Heiße Leidenschaft in deinen Armen
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Panik, Angst, bittere Reue – das war es, was Rosalie Brown empfand, als sie an sich hinabsah. Sie war im siebten Monat schwanger, und der Babybauch war unübersehbar.
Sie atmete tief durch. Sie hatte geglaubt, als Leihmutter einem kinderlosen Ehepaar helfen zu können. Ernsthaft hatte sie sich eingeredet, sie würde es schaffen, das Baby nach neun Monaten freudig seinen wahren Eltern zu übergeben.
Wie dumm sie gewesen war.
Tränen brannten in ihren Augen, und sie schlang schützend die Arme um den Leib.
Sieben Monate trug sie das Kind nun schon unter dem Herzen, sie spürte seine Tritte und wie es sich bewegte. Sie hatte Ultraschalluntersuchungen gehabt und sich angewöhnt, während ihrer langen Spaziergänge entlang der San Francisco Bay mit dem Jungen zu sprechen, morgens und abends, bei Regen und bei Sonnenschein. Als der Winter die Bucht verlassen und der Frühling Einzug gehalten hatte, war die Liebe zu diesem Kind ins Unermessliche gewachsen.
Es war einfach passiert.
Ohne dass sie es gewollt hatte.
Mit einem Blinzeln versuchte Rosalie, die Tränen zu vertreiben. Als sie die Anzeige gesehen hatte, mit der das Kinderwunschzentrum Leihmütter suchte, war sie an einem Tiefpunkt gewesen. Nie wieder würde sie nach Hause zurückkehren können. Ihr war das Inserat wie ein Wunder erschienen, bot es ihr doch nicht nur die Möglichkeit, ihre Miete in den nächsten Monaten zahlen zu können, sondern auch, etwas wahrhaft Gutes zu tun. Es war ihr wie die beste Art – nein, die einzige – erschienen, über ihre quälenden Schuldgefühle und den furchtbaren Verlust hinwegzukommen.
Also hatte sie sich mit einer Klientin des Zentrums getroffen, einer eleganten, schönen Italienerin, die mit Tränen in den Augen erzählt hatte, wie sehr ihr Mann sich ein Kind wünschte. „Bitte“, hatte sie mit rauchiger Stimme und markantem Akzent geflüstert, „Sie sind die Einzige, die uns helfen kann.“ Zum ersten Mal seit Monaten hatte Rosalie nicht an ihre eigene Verzweiflung gedacht und den Leihmuttervertrag noch am selben Tag unterschrieben.
Erst nach einiger Zeit, als der Nebel ihrer Trauer sich zu lichten begonnen hatte, waren ihr Zweifel gekommen. Sie hatte begriffen, dass sie ihr eigenes Kind hergeben müsste, das sie nicht nur austragen würde, sondern dessen leibliche Mutter sie auch wäre. Sicher, sie würde das Kind in einer Klinik auf künstlichem Weg empfangen und hatte den Vater noch nicht kennengelernt, aber es wäre noch immer ihr Kind.
Nach der ersten Befruchtung hatte Rosalie erkannt, dass sie einen furchtbaren Fehler gemacht hatte. Niemals würde sie ihr Kind weggeben können.
Doch da war es bereits zu spät gewesen.
Sie war schwanger. Nach dem ersten Versuch. Und sie hatte einen Vertrag unterschrieben, der sie dazu zwang, sich nach der Geburt von ihrem Baby zu trennen.
Die vergangenen sieben Monate hatte Rosalie sich einzureden versucht, es sei nicht wirklich ihr Kind, sondern das von Chiara Falconeri und ihrem Mann Alex.
Doch alles in ihr – ihr Herz, ihr Körper und ihre Seele – rebellierte gegen diese Vorstellung, bis sie es nicht länger ausgehalten hatte. Und so hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Reisepass beantragt, ihn letzte Woche abgeholt und einen Flug nach Europa gebucht.
In Venedig angekommen kam der Plan ihr allerdings reichlich verrückt vor. Wie sollte es ihr jemals gelingen, das italienische Ehepaar dazu zu bringen, den Vertrag aufzulösen und ihr das Kind zu überlassen?
„Signora?“
Sie sah zu dem lächelnden jungen Italiener auf, der ihr eine Hand hinhielt, um ihr beim Aussteigen aus dem Wasserbus zu helfen, der sie vom Flughafen Marco Polo über die Lagune hierhergebracht hatte. Dankend nahm sie seine Hilfe an. Ein warmer Windstoß blähte ihr gelbes Sommerkleid auf, das durch den vierzehn Stunden langen Flug, den sie eingequetscht auf einem Mittelplatz verbracht hatte, völlig zerknittert war.
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend folgte Rosalie dem Touristenstrom, den der Wasserbus entlassen hatte, in die Stadt, vorbei an den Terrassen einladender Cafés und an kleinen Geschäften, in denen buntes Glas und venezianische Masken verkauft wurden. Sie nahm sich einen Moment Zeit, die Bilder auf sich wirken zu lassen – Venedig, Stadt der Träume, La Serenissima.
Sie selbst war auf einer kleinen Farm im Norden Kaliforniens aufgewachsen; später war sie ins nahe gelegene San Francisco gezogen, um dort zu arbeiten. Sie hätte nie gedacht, einmal ans andere Ende der Welt zu reisen, und war nun völlig überwältigt von den bezaubernden Renaissancebauten, den romantischen Balkonen und dem Wasser in den Kanälen, das in der warmen italienischen Sonne glitzerte.
Rosalie kniff die Augen zusammen und schüttelte seufzend den Kopf. Sie war nicht als Touristin hier, sondern einzig, um ein Ziel zu erreichen: Sie wollte ihr Baby behalten.
Es musste ihr gelingen, die beiden zu überzeugen. Alles andere war undenkbar. Entschlossen studierte sie den Stadtplan auf ihrem Smartphone, und während die Touristen in Richtung Süden zum Markusplatz strömten, bog Rosalie in eine kleine Gasse ein und überquerte den Anweisungen ihres Handys folgend eine schmale Brücke, bis sie schließlich die ruhige Piazza di Falconeri erreicht hatte.
Sie blieb vor einer hohen Steinmauer mit einem schmiedeeisernen Tor stehen und blickte in einen Hof voller blühender Topfpflanzen und üppig grüner Bäume. Fast verborgen lag dahinter ein alter Palazzo. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Einen Moment lang wurden ihr die Knie weich, doch dann rückte sie entschlossen ihre Reisetasche zurecht und drückte auf den Klingelknopf.
Eine kühle Stimme drang aus der Gegensprechanlage. „Sì?“
„Äh … Ich würde gerne mit Mr. und Mrs. Falconeri sprechen.“
„Mr. Falconeri?“ Der Mann klang indigniert und sprach mit einem Akzent, der Rosalie an den Butler in der Fernsehserie Downton Abbey erinnerte. „Haben Sie einen Termin?“
„Nein, aber die beiden werden mich empfangen wollen.“ Das hoffte sie jedenfalls.
Sie vernahm ein Schnauben. „Und wer sind Sie?“
„Ich heiße … Ich heiße Rosalie Brown. Ich bin die Leihmutter der beiden. Ich trage ihr Kind in mir.“
Am anderen Ende der Sprechanlage herrschte tiefstes Schweigen.
„Hallo?“, versuchte Rosalie es schließlich. „Ist da jemand?“ Keine Antwort. „Bitte! Ich bin extra aus Kalifornien hierhergekommen. Fragen Sie doch bitte Mrs. Falconeri. Sie kann alles erklären …“
Ein Summen ertönte, und das Tor sprang auf. Rosalie schluckte und trat ein.
Ruhig und sattgrün, schien der Hof meilenweit von der belebten, baumlosen Stadt entfernt zu sein. Vögel sangen, während sie zu einer kunstvoll gearbeiteten Haustür ging, die im selben Moment, als sie anklopfen wollte, geöffnet wurde. Ein weißhaariger, überheblich wirkender Mann, der mit seiner gebeugten Haltung aussah, als wäre er mindestens hundert Jahre alt, blickte zu ihr auf.
„Treten Sie bitte ein.“ Er sprach mit zittriger Stimme und britischem Akzent und zog die buschigen weißen Augenbrauen hoch, als er auf ihren Bauch sah.
„Äh, danke.“ Nervös trat Rosalie ins Foyer und stellte erleichtert fest, dass es hier eine Klimaanlage gab, die ihrer erhitzten Haut Abkühlung schenkte. Sie biss sich auf die Lippe, bevor sie zögerlich fragte: „Sind Sie Mr. Falconeri?“
„Ich?“ Der alte Mann hüstelte. „Ich bin Collins, der Butler. Ich arbeite für den Conte.“
„Conte?“, echote Rosalie verwirrt.
„Alexander Falconeri ist der Conte di Rialto, ein Graf. Merkwürdig, dass Sie nicht wissen, wer er ist, wenn Sie doch ein Kind von ihm erwarten.“ Der Klang seiner Stimme verriet, wie wenig der Butler von ihrer Geschichte hielt.
„Oh.“ Diese Information trug kaum dazu bei, Rosalies Selbstvertrauen zu stärken.
„Hier entlang, Miss Brown.“ Der Butler führte sie vorbei an einer geschwungenen Treppe einen breiten Korridor entlang, bis sie durch eine hohe Flügeltür einen goldglänzenden Salon betraten. Staunend besah Rosalie die antiken Möbel, das Ölgemälde über dem Kamin und die großen Fenster mit Blick auf einen Kanal. „Bitte warten Sie hier.“
Nachdem der Butler gegangen war, lief sie nervös auf und ab. Sie wusste nicht, wo sie sitzen, stehen oder wohin sie schauen sollte. Ein Palast wie dieser war ihr völlig fremd, nicht einmal annähernd zu vergleichen mit der winzigen Wohnung, die sie sich in San Francisco mit drei Mitbewohnerinnen teilte, oder dem alten Farmhaus ihrer Familie, vollgestopft mit Antiquitäten, die nicht zueinander passten.
Und die, wie sich herausgestellt hatte, sehr leicht brennbar gewesen waren …
Sie verdrängte den beklemmenden Gedanken und versuchte, sich ausschließlich auf den Raum, in dem sie sich befand, zu konzentrieren. Auch diese Möbel sahen aus, als seien sie von Generation zu Generation weitergereicht worden, wenn auch ganz anders als die in ihrem gemütlichen Elternhaus. Hier wirkte jeder Stuhl, jeder Tisch, als sei er unbezahlbar – und äußerst unbequem.
Sie stieß einen Seufzer aus und widmete ihre Aufmerksamkeit dem Porträt über dem Marmorkamin. Der Mann auf dem Gemälde, zweifellos ein längst verstorbener Ahnherr der Falconeris, blickte noch verächtlicher auf sie herab, als der Butler es getan hatte. Du gehörst nicht hierher, schien er zu sagen. Schaudernd gab Rosalie ihm innerlich recht. Das tat sie wirklich nicht. Genauso wenig wie ihr Baby.
Niemals würde sie zulassen, dass ihr Kind in einem solchen Museum aufwuchs. Sie umklammerte den Lederriemen ihrer Tasche. Vor Kurzem hatte sie herausgefunden, dass Leihmutterschaft in Italien verboten war, was Chiara und Alex Falconeri bestimmt gewusst hatten. Sicher hatten sie sich deshalb an ein Kinderwunschzentrum in Kalifornien mit seinen großzügigeren Gesetzen gewandt.
Doch bei der Vorstellung, dieses Argument zu ihrem Vorteil zu nutzen, drehte sich Rosalie der Magen um. Das konnte sie nicht. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einem anderen Menschen gedroht.
Aber wenn es hieß, dass sie ihr Baby behalten konnte …
„Wer sind Sie? Und was wollen Sie hier?“
Als Rosalie die tiefe Stimme hinter sich hörte, wirbelte sie herum.
Vor ihr stand ein hochgewachsener, athletisch gebauter Mann mit breiten Schultern. Er hatte dunkles, gepflegtes Haar, seine Augen waren fast schwarz, und sein Blick brannte auf ihrer Haut. Seine Erscheinung raubte ihr beinahe die Fassung.
„Sind Sie … Alex Falconeri?“, brachte sie krächzend hervor.
Er kniff die Augen zusammen und baute sich direkt vor ihr auf. Er war ganz in Schwarz gekleidet mit einem teuer aussehenden Hemd, maßgeschneiderter Hose und glänzenden Lederschuhen. Eine perfekte Aufmachung für diesen Palast, nicht aber für das richtige Leben – oder die heiße italienische Sonne dort draußen an diesem letzten Tag im Mai.
„Sie haben meine Fragen nicht beantwortet.“ Der Blick des Mannes war eiskalt, und Rosalie wagte nicht, sich zu rühren, während er sie musterte. „Wer sind Sie? Und was ist das für eine absurde Geschichte, die Sie meinem Butler aufgetischt haben?“
Wie viele Leihmütter hatten die beiden denn, wenn er nicht sofort wusste, wer sie war? Verwirrt blinzelte sie. „Ich bin Rosalie. Rosalie B…Brown.“
„Nun, Rosalie. Rosalie Brown“, wiederholte er spöttisch. „Soll das ein Witz sein? Sie behaupten allen Ernstes, von mir schwanger zu sein?“
Behaupten? Irritiert runzelte sie die Stirn. „Sie wissen, dass es so ist.“
„Und wie soll das gehen?“, fragte er verächtlich und verschränkte die muskulösen Arme. „Ich habe meine Frau nicht betrogen. In den ganzen drei Jahren nicht, die wir verheiratet waren. Nicht einmal, als sie …“
Er brach ab und mahlte mit dem Kiefer.
Fassungslos sah Rosalie ihn an. „Aber ich habe Ihre Unterschrift auf dem Vertrag gesehen!“
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, knurrte er.
„Ihre Frau … Mrs. Falconeri … ich meine, die Contessa oder was auch immer, hat mich im vergangenen November über ein Kinderwunschzentrum in San Francisco kontaktiert. Sie hat mir gesagt, Sie wären …“, sie zögerte, „… äh, zu beschäftigt, um Italien zu verlassen. Aber sie hat mir erzählt, Sie wären glücklich verheiratet, doch was Ihnen zum wahren Glück noch fehlen würde, wäre ein Kind.“
„Glücklich verheiratet?“ Ungläubig sah er sie an. „Das kann nicht meine Frau gewesen sein. Das hätte sie niemals gesagt.“
„Nun ja. Sie hat gesagt, dass Sie glücklich wären, sobald Sie ein Kind hätten, weil das alles sei, was Sie sich wünschten. Und sie hat gesagt, dass auch sie endlich glücklich sein könnte, hätte ich das Baby erst zur Welt gebracht.“
Der Conte sah sie mit kaltem Blick an.
Rosalie fuhr mit der Zunge über ihre Lippen. „Fragen Sie sie einfach“, schlug sie matt vor. „Sie ist diejenige, die alles arrangiert hat. Sie …“
„Ich kann sie nicht fragen“, entgegnete er bissig und kniff die dunklen Augen zusammen. „Meine Frau ist gestorben. Bei einem Autounfall vor vier Wochen.“
Rosalie schnappte nach Luft. „Das tut mir furchtbar leid.“
„Zusammen mit ihrem Liebhaber“, fuhr er fort. „Ich weiß also, dass alles, was Sie sagen, gelogen ist.“
Alexander Falconeri, Conte di Rialto, musterte die schöne schwangere Frau, die vor ihm stand.
Es war offensichtlich, dass sie log. Diese lachhafte Geschichte konnte nur erfunden sein. Nicht einmal Chiara hätte getan, was die Fremde ihm gerade geschildert hatte. Eine Leihmutter, die ohne Alex’ Wissen sein Kind austragen sollte? Niemals. Es war unmöglich.
Oder?
Unmöglich, wiederholte er im Stillen. Diese junge Frau behauptete, in irgendeinem Kinderwunschzentrum in San Francisco befruchtet worden zu sein. Wie hätte eine amerikanische Klinik an sein Sperma kommen sollen?
Es musste sich um eine Intrige handeln.
Das wiederum konnte er durchaus glauben. Chiara war clever und skrupellos gewesen. Zwei Jahre lang hatte sie um die Scheidung gebettelt. Sein Vermögen hatte sie außerdem gewollt.
Alex hatte sich geweigert. Er hatte nicht eingesehen, warum er einer Scheidung zustimmen sollte, und noch viel weniger, warum er den Ehevertrag vergessen und Chiara einfach so sein Erbe überlassen sollte. Das stand ihr nicht zu, und außerdem hatte er ein Ehegelübde abgelegt. In seinen Augen ging man eine Ehe, ob sie glücklich war oder nicht, für immer ein.
Chiara hatte es anders gesehen. Als sie ein Jahr verheiratet gewesen waren, war ihr Vater gestorben. Er hatte ihr eine ungeduldig erwartete Erbschaft hinterlassen. Danach hatte sie keinen Grund mehr gehabt, mit Alex verheiratet zu sein. Verzweifelt hatte sie sich ihre Freiheit zurückgewünscht, damit sie den drogensüchtigen und mittellosen Musiker heiraten konnte, den sie jahrelang geliebt hatte.
Ziemlich schnell aber hatte sie erkannt, dass nicht einmal ihre ansehnliche Erbschaft dazu reichen würde, den ausschweifenden Lebensstil zu finanzieren, den sie und Carraro pflegten. Ihr verheirateter Liebhaber hatte durchblicken lassen, dass nur ein wirklich spektakuläres Vermögen ihn dazu verleiten würde, seine Frau zu verlassen, und auf einmal hatte die Scheidung Chiara nicht mehr gereicht. Sie hatte verlangt, dass sie den Ehevertrag ignorierten und Alex ihr die Hälfte seines Vermögens überschrieb.
Als Alex nicht darauf eingegangen war, hatte sie ihre Affäre rachsüchtig offen ausgelebt und sich mit ihrem Liebhaber betrunken auf jeder Feier in Venedig und Rom gezeigt. Sie hatte alles getan, um Alex zum Einlenken zu bewegen.
Doch warum sollte er?
In einem letzten wütenden Versuch hatte sie damit gedroht, ihn zu erpressen, aber er hatte gewusst, dass sie nichts gegen ihn in der Hand hatte. Er hatte sie nie betrogen noch je gegen ein Gesetz verstoßen.
Ein Kind jedoch …
Sie hatte gewusst, dass er sich Kinder wünschte. Er war der letzte seiner Linie, die nach fünfhundert Jahren auf ihn und einen entfernten Cousin, Cesare, zusammengeschrumpft war. Bliebe er kinderlos, so würde der Titel Conte di Rialto mit ihm sterben.
Dass er einen Erben haben würde, war immer unwahrscheinlicher erschienen, denn bereits vor langer Zeit hatten er und Chiara aufgehört, das Bett zu teilen. Die letzten beiden Jahre hatte er damit verbracht, darauf zu warten, dass sie zu Sinnen kam und ihre Rolle als seine Ehefrau wieder annahm. Er hatte geglaubt, sie könnten immer noch als Partner zusammenleben. Es war nicht nötig, dass er sie liebte. Genau genommen war es sogar besser, wenn er es nicht tat.
Aber Chiara musste gewusst haben, dass er ihren Forderungen zustimmen würde, wenn sie ihn mit seinem leiblichen Kind konfrontierte. Er würde auf seine Ehre und sein Vermögen pfeifen und alles tun, um sein eigen Fleisch und Blut zu beschützen.
Konnte es sein, dass sie tatsächlich so vorgegangen war, wie seine Besucherin behauptete?
„Das mit Ihrer Frau tut mir sehr leid“, sagte die Fremde und riss ihn aus seinen Gedanken. Sie streckte die Hand aus und legte sie sanft auf seinen Unterarm. „Selbst wenn es in Ihrer Ehe Probleme gab …“ Sie suchte nach Worten und atmete tief durch. „… bin ich sicher, dass Sie sie sehr geliebt haben.“
Schockiert sah Alex auf ihre zierliche Hand auf seinem Arm.
Es war eine harmlose Geste, die ihm Trost spenden sollte. Doch die Wirkung war ein vollkommen andere. Ihre Berührung elektrisierte ihn, jagte heiße Wellen durch ihn hindurch, von den Fingerspitzen bis in die Zehen.
Warum nur reagierte er physisch so sehr auf diese junge Fremde?
Wahrscheinlich war es eine instinktive Reaktion, nichts weiter. Er hatte lange keinen Sex mehr gehabt. Es war Jahre her. Von Anfang an war es in seiner Ehe nicht um Leidenschaft gegangen, sondern darum, zwei alteingesessene Dynastien und deren Weinberge miteinander zu vereinen. Er hatte kaum etwas über Chiara gewusst, als dass sie schön war, einer angesehenen Familie entstammte und das benachbarte Weingut Vulpato als Mitgift in die Ehe einbrachte. Der wenige Sex, den sie miteinander gehabt hatten, war oberflächlich und mechanisch gewesen.
Und er lag fast drei Jahre zurück.
War es also eine Überraschung, dass sein Körper auf die kleinste Berührung ansprach? Auf jede Zuwendung?
Er zog seinen Arm weg, und die Frau errötete auf äußerst anziehende Weise.
Sie war fast schon zu hübsch mit ihren ausdrucksvollen dunklen Augen und dem langen Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Sie trug ein gelbes Sommerkleid, das sich an ihre üppigen schwangeren Kurven schmiegte. Ihre Beine waren schlank und sonnengebräunt, ihr Gesicht frei von Make-up. Schmuck trug sie keinen.
„Aber … ich verstehe das alles nicht.“ Sie sah auf die abgetragene Reisetasche, die sie an der Schulter trug. „Die Klinik wurde nicht über den Tod Ihrer Frau informiert, oder zumindest ich nicht. Und sie hat gesagt, Sie beide wären glücklich miteinander gewesen.“ Bebend atmete sie ein. „Es tut mir leid. Sie müssen nicht darüber sprechen. Ich kann mir Ihren Verlust nicht einmal annähernd vorstellen.“
„Nein, das können Sie nicht.“ Denn er verspürte keinen. Aber die Nähe der jungen Frau löste so einiges in ihm aus. „Und ich weiß nichts von dieser Klinik.“
„Sie haben gesagt, sie hatte einen Unfall.“
„Ja.“ Wenn man es denn einen Unfall nennen will, sich betrunken und zugedröhnt in das Auto des Liebhabers zu setzen und bei Regen eine kurvenreiche Küstenstraße entlangzufahren. „Vor vier Wochen. Haben Sie nichts davon gehört? Es war in den Nachrichten.“
Während er sprach, beobachtete er seine Besucherin. Die Klatschpresse hatte genüsslich darüber berichtet, wie der stolze Conte di Rialto, der frühere Playboy und Traum jeder Frau, in den vergangenen zwei Jahren durch das andauernde öffentliche Fremdgehen seiner Gattin gedemütigt worden war. Chiaras spektakulärer Tod in einem brennenden Auto an der französischen Riviera hatte den perfekten Abschluss für die sensationsgierigen Geschichten gebildet.
Bereits davor hatten alle – Alex’ Freunde, seine Bekannten und völlig Fremde – ihn unverblümt gefragt, warum er sich nicht einfach scheiden ließ. Einige Male hatte er versucht, seine Auffassung von Ehre und einem einmal gegebenen Versprechen zu erklären, aber nicht einmal seine Freunde hatten ihn verstanden.
Die leuchtenden Augen der Frau aber, die vor ihm stand, waren voller Teilnahme.
Er hasste ihr Mitgefühl.
Sie spielte ihm etwas vor. Anders konnte es nicht sein. Die Geschichte über die Herkunft ihres Kindes musste erfunden sein, denn niemals hätte die kalifornische Klinik ohne sein Wissen und seine Einwilligung über sein Sperma verfügen können. Vielleicht hatte Chiara in Los Angeles eine notleidende Schauspielerin aufgetrieben, die bereits schwanger war, und sie dazu überredet, die Rolle ihres Lebens zu spielen.
„Ich hoffe, sie hat Sie im Voraus bezahlt“, sagte Alex mit zusammengebissenen Zähnen. Verwirrt blinzelte sie ihn an.
„Wie bitte?“
Er setzte ein falsches Lächeln auf. „Sie hat Sie angeheuert, oder nicht? Damit Sie nach Venedig kommen und vorgeben, mein Kind in sich zu tragen.“
Sie griff nach dem Riemen ihrer Reisetasche, der ihr neben dem Spaghettiträger ihres Kleides in die nackte Haut schnitt. „Glauben Sie mir etwa nicht?“
Das Beben in ihrer Stimme, die Tränen, die in ihren Augen schimmerten – sie war wirklich gut, das gestand er ihr zu. Sie war eine so gute Schauspielerin, dass sie sicher eines Tages den Oscar verliehen bekommen würde. „Miss – wie war noch einmal Ihr Name?“
„Rosalie Brown.“
„Miss Brown.“ Alex zog eine Augenbraue hoch. „Ich biete Ihnen das Doppelte von dem, was Chiara Ihnen gezahlt hat, wenn Sie zugeben, dass alles gelogen ist.“
„Gelogen?“
„Wenn Sie zugeben, dass ich nicht der Vater Ihres Kindes bin.“ Er hielt inne und musterte sie. „Das heißt, wenn Sie überhaupt schwanger sind.“
„Ich soll nicht schwanger sein? Fühlen Sie mal hier!“
Sie nahm seine linke Hand und legte sie auf die Wölbung. Er hatte damit gerechnet, dass sie weiche Wattepolster trug, doch als er stattdessen ihren warmen, festen Bauch spürte, zog er überrascht den Arm zurück.
Wütend sah sie ihn an. „Natürlich bin ich schwanger. Warum sollte ich lügen?“
„Junge oder Mädchen?“, fragte er leicht benommen.
„Ein Junge. In zwei Monaten werde ich ihn zur Welt bringen. Sie sind der Vater.“
„Und Sie sind angereist, um Geld zu verlangen“, riet er finster. Seine Gedanken rasten. „Sie waren bereits schwanger, als Chiara Sie kennengelernt hat. Aber sie hat Ihnen viel Geld dafür versprochen, nach Venedig zu kommen und mich davon zu überzeugen, ich sei der Vater, damit sie die Scheidung durchsetzen kann.“
„Sie wollte sich scheiden lassen?“
„Als Sie aber gehört haben, dass sie tot ist, hatten Sie Angst, Sie würden leer ausgehen“, fuhr er erbarmungslos fort. „Und jetzt hoffen Sie, ich bezahle Sie dafür, dass Sie wieder verschwinden.“
„Wie bitte? Nein! Sie verstehen das alles völlig falsch!“
Alex wandte sich zum Klavier um, auf dem Dutzende Fotos von Berühmtheiten und Politikern standen, die seine Eltern vor vielen Jahren hatten aufnehmen lassen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, seinen Vater und seine Mutter auf den Bildern gemeinsam lächeln zu sehen. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie vor ihrem Tod je so erlebt zu haben. „Was wollen Sie dann, Miss Brown?“
Ihr schönes Gesicht war blass, als sie ihn ansah. Wieder ärgerte es ihn, wie sehr er sich von ihr anzogen fühlte, ihrer Figur und ihren tiefen, ausdrucksvollen Augen.
„Ich möchte, dass Sie von dem Vertrag zurücktreten“, flüsterte sie. „Deshalb bin ich hierhergekommen. Deshalb habe ich mir einen Reisepass besorgt und bin zum ersten Mal in meinem Leben über den Atlantik geflogen. Ich möchte mein Kind für mich. Es ist mein Sohn.“
Alex klappte der Mund auf, doch er fing sich schnell wieder. „Sie meinen, Sie wollen kein Geld …“
„Nein. Alles, was ich will, ist mein Kind.“ Sie griff in ihre Reisetasche, zog eine Rolle Dollarnoten hervor, die von einem Gummiband zusammengehalten wurden, und hielt sie ihm hin. „Das hier hat Ihre Frau mir für Ausgaben während der Schwangerschaft gegeben. Sie können es zurückhaben. Alles.“
Verwirrt nahm er das Geld und ließ seinen Blick darauf ruhen. Es schien ihm eine recht geringe Summe zu sein. Dann hob er den Kopf.
„Sie verlangen nichts von mir?“, fragte er, immer noch irritiert.
Rosalie Brown schüttelte den Kopf. Ein Sonnenstrahl brach durch eines der großen Fenster und tauchte den Raum in warmes Licht.
„Dann gehen Sie“, befahl Alex mit rauer Stimme. „Ich weiß nichts von Ihrem Baby. Dass ich der Vater bin, ist ausgeschlossen. Verschwinden Sie also einfach.“
Er hatte mit einer wütenden Reaktion gerechnet.
Stattdessen schlang sie dankbar und mit Tränen in den Augen die Arme um ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Danke“, flüsterte sie, wobei ihre Lippen sein Ohr streiften. „Vielen, vielen Dank.“
Alex spürte ihre vollen Brüste an seinem Oberkörper und ihren festen Bauch an seiner Lende. Er atmete den Duft ihres dunklen Haars ein, das nach Vanille und Orangenblüten roch.
Er fühlte sich wie elektrisiert. Es war, als würden nach einem langen kalten Winter die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings die Erde wärmen.
Rosalie zog sich von ihm zurück und sah ihn an. Er spürte die kalte Luft die Stellen streifen, an denen die junge Frau eben noch ihren warmen Körper geschmiegt hatte. Tränen liefen ihr über die Wangen, und schluchzend brachte sie hervor: „Sie wissen gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Ich hatte es nicht einmal zu hoffen gewagt.“ Sie griff in ihre Tasche und zog ein Dokument hervor. „Bitte unterschreiben Sie das und schicken Sie es an die Klinik in San Francisco, damit die mir keinen Ärger machen.“ Sie wischte sich die Tränen ab und versuchte zu lächeln. „Ich danke Ihnen. Sie sind ein guter Mensch.“ Dann drehte sie sich um und ging.
Verblüfft sah Alex ihr nach. Dann blickte er auf das Schriftstück in seiner Hand. Es war ein Vertrag, mit dem er nach kalifornischem Recht auf alle Ansprüche auf das Kind verzichtete.
Warum sollte Rosalie den ganzen Weg nach Venedig auf sich nehmen und behaupten, die Mutter seines Kindes zu sein, ohne sein Geld zu wollen?
Er schaute auf das Bündel Dollarscheine. Tatsache war, dass sie ihm Geld gegeben hatte. Nichts davon ergab irgendeinen Sinn.
Es sei denn, sie hat die Wahrheit gesagt.