Heiß wie die Sonne über Sydney - 6 Liebesromane aus dem Down Under

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NEUANFANG UNTER DEM HIMMEL AUSTRALIENS? von ANNIE CLAYDON

Zwei Wochen soll Dr. Forbes sie einarbeiten, dann übernimmt Allie seinen Job in Sydney, und er fliegt zurück nach England. Das ist der Plan. Doch als der attraktive Doc sie am Flughafen abholt, schlägt das Herz der jungen Kinderärztin schneller. Zwei Wochen sind niemals genug …

ZÄRTLICHE TRÄUME IN SYDNEY von MARION LENNOX
Geld, Erfolg im Beruf, ein Traumhaus mit Blick über Sydney – und trotzdem unglücklich? Der attraktive Neurochirurg Bryn Dalton ist ein Rätsel für Tierärztin Kiara. Erst als sie herausfindet, was der Einzelgänger verbirgt, sieht sie ihn plötzlich mit anderen Augen …

BLEIB BEI MIR - BLEIB IN SYDNEY von EMMA DARCY
Kreativ, klug und sexy – für Richard war Leigh stets die absolute Traumfrau. Als er die Tochter seines Chefs nach sechs Jahren wiedertrifft, will er sie endlich für sich gewinnen. Wie kann er der zögernden Leigh beweisen, dass es ihm nicht um das Erbe ihres Vaters geht?

CHAMPAGNERKÜSSE IN SYDNEY von SANDRA HYATT
Erst lächelte er ihr mit einem Glas Champagner in der Hand zu, dann fordert der unverschämt gut aussehende Mann sie zum Tanz auf. Callie lässt sich auf das heiße Spiel ein. Doch mit dem Morgen über Sydney dämmert die Erkenntnis, mit wem sie die atemberaubende Liebesnacht verbracht hat …

LEIDENSCHAFTLICHES WIEDERSEHEN IN SYDNEY von MELANIE MILBURNE
Es knistert zwischen Charlotte und dem griechischen Unternehmer Damon Latousakis, als sie ihn in Sydney wiedersieht. Leidenschaftlich fühlt sie sich zu dem einzigen Mann, dem je ihr Herz gehörte, hingezogen – und ist gleichzeitig entschlossen, ihm zu widerstehen. Denn Damon darf nicht entdecken, dass ihre Romanze auf Santorin Folgen hatte ...

NEUES GLÜCK IN SYDNEY? von ALISON ROBERTS

Nach seiner Scheidung hat Notfallsanitäter Nico der Liebe für immer abgeschworen. Doch bei seinem neuen Job in Sydney muss er ausgerechnet mit der betörend schönen Frankie zusammenarbeiten. Wider alle Vernunft fühlt er sich mit jedem Tag mehr zu ihr hingezogen …


  • Erscheinungstag 06.02.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536905
  • Seitenanzahl 864
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Annie Claydon

Neuanfang unter dem Himmel Australiens?

1. KAPITEL

Die Reise hatte vierundzwanzig Stunden gedauert. Als sie über das Landesinnere von Australien flogen, war Dr. Allie Maitland-Hill durch den Kopf gegangen, dass sie nirgendwohin mehr fliehen konnte, wenn sie jetzt nicht weit genug von London entfernt war.

Der Gedanke hatte sie in ihrem Entschluss bestärkt. Als die Gerüchte im Krankenhaus aufkamen und dann durch eine knappe offizielle Erklärung bestätigt wurden, war sie übers Wochenende nach Hampshire gefahren. Das gemeinsame Wandern mit ihrer Tante Sal hatte ihr bisher immer dabei geholfen, alle Probleme zu lösen, doch diesmal war es ihr absolut nicht gelungen.

Als sie am Montagmorgen ins Krankenhaus zurückkehrte, hatte es eine weitere, ausführlichere offizielle Ankündigung gegeben. Die Chatgruppe, in der die Mitglieder Fotos und Videos gepostet hatten – beim Gedanken an die Videos war ihr das Blut in den Adern gefroren –, war nun Realität. Man hatte die treibenden Kräfte identifiziert und sofort suspendiert. Man hatte keinen Namen genannt, doch James war die ganze Woche nicht an seinem Arbeitsplatz im Krankenhaus gewesen.

Am darauffolgenden Wochenende hatte sie noch etwas weiter zu fliehen versucht, diesmal nach Yorkshire. Allerdings hatte es ihr nicht weitergeholfen, denn sie hatte die zwei Tage auf der Suche nach einer Alternative überwiegend im Hotel verbracht.

James war nett und charmant, fast schüchtern gewesen, hatte aber keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich für sie interessierte. Zu ihrer Freude hatte sich in den drei Monaten mehr zwischen ihnen entwickelt. Zuerst hatten sie nur Blicke gewechselt und sich angelächelt, sich dann zum Kaffee und schließlich zum Abendessen getroffen. Sie hatte die versteckten Andeutungen einer Freundin ignoriert, dass er nicht so wäre, wie es schien, denn alle anderen schienen ihn zu mögen, und er hatte sie nie unter Druck gesetzt.

Und in ihrer gemeinsamen Nacht hatte er so perfekt gewirkt. Er hatte das Licht angelassen und gesagt, er wollte alles sehen, und sie hatten sich stundenlang geliebt.

Am nächsten Tag hatte er sie angerufen und ehrlich bestürzt gewirkt. Sie hätten eine wunderschöne Zeit zusammen verbracht, doch momentan hätte er viel um die Ohren und könnte nicht weitermachen. Er war ausweichend und anders als sonst gewesen, doch sie hatte die aufkommenden Fragen hinuntergeschluckt und es als Erfahrung abgehakt. Nachdem er gesagt hatte, er würde sich immer gern an die Zeit mit ihr erinnern, hatte er aufgelegt.

Während sie traurig in ihrem Hotelzimmer saß, hatte sie sich gefragt, ob er mehr als nur schöne Erinnerungen an sie hegte. Vielleicht hatte er eine Gedächtnisstütze, von der sie nichts wusste. Die Vorstellung hatte sie fertiggemacht, und als Allie nach London zurückkehrte, hatte sie die vertrauliche Hotline angerufen, die das Krankenhaus für diejenigen eingerichtet hatte, die befürchteten, dass intime Fotos von ihnen heimlich ins Internet gestellt wurden.

Das alles lag inzwischen achtzehn Monate zurück. Zeit, in der sie sich mit der Wahrheit auseinandergesetzt hatte. Schließlich hatte sie dem Druck nachgegeben und entschieden, dass sie eine Veränderung brauchte. Dass sie Anonymität brauchte, ohne sich ständig fragen zu müssen, wer was im Internet gelesen hatte. Als sie sich an ihren direkten Vorgesetzten wandte, hatte dieser eine Alternative vorgeschlagen. Dr. Zac Forbes hätte die letzten zwei Jahre im Rahmen eines Austauschprogramms in einer Klinik in Sydney verbracht und würde bald zurückkehren. Da man noch keinen Ersatz für ihn gefunden hätte, würde man ihre Bewerbung zügig bearbeiten. Später könnte sie an ihren Arbeitsplatz in London zurückkehren.

Und Australien könnte ein Neuanfang sein. Jedenfalls eröffnete es Möglichkeiten für eine Zukunft, die ihr zunehmend weniger zu bieten schien, weil sie sich momentan nur von Tag zu Tag quälte.

Erschöpft folgte Allie den anderen Passagieren aus der Maschine und durch den Zoll. In der Ankunftshalle beobachtete sie eine Gruppe, deren Mitglieder herzlich von ihren Angehörigen und Freunden empfangen wurden.

Da Zac sie abholen wollte, versuchte Allie, sich sein Gesicht ins Gedächtnis zu rufen. Er hatte hellbraunes Haar und … Sie wusste nicht mehr, welche Augenfarbe er hatte.

Den Griff ihres Koffers umklammernd, setzte sie sich auf eine Bank und ließ den Blick über die Menschen in der Ankunftshalle schweifen. Sie konnte ihn nicht entdecken, vielleicht war er im Krankenhaus aufgehalten worden … Es fiel ihr schwer, die Augen offen zu halten. Plötzlich entdeckte sie neben der Kasse auf einem Kaffeewagen ein Schild mit der Aufschrift Dr. Alexandra Maitland-Hill .

Im nächsten Moment nahm der Mann, der sich offenbar gerade einen Kaffee gekauft hatte, das Schild in die Hand und drehte sich um. Zac?

Er wirkte muskulöser, als sie sich an ihn erinnerte. Er war gebräunt und sein Haar von der Sonne aufgehellt, und er trug ein dunkelblaues T-Shirt und eine lässige helle Hose. Irgendetwas an ihm erinnerte sie an den schüchternen, liebenswerten Mann von damals, der so zurückhaltend gewesen war und sich anscheinend nur auf seinen Job konzentriert hatte. Vieles allerdings auch nicht.

Australien tat ihm offenbar gut. Als sie ihm zuwinkte, schenkte er ihr ein strahlendes Lächeln, das sie daran zweifeln ließ, ob er es wirklich war.

Blau. Seine Augen waren blau. Und Zac Forbes sah absolut fantastisch aus.

Er hatte viel darüber nachgedacht. Als es im Krankenhaus bekannt wurde, hatte die Polizei sich mit ihm in Verbindung gesetzt und ihn gefragt, ob er etwas über die Schmutzkampagne wusste. Obwohl er den Beamten gern geholfen hätte, war er erleichtert gewesen, sagen zu können, dass er von den Vorfällen nichts geahnt hatte. Er hatte alles aus der Ferne verfolgt und mitbekommen, wie tapfer Allie sich alldem stellte und andere Frauen ermutigte, auch damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Dabei war ihm klar gewesen, was es ihr abverlangte.

Und nun sah er es ihr an. Sie lächelte und schien sich erst einmal orientieren zu müssen. Aber da war noch mehr. Vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein, wirkte sie wachsam. Er erkannte die fröhliche, energiegeladene Frau von damals kaum wieder.

Und jetzt hatten ihre Courage und vermutlich der Wunsch nach einem Neuanfang sie hierhergeführt, und er wollte ihr die fünfwöchige Übergabe und das Einleben so angenehm wie möglich machen.

Zac setzte sich neben sie, ließ den Platz zwischen ihnen dabei jedoch frei. „Wie war Ihr Flug?“

„Gut“, erwiderte Allie prompt. „Ich muss jetzt unbedingt an die frische Luft.“

Er nickte. „Möchten Sie vorher einen Kaffee? Wir können ihn draußen trinken.“

Als sie zögerte, überlegte er, ob sie so misstrauisch geworden war, dass sie selbst einer derart harmlosen Frage nicht traute.

Dann blitzte jedoch jene Wärme auf, die er von damals kannte. Er hatte Allie immer ein wenig um ihre Offenheit und Unbeschwertheit beneidet, und als sie nun lächelte, setzte sein Herz einen Schlag aus.

„Ja. Danke, das wäre schön. Es sei denn, Sie haben es eilig.“

„Ich fahre heute Nachmittag ins Krankenhaus, aber wir haben genug Zeit.“ Zac stand auf, während sie sich ihre Handtasche umhängte. „Ich nehme Ihren Koffer.“

Auch diesmal zögerte Allie. Sie fühlte sich in dieser ungewohnten Umgebung offensichtlich unwohl, bemühte sich allerdings, seine Freundschaftsangebote anzunehmen. Der Impuls, sie zu beschützen, ihr zu sagen, dass er alles dafür tun würde, bewirkte, dass sein Herz sich zusammenkrampfte.

„Danke.“

Leicht widerstrebend schob sie den Koffer zu ihm, bevor sie aufstand. Dann führte er sie zu dem Getränkewagen.

„Hm …“ Stirnrunzelnd überflog sie die Tafel.

Zac überlegte. Plötzlich fiel ihm ein, dass sie immer Kaffee mit Milch getrunken hatte.

„Ein Flat White ist ein Mittelding zwischen einem Cappuccino und einem Latte. Aufgeschäumte Milch ohne Schaum“, fügte er jungenhaft lächelnd hinzu.

„Das klingt gut.“ Als sie in ihre Handtasche langte, reichte er ihr einen Zehn-Dollar-Schein. „Danke.“ Nachdem sie den Schein betrachtet hatte, lächelte sie ihn an, und die Schatten unter ihren Augen schienen für einen Moment zu verschwinden.

Sie hatte so schöne Augen, groß und braun mit goldenen Sprenkeln, wenn sie das Gesicht zum Licht wandte. Ihre dunklen Locken und ihr Lächeln hatten ihm in London immer den Tag versüßt, obwohl er grundsätzlich nie über private Dinge mit ihr gesprochen hatte.

Er musste damit aufhören. Wenn er Allie zum Lächeln bringen wollte, würde er ihr zwangsläufig näherkommen. Und das wäre eine ganz neue Herausforderung für sie nach allem, was sie durchgemacht hatte. Er musste den Wunsch verdrängen, alles, was ihr in den letzten zwei Jahren widerfahren war, rückgängig und irgendwie ungeschehen zu machen.

An der frischen Luft bekam Allie allmählich wieder einen klaren Kopf. Hier auf der Bank neben Zac und mit einem Kaffee in der Hand konnte sie sich umblicken und ihre Umgebung auf sich wirken lassen. Sie zog ihren Hoodie aus und hielt das Gesicht in die Sonne. Alles erschien ihr hier heller und klarer.

„Ich glaube, es wird mir hier gefallen.“ Da dies wirklich ein Neuanfang war, sollte sie optimistisch sein.

„Mir gefällt es hier. Wenn man auf die andere Seite der Welt zieht, rückt alles in die richtige Perspektive.“

Wusste er Bescheid? Es lag nahe. Sicher hatte er im Krankenhaus Freunde, obwohl er wenig unter Menschen gegangen war, weil er sich zu Hause anscheinend immer in seine Bücher vergraben hatte. Die Vorstellung widerstrebte ihr. Andererseits musste sie damit aufhören, sich zu fragen, was die Leute, denen sie begegnete, wussten. Was sie im Internet lesen könnten , wenn sie recherchierten.

„War es bei Ihnen denn der Fall?“, fragte Allie betont lässig, bevor sie einen Schluck Kaffee trank.

„Ich glaube schon. Etwas weniger Arbeit und etwas mehr Vergnügen. Allerdings gibt es immer noch viel zu tun und eine Menge zu lernen.“

Darauf hatte sie gezählt – dass sie so viel um die Ohren haben würde, dass sie endlich richtig schlafen konnte. Momentan interessierte sie sich allerdings für die zweite Seite an seinem neuen Ich, denn Arbeit gab es immer, sowohl hier als auch zu Hause. Und nun, da sie draußen saßen, fiel Allie umso mehr auf, wie sehr Zac sich verändert hatte. Er wirkte locker und eins mit sich und der Welt.

„Was machen Sie denn in Ihrer Freizeit?“

Lachend streckte er die Beine aus. „Na ja … Ich habe Surfen gelernt.“

„Surfen! Dann sind Sie jetzt ein waschechter Australier, nicht?“

„Nein. Ich bin immer noch offenkundig Engländer. Fragen Sie die Leute im Krankenhaus.“ Nun zuckte er die Schultern. „In Cornwall soll man gut Surfen können.“

„Dann fahren Sie also am Wochenende runter, wenn Sie wieder zu Hause sind?“

„Wer weiß. Vielleicht probiere ich es.“ Nachdem er ausgetrunken hatte, warf er seinen Becher in den Mülleimer neben der Bank, und Allie gähnte hinter vorgehaltener Hand. „Wollen wir los?“

Sie nickte. „Ich könnte ein paar Stunden Schlaf gebrauchen. Und dann schaffe ich es hoffentlich, heute Nachmittag nicht einzunicken und heute Abend zu schlafen …“

Zac hatte ihr Gepäck im Kofferraum eines ziemlich ramponierten SUV verstaut, der perfekt zu seinem neuen Ich zu passen schien. Er hielt ihr die Tür auf und wischte etwas Sand vom Sitz, bevor sie einstieg. Bei ihrer Ankunft hatte sie einen schüchternen Mann erwartet. An einem Ort, der ihr in vieler Hinsicht so vertraut und in anderer so fremd erschien, musste sie vielleicht mit Widersprüchen rechnen.

Die Fahrt dauerte eine halbe Stunde – über mehrere Highways und anschließend durch Wohngegenden, in denen die Häuser etwas weiter zurück lagen und von Bäumen beschattet waren. Schließlich bog Zac auf eine Küstenstraße.

„Hier leben Sie?“ fragte Allie.

Er lächelte. „Von Cronulla ist es nicht weit zum Krankenhaus, weil es auf derselben Seite der Stadt liegt. Und wenn man abends ausgehen will, braucht man bis in die Innenstadt nur eine halbe Stunde mit dem Wagen oder eine mit dem Zug.“

Ausgehen. Noch vor zwei Jahren hätte sie Lust dazu gehabt. Nun allerdings konnte Allie sich nicht einmal daran erinnern, wann sie es das letzte Mal getan hatte.

„Und es liegt am Meer.“

„Ja. Und nicht allzu weit vom Royal National Park entfernt, falls Sie Rad fahren oder spazieren gehen wollen.“

Beides hatte sie in letzter Zeit ebenfalls kaum gemacht. Und sie war auch nicht am Strand gewesen, obwohl der tiefblaue Himmel, der am Horizont ins Wasser überzugehen schien, hier einladend wirkte. Doch sie wollte sich in ihre vier Wände zurückziehen, denn sie war müde. Allerdings bezweifelte sie, dass sie Schlaf bekommen würde, als er neben einem bunt gestrichenen Geschäft auf einen überdachten Parkplatz fuhr.

„Sie wohnen über einem Surfshop?“ Beim Aussteigen konnte sie ihre Überraschung und Enttäuschung nicht verbergen. Das hatte er während ihres kurzen Mailwechsels nicht erwähnt.

„Ich bin mit den Inhabern befreundet. Sie haben dort gewohnt, haben jetzt aber Nachwuchs bekommen und brauchten mehr Platz. Aber warten Sie erst mal ab, bis Sie es gesehen haben …“ Zac nahm ihren Koffer aus dem Wagen und führte sie dann über einen Weg an der Seite zu einer Treppe, über die man in den ersten Stock gelangte. Nachdem er aufgeschlossen hatte, ließ er ihr den Vortritt.

Die Vorhänge waren zugezogen, und es war angenehm kühl. Der Holzfußboden und die neutralen Farben ließen den großen Wohnraum mit der offenen Küche noch großzügiger erscheinen. Alles war ordentlich und sauber, doch Allie konnte keine persönlichen Gegenstände entdecken.

„Ich habe meine Sachen schon zusammengepackt und in das Gästezimmer gestellt.“ Offensichtlich wartete Zac nun auf ihr Urteil.

„Das wäre nicht nötig gewesen …“ Aber plötzlich war sie froh darüber. Sie hatte sein Angebot, zuerst hier zu wohnen, angenommen, weil es ihr vernünftig erschienen war. Allerdings war sie inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass sie sich als Erstes ein eigenes Domizil suchen musste. Dennoch konnte sie sich nun eher mit dem Gedanken anfreunden, für eine Weile zu bleiben.

„Es ist sehr ruhig hier.“

Zac zog die Brauen hoch. „Dachten Sie, Sie müssten sich den Weg zur Haustür durch eine Horde biertrinkender Strandgammler bahnen? Mark und Naomi verkaufen High-End-Surfausrüstung, sprechen also eine andere Zielgruppe an. Und sie veranstalten auch keine Mitternachtspartys am Strand, denn sie haben kleine Kinder.“

„Das freut mich zu hören. Es ist wirklich schön hier.“

Unvermittelt lächelte er. „Das Beste haben Sie noch gar nicht gesehen.“ Nachdem er ihren Koffer an der Tür abgestellt hatte, ging er zu den Gardinen und zog sie zurück.

Ihr stockte der Atem. Durch Glasschiebetüren betrat man einen großen schattigen Balkon mit einem kleinen Tisch und Stühlen. Und dahinter lagen das Meer und auf einer Seite eine bewaldete Halbinsel.

„Das ist ja fantastisch, Zac!“

Zac schien sich zu entspannen und nickte. „Von oben ist die Aussicht noch schöner. Und sie verändert sich praktisch von Tag zu Tag.“ Er wandte sich um, als sich plötzlich von der Tür her eine Frauenstimme vernehmen ließ.

„Klopf, klopf!“

„Hallo, Naomi. Komm rein.“

Die Frau an der Tür trat ein. Sie war etwa so alt wie Allie und hatte blondes Haar und einen goldenen Teint. Sie trug ein Baby in einem bunten Tuch, und neben ihr stand ein etwa vierjähriges Mädchen mit einem großen Blumenstrauß in der Hand.

„Hallo.“ Naomi lächelte sie strahlend an. „Wir wollten Sie nur kurz hier willkommen heißen.“ Als sie die Hand der Kleinen losließ, rannte diese zu Zac.

„Hallo, Izzy.“ Nachdem er sich vor sie gehockt hatte, drückte sie ihm den Strauß in die Hand. Er lachte. „Wie schön. Aber ich glaube, die sind nicht für mich.“

Naomi lachte ebenfalls. „Stimmt, Zac. Izzy, gib sie Allie.“

Daraufhin nahm Izzy ihm die Blumen wieder weg und kam damit zu ihr. Trotz ihrer Rückenschmerzen beugte Allie sich zu ihr hinunter. „Hallo, Izzy. Ich bin Allie.“

„Die sind für dich. Willkommen in Australien.“ Izzy reichte ihr die Blumen.

„Danke, Izzy. Die sind sehr schön.“

Das Mädchen nickte. „Das sind Waratahblüten.“ Sie deutete auf die großen dunkelrosa Blüten. „Ich hab beim Pflücken geholfen.“

„Wirklich? Du hast besonders hübsche ausgesucht.“ Allie lächelte Naomi an. „Vielen Dank.“

„Die Waratah ist das Wahrzeichen von New South Wales.“ Wieder lächelte Naomi sie strahlend an, bevor sie Izzy zunickte. „Wir gehen jetzt wieder, denn Sie sind bestimmt erschöpft. Aber falls Sie etwas brauchen und Zac nicht da ist, finden Sie meinen Mann Mark oder mich tagsüber immer unten. Und unser Haus liegt hinter diesem oben auf dem Hügel, also kommen Sie gern irgendwann mal auf einen Kaffee vorbei.“

„Es ist das Haus mit den Waratahbüschen“, warf Zac ein.

„Ja. Und bevor ich es vergesse – Zacs Mietvertrag läuft in sechs Wochen aus, aber danach können Sie so lange bleiben, wie Sie wollen. Wenn es Ihnen hier gefällt, setzen wir einen Vertrag auf. Aber wenn Sie sich lieber etwas anderes suchen wollen, dürfen Sie so lange bleiben.“

„Danke. Das ist sehr nett von Ihnen.“ Allmählich schien es Allie, als hätte sie wieder Boden unter den Füßen. Als Naomi und Zac sich anlächelten, überlegte sie, ob er etwas mit dem Vorschlag zu tun hatte.

„Wir freuen uns darüber, Sie hier zu haben.“ Nun nahm Naomi Izzys Hand. „Zac, warum gehst du nicht runter in die Werkstatt zu Mark? Allie möchte bestimmt Zeit für sich, um sich hier einzurichten und etwas zu schlafen.“

„Das geht leider nicht“, winkte Zac ab. „Ich habe versprochen, heute Nachmittag für ein paar Stunden ins Krankenhaus zu kommen. Wenn er danach noch da ist, besuche ich ihn später.“

„Das ist er, er hat eine Menge zu tun“, erwiderte sie lächelnd, bevor sie sich mit den Kindern abwandte.

Allmählich schien es Allie, als würde sie zur Ruhe kommen. Zac hatte die Blumen erst einmal ins Wasser gestellt und ihren Koffer nach oben ins Schlafzimmer gebracht. Dieses ging ebenfalls auf einen Balkon hinaus und bot die gleiche fantastische Aussicht. Nachdem er den Hausschlüssel von seinem Ring abgemacht hatte, reichte er ihn ihr.

„Warum nehmen Sie ihn nicht mit? Sie brauchen ihn doch nachher, oder?“

„Ich werde Sie nicht stören. Ich bin dann bei Mark in der Werkstatt, falls Sie etwas brauchen. Naomi zeigt Ihnen den Weg. Abendessen um sechs?“

„Gern. Ich muss nur für ein paar Stunden die Augen zumachen.“

Er nickte. „Ruhen Sie sich aus.“ Dann wandte er sich ab und ging nach unten.

Als die Haustür ins Schloss fiel, atmete Allie erleichtert auf. Endlich allein. In einem leeren Zimmer, in dem nur ein frisch bezogenes Bett und ein Einbauschrank standen. Endlich konnte sie lockerlassen.

Wusste er Bescheid? Hatte er all das hier getan, um ihr etwas Freiraum und ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln? Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte oder ob sie jenes Gefühls der Erniedrigung zulassen sollte, das sie am Krankenhaus in London empfunden hatte, wo jeder Bescheid wusste. Doch sie war zu erschöpft, um sich Gedanken darüber zu machen.

Nachdem sie die Gardinen zugezogen hatte, setzte sie sich aufs Bett und blickte sich um. Die Tür hatte ein Schloss.

Nein. Sie fing hier ganz neu an und musste sich nicht einschließen. Und dennoch stand sie auf und verriegelte die Tür.

2. KAPITEL

Als Zac um fünf in die Wohnung zurückkehrte, stellte er fest, dass Allie schon geduscht und sich angezogen sowie die Blumen in eine Vase gestellt hatte. Und der Tragetasche auf dem Küchentresen nach zu urteilen, war sie im Zeitungsladen gewesen.

„Irgendwas Neues?“ Er deutete auf die ausgebreitete Zeitung auf dem Frühstückstresen.

„Keine Ahnung. Ich kenne die Leute in den Schlagzeilen nicht.“ Sie lächelte ihn an. Nach einigen Stunden Schlaf fühlte sie sich offenbar wieder mehr wie sie selbst.

„Es gibt einen Zeitschriftenladen in der Nähe vom Krankenhaus, in dem Sie auch englische Zeitungen bestellen können.“

Allie schüttelte den Kopf. „Jetzt bin ich in Australien.“

Sie wollte hier also tatsächlich neu anfangen. Seine eigenen Dämonen waren persönlich gewesen, ihre hingegen hatten mit der Krankenhausverwaltung, dem Gericht und letztendlich der Presse zusammengehangen.

Zac bereitete das Abendessen zu, und nachdem sie gegessen hatten, schlug er vor, zusammen spazieren zu gehen. Allie interessierte sich für alles und stellte ihm die unterschiedlichsten Fragen über sein Leben hier und die Dinge, die sie unterwegs entdeckte. Angeregt plauderten sie miteinander und machten Witze, klammerten allerdings genau das Thema aus, das ihn am meisten beschäftigte. Das, was ihr Verhalten zu bestimmen schien.

Da Allie früh schlafen gehen wollte, setzte Zac sich nach unten und beobachtete, wie der Mond über dem Meer aufging. Dabei hörte er die leisen Geräusche, die sie oben machte. Das fast unmerkliche Klicken der Verriegelung an der Schlafzimmertür …

Er versuchte, es nicht persönlich zu nehmen, und sagte sich, dass sie vermutlich abgeschlossen hatte, als sie allein in der Wohnung war. Wie sehr musste man erniedrigt worden sein, um überhaupt mit dem Gedanken zu spielen, die Schlafzimmertür zu verriegeln, bevor man den Mut aufbrachte, sich hinzulegen und zu schlafen?

Zac seufzte. Mit Erniedrigung kannte er sich aus. Als Kind und Jugendlicher hatte er sich die Sticheleien seiner Eltern gefallen lassen und sich in seine Bücher geflüchtet. Er hatte sich seinen Freiraum geschaffen, und nun musste er Allie den Freiraum geben, den sie brauchte.

Nach einer unruhigen Nacht entschied Zac, dass es besser war, an einem Samstag um sechs aufzustehen, als liegen zu bleiben und sich den Kopf über Dinge zu zerbrechen, die er nicht ändern konnte. Er hatte das Für und Wider gegeneinander abgewogen – einerseits seine Vermutung, dass sich Allie einen Neuanfang wünschte und nicht wollte, dass irgendjemand hier etwas von den Ereignissen in England erfuhr, und andererseits das Wissen, dass man sie schon einmal getäuscht hatte und er ihr unbedingt die Wahrheit sagen musste, auch wenn sie ihr nicht gefallen würde.

Normalerweise ging er am Samstagmorgen früh surfen, doch heute hatte Mark zu tun, bevor er den Laden öffnete. Und da Zac keine Lust hatte, allein zu gehen, machte er Kaffee und ging auf den Balkon, wo er auf den verlassenen Strand starrte. Als er schließlich Geräusche aus der Küche hörte und sich umdrehte, stellte er mit einem Blick auf die Wanduhr fest, dass er schon seit einer Stunde hier saß.

„Guten Morgen. Wie haben Sie geschlafen?“

„Wie ein Murmeltier. Es ist so still hier.“

Ja, das war es. Wenn man die Balkontüren schloss. Er zog es allerdings vor, sie offen zu lassen und mit dem Geräusch der Wellen einzuschlafen.

„Möchten Sie Frühstück? Es gibt Eier und Speck im Kühlschrank oder Toast …“ Allie trug ein T-Shirt und Shorts, und er stellte fest, dass sie noch schlanker war als vor zwei Jahren.

„Eier mit Speck und Toast? Und Kaffee?“

Zac grinste. „Kommt sofort.“

Während er die Eier mit Speck machte und auf zwei Teller füllte und Toast auf einen dritten tat, kochte Allie Kaffee. Sie setzten sich an den Frühstückstresen, und während Allie mit Appetit zu essen begann, merkte Zac, dass er keinen großen Hunger hatte.

„Fällt es Ihnen schwer abzureisen?“ Sie schob ihren Teller weg, bevor sie ihren Becher in die Hand nahm. „Sie scheinen sich hier gut eingelebt zu haben.“

Ja, darüber hatte er sich Gedanken gemacht. „Es ist Zeit für mich, nach London zurückzukehren. Allerdings freue ich mich nicht auf den Winter.“

„Haben Sie dort zu tun?“

Zac nickte. Trotz seiner Vorbehalte musste er nach England zurückkehren. Bei seiner Abreise hatte er nach etwas gesucht, das er nun gefunden zu haben schien. Zurückzukehren war der letzte Schritt zu seinem neuen Ich.

„Nicht ganz. Es geht mehr darum …“ Er zögerte. „Dinge wiederzuentdecken.“

Offenbar überlegte Allie, was er damit meinte. Nun sollte er endlich mit der Wahrheit herausrücken. „Allie, ich möchte Ihnen etwas sagen.“ Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Alarmiert blickte sie ihn an. Da sie plötzlich sehr klein und zerbrechlich wirkte, hätte er sie am liebsten schützend in die Arme genommen.

„Es ist nur … Diese beiden Jahre haben mir in vielerlei Hinsicht sehr gutgetan. Ich musste weg aus England und mir über einiges klar werden.“ Es fiel ihm schwerer, als er angenommen hatte.

„Sie wirken verändert. Mehr im Gleichgewicht mit sich.“

Es war schön, dass sie es bemerkt hatte. Und da er ihr erzählen wollte, dass er alles wusste, was ihr widerfahren war, durfte er seine eigenen Probleme auch nicht für sich behalten. Er hatte beschlossen, ehrlich zu sein.

„Meine Mutter hat mich fast während meiner gesamten Kindheit tyrannisiert. Mein Vater auch, aber er war nicht oft da. Ich habe mich in meine Bücher geflüchtet und später angefangen zu studieren.“ Starr betrachtete er die Maserung der Holzplatte und zwang sich dann, Allie anzusehen.

Ihre Reaktion traf ihn wie ein Schlag. In ihren Augen lag ein schockierter Ausdruck, und ihre Wangen waren gerötet.

„Es tut mir so leid, Zac. Ich wünschte …“ Sie zuckte die Schultern. „Ich wünschte, ich hätte gewusst, was Sie durchmachen.“

Zac schüttelte den Kopf. „Niemand sollte es wissen, geschweige denn auf mich zugehen, und ich war geübt darin, es für mich zu behalten. Allie, ich erzähle Ihnen das hier nur, weil ich hier die Chance hatte, meinen Frieden damit zu schließen. Ich weiß, was Ihnen passiert ist, und …“ Unvermittelt verstummte er angesichts ihres Gesichtsausdrucks. Ihre Wangen glühten nun förmlich.

„Ich hatte mich schon gefragt, ob Sie es wissen. Ich schätze, Sie stehen immer noch in Kontakt mit der Klinik.“ Plötzlich wirkte sie richtig elend.

„Das wäre wohl der Fall gewesen, wenn ich dort irgendjemandem nahegestanden hätte. Tatsächlich hat die Polizei sich mit mir in Verbindung gesetzt, und ich musste der Polizei in London auf dem Revier in Cronulla per Videokonferenz Fragen beantworten.“

Allie schlug die Hand vor den Mund. „Man dachte, Sie hätten etwas damit zu tun? Das ist verrückt.“

„Sie mussten jeden befragen, der im Krankenhaus gearbeitet hat. Ich war ja erst sechs Monate weg, und das Ganze dauerte ja wahrscheinlich schon länger.“

„Ich meinte …“ Nun presste sie die Lippen zusammen. „Ich hätte niemals geglaubt, dass Sie in so etwas verwickelt sein könnten. Obwohl mein Urteilsvermögen offenbar manchmal getrübt ist.“

Zwei widersprüchliche Gefühle überwältigten ihn – Dankbarkeit, weil Allie ihm so etwas nicht zutraute, und dann die schockierende Erkenntnis, dass sie glaubte, sie hätte selbst dazu beigetragen.

„Hintergangen zu werden kann jedem passieren. Genauso wie jeder sich die Schuld an Dingen geben kann, für die man überhaupt nichts kann.“ Letzteres konnte er bestätigen.

Allie nickte. Offenbar glaubte sie ihm nicht. „Danke.“

„Allie, ich möchte Ihnen nur sagen, dass ich weiß, wie es ist, neu anzufangen. Ich habe es getan, und ich glaube, Sie schaffen es auch. Und … ich möchte nur ehrlich zu Ihnen sein und Ihnen den Freiraum geben, den Sie jetzt brauchen.“

„Weiß noch jemand davon?“ Als ihr eine Träne über die Wange rann, wischte Allie sie ungeduldig weg.

„Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, denn es steht mir nicht zu. Und während unserer Gespräche über die Übergabe hat es auch niemand erwähnt.“ Zac fragte sich, ob irgendjemand hier davon wusste und nur den Mund hielt.

„Ich wollte kündigen, und mein Chef hat mich überredet, stattdessen hierherzugehen. Er wollte mit niemandem hier darüber reden, und obwohl ich nicht anonym geblieben bin, weil ich andere Opfer ermutigen wollte, damit an die Öffentlichkeit zu gehen …“ Das Sprechen fiel ihr offenbar schwer, doch sie fächelte sich Luft zu und redete weiter. „Es liegt schon eine Weile zurück. Wahrscheinlich wird niemand eins und eins zusammenzählen.“

Offenbar hoffte sie das. Seine eigene Unsicherheit, ob tatsächlich niemand aus der Klinik irgendeine Bemerkung über sie gemacht hatte, war etwas, womit Allie jetzt schon lange lebte.

„Sicher haben Sie recht. Das Programm dient dem Austausch von Fachwissen, und meiner Erfahrung nach wird nicht über andere Dinge geredet. Sie allein entscheiden, wer was erfährt.“

Sichtlich erleichtert ergriff Allie seine Hand. „Zac, ich weiß … das alles wirklich zu schätzen. Was soll ich sagen, ich …“

„Sie müssen nichts sagen.“ Ein Glücksgefühl verdrängte seine Angst, dass er zu weit ging oder vielleicht nicht weit genug. In diesem Moment musste er nur ihre Hand in seiner spüren.

Unter Tränen drückte Allie sie nun. „Das ist ein richtig guter Gedanke, Zac. Wollen wir unseren Kaffee mit auf den Balkon nehmen und überlegen, was wir heute machen?“

Selbst am perfekten Mitbewohner konnte man immer etwas aussetzen. Als sie in London mit ihrem Studium begann, hatte sie einschlägige Erfahrungen mit WGs gesammelt. Deshalb war sie überglücklich gewesen, als sie schließlich die Anzahlung für ihre erste eigene Wohnung leisten konnte und einen Rückzugsort hatte.

Noch immer suchte Allie nach Eigenschaften, die sie nicht an Zac mochte. Er war locker, er hatte ihr ein eigenes Zimmer zur Verfügung gestellt, und er kochte fantastisch. Und er hatte die Bedingungen für ihre Beziehung gleich zu Anfang festgelegt. Er hatte gesagt, er wüsste, was ihr in England widerfahren war, und ihr von seinen eigenen Erfahrungen erzählt, damit sie sich nicht so verletzlich fühlte. Früher hatte sie sich manchmal gern in ihre eigenen vier Wände zurückgezogen, doch er schien zu den wenigen Menschen zu gehören, zu denen man gern nach Hause kommen wollte.

Außerdem war er wahnsinnig attraktiv. Als sie an diesem Morgen nach unten kam und ihn auf dem Balkon sitzen sah, wo er im Einklang mit sich und der Welt wirkte, hatte ihr der Atem gestockt.

Sie musste sich von ihm fernhalten, denn sie konnte – und wollte – niemandem vertrauen.

Aber es war Wochenende, sie war am anderen Ende der Welt, und sie konnte das Risiko, seine Gesellschaft zu genießen, eingehen. Da er seinen Wocheneinkauf machen musste, begleitete sie ihn.

Zuerst besuchten sie einen kleinen Markt, auf dem exotisches Obst angeboten wurde. Allie kaufte eine Drachenfrucht, weil sie die noch nie probiert hatte, und sie verließen den Markt mit mehreren Papiertüten. Anschließend schlenderten sie durch einen Supermarkt.

„Warum nehmen Sie das mit?“

Zac hatte ein Paket Müsli in den Wagen getan. Er zuckte die Schultern. „Das kaufe ich immer, weil ich es auch in England gegessen habe.“

Allie betrachtete ein australisches Produkt. „Vielleicht probiere ich das hier mal.“

Grinsend nahm er sein Müsli wieder heraus. „Okay. Es wäre schade abzureisen, ohne die gesamte Palette an hiesigem Müsli probiert zu haben.“

Sie lächelte ebenfalls. „Warum sind Sie hierhergezogen?“

„Ich habe zuerst in einem Zimmer für Klinikmitarbeiter gewohnt. Bestimmt hat man Ihnen auch eins angeboten?“

Allie nickte. Allerdings hatte sie es weniger riskant gefunden, eine Wohnung mit jemandem zu teilen, den sie kannte.

„Die Mitarbeiter-WGs sind nicht schlecht“, fuhr Zac fort, „aber ich wollte unbedingt allein wohnen. Deshalb habe ich eine Checkliste gemacht und mir die verschiedenen Wohnviertel in Sydney angesehen. Es gibt viele tolle Gegenden, die näher am Stadtzentrum liegen und bei Ausländern besonders beliebt sind, weil man dort viel unternehmen kann, auch abends, zum Beispiel The Rocks oder The North Shore.“

„Momentan interessiere ich mich nicht so fürs Nachtleben.“ Noch vor zwei Jahren hätte sie ihre Freizeit damit verbracht, Leute kennenzulernen und die Umgebung zu erkunden. Nun wollte sie einfach dem Tratsch und der ständigen Sorge, dass man auch hier über sie reden könnte, entfliehen.

„Ja, Cronulla ist ruhiger, und hier wohnen nicht so viele Pendler. Als ich hierherkam, habe ich einen Abstecher durch den Royal National Park gemacht und bin dann am Strand spazieren gegangen. Ich habe mich sofort in den Ort verliebt und bin zum nächsten Makler gefahren, wo ich eine Liste bekommen habe. Am darauffolgenden Wochenende habe ich mich umgesehen und hier im Laden einen Aushang entdeckt, dass die Wohnung zu vermieten ist. Eigentlich wollte ich sie nur besichtigen, um einen Vergleich zu haben.“

„Und haben sie dann genommen?“

Lächelnd nahm Zac eine braune Sauce aus dem Regal, stellte sie dann allerdings wieder zurück, damit Allie wählen konnte.

„Naomi hat mir die Wohnung gezeigt, und sie hat mir sofort gefallen. Der Übergang zwischen drinnen und draußen ist fließend …“ Als er sie anblickte, nickte Allie, denn sie wusste, was er meinte. „Als ich sie nach der Miete gefragt habe, hat sie Izzy geholt, und wir sind zum Strand gegangen.“ Wieder lächelte er jungenhaft. „Anscheinend habe ich den Test mit Izzy bestanden.“

Sie konnte nachvollziehen, dass Naomi in erster Linie einen Mieter gesucht hatte, der kinderfreundlich war. „Und worin bestand der Test?“

„Ich kann gute Sandburgen bauen. Izzy war begeistert. Und Naomi hat mir ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen konnte.“

„Und das war?“

„Sie meinte, ich müsste unbedingt mal Stand-up-Paddling ausprobieren. Am Morgen nach meinem Einzug hat sie mich zum Strand mitgenommen.“

Allie lachte. „Wie nett.“

„Ja. Nachdem ich einige Male vom Brett gefallen war, hatte ich den Dreh raus. Dann wollte ich unbedingt das Surfen ausprobieren. Samstagmorgens um diese Zeit füllt der Strand sich normalerweise, und Mark und ich sitzen vor dem Laden und trinken Kaffee, nachdem wir einige Stunden auf dem Wasser waren.“

Nachdem sie die Einkäufe in die Wohnung gebracht hatten, gingen sie in den Laden, wo Zac Allie mit Mark bekannt machte. Dieser schüttelte ihr die Hand und fragte sie, ob sie schwimmen könnte.

Lachend winkte Zac ab. „Lass sie sich doch erst mal hier einleben, bevor du sie mit aufs Wasser nimmst.“

„Ja, ich kann schwimmen.“ Allie lächelte Naomi an, die ebenfalls lächelte.

„Ich kann auch schwimmen!“, verkündete Izzy, während sie an Marks T-Shirt zupfte.

„Stimmt, du bist ja eine kleine Meerjungfrau. Deine Mum sagte, du konntest schwimmen, bevor du laufen konntest.“

Naomi lachte. „Stimmt. So, Allie, ich mache uns erst mal Tee. Heute Morgen ist hier viel los, Zeit für eine Pause.“ Mit einem Nicken deutete sie auf die Babywippe. „Zac, nimm du Finn mit nach draußen und such einen Platz im Schatten.“

3. KAPITEL

Gerade als er glaubte, Allie würde sich entspannen, kam der Anruf. Schlechtes Timing.

„Tut mir leid.“ Schnell trank Zac seinen Tee aus. „Ich muss ins Krankenhaus. Ein Notfall.“

„Einer von Ihren Patienten?“ Fragend blickte sie ihn an.

„Nein, es gab einen Unfall mit einem Bus. Sie brauchen jemanden in der Notaufnahme, weil so viele Verletzte eingeliefert werden.“

„Ich komme mit.“ Noch bevor er den Kopf schütteln konnte, stand sie auf.

„Haben Sie denn schon offiziell angefangen?“ Vielleicht musste sie erst den ganzen Papierkram erledigen.

„Ja, letzte Woche. Ich habe bereits in London alles unterschrieben und hatte einige Videokonferenzen mit der Personalabteilung.“

Er zog die Brauen hoch. „Wirklich?“

„Das hat sie dir doch gerade gesagt.“ Stirnrunzelnd betrachtete Naomi ihn.

Ja, vielleicht sollte er aufhören, Allie wie ein rohes Ei zu behandeln. Sie mochte verletzlich sein, zeigte aber auch viel Stärke.

„Dann sind Sie ja schon viel weiter als ich damals“, murmelte er, sobald sie im Wagen saßen.

Grimmig lachte sie auf. „Eigentlich nicht. Ich habe es gemacht, damit ich nicht in letzter Minute kneife …“

Allie schien ihre Umgebung kaum wahrzunehmen, als sie durch die Klinik zur Notaufnahme eilten. Zac führte sie zu Beth Kramer, der Leiterin der Notaufnahme, die alle delegierte. Lächelnd winkte sie ihn zu sich.

„Danke, dass du gekommen bist, Zac.“

„Keine Ursache. Das ist Dr. Allie Maitland-Hill, meine Nachfolgerin aus London.“

„Haben Sie hier schon offiziell angefangen, Allie?“, kam sie direkt zur Sache.

„Ich habe alles unterschrieben und mit Joe Simmons aus der Personalabteilung gesprochen“, erwiderte Allie.

„Okay. Ich muss ihn schnell zu Hause anrufen, um mich zu vergewissern, dass alles seine Richtigkeit hat. Sie haben dafür sicher Verständnis?“

„Natürlich. Ich möchte hier nur helfen, wenn ich kann.“

„Prima. Haben Sie den Jetlag schon überwunden?“

„Mir geht es gut“, erwiderte Allie energisch, woraufhin Beth nickte.

„Und was ist Ihr Fachgebiet?“

„Kinderheilkunde, wie bei Zac.“

„Gut. Zac gibt Ihnen Kleidung und alles andere, was Sie brauchen.“ Als Beth ihn anblickte, nickte er. „Bis Sie fertig sind, habe ich mit Joe gesprochen. Es wäre schön, wenn Sie heute Nachmittag mit Zac zusammenarbeiten könnten. Ich zweifle nicht an Ihren Fähigkeiten …“

„Danke. Da ich neu bin, brauche ich jemanden, der mich hier einweist.“

Als sie zu Beth zurückkehrten, hatte diese schon alles geklärt. Sie gab zwei Sanitätern, die gerade eingetroffen waren, ein Zeichen und deutete dann auf eine der Kabinen. „Ihr könnt dort aushelfen“, sagte sie leise zu Zac.

Als er Allie dorthinführte, lächelte sie ihn strahlend an. Da war sie wieder, die alte Allie, die sich jeder Herausforderung stellte und ihr Bestes für ihre Patienten gab. In London hatte er sie aus der Ferne beobachtet und ihr Selbstvertrauen und ihre offene Art bewundert. Er durfte also nicht davon ausgehen, dass sie auch im Job verletzlich war.

„Nehmen Sie es nicht persönlich, dass Beth Sie mir zugeteilt hat …“ Er blieb neben der Tür zur Kabine stehen, während die Sanitäter den Patienten auf der Trage hineinschoben.

„Warum sollte ich? Man hatte mir ja gesagt, dass die Abläufe hier etwas anders sind.“

Zac nickte. Wahrscheinlich würde sie alles an ihrem ersten offiziellen Arbeitstag erfahren, doch nun hatte man sie ins kalte Wasser geworfen. „Dann halte ich mich ans Protokoll und die Verwaltungsaufgaben. Machen Sie mit der Medizin weiter?“

Als ihre Augen amüsiert funkelten, setzte sein Herz einen Schlag aus. Dies Geplänkel ähnelte dem zwischen einer wahnsinnig attraktiven Frau und einem Mann, der von ihr fasziniert war. „Sie können bei der Medizin helfen, wenn Sie wollen.“

Zac lachte. „Okay, danke.“

Nachdem die Sanitäter den Patienten in die Kabine geschoben hatten, berichteten sie kurz. Der Junge namens Billy hatte mit seiner Mutter, die man ebenfalls verletzt eingeliefert hatte, im Bus gesessen. Da sie sich offenbar den Kiefer gebrochen hatte, hatten sie von ihr keine Informationen über ihn bekommen können. Doch er hatte ihnen seinen Namen genannt und gesagt, er wäre fünf. Es bestand Verdacht auf eine Gehirnerschütterung und eine Sprunggelenkfraktur. Den beiden zufolge hatte der Junge zunehmend benommener gewirkt.

„Was soll ich tun?“, wandte Zac sich an Allie.

„Nehmen Sie sein Bein. Ich teste seine Reaktionen.“

Er nickte. Gute Wahl. Falls der Junge auf jemandes Lächeln reagieren würde, dann auf ihres. Vorsichtig nahm er die Schiene vom Bein.

„Was sehen Sie, Zac?“

„Es ist kein offener Bruch, und er ist wohl auch nicht verschoben. Und Sie?“

Allie atmete aus. „Ich weiß nicht. Irgendetwas stimmt nicht …“

„Handelt es sich vielleicht um ein Schädel-Hirn-Trauma?“

„Vielleicht. Ich sehe keine Anzeichen für eine Schädelverletzung, und seine Pupillen sind nicht geweitet. Aber er wirkt benommen und ist nicht ansprechbar.“ Nachdem sie erneut durchgeatmet hatte, schien sie eine Entscheidung zu treffen. „Zac, ist sein Bein momentan in Ordnung? Ich denke, wir sollten ein CT machen, aber erst mal würde ich gern sehen, ob wir von der Mutter mehr Informationen bekommen können.“

„Klar. Ich veranlasse das CT. An der Schwesternstation ist eine Tafel, auf der steht, wer in welcher Kabine ist. Sie können sonst auch Beth fragen. Sie weiß immer über alles Bescheid.“

„Prima, danke.“ Während Allie aus der Kabine eilte, nahm er sein Telefon aus der Tasche, um alles in die Wege zu leiten.

Sie blieb eine Weile weg, und er wollte gerade eine Schwester rufen, um sie suchen zu lassen, als Allie wieder auftauchte.

„Wo waren Sie?“

„In der Kabine nebenan. Da die Mutter einen gebrochenen Kiefer hat, konnte ich ihr nur Fragen stellen, die sie mit Ja oder Nein beantworten konnte. Es sieht so aus, als wäre Billy schon vor dem Unfall krank gewesen. Der Schwester bei ihr zufolge waren sie mit dem Bus auf dem Weg ins Krankenhaus.“

„Also …“ Zac überlegte angestrengt. „Er ist blass, nicht ansprechbar, und den Sanitätern zufolge klagte er über Kopfschmerzen und Lichtempfindlichkeit.“

„Hat er Ausschlag?“

Vorsichtig richteten sie Billy auf, zogen sein T-Shirt hoch und untersuchten seine Haut. „Hier …“ Allie hob seinen Arm hoch, sodass Zac den roten Ausschlag an seiner Seite sehen konnte.

„Sie haben richtiggelegen. Das sieht wie Meningitis aus.“

„Dann machen wir ein Blutbild und verabreichen ihm Infusionen und Breitbandantibiotika?“

„Ja. Aber erst muss er ins CT, denn vielleicht hat er tatsächlich eine Gehirnerschütterung und eine Hirnschwellung durch die Meningitis.“ Als Allie nickte, lächelte Zac. Er freute sich immer, wenn Kollegen mit ihm einer Meinung waren, und umso mehr, wenn es sich um Allie handelte.

„Soll ich die Mutter weiter befragen? Vielleicht kann sie die Antworten aufschreiben.“

„Klingt gut. Könnten Sie Beth bitten, eine Schwester herzuschicken?“

„Mache ich.“

Es war ein hektischer Nachmittag gewesen. Billys Mutter hatte sich geweigert, irgendetwas außer einem Schmerzmittel zu nehmen, bis sie den Ärzten alles über Billys Zustand vor ihrer Ankunft im Krankenhaus erzählt hatte. Allie hatte eine Weile bei ihr am Bett gesessen und sie weiter befragt. Zac hatte Billy überwacht, bis man diesen auf die Kinderstation verlegt hatte.

Nun gesellte er sich zu ihnen und versicherte der Mutter, dass Billy gut auf die Behandlung anzusprechen schien. Erst dann ließ sie sich weiter behandeln, und er musste Allie fast aus der Kabine zerren, als sie von einer Schwester abgelöst wurden.

Anschließend versorgten sie zusammen mit den anderen Ärztinnen und Ärzten die Leichtverletzten, bis Beth erschien.

„Zeit, nach Hause zu fahren, Leute. Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, aber wir kommen jetzt allein klar.“ Dann wandte sie sich an Allie. „Es war schön, Sie kennenzulernen, Allie. Ich hoffe, wir werden wieder zusammenarbeiten.“

Nachdem Beth sich abgewandt hatte, stupste Zac Allie an. „Das ist so ungefähr das höchste Lob, das man von Beth bekommen kann.“

„Ja, das dachte ich mir“, erwiderte sie lächelnd.

Bisher hatte sie überhaupt nicht müde gewirkt, doch als sie zusammen das Krankenhaus verließen, machte sie plötzlich einen erschöpften Eindruck. Nachdem sie eingestiegen war, schloss sie die Augen, und kurz nach ihrer Ankunft in der Wohnung schlief sie auf dem Sofa ein.

Zac bereitete das Abendessen zu. Als er sie anschließend sanft an der Schulter berührte, schreckte sie hoch. Daraufhin holte er die Teller mit den Sandwiches und dem Obst aus der Küche und stellte sie auf den Couchtisch.

Interessiert beugte sie sich über den Teller mit dem Obst. „Ist das die Drachenfrucht?“

Er nickte. „Probieren Sie mal.“

Nachdem sie ein Stück vom Teller genommen und es betrachtet hatte, biss sie ein winziges Stück ab. Nichts an ihr erinnerte in diesem Moment an die selbstsichere Ärztin, die über den Tellerrand blicken konnte und völlig unwahrscheinliche Diagnosen erkannte.

„Und, was halten Sie davon?“

„Ich weiß nicht. Etwas gewöhnungsbedürftig.“

„Okay. Möchten Sie Tee?“

„Gern wieder den Kräutertee von heute Morgen, danke.“ Plötzlich scheinbar teilnahmslos, betrachtete sie die Sandwiches. Da sie nicht gefrühstückt hatten, musste sie hungrig sein.

Als er mit dem Tee aus der Küche zurückkehrte, hatte sie sich schon einen Teller herangezogen und zu essen begonnen.

Nachdem er sich gesetzt hatte, nahm er sich auch ein Sandwich. „Das war wirklich viel verlangt. Sie sind erst seit sechsunddreißig Stunden hier.“

„Es hat mir gutgetan. In letzter Zeit geht es mir besser, wenn ich beschäftigt bin.“

Arbeitete sie bis zur Erschöpfung in der Hoffnung, dass sie dann keine Albträume hatte? Das sprach er lieber nicht aus. „Wenn Sie sich beschäftigen wollen, rufe ich Mark an und frage ihn, ob er morgen früh surfen geht. Ich kann auch das Paddleboard mitbringen, falls Sie es mal probieren möchten.“

Allie schien darüber nachzudenken. „Wann denn?“

„Wenn Sie aufwachen, werfen Sie einfach einen Blick aus dem Fenster. Falls wir da sind und Sie Lust haben, kommen Sie einfach nach.“

„Das klingt so unkompliziert.“

Manchmal waren die Dinge auch unkompliziert. Er hatte sich den Kopf über seine Beweggründe zerbrochen – ob sein Beschützerinstinkt allein seinem Entsetzen über ihre traumatischen Erlebnisse entsprang oder ob er langsam Gefühle für sie entwickelte. Beides war möglich, solange er sich auf Ersteres konzentrierte und Letzteres ignorierte. Allie brauchte einen guten Freund, und mit mir etwas anzufangen, käme einem Verrat gleich.

„Sie sind so still“, bemerkte sie unvermittelt.

Die Freundschaft, die sich zwischen ihnen entwickelte, erschien ihm plötzlich viel zu kostbar, als dass er sie aufs Spiel setzen wollte. „Ich schätze, ich bin auch müde. Ich gehe wohl bald ins Bett.“

Allie unterdrückte ein Gähnen. „Klingt gut.“

Vielleicht waren es der Jetlag und reine Müdigkeit. Vielleicht fühlte sie sich hier auch nur sicher und geborgen. Zwar war sie in der Nacht einmal aus dem Schlaf geschreckt, doch sie hatte sich sofort entspannt und war wieder eingenickt. Als die ersten Lichtstrahlen durch die Gardinen fielen, stand sie auf, duschte und zog sich an. Anschließend zog sie die Vorhänge zurück.

Sie sah zwei Gestalten am Strand – eine dunkelhaarig und dunkelhäutig, die andere mit von der Sonne gebleichtem Haar und goldbrauner Haut. Mark und Zac trugen beide Boardshorts und kurzärmelige Neoprenoberteile, die Allie im Shop im Sale gesehen hatte. Sie konnte den Blick nicht von Zac abwenden.

Zum Glück merkte er es nicht. Zuerst wollte sie sich instinktiv abwenden, doch etwas an seinen Bewegungen, seiner so selbstsicheren Haltung veranlasste Allie, die Glastüren zu öffnen und auf den Balkon zu treten. Er war am Strand und kümmerte sich nicht darum, wer ihn beobachtete. Und vielleicht hätte ihn auch nicht gestört, dass sie sich gerade vorstellte, wie es wäre, seine goldbraune Haut zu berühren.

Nichtsdestotrotz winkte Allie ihm zu und rief seinen Namen. Obwohl die Wellen dies sicher übertönten, drehte er sich aus irgendeinem Grund um und winkte zurück. Das hier konnte sie genießen. Eine unschuldige Geste und ein Lächeln aus mehreren Hundert Metern Entfernung. Obwohl es ihr fast intim erschien.

Nun lief er zur Straße, die den Shop vom Strand trennte. „Kommen Sie runter?“

„Ich kann alles von hier aus sehen.“ Und sie wollte wirklich nur zusehen.

„In Ordnung.“

Als Zac sich abwandte, war sie enttäuscht. Vielleicht war es um diese frühe Zeit ganz risikolos, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Wenn sie hinunterging, würde das Gefühl der Freiheit, das Zac ausstrahlte, vielleicht auf sie abfärben.

Nun drehte er sich wieder um, kam über die Straße und blieb unter dem Balkon stehen. Sein Haar schimmerte in der Sonne. „Keine Lust zu paddeln?“

Doch, sie hatte Lust, aber es gab ein Problem. „Was soll ich anziehen?“

„Das ist egal. Sie müssen sich nur wohlfühlen, und es sollte nass werden dürfen.“ Dann deutete er auf ihr T-Shirt und ihre Shorts. „Aber cremen Sie sich gut ein, und eine Sonnenbrille wäre nicht schlecht …“

„Sie hatten doch gesagt, Sie wären beim ersten Mal viermal ins Wasser gefallen.“

„Stimmt. Aber ich bin nicht Naomi. Ich finde es nicht lustig, am Brett zu rütteln und den Neuling ins Wasser zu werfen. Und ich habe mir ihre Rettungsweste ausgeliehen, nur für alle Fälle.“

„Für welchen Fall?“

„Na ja … Zu dieser Jahreszeit gibt es hier einige Riesentintenfische. Sie verspeisen Sie am Stück, aber sie mögen den Geschmack von Neopren nicht. Also spucken Sie sie wahrscheinlich wieder aus, wenn Sie eine Rettungsweste tragen.“ Irgendwie schaffte er es, keine Miene zu verziehen.

Allie nickte. „Okay, das klingt vernünftig.“

„In die Themse zu springen wäre viel gefährlicher …“ Diesmal grinste Zac. Anscheinend erinnerte er sich an den Tag, an dem eine Gruppe frischgebackener Ärztinnen und Ärzte für karitative Zwecke in schicker Kleidung in die Themse gesprungen war. Auch Allie hatte sich begeistert ins Wasser gestürzt.

„Ich habe Sie da gar nicht gesehen …“ sagte Allie.

„Ich war auch nicht dabei. Ich bin nicht so abenteuerlustig wie Sie.“

Offenbar begann er zu verstehen, was nur wenige Menschen verstanden. Dass sie, auch wenn man sie verletzt und ihr Angst eingejagt hatte, nicht zu einer feigen oder ängstlichen Person geworden war. Er behandelte sie nicht wie ein rohes Ei, und dafür war sie ihm dankbar.

„Okay, geben Sie mir zehn Minuten, damit ich mich eincremen und meine Stilettos anziehen kann.“

Zac lachte. „Keine Stilettos. Ich pumpe jetzt das Board auf.“

Nur zu gern hätte sie ihn wieder an den Strand zurückkehren sehen. Da sie es jedoch nicht erwarten konnte, selbst dort hinzugelangen, eilte sie nach drinnen, um ihre Sonnenmilch aus dem Bad zu holen.

4. KAPITEL

Es war warm, und die Brise, die ständig vom Meer her wehte, zerzauste ihr das Haar. Ein perfekter Morgen für den Strand, doch es würde vermutlich noch viele solcher Morgen geben. Mark blickte nachdenklich aufs Meer, und Zac hatte das Board etwas weiter den Strand entlang gebracht, wo das Wasser etwas ruhiger wirkte.

„Hallo, Allie. Bereit für Ihr erstes Bad?“

„Zac meinte, mein Haar würde nicht nass werden“, erwiderte Allie lächelnd.

„Bestimmt nicht.“ Er grinste.

Sie krauste die Nase. „Versuchen Sie nicht, mich davon abzubringen, das funktioniert nicht. Können wir nicht hier ins Wasser gehen?“

Mark zuckte die Schultern. „Ja, aber es ist ein bisschen wellig für den ersten Versuch. Der erste gute beach break , hohe Wellen, die sich erst am Strand brechen, hat sich in diesem Sommer gerade hier gebildet, sehen Sie?“ Er deutete auf die Reihe der höheren Wellen, die sich am Strand brachen.

„Die Wellen wandern?“

„Ja, die Sandbänke verlagern sich, und das hält vielleicht ein paar Tage oder sogar eine Woche an.“

„Der Strand verändert sich also ständig?“

Er nickte. „Und gerade das gefällt mir. Zac ist ein Stück weitergegangen, um mir Platz zu machen.“

Prompt bekam sie ein schlechtes Gewissen. „Halte ich ihn von diesem beach break ab?“

„Nein. Oder doch, aber ich glaube, er möchte heute lieber Stand-up-Paddling machen.“

Das klang so, als würde Zac das Paddeln mit ihr dem Surfen hier vorziehen. Da Mark jedoch wieder aufs Meer blickte, hakte sie nicht nach. „Dann sehe ich mal, was er vorhat.“

„Ja …“ Noch immer konzentrierte er sich auf die Wellen. „Ach, und vergessen Sie nicht die Rettungsweste. Sie ist in meiner Tasche, die pinkfarbene.“

„Okay. Danke.“ Nachdem sie die pinkfarbene Rettungsweste aus seiner Tasche genommen hatte, ging sie den Strand entlang zu Zac. „Das ist größer, als ich dachte.“ Interessiert betrachtete sie das Board.

„Es gehört Mark und Naomi und ist für zwei Personen gedacht. Sie nehmen Izzy oft darauf mit. Und, bereit?“

„Auf jeden Fall. Wie steige ich rauf?“

„Kommen Sie.“ Er hob das Board hoch und ging damit zum Wasser.

Während Allie ihm folgte, versuchte sie, nicht an seine breiten Schultern zu denken. Sie mochte breite Schultern bei Männern, und sie mochte Zac. Und in dieser wunderschönen Umgebung würde sie seine Gesellschaft besonders genießen.

Als das Wasser ihnen bis zu den Knien reichte, legte er das Board ab und zeigte ih...

Autor

Annie Claydon
<p>Annie Claydon wurde mit einer großen Leidenschaft für das Lesen gesegnet, in ihrer Kindheit verbrachte sie viel Zeit hinter Buchdeckeln. Später machte sie ihren Abschluss in Englischer Literatur und gab sich danach vorerst vollständig ihrer Liebe zu romantischen Geschichten hin. Sie las nicht länger bloß, sondern verbrachte einen langen und...
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Marion wuchs in einer ländlichen Gemeinde in einer Gegend Australiens auf, wo es das ganze Jahr über keine Dürre gibt. Da es auf der abgelegenen Farm kaum Abwechslung gab, war es kein Wunder, dass sie sich die Zeit mit lesen und schreiben vertrieb. Statt ihren Wunschberuf Liebesromanautorin zu ergreifen, entschied...
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<p>Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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<p>Alison wurde in Dunedin, Neuseeland, geboren. Doch die Schule besuchte sie in London, weil ihr Vater, ein Arzt, aus beruflichen Gründen nach England ging. Später zogen sie nach Washington. Nach längerer Zeit im Ausland kehrte die Familie zurück nach Dunedin, wo Alison dann zur Grundschullehrerin ausgebildet wurde. Sie fand eine...
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