewig.

Okay. Genug davon. Sie klappte das Buch zu, auch wenn noch viele Fragen offengeblieben waren, und ging mit eiligen Schritten davon.

Eine so starke Reaktion sprach, besonders vor dem Hintergrund ihrer Träume, gegen einen Streich. Nicht dass sie daran je wirklich geglaubt hätte. Doch alle anderen Möglichkeiten bereiteten ihr so viele Sorgen, dass sie sich weigerte, sie auch nur in Betracht zu ziehen.

Jane duschte, zog sich Jeans und T-Shirt an und aß ein nahrhaftes Frühstück. Gegen ihren Willen wanderte ihr Blick immer wieder zu dem Ledereinband. Sie fragte sich, ob es den versklavten Vampir wirklich gab und, zugegeben, auch, ob sie ihm helfen konnte. Ein paarmal hatte sie das Buch schon aufgeschlagen, ehe ihr überhaupt bewusst wurde, was sie tat. Und jedes Mal war sie davongeeilt, ehe sie in den Bann der Geschichte geraten konnte.

Vielleicht hatte man ihr das dumme Ding genau deswegen gegeben. Um sie zu ködern, damit sie sich wieder an die Arbeit machte. Sie musste aber nicht arbeiten. Geld war für sie kein Problem. Darüber hinaus liebte sie die Wissenschaft einfach nicht mehr. Warum sollte sie? Es gab nie eine Antwort, nur immer noch mehr Fragen.

Wenn ein Puzzleteil an seinen Platz geglitten war, brauchte man zwanzig weitere. Und am Ende konnte nichts, was man tat, nichts, was man gelöst oder entwirrt hatte, die Menschen retten, die man liebte. Es gab immer irgendeinen dämlichen Kerl, der sich in der Bar ein paar Bier genehmigte, in seinen Wagen stieg und in deinen raste. Oder sonst etwas Tragisches.

Das Leben war willkürlich.

Jane sehnte sich nach Eintönigkeit.

Aber als Mitternacht heranrückte, kreisten ihre Gedanken immer noch um den Vampir. Sie gab auf, kehrte in die Küche zurück, schnappte sich das Buch und stakste zurück ins Bett. Nur ein paar Absätze, verdammt, und dann würde sie sich wieder nach Eintönigkeit sehnen.

Janes viel zu großes T-Shirt rutschte ihr bis zur Taille hoch, als sie das Buch auf ihren angezogenen Beinen ablegte, die Stelle aufschlug, wo das Lesezeichen immer noch steckte, und ihre Aufmerksamkeit auf die Seiten richtete. Einige Sekunden lang schienen die Worte in einer Sprache geschrieben zu sein, die sie nicht verstand. Und einen Wimpernschlag später waren sie wieder Englisch.

O-kay. Sehr merkwürdig und sicherlich – hoffentlich – bloß durch den Schlafmangel hervorgerufen.

Sie fand ihre Stelle. „Man nannte ihn Nicolai.“ Nicolai. Ein starker, sinnlicher Name. Die Silben klangen in ihrem Kopf wie eine Liebkosung. Ihre Brüste zogen sich schmerzlich zusammen, sehnten sich nach einem heißen feuchten Kuss. Jane errötete am ganzen Körper. Sie versuchte, sich zu erinnern. Einen Vampir namens Nicolai hatte sie nie befragt, und der Vampir in ihren Träumen hatte nie mit ihr gesprochen. Er hatte sie überhaupt nicht wahrgenommen. „Er wusste nichts von seiner Vergangenheit, wusste nicht, ob er eine Zukunft hatte. Er kannte nur seine Gegenwart. Seine verhasste und qualvolle Gegenwart. Er war ein Sklave, eingesperrt wie ein Tier.“

Wie schon beim ersten Mal wurde ihr plötzlich schwindelig. Dieses Mal las Jane weiter, auch dann noch, als ihre Brust sich zusammenzog. „Man hielt ihn sauber und ölte ihn ein. Zu jeder Zeit. Nur für den Fall, dass Prinzessin Laila ihn in ihrem Bett brauchte. Und die Prinzessin brauchte ihn. Oft. Nachdem er ihre grausamen, perversen Gelüste befriedigt hatte, blieb er geschlagen und verletzt zurück. Doch er ergab sich nie. Der Mann war wild, fast unkontrollierbar, und so voller Hass, dass jeder, der ihn ansah, in seinen Augen den eigenen Tod erblickte.“

Das Schwindelgefühl verstärkte sich. Ihr Verlangen ebenfalls. Einen solchen Mann zu zähmen, all seine Wildheit auf sich selbst konzentriert zu wissen, zu spüren, wie er wild hämmernd in einen eindrang … aus freien Stücken … Jane schauderte.

Konzentrier dich endlich, Parker. Sie räusperte sich. „Er war hart und gnadenlos. Ein Krieger im Herzen. Ein Mann, der absolute Kontrolle gewöhnt war. Wenigstens glaubte er das. Selbst ohne seine Erinnerungen merkte er genau, dass jeder Befehl, der an ihn gerichtet wurde, seine Nerven wund kratzte.“

Noch ein Schaudern durchfuhr sie. Sie knirschte mit den Zähnen. Er brauchte ihr Mitleid, nicht ihr Verlangen. Ist er für dich wirklich so echt? Ja, das war er. „Wenigstens bekam er einige Tage Erholung“, las sie weiter, „von allen vergessen. Der ganze Palast stand kopf, weil Prinzessin Odette von den Toten auferstanden war, und …“

Der Rest der Seite war leer. „Und was?“ Jane blätterte um, aber ihr wurde bald klar, dass die Geschichte ein offenes Ende hatte. Na toll.

Glücklicherweise – oder auch nicht – entdeckte sie am Ende des Buches noch etwas Geschriebenes. Sie blinzelte und schüttelte den Kopf. Die Worte veränderten sich nicht. „Du, Jane Parker“, las sie langsam vor. „Du bist Odette. Komm zu mir, ich befehle es Dir. Rette mich, ich flehe Dich an. Bitte, Jane. Ich brauche Dich.“

Ihr Name stand in dem Buch. Wie kam ihr Name in das Buch? In der gleichen Schrift wie alles andere? Auf den gleichen alten vergilbten Seiten, mit der gleichen verschmierten Tinte?

Ich brauche dich.

Sie konzentrierte sich wieder auf den Teil, der an sie gerichtet war. Immer wieder las sie: „Du bist Odette“, bis das Bedürfnis zu schreien endlich von ihrer Neugierde besiegt wurde. Ihre Gedanken überschlugen sich. Es gab so viele Möglichkeiten. Gefälscht, echt, Traum, Realität.

Komm zu mir.

Rette mich.

Bitte.

Ich befehle es dir.

Etwas in ihr reagierte auf diesen Befehl stärker als auf alles andere. Der Drang, zu rennen – hierhin, dorthin, überallhin – durchfuhr sie. Bis sie ihn fand, ihn rettete, war nichts anderes mehr wichtig. Und sie konnte ihn retten, wenn sie nur erst bei ihm war.

Ich. Befehle. Es. Dir.

Ja. Sie wollte gehorchen. So sehr. Sie fühlte sich, als wäre eine unsichtbare Leine um ihren Hals gelegt, an der man jetzt zog.

Jane schloss das Buch mit zitternden Fingern. Sie würde niemanden suchen. Nicht heute Nacht. Sie musste sich sammeln. Morgen, mit klarem Kopf nach einer starken Tasse Kaffee, würde sie sich die Sache logisch erklären können. Hoffte sie jedenfalls.

Nachdem sie das Buch auf ihren Nachttisch gelegt hatte, ließ sie sich in ihr Bett fallen und schloss die Augen. Sie versuchte ihre rasenden Gedanken zu beruhigen, hatte aber wenig Erfolg. Wenn Nicolais Geschichte stimmte, war er von seinen Ketten so gefangen, wie sie es einst von den Leiden ihres Körpers gewesen war.

Ihr Mitleid wuchs … breitete sich aus …

Während man ihn in einem Käfig gefangen hielt, war sie an ihr Krankenbett gefesselt gewesen, mit gebrochenen Knochen, gerissenen Muskeln und einem von Medikamenten vernebelten Verstand, und das alles, weil ein betrunkener Fahrer in ihren Wagen gerast war. Und während sie unter dem Verlust ihrer Familie gelitten hatte – immer noch litt –, weil ihre Mutter, ihr Vater und ihre Schwester im gleichen Wagen gesessen hatten, wurde Nicolai von einer sadistischen Frau mit unerwünschten Berührungen gefoltert. Sie spürte eine Welle des Mitleids und einen Funken Zorn.

Ich brauche dich.

Jane atmete tief ein, langsam wieder aus und drehte sich auf die Seite. Sie klammerte sich fest an ihr Kissen, so fest, wie sie sich plötzlich an Nicolai klammern wollte, um ihn zu trösten. Um bei ihm zu sein. Äh, fang damit gar nicht erst an. Sie kannte den Mann nicht einmal. Deshalb würde sie sich auch nicht vorstellen, mit ihm zu schlafen.

Aber genau das tat sie. Seine Qualen waren vergessen, als sie sich ausmalte, wie er sich auf sie legte, die silbernen Augen vor Verlangen leuchtend, seine Pupillen geweitet. Seine Lippen waren voll und gerötet, weil er ihren ganzen Körper mit Küssen bedeckte, und ihr Geschmack glänzte noch feucht darauf. Sie leckte ihn, schmeckte ihn, schmeckte sich selbst, wollte ausnahmslos alles, was er ihr zu geben hatte.

Er stieß einen anerkennenden Laut aus und ließ seine Fangzähne aufblitzen.

Sein großer muskulöser Körper bedeckte ihren. Auf seiner erhitzten Haut bildeten sich kleine Schweißperlen, sodass ihre Körper sich auf dem Weg zum Höhepunkt leichter aneinander reiben konnten. Lieber Gott, fühlte er sich gut an. So verdammt lang. Lang und stark. Er passte perfekt, füllte sie ganz aus. Vor, zurück, schneller und schneller, bis an den Rand der höchsten Empfindungen, und dann langsamer … langsamer … qualvoll.

Sie kratzte ihm mit den Fingernägeln über den Rücken. Er stöhnte. Sie schlang ihm die Beine um die Hüften und drückte ihn an sich. Ja. Ja, mehr. Schneller, immer schneller. Nie genug, fast genug. Mehr, bitte mehr.

Nicolai drang mit der Zunge in ihren Mund ein und spielte mit ihrer Zunge, ehe er zubiss und gierig an ihrem Blut saugte. Ein scharfes Stechen, und dann, endlich, oh Gott, endlich, trat sie über die Grenze.

Wellen der Lust durchfuhren ihren ganzen Körper, bis kleine Sterne vor ihren Augen aufblitzten. Ihre Muskeln zogen sich wieder und wieder zusammen, und flüssige Hitze sammelte sich zwischen ihren Oberschenkeln. Sie ritt endlose Sekunden, Minuten lang auf den Wellen, bis sie sich auf die Matratze sinken ließ und nach Atem rang.

Ein Orgasmus, dachte sie benommen. Ein echter Orgasmus von einem eingebildeten Mann, und sie hatte sich nicht einmal selbst berührt.

„Nicolai … mein …“, flüsterte sie, und als sie endlich einschlief, lag ein Lächeln auf ihren Lippen.

2. KAPITEL

Prinzessin. Prinzessin, Ihr müsst aufwachen.“

Jane öffnete blinzelnd ihre Augen. Gedämpftes Sonnenlicht drang in das Schlafzimmer – das nicht ihr eigenes war, wie sie verwirrt bemerkte. Ihr Zimmer war schlicht, mit weißen Wänden und einem braunen Teppich, und das einzige Möbelstück darin war ein schmuckloses Bett. Doch jetzt sah sie über sich einen Betthimmel aus rosa Spitze. Rechts befand sich ein prächtig geschnitzter Nachttisch, auf dem ein juwelenbesetzter Pokal stand. Darunter lag ein weicher glitzernder Teppich, der zu einer Bogentür führte, deren Flügel offen standen und das Innere eines großen Wandschranks zeigten, aus dem ein Regenbogen aus Samt, Satin und Seide herausquoll.

Das konnte nicht stimmen.

Sie setzte sich mit einem Ruck auf. Ihr wurde schwindelig – ein vertrautes Gefühl, aber kein tröstliches –, und sie stöhnte.

„Ist alles in Ordnung, Prinzessin?“

Sie zwang sich dazu, sich zu konzentrieren, und sah sich um. Neben ihrem Bett stand eine junge Frau. Eine Frau, der sie noch nie begegnet war. Klein, pummelig, mit Sommersprossen auf der Nase und krausem rotem Haar. Sie trug ein Kleid aus grobem braunem Stoff, das unbequem eng zu sitzen schien.

Jane krabbelte rückwärts, bis sie gegen das Kopfteil des Bettes stieß. „Wer bist du? Was machst du hier?“ Noch während sie sprach, riss sie ihre Augen vor Erstaunen weit auf. Sie hatte fünf verschiedene Sprachen gelernt, aber im Augenblick sprach sie keine davon. Und doch verstand sie jedes Wort, das aus ihrem Mund kam.

Auf dem Gesicht des Mädchens waren keine Emotionen zu lesen, als wäre sie es gewohnt, von Fremden angebrüllt zu werden. „Ich bin Rhoslyn. Früher war ich das Dienstmädchen Ihrer Mutter, doch jetzt soll ich Euch dienen. Wenn Ihr mich behalten wollt“, fügte sie unsicher hinzu. Auch sie sprach in dieser merkwürdigen lyrischen Sprache mit den fließenden Silben. „Die Königin hat mich gebeten, Euch zu wecken und in ihr Studierzimmer zu bringen.“

Dienstmädchen? Mutter? Janes Mutter war tot, genau wie ihr Vater und ihre Schwester. Sie waren ums Leben gekommen, als der betrunkene Fahrer sein Auto in ihre Seite des Wagens gerammt hatte. Ihr Vater und ihre Schwester waren sofort tot gewesen. Ihre Mutter jedoch … Sie war vor Janes Augen langsam verblutet. Der Wagen war in einen Baum verkeilt gewesen, ihre Sitzgurte hatten sie gefesselt gehalten, die Metalltüren und das Dach waren so vollkommen verbeult gewesen, dass man sie hatte herausschneiden müssen. Doch da war es schon zu spät gewesen. Sie hatte bereits ihren letzten, qualvollen Atemzug getan.

Sie war genau an dem Tag gestorben, als man ihr gesagt hatte, dass der Krebs endlich besiegt war.

„Wage es nicht, mich mit meiner Mutter zu verspotten“, knurrte Jane, und Rhoslyn zuckte zusammen.

„Es tut mir leid, Prinzessin, aber ich verstehe nicht. Ich spotte nicht über die Einladung Eurer Mutter.“ Wie verängstigt sie jetzt klang. In ihren dunklen Augen sammelten sich sogar Tränen. „Ich schwöre, ich wollte Euch nichts Böses. Bitte, bestraft mich nicht.“

Bestrafen? Sollte das ein Witz sein? Nein, Witz war nicht das passende Wort. Hatte sie vielleicht einen Nervenzusammenbruch? Aber das konnte nicht sein. Zusammenbrüche waren eine Art Hysterie, und sie war nicht hysterisch. Außerdem war da noch die Sache mit der Sprache. Komm schon. Du bist Wissenschaftlerin. Geh der Sache mit Logik auf den Grund.

„Wo bin ich? Wie bin ich hierhergekommen?“ Als Letztes erinnerte sie sich daran, in dem Buch gelesen zu haben, und … Das Buch! Wo war das Buch? Ihr Herz hämmerte unkontrollierbar, wie ein Gewitter in ihrer Brust, während sie sich noch einmal umsah. Dort! Ihr Buch lag auf dem Schminktisch, so nah und doch so fern.

Meins, brüllte jede Zelle in ihrem Körper. Das überraschte sie. Und es überraschte sie auch, wie selbstverständlich sie diese Behauptung fand. Andererseits hatte sie es praktisch mit dem Ding getrieben. Und … ach verdammt. Ihr Blut erwärmte sich wieder, ihre Haut begann zu kribbeln, und ihr Körper bereitete sich darauf vor, vollkommen in Besitz genommen zu werden.

Ich brauche dich, Jane. Der Text. Sie erinnerte sich an den Text. Komm zu mir. Rette mich.

Denk logisch darüber nach. Sie war eingeschlafen und hatte geträumt, wie ein Vampir sie sündig berührte. Und dann war sie, wie bei „Alice im Wunderland“, in einer seltsamen neuen Welt aufgewacht. Und sie war ganz sicher wach. Das war kein Traum. Wo war sie also? Wie war sie hergekommen?

Was wäre, wenn …?

Sie erstickte den Gedanken, ehe er in eine Richtung führen konnte, die ihr nicht gefiel. Es musste eine logische Erklärung geben. „Wo bin ich?“, fragte sie noch einmal.

Während Jane sich aus der weichen Umarmung ihrer Federmatratze befreite, sagte das angebliche Dienstmädchen: „Ihr seid in … Delfina.“ Sie sprach mit einem fragenden Tonfall, als könnte sie nicht ganz begreifen, dass Jane die Antwort nicht bereits kannte. „Ein Königreich ohne Zeit und Alter.“

Delfina? Davon hatte sie … schon einmal gehört, stellte sie erstaunt fest. Nicht den Namen, aber von einem „Königreich ohne Zeit“. Einige der Wesen, die sie befragt hatte, hatten von diesem Reich gesprochen, einem magischen Reich, in verschiedene Königreiche unterteilt, von dem die Menschen nichts wussten. Damals war sie nicht sicher gewesen, ob sie daran glauben sollte oder nicht. Sie waren Gefangene, weggesperrt zum Wohle der Menschheit. Sie hätten alles erzählt, um damit ihre Freiheit zu erlangen. Auch angeboten, Jane in ihre Welt zu begleiten.

Was wäre, wenn …?

Was, wenn sie die Grenze von ihrer Welt zur anderen übertreten hatte? Jane erlaubte dem Gedanken endlich, zu seinem Ende zu kommen, und ihr drehte sich der Magen um.

Ehe der Autounfall ihr Leben so einschneidend verändert hatte, hatte sie nicht nur mythische Kreaturen untersucht. Sie hatte die Manipulation von makroskopischer Energie erforscht und jeden Tag „das Unmögliche“ versucht. Zum Beispiel den molekularen Transfer eines Objekts von einem Ort – einer Welt – an einen anderen, und es war ihr gelungen. Nicht mit Lebensformen, natürlich, noch nicht, aber mit Plastik und anderen Materialien. Deshalb hatte man sie als annehmbares Risiko eingestuft, wenn es um die Interaktion mit den gefangenen Wesen ging, den Toten wie den Lebendigen.

Was, wenn es ihr irgendwie gelungen war, sich selbst zu transferieren? Aber, fragte sie sich, wie hatte ihr das gelingen können, wenn sie die nötigen Geräte nicht bei sich in der Hütte gehabt hatte? Nachwirkungen von ihrem Kontakt mit den transferierten Materialien vielleicht?

Nein. Es gab zu viele Variablen. Zum Beispiel ihre neue Identität als Königstochter.

„Rhoslyn“, sagte sie und hielt ihre zusammengekniffenen Augen auf das Mädchen gerichtet, während sie sich auf die Beine stellte. Ihre Knie schlugen zusammen, und ihre Muskeln verkrampften sich, aber das Schwindelgefühl kam zum Glück nicht wieder.

„Ja, Prinzessin?“

Sie sah schnell an sich herunter, blinzelte überrascht und musste ein zweites Mal hinsehen. Sie trug eine wunderschöne rosafarbene Robe, die sie nicht selbst gekauft und noch nie zuvor gesehen hatte. Der Stoff schlug Wellen um ihren knochigen Körper und tanzte um ihre Knöchel.

Wer zur Hölle hatte sie angezogen?

Ist auch egal. Sie konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. „Wie sehe ich aus?“

Rhoslyn streckte die Hand aus, und Jane schürzte die Lippen und schreckte zurück. „Bitte, Prinzessin, es geht Euch nicht gut. Erlaubt mir, Euch zu helfen.“

„Bleib, wo du bist“, befahl Jane ihr. Bis sie herausgefunden hatte, was vor sich ging, würde sie niemandem vertrauen. Und ohne Vertrauen kein Anfassen.

Das Mädchen erstarrte. „W… was immer Ihr befehlt, Prinzessin. Soll ich Euch etwas bringen?“

„Nein, äh, ich will nur etwas von da drüben holen.“ Jane ging mit unsicheren Schritten voran. Die Fasern des Teppichs waren so weich, wie sie aussahen, streichelten ihre nackten Füße und kitzelten den empfindlichen Bereich zwischen ihren Zehen. Sie ging langsam, um ihre geschundenen Beine zu schonen. Als sie endlich das Buch in Händen hielt und sich umdrehte, fühlte sie sich wieder normal. Das Mädchen hatte sich immer noch nicht bewegt. Sie hatte einen Arm in Richtung des Bettes ausgestreckt und zitterte. „Steh bequem“, hörte Jane sich sagen.

Mit einem erleichterten Seufzen ließ Rhoslyn ihren Arm sinken. „Ihr habt gefragt, wie Ihr ausseht. Wunderschön, Prinzessin. Wie immer.“ Es klang automatisch, ohne Gefühl dahinter.

Jane behielt ihre halbe Aufmerksamkeit auf sie gerichtet, die andere Hälfte konzentrierte sich auf das Buch. Sie runzelte die Stirn. Das dunkle Leder war makellos. Sie schlug die Mitte auf. Es lag kein Lesezeichen darin, und die Seiten waren neu, frisch. Leer. „Das ist nicht mein Buch“, sagte sie. „Wo ist mein Buch?“

„Prinzessin Odette“, antwortete Rhoslyn, ohne zu zögern. „Meines Wissens nach seid Ihr ohne Buch hier angekommen. Wenn ich Euch jetzt bitten dürfte …?“

„Warte. Wie hast du mich genannt?“

„Pr… Prinzessin Odette? So lauten Euer Titel und Euer Name. Oder nicht? Soll ich Euch anders nennen? Oder vielleicht kann ich die Heilerin benachrichtigen, damit sie …“

„Nein. Nein, ist schon in Ordnung.“ Prinzessin Odette, von den Toten auferstanden. Genau diese Worte hatte Jane gelesen. Und sie hatte auch gelesen: „Du, Jane Parker. Du bist Odette.“

Sie drehte sich um und lehnte sich gegen den Schminktisch, um sich im Spiegel zu betrachten. Als sie sich selbst erblickte, erstarrte sie. Hellbraunes Haar floss über eine Schulter. Ihr Haar. Vertraut. Ihre Augen waren glasig, und unter ihnen waren halbmondförmige dunkle Schatten. Auch vertraut.

Sie streckte die Hand aus. Ihre Fingerspitzen berührten das Glas. Kalt, fest. Echt. Wenn sie ihr Gewand hochhob, würde sie die Narben sehen, die ihren Bauch und ihre Beine entstellten. Sie wusste es genau.

Sie hatte sich also nicht über Nacht in Prinzessin Odette verwandelt. Oder, verflucht, vielleicht sahen sie und die Prinzessin einfach gleich aus.

„Wie bin ich hergekommen?“, krächzte sie und drehte sich wieder zu dem Mädchen um.

Ich brauche dich, Jane.

Nicolai. Sie atmete zischend ein, als sein Name plötzlich ihre Gedanken erfüllte. Nicolai, der versklavte Vampir, angekettet, missbraucht. Nicolai, der Liebhaber, der in ihren Körper eindrang. Ihre Beine öffneten sich für ihn und pressten sich dann zusammen, um ihn festzuhalten.

Komm zu mir.

Zu ihm kommen, als würde er sie kennen. Als würde sie ihn kennen. Aber sie war ihm noch nie begegnet. Jedenfalls nicht dass sie wüsste.

So etwas war möglich, nahm sie an. Laut der Paradox-Theorie … Verdammt. Nein. Es wurden keine Hypothesen über die Paradox-Theorie aufgestellt, solange sie nicht weitere Informationen gesammelt hatte. Sonst würde sie die nächsten Tage nur mit Nachdenken verbringen.

Rhoslyn erblasste. „Gestern Abend hat ein Mann der Palastwache Euch draußen auf den Treppen gefunden. Er hat Euch hierher in Eure Schlafkammer getragen. Es wird Euch freuen zu erfahren, dass man sie seit Eurem Verschwinden unverändert belassen hat.“

Sie war zu Hause eingeschlafen … und hier wieder aufgewacht. Als Prinzessin Odette, von den Toten auferstanden. Alice im Wunderland.

„Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, aber ich habe Euch gebadet und Euch etwas anderes angezogen“, fügte Rhoslyn hinzu.

Glühend heiße Hitze stieg in ihre Wangen. In den letzten elf Monaten hatten sie jede Menge Fremde gebadet und umgezogen, und sie war erleichtert, dass es Rhoslyn gewesen war und nicht irgendein verschwitzter keuchender Kerl. Trotzdem. Wie peinlich. „Wo ist mein Hemd?“

„Es wird gewaschen. Ich muss zugeben, so etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Es waren fremde Schriftzeichen darauf.“

Sie schloss das Buch und presste es gegen ihre Brust. „Ich will es zurückhaben.“ Im Augenblick war es ihre einzige Verbindung nach Hause.

„Natürlich. Sobald ich Euch zu Eurer Mutter gebracht habe, werde ich … Oh, verzeiht. Ich wollte sie nicht wieder erwähnen. Ich werde Euch in … das Studierzimmer im unteren Geschoss bringen und das Kleidungsstück für Euch holen.“ Ehe Jane etwas erwidern konnte, fügte Rhoslyn durch zusammengebissene Zähne hinzu: „Ich freue mich so sehr – so wie Euer ganzes Volk –, dass Ihr zu uns zurückgekommen seid. Wir haben Euch vermisst, sogar sehr.“

Eine Lüge, das stand außer Frage. „W… wo war ich?“

„Eure Schwester, Prinzessin Laila, hat gesehen, wie Ihr vor einer gefühlten Ewigkeit von den Klippen gefallen seid. Nachdem Euer neuer Sklave Euch erstochen und leer getrunken hatte. Auch wenn wir Euren Körper nie finden konnten, nahm man an, Ihr wäret tot, denn so einen Sturz hat noch nie jemand überlebt. Wir hätten wissen müssen, dass Ihr, der Liebling von ganz Delfina, einen Weg finden würdet.“ Sie ließ ein steifes Lächeln aufblitzen, das höchstens eine Sekunde anhielt.

Prinzessin Laila. Auch dieser Name hallte in Janes Kopf wider, direkt gefolgt von „grausame, perverse Gelüste“.

„Nicolai“, sagte sie. War er hier? War er echt?

Das Dienstmädchen kaute auf seiner Unterlippe und schien plötzlich nervös zu sein. „Wollt Ihr, dass ich den Sklaven Nicolai zu Euch bringen lasse?“

Janes Pulsschlag beschleunigte sich, ihre Haut erwärmte sich und kribbelte wie zuvor. Dieses Mädchen wusste, wer er war. Das bedeutete, er war wirklich hier, er war so echt, wie sie selbst es war.

Ihre Gedanken überschlugen sich. Das Buch. Die Charaktere. Die Geschichte, die vor ihren Augen Wirklichkeit wurde … und Jane war jetzt ein Teil davon, tief darin verwoben, auch wenn sie nicht sie selbst war. Endlich. Ein Puzzleteil fiel an seinen Platz.

Das Buch könnte eine Verbindung darstellen. Vielleicht hatte sie, indem sie laut vorlas, eine Pforte von ihrer Welt in diese geöffnet. Vielleicht war es Nicolai irgendwie gelungen, das Buch zu ihr zu schicken, und sie war seine einzige Hoffnung auf Freiheit.

„Nicolai“, wiederholte sie. „Bring mich zu ihm.“ Sie musste ihn sehen, und sie war zu ungeduldig, um abzuwarten. Würde er sie erkennen? Hatte sie recht mit ihren Vermutungen?

Rhoslyn schluckte. „Aber er war es, der Euch erstochen hat, und Eure Mutt… ich meine, äh, die Königin mag es nicht, wenn man sie warten lässt. Sie hat Euch bereits einmal besucht, aber Ihr habt fest geschlafen und konntet nicht geweckt werden. Ihre Ungeduld wächst, und Ihr wisst, Ihre Launen …“ Ihre Wangen röteten sich, als sie merkte, was sie gesagt hatte. „Es tut mir leid. Ich wollte der Königin gegenüber nicht respektlos sein.“

Nicolai hatte Odette erstochen, die Frau, die Jane gerade verkörperte? Das war eine Wendung, die Jane nicht erwartet hatte. Verdammt. Was, wenn er versuchte, Jane das Gleiche anzutun?

Das wird er nicht, sagte ein tief verborgener, geheimer Teil von ihr. Er braucht dich. Das hat er selbst gesagt.

„Ein paar Minuten länger zu warten wird der Königin nicht schaden.“ Wer auch immer diese Königin war und was sie ihr auch bedeuten sollte, Jane war es egal. Obwohl es ihr nicht behagte, dass eine solche Frau, die anscheinend unter unberechenbaren Launen litt, hier regierte und ihre Worte Gesetz waren.

„Eure Schwester …“

„Ist egal.“ Auch sie war tot. Obwohl, wenn man dem Buch glaubte, könnte Odette sehr wohl eine Schwester haben. Diese andere Prinzessin. Aber auch das war Jane egal. „Bring mich zu Nicolai. Sofort.“ Zeit, ein weiteres Puzzleteil zu finden.

Das Mädchen zuckte zusammen, und in der angespannten Stille tickten die Sekunden dahin. Endlich sagte es: „Was immer Ihr befehlt, Prinzessin. Hier entlang.“

3. KAPITEL

Man nannte ihn Nicolai. Er wusste nicht, ob das sein richtiger Name war. Er wusste nichts über sich selbst. Immer, wenn er versuchte, sich zu erinnern, pochte ein unerträglicher Schmerz in seinem Kopf, und sein Verstand verschloss sich. Er wusste nur, dass er ein Vampir war, und die Frauen um ihn herum waren Hexen. Das und dass er dieses Königreich und sein Volk verachtete – und er würde sie alle vernichten. Eines Tages. Bald. So wie er eine ihrer Prinzessinnen vernichtet hatte.

Vorfreude stieg in ihm auf. Die Leute, die ihn gefangen hielten, dachten, er wäre schwach und harmlos. Sie hungerten ihn aus, gaben ihm nur einen Tropfen Blut am Morgen und einen Tropfen am Abend. Mehr nicht. Er wurde ständig verspottet und gequält. Besonders von Prinzessin Laila. Von so edler Geburt, und jetzt sieh dich an. Zu meinen Füßen, und ich kann mit dir machen, was ich will.

Von edler Geburt? Das würde er bald herausfinden.

Sie nahmen an, dass er ihnen kein Leid zufügen konnte, nur weil er gefesselt war und hungerte. Sie hatten keine Ahnung, welche Macht in ihm brodelte. Macht, die wie er selbst in Ketten lag, aber sie war da, bereit, im richtigen Augenblick ihre Ketten zu sprengen.

Bald, dachte er mit einem finsteren Grinsen.

Sie hatten seine Macht von ihrer Heilerin fesseln lassen und auch sein Gedächtnis gelöscht, und daraus machten sie kein Geheimnis. Den Grund dafür hatten sie ihm allerdings nie verraten. Woran sollte er sich nicht erinnern? Auch das würde er herausfinden.

Was sie nicht wussten, war, dass die Hexe nicht Nicolais innere Stärke gehabt hatte, und schon jetzt waren einige seiner Fähigkeiten ihrem mentalen Käfig entkommen und hatten es ihm erlaubt, eine Frau zu sich zu rufen, die ihn befreien konnte.

Eine Frau, die endlich angekommen war. Vor Ungeduld und Erleichterung lief er immer wieder in seiner Zelle auf und ab. Seine nackten Füße klopften dabei auf dem kalten Zementboden, und seine Ketten rasselten. Selbst seine Wachen waren schockiert, als Prinzessin Odette wie durch ein Wunder aufgetaucht war. Oder vielmehr das Mädchen, von dem sie annahmen, dass es Prinzessin Odette war.

Die echte Odette war tot. Dafür hatte er gesorgt. Er hatte sie ausgesaugt, erstochen und dann über die Klippen vor den Palastmauern gestoßen. Übertrieben gewalttätig vielleicht, aber ein Feind war ein Feind, und sie hatte seinen Zorn entfacht. Außerdem hatte er sichergehen müssen, dass sich nicht einmal die mächtigsten Hexen von so etwas erholen konnten.

Beeil dich, Weib. Ich brauche dich.

Nicolai hatte unzählige Tage, Wochen, Jahre – er war sich nicht sicher – mit Odette verbracht, ehe er sie umgebracht hatte. Sie war es gewesen, die ihn auf dem Sexmarkt gekauft hatte. Sie war eine grausame Frau gewesen, mit einer Vorliebe dafür, anderen Schmerzen zuzufügen. Sie konnte keinen Höhepunkt erreichen, wenn ihr unfreiwilliger Partner nicht vor Schmerzen schrie.

Bei Nicolai hatte sie nie einen Höhepunkt erreicht.

Stumm zu bleiben war für ihn eine Frage des Stolzes gewesen. Egal welche Werkzeuge sie an ihm benutzt hatte, egal wie vielen Männern und Frauen die Schlampe es erlaubt hatte, ihn zu berühren und zu benutzen, er hatte immer nur gelächelt.

Als Odette ihn mit vor die Palastmauern genommen und ihm damit gedroht hatte, ihn von den Klippen zu werfen, wenn er sich ihr weiterhin widersetzte, war für ihn endlich die Gelegenheit gekommen, zuzuschlagen. Sie hatte den Fehler gemacht, seinen Maulkorb im Kerker zurückzulassen. Sie hatte auch den Fehler gemacht, in seine Reichweite zu kommen. Obwohl er in Ketten gelegen hatte, hatte er sie angefallen, sie zu Boden geworfen und seine Fangzähne in ihrem Hals vergraben. Ausgehungert, wie er gewesen war, hatte es nur wenige Minuten gedauert, sie leer zu saugen. Und nach dem letzten Schluck, der ihr das Leben genommen hatte, hatte er sie mit ihrem Dolch erstochen, nur um sicherzugehen, und sie über den Rand der Klippen geworfen.

Der Leibwächter hatte zu spät bemerkt, was vor sich ging, und da hatte Nicolai, der Appetit auf einen weiteren Imbiss bekommen hatte, ihn bereits angefallen. Sie hatten wie Tiere gekämpft. Nur weil er animalischer war als die meisten Männer, hatte Nicolai gewonnen. Der Wächter hatte eigentlich keine Chance gehabt. Wenn man sie provozierte oder sie hungrig waren, wurden Vampire wahnsinnig und heißhungrig – unvorhersehbare, unkontrollierbare Raubtiere, die Beute gewittert hatten.

Während er sein zweites Opfer ausgesaugt hatte, war Prinzessin Laila gekommen. Nachdem sie ihrer älteren Schwester immer das Anrecht auf den Thron geneidet hatte, genau wie ihre Besitztümer und Nicolai selbst, hatte sie Odette beobachtet und auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.

Nicolai hatte ihn ihr unfreiwillig verschafft. Sie und ihre Wachen waren schneller gewesen, als seine Augen es fassen konnten, gestärkt und beschleunigt durch uneingeschränkte Magie, und auch wenn die Mahlzeit, seine erste seit Wochen, ihn gestärkt hatte – die Ketten hatten ihn behindert. Sie hatten ihn beschämend schnell überwältigt.

Plötzlich ertönten Schritte, gefolgt von einem süßen Duft, und beides zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Nicolai erstarrte, seine Ohren zuckten, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Alles verzehrender Hunger überkam ihn, sein Magen zog sich zusammen. Muss … das Weib … kosten …

Das Verlangen entsprang nicht seinem Verstand, sondern einer Quelle tief in seinem Innersten. Einem Instinkt, einem Bedürfnis.

Normalerweise kündigten Schritte Lailas Bedienstete an, die kamen, um ihn die Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer zu schleppen. Dieses Mal bog eine pummelige Rothaarige um die Ecke. Er sog die Luft tief ein und knurrte. Sie war es nicht. Von ihr ging dieser süße Duft nicht aus.

Nicolai hielt den Atem an und hoffte, dadurch seinen Verstand zu klären, wenn auch nur für einen Augenblick. Er war so verdammt hungrig nach der Quelle des Duftes – er musste sie sehen. Er blieb in der Mitte seines Käfigs stehen, hinter ihm seine Pritsche, vor ihm das schwere Gitter, und wartete. Wer würde sein Verlies als Nächstes betreten?

Und dann sah er sie. Die Frau, die er herbeigerufen hatte. Seine „Odette“.

Er atmete scharf ein. Sie. Sie war es. Ein zweites Knurren stieg in ihm auf, dieses Mal direkt aus seiner Seele. Muss das Weib kosten.

Sie roch nicht wie die wahre Odette. Für alle anderen würde sie das. Sie würde nach dem zu starken blumigen Parfum riechen, vermischt mit dem widerlichen Gestank einer eiternden Wunde – der Beweis ihres verdorbenen Herzens. Aber für ihn … oh, für ihn … Er atmete noch einmal ein, er konnte nicht anders. Ein Fehler. Die Süße war jetzt dichter, fast, als könnte er sie berühren. Sie vernebelte ihm den Verstand. Muss. Kosten. Seine Fangzähne und sein Zahnfleisch schmerzten, so sehr wollte er von ihr trinken. Muss kosten.

Er betrachtete sie, und sein Blut ging fast in Flammen auf. Jeder, der sie ansah, würde nur die Maske erblicken, die sein Zauber auf sie gelegt hatte. Eine mystische Illusion, die sie zu einer anderen Frau machte. Haar, so schwarz wie der Abgrund, die Augen funkelnde Smaragde und Haut so blass wie Schnee. Aber damit hatte sich die legendäre Schönheit ihres Vaters auch schon erschöpft, und die grausame Hässlichkeit ihrer Mutter zeigte sich. Odette war groß, aber kräftig gebaut, ihre Wangen durch zu viel Maßlosigkeit aufgequollen, ihr Kiefer breit und kantig. Ihre dunklen Augenbrauen waren buschig und berührten sich fast in der Mitte. Ihre Nase war lang und eindeutig krumm.

Was Nicolai dagegen sah, war die Frau, die sein Suchzauber gewählt hatte. Die Frau aus seinen Träumen. Träume, in denen sie am Rand stand, ihn beobachtete und nie ein Wort sprach. Träume, die er nicht verstanden hatte. Bis jetzt. Die ganze Zeit hatte seine Magie gewusst, was er brauchte.

Sie war genauso groß wie Odette, jedoch schlank wie ein Grashalm, und ihr Haar hatte die Farbe von Honig. Ihre Augen waren verführerisch katzenhaft, eine Schattierung dunkler als ihr Haar und voll düsterer Geheimnisse. Ihre Haut war leicht gebräunt und leuchtete, als wäre die Sonne darunter verborgen. Ihre Wangen waren perfekt modelliert, ihr Kinn stur und doch zart.

Zart, ja. So sah sie aus. Verführerisch filigran, unglaublich fragil und herrlich weiblich. Fast … zerbrechlich. Würde er sie umbringen, wenn er von ihr trank? Und er würde von ihr trinken. Er würde nicht in der Lage sein, ihrem Duft lange zu widerstehen.

In ihm regte sich ein Beschützerinstinkt – eine Empfindung, die er nicht kannte, erst recht nicht für eine Fremde – und verlangte, dass er sie in seine Arme nahm und weit fort von all den Schrecken brachte. Schrecken, für die er verantwortlich sein würde. Nicht nur durch seine dunkle Umarmung, sondern auch durch die Bosheit der Leute um sie herum. Den Bewohnern von Delfina wäre ihr Leben nichts wert, wenn sie erfuhren, wer sie in Wahrheit war. Sie würden sie umbringen. Unter Schmerzen.

Willst du Freiheit oder das Mädchen beschützen? Beides kannst du nicht haben.

Er verschloss sein Herz. Er wollte Freiheit.

Ihre Blicke trafen sich eine Sekunde später, und ein Schock des Erkennens durchfuhr ihn. Vielleicht spürte sie es auch, denn sie keuchte auf und stolperte. Dann richtete sie sich auf und blieb an den Gittern seines Käfigs stehen. Ihre bernsteinfarbenen Augen waren weit aufgerissen, ihr sinnlich rosiger Mund offen über gleichmäßigen weißen Zähnen. Sie hielt ein Buch in der Hand.

Koste sie …

Er wünschte sich, ihre Zunge zu sehen. Wollte ihre Zunge mit seiner einfangen. Sein Verlangen überraschte ihn. Wie lange war es her, dass er wirklich erregt gewesen war?

„Du bist echt“, flüsterte sie und legte ihre freie Hand um einen Gitterstab. Sie drückte so fest zu, dass ihre Knöchel weiß wurden. „Du bist wirklich hier. Und du siehst genau wie in meinen Träumen aus.“

Er nickte steif – nicht das Einzige, was an ihm steif war. „Ich bin echt, ja.“ Sie hatte von ihm geträumt, wie er von ihr geträumt hatte? Die Vorstellung gefiel ihm.

Er deutete mit dem Kinn auf ihre Dienerin. Mach, dass sie verschwindet.

Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf das Mädchen, und sie keuchte noch einmal auf, als überraschte es sie, nicht mit ihm allein zu sein. „Du kannst gehen, Rhoslyn. Und danke, dass du mich hergebracht hast.“

„Alles, was Ihr wünscht, Prinzessin.“ Rhoslyns Miene wurde vor Erleichterung weich, und sie knickste. Dann lief sie schnell um die Ecke und die Treppe hinauf.

„Du bist verwirrt“, sagte Nicolai. Wie rau seine Stimme war, wie er sie durch seine Zähne pressen musste und wie schneidend sein Tonfall klang.

Ein Schauer lief über ihren schmächtigen Körper, als sie sich ihm zuwendete. „Ja. Ich war allein zu Hause und habe in einem Buch gelesen – über dich! Und im nächsten Augenblick war ich hier. Wie komme ich hierher? Wo ist hier? Zuerst dachte ich, dass ich halluziniere oder das Ganze ist ein Streich, aber das stimmt nicht. Ich weiß, dass es nicht stimmt. Ich bin ganz ruhig. Ich kann sehen, und ich kann fühlen.“

„Keine Halluzination, kein Streich.“ Seine Stirn legte sich in tiefere Falten, und seine Fangzähne gruben sich in seine Unterlippe. Nur ein Schluck, nur ein kleiner Schluck. „Du hast ein Buch über mich gelesen? Ist es das?“

Ihr Blick fiel auf seine Zähne, und sie schluckte. „Ja. Ich glaube, du hast es selbst geschrieben.“ Ihre Stimme war so zart und zerbrechlich wie ihre Gestalt. „Oder wenigstens einen Teil davon. Aber nein, das hier ist es nicht. Es ist leer. Oder vielleicht ist es das doch, es ist nur noch nicht geschrieben.“

Soweit er wusste, hatte er kein Buch geschrieben, und er hatte auch niemandem ein Buch geschickt. Das hatte allerdings nichts zu bedeuten. Die Erinnerung daran konnte mit dem Rest seiner Vergangenheit begraben liegen.

Er schloss einen Moment lang seine Augen und genoss ihren Duft – und spürte, wie der Schmerz in seinem Zahnfleisch sich verstärkte. Er ging auf sie zu, entschlossen, sie zu packen und zu beißen.

Als er merkte, was er tat, zwang er sich, anzuhalten. Er würde ihr nur Angst einjagen, und dann schrie sie, und eine Wache würde kommen, um sie zu retten.

Er könnte natürlich eine Hand auf ihren Mund legen und mit der anderen ihren Kopf nach hinten schieben, um sich freie Bahn zu verschaffen. Er könnte an ihr lecken … endlich köstlich schmecken …

Autor

Gena Showalter
<p>Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Gena Showalter gilt als Star am romantischen Bücherhimmel des Übersinnlichen. Ihre Romane erobern nach Erscheinen die Herzen von Kritikern und Lesern gleichermaßen im Sturm. Mit der beliebten Serie »Herren der Unterwelt« feierte sie ihren internationalen Durchbruch. Mit ihrer Familie und zahlreichen Hunden lebt Showalter in Oklahoma City.</p>
Mehr erfahren