Ein Lied von Lust und Liebe

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"Ich weiß, was du willst", flüstert Riley ihr ins Ohr, ehe er sie auszieht. Nan seufzt. Am liebsten würde sie dem aufregenden irischen Musiker ihre Liebe gestehen! Aber wahrscheinlich ist sie für ihn nur ein Urlaubsflirt, der endet, wenn sie wieder ins Flugzeug steigt …


  • Erscheinungstag 10.09.2018
  • Bandnummer 11
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758509
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Schon vor einer halben Stunde waren in dem kleinen Schlafzimmer die Lichter ausgegangen, aber der Sturm, der draußen tobte, ließ die drei Brüder nicht schlafen.

Riley Quinn saß am Fenster und sah in den Regen, der gegen die Scheibe prasselte. Der Wind drückte die Rosenstöcke im Garten zu Boden.

„Wahnsinn, wie das da draußen schüttet“, stellte er fest. „Bestimmt kommt gleich Noah mit seiner Arche vorbei.“

„Glaubst du, dass damals auch so ein Gewitter war, als Ma sich in Dad verliebt hat?“

Daniel, der jüngste der drei Quinn-Brüder, saß mitten auf seinem Bett und zog die Decke bis ans Kinn hoch. Mit seiner grenzenlosen Fantasie sah der Achtjährige überall Seeschlangen und Monster. Obwohl Riley ihn immer noch für ein Baby hielt, mochte er ihn umso mehr, je älter er wurde.

In dem Rucksack, den Danny stets mit sich herumtrug, befanden sich Holzklötze und Seifenstücke, aus denen er mit seinem Taschenmesser die abenteuerlichsten Monster schnitzte, wenn ihm wieder ein Einfall kam.„Schätze schon.“ Riley ließ sich neben ihn aufs Bett fallen. „Dad hat gesagt, der Sturm sei so stark gewesen, dass er sich kaum auf den Füßen halten konnte.“

„Glaubst du, Ma war eine Selkie, wie Dad behauptet?“

„Nein.“ Riley wusste, wie sehr sein Vater es genoss, wilde Geschichten darüber zu erfinden, wie er seine Frau kennengelernt hatte. „Und sie war auch keine Meerjungfrau oder Fee. Sie ist einfach nur unsere Ma, Kleiner.“

Riley vermisste die Gutenachtgeschichten über irische Mythen und Legenden. Damals war noch Zeit dafür gewesen. Damals, bevor ihr Vater seinen Job verlor und beschloss, das „Speckled Hound“, den alten Pub in Ballykirk, zu kaufen.

Seitdem versorgten Eamon und Maggie Quinn bis spät in die Nacht die Gäste aus dem Ort und hin und wieder auch ein paar Touristen mit Drinks, und waren nie zu Hause, um ihre Jungs ins Bett zu bringen. Rileys ältere Schwestern Shanna und Claire kümmerten sich daheim ums Kochen und Putzen in dem kleinen, weiß getünchten Cottage. Die Brüder erledigten die Gartenarbeit, melkten die Kuh und versorgten die Hühner.

„Wir sollten rausgehen.“ Riley richtete sich auf. „Dann sehen wir, ob der Wind uns umwirft, genau wie Dad damals.“

„Hört ihr zwei endlich mal auf und schlaft?“ Kellan sah von dem Buch hoch, in dem er gerade las. „Wenn ihr jetzt rausgeht, versohlt euch Dad den Hintern, bis ihr nicht mehr sitzen könnt.“

Kellan war mit seinen zwölf Jahren der Älteste, und normalerweise fügten Riley und Danny sich ihm. Aber in letzter Zeit war Kellan ein richtiger Streber geworden und dachte nur an seine Zensuren.

„Halt den Mund“, erwiderte Riley. „Das hier ist auch unser Zimmer. Wir können reden, so viel wir wollen.“

Riley fand die Schule nicht wichtig, abgesehen vom Musikunterricht bei der schönen Miss Delaney. Er sang gern und war immer der Erste, der die neuen Musikinstrumente ausprobierte, die sie mitbrachte. Meistens konnte er schon nach ein paar Minuten darauf spielen.

„Hör dir das an.“ Er beugte sich zum Fenster. „Der Sturmwind singt.“ Er summte leise mit und fügte der Melodie Worte hinzu.

Dass seine Eltern den Pub gekauft hatten, fand Riley nur aus einem Grund gut: An den Wochenenden traten dort Musiker aus der Umgebung auf, und dann saß Riley in einer dunklen Ecke des Pubs und hörte ihnen zu.

Jetzt ging er zurück ins Bett, das er sich mit Danny teilte. „Keine Sorge“, flüsterte er seinem kleinen Bruder ins Ohr. „Hier kriegt uns der Sturm nicht.“

„Sing für mich!“ Danny rutschte noch etwas tiefer unter die Decke.

Leise begann Riley mit „The Wind That Shakes the Barley”.

„Wieso geht es ständig um Mädchen?“, unterbrach Danny ihn.

„Wahrscheinlich wollen die Leute immer was von Liebe hören.“ Riley verstand es selber nicht. Ihm wären Songs über Mord oder Aliens lieber gewesen, aber immer ging es um Liebe und Traurigkeit. Und meistens starb irgendjemand. „Dad sagt, wenn man ein trauriges Lied singen kann, dann lieben einen die Ladies.“

„Schlaft endlich!“, motzte Kellan.

„Halt den Mund!“, antworteten Riley und Danny gleichzeitig und mussten lachen. Dann zogen sie sich die Decken über die Köpfe.

„Blöder Idiot“, flüsterte Riley.

„Sing mir noch den Rest des Lieds“, bat Danny.

Riley sang weiter, während ihn der Sturm vor dem Fenster begleitete. Würde er jemals ein Mädchen so sehr lieben, dass er ihr ein Lied sang? Und wenn ja, würde das Mädchen ihm dann genauso nachlaufen, wie die Mädchen es bei Kellan taten?

1. KAPITEL

Die Schlange vor dem Einreiseschalter zog sich quer durch die Halle.

Nan Galvin sah sich um. Wie spät mochte es jetzt hier sein? Bei ihr zu Hause in Madison, Wisconsin, war es fünf Uhr früh. Hier in Irland am Shannon Airport war es dann … „Elf“, murmelte sie, als sie endlich eine Uhr an der Wand entdeckte.

Sie musste lächeln. In ihrer Fantasie hatte sie unzählige Abenteuertrips erlebt und während ihrer Mittagspausen ständig Reiseführer gelesen, aber jetzt war sie das erste Mal tatsächlich in ein Flugzeug gestiegen und quer über den Ozean geflogen. Alles um sie herum kam ihr exotisch vor, vom Papierkorb über die Ansagen aus den Lautsprechern bis zu den in Gälisch verfassten Hinweisschildern.

Ich bin in Irland! Sie konnte es kaum fassen.

Die Schlange bewegte sich und brachte Nan immer näher an die Abfertigungsschalter mit den missmutig dreinblickenden Angestellten heran.

Ihre Mutter war auch einen Sommer in Irland gewesen, gleich nach ihrem Collegeabschluss. Vor 27 Jahren war Laura Daley, genau wie Nan heute, aus einem Flugzeug gestiegen und hatte hier, im Land ihrer Vorfahren, einen wundervollen und aufregenden Sommer erlebt. Nan versuchte, sich ihre Mutter als junge Frau vorzustellen.

Laura Daley war an Krebs gestorben, als Nan acht Jahre alt gewesen war.

Mit dieser Reise wollte Nan mehr über ihre Herkunft und sich selbst herausfinden. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie sich um ihren Vater gekümmert, das Haus sauber gehalten, und auch während ihrer Collegezeit und während ihres ersten Jobs hatte sie weiterhin zu Hause gewohnt. Mit der Zeit war sie so still und ruhig geworden wie er. Sie las lieber in Büchern über Abenteuer, als selbst welche zu erleben.

Vor einem Jahr hatte sie ihren Vater Jim Galvin neben ihrer Mutter beerdigt.

Erst als sie im Nachlass eine Truhe voller Erinnerungsstücke aus dem Leben ihrer Mutter gefunden hatte, hatte Nan sich zu fragen begonnen, wer sie eigentlich war. Diese Truhe war für Nan wie ein Fenster in das Leben von Laura, die offenbar eine lebensfrohe, neugierige und spontane Frau gewesen war.

Über Jahre hinweg hatte ihre Mutter einer Freundin in Irland Briefe geschrieben. Diese Carey wollte Nan jetzt kennenlernen.

Sie hatte zu sparen angefangen, und nach neun Monaten hatte sie genug zusammengehabt, um zehn Tage in Irland zu verbringen. Was würde sie hier entdecken? Würde sie, genau wie ihre Mutter, ein Abenteuer erleben?

Irgendwo vor dem Terminal wartete ein Fahrer auf sie, um sie in den kleinen Küstenort Ballykirk zu bringen. Dort, im Bezirk County Cork, hatte sie per Internet ein hübsches kleines Cottage angemietet. Wieder sah Nan auf die Uhr und erschrak. Der Fahrer wartete jetzt schon drei Stunden!

„Der Nächste!“

Nan trat an den Schalter und legte ihren Pass und das ausgefüllte Einreiseformular auf den Tresen.

„Tiernan Galvin?“

Sie benutzte ihren irischen Vornamen, den in Wisconsin ohnehin niemand richtig aussprechen konnte, nur sehr selten. Alle kannten sie unter dem Namen Nan, mit dem ihr Vater sie von klein auf angesprochen hatte. „Ja“, antwortete sie. „Tiernan Galvin, das bin ich.“

„Sind Sie beruflich oder zum Vergnügen hier?“, fragte die Frau hinter dem Schalter.

Der irische Akzent der Frau ließ Nan lächeln. Ihre Mutter hatte dieses Land so geliebt, dass sie ihrem einzigen Kind einen seltsamen irischen Vornamen gegeben hatte. Vielleicht hatte Laura damals bei der Einreise genau an dieser Stelle gestanden. „Ich mache Urlaub. Also Vergnügen.“

„Besuchen Sie hier jemanden?“

„Nein. Eigentlich bin ich mit einem …“, sie zog die ausgedruckte E-Mail aus der Tasche und zeigte sie der Frau, „Riley Quinn aus Ballykirk verabredet. Aber ich kenne ihn nicht. Ich wohne im Gästehaus seiner Familie. Er wollte mich vor drei Stunden hier abholen. Das Flugzeug hatte Verspätung und ich habe ewig in dieser Schlange gestanden. Hoffentlich hat er gewartet!“

Die Frau musterte Nans Dokumente und nickte. „Wenn Sie etwas zu verzollen haben, gehen Sie durch die rote Absperrung, wenn nicht, dann durch die grüne. Willkommen in der Republik Irland. Einen schönen Urlaub!“

„Danke, den werde ich haben.“

Nan folgte den grünen Zeichen und gelangte zur Gepäckausgabe. Als sie endlich das richtige Band gefunden hatte, fuhr ihr Gepäck dort bereits Karussell. Sie wuchtete ihren Rollkoffer herunter und hängte sich die Reisetasche über die Schulter. Dann ging sie zum Ausgang.

Ein paar Fahrer standen dort und hielten Namensschilder hoch, aber ihr Name war nicht dabei. Also verließ sie die Halle und trat nach draußen ins Licht der späten Nachmittagssonne.

Außer ein paar Taxis stand dort kein weiteres Auto. Riley Quinn hatte offenbar nicht auf sie gewartet.

Nan fluchte. Was sollte sie jetzt tun? Ein Auto zu mieten war teuer, das konnte sie sich nicht leisten. Während ihres Aufenthaltes würde sie das Auto nutzen, das den Gästen des Gästehauses zur Verfügung gestellt wurde – dafür hatte sie auch schon bezahlt.

Die Fahrt nach Ballykirk wäre sicher ein aufregendes Erlebnis, aber Nan war sich nicht sicher, ob sie gleichzeitig lenken und eine Karte lesen konnte, wenn sie sich auch noch auf den Linksverkehr konzentrieren musste. Das wäre dann kein Abenteuer mehr, sondern einfach nur äußerst riskant.

Mit dem Rollkoffer im Schlepptau ging sie auf das vorderste Taxi in der Schlange zu und beugte sich zum offenen Beifahrerfenster hinunter. „Wie viel kostet es bis Ballykirk?“

Missmutig erwiderte der Fahrer ihren Blick. „Das sind zwei Stunden Fahrt, also zweihundertvierzig Euro.“

„Ich habe nur Dollars. Ich habe noch kein Geld gewechselt.“

„Dollars nehme ich nicht. Keine Ahnung, wie der Kurs steht.“

Nan seufzte. „Und wenn ich mit Kreditkarte bezahle?“

Der Fahrer schüttelte den Kopf. „Das mache ich nicht, Süße. Versuch es bei einem der anderen Fahrer, oder nimm den Bus. Am besten mietest du dir einen Wagen.“

„Okay. Danke.“

So hatte sie sich den Ferienbeginn nicht vorgestellt. Sie hatte alles minutiös und bis zum letzten Dollar geplant. Doch dann war ihr Flieger verspätet in Chicago gestartet, und in New York hätte sie fast den Anschlussflug verpasst. Dort hatte sie drei Stunden festgesessen, bis die Gewitterfront vorbeigezogen war.

Jetzt hatte sie Hunger und Kopfschmerzen. Noch mehr Stress konnte sie nicht ertragen. Sie hatte zwar Riley Quinns Handynummer, aber ihr Mobiltelefon funktionierte hier in Irland leider nicht. Also brauchte sie etwas Wechselgeld, damit sie ihn vom Münztelefon aus anrufen konnte.

„Zuerst das Geld“, sagte sie sich.

„Haben Sie Feuer?“

Nan drehte sich um. Vor ihr stand ein Mann mit einer Zigarette zwischen den Lippen. Ihr blieb kurz die Luft weg, und unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück, so fasziniert war sie von dem schönen Gesicht des Mannes. Er entsprach genau dem Bild, das sie sich von irischen Männern gemacht hatte, mal abgesehen von der Zigarette.

Er hatte zerzaustes dunkles Haar, markante Züge und hellblaue Augen, die fast grau wirkten. Der Dreitagebart ließ ihn ein bisschen gefährlich aussehen.

„Wie bitte?“ Ihre Stimme klang krächzend.

„Feuer“, wiederholte er.

Seine langen Beine steckten in einer ausgeblichenen Jeans, unter dem T-Shirt und der Lederjacke zeichneten sich breite Schultern ab.

„Gefährlich!“, dachte sie. Normalerweise nicht gerade der Typ Mann, auf den sie stand. Aber wieso bekam sie dann kaum Luft? „Nein“, antwortete sie leise, „ich … ich rauche nicht.“

Er stöhnte auf und schüttelte den Kopf. „Ach, so eine sind Sie.“

„So eine?“

„Na, sie sind doch Amerikanerin, oder? Jetzt kriege ich bestimmt einen Vortrag über gesundheitliche Schäden und die Gefahren des Passivrauchens und wie …“

„Nein!“ Es kränkte sie, dass er sie sofort in eine Schublade steckte. Das passierte ihr immer wieder. Die Leute dachten, nur weil sie Bibliothekarin war, sei sie auch prüde und bieder. Dieser Mann hier wusste nicht mal, was sie beruflich tat, und trotzdem begegnete er ihr mit Vorurteilen!

Sie war hier im Urlaub. Niemand kannte sie. Hier in Irland wollte sie nicht die Frau sein, die in der Bibliothek für Ruhe und Ordnung sorgte und aufpasste, dass die Studenten sich nicht zwischen den Bücherregalen vernaschten. Hier wollte sie aufgeschlossen, temperamentvoll und vielleicht auch ein bisschen verführerisch sein.

„Ich habe keine Streichhölzer, weil ich nicht rauche. Außerdem komme ich nur selten in die Verlegenheit, ein Lagerfeuer entfachen zu müssen. Wenn Sie sich umbringen wollen, dann werde ich Sie bestimmt nicht daran hindern!“

Einen Moment lang sah er sie schweigend an. Dann lachte er leise. „Tut mir leid, ich bin ein bisschen gereizt. Mit dem Rauchen habe ich schon vor einem Jahr aufgehört, aber wenn ich mich aufrege oder müde bin, dann werde ich schwach.“ Er zerbrach die Zigarette und warf sie auf die Straße.

„Ist das nicht Umweltverschmutzung?“

„Ich nenne es lieber Rücksichtnahme auf meine Gesundheit.“

Nan trat auf die Straße, um die Zigarette aufzuheben, aber der Mann packte sie am Arm und riss sie zurück.

Ein Taxi, das gerade vorbeikam, bremste mit quietschenden Reifen, und Nan schrie auf. Sie taumelte gegen den Fremden.

Seine Brust war warm, die Muskeln waren fest.

Nan atmete den Duft seines Rasierwassers tief ein. Er war ihr zwar völlig fremd, und trotzdem fühlte sie sich geborgen. Doch plötzlich war da noch eine neue, ungewohnte Empfindung. War das etwa Erregung, was da in ihr prickelte?

„Vorsicht.“ Seine Stimme klang freundlich, sein Blick war besorgt. „Wäre doch schade, wenn Sie gleich am ersten Tag in Irland unter die Räder kämen.“

Ihr Herz schlug schneller. Seine Lippen waren so nah, dass sie ihn hätte küssen können. Sein Atem strich über ihre Wange und der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich. Konnte er ihre Gedanken lesen?

Wie peinlich! Hastig löste sie sich von ihm, strich ihre Jacke glatt und versuchte, einen souveränen Eindruck zu machen.

Es hatte schon einige Männer in ihrem Leben gegeben, aber bei keinem von ihnen hatte sie eine so ungestüme Lust gespürt. Allerdings hatten diese Männer auch nicht so umwerfend ausgesehen wie dieser Ire. „Vielen Dank.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln.

„So sind wir Iren nun mal zu einer schönen Lady.“ Er übertrieb den irischen Akzent.

Nervös sah sie zu den Taxis. Dieser Mann hatte sie gerade als schön bezeichnet! Sie fand sich eher durchschnittlich als schön.

„Wollen Sie sich ein Taxi nehmen?“

„Sind Sie Taxifahrer?“ Würde er sie vielleicht nach Ballykirk fahren? „Ist das Ihr Taxi?“ Sie deutete zu einem Wagen, der fahrerlos am Bordstein stand.

„Nein. Der Typ, der das Taxi fährt, ist gerade aufs Klo gegangen. Ich pass nur so lange auf. Dafür hat er mir die Zigarette gegeben, die ich Ihretwegen weggeworfen habe.“ Er zögerte. „Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit?“

Sie nickte. „Ich sollte abgeholt werden, aber ich fürchte, er ist schon weg, weil mein Flug Verspätung hatte.“

„Ihr Mann?“

„Nein.“

„Ihr Freund?“

„Nein!“

„Freundin?“

„Nein, ich brauche einfach nur jemanden, der mich mitnimmt.“

„Na, dann entwickelt sich mein Tag gerade sehr positiv! Ich fahre Sie gern. Eigentlich sollte ich eine alte Lady abholen und nach Ballykirk bringen, aber sie ist nicht aufgetaucht.“

Nan schnappte nach Luft. „Nach Ballykirk? Was für ein glücklicher Zuf…“ Sie verstummte und musterte ihn misstrauisch. „Sind Sie Riley Quinn?“

Sein Lächeln erstarb. „Verdammt, das ist typisch für mich! Sind Sie etwa Nan Galvin?“

„Allerdings.“ Er hatte angenommen, sie sei eine alte Frau? „Eigentlich hätten Sie bei der Gepäckausgabe mit einem Namensschild warten sollen.“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, ich würde Sie schon erkennen. Aber ich hatte mit einer weißhaarigen Lady mit Brille und festen Schuhen gerechnet.“

„Wieso? Weil ich Bibliothekarin bin? Das ist so ein albernes Vorurteil! Ich …“

„Nein“, unterbrach er sie. „Okay, vielleicht zum Teil. Aber Sie haben alt geklungen.“

„Wir haben noch nie miteinander gesprochen. Wie wollen Sie aus ein paar E-Mails auf mein Alter schließen?“

„Keine Ahnung. Sie schreiben wie eine Seniorin, fehlerfrei und pedantisch.“

„Unsinn!“ Aufgrund ihres Berufes musste Nan die Rechtschreibung nun mal perfekt beherrschen.

„Sie haben mir sogar vorgeschrieben, welches Toilettenpapier ich für das Gästehaus besorgen soll! Für mich klingt das äußerst kleinlich. Dann sagten Sie noch, Sie wollten das Land Ihrer Ahnen sehen, bevor Sie sterben. Da habe ich zwei und zwei zusammengezählt … und auf jeden Fall nicht mit jemandem wie Ihnen gerechnet.“

„Sie haben gesagt, wir treffen uns an der Gepäckausgabe.“

„Ich war das Warten leid. Zwei verdammte Stunden lang habe ich da auf Sie gewartet.“

„Aber ich hätte schon vor drei Stunden ankommen sollen.“

„Tja, ich war ein bisschen spät dran. Ich hatte heute viel zu tun. Und jetzt muss ich zurück in den Pub.“

„Oh, Entschuldigung, wenn ich Sie vom Trinken am Vormittag abhalte!“, fuhr sie ihn an. Er war vielleicht sexy, aber gleichzeitig auch ein Widerling.

„Meiner Familie gehört der Pub“, erklärte Riley. „Da arbeite ich, genau wie meine Brüder.“

„Und obendrein führen Sie noch das Gästehaus?“

„Und noch vieles anderes. Zum Beispiel hole ich anspruchsvolle Touristen vom Flughafen ab.“ Er schüttelte den Kopf. „Sie hätten mir zumindest verraten können, dass Sie so ein Zuckerschnäuzchen sind.“

Nans Ärger verflog, und widerstrebend lächelte sie. „Ein Zuckerschnäuzchen? Was soll das denn heißen?“

„Ach, tun Sie nicht so, als wüssten Sie nicht, was ich meine. Sie sind wunderschön. Das darf ich doch wohl noch feststellen. Und jetzt kommen Sie. Ich stehe im Parkhaus.“ Er nahm ihr Gepäck und ging über die Straße.

Nan musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten. „Vielleicht hätten Sie diese Zigarette doch rauchen sollen, um die schlechte Laune loszuwerden.“

Er lachte laut auf. „Ich bin doch der reinste Charmebolzen.“

„Und ich etwa nicht?“

Jetzt lächelte er tatsächlich umwerfend, und Nan musste lachen. „Sie sind ein wahrer Schatz.“

Als er das Gepäck ein paar Stufen hochtragen musste, wandte er sich zu Nan um. „Was schleppen Sie denn da mit sich rum?“

„Ich bleibe zehn Tage, da brauche ich so einiges. Shampoo, Seife, Lotion, Reiseführer, Erdnussbutter, meinen Lieblingstee … den gibt es hier in Irland nicht.“

„Und damit sind Sie durch die Kontrollen gekommen?“

Abrupt blieb sie stehen. „Hätte ich das verzollen müssen? Es hieß nur: ‚Kein Fleisch und keine Milchprodukte‘. Und keine Pflanzen … oh nein! Denken Sie, Tee gilt als Pflanze?“

„Keine Ahnung. Unsere Pflanzen sind meistens nicht zerhackt, getrocknet und in Tütchen abgefüllt.“

„Ich muss zurück.“

Sie griff schon nach ihrem Koffer, aber Riley hielt sie am Arm fest. „Wir gehen da bestimmt nicht wieder rein.“

„Aber vielleicht habe ich ein Gesetz gebrochen.“

„Dann sind Sie jetzt eine Kriminelle. Lernen Sie, mit der Schande zu leben. Verschwinden wir von hier, bevor Ihnen noch mehr einfällt, wie Sie mir den Tag versauen können.“

„Wenn ich Schwierigkeiten bekomme, sind Sie schuld.“

„Das passiert schon nicht. Freuen Sie sich lieber auf Ihr abenteuerliches Leben, ständig auf der Flucht vor der irischen Polizei.“

„So hatte ich mir meinen Urlaub nicht vorgestellt“, beschwerte sie sich leise.

Auf dem ersten Treppenabsatz wandte er sich zu ihr um. „Tut mir leid, wenn ich mich wie ein Ekel benehme.“ Er streckte ihr die Hand hin, und sie schlug ein. „Fangen wir noch mal von vorn an. Willkommen in Irland, Miss Galvin. Ich hoffe, Sie haben hier einen schönen Urlaub!“

Nan lächelte und sah auf seine Hand. Er hatte schöne Hände mit langen wohlgeformten Fingern. „Sehen Sie, das war doch gar nicht so schwer.“ Seine Hand war so warm. Schlagartig war dieses Kribbeln vom ersten Moment wieder da, nur viel stärker.

Riley sah heiß aus, war witzig und konnte sich sogar ein bisschen wie ein Gentleman verhalten. Wenn er auch noch singen konnte, wäre er der perfekte Mann.

„Danke“, sagte sie leise.

Langsam strich er ihr mit dem Daumen über den Handrücken. Die schlichte Begrüßung bekam etwas Erotisches.

Es fühlte sich gut an.

„Das Auto steht gleich da drüben.“ Er sah ihr in die Augen.

Sie zog die Hand zurück und steckte sie in die Tasche ihrer Jacke. Nur zur Sicherheit. „Sie gehen vor.“

Riley schaltete runter, als sie sich der Kreuzung näherten, und bog nach kurzem Schulterblick in den Kreisverkehr ein.

Verkrampft saß Nan auf ihrem Sitz, die Augen panisch geweitet, die Hände im Schoß wie zum Gebet gefaltet.

„Keine Angst, ich hatte noch nie einen Unfall.“

„Das ist …“ Sie räusperte sich. „Das ist ein verdammtes Wunder!“ Sie gab sich Mühe, den irischen Dialekt hinzubekommen.

Ein Fluch mit irischem Akzent! Riley konnte nicht anders, er musste lachen. „Wenn Sie so reden, hält Sie niemand für eine Touristin.“ Er hatte immer geglaubt, dass Amerikanerinnen aussähen wie die Frauen in der Serie „Baywatch“: blonde sonnengebräunte Überfrauen mit riesigen Brüsten in knapper Bekleidung.

Nan dagegen wirkte frisch und natürlich. Ihr kurzes schwarzes Haar war leicht gewellt, und dunkle lange Wimpern umrahmten ihre lebhaften grünen Augen. Sie wirkte starrsinnig und eigenwillig. So eine Frau ließ sich nicht leicht um den Finger wickeln, aber Riley liebte Herausforderungen.

Eigentlich hatte er so schnell wie möglich zurück zum Pub gewollt, aber jetzt beschloss er, vom Highway abzubiegen und den Rest der Fahrt zu genießen. Die schmalere Landstraße bot einen viel schöneren Ausblick, und er wollte mehr Zeit mit Nan verbringen, bevor er sie am Cottage absetzte.

„Sie sagten, Ihre Familie hat einen Pub? Servieren Sie da auch Lunch? Ich komme nämlich um vor Hunger.“

„Bei uns gibt’s den besten Lunch in ganz Ballykirk.“

„Von Ihnen gekocht?“

„Nein. Ich springe nur ab und zu an der Bar ein.“

„Sie sind Barkeeper?“

„Nein. Eigentlich verdiene ich mein Geld als Musiker. Ich schreibe Songs und singe in Pubs überall in Irland.“

„Sie singen?“ Sie war überrascht. „Tatsächlich? Sind Sie berühmt?“

„Ich bin kein Elvis, aber die Leute kommen zu meinen Auftritten und kaufen meine CDs. Eine Tournee durch große Stadien steht in nächster Zeit allerdings nicht an.“

„Vielleicht kann ich ja zu einem Ihrer Auftritte kommen.“

„Ja, vielleicht können Sie das.“

Ihr Lächeln war so süß, dass er sie am liebsten wieder berührt hätte. Wieso fand er diese Amerikanerin so attraktiv? Es musste an ihren Augen und dem unschuldigen Blick liegen. Normalerweise waren Frauen in Nans Alter abgeklärt und zynisch, aber sie wirkte so begeisterungsfähig.

Während der Fahrt deutete Nan immer wieder begeistert nach draußen. Kirchen, Friedhöfe, Natursteinmauern, alles faszinierte sie.

Sie bogen um eine Kurve, und Nan packte Riley an der Schulter. „Stopp!“

„Was denn?“ Er trat auf die Bremse und das Auto kam rutschend zum Stehen. „Verdammt, habe ich irgendwas überfahren?“

Autor

Kate Hoffmann
Seit Kate Hoffmann im Jahr 1979 ihre erste historische Romance von Kathleen Woodiwiss las – und zwar in einer langen Nacht von der ersten bis zur letzten Seite – ist sie diesem Genre verfallen. Am nächsten Morgen ging sie zu ihrer Buchhandlung, kaufte ein Dutzend Liebesromane von verschiedenen Autorinnen und...
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