Tiffany Exklusiv Band 97

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CHARMANT – UND SO VERFÜHRERISCH von TANYA MICHAELS
Josh hat ein Wochenende Zeit, die süße Piper von einer gemeinsamen Zukunft zu überzeugen. Er will sie zur Liebe verführen und zeigen, dass es ihm ernst ist. Denn Piper glaubt, sie wären nur beste Freunde …

HEMMUNGSLOS UND OHNE REGELN von ALI OLSON
Ein heißes Wochenende in Las Vegas soll es werden – danach will Jessica zurück in ihr braves Leben. Teil eins klappt: Der sexy Texaner Aaron erfüllt ihr jeden Wunsch! Aber der Abschied fällt unsagbar schwer …

EIN WOCHENENDE MIT MITCH von KATHERINE GARBERA
Sophia will ein Wochenende ohne Tabus mit ihrem Ex-Freund Mitch genießen. Danach plant sie, ihn für immer aus ihrem Leben zu verbannen. Doch die heißen Liebesstunden mit diesem fantasievollen Traumlover sind unvergesslich ...


  • Erscheinungstag 29.03.2022
  • Bandnummer 97
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507639
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tanya Michaels, Ali Olson, Katherine Garbera

TIFFANY EXKLUSIV BAND 97

1. KAPITEL

Piper Jamieson sank tiefer in die Sofakissen. Auch das noch! Keine Verwechslung der Nummer, kein drängelnder Verkäufer. Auch einen obszönen Anruf hätte sie noch in Kauf genommen. Aber nein, es war ihre Mutter. Piper liebte ihre Mutter, aber nicht den Umstand, dass alle Gespräche immer in dasselbe Thema mündeten: Pipers Liebesleben.

Sie seufzte leise und legte die Füße auf den ovalen Couchtisch, zog sie aber schnell wieder zurück, als könne ihre Mutter sie beobachten. „Oh, hallo, Mom, wie geht es dir?“

„Das ist momentan ganz egal. Ich bin mehr daran interessiert, wie es dir geht. Du wirst doch nicht in letzter Minute noch krank werden?“

„Warum sollte ich?“ Piper hatte sich zwar in den letzten Jahren regelmäßig vor allen Familientreffen gedrückt, aber sie hatte nie vorgegeben, krank zu sein, sondern immer berufliche Gründe vorgeschoben. Dieses Jahr allerdings hatte sie ihrer Großmutter versprochen zu kommen. „Ich komme ganz bestimmt, und ich freue mich darauf, euch alle wiederzusehen.“ Die meisten wenigstens.

„Wir freuen uns auch, mein Liebes. Vor allem Nana. Als ich sie letzte Woche im Krankenhaus besuchte …“

„Im Krankenhaus?“ Piper setzte sich kerzengerade auf. Sie hing sehr an ihrer Großmutter, obgleich Nana die altmodische Einstellung hatte, dass Frauen heiraten sollten. „Daphne hatte mir gesagt, dass es Nana nicht so gut ging, aber vom Krankenhaus war nicht die Rede.“

Die Antwort ihrer Mutter war nicht sehr tröstlich. „Ja, es sieht nicht so gut aus. Aber du weißt ja, wie du deiner Großmutter helfen kannst: indem du ihr deinen zukünftigen Mann vorstellst.“

Jetzt kommt das wieder! stöhnte Piper innerlich.

„Du bist immer sehr selbstständig gewesen“, fuhr ihre Mutter fort. „Aber man kann es auch übertreiben. Ehe du weißt, wie dir geschieht, bist du fünfzig und hast niemanden, der zu dir gehört.“

Diese Diskussionen hatten sie immer wieder geführt, und Piper wusste, es hatte keinen Sinn, ihre Mutter zu unterbrechen. So streckte sie sich auf der Couch aus und ließ den üblichen Wortschwall über sich ergehen.

Piper hatte ihre kleine Heimatstadt Rebecca in Texas relativ früh verlassen und war nach Houston gezogen, wo sie ein ausgefülltes und zufriedenes Leben führte. Dennoch war ihre Familie nicht davon abzubringen, dass eine Frau nur glücklich sein konnte, wenn sie verheiratet war. Piper war einmal verlobt gewesen, und immer dankte sie dem Himmel dafür, dass sie die Verlobung rechtzeitig gelöst hatte. Wie hatte sie nur auf die Idee kommen können, ihr Leben mit einem Mann zu verbringen, der sie nicht so akzeptieren konnte, wie sie war? Als ihre Schwester Daphne heiratete, hatte Piper gehofft, der Druck auf sie würde nachlassen, aber das Gegenteil war der Fall. Mrs. Jamieson empfand es als Blamage, dass ihre jüngste Tochter verheiratet war und bald Mutter sein würde, während die älteste immer noch keinen Mann hatte.

Während ihre Mutter sich weiterhin über das traurige Dasein einer unverheirateten Frau ausließ, blickte Piper auf ihren Ficus in der Zimmerecke. Der Arme braucht unbedingt mal ein bisschen Wasser.

„Hörst du mir überhaupt zu, Piper?“

„Meistens ja.“

„Ich habe dich gefragt, ob du immer noch Schwierigkeiten mit einem deiner Chefs hast.“

„Manchmal.“

„Eben.“ Mrs. Jamieson machte eine bedeutungsvolle Pause. „Dir ist doch klar, dass du das nicht ertragen müsstest, wenn du einen netten Mann und Kinder hättest und zu Hause bleiben könntest.“

Pipers Puls beschleunigte sich. Sie hatte während des Studiums hart gearbeitet, um einen guten Abschluss zu erzielen, hatte dann einen Job als Zeichnerin in einem bekannten Architekturbüro bekommen, in dem fast nur Männer beschäftigt waren, und leistete da jetzt gute Arbeit. Warum konnte ihre Familie darauf nicht stolz sein?

„Ich gebe zu, manchmal ist die Arbeit schon ganz schön stressig. Aber du willst doch nicht behaupten, dass Ehe und Mutterschaft das reinste Honigschlecken sind?“

Ein guter Einwand, und Mrs. Jamieson fiel auch nicht gleich eine Erwiderung ein. Sie seufzte leise. „Aber, Kind du wirst doch nicht jünger, und Frauen können nicht ewig…“

Aha, jetzt kam wieder die Sache mit der biologischen Uhr, die unaufhaltsam tickte. „Ich hätte gern noch länger mit dir gesprochen“, unterbrach Piper die Mutter schnell, „aber ich muss jetzt los. Ich habe eine Verabredung zum Essen.“

„So? Mit wem denn? Etwa einem Mann?“

Piper hasste es, die Mutter zu belügen, aber sie konnte die ewige Nörgelei nicht mehr aushalten. „Genau.“

„Warum hast du das nicht gleich gesagt? Da lässt du mich die ganze Zeit reden und erzählst mir nicht, dass du einen Freund hast. Wie sieht er denn aus, dein junger Mann?“

Da hatte sie sich etwas Schönes eingebrockt. Sie wollte doch nur weiteren Ermahnungen entgehen, nicht aber gleich eine romantische Beziehung erfinden müssen. So platzte sie mit dem heraus, was ihr als Erstes in den Sinn kam. „Groß, dunkelhaarig und attraktiv.“ Sehr originell! „Grüne Augen“, ergänzte sie hastig.

Pipers Mutter war entzückt. „Du bringst ihn doch sicher zu unserem Familientreffen mit?“

„Also eigentlich nicht …“

„Wir müssen ihn unbedingt kennen lernen! Ich hatte zwar gehofft, dass du an diesem verlängerten Wochenende vielleicht Gelegenheit finden würdest, dich mit Charlie zu versöhnen, aber ich wusste ja nicht, dass du einen Freund hast.“

Sie sollte sich mit Charlie versöhnen? Wie kam ihre Mutter denn nur auf diese Idee? „Aber, Mom, ich habe keine Lust, Charlie wiederzusehen.“ Als ihre Mutter schwieg, fügte sie schnell hinzu: „Du hast ihn bereits zum Essen eingeladen, was?“

„Piper, er gehört doch quasi zur Familie. Außerdem ist er ein guter Mann und der begehrteste Junggeselle hier in der Gegend.“

Damit hatte sie wahrscheinlich recht. Charlie Conway sah gut aus und war intelligent und witzig. Piper kannte ihn schon seit ihrer Kindheit, war mit ihm zusammen zur Schule und später auch aufs College gegangen. Er hatte behauptet, sie zu lieben, weil sie so erfrischend anders sei als die übrigen Mädchen, die er kannte, und hatte ihr schließlich einen Heiratsantrag gemacht. Aber nachdem er nach Rebecca zurückgekehrt war, um für das Amt des Bürgermeister zu kandidieren, wie es bei den Conways Tradition war, hatte sie sehr schnell gemerkt, dass die Verlobung ein Irrtum war. Als ihr klar wurde, dass seine Vorstellungen von einer Ehefrau sich immer mehr dem traditionellen Bild annäherten, hatte sie ihm den Ring zurückgeschickt.

„Mom, mir ist es vollkommen egal, ob die Frauen hinter Charlie her sind. Wir passen nicht zusammen.“ Sie hatte ihren Standpunkt schon früher zu erklären versucht, aber da sich ihre Vorbehalte gegen einen Lebensstil richteten, den ihre Familie als den einzig richtigen ansah, hatte sie immer auf Granit gebissen. Piper wusste, dass ihre Familie Charlie gern hatte, sie hatte ihn ja auch eine Zeitlang sehr gemocht. Aber ihr gefiel die Person nicht, in die sie sich verwandelte, wenn sie länger mit Charlie zusammen war. „Du musst mir versprechen, während des Wochenendes keine Verkupplungsversuche zu unternehmen.“

„Nein, natürlich nicht, mein Liebes, jetzt, wo du einen neuen Freund hast. Wir hoffen sehr, dass du ihn mitbringst.“

„Hm. Ich weiß nicht, ob er Zeit hat.“ Piper hasste es, unehrlich zu sein. Aber die Vorstellung, das ganze Wochenende erklären zu müssen, warum der begehrteste Junggeselle der Stadt nicht gut genug für sie war, war noch unangenehmer.

„Ich bin ja schon so gespannt“, sagte ihre Mutter. „Ich muss sofort allen Bescheid sagen. Und wenn du heute Abend ausgehst, mein Kind, dann solltest du doch zur Abwechslung mal ein Kleid …“

Es klingelte.

Piper fuhr hoch. „Wer kann denn …“ Doch dann fiel ihr ein, dass sie ja angeblich zum Essen verabredet war. „Oh, es hat geklingelt. Ich muss jetzt los. Bis zum Wochenende dann. Grüß Dad.“ Sie legte den Hörer auf, gerade als die Türklingel wieder läutete.

„Piper“, rief eine vertraute männliche Stimme, „bist du zu Hause?“

Es war Josh. Nach einem anstrengenden Tag wie heute tat es gut, mit einem Freund sprechen zu können.

Sie öffnete die Tür. „Hallo!“ Joshua Weber war ein Kollege, mit dem sie sich angefreundet hatte, nachdem er vor zwei Jahren in das Apartmentgebäude gezogen war, in dem auch sie wohnte. „Wollten wir heute irgendetwas unternehmen? Entschuldige, falls ich es vergessen habe, aber heute war ein furchtbarer Tag und …“

„Nein, beruhige dich.“ Er lächelte, und Piper konnte sich vorstellen, dass er mit diesem Lächeln schon so manche Frau herumgekriegt hatte. Für sie war er allerdings nichts weiter als ein guter verlässlicher Freund. „Wir waren nicht verabredet. Ich wollte dich nur fragen, ob du nicht Lust hast, irgendwo mit mir einen Happen zu essen.“

„Was, du hast heute nichts vor?“

Normalerweise war Josh von Frauen umschwärmt. In dem Wohnkomplex war er sicher der am besten aussehende Mann mit seiner großen muskulösen Figur, den goldgrünen Augen und dem dichten dunkelbraunen Haar. Wahrscheinlich sogar in dem ganzen Viertel.

„Das ewige Ausgehen schlaucht.“ Er lehnte sich gegen den Türrahmen. „Ein Mann muss manchmal einfach seine Ruhe haben.“

„Warum machst du es dir dann nicht in deiner Wohnung gemütlich?“ Genau das hatte Piper vorgehabt. Allerdings hatte sie nichts zum Essen da. Die letzten Tage hatte sie immer bis spätabends gearbeitet und war nicht zum Einkaufen gekommen.

„Ich bin lieber mit dir zusammen“, entgegnete Josh. „Dann bin ich nicht allein, aber ich muss nicht so anstrengen. Außerdem habe ich gerade eben mein Essen anbrennen lassen.“

Piper lachte. „Okay, ich komme. Ich muss mir nur noch Schuhe anziehen und meine Tasche holen.“ Sie strich sich kurz über den Hinterkopf. Gut, ihr französischer Zopf saß perfekt. Sie hatte noch ihren blauen Hosenanzug an, während Josh sich nach der Arbeit bereits umgezogen hatte. Obgleich ihm auch ein Anzug sehr gut stand, fand sie ihn in Jeans und T-Shirt besonders attraktiv. Irgendwie war es ungerecht. Piper sah in alten Jeans schlampig aus, während Josh anziehen konnte, was er wollte, und immer sexy wirkte.

Wie kam sie bloß auf diese Idee? Gedanken in der Richtung konnten ihre gute Freundschaft nur zerstören. Kopfschüttelnd schlüpfte sie in ihren blauen Ballerinas. Normalerweise trug sie Schuhe mit hohen Absätzen, denn sie war nur knapp einssechzig groß. Aber heute Abend war es ihr egal. Josh mit seinen gut einsachtzig konnte sie sowieso nicht erreichen.

Was für ein Glück, dass sie beide nur platonisch befreundet waren! Seit sie sich kannten, hatte er schon viele Frauen gehabt. Die Affären hatten nie lange gedauert, und sie wusste, dass er an einer langfristigen Beziehung nicht interessiert war.

Und eine kurzfristige Beziehung kam für Piper nicht infrage. Vielleicht standen andere Frauen auf diesen heißen Sexgeschichten, aber für sie, Piper, war das nichts. Ein einziges Mal hatte sie sich auf so etwas eingelassen, aber das war eher peinlich als angenehm gewesen.

Sie griff nach der Handtasche und ging zur Tür. „Fertig.“

Sie gingen zur Parkgarage. Josh zog die Autoschlüssel aus der Hosentasche und schloss die Fahrertür seines zweisitzigen Sportwagens auf.

„Das ist mir recht“, meinte Piper lächelnd. „Ich habe heute schon wieder einen Strafzettel bekommen.“

„Bist du wieder zu schnell gefahren? Wie schaffst du das nur bei den verstopften Straßen?“

Sie zuckte mit den Schultern und stieg ein. „Josh, sei nachsichtig mit mir. Ich hatte heute einen scheußlichen Tag.“

„Ach ja, das hast du bereits erwähnt.“ Er startete den Motor und sah sie dabei lächelnd von der Seite her an. „Du weißt, es gibt Möglichkeiten, dich schnell abzulenken. Du brauchst es nur zu sagen.“

Piper stockte kurz der Atem. Sie war es gewohnt, dass Josh mit ihr flirtete, das war seine normale Art und Weise, mit Frauen umzugehen. Aber nach dem, was ihr vorhin kurz durch den Kopf gegangen war, musste sie sich schnell klar machen, dass er es nicht ernst meinte.

„Was ist denn passiert?“, hakte er mitfühlend nach.

Sie seufzte. „Ein Kollege hat mich genervt. Wenn Smith mir nicht endlich die Maße des Fuqua-Gebäudes gibt, kann ich meinen Entwurf nicht rechtzeitig fertig stellen. Dann noch der Strafzettel auf dem Nachhauseweg. Und zu allem Überfluss hat meine Mutter angerufen. Das hat mir gerade noch …“ Gefehlt, wollte sie sagen, aber dann verschluckte sie das letzte Wort. Das wäre taktlos gewesen Josh gegenüber. Denn sie hatte immerhin noch eine Mutter, während seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, als er noch sehr klein war. Er sprach selten über seine Kindheit und Jugend, aber Piper wusste, dass er in allen möglichen Heimen und bei den verschiedenen Pflegefamilien gelebt hatte.

„Wollen wir zu ‚Grazzio‘ gehen?“, fragte Josh mehr der Form halber, denn er fuhr bereits auf den Parkplatz der beliebten Pizzeria.

Mindestens ein Mal in der Woche aßen sie hier. Wenn das Wetter schön war, gingen sie zu Fuß, denn ‚Grazzio war nur ein paar Straßen von ihrem Wohnblock entfernt.

Die langbeinige Kellnerin begrüßte sie mit Namen und hatte für Josh ein besonders warmes Lächeln übrig. „Hallo, Schöner, wann gehen wir denn mal wieder aus?“

Josh zwinkerte ihr zu. Vor ein paar Monaten hatte er sich ein paar Mal mit ihr verabredet. „Nichts lieber als das, Nancy!“ Er grinste. „Aber ich weiß, dass George verrückt nach dir ist, und ich kann ihm unmöglich das Herz brechen.“

Nancy schüttelte lachend den Kopf. „Verstanden. Aber wenn du deine Meinung änderst und nicht den Edelmütigen spielen willst, kannst du mich gern anrufen. Du hast ja meine Nummer.“

Du solltest Josh lieber aufgeben und dich an George, den Barkeeper des „Touchdown“ halten, dachte Piper. Wo auch immer sie in Houston hinkamen, überall stießen sie auf Frauen, die sich danach sehnten, dass Josh den Kontakt wieder aufnahm. Viele dieser Frauen hatten Piper eifersüchtig gemustert, denn sie wussten nicht wie Nancy, dass Piper und Josh ein rein freundschaftliches Verhältnis hatten.

Sie wurden zu einem Ecktisch geführt, und Piper setzte sich Josh gegenüber. Ein Kellner mit einem schwarzen Schnauzer nahm ihre Getränkebestellung auf und brachte ihnen einen Korb mit duftendem warmem Brot. Sofort musste Piper an die Küche ihrer Mutter denken, in der ständig etwas gebacken oder gebrutzelt wurde. Und an das kommende Wochenende. Wie konnte sie nur erklären, warum ihr sogenannter Freund nun doch nicht mitgekommen war? Andererseits war es ein durchaus attraktiver Gedanke, Charlie ein für alle Mal loszuwerden, indem sie tatsächlich mit einem anderen Mann aufkreuzte.

Zu ihrem letzten Geburtstag hatte er ihr teueren Schmuck geschickt. Sie hatte den Schmuck zurückgeschickt, aber ein paar Wochen später hatte er sie angerufen und gemeint, er käme nach Houston. Sie hatte ihm wahrheitsgemäß gesagt, dass sie ihn leider nicht treffen könne, weil sie eine Arbeit termingemäß beenden müsse.

Josh nahm sich ein Stück Brot. „Ich bin am Verhungern.“

Piper war so sehr in Gedanken versunken, dass sie ihm kaum zuhörte. Ihr musste unbedingt etwas einfallen, bevor sie ihrer Familie gegenübertrat. Und im Grunde gab es nur eine Lösung. „Josh, ich brauche einen Mann.“

2. KAPITEL

Josh verschluckte sich fast. Es passierte nicht oft, dass Piper ihn verblüffte. Normalerweise machte er sich ein Vergnügen daraus, sie zu schockieren.

Aber er nahm sich schnell zusammen und grinste sie vielsagend an. „Warum hast du das nicht gleich gesagt? Wir lassen die Pizza Pizza sein und …“

Sie schüttelte lachend den Kopf. „Nein! Darum geht es doch gar nicht!“

Da ihr klar war, dass sie arbeitsmäßig nur in Schwierigkeiten geraten würde, wenn sie sich mit Männern einließ, und bei ihr die Karriere momentan an erster Stelle stand, führte sie ein geradezu keusches Leben. Josh wusste das und hatte deshalb keine Hemmungen, mit ihr zu flirten. Er würde mit ihr nie etwas anfangen, so viel stand fest. Sie kannte ihn gut genug und hatte längst begriffen, dass er die Frauen normalerweise nicht an sich heranließ. Sie stellte eine Ausnahme dar, weil sie eben sein guter Kumpel war.

Piper schätzte Josh sehr, aber sein Liebesleben schien ihr doch reichlich seicht zu sein. Da sich die früheren Freundinnen jedoch selten beschwerten, ging sie die Sache weiter nichts an. Die Frauen wussten offenbar, was sie taten, und nahmen es Josh nicht übel, wenn die Verbindung zerbrach. Im Gegenteil, die meisten schwärmten nach wie vor für ihn. Er schien ein sehr potenter Liebhaber zu sein, den man nicht so schnell vergaß.

Sie trank schnell einen Schluck von ihrem Eiswasser. „Ich habe dir doch erzählt, dass ich ein paar Tage wegfahre, oder?“

„Ja. Zu einem Familientreffen.“

Sie nickte. „Gut. Ich brauche einen Mann, der mich begleitet.“ Sie spielte nervös mit ihrer Serviette. „Ich habe meine Mutter irgendwie in dem Glauben gelassen, ich hätte jemanden, und nun will sie, dass ich ihn am Wochenende mitbringe.“

Josh sah sie stirnrunzelnd an. „Aber du bist doch mit niemandem zusammen.“

„Richtig, Inspektor Colombo. Dir entgeht offenbar nichts.“

„Sei nicht so sarkastisch.“

Der Kellner brachte ihnen die Getränke und erkundigte sich nach ihren weiteren Wünschen.

Piper und Josh sahen sich verlegen an. Sie hatten sich noch nicht einmal die Speisekarte angesehen.

„Wir können uns doch eine Pizza teilen“, schlug Josh vor. „Jeder bestellt eine Hälfte mit seinem Lieblingsbelag.“

„Kommt gar nicht infrage, Weber. Das letzte Mal hast du Pizza mit Huhn Jamaika probiert, mochtest sie nicht und hast meine Hälfte aufgegessen. Vielleicht nehme ich auch Pasta.“

„Pasta? Aber, Piper, dies ist die beste Pizzeria von ganz Houston, und du willst keine Pizza? Das ist genauso absurd wie … wie dein Liebesleben.“

Piper wollte ihm eine bissige Antwort geben, aber ein Blick auf den Kellner ließ sie verstummen.

„Soll ich vielleicht in ein paar Minuten wiederkommen?“, fragte der Mann, sichtlich bemüht, seine Ungeduld zu verbergen.

„Nein, nein“, sagte Josh schnell. „Du magst doch die Pizza Siziliana besonders gern, oder?“

Als Piper nickte, bestellte er für sie beide zusammen eine große Pizza Siziliana.

Der Kellner schlurfte erleichtert davon.

Josh lehnte sich zurück und sah Piper fragend an. „Ich verstehe dich nicht. Warum hast du deine Mutter angelogen? Du lügst doch sonst nie. Ich würde sogar sagen, du kannst geradezu vernichtend ehrlich sein, wenn ich an die Männer denke, die sich um dich bemüht haben.“

Sie sah ihn nicht an, sondern starrte auf die rot-weiß gewürfelte Tischdecke. „Ich musste Mom unbedingt irgendwie bremsen. Sie fing wieder damit an, dass ich die Schande der Familie sei, weil ich nicht verheiratet bin. Da habe ich ihr vorgeschwindelt, ich müsse das Gespräch beenden, weil ich zum Essen eingeladen sei.“

„Und daraufhin hat sie gleich bestimmte Rückschlüsse gezogen, und nun hat sie schon den Pfarrer bestellt und lässt sich Angebote von Catering-Firmen für den Hochzeitsempfang schicken?“

„Für jemanden, der meine Mutter nicht persönlich kennt, hast du ein sehr klares Bild von ihr.“

„Du hast sie mir ja auch sehr lebhaft geschildert.“

„Aber begreifst du nicht, in welcher Zwickmühle ich jetzt stecke?“

„Findest du? Das ist noch nichts gegen meine Situation damals mit Michelle. Sie war ernsthaft beleidigt, als ich ihrer Katze nichts zum Geburtstag schenkte.“

„Vielleicht solltest du dir einfach ein bisschen Zeit lassen, um die Frauen besser kennen zu lernen, mit denen du ins Bett gehst. Da würde dir sicher manche Eigenheit schon vorher auffallen.“ Das hatte nicht so spitz klingen sollen, wie es sich anhörte. Aber irgendwie ärgerte sich Piper, dass ein wertvoller Mensch wie Josh seine Zeit mit all diesen oberflächlichen Beziehungen vergeudete.

„Das musst du gerade sagen. Du hast doch kaum ausreichende Erfahrungen, um mir in diesem Punkt gute Ratschläge zu geben. Seit Ewigkeiten bist du nicht mehr mit einem Mann ausgegangen.“

Darauf konnte sie nichts erwidern.

„Außerdem verstehe ich nicht, wo dein Problem liegt“, fing er wieder an. „Lass deine Mutter doch glauben, was sie will. Sag ihr, dein Freund hätte keine Zeit. Oder ihr hättet euch getrennt. Das ist doch ganz einfach.“

Von wegen. „Das würde ich ja tun, aber hier geht es um meine Großmutter. Mom erzählte, es würde Nana gut tun, wenn ich mit einem netten Mann käme.“

Sofort wurde er ernst. „Wie geht es deiner Großmutter?“

„Nicht besonders.“

Josh legte ihr kurz die Hand auf den Arm. Dann griff er wieder nach dem Brot, als sei die Berührung nur Zufall gewesen.

Das war typisch Josh. Da ging er ständig mit anderen Frauen aus, küsste sie und stellte wer weiß was mit ihnen an, aber einfache zärtliche Berührungen machten ihn verlegen. Piper war in einer sehr herzlichen Familie aufgewachsen, in der man seine Zuneigung offen zeigte, doch sie respektierte Joshs Zurückhaltung.

„Also“, sagte Josh und räusperte sich, „dann willst du tatsächlich irgendeinen Mann zu dem Familientreffen mitbringen?“

„Wenn ich jemanden finde“, sagte sie, gerade als der Kellner kam und ihnen die Pizza servierte.

Sie aßen schweigend und dachten über Pipers Situation nach.

Im Grunde lag es auf der Hand, Josh zu fragen, ob er sie nicht begleiten wolle. Er hatte ihr auch früher schon den einen oder anderen Gefallen getan, ob es sich nun um ihr Auto handelte, das nicht anspringen wollte, oder um ein paar riesige Spinnen in ihrem Apartment, die er noch mitten in der Nacht auf ihren verzweifelten Anruf hin tötete. Aber dies hier war irgendwie anders. Obgleich Josh auf den ersten Blick offen und unkompliziert wirkte, war er im Grunde ein sehr verschlossener Mensch, an den man schwer herankam. Viele seiner Beziehungen waren in die Brüche gegangen, weil die Frauen ihn unter Druck gesetzt hatten, endlich etwas von sich preiszugeben. Wenn Piper sich vorstellte, dass sich ihre Familie auf ihn stürzte und ihn ins Kreuzverhör nahm, wurde ihr ganz elend. Das musste die Hölle für ihn sein. Außerdem, war es nicht taktlos, einen Mann zu einem Familientreffen einzuladen, der nie eine richtige Familie gehabt hatte?

Josh schied also aus. Aber wen sollte sie dann bitten? „Die meisten Männer, die ich kenne, sind Kollegen von mir. Und die kann ich auf keinen Fall fragen.“

Josh nickte. „Nein. Sie könnten deine Einladung missverstehen, und so etwas stellt sich die Firma sicher nicht unter einem guten Betriebsklima vor.“

„Kennst du nicht irgendwelche passablen Typen?“

Er runzelte die Stirn. „Ich bin zwar noch mit ein paar Leuten von der Uni in Kontakt, aber ich glaube kaum, dass die etwas für dich sind.“

„Und was ist mit dem Mann, mit dem du im Frühjahr immer die Kids im Softball trainierst? Ich glaube, er heißt Adam.“

Josh und Adam trainierten Kinder aus den ärmeren Stadtvierteln und zwar von März bis Juni. Adam war ein netter, gut aussehender Mann, aber Josh und sie hatten sich geschworen, nie mit den Freunden des anderen etwas anzufangen. Zu deutlich war ihnen noch die unangenehme Situation in Erinnerung, als Josh sich mit einer von Pipers Collegefreundinnen eingelassen hatte. Die Sache ging natürlich schief, die junge Frau litt fürchterlich, und Piper hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie sie überhaupt mit Josh zusammengebracht hatte.

Andererseits, was würde sie empfinden, wenn er sich wirklich ernsthaft verliebte? Bei dem Gedanken krampfte ihr Magen sich zusammen, aber daran war sicher nur ihre Angst vor dem Familientreffen schuld.

„Adam wäre im Grunde eine gute Wahl“, meinte Josh jetzt. „Leider ist er auf einer ausgedehnten Geschäftsreise in Vancouver und kommt vor Ende Oktober nicht wieder. Außerdem, was sollte ich zu ihm sagen? Du erinnerst dich doch an Piper, meine gute Freundin? Sie braucht dringend einen Mann, der ihren neuen Lover mimt?“

„Ich muss unbedingt jemanden finden.“ Sie lehnte sich zurück und starrte an die Decke.

Was würde passieren, wenn sie ihrer Familie einfach die Wahrheit sagte, nämlich dass sie allein lebte und damit völlig zufrieden war? Die Antwort lautete: Dann würde Charlie sich wieder auf sie stürzen. Der Mann war blond, sah gut aus, war Bürgermeister und erreichte normalerweise das, was er wollte. Als sie die Verlobung löste, schien er mehr amüsiert als verärgert zu sein, so, als sei er sicher, dass sie ganz von selbst irgendwann zur Vernunft kommen würde.

Ohne dass es ihr bewusst war, fixierte sie Josh, bis er nervös wurde.

„Warum siehst du mich so an?“

Piper riss sich zusammen. „Entschuldige, das war keine Absicht. Keine Angst, ich erwarte nicht, dass du mit mir kommst. Ich musste nur mit jemandem darüber reden.“

Er lächelte erleichtert. „Wie wäre es denn mit jemandem aus dem Fitness-Center? Machst du da nicht jeden Morgen deinen Workout? Da musst du doch eine Menge Männer kennen.“

„Nein, ich bin meist mit Gina zusammen, sofern ich nicht allein trainiere.“

„Ich habe allmählich den Eindruck, dass du Männern geradezu aus dem Weg gehst. Warum?“

„Nun fang du nicht auch noch an.“

„Entschuldige, ich wollte dich nicht verärgern. Ich weiß, dass du keinen Mann brauchst. Du bist mit deinem Leben und dir zufrieden und bist die ausgeglichenste Frau, die ich kenne. Und ich kenne eine ganze Menge Frauen“, setzte Josh lächelnd hinzu.

Sie verdrehte die Augen und schwieg.

„Aber was hast du eigentlich deiner Mutter von diesem mysteriösen Mann erzählt? Wie sieht er aus?“

„Ich habe ihr gesagt, er habe dunkles Haar …“

„Gut. Das haben viele.“

„Außerdem sei er groß.“

Er lachte. „Was im Vergleich zu dir auf nahezu jeden zutrifft.“

„Und er hat grüne Augen.“ In dem Augenblick wurde ihr klar, dass Josh grüne Augen hatte. Dunkelgrüne Augen mit kleinen goldenen Sprenkeln auf der Iris. Sie wurde rot und merkte, dass sie rot wurde, und fügte hastig hinzu: „Auf die Idee bin ich wahrscheinlich gekommen, weil meine eigenen Augen grün sind.“

„Unsinn, du hast blaue Augen.“

„Blaugrün.“ Sie senkte den Kopf. „Mehr grün.“

Vielleicht hatte sie wirklich einen Mann beschrieben, der eine leichte Ähnlichkeit mit Josh hatte. Aber das war ja auch kein Wunder, denn mit ihm verbrachte sie die meiste Zeit.

Das hatte überhaupt nichts zu sagen. Und dennoch schlug ihr Herz plötzlich wie verrückt. Das hatte ihr noch gefehlt. Schließlich hatte sie zwei Jahre lang beobachten können, was mit den Frauen passierte, die sich in Josh verliebten.

Josh ging in Gedanken versunken durch das Großraumbüro von „Callahan, Kagle & Munroe“ und überhörte die Grüße der Kollegen. Da er sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren konnte, wollte er sich eine Cola aus dem Automaten im Pausenraum holen. Von den großen Fenstern aus hatte man einen weiten Blick auf die Skyline von Houston, aber auch der konnte ihn heute nicht aufmuntern. Er nahm nur den Smog wahr, der über der Stadt hing, und wusste nicht, weshalb er so schlecht gelaunt war. Sicher, es nieselte seit etwa drei Tagen, aber vom Wetter ließ er sich normalerweise nicht beeinflussen. Also konnte es nur Pipers Dilemma sein, das ihm zu schaffen machte.

Aber das war ihre Sache. Sie hatte ja klar gemacht, dass sie ihn nicht bitten würde, mit zu dem Familientreffen zu kommen, und das war gut so. Josh war seit zwanzig Jahren auf sich gestellt, und die Vorstellung, Pipers sämtlichen Tanten und Onkeln ausgeliefert zu sein, von den Eltern ganz abgesehen, war ziemlich grauenerregend.

Piper würde schon etwas einfallen. Sie war eine entscheidungsfreudige Frau und hatte immer gute Ideen. Leider sah sie auch noch toll aus. Ihre Intelligenz und ihr Humor waren sehr anziehend, und dazu kam noch ihre hinreißende Figur, die sie entweder unter korrekter Berufskleidung oder am Wochenende unter bequemen weiten Sachen verbarg …

Eine hinreißende Figur? Das konnte ihm doch egal sein.

Seltsamerweise ertappte er sich in letzter Zeit immer wieder bei dem Gedanken an ihren Körper. Zu Beginn ihrer Freundschaft hatte er nie daran gedacht. Zu deutlich hatte sie betont, dass sie von Männern nichts wissen wolle. Außerdem hatte er selbst ein sehr bewegtes Liebesleben und war froh über ihre platonische Freundschaft. Und jetzt? Was hatte sich verändert? Piper war an Männern immer noch nicht interessiert, und er hatte viele … aber halt! Wenn er ehrlich war, hatte er jetzt sehr viel weniger Frauengeschichten als früher.

Irgendwann war ihm selbst aufgefallen, dass seine Beziehungen von extrem kurzer Dauer waren, fast so, als wollte er einen Rekord in Verabredungen aufstellen, was natürlich nicht zutraf. Als Kind und Jugendlicher war er herumgestoßen worden und hatte sich bemüht, seine Gefühle nicht zu zeigen. Er wollte emotional niemanden an sich herankommen lassen, um nicht wieder verletzt zu werden.

Aber in Bezug auf Beziehungen zu Frauen klappte das nicht. Viele Frauen fühlten hatten sich zu ihm hingezogen, aber sowie sie feststellten, dass er sich vor ihnen verschloss, lösten sie die Verbindung wieder. Das hatte ihm zwar hin und wieder wehgetan, aber im Großen und Ganzen war er mit seinem Leben zufrieden. Er machte den Frauen nichts vor und hatte meistens seinen Spaß.

Diese Art von Spaß hatte allerdings nichts mit Piper zu tun. Die Freundschaft mit ihr war etwas ganz Besonderes für ihn. Sie erzählten sich von ihrer Arbeit, sahen sich zusammen Actionfilme an, interessierten sich beide für Baseball und favorisierten dieselbe Mannschaft. Nein, diese Freundschaft war ihm viel zu kostbar, als dass er sie dadurch aufs Spiel setzen würde, dass er mit Piper ins Bett ging.

Er betrat den Pausenraum und suchte nach Kleingeld für den Getränkeautomaten, blieb aber wie angewurzelt stehen, als er sah, dass er nicht allein war. Piper stand vor der Spüle und suchte etwas in dem Unterschränkchen. Die knappe Kostümjacke war hochgerutscht; unter der schmal geschnittenen Hose zeichnete sich deutlich ihr wohlgeformter Po ab.

Er wusste nicht, ob er unwissentlich ein Geräusch gemacht hatte, oder ob sie plötzlich irgendwie spürte, dass sie nicht mehr allein war. Auf alle Fälle richtete sie sich auf und drehte sich um.

„Oh, Josh, ich habe dich gar nicht bemerkt. Du weißt auch nicht zufällig, wo die Kaffeefilter sind? Ich dachte immer, hier unten sei noch eine Packung.“

„Kaffeefilter? Keine Ahnung.“ Ihm fiel plötzlich überhaupt nichts mehr ein, außer dass er Piper dringend davon abhalten musste, sich noch einmal vorzubeugen. „Übrigens, hast du schon eine Idee, wie du dein Problem lösen kannst?“

„Du meinst, mit dem kommenden Wochenende? Vielleicht. Ich werde heute Abend ein paar Leute anrufen, mit denen ich mal ausgegangen bin. Mit den meisten stehe ich noch in lockerem Kontakt.“

„So?“ Obgleich er wusste, dass Piper hin und wieder Verabredungen hatte, quälte ihn der Gedanke, sie und ein Mann … „Na, das hört sich doch gut an.“

„Hoffentlich sagt nicht gerade Chase zu. Ihn werde ich lieber als Letzten fragen.“

„Chase?“ Von dem hatte Josh noch nie etwas gehört. Sie hatte mal einen Robert oder Bob erwähnt, aber Chase?

„Ja. Wir waren nur kurz zusammen, aber er hat ständig versucht, mit mir …“ Sie runzelte leicht die Stirn und wurde rot. „Na, du weißt schon, was ich meine.“

Er blickte sie an und hoffte nur, dass man ihm nicht ansah, was in ihm vorging. „Ja, ich weiß.“

Eine ganze Zeit lang blieben sie so stehen, und als die Spannung unerträglich wurde, blickte Piper zur Seite. „Dann will ich mir mal eine Cola holen und wieder an meinen Schreibtisch gehen.“

Er zog das Kleingeld aus der Hosentasche. „Ich auch.“

Sie gingen beide auf den Automaten zu und wären beinahe zusammengestoßen. Josh blieb stehen und streckte die Hand aus. „Nach dir.“

Im Grunde war er froh, dass Piper am Wochenende nicht da war. In der letzten Zeit war er zu oft mit ihr zusammen gewesen. Wahrscheinlich sollte er sich mal wieder eine Frau fürs Bett suchen, dann würde diese Gedanken, die er eigentlich nicht haben sollte, ganz von allein vergehen.

Dennoch, die Vorstellung, dass Piper das Wochenende mit irgend so einem Kerl verbrachte, möglicherweise noch in einem Zimmer, war alles andere als angenehm.

3. KAPITEL

Piper war verzweifelt.

Nach einigen ergebnislosen Telefongesprächen und einem ausgedehnten Bad, um sich wieder zu beruhigen, musste sie sich geschlagen geben. Sie schlang sich ein Handtuch um den Kopf. Hatte sie wirklich alle Möglichkeiten erschöpft? Ein Bekannter hatte sich gar nicht mehr an sie erinnert, das war bitter für ihr Ego gewesen. Chase hatte an dem Wochenende keine Zeit, wollte sich aber unbedingt mit ihr treffen. Wahrscheinlich hoffte er immer noch, dass sie mit ihm ins Bett ging. Robbie, mit dem sie eigentlich am liebsten gefahren wäre, war glücklich verlobt. Nächsten Monat wollte er heiraten.

Seufzend holte sie sich ihren weiten Jogginganzug aus dem Schrank. Ja, sie war tatsächlich schon lange nicht mehr mit einem Mann ausgegangen, aber das war auch egal. Sie war momentan nicht an einer Beziehung interessiert, und da waren Dates pure Zeitverschwendung. Was brachte es, mit irgendeinem wildfremden Mann, von dem sie nichts wollte, mühsam Konversation zu machen, wenn sie viel lieber zu Hause vor ihrem Computer saß, um Software zu testen, die für ihre Arbeit nützlich sein konnte.

Manche Menschen mochten einfach nicht allein sein, aber sie hatte viele Freundinnen und fühlte sich nie einsam. Andere sehnten sich nach einer guten sexuellen Beziehung, aber nach Pipers Erfahrungen wurde Sex im Allgemeinen überbewertet. Das mochte auch mit den Männern zusammenhängen, mit denen sie zusammen gewesen war. Ein Mann mit mehr Erfahrung in Bezug auf Frauen wie zum Beispiel Josh …

„Ich brauche keinen Sex“, teilte Piper entschlossen ihrem leeren Apartment und dem Ficus mit. „Und ich brauche auch keinen Mann“, fügte sie halblaut hinzu und rubbelte sich das Haar trocken. Vielleicht sollte sie einfach ehrlich sein und ihrer Familie sagen, dass das Ganze ein Missverständnis war. Na ja, schon eher eine mutwillige Täuschung. Sie lebe allein und fühle sich dabei glücklich. Aber wahrscheinlich würden alle denken, dass sie nur deshalb solo war, weil sie sich nach Charlie verzehrte.

Jemand klopfte an die Tür. Ob das der Vermieter war? Jeder andere klingelte normalerweise. Aber sie hatte die Miete doch pünktlich bezahlt. Schnell nahm sie die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und strich das Oberteil ihres grauen Jogginganzugs glatt.

Sie öffnete die Tür. Nein, es war nicht der Vermieter, es war Josh. Aber er sah so grimmig aus, als sei ihm gerade gekündigt worden.

„Hallo, Josh. Komm rein.“

„Ich habe nachgedacht, Piper.“

„Worüber denn?“

„Über dich. Ich meine, über deine Situation.“

Sie schloss die Tür hinter ihm und ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wobei sie darauf achtete, dass sie ihm nicht zu nahe kam. Heute Mittag im Pausenraum hatte sie plötzlich festgestellt, dass sie hypersensibel auf ihn reagierte. Und hier bei ihr zu Hause verstärkte sich dieses Gefühl noch. Ob Josh klar war, wie gut er roch? Ihre Fingerspitzen kribbelten, als könne sie es gar nicht erwarten, ihn zu berühren. Oder hatte sie Angst davor?

Ach was, sie musste sich nur zusammennehmen. Sie deutete auf das Sofa. „Setz dich doch.“

Er nahm Platz und musterte sie düster. „Hast du schon die Männer angerufen, mit denen du mal ausgegangen bist?“

Piper setzte sich auf die Sofalehne. Das war ein guter Kompromiss. Sie saß nicht neben ihm, aber es sah auch nicht so aus, als ginge sie ihm absichtlich aus dem Weg. „Ja, fast alle, aber es waren sowieso nicht sehr viele.“

„Und?“

„Bisher habe ich kein Glück gehabt.“

Er sackte in sich zusammen. Zuerst wirkte er erleichtert, aber dann erkannte sie, dass er nur enttäuscht war. Doch er richtete sich schnell wieder auf. „Ich biete mich als Freiwilliger an.“

„Das meinst du doch nicht ernst.“

„Doch, es ist mein voller Ernst“, sagte er leise.

Er sah sie voller Wärme an, aber in seinen Augen las Piper noch etwas anderes – etwas, worauf sie sofort reagierte. Und so erleichtert und dankbar sie auch im ersten Moment war, die Vorstellung, mit ihm ein Wochenende lang ein Liebespaar zu mimen, trieb ihr die Röte in die Wangen.

„Es sei denn, du hast eine andere Idee“, fügte er hoffnungsvoll hinzu.

„Bisher noch nicht“, sagte sie schnell. „Aber meinst du das wirklich ernst? Das Ganze wird die reinste Folter für dich sein. Das musst du dir nicht antun.“

Doch, das muss ich, dachte er. Wenn sie ihn direkt gefragt hätte, hätte er sicher sofort abgelehnt. Denn selbst völlig ohne Familie dazustehen war nur erträglich, wenn man nicht mit anderen Familien in Kontakt kam, die einen schmerzlich daran erinnerten, was einem selbst fehlte. Piper hatte das immer akzeptiert und hatte ihn nie gedrängt. Und dabei war ihm wieder klar geworden, dass sie der beste Freund war, den er hatte. Da musste er ihr diesen Gefallen unbedingt tun. Die Entscheidung hatte nichts mit dem Unbehagen zu tun, das ihn überfiel, wenn er sie sich in den Armen eines anderen Mannes vorstellte. Dahinter steckte nur sein Wunsch, ihr aus der Klemme zu helfen.

„Ich hatte nie eine Großmutter, die sich um mich sorgte“, hörte er sich plötzlich sagen. „Aber du hast eine, die du sehr liebst, und wenn du mit mir auftauchst, wird sie das glücklich machen. Außerdem …“, er grinste, „… freie Kost und Logis habe ich noch nie ausgeschlagen. Warum sollten zwei Freunde nicht mal am Wochenende gemeinsam auf Tour gehen? Schließlich wird ja keiner von uns verlangen, in einem Zimmer zu schlafen.“

Sie lachte nervös auf. „Um Himmels willen. Wenn Daddy uns zusammen erwischte, würde er dich mit vorgehaltener Flinte zum Rathaus treiben, und du hättest nur eine Alternative. Entweder du heiratest mich, oder du wirst gelyncht.“

Josh lachte. „Das sind ja tolle Aussichten. Warum habe ich nicht gleich zugesagt?“

Piper befeuchtete sich kurz die Lippen, und Josh war sicher, sie würde es nie wieder tun, wenn sie wüsste, was für eine Wirkung diese unschuldige Geste auf ihn hatte. Piper legte es nicht absichtlich darauf an, Männer zu reizen, das wusste er. Sie hatte das Haar straff nach hinten genommen, war kaum geschminkt und besaß wahrscheinlich noch nicht einmal einen Rock. Und dennoch, ihr rotblondes Haar und und die blaugrünen Augen mussten jedem Mann auffallen. Da sie genauso energiegeladen und gewissenhaft zum Workout ging, wie sie alles in ihrem Leben betrieb, hatte sie eine Figur, die keinen Mann kalt ließ.

Keinen Mann, nur mich.

Er hatte kaum einen Menschen, dem er vertrauen konnte und mit dem er sich so wohl fühlte wie mit Piper, und er wollte diese wichtige Freundschaft keinesfalls wegen Sex aufs Spiel setzen.

Er seufzte leise, und Piper setzte sich neben ihn und sah ihn bekümmert an. „Du bereust es schon, dass du dich angeboten hast, was?“

„Wie? Oh nein. Ich dachte nur gerade darüber nach, was ich mitnehmen sollte.“

„Und wie ist es mit deiner Arbeit?“

„Ich nehme mir Donnerstag und Freitag frei. Du brauchst kein schlechtes Gewissen deshalb zu haben. Ich habe noch genügend freie Tage übrig.“ Keiner in der Firma würde auf die Idee kommen, dass er mit Piper unterwegs war. Die Kollegen wussten zwar, dass sie beide gute Freunde waren, kannten andererseits aber auch Josh als jemanden, der viele kurze Abenteuer hatte.

„Und du willst das wirklich für mich tun?“

„Ja. Du kannst dich auf mich verlassen.“ Ironischerweise entsprach das tatsächlich der Wahrheit, obgleich er es sonst immer darauf anlegte, dass die Frauen ihm nicht vertrauten. Denn das bedeutete nur, dass sie mehr erhofften, als er bereit war zu geben.

Er war so oft in seinem Leben verlassen worden, dass er es für sicherer hielt, seinerseits abzublocken. Und zwar so rechtzeitig, dass sich noch keine emotionale Bindung entwickelt hatte und keiner verletzt wurde.

„Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann, Josh. Und ich danke dir sehr.“ In Pipers Augen standen Tränen, und er blickte schnell zur Seite.

„Ich glaube, ich muss noch ein paar Sachen waschen“, sagte er schnell und suchte in seinem Portemonnaie.

„Brauchst du Kleingeld für die Waschmaschine?“, fragte sie ungewohnt schüchtern.

„Nein, danke, ich habe genug.“

Sie stand auf, zögerte kurz und legte ihm dann die Arme um die Schultern. „Danke.“

Er drückte sie kurz an sich. Wann waren sie sich das letzte Mal so nahe gekommen? Er erinnerte sich noch gut an den zarten Duft ihres Shampoos und ihrer warmen Haut. Es musste vor einigen Monaten während eines Baseballspiels gewesen sein. Ihr Lieblingsteam gewann, und sie waren sich vor Begeisterung in die Arme gefallen. Beinahe abrupt ließ er sie los.

Piper trat ein paar Schritte zurück und sah ihn unter zusammengezogenen Augenbrauen fragend an. „Ich wollte dir nur zeigen, wie dankbar ich dir bin. Dafür hast du noch was gut bei mir.“

Sein herzliches Lächeln überspielte die Spannung. „Wie wäre es mit einem lebenslangen Abonnement auf deine berühmten Schokoladenpfannkuchen?“ Er lachte. „Mach dir keine Gedanken, so schlimm wird es nicht werden. Ist ja schließlich nur ein Familientreffen.“

„Du kennst du meine Familie nicht.“

„Das werde ich schon überstehen. Keine Sorge. An diesem Wochenende gehöre ich ganz dir.“

Da am Donnerstagmorgen alle Laufbänder besetzt waren, fing Piper ihr morgendliches Training mit einem kurzen Lauftraining durch die Halle an. Im Grunde war es albern, an einem freien Tag in aller Herrgottsfrühe aufzustehen, aber nach Joshs überraschendem Besuch gestern hatte sie nicht besonders gut schlafen können. Immer noch war sie überrascht, dass er sie in ihre Heimatstadt begleiten wollte.

Von außen betrachtet war es keine große Sache, ein paar Tage mit Menschen zusammen zu sein, die man danach nie wiedersehen würde. Aber Piper kannte Josh gut genug und wusste, dass es ihn hart ankommen würde. Sie hatte ihm oft von ihrer Familie erzählt, und er hatte sicher eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was er zu erwarten hatte. Ihre ganze Familie würde sich auf ihn stürzen, ihn in Bezug auf seine Zukunftspläne mit Fragen bestürmen und alles über seine Vergangenheit wissen wollen, und das hasste er besonders.

Umso höher war es ihm anzurechnen, dass er ihr helfen wollte, und sie hatte beinahe ein schlechtes Gewissen deshalb. Andererseits war sie auch neugierig. Vielleicht war er doch fähig, sich anderen gegenüber zu öffnen, und vielleicht war es möglich, dass sie eines Tages …

Reines Wunschdenken.

Es handelte sich schließlich nur um ein Wochenende. Und ob Josh letzten Endes doch zu einer festeren Beziehung fähig war, ging sie nichts an und sollte ihr gleichgültig sein, denn sie war daran nicht interessiert.

Piper erblickte Gina Sanchez, die vor einem großen Spiegel stand und Dehnungsübungen machte. Gina war ausgesprochen hübsch, hatte langes schwarzes Haar, war schlagfertig und intelligent und Pipers beste Freundin.

Piper verlangsamte ihr Tempo und blieb schließlich vor Gina stehen. „Guten Morgen!“

„Oh, hallo. Was machst du denn hier? Ich dachte, du fährst heute nach Hause?“

„Erst in ein paar Stunden.“

„Und da wolltest du nicht lieber ausschlafen?“

Piper lachte. „Eigentlich schon. Aber in Rebecca gibt es kein richtiges Fitness-Center. Und da meine Mutter mich sicher mit allen möglichen Köstlichkeiten voll stopfen wird, wollte ich wenigstens noch heute etwas für mich tun.“

„Ich bewundere deine Disziplin.“

„Aber du bist doch auch fast jeden Morgen um sechs hier.“

Gina warf den Kopf zurück, und ihr Pferdeschwanz wippte. „Stimmt, aber ich will mich auch in Form halten, für den Fall, dass ich meinen Traummann treffe.“

In diesem Punkt konnte Piper ihre Freundin überhaupt nicht verstehen. Dass ihre Cousinen in Rebecca unbedingt einen Mann finden wollten, konnte sie noch begreifen, denn die kannten kein anderes Lebensziel. Gina dagegen war eine attraktive, erfolgreiche Anwältin, und dennoch verbrachte sie die Wochenenden mit völlig unbedeutenden Männern. Schlimmer noch, während der folgenden Woche grämte sie sich, dass diese mittelmäßigen Typen sich nicht wieder meldeten, und zweifelte daran, dass sie jemals den Richtigen finden würde.

Piper wusste, dass es bei Gina anders war. Sie sehnte sich tatsächlich nach einer guten Beziehung, während Pipers Cousinen nur jemanden suchten, der für sie sorgte. Aber allmählich musste Gina doch wissen, dass gute Männer ausgesprochen rar waren. Warum suchte sie dennoch so verbissen weiter? Das konnte Piper nicht verstehen.

Sie selbst wurde von manchen Freundinnen als Feministin bezeichnet und als Zynikerin, was Männer betraf. Das störte sie nicht weiter. Dass Männer und Frauen die gleichen Rechte und Pflichten hatten, empfand sie als vollkommen selbstverständlich. Nur waren Männer, die auch so dachten, kaum zu finden.

Zuerst hatte sie geglaubt, dass Charlie zu dieser seltenen Spezies gehörte. Er hatte sich nie darüber beschwert, dass sie lieber Jeans als Röcke trug, hatte ihr aber zum Geburtstag mit Vorliebe Röcke geschenkt. Er verstand, dass sie mit Kindern warten wollte, bis sie sich eine Karriere aufgebaut hatte, aber er blieb vor jedem Kinderwagen stehen und betonte immer wieder, was für eine gute Mutter sie doch abgeben würde.

Sicher, Charlie war nur ein Beispiel, aber was Piper so um sich herum beobachtete, zeigte ihr, dass er keine Ausnahme war. Ginas Bemühungen, einen passenden Partner zu finden, waren bisher nicht erfolgreich verlaufen, und auch Josh war noch solo. Und wie sah es in ihrer Verwandtschaft aus? Ihre Cousine Stella war bereits zum dritten Mal geschieden, was Piper nicht verwunderte. Die Wäsche für den Ehemann zu machen, sein Essen zu kochen, den Politiker zu wählen, den er wählte, und sich in allem nach dem lieben Gatten zu richten, das war wirklich kein erstrebenswertes Lebensziel.

Dennoch hatte Daphne, die immer Pipers Meinung gewesen war und nie ein Leben wie das ihrer Mutter hatte führen wollen, geheiratet und erwartete jetzt Zwillinge. Sicher, sie arbeitete als Lehrerin, aber was war aus ihrem Traum geworden, zu reisen und die Welt zu sehen? Blaine, ihr Mann, hatte sie offenbar überzeugen können, dass sie lieber zu Hause bleiben sollte, damit er die Farm bewirtschaften konnte.

Die beiden Frauen hatten inzwischen ihre drei Meilen beendet und blieben schwer atmend stehen. Erst jetzt erzählte Piper Gina von dem Telefongespräch mit ihrer Mutter. „Du kannst dir vorstellen, wie überrascht ich war, als Josh einwilligte, mir zu helfen.“

Gina musterte sie lächelnd. „Wieso hat dich das überrascht? Du bist doch mit dem Mann ständig zusammen. Man könnte euch also durchaus als Paar bezeichnen.“

„Aber du weißt doch, dass unsere Beziehung eine ganz andere ist.“

Gina grinste. „Aber ich weiß auch, dass du viel mit einem fantastisch aussehenden Hetero zusammen bist, der einen guten Job hat, und dass du mich dennoch nicht mit ihm zusammenbringst.“

Gina und Josh? Nein, die passten nicht zusammen. Sie waren doch beide … attraktiv, intelligent, beruflich erfolgreich und hatten einen ähnlichen Humor. Und dennoch! Piper presste die Lippen zusammen. Die Worte „Hände weg!“ lagen ihr auf der Zunge. Laut sagte sie: „Du weißt doch, wir haben uns versprochen, nichts mit den Freunden des anderen anzufangen.“

„Wenn ich mir den Mann so ansehe, wäre ich bereit, dich als Freundin fallen zu lassen“, gab Gina lachend zurück.

Piper lächelte etwas verkrampft. „Vielleicht kommt es dir nicht so vor, aber im Grunde tue ich dir einen Gefallen, wenn ich dich nicht mit ihm zusammenbringe. Josh ist ein prima Mann, nur was Frauen betrifft, ist er ein absolutes Desaster. Du kannst dir nicht vorstellen, mit wie vielen er schon nach kurzer Zeit wieder Schluss gemacht hat.“

„Vielleicht hat er noch nicht die Richtige gefunden.“

„Ich glaube, er ist an einer festen Beziehung gar nicht interessiert.“

Selbst wenn ihm die Richtige über den Weg lief, würde er es nicht bemerken, so eilig hätte er es, sie wieder loszuwerden. Piper konnte ihm keinen Vorwurf machen. Sie, die sie in einem sehr engen, manchmal erstickend festen Familienverband aufgewachsen war, konnte nur ahnen, was es bedeutete, von einer Pflegefamilie zur nächsten abgeschoben zu werden. Menschen tauchten in seinem Leben auf und verschwanden wieder, sodass es besser war für den kleinen Josh, sich gar nicht erst an jemanden zu binden. Kein Wunder, dass er bei seinen Beziehungen zu Frauen genauso vorging.

„Hast du dich deswegen nie für ihn interessiert?“ Gina blieb erstaunlich hartnäckig an diesem Morgen. Normalerweise genügte es, wenn Piper erwähnte, sie seien nur gute Freunde.

„Nein, sondern weil ich keine feste Beziehung will, das weißt du doch.“

Gina seufzte theatralisch. „Und trotzdem fährst du jetzt mit diesem sexy Mann ins Wochenende.“

Ja. Normalerweise würde Piper über diese Bemerkung lachen, aber sie musste sich eingestehen, dass genau diese Vorstellung sie fast die ganze Nacht wach gehalten hatte. Wie weit würden Josh und sie gehen müssen, um die anderen davon zu überzeugen, dass sie zusammen waren? Josh verkrampfte sich jedes Mal wenn sie ihn umarmte. Und ihr war es in letzter Zeit nicht anders ergangen. Was würde passieren, wenn er sie küssen musste, um das Ganze glaubwürdig erscheinen zu lassen?

Wenn sie ehrlich war, konnte sie es gar nicht erwarten, das herausfinden.

4. KAPITEL

Als Josh in die Tiefgarage kam, war Piper gerade dabei, ihr Gepäck zu verstauen. „Guten Morgen.“

Sie fuhr herum. „Oh, hallo!“ Sie nahm seine kleine Reisetasche entgegen und hängte den Kleidersack an den Haken. „Ist das alles, was du mitnimmst?“

„Ja. Mehr brauche ich nicht.“ Jetzt erst sah er, was sie alles eingepackt hatte. „Ich hatte ja gleich den Eindruck, der Wagen liegt zu tief“, frotzelte er. „Aber ich ging davon aus, dass zu wenig Luft in den Reifen ist.“

Sie lachte leicht verlegen. „Ich muss doch Geschenke für die Kinder mitnehmen. Außerdem etwas für meine Schwester, die schwanger ist, dann eine Kleinigkeit für eine Cousine zur Verlobung …“

„Hey, ich hab doch gelästert. Es ist dein Auto. Pack es so voll, wie du willst.“

Sie setzte sich hinter das Steuerrad und machte ihm die Beifahrertür auf.

Während sie in schnellem Tempo die Straße entlangfuhren, ertappte sich Josh dabei, dass er die Hände im Schoß verkrampfte. Wenn sie gemeinsam irgendwo hinfuhren, saß meistens er am Steuer. Oder sie verabredeten sich an einem bestimmten Treffpunkt. Oder sie gingen spazieren, auf alle Fälle versuchte er es zu vermeiden, als Beifahrer mitzufahren.

Piper fuhr gern ziemlich schnell, und das beunruhigte ihn.

„Weißt du eigentlich“, platzte Josh heraus, „wie schnell man hier fahren darf? Wir sind eben an einem Schild vorbeigekommen, aber ich konnte es nicht lesen.“

Sie blickte kurz auf den Tachometer und drosselte sofort die Geschwindigkeit.

Josh atmete auf. Er wusste, es war albern, nervös zu werden, wenn er nicht am Steuer saß. Fliegen war für ihn eine Tortur. Gerade weil er die ersten achtzehn Jahre seines Lebens so sehr von anderen Menschen abhängig gewesen war, bedeutete es ihm jetzt viel, sein Leben selbst bestimmen zu können. Die ersten Jobs hatte er freiwillig aufgegeben, bevor man ihm womöglich kündigte. Deshalb war er jetzt auch als fester freier Mitarbeiter in dem Architekturbüro tätig und übernahm all die Aufträge, die der Firma eigentlich zu klein waren, die sie aber nicht ablehnen wollten, um ihre Kunden nicht zu verprellen. Er träumte davon, irgendwann ein eigenes Büro aufzumachen. Nichts im Leben war von Dauer, das hatte er gelernt. Weder der Job, noch die Familie, noch die Liebe. Am besten schloss man sich gar nicht erst eng an jemanden an. Die Gefahr, verlassen zu werden, war einfach zu groß. In dem Punkt hatte er reichlich Erfahrung.

Erst hatte er seine Eltern verloren, auch wenn er damals noch so klein war, dass er sich nur von den Fotos her an sie erinnerte, die er bei sich trug. Dann war er von einer Pflegefamilie in die nächste gekommen. Immer, wenn er anfing, Vertrauen zu fassen, musste er die Familie wieder verlassen. Seine letzte Hoffnung waren die Wakefields gewesen, aber als die dann nach Europa gehen mussten, hatte er beschlossen, sich nie mehr an jemanden anzuschließen.

Piper beschleunigte, als sie Houstons Stadtgrenze hinter sich hatten, und diesmal hatte Josh nichts dagegen. Wenn er doch seine Vergangenheit auch so schnell hinter sich lassen könnte!

„Gibt es irgendetwas, was ich über dich wissen sollte?“, fragte er, um sich von seinen deprimierenden Erinnerungen abzulenken.

„Wieso? Du kennst mich doch ziemlich genau.“

„Ich meine, so etwas wie ein riesiges Muttermal zum Beispiel.“

„Ich habe kein Muttermal.“

Wahrscheinlich hatte sie eine glatte, makellose Haut, und ihre Brüste waren … „Und sonst? Hast du irgendwelche besonderen Angewohnheiten oder Vorlieben? Was ist dein Lieblingsschaumbad?“

„Ich bin mehr ein Duschtyp.“

Er hatte sie schon in der Badewanne vor sich gesehen, an den entscheidenden Stellen nur knapp von Schaum bedeckt. Aber auch die Duschfantasie war erregend. Piper und er, eng umschlungen in einer engen Duschkabine …

„Irgendwie komme ich mir vor wie ein Hollywood-Sternchen, das zum ersten Mal interviewt wird“, sagte sie und lachte. „Du weißt, diese albernen Interviews mit Antworten wie …“, ihre Stimme klang jetzt hoch und piepsig, „… ich heiße Piper, und ich liebe Champagner und Schaumbäder!“

Jetzt musste auch Josh lachen. „Das war vielleicht ein schlechtes Beispiel. Ich meine, es gibt doch sicher etwas, was ich als dein Geliebter wissen sollte.“

Bei dem Wort „Geliebter“, warf sie ihm schnell einen Blick von der Seite her zu. War das nun ein Versprechen oder eine Warnung?

Doch dann fasste sie sich wieder und schüttelte den Kopf. „Meine Familie davon zu überzeugen, dass wir befreundet sind, wird nicht so schwierig sein. Anders wäre es, wenn sie uns abnehmen sollten, dass wir eine heiße Affäre haben. Aber das ist nicht nötig. Ich habe ja nur gesagt, ich hätte einen Freund, aber nie behauptet, die Sache sei ernst. Wenn du vielleicht mal meine Hand hältst oder mir den Arm um die Schultern legst, sollte das vollkommen ausreichen.“

„Kein Problem.“ Obgleich er besonders in letzter Zeit damit ein Problem hatte.

„Vielleicht könntest du mich auch mal küssen, ich meine, vor ihren Augen. Das wirkt glaubhafter.“

„Küssen …“

„Ich meine keinen richtigen Kuss, nur so kurz.“

Wie schlecht sie ihn kannte. Wenn er küsste, dann richtig.

„Aber darum geht es jetzt ja gar nicht“, fuhr sie hastig fort. „Keiner wird dich nach mir ausfragen. Von dir werden sie alles wissen wollen.“

„Ich hoffe, ich enttäusche sie nicht. Ich bin nicht sehr interessant.“

Sie hob die Augenbrauen und sah ihn kurz an.

„Aber wenn es irgendetwas gibt, was du von mir wissen solltest, frag mich bitte. Es macht mir nichts aus.“

Wieder warf sie ihm diesen ungläubigen Blick zu, sagte aber zu Joshs großer Erleichterung nichts.

Sie schwiegen. Bei anderen Frauen hatte Josh immer das Gefühl, diese Gesprächspausen unbedingt füllen zu müssen. Nicht so bei Piper, und das war das Wunderbare an ihrer Freundschaft. Er musste nicht ständig geistreich und gut gelaunt sein. Er konnte sich so geben, wie er sich fühlte. Allmählich entspannte er sich, lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Erst als unmittelbar hinter ihnen Polizeisirenen aufheulten, wachte er auf.

Piper sah in den Rückspiegel und erschrak. Sie fluchte laut und fuhr an den Straßenrand.

Schon das zweite Mal wurde sie in dieser Woche angehalten. „Meine Versicherung schmeißt mich raus!“, stieß sie wütend hervor, ließ das Fenster herunter und starrte in die eisgrauen Augen einer hochgewachsenen Polizistin. Wenn sie lächelte, sah sie wahrscheinlich aus wie eine nordische Göttin, weißblond, wie sie war. Aber von lächeln konnte jetzt nicht die Rede sein.

„Die Papiere, bitte. Haben Sie eine Ahnung, wie schnell Sie gefahren sind?“

Wahrscheinlich machte es keinen guten Eindruck, wenn sie Nein sagte. Doch bevor sie noch antworten konnte, hatte Josh sich über sie gelehnt und blickte die blonde Polizistin schuldbewusst an. „Entschuldigen Sie bitte, das Ganze ist meine Schuld. Ich habe einen sehr dringenden Termin, und meine Schwester ist auf meinen Wunsch so schnell gefahren.“ Er setzte sein strahlendstes Lächeln auf. „Also müssen Sie auch mir einen Strafzettel geben.“

Piper glaubte nicht recht zu hören. Damit reizte er die Frau doch nur. Und was wollte er antworten, wenn sie sich nach seinem Termin erkundigte?

Aber die blonde Schönheit fragte nicht, sondern lächelte. „Ich glaube, ich kann Ihnen das Ticket heute noch ersparen. Ihre Schwester sollte nur etwas langsamer fahren.“

„Haben Sie vielen herzlichen Dank, Officer …?“, sagte Josh mit honigsüßer Stimme.

„Officer Blake. Julie Blake.“

„Vielleicht halten Sie mich für aufdringlich, Officer Blake, aber ich muss Sie einfach fragen, ob man Sie im Telefonbuch von Houston finden kann.“

Es war unglaublich. Die eiserne Lady errötete!

Officer Blake bestätigte, dass man sie im Telefonbuch finden konnte, wünschte ihnen noch einen guten Tag und ging mit wiegenden Hüften zu ihrem Streifenwagen.

„Was war das denn da eben? Musst du es bei jeder Frau versuchen?“, platzte Piper los.

„He, Bezeugungen deiner Dankbarkeit nehme ich gern entgegen, aber du solltest es nicht übertreiben.“

„Dankbarkeit?“ Sie zwang sich, betont langsam anzufahren. „Weswegen denn? Wegen der Demonstration deiner Flirttechnik? Kein Bedarf, die kenne ich zur Genüge.“

„Ich habe nicht geflir… Okay, ich habe es getan, aber nur, um dir zu helfen.“

„Und wenn dein Charme nun nicht gewirkt hätte? Wenn sie nur einfach wütend geworden wäre?“

Josh grinste sie an. „Hast du jemals erlebt, dass mein Charme nicht gewirkt hat?“

Er hatte recht. Die Frauen beteten ihn an. Selbst Piper musste zugeben, dass sie in letzter Zeit nicht vollkommen dagegen immun war.

„Ich glaube, du bist eifersüchtig“, stellte er fest.

Das war ungeheuerlich. „Eifersüchtig? Ich? Mir ist es doch vollkommen egal, wen du anmachst. Du und dieser Miss-Schweden-Verschnitt …“

„Du bist eifersüchtig, weil ich bei Frauen viel mehr Erfolg habe als du bei Männern. Du musst zugeben, du bist nicht gerade ein Champion, was das Aufreißen betrifft.“

„Wenn man dich so hört, könnte man glauben, Männer seien hilflose Wesen, die alles mit sich geschehen lassen. Um es noch einmal klar und deutlich zu sagen: ich will keinen Mann. Warum sollte ich mir dann die Mühe machen, einen aufzureißen, wie du es so schön formulierst?“

„Tut mir leid. Du hast recht, und ich entschuldige mich.“

Sie schlug wütend auf das Lenkrad. „Na, wunderbar, du entschuldigst dich schnell, sodass ich nicht mal mehr wütend auf dich sein kann.“

„Genau. Ich will nicht, dass du wütend auf mich bist. Ich weiß auch nicht mehr, warum ich überhaupt damit angefangen habe, weil ich doch …“

„Weil was?“

„Nichts.“ Er lehnte sich wieder zurück und starrte ausdruckslos vor sich hin.

Das fing ja gut an. Piper bog in die Auffahrt einer Tankstelle ein. Beide schwiegen. Selbst wenn sie etwas zu sagen gewusst hätte, er würde ihr nicht antworten, das sah sie schon an seiner Haltung. Wieder einmal überlegte sie, wie es wohl war, wenn man sich in jemanden verliebte, der sich einfach hinter eine Mauer des Schweigens zurückzog.

Aber wie musste er sich fühlen, so einsam auf der anderen Seite der Mauer?

Piper musste über sich selbst den Kopf schütteln. Josh führte das ideale Leben eines Junggesellen und schien damit vollkommen zufrieden zu sein.

Als sie ihre Kreditkarte in den Automaten steckte, stieg Josh aus. Er ging quer über den Parkplatz, und sie sah, wie eine Gruppe Teenager ihm bewundernd hinterhersah. Er schien wirklich jedes weibliche Wesen zu beeindrucken. Sie hätte ihn vorhin nicht so anfauchen sollen. Er hatte ihr doch nur zu Hilfe kommen wollen.

Sie war einfach übernervös. Seit Jahren war sie nicht zu Hause gewesen, und der Besuch stand ihr sehr bevor. Die Vorstellung, mit Josh jetzt das glückliche Paar mimen zu müssen, machte sie auch nicht ruhiger.

Aber sie durfte ihn nicht merken lassen, dass auch sie von ihm fasziniert war. Das wäre das Ende ihrer Freundschaft.

Sie hatte gerade den Tank gefüllt, als Josh wieder erschien, eine braune Papiertüte in der Hand.

„Soll ich mal fahren?“, fragte er. „Und bevor du mir den Kopf abreißt, das hat nichts mit deiner Vorliebe für Überschallgeschwindigkeit zu tun. Ich kann es generell schlecht ertragen, wenn andere Leute fahren. Und so kannst du dich doch ein bisschen ausruhen.“

Sie gab ihm die Schlüssel. Wahrscheinlich war es sowieso besser, wenn sie nicht fuhr, nervös wie sie war. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz und legte den Sitzgurt an. Er warf ihr die braune Tüte in den Schoß. „Hier, für dich. Vielleicht tröstet dich das am Wochenende.“

Sie machte die Tüte auf und blickte hinein. „Hm, meine Lieblingsschokolade. Danke, Josh.“ Sofort brach sie einen Riegel ab und biss herzhaft hinein. „Weißt du, ich habe noch einmal über das nachgedacht, was du vorhin sagtest. Im Hinblick auf das, was wir voneinander wissen sollten. Ich weiß zum Beispiel überhaupt nichts über deine Kindheit, und darüber werden meine Leute sich bestimmt wundern.“

„Aber du weißt doch das Wichtigste. Du weißt, wo ich aufgewachsen bin, dass ich immer in Texas gelebt habe und ein Stipendium von der University of Texas hatte.“

Piper verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.

Er seufzte. „Was willst du denn noch wissen?“

„Vielleicht ein paar Einzelheiten?“

Josh biss die Zähne zusammen.

„Ich verstehe“, sagte sie behutsam. „Du möchtest nicht darüber sprechen, und ich kann das akzeptieren. Aber meine Familie wird sich damit nicht zufrieden geben. Wie auch immer du darauf reagieren wirst, du hast meine volle Unterstützung. Ich möchte nur, dass du dir vorher darüber ein paar Gedanken machst.“

Wieder schwiegen beide, und Piper blickte auf die vorbeiziehende Landschaft, ohne sie richtig wahrzunehmen.

„Ich habe in sechs verschiedenen Pflegefamilien gelebt“, begann Josh plötzlich. „Die Wakefields, bei denen ich zuletzt war, hatten tatsächlich eine Adoption erwogen. Aber Mr. Wakefield wurde nach Europa versetzt, bevor die Adoptionspapiere ausgefertigt waren, und ich landete in einem Waisenhaus, wo ich blieb, bis ich aufs College kam. Über Beziehungen kam ich dann nach Houston, und das Weitere weißt du.“

Piper war so verblüfft, dass er tatsächlich etwas von sich preisgab, dass sie wie erstarrt sitzen blieb. Dann sah sie ihn an. „Josh, ich …“

„Eine fabelhafte Kindheit“, sagte er und lachte verbittert. „Wie in einem Reisekatalog. Man kommt herum und trifft ständig neue Leute. Einmal hatte ich sogar ein Zimmer ganz für mich allein.“

Aber nie eine Familie. Als die Wakefields wegzogen, war es, als hätte er seine Eltern ein zweites Mal verloren. „Es tut mir so …“

„Nicht nötig!“, fuhr er sie an. „Mir gefällt mein Leben, wie es ist, und ich brauche dein Mitleid nicht. Ich hatte nicht vor, mit dir darüber zu sprechen, aber ihr seid ja alle so … so … aufdringlich.“

Meinte er alle Frauen? Warum hatte sie ihn nur dazu gedrängt, obwohl sie oft genug erlebt hatte, wie er sich von Frauen zurückzog, die mit ihm über Themen sprechen wollten, bei denen er sich unbehaglich fühlte?

Wahrscheinlich, weil du geglaubt hast, für ihn etwas Besonderes zu sein.

Dieser Gedanke quälte sie aus verschiedenen Gründen. Hatte sie ihn mit seiner trostlosen Vergangenheit konfrontiert, um sich selbst etwas zu beweisen? Und wenn, was? Josh war ihr guter Freund, und mehr würde er nie sein. Und wenn sie weiterhin so unsensibel vorging, dann würde es auch mit der Freundschaft bald vorbei sein.

„Du hast mich missverstanden“, sagte sie. „Ich wollte dich nicht bemitleiden, sondern mich nur dafür entschuldigen, dass ich so neugierig war. Das geht mich nichts an. Wir alle haben Phasen in unserem Leben, über die wir nicht gern sprechen, und ich hätte das respektieren sollen.“

Er entspannte sich etwas, aber in seinen Augen stand immer noch Misstrauen. „So? Worüber möchtest du denn nicht gern sprechen?“

Das war vorherzusehen gewesen, aber sie musste ihm die ganze Sache sowieso noch vor dem Wochenende erzählen. „Über Charlie Conway.“

„Ist das der Typ, mit dem du auf dem College zusammen warst?“

„Ja.“ Sie hatten sich gleich gut verstanden, Charlie und sie, wahrscheinlich, weil sie aus derselben Stadt kamen. Aber sie hatte sich trotzdem gewundert, warum er sich ausgerechnet in sie verliebt hatte. „Wir waren ein halbes Jahr verlobt.“

„Was?“

„Er wollte mich heiraten.“

„Und du hast Ja gesagt? Ausgerechnet du, die so gegen die Ehe ist?“

Es stimmte, sie war gegen die Ehe als eine Institution, in der eine Frau ihre eigene Persönlichkeit aufgeben musste. Sie hatte jahrelang erlebt, wie ihre Mutter sich in allem nach dem Vater richtete.

Piper wusste zwar, dass das Zusammenleben eine gewisse Anpassung erforderte. Charlie war der erste Mann, mit dem sie geschlafen hatte, und sie hatte ihre Beziehung mit großem Idealismus betrachtet. Da Charlie so tat, als sei er besonders von ihrer Unabhängigkeit beeindruckt, hatte sie ihm beweisen wollen, dass sie zu Kompromissen fähig war. Um ihn glücklich zu machen, belegte sie schon einmal einen Kurs mit ihm gemeinsam, der ihn sehr, sie jedoch kaum interessierte.

Nachdem sie sich verlobt hatten, war von Charlies Jurastudium in einer großen Stadt plötzlich nicht mehr die Rede. Stattdessen wollte er sich um den Bürgermeisterposten in Rebecca bewerben. Das an sich war schon schlimm genug, aber dass er nicht mit ihr darüber gesprochen hatte, bevor die Entscheidung fiel, das erschütterte Piper doch sehr. Und mit der Zeit wurde ihr immer deutlicher, dass er sie sehr geschickt in die Richtung gedrängt hatte, die sie auf keinen Fall hatte einschlagen wollen.

War es bei ihrer Mutter ähnlich abgelaufen? War auch sie ursprünglich eine selbstbewusste junge Frau mit vielen eigenen Ideen gewesen, die sie allmählich aufgegeben hatte, im Namen der aus Liebe notwendigen Kompromisse? Aber konnte man diese Bereitschaft zur Anpassung nicht von beiden Partnern erwarten? Sosehr Piper auch an ihrem Vater und dem Schwager hing, manchmal wurde sie richtig wütend, wenn sie sah, wie die beiden ihre Frauen behandelten. Andererseits waren ihre Mutter und ihre Schwester erwachsene Menschen und würden sich sicher jede Einmischung verbitten. Sie seufzte leise. Wenn die beiden nur ihrem Lebensstil gegenüber eine ähnliche Toleranz aufbrächten!

„Du warst tatsächlich mal verlobt?“, riss Josh sie aus ihren Gedanken. „Warum hast du mir das bisher nie erzählt?“

Das klang beinahe vorwurfsvoll. „Du hast selbst gesagt, dass es Themen gibt, über die man nicht gern spricht. Aber du wusstest doch, dass ich mit Charlie lange befreundet war.“

Josh schwieg, und sie fragte sich, was wohl in seinem Kopf vor sich ging. Sie hatte geglaubt, er würde sie wegen ihrer Beinahe-Ehe aufziehen, aber er schien eher verärgert zu sein. „Du und verlobt – ich fass es nicht!“, murmelte er schließlich.

Sie auch nicht, aber sie hatte daraus gelernt.

Josh kniff die Augen zusammen, um in der beginnenden Dämmerung besser lesen zu können. Piper hatte ihm aufgeschrieben, wie er fahren musste, und seit einer Stunde kam er damit ganz gut zurecht. Sie schien neben ihm eingeschlafen zu sein. Aber vielleicht tat sie auch nur so, um einer Diskussion aus dem Wege zu gehen.

Allerdings sah ihr das nicht ähnlich, denn im Gegensatz zu ihm war sie eigentlich ein offener Mensch, auch wenn sie mit der Information über ihre Verlobung erstaunlich spät herausgerückt war. Ihn hatte diese Eröffnung so verblüfft, dass er fast im Straßengraben gelandet war.

Bisher hatte er immer geglaubt, dass ihre Trennung von Charlie eine ganz normale Sache war, weil sie nach dem College unterschiedliche Vorstellungen von ihrer Zukunft hatten. Aber was steckte wirklich dahinter? Und hatte das vielleicht etwas mit ihrer jetzigen Abneigung zu tun, sich überhaupt mit Männern einzulassen? Vielleicht bedauerte sie die Trennung von Charlie?

Sicher, sie hatte ihm oft erklärt, warum sie mit Männern nichts zu tun haben wollte, aber er wunderte sich trotzdem darüber. Denn im Grunde war sie ein sehr emotionaler Mensch, der seine Gefühle auch körperlich ausdrücken konnte. Die Art und Weise, in der sie ihn umarmte, das strenge Training, dem sie sich unterzog, wenn sie irgendetwas aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, das alles zeigte, dass sie sehr stark körperlich empfand. Wie kam ein solcher Mensch ohne Sex aus?

Über ihr Liebesleben solltest du dir nun wirklich keine Gedanken machen, rief er sich zur Ordnung. Als sie sich miteinander anfreundeten, war es gerade ihr Desinteresse am Flirten, was ihn angezogen hatte. Da sie nur an einer platonischen Freundschaft interessiert war, fühlte er sich vollkommen entspannt, wenn er mit ihr zusammen war, und vertraute ihr mehr an seinen wechselnden weiblichen Bekanntschaften. Inzwischen aber bedauerte er es, seine Zurückhaltung aufgegeben zu haben, denn seit einigen Wochen fühlte er sich auf das Höchste angespannt, wenn er mit Piper allein war.

Und jetzt hast du eingewilligt, mit ihr das Wochenende zu verbringen, du Trottel.

Die Sonne war bereits untergegangen, aber Josh konnte immerhin noch die Hausnummern auf den weißen Briefkästen entziffern, die in einer Reihe am Straßenrand standen. Und gerade als ihm klar wurde, dass die gemeinsame Fahrt hierher eine ziemlich dumme Idee war, tauchte die Nummer von Pipers Elternhaus auf.

Er bremste ab und bog rechts in einen holprigen, unbefestigten Weg ein.

Piper wachte auf und rieb sich die Augen. „Sind wir schon da?“

„Ich glaube ja.“

Sie blickte sich um und nickte dann. „Das Haus wird gleich zu sehen sein.“

Sie fuhren über einen kleinen Hügel, und dann kam das weiße Ranchhaus in Sicht. Josh parkte auf der asphaltierten Einfahrt und zog den Schlüssel ab. Er hörte, wie eine Fliegengittertür zufiel, dann eilte eine Gruppe von Menschen die Verandatreppe herunter und lief ihnen mit ausgestreckten Armen entgegen.

Mit dem Gesichtsausdruck eines Gladiators, der gleich den Löwen zum Fraß vorgeworfen wird, stieg Piper aus. Schwer zu sagen, wem es vor diesem Wochenende mehr graute, Piper oder ihm, Josh.

Jetzt hatte der Erste, ein Mann etwa von Joshs Größe, mit blondem Haar und einem gewinnenden Lächeln, sie erreicht. Er sah Josh kurz von der Seite her an, nahm dann Piper in die Arme und schwenkte sie übermütig herum. „Wenn das nicht Piper ist! Und hübscher denn je!“ Er küsste sie auf die Wange und stellte sie dann wieder auf den Boden. „Du hast mir so gefehlt!“

Dem Mann schien überhaupt nicht aufzufallen, wie ernst Piper war. Josh machte ein paar Schritte vorwärts und nickte ihr beruhigend zu.

Sie lächelte, aber ihre Augen blieben ernst. „Josh, dies ist Charlie Conway.“

5. KAPITEL

Es war Antipathie auf den ersten Blick. Sicher, vielleicht hatte Josh auch schon etwas gegen Charlie gehabt, bevor er ihm überhaupt begegnet war. Aber die Art und Weise, in der er Piper besitzergreifend den Arm um die Schultern legte, trug nicht dazu bei, seine Meinung zu ändern.

Noch bevor Josh Piper diskret daran erinnern konnte, dass sie es gewesen war, die damals die Trennung gewollt hatte, hatte Charlie sie bereits zu ihren Eltern gezogen. Er hatte Josh einfach stehen gelassen, der sich plötzlich einsam fühlte.

Autor

Tanya Michaels
Tanya Michaels, die eigentlich Tany Michna heißt, hat schon über 25 Auszeichnung für ihre Bücher gewonnen und wurde mehrfach für den RITA-Award, die wichtigste Auszeichnung für Liebesromane, nominiert. Daher wundert es nicht, dass ihre gefühlvollen und mitreißenden Geschichten in viele Sprachen wie Deutsch, Spanisch, Holländisch, Französisch, Griechisch, Koreanisch und Italienisch...
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Ali Olson
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Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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