Heiß wie die Wüstensonne (Julia Herzensbrecher 13)
– oder –
Rückgabe möglich
Bis zu 14 Tage
Sicherheit
durch SSL-/TLS-Verschlüsselung
– oder –
Bis zu 14 Tage
durch SSL-/TLS-Verschlüsselung
„Ich verlange eine Lösung dieses Problems! Und zwar schnell!“
Geschmeidig wie eine Raubkatze und schäumend vor Wut lief der Scheich von Zangrar in dem mit dicken Perserteppichen ausgelegten Raum auf und ab. Dann blieb er abrupt stehen und bedachte eine Gruppe von Männern, die wie eingefroren um einen auf Hochglanz polierten, antiken Tisch saßen, mit einem sengenden Blick.
„Die Zeit läuft uns weg, und ich betone noch einmal, dass ich nicht im Traum daran denke, diese Frau zu heiraten!“
Sein harsches Statement wurde mit einem kollektiven Seufzer entgegengenommen, und dann schnatterten seine Berater plötzlich alle durcheinander. Das Gewirr aus unsinnigen Vorschlägen und nervösen Gesten entlockte dem Scheich ein zynisches Schnauben. Aus diesem Chaos sollte eine befriedigende Problemlösung entstehen? Und womöglich noch eine von äußerster Brisanz und Bedeutung für sein Land?
Sie benehmen sich wie aufgescheuchte Karnickel, dachte er grimmig und zog verächtlich die Mundwinkel nach unten.
„Euer Exzellenz …“ Einer der Berater erhob sich und presste die zitternden Hände gegeneinander. „Wir haben alles gründlich überprüft – es gibt keinen Weg, diese Eheschließung abzuwenden.“
„Dann gehen Sie alles noch einmal durch“, befahl er mit einer täuschend sanften Stimme, deren Klang den armen Mann erblassen ließ. „Wir müssen eine Schwachstelle finden! Irgendetwas, das uns erlaubt, diesen lächerlichen Kontrakt aufzulösen.“
„Genau das ist unser Problem, Euer Exzellenz … es gibt keine. Ihr Vater hat den Ehevertrag vor sechzehn Jahren zusammen mit dem Kronprinzen von Rovina aufgesetzt, nur wenige Monate vor dessen Tod. Sie kannten sich seit der Schulzeit, und später in der Armee …“
„Ich brauche keine Belehrung darüber, warum ich mich in dieser unerträglichen Situation befinde, sondern einen praktikablen Vorschlag, wie ich da rauskomme!“, herrschte der Scheich ihn an.
„Tut mir leid, Euer Exzellenz“, murmelte der Unglückliche todesmutig. „Aber Sie müssen Prinzessin Alexandra von Rovina zu Ihrer Frau machen. Vielleicht erweist sich das Ganze ja auch als Gewinn und …“ Seine Stimme verebbte unter dem glühenden Blick seines Gebieters.
„Das ist absurd! Die rebellische Prinzessin! Ist das nicht die Bezeichnung der Klatschpresse für meine zukünftige Frau? Seit sie alt genug ist, das öffentliche Parkett zu betreten, hat sie nur Chaos produziert. Sie fährt ihre Luxusschlitten zu Schrott, feiert Partys bis zur Bewusstlosigkeit und betreibt Sex, als sei er eine olympische Disziplin. Dabei ist sie gerade mal vierundzwanzig! Erklären Sie mir doch bitte, wie so ein Geschöpf eine Bereicherung für Zangrar sein soll!“
Tödliches Schweigen war die Antwort auf seine Frage. Der Scheich zog eine schwarze Braue hoch. „Kein weiterer Kommentar?“
Die mangelnde Bereitschaft seiner Berater, das Ausmaß der Katastrophe zu erkennen, brachte ihn an den Rand einer Explosion. Gleichzeitig versetzte ihn sein eigener Mangel an Beherrschung derart in Rage, dass er am ganzen Körper bebte.
Mit wenigen Schritten war er beim Fenster und versuchte, sein Temperament zu zügeln. Aber es wollte ihm nicht gelingen.
„Hinaus!“, befahl er mit schneidender Stimme. „Alle!“
In seinem Rücken erklangen scharrende Geräusche, und in kürzester Zeit herrschte absolute Ruhe. Seine Berater hatten eiligst die Chance zur Flucht ergriffen, was angesichts seiner üblen Laune durchaus verständlich war. Der Scheich seufzte und rieb sich die schmerzende Stirn. Er wusste nicht, was ihn mehr störte: der Gedanke an Heirat im Allgemeinen oder die Vorstellung, ausgerechnet Prinzessin Alexandra ehelichen zu müssen.
Frauen wie sie waren der Grund, warum er bereits in jungen Jahren beschlossen hatte, sich niemals auf diese Weise zu binden! Alexandra von Rovina war hirnlos, oberflächlich und nur Prinzessin durch Geburt. Ihr Benehmen hatte absolut nichts Fürstliches, und um keinen Preis der Welt würde er sie zu seiner Frau machen!
Sein Vater wäre allerdings von ihr fasziniert gewesen …
Der angewiderte Zug lag noch um seinen Mund, als ihn ein Geräusch an der Tür herumfahren ließ.
„Omar!“, begrüßte er seinen engsten Vertrauten wenig begeistert.
„Euer Exzellenz …“ Der Mann trat einen Schritt vor. „Wenn es gestattet ist, möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen.“
„Sollte er mit dieser vermaledeiten Heirat zu tun haben, vergiss es!“, fertigte der Scheich ihn rüde ab.
„Die zwiespältigen Gefühle Eurer Exzellenz diesbezüglich sind nur zu verständlich, bedenkt man die Vorgeschichte Ihres Vaters …“, formulierte der erfahrene Berater diplomatisch.
Der Scheich spürte, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte. „Noch ein Thema, das ich nicht zu diskutieren wünsche!“
„In der Tat, Euer Exzellenz … und dennoch ist es nicht von der gegenwärtigen Situation zu trennen. Die Menschen in Zangrar würden eine weitere Herrscherin vom Format Ihrer Stiefmutter nicht tolerieren, befürchte ich.“
Der Scheich musterte den älteren Mann aus schmalen Augen. „Du beweist sehr viel Mut mit diesem Auftritt, Omar. Auch wenn du mich seit meinem zweiten Lebensjahr kennst … fordere dein Glück nicht zu sehr heraus!“
Omar gestattete sich ein dünnes Lächeln. „Unter den gegebenen Umständen ist Ihre Gereiztheit nur zu verständlich, Euer Exzellenz. Was Sie nach dem Tod Ihres Vaters für Zangrar getan haben, grenzt geradezu an ein Wunder. Dafür genießen Sie die Bewunderung und Zuneigung Ihres Volkes und fürchten natürlich zu verlieren, was Sie so mühsam erobert haben.“
„Und genau das wird geschehen, wenn ich diese Frau heirate!“
„Vielleicht ist es so. Aber Sie brauchen eine Frau – das ist Fakt“, stellte Omar gelassen fest. „Ihr Volk hofft und betet, dass Sie sich endlich verlieben und heiraten.“
Der Scheich musste sich beherrschen, um nicht in hysterisches Gelächter auszubrechen. „Ich bin ja wirklich bereit, so ziemlich jede Tortur für das Wohl meines Volkes auf mich zu nehmen, aber mich zu verlieben gehört nicht dazu. Irgendwann werde ich sicher eine Frau finden, die mir Kinder gebären wird … aber ganz bestimmt keine verwilderte europäische Prinzessin! Die Menschen in Zangrar verdienen wahrlich etwas Besseres.“
Omar räusperte sich. „Prinzessin Alexandra ist von adligem Geblüt. Und in einem Jahr, an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag, wird ihr Onkel, der gegenwärtige Regent, abtreten, und sie wird den Fürstenthron von Rovina besteigen.“
„Was bedeutet, dass sie ihrem Land noch schwerer schaden kann als bisher?“, fragte der Scheich sarkastisch.
Omar lächelte. „Es bedeutet, dass die Allianz zwischen unseren beiden Ländern Zangrar eine Menge positiver Veränderungen bescheren könnte, wie zum Beispiel Tourismus, Handel …“
„Und dafür soll ich Alexandras angeschlagenen Ruf und ihren bedauerlichen Mangel an fürstlicher Würde übersehen?“
„Es heißt, die Prinzessin sei außerordentlich schön. Und bedenkt man den Erfolg Eurer Exzellenz beim weiblichen Geschlecht, sollte es Ihnen nicht allzu schwerfallen, diesen Mängeln mit der Zeit abzuhelfen“, murmelte Omar und wich dem bohrenden Blick des jungen Scheichs aus. „Außerdem ist es kein Geheimnis, dass Sie die Gesellschaft attraktiver Frauen durchaus zu schätzen wissen …“
„Bei einer Ehefrau rangiert für mich die Moral weit vor körperlichen Attributen!“, grollte der Scheich. „Aber wie auch immer – meine Gefühle in dieser Angelegenheit scheinen ohnehin nicht maßgeblich zu sein, wenn dieser unsinnige Vertrag zwischen unseren Vätern tatsächlich nicht zu umgehen ist.“
Omar runzelte sorgenvoll die Stirn. „Das ist leider wahr, Euer Exzellenz. Es besteht tatsächlich nicht die leiseste Chance, dass Sie den Vertrag brechen.“
Irgendetwas in seiner Stimme ließ den Scheich aufhorchen. „Omar …?“
Der ältere Mann lächelte geheimnisvoll. „Ich habe mir das Dokument noch einmal genau angesehen. Euer Exzellenz können tatsächlich nicht von dem Vertrag zurücktreten … aber sie kann es.“
„Willst du damit sagen, dass Alexandra das Recht hat, die Eheschließung abzulehnen?“, vergewisserte sich der Scheich.
„So ist es, aber bevor Euer Exzellenz sich für diese Option zu sehr begeistern, möchte ich daran erinnern, dass diesbezüglich bisher nicht der leiseste Wink aus Rovina gekommen ist. Im Gegenteil, die Prinzessin scheint sogar ausgesprochen erpicht zu sein, Ihnen ihre Hand zu überlassen.“
„Und wir beide wissen auch genau, warum!“, knurrte der Scheich gereizt. „Rovinas Staatsschatulle ist leer, weil ihre Verschwendungssucht ebenso legendär wie ihr unmögliches Benehmen ist!“
„Das mag zum Teil zutreffen, ist aber bestimmt nicht allein ausschlaggebend. Euer Exzellenz sind ein ausgesprochen attraktiver Mann, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf“, führte Omar nicht ohne einen Anflug von Stolz in seiner sonoren Stimme an. „Sie gelten immerhin als Hauptpreis auf dem internationalen Heiratsmarkt“, fügte er mit einer für ihn seltenen Prise Humor hinzu.
Der Scheich lachte freudlos auf und kehrte zu seinem Platz am Fenster zurück.
Hauptpreis!
Wenn Prinzessin Alexandra ahnte, was sie für ihr Jawort bekommen würde, wäre sie sicher nicht so wild auf die Heirat mit ihm!
Eiskalt wie die Wüste bei Nacht …
So lautete das bittere Urteil seiner letzten Geliebten, als er ihre Affäre abrupt beendete. Düster starrte er in den Palastgarten hinunter und überlegte, warum ihn diese Beschreibung nicht traf. Vielleicht weil sie mit ihrer Einschätzung richtiglag?
Er war nicht fähig zu lieben, das war ihm schon lange bewusst. Nachdem er mit ansehen musste, was obsessive Liebe aus einem Menschen machen konnte, war er nicht mehr an eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet interessiert. Es ging ihm einzig und allein um das Wohl seines Landes.
Langsam drehte er sich zu Omar um und suchte den Blick seines engsten Vertrauten. „Du bist dir ganz sicher, dass Prinzessin Alexandra von Rovina von dem Ehevertrag zurücktreten kann?“
„Hundertprozentig sicher.“
„Gut.“ Der Scheich nickte zufrieden. „Damit haben wir die Lösung des Problems.“
„Euer Exzellenz, ich muss Sie doch sicher nicht daran erinnern, dass die Prinzessin absolut entschlossen scheint, Sie heiraten zu wollen. Damit ist dieses Detail völlig bedeutungslos und …“
„Oh nein, das ist es nicht!“, erklärte der Scheich mit kraftvoller Stimme. „Noch mag es ihr Wille sein, meine Frau zu werden, aber mit ein wenig Zeit und meiner … nennen wir es mal Überredungskunst wird sie ihre Meinung sicher ändern.“
„Sie wollen ihre Entscheidung beeinflussen, Euer Exzellenz?“
„Und ob! Ich verspreche dir, dass die Prinzessin nicht lange brauchen wird, um zu erkennen, dass es eine denkbar schlechte Idee war, mich heiraten zu wollen! Dafür werde ich persönlich sorgen“, versprach er mit grimmigem Lächeln.
Das scharfe Geräusch von Metall auf Metall erfüllte den Raum, als sich die Klingen der Florette vehement kreuzten.
Karim schloss seine Hand noch fester um den Griff der stählernen Waffe und wagte einen aggressiven Ausfall in Richtung seines Gegners, was ein kollektives Aufstöhnen der umstehenden Zuschauer zur Folge hatte. Doch das ignorierte er. Stattdessen richtete er die volle Aufmerksamkeit auf seinen Widersacher, dessen Identität hinter der Fechtmaske verborgen blieb.
Ausfallschritt … Vorstoß … Zurückweichen.
Sie fochten mit unerbittlicher Härte. Jeder versuchte, die Deckung des anderen zu durchdringen, um den finalen Stoß anbringen zu können. Der Schiedsrichter stand wie eingefroren am Rande des Fechtbodens, völlig gefesselt von dem rasanten Duell, das sich vor seinen Augen abspielte.
Selbst mitten im Gefecht versuchte Karim ständig, sein Gegenüber einzuschätzen, um den nächsten Stoß voraussehen und parieren zu können. Ohne Erfolg. Zum ersten Mal in seinem Leben war er auf einen ebenbürtigen Gegner gestoßen. Sein namen- und gesichtsloser Kontrahent änderte mit jedem Angriff seine Taktik, seine Ausfälle waren äußerst rasant, die Beinarbeit war absolut perfekt. Er war zwar ziemlich schmächtig, doch die Geschmeidigkeit und Präzision seiner Bewegungen verrieten den durchtrainierten Athleten.
Karim fühlte Schweiß zwischen seinen Schulterblättern hinunterrinnen, während der Kampf noch an Tempo und Intensität gewann.
Als man ihm sagte, dass Prinzessin Alexandra ihn dieser Prüfung unterziehen würde, ehe sie ihn als Bodyguard für ihre Reise nach Zangrar akzeptierte, war er gleichzeitig amüsiert und irritiert gewesen. Und es hatte seine Einschätzung bestätigt, dass sie eben doch eine echte Primadonna war.
Es war das erste Mal, dass er ein Duell auf den Wunsch einer Frau hin austrug, und als er den Fechtboden betrat, war er darauf eingestellt gewesen, seinen Gegner innerhalb weniger Minuten hinwegzufegen. Stattdessen musste er sich plötzlich in einer Sportart beweisen, in der er sich bisher als unschlagbar gefühlt hatte.
Anfangs etwas gelangweilt und milde erstaunt, jemanden zu treffen, der es überhaupt wagte, es mit ihm aufzunehmen, war Karim inzwischen hellwach und fasziniert von der leichten Gestalt ihm gegenüber. Er war sogar gezwungen, den technischen und taktischen Stärken seines Duellpartners widerwillig Respekt zu zollen. Doch am meisten überraschte ihn die Tatsache, dass es ihm ungeheuren Spaß machte, mit diesem Meister seines Faches die Klingen zu kreuzen.
Wer war der Mann hinter der Maske?
Das Protokoll erforderte, dass die Kontrahenten vor jeder neuen Runde zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrten und sich begrüßten, doch der Fremde trug bereits den Gesichtsschutz, als Karim den Raum betrat, und hatte damit seine Neugier gereizt.
Und nachdem Karim durch den ungeahnten Verlauf des Duells keineswegs die erwartete Langeweile verspürte, rauschte jetzt reines Adrenalin durch seine Adern, während er sich den Kopf über die Identität des anderen zermarterte. Aber wer immer auch hinter der Maske steckte, er würde eine Revanche von ihm fordern. Dafür tat ihm dieser Kampf einfach zu gut. Karim fühlte sich so kraftvoll und lebendig wie schon lange nicht mehr.
Die Klinge seines Gegners kam in einem rasanten Vorstoß sirrend auf ihn zu, und nur mit einer blitzartigen Parade konnte Karim einem Treffer entgehen. Ohne zu zögern attackierte er den Maskierten, der geschmeidig zurückwich und sich schon in dieser Bewegung erneut zum Angriff bereit machte. Das entlockte Karim ein überraschtes und bewunderndes Auflachen.
Was seinem Widersacher an körperlicher Größe fehlte, machte er durch Schnelligkeit und Wagemut hundertfach wett.
Aus den Reihen der Zuschauer erklang plötzlich weibliches Gelächter, das Karim sekundenlang ablenkte. Flüchtig schaute er zu einer Gruppe leise schwatzender Frauen hinüber und fragte sich unwillkürlich, welche von ihnen Alexandra von Rovina sein mochte.
Und was sie dazu veranlasst hatte, diesen albernen Test von ihm zu verlangen, ehe sie ihm die Ehre erwies, ihn als ihren Bodyguard zu akzeptieren! Offenbar war das verwöhnte, gelangweilte Prinzesschen fasziniert von dem Gedanken, Männer um sich kämpfen zu sehen.
Karim wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fechtboden zu und legte seinen unterdrückten Ärger in eine aggressive Attacke, die sein Gegner mit einem erneuten Ausbruch vitaler Energie beantwortete, offensichtlich entschlossen, keinen einzigen Punkt zu verschenken.
Karim war gleichermaßen beeindruckt wie frustriert. Und wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre er versucht gewesen anzunehmen, dass es bei diesem Duell um etwas Persönliches ging. Dabei kannten sie einander gar nicht.
Entschlossen, dem Ganzen ein Ende zu bereiten, wagte er einen erneuten Angriff, legte alle Kraft und Erfahrung in den Vorstoß und brachte einen perfekten Treffer an, der ihm den Sieg bescherte.
„Touché!“
Atemlos nahm er die Maske ab und streckte seinem Kontrahenten die Hand entgegen, wie es das Protokoll verlangte. „Habe ich mich als Leibwächter der Prinzessin qualifiziert, nachdem ich den Drachen besiegt habe? Stellen Sie mich ihr vor, falls sie noch weitere Prüfungen für mich bereithält. Vielleicht ein Pistolenduell im Morgengrauen? Und jetzt runter mit der Maske. Ich will endlich den Mann sehen, mit dem ich gekämpft habe.“
Der Maskierte zögerte kurz, bevor er Karims Aufforderung nachkam.
„Kein Mann …“ Die warme, leicht heisere Stimme gehörte eindeutig einer Frau und war von Mutter Natur offenbar dazu bestimmt worden, einem Mann die Knie weich werden zu lassen.
Karim sog scharf die Luft ein, als unter der Maske eine Fülle rotgoldener Locken hervorquoll und dem Zauberwesen vor ihm über die Schultern herabfiel. Selbst als erfahrener Womanizer war er geblendet von der überwältigenden Schönheit dieser ungewöhnlichen Frau.
Sichtlich amüsiert über seine Fassungslosigkeit, schenkte sie ihm ein reizendes Grübchenlächeln und streckte ihre schmale Hand aus. „Ich bin Prinzessin Alexandra von Rovina“, sagte sie so leise, als habe sie Angst, belauscht zu werden. „Und Sie sollen meinen Bodyguard spielen …“, fügte sie mit spöttisch gekräuselten Lippen hinzu. „Das Problem ist nur, ich will überhaupt keinen Bewacher. Eigentlich hätten Sie das Duell verlieren sollen. Aber auch so haben Sie die Reise leider umsonst gemacht.“
Sie hatte verloren!
Alexandra hoffte inständig, dass er nicht bemerkte, wie ihre Beine zitterten. Seit sie ihm ihre Identität verraten hatte, lag auf den dunklen, attraktiven Zügen ihres Gegenübers ein seltsamer Ausdruck, den sie nicht deuten konnte.
Er sah einfach umwerfend gut aus. Angefangen von den wie gemeißelt wirkenden klassischen Gesichtszügen und dem aggressiven Kinn, über den mächtigen Brustkorb, die schmalen Hüften bis zu den kräftigen, langen Beinen. Seine maskuline Stärke und Ausstrahlung hatten Alexandra schon während des Duells fasziniert, und sie wusste instinktiv, dass der Fremde seine Möglichkeiten noch bei Weitem nicht ausgeschöpft hatte. Ebenso vermutete sie, der Fechtsport war nur eine von vielen sportlichen Aktivitäten, mit denen er seinen prachtvollen Körper stählte.
Sie hätte eine andere Sportart wählen sollen!
Während er die Fechtjacke ablegte und sich mit der Hand über die bronzebraune Kehle fuhr, ließ er sie nicht eine Sekunde aus den Augen. Unter seinem brennenden Blick flammte ein Gefühl in ihr auf, das sie längst erloschen geglaubt hatte. Ihr Körper brannte vor Verlangen und einer Sehnsucht, der sie keinen Namen zu geben vermochte.
Das schockierte Alexandra zutiefst, weil sie es zwar gewohnt war, im Mittelpunkt männlichen Interesses zu stehen, sich in der umgekehrten Rolle jedoch völlig fremd und unsicher fühlte. Männer waren seit Jahren kein Thema für sie. Und das lag nicht allein an schlechten Erfahrungen, sondern auch daran, dass sie ganz andere, viel existenziellere Sorgen bewegten.
Obwohl sie innerlich bis in die letzten Nervenenden vibrierte, zwang sich Alexandra, dem unverschämten Blick dieses Kraftprotzes standzuhalten. Immerhin war sie eine Prinzessin und er nur ein Bodyguard!
Trotz ihrer wenig beneidenswerten Stellung im fürstlichen Haushalt war sie zumindest gewöhnt, von Fremden mit einer formalen Höflichkeit behandelt zu werden. Doch dieser Mann schien weder von ihrem Titel noch von ihrer gesellschaftlichen Stellung besonders beeindruckt zu sein. Stattdessen stand er stolz und mit arroganter Miene vor ihr, wie jemand, der es gewohnt war, Befehle zu geben und sie umgehend befolgt zu sehen.
Offensichtlich füllte er einen sehr wichtigen Posten im Sicherheitsteam des Scheichs aus. Wenn sie ihn mit einem Wort hätte beschreiben müssen, dann würde sie sich für kraftvoll entscheiden.
Wenn der Scheich mir schon einen Bodyguard aufdrängen muss, dann sollte es wenigstens jemand sein, der bereit ist zu tun, was ich sage, dachte Alexandra aufrührerisch. Doch den Eindruck machte dieser Mann auf keinen Fall, und deshalb misstraute sie ihm. Sie traute niemandem! Was immer auch passierte, sie würde allein kämpfen und für ihre Sicherheit sorgen müssen, um der Falle zu entkommen, in der sie steckte.
Sie konnte es selbst kaum glauben, dass sie es geschafft hatte, bis jetzt zu überleben. In ihrem Inneren flackerte schon wieder Panik auf, wie jedes Mal, wenn sie an ihre bevorstehende Heirat mit dem Scheich von Zangrar dachte.
Nicht, dass sie Angst vor ihm hatte. Nach dem Leben, das sie die letzten sechzehn Jahre hatte führen müssen, war ihr sein Ruf als rücksichtsloser, kontrollsüchtiger Despot ohne eine Spur menschlichen Gefühls völlig egal. Im Gegenteil! Irgendwie beruhigte es sie sogar. So brauchte sie wenigstens kein schlechtes Gewissen zu haben, ihn in eine Ehe zu zwingen, die so bar jeglicher Romantik sein würde.
Unter normalen Umständen wäre diese Heirat das Letzte gewesen, was Alexandra sich gewünscht hätte. Aber die Situation, in der sie sich befand, war eben alles andere als normal, und so war es das Beste für sie und für Rovina!
Unwillkürlich schloss sie ihre Hand fester um den Florettgriff. Sie hatte ihre prekäre Lage gerade in den letzten Tagen rund um die Uhr überdacht und war immer wieder zu dem gleichen Schluss gekommen.
Rovinas Zukunft hing unmittelbar von ihrer Heirat mit dem Scheich von Zangrar ab. Und jetzt war ihr erklärtes Ziel endlich in erreichbarer Nähe. Nur noch die Reise stand zwischen ihr und ihrer Rettung …
Doch ein Spaziergang war diese Reise nicht – in keiner Hinsicht!
Sie musste auf der Hut sein und jedes Risiko meiden. Und dazu gehörte ironischerweise auch der Verzicht auf einen Bodyguard.
Ein Kichern von der Gruppe Frauen, die unter den Zuschauern waren, erinnerte Alexandra daran, dass sie einen, wenn auch zweifelhaften Ruf zu wahren hatte: das Image einer Frau, die nichts anderes im Kopf hatte als frivole Vergnügungen …
„Fahren Sie zurück nach Hause, Bodyguard“, sagte sie so leise, dass nur er sie hören konnte, streifte die Fechthandschuhe von den Fingern und schlug damit spielerisch gegen seine Brust. „Ich brauche Ihre Dienste nicht.“ Sie hörte, wie der Mann vor ihr scharf den Atem einsog, und hütete sich, ihn anzuschauen.
„Mein Auftrag ist eindeutig, somit haben Sie keine Wahl.“ Als er sah, dass sie den Mund zum Widerspruch öffnete, kam er ihr zuvor. „Wir müssen unter vier Augen reden. Jetzt sofort.“ Damit umfasste er ihr Handgelenk und schob sie in den Raum, der die Fechtutensilien beherbergte. Ganz offensichtlich war er absolut immun gegen die neugierigen Blicke, die ihnen folgten.
Er hatte gegen eine Frau gekämpft?
Mit zusammengepressten Lippen schloss Karim die Tür hinter sich ab und starrte düster auf die Masse seidiger Locken, die über ihren schmalen Rücken herabflossen.
Ihr Haar hatte die Farbe eines Sonnenuntergangs in der Wüste. Und der erste Blick in ihre wundervollen Augen hatte sich angefühlt, als hätte er sich in einen brennenden Speer gestürzt …
Karim unterdrückte einen lästerlichen Fluch. Seit wann war er denn unter die Poeten gegangen? Gut, sein Körper hatte mit einer Heftigkeit auf diese unglaubliche Frau reagiert, wie er sie nie zuvor in seinem Leben empfunden hatte, aber das war reine Chemie … primitive Lust auf wilden Sex.
„Öffnen Sie die Tür!“, forderte Alexandra mit dieser rauen, sexy Stimme, die sein Blut wie flüssige Lava durch die Adern jagen ließ. „Schließen Sie sie auf!“