Nur du weckst mein Begehren

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Was zieht ihn an dieser Frau so an? Nach einer gemeinsamen Nacht kann Business-Tycoon Ben Sabin sein Begehren nach der sinnlichen Sophie kaum bezähmen. Doch soll er ihr wirklich trauen? Oder ist sie nur an seinen Millionen interessiert?


  • Erscheinungstag 27.05.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507004
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ben Sabin warf dem Parkwächter des gepflegten neuen Messena Resorts in Miami Beach die Schlüssel seines Jeep Cherokee zu. Nachdem er seine Schlüsselkarte beim Hotelportier abgeholt hatte, ging er am Eingang zum großen Empfangssaal vorbei, wo etliche elegant gekleidete Menschen in kleinen Grüppchen zusammen standen, Champagner tranken und Canapés aßen. Er war bereits beinahe auf der anderen Seite des Foyers angelangt, als eine bekannte Klatschkolumnistin auf ihn zueilte.

„Ben Sabin“. Sally Parker konnte ihr Entzücken kaum verbergen, als sie mit ihrem Handy begann, ihn zu filmen. „Wussten Sie, dass die Messena-Zwillinge hier sind?“

Obwohl er seit Langem wusste, dass die beiden hier sein würden, lösten die Worte der Frau ein unbehagliches Gefühl in ihm aus, was ihn ärgerte. Er hätte längst über die verhängnisvolle Affäre mit der verwöhnten Erbin Sophie Messena hinweg sein müssen.

Er wusste nur allzu gut, zu was eine Beziehung mit einer Frau wie Sophie führen würde. Vor sechs Jahren hatte ihn seine schöne wohlhabende Verlobte verlassen, was ihn beinahe in den Bankrott getrieben hatte. Die Frau war nur auf sein Geld aus gewesen und es hatte lang gedauert, bis er sich von dem finanziellen Tief erholt hatte. Nach jahrelanger harter Arbeit und einem Erbe, das ihn über Nacht zum Milliardär gemacht hatte, war er Sophie Messena begegnet.

Sophie Messena. Groß, schlank und sportlich mit einem langsamen geschmeidigen Gang. Glücklicherweise war es Ben leichtgefallen, sich nach der einen gemeinsamen Nacht von ihr fernzuhalten. Denn genau wie seine Ex-Verlobte schien auch Sophie sich mehr für sein Aktienportfolio zu interessieren als für ihn als Mensch. Die Entscheidung, sie nicht mehr zu treffen, war reiner Selbsterhaltungstrieb gewesen.

Allerdings hatte die Presse die Dinge dank eines Publicity-Spektakels etwas anders gesehen, das Sophie ein paar Tage später abgezogen hatte. Sie hatte es nämlich so aussehen lassen, als hätte sie Ben abserviert.

Zu Bens Leidwesen war ihm Sally Parker immer noch dicht auf den Fersen. Selbst sein knappes „Kein Kommentar“ stieß bei ihr auf taube Ohren.

Während sie auf ihren hochhackigen Schuhen versuchte, mit ihm Schritt zu halten, sah sie neugierig zu ihm auf. „Sie interessieren sich aber nicht für beide Zwillinge, oder? Wie ich hörte, waren Sie und Sophie Messena mal für kurze Zeit liiert, obwohl sie gestern sagten…“, lächelnd runzelte Sally die Stirn, als müsse sie genau darüber nachdenken, was sie noch vor wenigen Stunden in mehreren sozialen Medien verbreitet hatte. „Sie bezeichneten die Zwillinge als strohdumm und verwöhnt und meinten, dass ein Mann gehirnamputiert sein müsse, um mit einer von ihnen zusammen zu sein.“

Ben blieb vor der Aufzugtür stehen. Er hatte Mühe, sich zusammenzureißen. Doch die vielen Jahre beim Militär und seine Arbeit in der Baubranche hatten ihn geduldiger gemacht. Schnell drückte er auf den Knopf des Aufzuges, der direkt zu Nick Messenas Penthouse-Büro führte. Betont gelangweilt sah er zu den blinkenden Zahlen der Stockwerke auf, die anzeigten, dass der Lift unterwegs war.

Er hatte nichts von dem gesagt, was Sally behauptete, schließlich wäre er sonst selbst vor einem Jahr gehirnamputiert gewesen und wäre es heute immer noch. Denn obwohl er sich heftig dagegen wehrte, es hatte sich nichts geändert: Er begehrte Sophie immer noch.

Die Klatschkolumnistin lehnte neben ihm an der Wand, obwohl er sie ignorierte. Argwöhnisch lächelte sie ihn an. „Komisch, dass Sie dann mit Sophie Messena zusammen waren. Ein Jahr, nachdem sie Sie verließ, machen Sie nun mit ihrem Bruder Nick Geschäfte und Sophie ist auch hier. Was ist hier wirklich los, Ben? Es kommt mir so vor, als könnten Sie nicht von ihr ablassen.“

Endlich glitten die Aufzugtüren auf. Sofort trat Ben ein, hielt die Schlüsselkarte an den Kartenleser und drückte den Knopf für Nicks Büro. Sekunden später schoss der Aufzug in die Höhe. Erleichtert atmete Ben auf.

„Du bist fast zu spät“, begrüßte ihn Hannah, die frühere persönliche Assistentin seines Onkel Wallace. Ben hatte die Frau übernommen, nachdem er Wallaces Multimilliarden-Baufirma und Immobiliengesellschaft geerbt hatte.

Ben zog eine Augenbraue hoch. Hannah war mittleren Alters, etwas füllig und besaß einen trockenen nüchternen Humor. Ben wusste Hannahs Direktheit zu schätzen. „Mir kam was dazwischen.“

„Lass mich raten“, murmelte Hannah auf dem Weg zu Nicks Büro. „Die kleine Messena?“

„Die, bei der ich gehirnamputiert sein müsste, um mit ihr zusammen zu sein?“, konterte Ben, nach einem Blick auf seine Armbanduhr.

Entschuldigend blickte Hannah ihn an. „Tut mir leid. Ich hätte mit dem Kommentar warten sollen, bis wir gestern am Flughafen aus dem Taxi draußen waren.“

Denn der Taxifahrer hatte Hannahs Worte direkt an die Presse weitergegeben und dafür sicher eine nette Summe Geld kassiert.

„Du hättest es gar nicht sagen sollen. Ich habe Sophie seit einem Jahr nicht gesehen.“

Allerdings ging ihm ihr Anblick beim letzten Mal, als er Sophie gesehen hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Ihre unheimlich langen und dichten Wimpern, die hohen Wangenknochen. Ihr dunkles Haar, das ihr über ihren nackten Rücken gefallen war. Ihr schmaler Arm, der auf seinem Kissen gelegen hatte, als sie geschlafen hatte.

Sophie Messena hatte überhaupt nicht ausgesehen wie das Promi-Partygirl, wie sie überall beschrieben wurde, wovon sich Ben hatte täuschen lassen. Ihr Blick war kühl und direkt gewesen und sie hatte eine offenkundige Intelligenz ausgestrahlt. Offenbar war sie es gewohnt, das Sagen zu haben, was ihn bei anderen sicher genervt hätte, was er aber bei ihr als faszinierend empfunden hatte …

Hannah blieb stehen und musterte ihn kritisch. „Willst du meine Meinung hören? Du hättest den Vertrag nicht heute unterschreiben sollen. Nicht, wenn Sophie in der Nähe ist. Dass du einen Zeitpunkt gewählt hast, an dem sie hier ist, spricht Bände.“

Oh, Mann, dachte Ben genervt. Früher, vor Sophie Messena, hatte er sich mit Arbeitskollegen über Risikomanagement, Vertragspflichten und Geschäftsabschlüsse unterhalten. Heute wollte jeder seine Meinung zu seinem gestörten Liebesleben loswerden. „Der neue Deal muss unterschrieben werden und dieses Resort ist das letzte Projekt, das ich für Nick managte, ehe ich Messena-Bau verließ. Ich muss hier sein.“

Hannah seufzte. „Na gut, wenn du meinst“, meinte sie nur, drehte sich um und ging am Tisch der Vorzimmerdame vorbei auf eine geöffnete Tür zu. Hannah hatte recht, dachte Ben grimmig. Vor einem Jahr hatte Nick die Tatsache geflissentlich übersehen, dass Ben mit Sophie geschlafen hatte, weil er, wie alle anderen auch, dachte, Sophie habe Ben sitzen gelassen. Ben war sich sogar ziemlich sicher, dass er Nick leidgetan hatte. Würde er aber wieder mit Sophie etwas anfangen, wäre das etwas ganz anderes. Entweder müsste Ben dann die Verbindungen zur Messena Gruppe abbrechen oder Sophie Messena heiraten.

Ben wollte auf keinen Fall denselben Fehler wie sein Vater machen, der eine Frau geheiratet hatte, die nur an seinem Geld interessiert gewesen war, was letztendlich dazu geführt hatte, dass Bens Vater sich umgebracht hatte. Sophie war genauso karrierebesessen und berechnend und es wäre völlig verrückt, wenn Ben dieses Risiko eingehen würde.

Er betrat Nicks elegantes Büro. Nick und John Atraeus standen draußen auf der Terrasse und Ben gesellte sich zu ihnen. Warme tropische Luft schlug ihm entgegen und die Aussicht auf Miami war atemberaubend. Womöglich hätte er doch einen anderen Zeitpunkt für dieses Treffen wählen sollen. Zum Beispiel den nächsten Morgen kurz vor John und Nicks Abreise.

Aber er konnte Sophie einfach nicht vergessen. Wenn er an sie dachte, verspürte er immer noch dasselbe Gefühl, das er bei ihrem Anblick empfunden hatte, als sie schlafend in seinem Bett gelegen hatte.

Er begehrte sie immer noch und der Frust und der Unmut, die ihn seit der Nacht plagten, hatten irgendwie sein ganzes Liebesleben über den Haufen geworfen.

Das zuzugeben, ärgerte Ben, denn es bedeutete, dass sein Verlangen nach ihr immer noch sein Leben beeinflusste, was er ganz und gar nicht wollte.

Doch er hatte alles versucht. Zuerst Abstinenz, was ganz und gar nicht funktioniert hatte. Dann war er mit etlichen anderen Frauen ausgegangen, wobei er besonders darauf geachtet hatte, dass sie Sophie nicht ähnlich sahen. Auch das hatte nichts genützt, weil ihn keine der hübschen Blondinen, die er kennengelernt hatte, wirklich interessiert hatte.

Womit nur noch eine Möglichkeit übrig blieb, über Sophie hinwegzukommen. Eine verrückte, riskante Möglichkeit.

Er würde mit der hinreißenden, faszinierenden Sophie Messena ins Bett gehen … nur noch ein einziges Mal. Und sich dann für immer von ihr verabschieden.

Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn sie Ben Sabin noch mal an sich heranlassen würde. Sophie Messena fuhr im Aufzug des neuesten Resorts ihres Bruders ins Erdgeschoss. Sie wollte Ben lediglich wegen seines üblen Verhaltens zur Rede stellen, als er vor einem Jahr mit ihr geschlafen hatte und sie dann mir nichts dir nichts fallen gelassen hatte wie eine heiße Kartoffel.

Der Gedanke, Ben wiederzusehen, machte Sophie nervös. Er war ein Prachtexemplar von einem Mann: einssechsundachtzig groß, breitschultrig, muskulös, dunkle kurze Haare, gemeißelte Gesichtszüge und tiefblaue Augen. Als er sie damals mit diesen wunderschönen Augen angesehen hatte, war Sophie dahingeschmolzen.

Aber das würde ihr ganz sicher nicht mehr passieren.

Heute Abend würde sie der verhängnisvollen Anziehungskraft, die Ben auf sie ausübte, ein Ende machen. Seit über zweieinhalb Jahren war sie wie besessen von diesem Mann und ab heute würde das anders werden.

Es würde endlich vorbei sein.

Sie zwang sich, sich zu entspannen, als sie aus dem Aufzug trat und langsam durch das Foyer schritt. Es war elf Monate her, dass sie mit ihrem SUV von der Straße abgekommen war und sich dabei eine Bandscheibenverletzung zugezogen hatte. Sie verspürte noch immer eine leichte Steifheit im Kreuz. Der Physiotherapie und ihren Übungen zu Hause, hatte sie es zu verdanken, dass ihrem Gang heute fast nicht mehr anzusehen war, dass sie vor ein paar Monaten kaum mehr hatte gehen können.

Das war drei Wochen nach der stürmischen Nacht mit Ben gewesen. Den Zettel, den er ihr geschrieben hatte und in dem er ihr für den netten Abend gedankt hatte, hatte sie sofort weggeworfen.

Netter Abend.

Als hätten die achtzehn Monate davor voller heißblütiger und elektrisierender Anziehung gar nicht existiert. Es war Sophie damals schwergefallen, an irgendetwas anderes als an Ben Sabin zu denken. Und dann waren da diese frustrierenden Treffen gewesen, die zu nichts geführt hatten, ehe sie endlich beschlossen hatte, alles zu riskieren und Ben an seinem letzten Abend in Dolphin Bay zu verführen.

In der Nähe einer mit Palmen dekorierten Nische blieb sie stehen. Dort hatte sie sich für den heutigen Abend mit ihrem Date verabredet. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass er zu spät war, was sie ärgerte, denn auf keinen Fall durfte sie heute Abend allein gesehen werden.

Einen beunruhigenden Moment lang konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wie der Mann hieß, mit dem sie sich traf. Erst als er auf sie zukam, fiel ihr sein Name wieder ein. Tobias. Allerdings war das wenig überraschend, denn sie hatte den Mann erst zweimal kurz im Vorbeigehen gesehen, als er mit ihrer Zwillingsschwester aus gewesen war.

Als sie Tobias begrüßte, verkrampfte sich Sophie wieder ein wenig. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern, bis sie Ben sehen würde.

Vor einem Jahr hatte Ben sie sitzen lassen, drei Wochen später hatte sie den Unfall gehabt. Körperlich hatte sie sich fast völlig erholt und heute Abend würde sie testen, wie es um ihr geistiges und emotionales Wohlergehen stand, nachdem sie für unzählige Stunden teurer Therapie bezahlt hatte. Ihre Therapeutin hatte ihr mehrmals versichert, dass sie mittlerweile immun gegen Ben Sabin sein sollte.

Stirnrunzelnd ließ Sophie ihren Blick über die Menge schweifen. Es waren hauptsächlich Geschäftsleute und natürlich sehr viele Presseleute gekommen. Ihr Magen zog sich nervös zusammen, als sie meinte, Ben entdeckt zu haben. Doch es handelte sich um einen anderen großen dunkelhaarigen Mann. Sie atmete tief durch und versuchte, sich zu entspannen.

„Möchtest du tanzen?“, holte sie die Stimme von ihrem Date Tobias wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Wenn sie Glück hatte, würde Ben sie später mit Tobias sehen und denken, dass für sie die leidenschaftliche Nacht, die sie miteinander verbracht hatten, längst der Vergangenheit angehörte und sie einen neuen Freund hatte.

„Vielleicht später“, erwiderte sie und lächelte Tobias vielversprechend an. Am besten wäre es, wenn sie mit Tobias auf ein langsames Lied tanzen würde, wenn Ben den Saal betrat und sie sah.

Sophie hakte sich bei Tobias unter und ging mit ihm zur Bar, wo sie sich ein Mineralwasser bestellte. Beruhige dich endlich, du bist doch über Ben hinweg, ermahnte sie sich.

„Ertränkst du jetzt mit Mineralwasser deine Sorgen?“

Sophie verschluckte sich fast, als sie Francescas Stimme neben sich hörte und sich zu ihrer Zwillingsschwester umdrehte. Fast hätte sie sie nicht erkannt. „Du hast dir die Haare blond gefärbt!“

Francesca bestellte beim Barkeeper ein Glas Champagner und drehte sich dann wieder zu Sophie um. „Gefällt’s dir?“

Rein ästhetisch gesehen, musste Sophie zugeben, dass ihr die Farbe gefiel, aber sie selbst würde sich die Haare niemals blond färben. Vermutlich lag das daran, dass Ben auf jedem Foto, das sie von ihm in den sozialen Medien sah, eine Blondine am Arm hatte. „Es ist… gewöhnungsbedürftig.“

Francesca zuckte nur mit den Achseln. Die beiden Schwestern sahen zwar identisch aus, aber was ihre Persönlichkeit anging, waren sie das pure Gegenteil voneinander. „Du kennst mich doch, ich brauche Abwechslung.“

Mit diesen Worten nahm sie einen Schluck von ihrem Champagner und sah sich im Saal um. „Ich Moment denke ich, sollte ich etwas entschiedener auftreten. Mehr wie du. Super Kleid übrigens. Du wirkst immer so cool und gelassen in Weiß. Vielleicht sollte ich es auch mal mit Weiß versuchen“, fügte Francesca nach einem Blick auf ihr eigenes rotes Seidenwickelkleid hinzu.

Sophie stellte ihr Glas auf der Bar ab. „Du trägst nie Weiß.“

Weiß war Sophies Farbe. Bereits mit sechs Jahren, als die beiden Zwillingsschwestern gemerkt hatten, dass ihre Eltern sie gleich anzogen, hatten sie dagegen rebelliert, wie ein Klon der jeweils anderen auszusehen. Kurz darauf hatten sie beschlossen, sich unterschiedlich anzuziehen. Sophie hatte immer schon gerne Weiß und neutrale Farben getragen und ihre Schwester bevorzugte knallig bunte Outfits.

Aufgrund ihrer verschiedenen Farbstile hatte sie danach auch niemand mehr verwechselt, was bis heute so war.

„Ich würde an meiner Hochzeit Weiß tragen“, erklärte Francesca entschlossen.

„Hochzeit? Du triffst dich in letzter Zeit nicht mal mehr mit jemandem.“

Was absolut ungewöhnlich war. Francesca war im Gegensatz zu ihrer durch und durch anständigen Schwester ein unbefangener Freigeist und hatte normalerweise immer einen Mann im Schlepptau. Ihre Beziehungen dauerten nie wirklich lange, aber oftmals blieb sie mit ihren Liebhabern gute befreundet wie mit Tobias. Und da Francesca ein weiches Herz hatte und nie jemandem wehtun wollte, hatte sie in all den Jahren so einige gute männliche Freunde um sich herum versammelt.

Ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten waren auch mit ein Grund, warum Sophie CEO und Francesca Modedesignerin in der Modefirma war, die die beiden Zwillingsschwestern zusammen gegründet hatten. „Was ist los? Hast du jemanden kennengelernt?“

Nachdenklich fuhr Francesca mit dem Zeigefinger über den Rand ihres Champagnerglases. „Ich bin mir nicht sicher. Ich habe da so ein Gefühl.“

Sophie horchte auf. Francesca war ein sehr intuitiver Mensch und Sophie wusste, dass Vorsicht geboten war, wenn Francesca „so ein Gefühl“ hatte.

Vor ein paar Jahren war ihr Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen und Francesca hatte mitten in der Nacht alle aufgeweckt und Alarm geschlagen, weil sie gespürt hatte, dass etwas nicht stimmt. Als das Auto ihres Vaters eine Stunde später gefunden worden war, war es leider zu spät gewesen, aber seither wurden alle in der Familie aufmerksam, wenn Francesca irgendwelche Vorahnungen hatte.

Francesca nahm noch einen Schluck Champagner und sah Sophie an. „Ich habe nur so ein Gefühl, dass heute Abend jemand Besonderer hier sein könnte.“ Mit einem etwas aufgesetzt wirkenden Grinsen setzte sie ihr halbvolles Glas auf der Bar ab. „Drück mir die Daumen. Bisher war Miami ein echter Reinfall, was Männer angeht.“ Tobias, der neben ihr stand, lächelte sie gequält an. „Mit Ausnahme von Tobias natürlich!“, fügte sie schnell hinzu. „Darf ich mir deinen Begleiter für einen Tanz ausleihen?“

„Gern“, murmelte Sophie abwesend, denn sie hatte in der Menge eine große breitschultrige Gestalt entdeckt. Ihr stockte der Atem, als der Mann sich umdrehte. Sein kantiges Profil war nicht zu verkennen, es war Ben.

Sophies Herz begann zu rasen. Auf einmal kam ihr ein irrsinniger Gedanke. Vielleicht war Ben ja ihretwegen hier und die Geschäfte mit ihrem Bruder waren für ihn Nebensache. Was, wenn er nach einem Jahr gemerkt hatte, dass das, was sie beide erlebt hatten, einzigartig gewesen war?

Oh, Mann, die Therapie hatte wohl nicht viel gebracht, wenn ihr bei seinem Anblick sofort solche verrückten Dinge einfielen. Wie oft hatten sie besprochen, dass sie sich nur auf sich selbst und auf das, was für sie das Beste war, konzentrieren sollte. Stattdessen gab sie sich schon bei der erstbesten Gelegenheiten ihren Fantasien hin.

Doch im nächsten Augenblick erstarrte Sophie. Ben war nicht allein gekommen. Damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Irgendwie hatte sie gedacht, dass er sie auch nicht hatte vergessen können und sie unter Umständen sogar vermisst hatte oder bereute, sie einfach so ohne ein Wort oder einen Anruf verlassen zu haben …

Aber das setzte ja voraus, dass Ben ein Herz hatte.

Die Frau neben ihm, die ihn nun auf die Tanzfläche zog, war jung, kaum älter als zwanzig und hatte dunkelblonde Haare, die sie zu einem losen Dutt hochgebunden hatte. Ihr kurzes türkisenes Seidenkleid überließ nicht mehr viel der Fantasie. Ein Tattoo auf der Schulter und Pumps mit extrem hohem Absatz rundeten den aufreizenden Look der jungen Frau ab. Sophie hatte sie bereits in den Sozialmedien auf Fotos mit Ben gesehen. Ihr Name war Buffy Holt und Sophie hatte in letzter Zeit ab und zu ihr Instagram-Profil gecheckt. Sie schien sehr von Ben angetan.

Plötzlich fühlte Sophie sich alt in ihrem schlichten weißen Designerkleid und den flachen Riemchenschuhen. Wie langweilig sie wirken musste verglichen zu dem jungen fröhlichen Ding in Bens Arm.

Obwohl Sophie wusste, dass sie die beiden nicht anstarren durfte, konnte sie nicht anders. Es tat weh zu sehen, dass er eine andere gefunden hatte, aber noch schlimmer war, dass der One-Night-Stand, den sie gehabt hatten, jetzt einfach nur noch billig wirkte. Die Erinnerung an die Nacht, die für Sophie so intensiv und leidenschaftlich gewesen war und in der sie das Gefühl gehabt hatte, dass dies der Beginn einer bedeutungsvollen Beziehung sein könnte, war auf einmal nur noch schmerzhaft.

Sie spürte Tränen in sich aufsteigen und drehte sich schnell zur Bar um. „Champagner?“, fragte sie der Barkeeper. Sophies Hals war wie zugeschnürt. Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen nickte sie dem jungen Mann zu. „Ja, bitte.“

Ihre Finger schlossen sich um das eiskalte Glas. Nach dem ersten Schluck beruhigte sich ihr Hals, nach dem zweiten fühlte sich Sophie fast wieder normal. Ben war einfach nicht der ehrbare Mann und aufregende Liebhaber, den sie sich vorgestellt hatte. Wie naiv und dumm von ihr zu glauben, dass er vielleicht einen zuverlässigen Ehemann abgeben könnte. Nein, er war ein oberflächlicher Idiot, der ihr Vertrauen missbraucht hatte. Verbittert lachte sie auf.

Ben hatte damals nicht gemerkt, dass sie noch Jungfrau gewesen war. So erfahren er mit Frauen auch war, diese kleine Tatsache war ihm offensichtlich völlig entgangen.

Als sie damals gemerkt hatte, dass er keine Ahnung hatte, war sie einen Moment lang enttäuscht gewesen. Das war ein Zeichen gewesen und Sophie hätte es nicht ignorieren dürfen. Aber stattdessen hatte sie sich fallen lassen und sich Ben völlig hingegeben. Und er war ein wunderbarer Liebhaber gewesen.

Nun war sie froh, dass sie ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, denn Ben fehlte offenbar jeglicher Instinkt für die weibliche Psyche. Ihre Unschuld war ein Geschenk an ihn gewesen und es tat im Nachhinein immer noch weh, dass er sich dessen so überhaupt nicht bewusst gewesen war.

Wieder nahm sie einen Schluck von ihrem Champagner und obwohl das Glas noch halbvoll war, spürte sie bereits, wie ihr der Alkohol zu Kopf stieg. Es war zwar kein glücklicher Schwips, aber zumindest hatte sich die Spannung in ihrem Magen gelöst und sie hatte wieder etwas mehr die Kontrolle über sich gewonnen.

Der Champagner schien jedoch auch eine andere Wirkung zu haben. Die Erinnerungen an damals waren nun noch präsenter und taten noch mehr weh als sonst. Und das war … enttäuschend. Sie hatte sich so viel Mühe gegeben, Ben irgendwie zu vergessen und hatte sich sogar mit mehreren Männern getroffen, die sie ganz und gar nicht an Ben erinnerten. Aber offenbar war das völlig umsonst gewesen.

Nach einem weiteren Schluck von dem kalten prickelnden Getränk drehte sich Sophie wieder zur Tanzfläche um. Doch das war ein Fehler, denn nachdem sie Ben ins Visier genommen hatte, konnte sie nicht mehr wegsehen. Der anfängliche Schock, ihn mit einer anderen Frau zu sehen, war zwar weg, aber ein ganz anderes Gefühl meldete sich nun in ihr.

Sie wusste, dass Ben viele andere Frauen gedatet hatte, denn die Zeitschriften und die sozialen Medien waren voll von Fotos von ihm und irgendwelchen Schönheiten. Jedes Mal, wenn sie daran erinnert werden wollte, was für ein Frauenheld er war, musste sie nur ins Internet gehen.

Aber das war das erste Mal, dass sie ihn leibhaftig mit einer Liebhaberin vor sich sah. Und irgendwie tat das besonders weh. Und auf einmal traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Sie war eifersüchtig.

Ihre Finger schlossen sich enger um das Glas. Eifersucht war eine völlig neue Empfindung für sie, aber sie hatte von anderen genug darüber gehört und wusste, dass Wut und das Bedürfnis, Ben zu konfrontieren und ihm die kleine Blondine aus den Armen zu reißen, ganz normale Symptome dafür waren.

Vorsichtig setzte sie ihr Glas ab und beschloss, nichts mehr zu trinken. Die paar Schlucke, die sie genommen hatte, hatten Pandoras Büchse geöffnet und alles noch viel schlimmer gemacht.

Eifersucht. Unglaublich. Sie ärgerte sich über sich selbst. Ben war ihr also immer noch wichtig. Kurzerhand nahm sie ihr halbvolles Glas Mineralwasser und ging in Richtung Tanzfläche. Die hübsche Blondine war nirgends zu sehen und Ben stand allein an einem Stehtisch.

Als sie sich ihm näherte, sah Sophie, dass er telefonierte. Vermutlich war der Anruf der Grund, weshalb er sich seiner Begleitung entledigt hatte, denn das Geschäft kam für Ben immer an erster Stelle.

Ihre Blicke trafen sich und Ben schien nicht überrascht zu sein, sie hier zu sehen. Offenbar hatte er erwartet, dass sie hier war und war trotzdem mit einer anderen Frau gekommen. Auf einmal verstand sie, was der Ausdruck „eine verschmähte Frau“ bedeutete, denn genau so fühlte sie sich in diesem Moment.

„Sophie.“ Ben nahm das Handy vom Ohr. „Schön, dich zu sehen …“

Plötzlich sah sie in Gedanken den Zettel vor sich, den er am Morgen nach der gemeinsamen Nacht für sie hinterlassen hatte und Sophie sah rot. „Meinst du nicht eher nett?“

Süffisant lächelnd trat Sophie ganz nah an ihn heran und leerte das Glas über seinem Kopf aus. Zufrieden beobachtete sie, wie das Wasser nicht nur über sein Gesicht, sondern auch über sein Telefon lief.

„Nur damit du es weißt, ich bin keine Frau für halbe Sachen“, erklärte sie in eiskaltem Ton.

Autor

Fiona Brand
<p>Fiona Brand ist eine Autorin aus Neuseeland. Derzeit lebt Sie an der wunderschönen „Bay of Islands“, einem subtropischen Paradies zum Angeln und Tauchen. Dort genießt Sie die traumhafte Natur zusammen mit ihren beiden Söhnen, zwei Wellensittichen und einem Goldfisch. Sie liebt Bücher seit sie alt genug ist Seiten umzublättern Mit...
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