Collection Baccara Band 274

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SOMMER DER SINNLICHKEIT von GOLD, KRISTI
Sinnlicher Sommer in San Francisco: Noch nie hat Kerry sich so sehr zu einem Mann hingezogen gefühlt wie zu Ford Ashton. Doch als sie sich ihm nach leidenschaftlichen Küssen rückhaltlos hingeben will, zeigt er ihr plötzlich die kalte Schulter …

VERRÜCKT NACH LENA von MCCUSKER, PENNY
Was hat Lena Reed zu verbergen? Als die schöne Ärztin in seiner Heimatstadt auftaucht, steht die Welt von Sheriff Clarence Beeber Kopf. Vom ersten Augenblick an erliegt er ihrer magnetischen Anziehungskraft. Doch er ahnt auch, dass seine Traumfrau ein Geheimnis hat …

SO BRAV UND DOCH SO SEXY von ANDERSON, NATALIE
Die Luft in der Bar vibriert vor Erotik, so heiß flirtet Emma mit dem Playboy Jake Rendel. Als er ihr eine Affäre auf Zeit vorschlägt, sieht sie ihre Chance gekommen: Endlich kann sie beweisen, dass sie keine brave graue Maus, sondern eine sexy Verführerin ist …


  • Erscheinungstag 03.03.2009
  • Bandnummer 0274
  • ISBN / Artikelnummer 9783862956128
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

NATALIE ANDERSON

So brav und doch so sexy

Einen Monat lang heißen Sex mit dem gut aussehenden Unternehmer Jake Rendel: diese Gelegenheit darf Emma sich nicht entgehen lassen! So kann sie endlich ihr braves Image aufpolieren. Doch schneller als gedacht gerät sie nicht nur in einen Strudel der Leidenschaft. Sie verliebt sich auch zum ersten Mal in ihrem Leben …

PENNY MCCUSKER

Verrückt nach Lena

Kaum kommt Clarence Beeber in ihre Nähe, verspürt Lena ein verlockend erotisches Prickeln. Aber Vorsicht: Sinnliche Spiele mit dem attraktiven Sheriff sind erlaubt, nur darf sie sich auf gar keinen Fall zu sehr auf ihn einlassen. Bestimmt wird Clarence sofort den Kontakt zu ihr abbrechen, wenn er die Wahrheit über sie erfährt …

KRISTI GOLD

Sommer der Sinnlichkeit

Männer? Nichts für die hübsche Kerry. Doch dann tritt der charmante Ford Ashton in ihr Leben. Noch nie hat ein Mann sie so fasziniert wie er, und bald sehnt sie nur noch nach einem: sich in seinen Armen den Wonnen der Liebe hinzugeben. Aber hat Ford sie eben noch heiß geküsst, weist er sie jetzt plötzlich eiskalt zurück …

1. KAPITEL

Schon zehn nach sieben? „Dann wird’s ja höchste Zeit, dass ich den Computer ausschalte“, murmelte Emma.

Normalerweise machte sie nicht vor acht Feierabend, und auch heute wäre sie gern noch ein, zwei Stunden im Büro geblieben, um die Monatsbilanz fertigzustellen. Aber das ging leider nicht – ihr Chef hatte die Mitarbeiter auf einen Drink eingeladen, und die meisten von ihnen saßen wohl längst in der nahe gelegenen Countrybar.

Wenn sie sich nicht beeilte, würde sie die Letzte sein. Na ja, wie immer bei solchen Gelegenheiten. Es war typisch für sie, dass sie Zeit und Raum vergaß, wenn sie sich in die Arbeit vertiefte. Doch jetzt sicherte sie ihre Dateien, stand auf und öffnete das Fenster. Sie atmete tief durch, als die angenehm kühle Abendluft hereinströmte. Was für eine Wohltat nach der Schwüle in den Mittagsstunden!

Mit der frischen Brise drangen auch Stimmen zu ihr in den ersten Stock. Weibliche Stimmen, die vom Innenhof kamen, und falls Emma sich nicht irrte, standen dort unten zwei Kolleginnen aus der Rezeption, Becca und Jules. Neugierig beugte sie sich vor und horchte.

„Was meinst du, kommt sie?“, fragte Becca.

„Ob sie kommt?“ Jules kicherte. „Nee, die weiß gar nicht, wie das geht“, fügte sie spöttisch hinzu, und schon prusteten beide vor Lachen.

„Das glaube ich auch. Ich schätze, ihr Sexleben ist so aufregend wie das einer Klosterschwester. Wahrscheinlich hatte sie noch nie einen Freund.“

„Bestimmt nicht. Für die graue Maus interessiert sich doch keiner. Die ist so was von langweilig und verklemmt. Kannst du dir vorstellen, wie sie mit einem Mann flirtet?“

Becca lachte. „Nein, sobald sie den Mund aufmacht, kommen ja nur Zahlen raus. Was anderes hat sie nicht im Kopf, unsere fleißige Buchhalterin.“

Emma erstarrte, und vor Scham stieg ihr die Röte ins Gesicht – die beiden tratschten über sie. Eindeutig. Sie war die Buchhalterin des Hotels Sanctuary. Und sie hatte sich noch nie so gedemütigt gefühlt wie in diesem Moment. Es war verletzend, wie Becca und Jules über sie redeten. Auch wenn sie zum Teil nur die Wahrheit aussprachen …

Sie hatte ja wirklich noch nie einen Freund gehabt. Dabei ging sie Männern nicht aus dem Weg. Nein, es hatte sich einfach nie ergeben, da ihr jegliche Zeit für Vergnügungen fehlte. Nach dem Internat hatte sie sich voll aufs Studium konzentrieren müssen, anschließend auf ihren Job.

„Irgendwie tut sie mir ja leid“, fuhr Becca fort. „Sie ist sechsundzwanzig und kennt nur ihre Arbeit. Was für ein ödes Leben.“

„Wie, du hast auch noch Mitleid mit ihr? Ich bitte dich! Es zwingt sie doch niemand, von morgens bis abends zu schuften. Und vor allem sollte sie mal aufhören, es auch von uns zu fordern. Sie ist eine Sklaventreiberin.“

Tja, das war die Strafe dafür, dass man andere Leute belauschte – man erfuhr Dinge über sich, die man nie hatte hören wollen.

Und es stimmte auch nicht. Wenn Jules sie als Sklaventreiberin bezeichnete, geschah das aus purer Gehässigkeit. Emma konnte sich nicht erinnern, jemals unfreundlich zu ihren Kolleginnen gewesen zu sein. Sie erwartete nur, dass jeder seinen Job tat. Und sie selbst ging mit bestem Beispiel voran, denn so war sie erzogen worden. Ihr ganzes Leben lang hatte sie die goldene Regel ihres Vaters beachtet: Arbeite hart, dann wirst du belohnt – mit Lob, Anerkennung und Liebe.

Lob erhielt sie durchaus für ihre Leistungen, sowohl von ihrem Boss als auch von ihrem Dad. Aber Liebe? Nein, niemand liebte einen dafür, dass man Tag für Tag Überstunden machte, und trotz ihrer erfolgreichen Karriere konnte Emma leider nicht von sich behaupten, rundum glücklich zu sein.

Ach, was soll’s? Auch mir wird eines Tages der Richtige über den Weg laufen, dachte sie optimistisch und schloss leise das Fenster. Ihre Träume von der großen Liebe würden schon noch in Erfüllung gehen. Da war sie sich ganz sicher.

Sie hatte nicht vor, sich vom dämlichen Gerede anderer deprimieren zu lassen. Im Gegenteil. Statt sich gekränkt zurückzuziehen, würde sie gleich mit einem strahlenden Lächeln in die Bar marschieren und sich ganz selbstbewusst in die Schar der Kollegen einreihen. Ja, heute Abend würde sie nur noch lächeln, scherzen und sich blendend unterhalten.

Entschlossen holte sie ihr Schminktäschchen hervor und legte etwas Lippenstift auf, bevor sie sich prüfend in dem kleinen Handspiegel betrachtete. An ihrem Make-up gab es nichts auszusetzen, auch das Haar saß tadellos. Wie an jedem Bürotag hatte sie ihre langen braunen Locken zurückgekämmt und im Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt.

Emma beugte sich über die gelbe Bauernrose auf ihrem Schreibtisch und sog genussvoll den Blütenduft ein. Sie liebte Blumen, darum sorgte sie auch dafür, dass in der schlanken Glasvase neben ihrem Computer stets eine einzelne Rose, Hyazinthe oder eine andere schöne Blüte steckte. Je nach Jahreszeit und Laune. Belebt von dem frischen Duft, straffte sie die Schultern und schwor sich, die gemeine Lästerei der Kolleginnen einfach zu ignorieren.

Als sie zehn Minuten später in die Bar trat und Jules ihr spöttisch entgegenblickte, wurde sie allerdings wieder unsicher. Darum gesellte sie sich erst mal zu Max, ihrem Chef, und innerhalb weniger Sekunden waren sie beide in ein Gespräch vertieft, in dem sich alles nur um den Job drehte. Am nächsten Tag sollten im Hotel umfangreiche Renovierungsarbeiten beginnen, und so gab es ja auch alles Mögliche zu besprechen.

Mit Max verstand Emma sich bestens. Was wohl niemanden wunderte, denn er war ein Workaholic wie sie. Doch nun wollte er sich zur Ruhe setzen und hatte sein kleines, aber feines Hotel verkauft – das war auch der Grund, warum das Haus komplett umgestaltet wurde. Die neuen Eigentümer des Sanctuary besaßen Ferienanlagen sowie Stadthotels in allen Ecken Neuseelands, und Max prophezeite Emma eine glänzende Zukunft. Wenn sie es geschickt anstellte, so meinte er, könnte sie problemlos bis ins obere Management des Konzerns aufsteigen.

Nur wusste sie nicht, ob sie das wollte – eine noch größere Verantwortung übernehmen und dafür eventuell auf jegliche Freizeit verzichten? Nein, im Grunde ihres Herzens wünschte sie sich, endlich ein glückliches Privatleben zu haben.

Verstohlen schaute sie auf ihre Kolleginnen, die unbeschwert lachten, bunte Cocktails tranken und mit den gut aussehenden Kellnern flirteten. Und sie? Sie stand brav neben ihrem fünfundsechzig Jahre alten Boss, sprach mit ihm über den Job und nippte an einer langweiligen Limonade.

Traurig, traurig, traurig. Becca und Jules hatten absolut recht, ihr Leben war total öde. Und je länger Emma darüber nachdachte, desto deprimierter fühlte sie sich. Sie rackerte sich ab – und wofür? Um hin und wieder gelobt zu werden? Seit ihrer Kindheit versuchte sie ständig, die Erwartungen anderer zu erfüllen, und sie war sich gar nicht mehr sicher, ob das Ergebnis die Mühe lohnte.

Ach, hör auf rumzujammern, ermahnte sie sich. Dein Leben ist ja noch nicht vorüber. Jetzt gönn dir mal einen Schluck Alkohol und versuch, den Abend zu genießen.

Sie entschuldigte sich bei Max, wandte sich zum Tresen und bat einen der Kellner, etwas Gin in ihre Limonade zu geben. Dann nippte sie daran, während sie sich in der Bar umschaute. Es herrschte nicht gerade Hochbetrieb. Die Crew des Sanctuary stand in kleinen Grüppchen vor dem Tresen, drei weitere Gäste saßen an einem Tisch, und im hinteren Teil des Raums spielten zwei Männer Billard. Interessiert musterte Emma den, der gerade am Zug war.

Der groß gewachsene schwarzhaarige Typ in weißem T-Shirt hatte ihr den Rücken zugewandt, und er bot einen sehr verführerischen Anblick, als er sich jetzt vorbeugte und der weiche Stoff seiner Jeans sich über einem ausgesprochen knackigen Po straffte.

Auch wenn sie das Leben einer Nonne führte … sie genoss es durchaus, mal einen gut gebauten Mann zu betrachten.

Nachdem er drei Kugeln erfolgreich versenkt hatte, richtete er sich auf und wechselte auf die gegenüberliegende Seite des Billardtisches. Und jetzt starrte Emma ihn erst recht an. Das Gesicht kannte sie doch.

Oh ja! Dieser sexy aussehende Billardspieler war niemand anderer als Jake Rendel, der Nachbarssohn aus ihrem Heimatort. Sie waren gemeinsam aufgewachsen.

Ihre eben noch trübe Stimmung schlug ins Gegenteil um, und fast hätte sie vor Freude gejuchzt. Es war Jahre her, seit sie Jake zum letzten Mal gesehen hatte. Er war jedoch immer nett zu ihr gewesen, und ein paar freundliche Worte waren genau das, was sie im Moment brauchte. Strahlend marschierte sie auf ihn zu. „Hi, Jake. Wie geht’s dir?“

Ein paar Sekunden lang musterte er sie irritiert. So, als überlegte er, wen er vor sich hatte. Doch schon leuchteten seine Augen auf, und ein warmherziges Lächeln umspielte seine Lippen. „Emma Delaney, was für eine schöne Überraschung, dich hier zu treffen.“

Seine Stimme klang wundervoll, so tief und sanft, dass Emma wohlig erschauerte. Und ihr Herz pochte heftig, während sie Jake anschaute. Er hatte schon immer fantastisch ausgesehen, aber in den vergangenen Jahren war er noch attraktiver geworden, seine Gesichtszüge markanter, die Schultern breiter und muskulöser.

Ja, Jake Rendel, der heimliche Schwarm ihrer Jugend, hatte sich zu einem wahren Traummann entwickelt. Als junges Mädchen war sie unsterblich in ihn verliebt gewesen, aber davon ahnte er wohl nichts. Sie hatte sich ja nie getraut, ihm ihre Gefühle zu offenbaren.

Emma nippte an ihrem Drink und überlegte, was sie als Nächstes sagen könnte. Da ihr jedoch nichts einfiel, blickte sie verlegen zur Seite, und in dem Moment bemerkte sie es – Becca und Jules starrten sie unverwandt an. Mit tellergroßen Augen. Dass die verklemmte Buchhalterin sich mit einem Mann unterhielt, schien die beiden völlig zu verblüffen. War das nicht eine super Gelegenheit, ihnen eine kleine Lektion zu erteilen?

Na klar. Emma schmunzelte. Jetzt würde sie diesen gehässigen Ziegen mal beweisen, dass auch sie flirten konnte. Und dann noch mit einem so attraktiven Kerl wie Jake. Es musste ja niemand erfahren, dass sie ihn schon ein Leben lang kannte.

Lächelnd schaute sie ihn an. „Es ist schade, dass wir uns so selten über den Weg laufen.“

„Stimmt“, erwiderte er augenzwinkernd. „Bist du mit Freunden hier?“

„Mit Kollegen. Und du?“

„Ich auch. Während der nächsten Wochen arbeiten wir in diesem Teil der Stadt.“

Sein Kumpel spürte wohl, dass er nur störte. Jedenfalls ging der Mann zum Tresen und ließ sie beide allein.

„Meine Firma hat den Auftrag bekommen, das Hotel Sanctuary zu renovieren“, erklärte Jake. „Vielleicht kennst du es.“

„In- und auswendig. Ich verwalte dort die Finanzen.“

„Prima, dann werden wir uns ja fast täglich sehen.“ Jake strahlte. „Wie sieht’s aus, könntest du mich im Hotel herumführen und allen vorstellen?“

Aber natürlich. Sie war ganz wild darauf, ihn mit Becca und Jules bekannt zu machen und den beiden zu erzählen, dass Jake sozusagen ein Sandkastenfreund war.

„Ja“, murmelte sie und blickte verstohlen zu den Kolleginnen hinüber. Was für ein Pech! Schon morgen würden die beiden herausfinden, dass sie hier nicht etwa mit einem heißen Typen flirtete, sondern mit einem früheren Nachbarn sprach.

„Wohnst du schon lange in Christchurch?“, erkundigte sich Jake.

Emma schaute ihn wieder an. „Ich war nie woanders. Ich bin hier zur Schule gegangen, hab hier studiert und anschließend den Job im Hotel angenommen.“

Sie war mit zehn Jahren ins Internat gesteckt worden. Darum fühlte sie sich in Christchurch auch viel mehr zu Hause als in dem kleinen Ort auf dem Lande, wo ihre Eltern und Jakes Mutter lebten.

„Ich muss schon sagen, du siehst wirklich super aus.“ Anerkennend ließ Jake den Blick über ihr dunkles Kostüm wandern. „Ganz die erfolgreiche Karrierefrau.“

Super? Na, das war sicherlich nur eine höfliche Floskel. Emma wusste genau, dass sie nicht Jakes Geschmack entsprach. Schließlich hatten all seine Freundinnen vollkommen anders ausgesehen als sie.

Für Jake Rendel, den sportlichen humorvollen Jungen mit dem schönsten Lächeln der Welt hatte damals jedes Mädchen geschwärmt, und das hatte er ausgiebig genossen. Es war keine Woche vergangen, in der er nicht die Freundin wechselte.

Ich bin vermutlich die Einzige, mit der er nie geflirtet hat, dachte Emma ernüchtert. Sie war für ihn immer nur die Nachbarstochter gewesen, der er gern dumme Streiche spielte. Und einmal, als sie weinend in den Park geflüchtet war, da hatte Jake sich zu ihr gesetzt, um sie zu trösten. Seit jenem Tag war sie jedes Mal so rot wie eine vollreife Tomate geworden, sobald er in ihre Nähe kam.

Gütiger Himmel! Das schien auch jetzt der Fall zu sein. Emma spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, als Jake plötzlich dichter an sie herantrat.

„Weißt du was?“ Seine Augen blitzten. „Ich denke, ich sollte dich umarmen, weil wir uns so lange nicht gesehen haben.“

Wie lange war es her? Wohl mindestens acht Jahre. Trotzdem hörte Emma hin und wieder, was Jake so trieb, denn seine Schwester Sienna war die beste Freundin ihrer Schwester Lucy. Daher wusste sie zum Beispiel, dass er nicht verheiratet war, sondern von einer schönen Frau zur nächsten wanderte.

„Umarmen?“, wiederholte sie verlegen.

„Ja, oder vielleicht sogar küssen.“

Sie versuchte, seinem strahlenden Blick auszuweichen. Sie bemühte sich wirklich, und für einen winzigen Moment schaffte sie es sogar. Doch schon starrte sie wieder in seine herrlich blauen Augen. „Küssen?“, fragte sie mit bebender Stimme. „Zur Begrüßung, meinst du? Rein freundschaftlich?“

Ein flüchtiger Kuss auf die Wange – das war’s, was ihr vorschwebte. Nur was hatte Jake im Sinn?

„Ach …“, meinte er verschmitzt. „Wir könnten ja abwarten, wie freundschaftlich der Kuss ausfällt. Wie denkst du über den Vorschlag?“

Denken? Sie war nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen, da Jake ihr immer näher kam. So nah, dass sie den markanten Duft seines Aftershaves einatmete und die Wärme spürte, die dieser Mann ausstrahlte. Wie gebannt schaute sie auf seine Lippen, während sich ihr Puls fast überschlug.

Als Teenager hatte sie sich häufig vorgestellt, wie sich diese Lippen zärtlich auf ihre legten. In den schönsten Farben hatte sie sich wieder und wieder ausgemalt, wie Jake Rendel sie küsste. Heute könnte dieser Traum in Erfüllung gehen, und war die Gelegenheit nicht äußerst günstig? Wenn Jake sie jetzt küsste, würden Becca und Jules sicherlich nie wieder so gemein über sie lästern.

Emma blickte flüchtig auf ihre Kolleginnen und sah, dass die beiden sie nach wie vor beobachteten. Diese Chance durfte sie sich einfach nicht entgehen lassen. „Okay“, stieß sie atemlos hervor.

In der nächsten Sekunde bekam sie jedoch Angst vor der eigenen Courage. Becca und Jules hatten ja recht – sie war eine Versagerin, wenn’s um Männer ging. Sie konnte weder flirten noch küssen, und darum war sie im Begriff, sich hier gewaltig zu blamieren.

Für eine Flucht war es nun allerdings zu spät. Bevor Emma sich rühren konnte, beugte Jake sich vor und ließ die Lippen sanft über ihre gleiten. Nur hauchzart und federleicht. Und doch so verführerisch, dass sie sich unwillkürlich nach mehr sehnte.

Jake schien ihr diesen Wunsch von den Augen abzulesen. Erneut suchte er ihren Mund, und Emma erschauerte, als sich seine Lippen an ihre schmiegten – warm, weich und unbeschreiblich schön. Und jetzt wollte sie gar nicht mehr fliehen. Sie genoss es, seine Zärtlichkeit zu spüren und seine Hände, die sich sanft auf ihre Schultern legten, während sie den Kuss erwiderte. Zuerst vorsichtig, dann verwegener, immer hungriger, bis sie Jake voller Verlangen die Lippen öffnete.

Behutsam tastete er sich mit der Zunge in ihren Mund vor, und Emma überließ sich ganz dem heißen Prickeln, das sie durchströmte, während Jake den Kuss vertiefte. Die Welt um sie herum hörte auf zu existieren. Sie nahm nichts mehr wahr außer Jakes Nähe, seinem maskulinen Duft und dem sinnlichen Spiel seiner Lippen und Zunge.

Jake Rendel zu küssen war noch berauschender als alles, was sie sich hatte vorstellen können. Aufseufzend presste sie ihre Hand auf seine Brust. Sie spürte die Hitze seines Körpers durch das T-Shirt hindurch und wünschte, sie könnte Jake noch näher kommen. Noch viel näher.

Darum hätte sie auch fast protestiert, als er sich von ihren Lippen löste.

Fasziniert blickte Jake in Emmas dunkel glühende Augen. Wer hätte gedacht, dass sich die kleine Nachbarstochter in eine so begehrenswerte Frau verwandeln würde? In eine Schönheit, die sehr betörend küsste. Äußerlich wirkte sie unterkühlt. Doch wenn man ihr nahe kam, musste man verdammt gut aufpassen, dass man sich nicht verbrannte, denn in ihr brodelte ein Vulkan. Und sie erinnerte ihn an den Frühling. Jake atmete tief ein, um ihren blumigen frischen Duft einzufangen.

Er hatte sich nie gewünscht, Emma Delaney zu küssen – bis sie vor wenigen Minuten so überraschend vor ihm stand und er zum ersten Mal ihre vollen glänzenden Lippen bemerkte. Wenn er Glück hatte, würde sein fünfwöchiger Aufenthalt in Christchurch weitaus aufregender werden als gedacht.

Jake wollte sich gerade vorbeugen, um Emmas Lippen erneut zu erobern, da sah er, wie sie an ihm vorbeischaute. Sie starrte auf einen Punkt hinter ihm, in Gedanken schien sie meilenweit weg zu sein.

Schon vorhin hatte sie immer wieder zum Tresen geschielt, oder? Also benutzte Emma ihn nur, um die Reaktion eines anderen Mannes zu testen. Schade. Die Party war vorüber, bevor sie begonnen hatte. Auf der Stelle vergaß Jake seinen Plan, eine Affäre mit ihr zu beginnen, und sein Lächeln verblasste, während er einen Schritt zurücktrat. „Hast du ihn erfolgreich eifersüchtig gemacht, Emma?“

Verwirrt schaute sie ihn an. „Wen?“ „Na, den Kerl am Tresen, den du gar nicht aus den Augen lässt, seit wir hier stehen.“

Ihr schockierter Gesichtsausdruck ließ ihn sekundenlang denken, er hätte die Situation falsch eingeschätzt. Aber im nächsten Moment lief sie rot an, und er sah ihren schuldbewussten Blick. Da wusste er, dass er sich nicht irrte. „Ich lass mich nicht gern benutzen, Emma. Und ich hätte nie angenommen, dass du solche Spielchen spielst.“

Sie öffnete den Mund … und schloss ihn wieder.

Jake war noch immer aufgewühlt von dem Kuss, der so zahm begonnen hatte und dann so leidenschaftlich geworden war. Und liebend gern hätte er Emma wieder und wieder geküsst. Wenn sie jedoch nicht ehrlich zu ihm war, konnte er darauf verzichten. Schließlich gab es jede Menge attraktiver Frauen um ihn herum.

„Wir sehen uns“, meinte er trocken, drehte sich um und hielt nach seinem Kollegen Ausschau.

Emma starrte entsetzt auf seinen Rücken. Glaubte Jake etwa, sie hätte ihn so hingebungsvoll geküsst, um jemand anderen eifersüchtig zu machen? Wie absurd, da er doch der einzige Mann war, den sie jemals hatte küssen wollen.

Jemals geküsst hatte … Und noch ganz benommen von diesem wundervollen Kuss hatte sie wohl verträumt zur Seite geschaut. Aber diesmal war ihr Blick ins Leere gegangen. Sie hatte ihre Umwelt gar nicht wahrgenommen und an nichts und niemanden gedacht außer an Jake.

Becca und Jules waren ihr in dem Moment völlig egal gewesen. Oh, hätte sie nur nicht auf diese beiden Hexen geachtet. Dann wäre es nie zu dem Missverständnis gekommen.

Sie musste Jake alles erklären, denn sie ertrug es nicht, dass er eine schlechte Meinung von ihr hatte. Ohne zu zögern, machte sie einen Schritt nach vorn. „Jake, du irrst dich, es war kein anderer Mann im Spiel.“

Er wandte sich ihr zu und blickte sie mit ernster Miene an.

„Aber es stimmt, dass ich vorhin laufend zum Tresen geschielt habe. Dort stehen nämlich zwei meiner Kolleginnen, die über mich lästern. Weil ich … äh …“ Verunsichert schwieg sie einen Moment. Es ist leichter, wenn du einfach die Wahrheit sagst. Emma holte tief Luft. „In deren Augen bin ich eine graue Maus, verklemmt und so langweilig, dass mich kein einziger Mann beachtet. Darum hab ich es ausnutzen wollen, dass sie mich mit dir sehen. Ja, das gebe ich zu. Ich dachte, wenn gerade du mit mir flirtest …“

„Gerade ich?“, unterbrach er sie, und ein breites Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Auch seine blauen Augen strahlten wieder.

Jake schien ihr nicht übel zu nehmen, dass sie ihn „benutzt“ hatte, um ihre Kolleginnen zu täuschen. Und Emma war so erleichtert, ihr Geständnis hinter sich zu haben, dass sie unbedacht weiterplapperte.„Ja, gerade du. Weil du der Hauptgewinn in der Tombola bist. Das war schon früher so. Alle Mädchen wollten dich, und jedes, mit dem du geflirtet hast, wurde von den anderen beneidet. Vollkommen zu Recht, wie ich eben feststellen konnte.“

Er zwinkerte ihr zu. „Danke für das Kompliment.“

„Du küsst wirklich traumhaft.“ Oh … das hätte sie wohl besser für sich behalten, denn prompt begannen ihre Wangen zu glühen. Und nicht nur die Wangen, die Hitze breitete sich bis über den Hals aus.

„Findest du?“ Jake blickte sie schmunzelnd an. Dann beugte er sich vor und meinte mit gedämpfter Stimme: „Wenn du eine Fortsetzung möchtest, stehe ich dir jederzeit zur Verfügung.“

Sie wurde noch röter – falls das überhaupt möglich war. Emma legte beide Hände an die Wangen. Natürlich waren die heiß – heiß genug, um darauf ein Ei zu braten. Oh Gott, wie peinlich!

„Aber eins solltest du wissen“, fügte Jake verschmitzt hinzu. „Ab dem nächsten Kuss gelten meine Spielregeln.“

„Spielregeln?“

Er nickte. „Keine Zuschauer, keine Hintergedanken und …“, seine Augen blitzten, als er sich vorbeugte, um ihr den letzten Teil ins Ohr zu flüstern: „… keine Kleidung.“

Flirten gehörte eindeutig nicht zu ihren Begabungen. Statt Jakes frechen Spruch mit einer witzigen Antwort zu kontern, stand sie verlegen da, mit knallrotem Kopf, und brachte keinen einzigen Ton hervor.

Was auch Becca und Jules bemerkten. Denn die beobachteten alles und grinsten spöttisch, wie Emma sah. Und Jake schaute sich jetzt die Damenriege vor dem Tresen an, mit einem überaus charmanten Lächeln auf den Lippen. Das stahl Emma den letzten Rest an Selbstvertrauen.

Plötzlich war ihr klar: Hätte sie Jake nicht angesprochen, dann würde er längst dort drüben stehen und mit den kurvenreichen Blondinen flirten.

Sie war Emma. Die kleine schüchterne Emma. Sie war in keiner Weise so wie Jakes frühere Freundinnen, und falls der anerkennende Blick, mit dem er ihre Kolleginnen betrachtete, ein Indiz dafür war, hatte er seinen Geschmack nie geändert.

An ihr war er also nicht interessiert. Doch warum hatte er sie geküsst? Aus reiner Neugierde vermutlich. Nur um zu sehen, ob sie sich traute.

Jake wandte sich wieder ihr zu, und sein Lächeln wurde strahlender. Er schien sich gut zu amüsieren. Und was fand er so lustig? Dass ihr Kopf wie eine rote Laterne leuchtete?

Am liebsten würde ich im Erdboden versinken, dachte Emma.

Da hatte sie allen beweisen wollen, dass sie flirten konnte, und nun stand sie hier wie ein begossener Pudel. Und ausgerechnet vor Jake Rendel, dem Mann ihrer Träume. Der sie jetzt sicherlich für die verklemmte Langweilerin hielt, die Becca und Jules in ihr sahen.

Bevor sie sich noch mehr blamierte, sollte sie lieber verschwinden. „Mach’s gut, Jake. War nett, dich zu treffen“, sagte sie so cool wie möglich – obwohl sie genau wusste, wie albern diese Floskel klang, nachdem sie ihn gerade geküsst hatte. Dann schenkte sie ihm noch ein verkrampftes Lächeln und ging.

Ohne einen weiteren Blick auf ihre Kolleginnen.

Emma seufzte. Ein paar wunderschöne Minuten lang hatte sie geglaubt, der Kuss würde Jake etwas bedeuten. Für ihn war es jedoch nur ein Spiel gewesen. Er interessierte sich nicht für sie. Und er würde sich auch nie für sie interessieren.

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen betrat Emma das Hotel schon kurz vor sechs, denn sie wollte in ihrem Büro verschwunden sein, bevor die Handwerker eintrafen. Bevor Jake auftauchte! Dass er während der nächsten Wochen im Sanctuary arbeiten würde, war ihr in der Countrybar noch gar nicht richtig bewusst geworden. Sie war so aufgeregt gewesen, ihn zu sehen. Dann hatte er sie geküsst – in aller Öffentlichkeit. Und sie hatte sich gründlich blamiert – in aller Öffentlichkeit.

Jetzt gab’s reichlich Futter für die Lästermäuler. Wochenlang würden sich alle darüber amüsieren, dass sie bei dem Versuch, mit einem attraktiven Mann zu flirten, jämmerlich gescheitert war. Ach, könnte sie sich nur für immer in ihrem Aktenschrank verkriechen. Sie wollte niemandem unter die Augen treten. Erst recht nicht Jake.

Bis zehn Uhr ließ man sie auch in Ruhe. Aber dann rief Max an und bat sie zu einem Meeting.

„Guten Morgen, Emma“, empfing er sie gut gelaunt, als sie in sein Büro trat. „Kommen Sie, setzen Sie sich zu uns. Thomas, den Inhaber von White’s Construction, kennen Sie ja bereits, nicht wahr?“

Der Mann war im gleichen Alter wie Max. Emma nickte ihm lächelnd zu, als sie Platz nahm.

„Früherer Inhaber“, korrigierte Thomas. „Ich wollte es Ihnen und Max gern persönlich sagen, das ist der Grund meines Besuches. Ich habe das Zepter an die nächste Generation übergeben, damit meine Firma eine Chance auf dem Markt hat. White’s Construction wurde von einem jungen Bauunternehmer aufgekauft.“

„Werden Sie denn weiterhin in der Firma tätig sein?“, erkundigte sich Emma. „Zumindest, bis die Umbauarbeiten im Sanctuary abgeschlossen sind?“

„Oh nein, ich bin froh, endlich mehr Zeit fürs Golfspielen zu haben. Und sollten unsere Handwerker Ihnen irgendwelche Probleme bereiten, wenden Sie sich vertrauensvoll an meinen Nachfolger.“ Mit einer Hand deutete Thomas über ihre Schulter hinweg.

Emma hatte gar nicht bemerkt, dass sich noch jemand im Raum befand. Erstaunt drehte sie sich um, und ihr stockte der Atem, denn dort – lässig an den Fensterrahmen gelehnt – stand Jake.

Doch nicht der, den sie von früher kannte. Der freche Nachbarsjunge, der nur in Jeans und T-Shirt herumgelaufen war. Nein, dieser Jake trug einen dunkelgrauen Anzug, dazu ein weißes Hemd und eine blaue Seidenkrawatte. In diesem eleganten Outfit wirkte er völlig verändert, reifer, seriöser – aber seine Augen funkelten so vergnügt wie eh und je.

Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

Insgeheim verfluchte sie ihr Pech. Wäre Jake einer der Handwerker gewesen, hätte sie ihm mit etwas Geschick aus dem Weg gehen können. Da ihm die Firma gehörte, war das jedoch kaum möglich. Er würde an sämtlichen Meetings teilnehmen und ständig im Hotel herumlaufen, um die Arbeiten zu überwachen.

„Emma ist Ihnen ja bereits bekannt, Jake“, sagte Max amüsiert. „Zumindest sah es mir gestern Abend ganz danach aus.“

Das Glühen in ihren Wangen nahm bedenklich zu. Mist, verflixter! Sie hatte gehofft, wenigstens ihrem Boss wäre die Kussszene entgangen.

„Ja“, bestätigte Jake. „Wir kennen uns seit der Kindheit.“

„Früher waren wir Nachbarn“, ergänzte sie verlegen. „Aber während der letzten Jahre hatten wir uns aus den Augen verloren.“

„Aha, das erklärt die freundliche Begrüßung.“ Max schaute Emma mit einem so verschmitzten Lächeln an, dass sie ihn am liebsten erwürgt hätte. „Würden Sie bitte die Aufgabe übernehmen, Jake durchs Hotel zu führen? Er hat bisher nur die Baupläne gesehen. Zeigen Sie ihm also alles vom Dachboden bis zum Keller.“

Was blieb ihr anderes übrig, als der Aufforderung ihres Chefs nachzukommen und das Büro mit Jake im Schlepptau zu verlassen?

„War es dir peinlich, dass Max auf den Kuss angespielt hat?“, fragte er, sobald sich die Tür hinter ihnen schloss.

Als hätte er das nicht bemerkt! „Nein.“

Jake schmunzelte. Natürlich. Ihn amüsierte es wieder mal, wenn die kleine Emma in Verlegenheit geriet.

Ach, zum Teufel mit ihm! Sie versuchte, sich auf den Job zu konzentrieren, und blickte stur nach vorn, während sie Seite an Seite den Korridor hinuntergingen. „Wo wollen wir anfangen?“

„Vielleicht in der Suite mit dem tollen Kingsize-Bett?“

Den Spruch kann er sich für seine Blondinen aufsparen. Für Becca und Jules, die er gestern mit seinem charmanten Lächeln beglückt hat. Oh, ich könnte heulen, wenn ich daran denke. „Ich zeige dir als Erstes die Küche“, entschied sie und sah ihn mit ernster Miene an.

Jake verzog das Gesicht zu einem übertriebenen Schmollen.

Nun musste Emma doch lachen.

In seiner Nähe konnte sie gar nicht lange böse sein. So war es ihr schon früher ergangen. Er hatte es immer geschafft, sie mit einem kleinen Scherz aufzumuntern. Und ihr Herz hüpfte vor Freude, wenn Jake sie so anschaute wie jetzt, mit diesen lächelnden Augen.

Er zwinkerte. „Tut mir leid, wenn ich dich in der Countrybar verunsichert habe, Emma. Das hatte ich nicht beabsichtigt.“

Davon war sie auch nicht ausgegangen. „Glaube ich dir. Und jetzt lass uns den gestrigen Abend bitte vergessen.“ Damit sie nie wieder an ihren missglückten Flirtversuch erinnert wurde.

„Wie du möchtest. Aber wir sind noch Freunde, oder?“

Sie wünschte sich sehnlichst, sie könnte viel mehr für ihn sein. Trotzdem nickte sie. „Ja, Freunde.“

Von da an fühlte sie sich wohl an seiner Seite, und es machte ihr Spaß, ihn bei der Inspektion des Hotels zu unterstützen. Jake scherzte nicht länger herum, sondern vertiefte sich in seine Arbeit. Fasziniert sah Emma ihm zu, während er Raum für Raum in Augenschein nahm. Hier eine Wand abklopfte und dort die Hand über einen Riss in der Vertäfelung gleiten ließ. Seine Hände waren kräftig, männlich, und doch strich er liebevoll über das seidig schimmernde Holz.

Er hatte schon als kleiner Junge begonnen, mit Holz zu arbeiten. Stundenlang war er manchmal in der Schreinerwerkstatt seines Großvaters geblieben, die sich auf dem Grundstück der Rendels befand. Dass Jake später in die Bauwirtschaft gegangen war, wusste Emma – nur hatte sie nicht geahnt, dass er es sich leisten konnte, eine Firma wie White’s Construction aufzukaufen. War er so erfolgreich?

Sie musterte seinen Anzug – hochwertiger Stoff, maßgeschneidert und sehr schick. Viel aufregender fand sie jedoch den muskulösen Körper darunter, und in ihrem Bauch begann es zu kribbeln, als sie sich vorstellte, Jake würde sie eng an sich ziehen, sie leidenschaftlich küssen …

Ups! Jetzt hatte er bemerkt, wie sehnsüchtig sie ihn anschaute. Er schmunzelte, und das Funkeln in seinen Augen war auch sehr verräterisch.

Hastig wandte sie sich ab, um zu verkünden: „Die nächste und letzte Station auf unserem Rundgang ist die Lobby.“

Der Eingangsbereich des Sanctuary sollte völlig umgestaltet werden. Emma erklärte Jake die geplante Raumaufteilung, und während sie gestikulierte und ihm alles schilderte, legte er ihr plötzlich den Arm um die Schultern und suchte ihren Blick. Verwirrt brach sie mitten im Satz ab. Sie starrte in seine blauen Augen und meinte zu träumen, als er den Kopf senkte und die Lippen zärtlich über ihre Schläfe gleiten ließ.

Emma rührte sich nicht. Nur ihr Herz hämmerte wie verrückt. „Was soll das, Jake?“

„Die Blondine an der Rezeption …“, flüsterte er ihr ins Ohr, und sie versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren statt auf seinen Atem, der warm und verführerisch über ihre Haut strich, „… ist sie eine von denen, die über dich gelästert haben?“

„Ja.“

Bevor sie wusste, wie ihr geschah, zog Jake sie zum Fahrstuhl. „Spiel mit“, bat er leise. „Deine Kollegin beobachtet uns schon die ganze Zeit.“

„Ach, was Becca sagt oder tut, ist mir inzwischen egal.“

„Das glaube ich nicht. Dafür hat sie dich viel zu sehr gekränkt.“

Die Fahrstuhltür öffnete sich, und Jake dirigierte Emma in den Aufzug. Dann drückte er die Knöpfe aller fünf Etagen.

„Was soll das jetzt wieder?“, fragte sie mit klopfendem Herzen und rückte vorsichtshalber ein Stück von ihm ab, sobald er sie losließ.

„Keine Sorge, ich will nur ungestört mit dir reden können.“ Jake schaute sie strahlend an. „Ich möchte dir etwas vorschlagen.“

„Was denn?“

„Dass wir dein Image ein wenig aufpolieren. Damit deine Kolleginnen nie wieder behaupten, du wärst ’ne verklemmte graue Maus ohne Sexappeal. Wir werden ihnen beweisen, dass etwas ganz anderes in dir steckt.“

Emma hob die Augenbrauen. „Und zwar?“

Er trat näher und lächelte verschmitzt. „Ein männermordendes Weib, das die Kerle scharenweise um den Verstand bringt.“

Jake hatte anscheinend schon den Verstand verloren, aber sicherlich nicht ihretwegen. „Du bist verrückt.“

Der Aufzug hielt im ersten Stock. Niemand stieg ein, und Emma wusste, dass sie schleunigst das Weite suchen sollte – doch wie angewurzelt blieb sie stehen und starrte Jake an.

„Hör zu“, sagte er vergnügt. „Wir werden deinen Kolleginnen zeigen, dass sie sich total in dir geirrt haben. Ich bleibe ungefähr fünf Wochen lang in Christchurch, und während dieser Zeit tun wir beide so, als hätten wir eine superheiße Affäre.“

Erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit er sich von einem seriösen Geschäftsmann in einen Clown verwandeln konnte. „Ich werde nicht den ganzen Tag mit dir in der Hotellobby rumknutschen.“

Er zwinkerte ihr zu. „Wenigstens ein paar Stunden?“

„Nein! Lass deine Scherze.“

„Es ist kein Scherz, sondern mein voller Ernst. Bitte, mach mit. Es wird lustig. Außerdem schadet es niemandem.“

Na, da war sie sich nicht so sicher. Für ihn mochte es ein Gag sein, aber ihre Hormone spielten jetzt schon verrückt, dabei hatte die Scharade noch gar nicht begonnen. Wie sollte sie eine Affäre mit Jake Rendel vortäuschen, ohne sich mehr von ihm zu wünschen? Ohne sich in ihn zu verlieben? „Warum tust du das?“

„Weil ich nicht will, dass man über dich lästert, Emma. Komm schon, sag Ja, es wird uns beiden Spaß machen. Hier ein Blick, da eine Berührung – und alle werden wie gebannt zuschauen. Max hat bestimmt nichts dagegen.“

Ein Blick? Eine Berührung? „Und was ist mit deinen Spielregeln?“

Er lachte auf. „Die gelten nur fürs Küssen. Für diese Geschichte müssen wir uns nicht küssen.“

Nicht? Wie schade.

„Sag Ja“, bettelte er. „Wir sind doch alte Freunde, und Freunde helfen sich gegenseitig. Du wirst sehen, wir beide werden ein Spitzenteam sein.“

Emma schüttelte den Kopf. „Jake, das ist …“

„Ach komm. Lass uns diesen gehässigen Blondinen beweisen, was für eine leidenschaftliche Frau in dir steckt.“

Das war schon eine sehr verlockende Vorstellung.

Sie war immer das unscheinbare fleißige Mädchen gewesen. Die Ruhigste in der Klasse. Bei den Lehrern beliebt, weil sie stets alle Fragen beantworten konnte, aber sonst? Mädchen wie Becca hatten mit ihr nur geredet, wenn sie die Hausaufgaben abschreiben wollten. Abgesehen davon, war sie von denen ignoriert worden. Und natürlich belächelt, weil sie so langweilig war, so brav, so schüchtern.

Und heute lästerten die Kolleginnen über sie. Die hatten gut lachen, ihnen fiel es ja auch leicht, sich einen tollen Kerl zu angeln. Eine schöne Frau wie Becca musste nur mit dem Finger schnippen, und schon lag ihr ein Mann wie Jake zu Füßen.

Ein Mann wie Jake. Da es ausgerechnet um ihn ging, konnte Emma kaum widerstehen, seinem albernen Vorschlag zuzustimmen. Es wäre fantastisch, ein wenig mit ihm zu flirten. Sie würden viel Spaß haben. Und ihr Herz? Ach, ihre Gefühle für Jake würde sie schon im Griff behalten.

Wäre es nicht schön, einmal diejenige zu sein, die sich über andere amüsierte? Statt immer verspottet zu werden?

Ein paar Zweifel blieben ihr noch. Emma ahnte sehr wohl, dass sie sich die Finger verbrennen könnte. Doch ohne länger nachzudenken, sagte sie: „Ja, okay.“

Jake strahlte. „Prima. Was meinst du, können wir auch dein Outfit ein bisschen aufpeppen?“

„Warum? Gefällt dir mein Kostüm nicht?“

„Oh doch, es ist nur sehr … brav.“

„Ich werde nicht sexy gekleidet zur Arbeit erscheinen, Jake“, protestierte sie.

„Ist auch gar nicht nötig.“ Beschwichtigend hob er die Hände, bevor er sanft hinzufügte: „Du brauchst keine aufreizende Kleidung, um sexy zu wirken, Emma. Selbst in einem Kartoffelsack würdest du noch erotisch aussehen.“

„Falls du es nicht bemerkt hast, wir sind hier allein. Du musst mir also nichts vorsäuseln. Oder übst du schon mal?“

„Nein, ich sage die Wahrheit.“

„Du bist ein Charmeur, Jake Rendel, und ich sollte mich nicht auf deine Spielchen einlassen.“

Jake lachte. „Du wirst es genießen. Fünf Wochen lang tun wir so, als könnten wir nicht die Finger voneinander lassen, und am Ende unserer heißen Affäre zerquetschst du mein Herz unter deinen zehn Zentimeter hohen High Heels.“

„Ich trage keine High Heels.“

Wieder lachte er. „Vielleicht könntest du …?“

„Nein, hohe Absätze sind unbequem.“ Emma straffte die Schultern. Auch wenn Jake ein weltgewandter Mann war, wie kam er dazu, ihre Kleidung zu kritisieren? Das musste sie sich nicht gefallen lassen. „Denkst du eigentlich, an dir gibt es gar nichts auszusetzen?“

Ein breites Lächeln fuhr über sein Gesicht. „Na ja, du hast es selbst gesagt, Emma – ich bin der Hauptgewinn in der Tombola.“

„Ach, manch ein Glückslos entpuppt sich als Niete, wenn man genau hinsieht“, konterte sie. „Und wer weiß, vielleicht findet Becca dich ja total unattraktiv. Dann wird es ihr kaum imponieren, wenn du mit mir flirtest.“

Jake schmunzelte. „Für den Fall könntest du ihr ein paar interessante Details über mich verraten.“

„Zum Beispiel?“

„Ich bin Eigentümer eines Bauunternehmens, dessen Jahresgewinn im Millionenbereich liegt. Außerdem besitze ich drei Häuser. Eins davon steht auf einer Insel im Tasman Nationalpark, liegt direkt am Strand und ist nur per Boot oder Helikopter erreichbar.“

„Beeindruckend, deine blühende Fantasie, Jake.“

„Es stimmt alles. Aus dem faulen Lausebengel ist ein erfolgreicher Mann geworden, wusstest du das nicht?“

Sie schüttelte den Kopf. „Helikopter?“

„Mit Fluglizenz.“

„Boot?“

„Drei. Segelboot, Jacht und ein Schlauchboot, das so alt ist, dass ich es eigentlich nicht mitzählen dürfte. Aber es schwimmt, also nehmen wir’s auf die Liste.“

Er sah blendend aus, war reich und humorvoll obendrein. Erstaunlich, dass dieser Goldfisch frei herumschwamm. „Warum bist du eigentlich noch Single?“

„Weil es so viele schöne Frauen auf der Welt gibt und ich nun mal die Abwechslung liebe.“

Natürlich, er war ja schon immer ein Playboy gewesen.

„Noch irgendwelche Fragen?“ Jake schaute ihr lächelnd in die Augen. „Oder kann unsere heiße Affäre jetzt beginnen?“

Emma hielt seinem Blick stand, während ihr das Herz bis zum Hals klopfte. Worauf ließ sie sich da eigentlich ein? „Wir täuschen die Affäre aber nur vor, nicht wahr?“

„Klar“, erwiderte er schmunzelnd. „Es ist nur ein harmloses Spiel.“

Ja, oder die größte Dummheit, die ich je begangen habe.

Sie ist zauberhaft. Jake schaute Emma nach, bis sie in Max’ Büro verschwand, dann stieg er in den Fahrstuhl. Trotzdem ist es eine verrückte Idee, den ganzen Tag mit ihr herumzuflirten. Schließlich hatte er gerade eine Firma übernommen. Er musste das umfangreiche Projekt im Hotel überwachen, einen Geschäftsführer für White’s Construction suchen, und sein Bauunternehmen in Auckland lief auch nicht von allein. Also, ihm blieb wirklich keine Zeit für irgendwelche Spielchen.

Aber er konnte doch nicht tatenlos zusehen, wenn man über Emma lästerte. Er hatte sie immer gern gemocht, die Kleine von nebenan. Und wozu waren Freunde da?

Zugegeben … es gab einen weiteren Grund für seinen ritterlichen Einsatz. Jake wünschte, Emma würde ihn noch einmal küssen. Doch im Moment standen seine Chancen wohl schlecht. Sie wollte den gestrigen Abend ja am liebsten vergessen, also bereute sie es schon, mit ihm geflirtet zu haben. Jedenfalls hielt sie ihn heute Morgen auf Abstand. Was blieb ihm da anderes übrig, als zu einem kleinen Trick zu greifen? Und seine Idee war gut. Die war sogar hervorragend. Wenn sie „heiße Affäre“ spielten, boten sich ihm reichlich Gelegenheiten, sie zu einem Kuss zu verführen.

Emma Delaney. Jake lächelte. Jahrelang hatte er nicht an sie gedacht – und seit sechzehn Stunden ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf.

3. KAPITEL

Jake kehrte ins Sanctuary zurück, nachdem er kurz in seinem Apartment gewesen war, um sich umzuziehen. Denn für die Handwerksarbeit brauchte er legere Kleidung. Und der Blondine schien er darin bestens zu gefallen, sie verschlang ihn mit Blicken, während er auf die Rezeption zuging.

„Hi“, begrüßte sie ihn strahlend. „Sind Sie nicht der Typ, der unser Hotel renoviert?“

Er nickte. „Jake Rendel.“

„Becca.“ Ihr Lächeln war sehr einladend, genau wie ihr Blick, aber das ließ Jake völlig kalt. Diese Frau interessierte ihn kein bisschen. Ein schönes Gesicht und eine tolle Figur entschädigten nun mal nicht für einen miesen Charakter, und den hatte sie, wenn sie über Emma lästerte.

Emma, das war diejenige, die er gern sehen wollte, und als hätte sie es geahnt, trat sie aus einem Raum hinter dem Empfangstresen. Was für ein perfektes Timing. Jetzt konnte das Spiel beginnen.

Jake schaute ihr lächelnd in die Augen – Emma blinzelte. Sie wirkte überrascht, ja fast erschrocken.

Herrje! Wie sollte irgendjemand glauben, dass er ihr Lover war, wenn sie ihm nicht mal das kleinste Lächeln schenkte, sondern die Stirn krauszog?

„Jake … ich hatte nicht erwartet, dass du den ganzen Tag bleiben würdest.“

Ohne ihn anzusehen, wechselte sie auf seine Seite des Tresens, und als Jake ihren Arm berührte, zuckte sie sichtlich zusammen.

Er zog schnell die Hand zurück und tat so, als müsse er husten. „Na ja, es ist der erste Auftrag der Firma, seit ich sie übernommen habe, und ich will sicherstellen, dass alles gut läuft.“

Emma hörte ihm gar nicht zu, sie schien mit den Gedanken weit weg zu sein.

„Gefällt es Ihnen in Christchurch?“, flötete Becca.

„Ja, vor allem, da hier eine sehr gute Freundin von mir wohnt“, erwiderte Jake und sah Emma bedeutungsvoll an.

Aber das hätte er sich sparen können, denn sie wich seinem Blick aus. Und ihre Wangen glühten wieder einmal. Jake verstand das überhaupt nicht. Vorhin im Fahrstuhl hatte sie ihm doch noch schlagfertige Antworten gegeben. Richtig kess war sie gewesen und keine Spur von unsicher.

„Könnten Sie die Formulare, die ich Ihnen hingelegt habe, bitte noch heute ausfüllen?“, fragte sie Becca und bekam ein knappes Ja zur Antwort.

Emma nickte ihm kurz zu, dann eilte sie davon. Jake brauchte einen Moment, um sich zu besinnen. Dann folgte er ihr.

Emma flüchtete in ihr Büro. Sie musste erst mal allein sein und Luft holen. Jake legte ja ein geradezu atemberaubendes Tempo vor. Darauf war sie nicht gefasst gewesen. Und bitte … hätte er nicht wenigstens den Anzug anbehalten können? Er sah in Jeans und diesem eng anliegenden T-Shirt, das seine breiten Schultern betonte, einfach zu sexy aus.

Nein, sie konnte nicht mitspielen. Nicht, wenn sie schon bei seinem Anblick weiche Knie bekam.

Die Affäre sollte nur vorgetäuscht werden – aber das sollte mal jemand ihren Hormonen erklären! Die schlugen Purzelbäume, sobald dieser Mann auftauchte.

Sekunden später erschien er im Türrahmen. Trat ein und schloss die Tür hinter sich. „Emma, unser Plan wird nicht funktionieren, wenn du dich mir gegenüber so abweisend verhältst.“

„Er würde ohnehin nicht funktionieren. Es war eine blöde Idee. Also lass uns die Geschichte einfach vergessen, okay?“

„Zu spät. Die Show hat bereits begonnen, du kannst nicht mehr aussteigen.“

„Jake, wir …“

„Entspann dich“, unterbrach er sie. „Ich glaube, du brauchst nur ein bisschen Übung.“

„Übung?“

„Ja. Damit du dich in meiner Nähe wohlfühlst.“

Klar, sie fühlte sich sehr wohl, wenn ihr Herz raste wie jetzt.

„Also, erste Lektion: Ich komme auf dich zu und bleibe vor dir stehen …“

Vor ihr? Er rückte bis auf einen Millimeter an sie heran!

„… nun weich nicht gleich zurück.“

Oh doch, das musste sie. Denn die Versuchung, sich an seine männliche Brust zu schmiegen, war viel zu groß, wenn Jake ihr so nahe kam.

„Zieh deine Kostümjacke aus.“

„Meine Jacke?“

Er seufzte. „Emma, hier drinnen sind vermutlich achtundzwanzig Grad, aber du bist zugeknöpft wie im Winter. Wir brauchen Haut.“

„Haut?“ Hilfe, warum plapperte sie ihm alles nach wie ein Papagei? Wieso konnte sie nicht mehr klar denken, wenn sie in Jakes strahlend blaue Augen blickte?

„Ja, Hautkontakt ist wichtig. Niemand wird uns abkaufen, dass wir scharf aufeinander sind, wenn wir uns nicht berühren.“ Ein verschmitztes Lächeln spielte um seine Lippen. „Bitte. Nur ein nackter Arm. Mehr verlange ich ja gar nicht.“

Wortlos begann sie, ihr dunkles Jackett aufzuknöpfen. Sie zog es selten aus während der Arbeit und auch nur, falls sie allein in ihrem Büro hockte. Denn was sie darunter trug, war nicht für fremde Augen bestimmt. Meist war es ja nur ein Hemdchen. Ein dünnes T-Shirt. Oder wie heute ein weißes ärmelloses Seidentop.

Jake starrte wie gebannt darauf, als es zum Vorschein kam.

Emma zögerte.

„Mach weiter“, forderte er rau. „Zieh die Jacke aus.“

Hmm … wenn er sie mit dieser dunklen erotischen Stimme darum bat, würde sie sich glatt das ganze Kostüm vom Leib reißen. Sie streifte die Jacke ab und warf sie achtlos auf den Boden.

„Okay.“ Jake räusperte sich. „Wie schon gesagt, Hautkontakt ist wichtig.“ Sanft ließ er die Hand an ihrem Arm hinabgleiten. „Nein, Emma, du darfst nicht zusammenzucken und mich ansehen, als wollte ich dich erschießen. Du musst so tun, als würdest du dich nach meiner Berührung sehnen.“

Aber das war ja das Problem. Vielleicht wär’s hilfreich, an etwas ganz anderes zu denken. Etwas wirklich Entspannendes.

Emma versuchte, sich auf ihre Lieblingsblumen zu konzentrieren.

Nur schaffte sie das nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde. Und wie sollte sie auch, wenn Jake ihr sanft mit den Fingern über den Oberarm fuhr und sie dabei dieses angenehme Prickeln überlief?

Gebannt verfolgte sie, wie er mit dem schmalen Träger ihres Tops spielte, ihn zur Seite schob, ihre entblößte Schulter streichelte. Als er mit der Fingerspitze über ihr Schlüsselbein strich, zuckte sie allerdings zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen.

Jake seufzte. „Entspann dich doch. Denk einfach an deinen Traummann und bilde dir ein, er würde jetzt vor dir stehen, okay?“

Wäre nur jede Übung so einfach.

„Ja, so ist es besser“, lobte er sie. „Viel besser. Und sieh mir weiter in die Augen.“

Selbst wenn sie gewollt hätte, sie konnte sich gar nicht von seinem Blick lösen. Und anscheinend machte sie Fortschritte, denn Jake hörte auf, ihr Instruktionen zu geben.

Stattdessen legte er eine Hand an ihr Gesicht. Er streichelte ihre Wange, während er Emma unverwandt anschaute, und sie fragte sich, ob ihre Augen wohl ebenso leuchteten wie seine.

Als er jedoch den Kopf senkte und die Lippen auf ihre Schläfe drückte, da konnte sie an gar nichts mehr denken. Außer an diese weichen warmen Lippen, die ihre Haut liebkosten. Die verführerisch über ihre Wange glitten.

Ein lustvoller Schauer durchlief sie, und Emma wünschte sich nur noch, Jake würde sie wieder so leidenschaftlich küssen wie am Tag zuvor. Sehnsüchtig wandte sie ihm den Mund zu, doch sobald ihre Lippen sich seinen näherten, wich er aus.

Und schlagartig wurde ihr auch klar, warum. Jake „übte“ ja nur mit ihr. Die Zärtlichkeit bedeutete ihm überhaupt nichts.

Ernüchtert erinnerte sie sich daran, dass sie nicht seinem Typ entsprach. Sie war gute zehn Zentimeter kleiner als die meisten seiner Freundinnen und brünett, nicht blond. Und erst recht nicht vollbusig. Es spielte keine Rolle, wie viel Geld sie für Dessous ausgab, sie würde niemals ein sexy Dekolleté haben. Ach, ehrlich gesagt, brauchte sie nicht mal einen BH, und meistens verzichtete sie ja auch darauf – wie heute, zum Beispiel.

Nein, Jake war nicht an ihr interessiert. Er half nur der „Kleinen von nebenan“. Oh Gott, wahrscheinlich sah er in ihr immer noch die bemitleidenswerte Heulsuse, die er damals im Park getröstet hatte. Und sie machte sich hier zum Narren.

Schluss damit! Emma wich einen Schritt zurück. „Genug geübt, Jake.“

„Aber das war nur Lektion eins“, protestierte er.

„Auf alle weiteren können wir verzichten. Ich weiß schon, wie’s geht.“

„Ja …“ Jake schaute ihr lächelnd in die Augen, bis sein Blick tiefer wanderte und einen Moment lang auf ihrem Seidentop ruhte. Dann sah er ihr wieder ins Gesicht. „Das denke ich auch.“

„Jetzt verschwinde bitte. Ich habe zu tun.“

„Gut. Aber versteck dich nicht den ganzen Tag im Büro.“ Er zwinkerte ihr zu. „Wir müssen uns ja hin und wieder da draußen auf dem Spielfeld begegnen.“

Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, blickte Emma an sich hinunter. Sie seufzte. Unter dem dünnen Seidenstoff des Tops zeichneten sich deutlich ihre Brustspitzen ab. Wenn sie nicht besser aufpasste, merkte Jake noch, wie sehr sie ihn wollte.

Und das wäre eine Katastrophe. Er würde sie doch auslachen. Für ihn war ja alles nur ein Spiel. Ein lustiger Streich, um ihre Kolleginnen zu täuschen.

Emma hob ihre Jacke auf, schlüpfte hinein und setzte sich an den Schreibtisch.

Es sollte ihr eigentlich egal sein, wie Becca und Jules über sie redeten. Natürlich, die beiden tratschten vermutlich über jeden. Aber Jake hatte nun mal recht. Sie fühlte sich so gekränkt, dass sie die Geschichte nicht einfach vergessen konnte. Und darum würde sie seine Hilfe annehmen. Oh ja, sie würde ihren Part in der „heißen Affäre“ sehr überzeugend spielen.

Sie durfte nur nie wieder Theater und Realität verwechseln. So, wie es ihr gerade eben passiert war …

Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Sie hob ab und lächelte unwillkürlich, als sie Gitarrenklänge hörte. „Hallo, Schwesterchen. Wie geht’s dir?“

„Prima. Das Semester ist geschafft, heute beginnen die Ferien“, jubelte Lucy.

Sie studierte in Wellington an der Musikhochschule. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Sienna, Jakes jüngerer Schwester.

„Hör mal“, fuhr sie fort, „wir wollen ein bisschen durch die Gegend kurven, bevor Dads große Party steigt. Kann sein, dass wir bei dir reinschneien. Ist das okay?“

„Ja, weißt du doch. Jederzeit.“

„Sienna meint, Jake würde demnächst in Christchurch zu tun haben. Vielleicht läuft er dir über den Weg.“

Emma verdrehte die Augen. Warum hatte Lucy nicht schon gestern angerufen? Dann wäre sie wenigstens gewarnt gewesen. „Vielleicht.“

„Ich muss los. Sienna wartet im Auto. Bis bald, Schwesterherz.“

Bevor sie antworten konnte, war die Leitung tot. Wieder musste Emma lächeln. Lucy war ein richtiger Wirbelwind. Immer fröhlich und unbeschwert. Sie liebte Countrymusic genauso sehr wie Chopin. Und vor allem tat sie nur das, was ihr Spaß machte. Beneidenswert …

Trotzdem sollte ich jetzt zusehen, dass ich die Bilanz fertig bekomme, dachte Emma und machte sich entschlossen an die Arbeit.

Doch während sie auf den Computermonitor schaute, wanderten ihre Gedanken immer wieder zu Jake. Sie spürte noch seine Lippen auf ihrer Wange … Fühlte, wie seine Fingerspitzen sanft über ihre Haut strichen … Alle paar Minuten fragte sie sich, in welchem Bereich des Hotels er sich wohl gerade aufhielt. Wann sie ihn wiedersehen würde. Und ob sie sich vielleicht mal aufs „Spielfeld“ wagen sollte.

Aber nein, sie blieb den ganzen Nachmittag lang in ihrem Büro. Denn fürs Erste reichte es ihr an Aufregung.

Kurz vor sechs musste sie ihr Versteck allerdings verlassen, weil sie ein paar Daten aus der Rezeption brauchte, ohne die sie nicht weiterkam.

„Kann ich die Formulare zurückhaben, Becca?“

„Die habe ich nicht ausfüllen können. Hier war zu viel los.“

„Aber ich hatte doch gesagt, dass ich die Angaben heute benötige.“

„Wozu denn?“ Hätte Jake nicht den Arm um ihre Schultern gelegt, wäre sie vor Schreck wohl bis an die Decke gehüpft.

Emma blickte ihn vorwurfsvoll an. Also, bei dem Überraschungsangriff sollte er sich gefälligst nicht beschweren, wenn sie zusammenzuckte.

Jake schmunzelte so, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Reicht doch, wenn du deine Zahlen morgen bekommst. Heute schaffst du im Büro ja sowieso nichts mehr.“

Becca blickte irritiert von einem zum anderen.

„Weil du jetzt Feierabend hast, Honey. Komm, lass uns nach Hause gehen“, bat er mit sanfter Stimme, während sein zärtlicher Blick ihr Gesicht zu streicheln schien. „Heute Abend wird nicht mehr gearbeitet. Ich habe für uns beide ganz andere Pläne.“

Die Art, wie er das sagte, ließ keinen Zweifel daran, wie diese Pläne aussahen. Und Becca sperrte schockiert den Mund auf.

Emma triumphierte innerlich. „Morgen gegen Mittag, Becca. Könnten Sie es bis dahin schaffen?“

„Sicher.“

„Treffen wir uns in zehn Minuten hier unten?“, fragte Jake, der schon die ganze Zeit so tat, als sei die Blondine gar nicht anwesend. Er schaute nur Emma an, und einen Moment lang verlor sie sich in seinen herrlich blauen Augen.

Eine prickelnde Wärme durchströmte sie. Lag da nicht sinnliches Verlangen in seinem Blick?

Nein, mach dir nichts vor! Denk dran, es ist alles nur Theater. Und du musst jetzt deine Rolle spielen, denn Becca sieht euch zu.

Schauspielerei war nichts für sie, doch dieser Part gelang ihr mühelos. Ein Lächeln für den Mann ihrer Träume, ein tiefer Blick in seine Augen und eine freudig klingende Stimme. „Gut, ich räum nur schnell mein Büro auf. Bin gleich wieder da.“

Sie eilte nach oben und packte hastig ihre Unterlagen zusammen. Schaltete den Computer aus und warf die Aktenordner in den Schrank, ohne auch nur noch einen Gedanken an die Arbeit zu verschwenden.

Es war nicht ihre Absicht gewesen, so früh nach Hause zu gehen. Sie hatte Jake auch nicht über den Weg laufen wollen. Ja, sie hatte sogar gehofft, ihn heute nicht mehr sehen zu müssen.

Doch plötzlich konnte sie es gar nicht mehr erwarten, wieder in seiner Nähe zu sein. Auch wenn’s nur für ein paar flüchtige Momente sein würde. Für die wenigen Minuten, bis sich ihre Wege vor dem Hotel trennten.

Als Emma aus dem Fahrstuhl trat, kam Jake ihr mit einem strahlenden Lächeln entgegen. Er zwinkerte ihr zu.

Und Becca – die beobachtete staunend, wie sie gemeinsam das Hotel verließen.

Auch zwei Straßenecken weiter machte Jake noch keine Anstalten, von Emmas Seite zu weichen. „Was hast du vor?“, fragte sie.

„Dich nach Hause zu bringen.“

„Aber das hast du doch nur gesagt, um Becca zu täuschen.“

„Nein, ich möchte dich wirklich gern begleiten.“

Ihr Herz schlug höher. „Wo wohnst du eigentlich? Im Sanctuary?“

„Nein, das wäre mir zu nah am Job. Ich hab ein Apartment mit Hotelservice gemietet. In den Hagley Towers.“

Emma kannte das Gebäude – es lag nur fünf Minuten von ihrem Häuschen entfernt und direkt am Hagley Park, in dem sie gern spazieren ging. Besonders zu dieser Jahreszeit, da jetzt alles blühte. „Hast du eine schöne Aussicht?“

„Ja.“ Lächelnd schaute er sie an. „Auf den Park. Und wo wohnst du?“

„Hier geradeaus …“, sie deutete die belebte Straße hinunter, „… und dann links.“

„Gefällt es dir, im Zentrum zu wohnen?“

„Ja.“

„Mir auch“, meinte Jake. „Mein Apartment in Auckland liegt mitten im Vergnügungsviertel. Dort, wo es die besten Restaurants der Stadt gibt. Bei der Auswahl fällt es einem verdammt schwer zu entscheiden, wohin man zum Dinner will.“

Seine Bemerkung dämpfte ihre gute Laune. Denn jetzt wurde ihr so richtig bewusst, wie unterschiedlich sie beide waren. Sie saß täglich bis spätabends im Büro, und nur darum war sie in die Innenstadt gezogen. Um nach der Arbeit schnell zu Hause zu sein. Jake dagegen wohnte im Zentrum, weil er das Nachtleben genießen wollte. Und das tat er wohl ausgiebig, indem er jeden Abend mit einer anderen schönen Frau unterwegs war.

Ja, noch schwerer als die Wahl des Restaurants fiel ihm sicherlich die Entscheidung, welche Nummer aus seinem kleinen schwarzen Notizbuch er anrufen sollte. Denn darin standen die Namen etlicher Blondinen, die alle gekonnt flirteten – und niemals vor Verlegenheit rot wurden, so wie sie. Damit konnte sie Jake nicht begeistern.

Ach, Emma wünschte, er würde sie nicht nach Hause begleiten. Sie fand ihn so attraktiv. Und es hatte wenig Sinn, sich etwas vorzulügen – sie war schon wieder genauso verliebt in ihn wie damals. Aber je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto klarer wurde ihr, dass sie so ganz und gar nicht sein Typ war.

„Wir sollten hier mal gemeinsam reingehen.“ Er deutete auf eins der schicken Cafés. „Oder woandershin. Du kannst mir ja zeigen, wo es den besten Kaffee gibt.“

„Wie magst du deinen Kaffee denn?“

„Schwarz und stark.“

Toll. Wenn sie ihm jetzt erzählte, dass sie koffeinfreien Milchkaffee mit Vanillegeschmack trank, würde er sie für ein albernes Kind halten. Mit jedem Schritt fühlte sich Emma niedergeschlagener.

Zum Glück bogen sie bereits in ihre Straße ein. In dieser Allee reihten sich viele moderne Apartmenthäuser aneinander. Doch darin eingebettet standen noch einige der alten Holzhäuser, die früher einmal die Gegend dominierten.

„Hier wohnst du?“, fragte Jake erstaunt, als Emma an ihrer Pforte stehen blieb.

„Ja.“ Und dieses Schmuckstück gehörte sogar ihr. Gleich nach dem Studium hatte sie es erworben und sich dafür hoch verschuldet. Dank ihres guten Jobs fiel es ihr jedoch leicht, die Raten für die Hypothek zu zahlen.

Emma folgte Jakes Blick, während er schweigend ihr Häuschen betrachtete. Es hatte eine Veranda, an deren Pfosten Glyzinien emporkletterten – Blauregen, der mit seinem hellgrünen Laub und lavendelfarbenen Blüten die verwitterte Holzfassade fast bis zum Dach hinauf verzierte. Und in dem winzigen Vorgarten standen Terrakottatöpfe, dicht an dicht, von Efeu umrankt und gefüllt mit herrlich duftenden Blumen in leuchtenden Farben.

„Gefällt es dir nicht?“, fragte Emma, da Jake keinen Ton von sich gab.

„Doch, es ist fantastisch. Ich bin nur … überrascht. Ich dachte, du wärst in einem Haus wie dem da.“

Er deutete über die Straße zu einem Ensemble aus drei Gebäuden. Es waren moderne Kästen mit Flachdächern. Emma fand sie nicht hässlich – sie mochte die klaren Linien, die einheitlich angelegten Gärten mit einheimischen Gräsern, Büschen und Felssteinen. Aber sie liebte ihr Holzhäuschen mit dem romantischen Blumengarten.

Jake betrachtete sie nachdenklich. Er ließ den Blick über ihr Kostüm wandern, und plötzlich wusste Emma, was in ihm vorging: Mit ihrem strengen Outfit passte sie in eins der nüchternen Gebäude gegenüber. Nicht in dieses niedliche von Blüten umrankte Cottage.

Auch er beurteilt mich nur nach dem Äußeren, dachte sie enttäuscht. Genau wie Becca und all die anderen hält Jake mich für eine frigide arbeitswütige Buchhalterin, die sich ausschließlich für Bilanzen interessiert.

„Möchtest du mich nicht hineinbitten?“, fragte er.

„Äh …“ Nein, sie musste Jake für eine Weile entfliehen. Sie wollte allein sein, sich in ihr Hobby vertiefen und nicht mehr denken oder fühlen – damit endlich dieses brennende Verlangen nachließ, das sie schon den ganzen Tag lang quälte. Ihr verwirrter Kopf brauchte Ruhe. Genau wie ihr Herz.

„Tut mir leid. Ich hab noch was zu erledigen.“

Sah sie da nicht Enttäuschung in Jakes Gesicht?

Nein. Das war reines Wunschdenken. Er wollte nichts von ihr. Er hatte sie nur nach Hause begleitet, weil er neu in der Stadt war und hier noch keine andere Frau kannte. In ein paar Tagen würde er seinem schwarzen Notizbuch ein paar Namen hinzugefügt haben und jegliches Interesse an der langweiligen Emma verlieren.

Und das wäre auch das Beste. Sie hatte ja ohnehin keine Chance bei ihm.

4. KAPITEL

„Darf ich dich zum Dinner einladen?“, fragte Jake, als er in Emmas Büro trat.

Sie blickte vom Schreibtisch auf. „Tut mir leid, aber zu Hause wartet noch viel Arbeit auf mich.“

Jeden Tag dieselbe Ausrede. Er war jedoch fest entschlossen, heute kein Nein zu akzeptieren. Diesen Abend wollte er mit Emma verbringen. Denn obwohl er sie mehrmals am Tag sah, reichte ihm das nicht.

Seit einer Woche war er jetzt hier, und er kam weitaus häufiger ins Sanctuary, als es der Job erforderte – nur um die Chance zu haben, ihr über den Weg zu laufen. Damit sie die „heiße Affäre“ spielen konnten, ja, das nahm er als Vorwand. Doch in Wahrheit brannte er darauf, Emma kennenzulernen. Und zwar die leidenschaftliche Frau, die in ihr steckte. Und die romantische Blumenliebhaberin. Er war neugierig auf all die Seiten an ihr, die sie so geschickt unter ihrem strengen Businesskostüm verbarg.

Obwohl … ein bisschen mehr zeigte sie ja schon von sich. Zum Glück trug sie keine Jacke mehr, sondern ärmellose Blusen. Die waren bei Weitem nicht so aufregend wie das hauchdünne Seidentop von neulich, trotzdem sah sie darin ausgesprochen verführerisch aus.

Er liebte es, sie anzuschauen. Eigentlich wusste er gar nicht, was ihm besser gefiel, ihr zartes Gesicht oder ihre zierliche Figur. Und er ließ keine Gelegenheit aus, um sie zu berühren. Wobei er erstaunlicherweise schon das Streicheln ihrer Hand höchst erotisch fand.

Ob ihre Kolleginnen sie beim Flirten beobachteten, war inzwischen nebensächlich. Denn Emma spielte ihren Part in der „heißen Affäre“ perfekt, und so glaubten längst alle, dass sie jede freie Sekunde in seinem Bett verbrachte.

Jake wünschte, es wäre so.

Doch bisher war sie nicht mal bereit gewesen, mit ihm essen zu gehen. Sie vermied es, mit ihm allein zu sein, und bei den wenigen Gelegenheiten hielt sie ihn auf Abstand. Da war sie wie ein scheues Reh, das zurückwich, wenn man ihm zu nahe kam.

Dabei wollte sie ihn. Na sicher, er sah ja das Verlangen in ihren schönen braunen Augen, wenn sie ihn anschaute wie jetzt. Und da er gerade zum tausendsten Mal an den berauschenden Kuss dachte …

An dem Abend hatte Emma sich einen Moment lang erlaubt, ihm ihre Leidenschaft zu zeigen. Und dieses Feuer in ihr wollte Jake wiederentdecken. Unbedingt. Aber wie sollte er das anstellen, wenn sie sich von ihm zurückzog? Wenn sie nicht mal seine Einladung zum Dinner annahm?

Mal sehen, vielleicht verhalf ihm die Masche Wir sind doch Nachbarskinder zu einem Date mit ihr. „Ach komm, es muss ja nicht spät werden. Wäre es nicht schön, bei einem Glas Wein über die guten alten Zeiten zu plaudern?“

Sie seufzte. „Okay, einverstanden. Dann lass uns zum Strip gehen.“

„Wie bitte?“ Jake tat überrascht. „Du willst mit mir zum Strip?“

Emma wurde rot. „So wird die Gegend unten am Fluss genannt, wo es viele Bars und Restaurants gibt.“

Klar, das wusste er. Aber er liebte es nun mal, sie ein wenig in Verlegenheit zu bringen. Nicht, um sich über sie lustig zu machen. Nein – sie sah so süß aus, wenn sie rot wurde.

Die Leute drängten sich auf der Vergnügungsmeile am Fluss, jedes der Restaurants war gut besucht. Jake hatte jedoch einen Tisch auf einer sehr schönen Terrasse ergattert, und von dem Trubel um ihn herum bekam er wenig mit – sein Blick war auf Emma gerichtet. Wie sie wohl aussah, wenn die dunklen Locken ihr Gesicht umschmeichelten? Es kribbelte ihn in den Fingern, den Nackenknoten zu lösen und durch ihr seidig glänzendes Haar zu streichen. Diese wunderschöne Farbe hatte es schon immer – ein tiefes Braun, wie dunkle Schokolade.

Emma spielte mit ihrem Glas, wartete auf das Essen und wohl auch darauf, dass er etwas sagte.

„Erinnerst du dich eigentlich an unsere Unterhaltung im Park?“ Die Geschichte hatte er längst vergessen gehabt, aber seit einer Woche dachte er häufig daran.

Es waren die ersten heißen Sommertage gewesen, kurz nach seinem sechzehnten Geburtstag. Er hatte sich mit ein paar Freunden zum Skateboarden getroffen, und während sie den Park durchkreuzten, hatte er Emma entdeckt – wie ein Häufchen Elend saß sie am Bach, etwas versteckt inmitten hoher Gräser.

Er war stehen geblieben, um zu sehen, was mit ihr los war. Und selbst aus zwei Metern Entfernung erkannte er, dass sie weinte. Sie sah so unglücklich aus, als wäre etwas Furchtbares passiert. Als hätte ihr jemand wehgetan. Und auf eine Art war es ja auch so, wie er dann erfuhr.

Seine Freunde hatte er weiterziehen lassen. Er war zu Emma gegangen, um sie zu fragen, warum sie weinte. Und schluchzend erzählte sie ihm, dass sie sich nicht nach Hause traute, weil ihr Zeugnis zu schlecht war. Fast hätte er gelacht, denn wie er in der Schule abschnitt, hatte ihn nie interessiert.

Für sie schien es jedoch eine Rolle zu spielen, also bat er sie, ihr Zeugnis sehen zu dürfen. Und noch nie hatte er so ungläubig auf ein Stück Papier geblickt – ihre Noten waren fantastisch, und zwar jede einzelne.

„Wieso bist du damit unzufrieden?“

„Bin ich ja nicht“, schluchzte sie. „Aber mein Vater. Er hat gesagt, wir verbringen die Ferien am Meer, wenn ich die Beste in der Klasse bin. Aber ich bin nur im Kunstunterricht die Beste, und das zählt nicht, also fahren wir nicht in den Urlaub.“

„Natürlich fahrt ihr. Er hat nur versucht, dich zu motivieren. Du hast super Noten. Bessere, als ich jemals hatte. Und dann dieser Kommentar deiner Kunstlehrerin … sie lobt dich ja überschwänglich.“

Die Tränen schossen ihr aus den Augen. „Kunst muss ich im nächsten Jahr aufgeben“, brachte sie mit erstickter Stimme hervor. „Dad meint, es sei Zeitverschwendung.“

Jake versuchte, sie aufzumuntern. „Ach, das überlegt er sich noch mal, wenn er dieses tolle Zeugnis sieht. Und ob du nun die Beste bist oder nicht, dein Dad wird in jedem Fall stolz auf dich sein.“

War er aber nicht, und sie behielt recht. Sie fuhren nicht ans Meer. Stattdessen musste Emma die Sommerferien in einem Mathe-Camp verbringen. Für diese Grausamkeit hätte Jake ihren Vater am liebsten verprügelt.

Emma spielte noch immer mit ihrem Glas und blickte auf den Tisch. Jake dachte schon, sie hätte seine Frage nicht gehört, doch plötzlich sagte sie leise: „Du meinst den Tag, an dem ich vom Internat nach Hause gekommen war und du mich getröstet hast?“

„Ja.“

Sie lächelte verlegen. „Es war albern von mir, wegen eines Zeugnisses zu heulen. Bestimmt hast du mich insgeheim ausgelacht.“

„Nein, du hast mir leidgetan.“ Darum hatte er den Arm um sie gelegt, wie er es bei Sienna oft tat, um sie zu trösten. Und die damals dreizehnjährige Nachbarstochter war für ihn ja auch so etwas wie eine Schwester gewesen. Nach einer Weile hatte er ihr angeboten, sie nach Hause zu begleiten, da sie das jedoch nicht wollte, war er gegangen.

Dann hatten sie sich ein paar Wochen lang nicht gesehen, weil sie in dieses Mathe-Camp musste. Und er verbrachte die Ferien als Pflücker auf einer Obstplantage.

Anschließend war er nicht an die Schule zurückgekehrt. Er hatte sich einen Job als Bauarbeiter gesucht, um die Familie zu unterstützen. Denn im Frühjahr war sein Vater verstorben, an einem Herzleiden, das Sienna leider von ihrem Dad geerbt hatte. Und Jake war nicht bereit gewesen, auch noch seine Schwester zu verlieren. Darum hatte er zugesehen, dass er möglichst viel Geld verdiente, damit er die hohen Arztrechnungen bezahlen konnte und seiner Mutter mehr Zeit für die Kleine blieb.

Emma räusperte sich. „An dem Tag warst du nett zu mir. Aber sonst hast du Wasserbomben über den Zaun geworfen.“

Stimmt. Jake schmunzelte.

„Mir eine Kröte in die Hosentasche gesteckt“, fuhr sie lächelnd fort.

„Ach, komm, es war nur ein winziger Frosch.“

„Aber ein sehr zappeliger.“ Ihre Augen funkelten vergnügt. „Und du hast dich darüber amüsiert, wie ich schreiend durch den Garten gelaufen bin.“

„Schuldig“, gab er grinsend zu.

Ein volles ungezwungenes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht.

Es war schön, Emma so entspannt zu sehen. Sie glücklich zu sehen. Sie schien sich gern an seine Streiche aus der Kindheit zu erinnern. Darum begann Jake auch sofort, eine lustige Episode nach der anderen zu erzählen, damit das Funkeln in ihren Augen gar nicht erst wieder erlosch.

Sie waren längst beim Dessert angelangt, als Emma in Gedanken zum Anfang ihrer Unterhaltung zurückkehrte.

Du hast mir leidgetan.

Es überraschte sie, dass Jake sich an diese halbe Stunde im Park erinnerte. Sie selbst hatte natürlich keine Sekunde davon vergessen. Schließlich hatte sie sich dort am Bach in ihn verliebt.

Er war stehen geblieben. Er hatte ihr zugehört. Er hatte sie getröstet.

So viel Anteilnahme hatte sie bis dahin noch nie erfahren. Und seitdem auch nie wieder. War es ein Wunder, dass sie nicht aufhören konnte, sich nach ihm zu sehnen?

Jake hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt. Freundschaftlich. Doch in ihr war plötzlich der Wunsch aufgekommen, sich an ihn zu schmiegen. An diesen sportlichen gebräunten Jungen, dessen Körper erhitzt vom Skateboarden war. Dieses neue ungewohnte Gefühl hatte sie etwas verwirrt. Und während sie kaum atmen mochte, hoffte sie, Jake würde auch den anderen Arm um sie legen. Nur tat er das leider nicht. Und sie wünschte, er würde ewig bei ihr sitzen bleiben.

Aber er stand auf, und im selben Moment vermisste sie seine Nähe schrecklich.

Sie hatte noch lange im Gras gesessen. Nicht mehr geweint, nicht mehr an ihr Zeugnis gedacht, sondern nur noch an Jake.

Bis zu jenem Tag war er für sie nur der Lausebengel von nebenan gewesen. Und danach? Der attraktivste Junge weit und breit, ihr Held, ihr Traumprinz.

Der für die kleine dürre Nachbarstochter allerdings nur ein freundliches Lächeln übrig hatte. Seinen Charme sparte er sich für die kurvenreichen Blondinen auf. Gegen all diese kessen sexy gekleideten Mädchen war Emma chancenlos gewesen.

Sie hatte ihm leidgetan. Und sie tat ihm noch immer leid. Toll. Nur darum hatte er sich das Spielchen „heiße Affäre“ ausgedacht. Ach ja … die Hoffnung, es könnte ihm gefallen haben, sie zu küssen, die sollte sie wirklich langsam begraben. Jake fand sie nicht attraktiv. Er spielte nur den edlen Ritter, der einem unscheinbaren Mädchen half, sich in eine Prinzessin zu verwandeln – aber auch nur bis Mitternacht.

Die Uhr tickte – laut und deutlich –, und schon bald würde die kleine Emma wieder das Aschenputtel sein. In diesem Märchen gab’s kein Happy End.

Sie hätte Jakes Einladung zum Dinner ablehnen sollen. Nur schaffte sie es nicht länger, Nein zu sagen. Dafür sehnte sie sich zu sehr nach seiner Nähe, seinen Berührungen.

Ihre Kostümjacke hing als Staubfänger am Kleiderhaken. Sie trug nur noch ärmellose Blusen – in der Hoffnung, Jake würde ihren Arm streicheln, seine Hand auf ihre nackte Schulter legen. Den ganzen Tag über konnte sie es nie erwarten, ihn wiederzusehen. Darum lief sie schon ohne jeglichen Grund durchs Hotel – nur um die Chance zu haben, ihm zu begegnen.

Und sobald sie ihn entdeckte, würde sie am liebsten vor ihm flüchten. Denn jede Berührung, jedes zärtliche Wort, jeder Blick von Jake steigerte ihr Verlangen. Und es wurde immer schwerer, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen.

Doch genau das musste sie tun, denn für ihn war ja alles nur eine Show.

Darum vermied sie es auch, mit ihm allein zu sein. Sie hatte zu viel Angst, Jake könnte ihr ansehen, wie sehr sie ihn wollte – und bemerken, dass sie ihn liebte.

Er blieb noch vier Wochen. Und obwohl sie hoffte, diese Zeit würde niemals enden, wünschte Emma, sie wäre bereits vorbei.

„Wollen wir tanzen gehen?“, fragte Jake lächelnd.

Mit Sicherheit nicht. Sie tanzte nie, und erst recht nicht mit diesem attraktiven Mann, dem sie ohnehin schon leidtat. Er würde vor Mitleid zerfließen, wenn er sah, wie ungelenk sie sich auf der Tanzfläche bewegte. „Nein, ich möchte nicht so spät zu Hause sein. Ich hab noch was zu tun.“

„Das kann bis morgen warten, Emma. Morgen ist Samstag, da hast du Zeit, alles zu erledigen. Komm, lass uns noch ein bisschen Spaß haben.“

„Ich kann nicht tanzen.“

„Das glaube ich dir nicht. Alle Frauen können tanzen.“

All seine Blondinen, ja. Sie nicht. „Tanzt du denn gern?“

„Das kommt auf die Partnerin an.“ Jake sah ihr tief in die Augen. „Mit dir würde ich für mein Leben gern tanzen.“

Autor

Natalie Anderson
Natalie Anderson nahm die endgültigen Korrekturen ihres ersten Buches ans Bett gefesselt im Krankenhaus vor. Direkt nach einem Notfall-Kaiserschnitt, bei dem gesunde Zwillinge das Licht der Welt erblickten, brachte ihr ihr Ehemann die E-Mail von ihrem Redakteur. Dem Verleger gefielen ihre früheren Korrekturen und da es gerade einen Mangel an...
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