Die Quinns: Rogan

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Was für eine Idee, Angst-Patienten in den Regenwald zu bringen! Bevor alles im Chaos versinkt, macht sich Bergführer Rogan daran, die Gruppe zu beruhigen. Und der Psychologin Claudia zu zeigen, was ein Mann wie er unter einer Expedition an unbekannte Orte versteht …


  • Erscheinungstag 10.12.2018
  • Bandnummer 24
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759896
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Rogan Quinn sah zum Fenster hinaus und beobachtete die Menge, die sich vor dem Gartenzaun versammelt hatte.

„Was wollen die hier?“, fragte er in den Raum hinter sich.

Sein Zwillingsbruder Ryan trat neben ihn und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ein gutes Foto, wie wir um Dad weinen, damit sie allen zeigen können, wie traurig wir sind.“

„Den Gefallen werde ich ihnen nicht tun“, sagte Rogan stur. „Ich wünschte, sie würden einfach weggehen und uns in Ruhe lassen.“ Er trat von der Scheibe weg und sein Blick blieb an der geschlossenen Schlafzimmertür hängen. Seine Mutter war den ganzen Morgen noch nicht herausgekommen.

Seit Rogans Vater vor einem Monat gestorben war, hatte sie gute und schlechte Tage gehabt. An den guten Tagen schaffte sie es, in ihrem Morgenmantel am Esstisch zu erscheinen. Dann saß sie dort und ignorierte ihre vier Kinder, bis sie zurück ins Schlafzimmer schlurfte.

Rogan hatte den Verlust seines Vaters erlebt und es war niederschmetternd gewesen, aber er hatte den Schmerz überlebt. Warum war seine Mutter zum Opfer geworden? Er hatte gesehen, was die Liebe und der Verlust seiner Mutter angetan hatten.

Er hatte in den letzten Wochen oft darüber nachgedacht. Was machte die Liebe zwischen seinem Vater und seiner Mutter so besonders? Vielleicht war es etwas, das nur Erwachsene verstanden. Rogan spürte, dass er den Schmerz seiner Mutter verstehen würde, wenn er älter war. Er wollte ihn nur nicht selbst fühlen.

Rogan klopfte an die Schlafzimmertür. „Mum? Soll ich dir etwas Tee bringen?“

Er wartete, in der Hoffnung, dass er diesmal eine Antwort erhalten würde, aber es blieb still. Er ging wieder zum Fenster. Wenn diese Mediengeier nur verschwinden würden, vielleicht würde sie dann wieder die Mutter sein, die sie immer gekannt hatten – die Mutter, die mit ihnen lachte und sie liebte.

„Ich gehe da raus“, murmelte Rogan.

„Nein, tu’s nicht“, erwiderte Ryan, seinen Arm ergreifend. „Oma hat gesagt, wir sollen so tun, als wären sie nicht da. Sie wird sie vertreiben.“

„Ich werde nicht warten, bis sie da ist“, meinte Rogan. „Wir tun das. Bist du dabei?“

„Okay.“

Rogan öffnete die Tür. Als die Reporter sie sahen, drängten sie sich an den Zaun und riefen ihnen Fragen zu. Die Kameras blitzten und Rogan hielt eine Hand hoch, um den Ansturm abzuwehren, aber sein Ärger wuchs an.

Mit einem stummen Fluch rannte er die Vordertreppe hinunter und ergriff einen Klumpen Erde aus dem Blumenbeet. Mit aller Kraft warf er ihn der Menge entgegen. „Lasst uns in Ruhe“, rief er. „Haut ab. Wir wollen nicht mit euch reden.“

Die Erde, die auf die Meute niederprasselte, reichte aus, um sie alle in Bewegung zu setzen. Ryan schloss sich ihm an und warf Erdklumpen über den Zaun, bis sich alle zu ihren Autos zurückgezogen hatten. Rogan fand einen Stein und traf die Windschutzscheibe des Autos, das am nächsten stand. Als es davonfuhr, hob er noch einen auf und warf ihn hinterher.

Nacheinander eilten die Reporter davon und als die Straße vor dem Haus endlich leer war, sah Rogan seinen Bruder an und grinste. „Feiglinge“, murmelte er.

Ryan lachte leise. „Denen haben wir’s gezeigt, was?“

„Stimmt“, antwortete Rogan.

Als sie ins Haus zurückgingen, war Rogan überrascht, als er ihre Mutter am Fenster stehen sah. Sie sah ihn und Ryan an und schenkte ihnen ein schwaches Lächeln. „Gute Arbeit“, murmelte sie, bevor sie sich abwandte.

„Mum? Soll ich dir eine Tasse Tee machen?“, fragte Rogan erneut.

Sie blieb stehen und holte tief Luft. „Das wäre schön“, sagte sie mit einem Nicken. „Eine Tasse Tee würde mir guttun.“

Rogan und Ryan eilten zu ihr hinüber. Jeder nahm eine Hand und gemeinsam führten sie sie zum Sofa. Sie setzten sich neben sie und ihre Mutter legte die Arme um ihre Schultern und zog sie an sich.

„Ihr seid meine tapferen, starken Jungen“, flüsterte sie. „Versprecht mir, dass ihr mich nie verlasst.“

„Das verspreche ich, Mum“, erwiderte Rogen.

„Ich auch.“

Rogan gab sich selbst in Gedanken ein Versprechen. Wenn die Liebe ihrer Mutter das angetan hatte, dann wollte er sie nicht. Sie brachte nur Verzweiflung und Einsamkeit. Kein Mädchen konnte das wert sein.

1. KAPITEL

Das Klingeln seines Handys riss Rogan aus dem Tiefschlaf. Stöhnend drehte er sich um und suchte auf dem Nachttisch nach dem Telefon.

Schlanke weibliche Finger strichen über seinen Bauch und er lächelte, als ihr warmer nackter Körper sich enger an ihn schmiegte.

„Willst du rangehen?“, murmelte Kaylee.

Er warf einen Blick auf das Display. Wenn es seine Mutter oder einer seiner Brüder war, konnte er sie auf die Mailbox sprechen lassen. Aber als er den Namen seiner nächsten Expeditionskundin, Dr Claudia Mathison, sah, überlegte Rogan es sich anders. „Es dauert nur einen Moment“, sagte er.

Kaylee seufzte. „Beeil dich. Ich muss bald gehen.“

Er setzte sich auf und hielt das Handy ans Ohr. „Doctor Mathison“, sagte er verschlafen.

„Guten Morgen, Mister Quinn. Ich hoffe, ich störe Sie nicht?“ Sie wartete seine Antwort gar nicht ab. „Es gibt da noch ein paar Dinge, die ich besprechen möchte. Die Details sind wichtig, um diesen Trip so reibungslos wie möglich ablaufen zu lassen.“

Die Psychologin Claudia Mathison hatte ihn in den letzten paar Wochen mindestens zweimal täglich wegen ihrer „Details“ angerufen und sie trieb ihn wirklich langsam in den Wahnsinn. Ja, er verstand, dass dieser Trip für ihre fünf Patienten mit ihren Phobien eine große Herausforderung war. Aber es ging hier um Menschen, die in der Realität lebten, nicht um ein paar Invalide, die sich kaum um sich selbst kümmern konnten.

Als Rogan die Expedition angenommen hatte, hatte er vor seinen Brüdern, Malcolm und Ryan, damit angegeben, wie dieser Trip einen völlig neuen Markt für Maximum Adrenaline, das Familienunternehmen, das Abenteuerreisen anbot, erschließen könnte. In den letzten Jahren hatte ein rivalisierender Anbieter – der ehemalige Geschäftspartner ihre Vaters – ihnen schwer zugesetzt. Aber Rogan glaubte, dass sie ihr Hauptgeschäft, Klettern und Trekkingexpeditionen, erweitern und sich so einen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern verschaffen konnten.

Doch Rogan hatte noch ein anderes Motiv, um einen neuen Geschäftszweig zu suchen. Obwohl er anfangs glücklich gewesen war, mit seinen Brüdern zu arbeiten und das Andenken seines Vaters zu bewahren, hatte er dies nicht als den Beruf angesehen, den er für den Rest seines Lebens ausüben wollte. Sobald das Geschäft erfolgreich war, hatte er immer seinen eigenen Weg gehen wollen. Aber das Geschäft schien nie in die schwarzen Zahlen zu kommen und neuerdings fragte er sich, ob es nicht mehr im Leben gab, als Berge zu besteigen und Gletscher zu überqueren.

Er war den ständigen Stress und sein entwurzeltes Dasein leid. Er wollte neue Orte sehen, neue Abenteuer erleben, aber er führte die Kunden seit vier Jahren dieselben Routen entlang.

Neue Routen anzubieten war immer ein Risiko für das Geschäft und eine große Investition, was Zeit und Ausrüstung betraf. Aber wenn er und seine Brüder eine einfache Einkommensquelle fänden, eine, bei der sie ihr Kapital nicht aufs Spiel setzen mussten, dann könnte er Maximum Adrenaline vielleicht hinter sich lassen und sein eigenes Leben leben. Darum musste er dafür sorgen, dass Claudia Mathison zufrieden war.

„Was kann ich heute Morgen für Sie tun, Doctor?“

„Ich bin gerade die Zeltbelegung durchgegangen und ich glaube, wir brauchen zwei Zelte mehr“, meinte sie. „Eigentlich wäre es noch besser, wenn jeder sein eigenes Zelt hätte, falls das nicht zu viel Mühe macht. Ich habe es hier mit sehr launischen Menschen zu tun und ich will, dass alles glattgeht.“

„Nein, es macht keine Mühe, die Anzahl der Zelte zu verdoppeln“, erwiderte er. „Solange es Ihren Patienten nichts ausmacht, ihr eigenes Zelt zu tragen. Bedenken Sie bitte, dass unsere Zwei-Personen-Zelte für diese Art Expedition acht Pfund wiegen. Also muss jeder das Extragewicht mit sich herumtragen.“

„Acht Pfund? Das ist nicht viel“, meinte sie.

„Wenn man einen steilen Pfad hinaufklettert schon“, entgegnete er. „Was wir auf diesem Trip tun werden.“

„Vielleicht könnten Sie jemanden mit den Zelten vorausschicken?“, schlug sie vor.

„Doctor Mathison, ich dachte, Sie wollten eine Herausforderung für Ihre Patienten. Ich habe eine Woche Überlebenstraining und Camping geplant. Wenn Sie wollen, dass Maximum Adrenaline die ganze Arbeit übernimmt, dann sollten Sie das nächste Kurhotel buchen und sich mit Massagen und Mineralbädern begnügen.“

Sie schwiegen beide und Rogan biss sich auf die Unterlippe. Normalerweise hütete er sich, solche Dinge laut auszusprechen, besonders gegenüber einer neuen Kundin. Aber zusätzlich zu ihrer ständig anwachsenden Liste an Dingen, um die Ängste ihrer Phobiepatienten zu besänftigen, wollte sie der Unternehmung jetzt jegliche Herausforderung nehmen. Diese Frau musste unbedingt lockerer werden.

Dennoch brauchten sie den Auftrag dringend fürs Geschäft. „Es tut mir leid“, sagte er. „Vielleicht sollte ich Sie zurückrufen, wenn ich eine Tasse Kaffee getrunken habe.“

„Das wäre vielleicht das Beste“, meinte sie. „Rufen Sie mich um Viertel vor eins meiner Zeit an. Das wäre bei Ihnen Viertel vor vier. Dann können wir die letzten Details besprechen.“

Rogan rieb sich die Stirn. Wenn es hier in Auckland neun Uhr morgens war, dann war es sechs Uhr morgens in Sydney, wo sie lebte. „Arbeiten Sie immer so früh?“, fragte er.

„Ich brauche nicht viel Schlaf“, antwortete sie. „Wir reden später.“

„Okay. Bis dann.“

Rogan ließ sich zurück aufs Bett fallen und legte den Arm über die Augen. Ein paar Sekunden später drückte Kaylee ihm einen Kuss auf die Brust. Als er hinabblickte, sah er, wie sie ihn anlächelte. „Guten Morgen“, sagte sie.

„Morgen“, erwiderte er. „Tut mir leid.“

„Kein Problem“, meinte sie. „Zeit aufzustehen. Ich muss heute einiges packen.“

Rogan runzelte die Stirn. „Packen? Machst du Urlaub?“

Kaylee lächelte ihn unsicher an. „Nein. Eigentlich ziehe ich um.“

„Wirklich? Hast du eine neue Wohnung?“

„Eher … ein neues Leben“, sagte sie. Sie setzte sich neben ihm auf und zog das Laken um ihren nackten Körper. „Ich wollte es dir letzte Nacht erzählen, aber dann hatten wir die Drinks und dann wurde es heiß zwischen uns. Ich ziehe mit Denny Fitzgerald nach Christchurch. Er ist befördert worden und hat mich gefragt, ob ich mitkomme. Und ich habe Ja gesagt.“

„Warte“, sagte Rogan kopfschüttelnd. „Du und Denny?“

Kaylee zuckte mit den Schultern. „Ja. Er ist ein netter Kerl, Rogan. Wir sind uns nähergekommen. Er liebt mich und er will sein Leben mit mir verbringen. Und er ist für mich da.“

„Wann ist das denn passiert?“

„Das geht seit etwa einem Jahr, aber es war nichts Offizielles. Das heißt, bis jetzt.“

„Warum habe ich davon nichts mitbekommen?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht, weil du nie zu Hause bist. Hör zu, du bist ein netter Kerl, Rogan, aber eine Frau kann sich nicht mit ein paar Wochen unglaublichem Sex drei- oder viermal im Jahr zufriedengeben. So schön es auch ist, es reicht nicht. Ich will … mehr. Ich will einen Ehemann und eine Familie. Denny kann mir das geben.“

„Ich könnte dir mehr geben“, sagte Rogan. Aber als er es sagte, wusste er, dass es nicht stimmte. Er war vollkommen zufrieden mit dem, was sie gehabt hatten – toller Sex alle zwei oder drei Monate, wenn er zu Hause war … aber er hatte nicht an sie gedacht, wenn er weg war.

Kaylee strich ihm mit der Hand über die Wange. „Du glaubst nur, dass du das willst“, flüsterte sie. „Aber ich kenne dich. Du wirst dich nie binden. Das ist einfach nichts für dich.“

„Ja“, murmelte Rogan. „Aber manchmal wünschte ich, es wäre nicht so.“

Ein wehmütiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Denny und ich werden sehr glücklich werden.“

Rogan nickte widerstrebend. „Ich hoffe, er weiß, was für ein tolles Mädchen er bekommt.“

„Ich glaube, das tut er.“ Sie begann, das Schlafzimmer nach ihrem Slip abzusuchen. „Du wirst eine andere finden. Frauen fühlen sich immer zu Männern wie dir hingezogen. Zumindest für eine Weile.“

Rogan sah stumm zu, wie Kaylee sich anzog. Von allen Mädchen, mit denen er ausgegangen war, war sie ihm das liebste gewesen. Sie war nett und sexy und verlangte nichts – sie war immer zufrieden mit dem gewesen, was er ihr gegeben hatte. Bis jetzt.

Sie ließ sich aufs Bett fallen und wandte sich ihm zu. „Also verabschieden wir uns jetzt.“

„Sieht so aus“, murmelte Rogan.

Sie beugte sich zu ihm hinüber und drückte ihm einen raschen Kuss auf die Lippen. „Es war schön. Und ich werde dich vermissen. Pass auf dich auf.“

„Ich werde dich auch vermissen.“

Sie lachte und ihre Augen blitzten auf. „Nein, wirst du nicht. Du wirst bis nächste Woche ein neues Mädchen in deinem Bett haben.“

Kaylee sprang auf, ging zur Tür und drehte sich nur einmal um, um ihm eine Kusshand zuzuwerfen. „Also dann, Rogan. Ich wünsche dir ein schönes Leben.“

„Also dann, Kaylee. Pass auf dich auf.“

Er lauschte ihren Schritten und schloss die Augen, als die Vordertür ins Schloss fiel. „Verdammt“, murmelte er.

Die Haustür öffnete sich und das Geräusch beendete seine momentane Depression. Rogan grinste. Vielleicht hatte sie ihre Meinung schon geändert. Denny Fitzgerald war ein Vollidiot und keine Frau, die bei Verstand war, würde ihn wählen. „Schon zurück?“, rief er.

„Ich bin’s.“

Ein paar Augenblicke später kam Malcolm, Rogans älterer Bruder, durch die Schlafzimmertür. „Ich habe Kaylee draußen getroffen. Tut mir leid für dich.“

Rogan fluchte leise, stand auf und ging ins Bad. „Seit wann weißt du das von ihr und Denny Fitzgerald?“

„Dana hat es mir vor ein paar Monaten erzählt. Ich dachte, du wüsstest es.“ Dana, ihre Schwester, konnte normalerweise kein Geheimnis für sich behalten.

„Ich habe es vor“, er sah auf dem Weg ins Bad kurz zur Uhr hinüber, „drei Minuten erfahren“, sagte Rogan, als er anfing, sich die Zähne zu putzen. „Kann es ihr nicht verübeln. Ich habe ihr nicht viel zu bieten.“ Er sah aus der Badezimmertür hinaus. „Was machst du hier?“

Mal hielt einen großen Briefumschlag hoch. „Ich wollte dir das hier bringen. Es sind die ersten drei Kapitel der Biografie, die Amy über Dad schreibt. Ich dachte, du willst sie vielleicht lesen.“

Rogan nahm sich ein Handtuch und wischte sich den Mund ab, dann ging er zurück in Richtung des Wohnzimmers. Als er den Umschlag nicht sofort ergriff, zuckte Malcolm mit den Schultern und ließ ihn auf den Couchtisch fallen.

Rogan war sich nicht sicher, wie er zu dem stand, was bezüglich Max Quinn geschah. Das Buch, die Expedition, um seine Leiche vom Mount Everest zu bergen und der Medienrummel, den es geben würde. Er verstand, warum es Malcolm wichtig war, aber etwas tief in Rogan mahnte zur Vorsicht.

Aber er wusste auch mehr über seinen Vater als Mal – als Mal wissen wollte. Er hatte die Gerüchte über ihren Vater erstmals auf einer Expedition nach Annapurna gehört. Ein paar Bergsteiger hatten sich beim Abendessen unterhalten und das Gespräch war auf Bergsteigerinnen gekommen, ganz besonders auf eine. Annalise Montgomery. Er hatte nicht lauschen wollen, aber als er den Namen seines Vaters gehört hatte, hatte er sich rasch umgedreht, um den anderen beiden ins Gesicht zu sehen. Sie waren verstummt, als sie ihn erkannten, und weigerten sich, mehr zu sagen.

Rogan betrachtete nachdenklich den Umschlag, dann nahm er ihn. „Bist du sicher, dass du das alles ans Licht bringen willst, Mal? Was, wenn wir etwas herausfinden, was wir nicht wissen wollen? Etwas, das Mum verletzt?“

„Sie hält das Buch für eine gute Idee“, meinte Mal

„Aber sie ist noch unschlüssig, was die Expedition betrifft“, entgegnete Rogan.

„Sie wird ihre Meinung ändern. Die Finanzierung steht fast. Und du kannst mir nicht erzählen, dass du den Everest nicht besteigen willst.“

Es stimmte, Rogan wollte den Everest besteigen. Es würde keine Kunden geben, um die er sich sorgen müsste, und es wäre wirklich etwas anderes. Maximum Adrenaline hatte aus Respekt vor ihrer Mutter niemals eine Expedition zum Mount Everest angeboten. Dennoch, er erwartete nicht, dass sie es gutheißen würde, wenn ihre drei Söhne den Gipfel bestiegen, auf dem ihr Mann umgekommen war.

„Ich denke immer noch, dass wir das Buch diskutieren sollten“, sagte Rogan. „Wir alle.“

Mal zuckte mit den Achseln. „Uns alle vier zu einer Zeit zusammenzubringen ist nahezu unmöglich. Und was für einen Unterschied würde es machen?“ Er stand auf. „Jetzt muss ich mein altes Fahrrad suchen. Hast du es gesehen? Amy will ein Fahrrad, damit sie ihre Besorgungen ohne Auto erledigen kann.“

„Keine Ahnung. Warum kaufst du ihr nicht einfach ein neues Fahrrad?“

„Das habe ich vorgeschlagen, aber sie ist gerade auf dem Askesetrip. Sie meint, wir sollten anfangen, unser Geld zu sparen. Damit wir eine Familie gründen können.“

„Ihr seid noch nicht einmal verheiratet“, sagte Rogan und starrte seinen Bruder an.

„Ich weiß. Aber wir reden darüber, es offiziell zu machen. Und wer weiß schon, was danach passiert. Wir wollen beide Kinder, also werden wir früher oder später welche bekommen.“

„Himmel, Mal, das geht alles ein bisschen schnell, findest du nicht?“

„Nein. Jetzt, wo wir wissen, dass wir zusammenbleiben wollen, machen wir den nächsten Schritt. So wie Dad immer gesagt hat, ‚Einen Fuß vor den anderen setzen‘. Nur so bringst du es zu etwas.“

„Wie wird das unsere Termine beeinflussen?“

„Amy weiß, dass wir für lange Zeit getrennt sein werden. Aber sie versteht, dass es sein muss. Es wird klappen. Obwohl ich nicht mehr so viele von den langen Expeditionen machen möchte. Ich hatte gehofft, mit dir und Ryan darüber zu sprechen.“

Rogan fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar. So viel zu seinen Plänen, den Familienbetrieb hinter sich zu lassen.

„Klar“, sagte Rogan. „Kein Problem.“

„Super. Es ist nur für eine Weile. Das Geschäft kommt wieder ins Rollen und dann können wir es uns leisten, mehr Tourenführer einzustellen. Irgendwann möchte ich nur noch ein paar Expeditionen im Jahr machen.“

Rogan stand auf. Maximum Adrenaline war immer Malcolms Ding gewesen. Er war derjenige gewesen, der Rogan und Ryan überzeugt hatte, mitzumachen. Und jetzt machte er einen Rückzieher. „Also hast du es geschafft, die einzige Frau auf der Welt zu finden, die sich mit deinem Lebensstil abfindet. Wie hast du das gemacht?“

Er ging frustriert an Mal vorbei in die Küche. Warum war alles immer so viel leichter für Mal? Er schien immer die Kontrolle über alles zu haben – sein Leben, seine Gefühle, seine Frauen.

„Lass deinen Ärger nicht an mir aus“, sagte Mal, als er ihm folgte. „Es ist nicht meine Schuld, dass Kaylee beschlossen hat, sich mit Fitzgerald aus dem Staub zu machen.“

Rogan holte tief Luft, bevor er anfing, Kaffee zu machen. „Es liegt nicht an ihr. Ich hatte nur einen schlechten Start heute.“

Um ehrlich zu sein, konnte er sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt einen guten Start in den Tag gehabt hatte.

„Kopf hoch“, sagte Mal und wiederholte damit einen weiteren Familiengrundsatz.

So gingen die Quinns mit Problemen um – Kopf hoch, einen Fuß vor den anderen setzen und die Ohren steif halten.

„O-kay“, murmelte Rogan.

„Außerdem kann deine neue Kundin nicht so schlimm sein, wie du tust“, meinte Mal.

„Sie hat heute Morgen schon wieder angerufen. Ich glaube, du solltest sie übernehmen. Du kommst mit ihrer Nörgelei besser zurecht als ich.“

„Sie ist deine Kundin“, sagte Mal. „Und was soll das heißen? Ich komme mit dem Nörgeln zurecht?“

Rogan lachte in sich hinein. „Du bist der mit einer Frau in seinem Leben.“

„Ja. Aber Amy nörgelt nicht.“

„Nie?“

Mal schüttelte den Kopf. „Nein. Wir kommen gut zurecht. Ich bin gerne mit ihr zusammen. Es gibt niemanden, mit dem ich meine Zeit lieber verbringen würde.“

„Warum?“, fragte Rogan. „Was ist so besonders an ihr?“

Mal versuchte, seine Gedanken in Worte zu fassen. „Sie bringt mich zum Lachen. Und ich bringe sie zum Lachen. Ich schätze, wenn das so ist, gibt es nicht viel, was uns trennen könnte.“

Rogan lehnte sich im Sofa zurück und schloss die Augen. Vielleicht war es das, was ihm fehlte – jemand, der ihn zum Lachen brachte. Jemand, der sein Leben fröhlicher machte.

„Es ist ein einwöchiger Trip hier auf der Nordinsel“, murmelte Mal. „Wie oft hast du Überlebenstrips gemacht? Du bist wieder da, bevor du es bemerkst.“

„Ja, ja“, gab Rogan zu. „Wieso braucht man antibakterielle Tücher fürs Überleben? Und sie ist besessen von der Menge an Toilettenpapier, die ich mitbringen werde. Du siehst, warum ich Bedenken habe. Ich habe das Gefühl, dass ich mich um kleine Kinder kümmern muss und nicht um fünf Erwachsene.“

„Halt sie bei Laune“, meinte Mal. „Das ist ein neuer Markt für uns. Außerdem hat sie im Voraus gezahlt und wir haben das Geld schon ausgegeben.“

„Wahrscheinlich hat sie deshalb im Voraus bezahlt. Damit ich nicht mehr absagen kann.“ Er seufzte. „Ich werde es überleben. Vielleicht verliere ich meinen Verstand, aber ich werde dafür sorgen, dass alles klappt.“

„Gut“, meinte Mal. „Jetzt zieh dir ein Hemd an und frühstücke. Und dann sehen wir uns Doctor Mathisons Liste an.“

„Meinst du, ich sollte ihr nachlaufen?“, fragte Rogan.

„Doctor Mathison?“

„Nein. Kaylee. Vielleicht ist sie diejenige, die mich zum Lachen bringt, und ich habe es nur noch nicht begriffen.“

„Glaub mir“, sagte Mal, „wenn du sie lieben würdest, wüsstest du es. Vertrau mir.“

Rogan sah zu seinem Bruder hinüber. Er hatte keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Mal war der einzige von seinen Geschwistern, der zugab, dieses Gefühl erlebt zu haben. Obwohl Rogan verstehen konnte, dass Kaylee nicht die Richtige für ihn war, konnte er sich nicht vorstellen, dass es jemand Besseren geben konnte. Nicht, dass er sich je so verlieben wollte wie Mal.

Jetzt würde er sich auf den nächsten Trip konzentrieren und dafür sorgen, dass Dr Mathison zufrieden war. Um den Rest seines Lebens konnte er sich später kümmern.

Claudia sah zu, wie sich das Karussell der Gepäckausgabe drehte, und betrachtete ihre fünf Patienten, die sich alle in verschiedenen Phasen der Panik befanden. Der dreistündige Flug war ein stressiger Alptraum gewesen, weil jeder der fünf eine Beschwerde hatte.

Autor

Kate Hoffmann
Seit Kate Hoffmann im Jahr 1979 ihre erste historische Romance von Kathleen Woodiwiss las – und zwar in einer langen Nacht von der ersten bis zur letzten Seite – ist sie diesem Genre verfallen. Am nächsten Morgen ging sie zu ihrer Buchhandlung, kaufte ein Dutzend Liebesromane von verschiedenen Autorinnen und...
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