Entführt in eine erotische Welt

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Was stimmt mit ihr nicht? Alle Männer in der Kleinstadt machen einen Bogen um Emma. Bis ein sexy Pilot in den Ort kommt, der sie mit anderen Augen sieht: Bei Mac zählt nicht die prüde Vergangenheit, sondern nur eine unendlich verführerische Gegenwart …


  • Erscheinungstag 07.01.2019
  • Bandnummer 28
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745394
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Wie heißt du, Kleiner?“

Luke saß auf dem Rand der Trage und blickte sich hektisch im Untersuchungszimmer um. Er fühlte sich gefangen. Am liebsten wäre er geflüchtet, aber er beherrschte sich. Dadurch würde er sich nur noch verdächtiger machen.

Der Polizist setzte sich auf einen Hocker und legte Luke eine Hand aufs Knie. „Wo sind deine Eltern? Als ihr vor zehn Tagen in dem Motel eingecheckt habt, waren sie bei dir. Was ist passiert?“

Tränen traten Luke in die Augen. Er hatte die Tage nicht gezählt. Wie lange lag der Streit seiner Eltern jetzt zurück? Bei dem wütenden Geschrei hatte Lukas sich wie üblich im Bad die Ohren zugehalten, um nichts von all den Beschimpfungen hören zu müssen.

Aber dieser Streit war schlimmer gewesen als die anderen zuvor.

Als er am nächsten Morgen aufgewacht war, waren die beiden verschwunden, und nur seine wenigen Habseligkeiten hatten verstreut im Motelzimmer gelegen. Er hatte gewartet, dass seine Eltern zurückkehrten, aber die Tage waren verstrichen, und er hatte in Mülleimern nach Essbarem gesucht. Da war Luke klar geworden, dass er mit seinen zwölf Jahren ganz allein war.

„Hast du Verwandte, die wir anrufen können?“

Solange er zurückdenken konnte, hatte es immer nur sie drei gegeben. Sie waren oft umgezogen. Manchmal hatten sie wochenlang in einem Motel gewohnt, dann wieder in einem Haus oder einem Apartment, wenn sein Vater Arbeit gefunden hatte. In solchen Zeiten war Luke zur Schule gegangen, und das Leben war ihm fast normal vorgekommen.

Doch dann waren sie wieder mitten in der Nacht abgereist und hatten alles zurückgelassen, was nicht ins Auto passte. Lukes Vater war immer wütend und gewalttätig, und seine Mutter schien ständig in Furcht zu leben, als sei ihnen eine Gefahr dicht auf den Fersen.

„Ich … Ich weiß nicht genau, wo sie sind“, gab er leise zu. Sie waren auf dem Weg nach Oregon gewesen, mehr wusste er nicht.

„Wo wohnt ihr?“

„Ich kann mich nicht erinnern“, antwortete er beharrlich.

„Kleiner, ich glaube nicht, dass …“

„Ich weiß es nicht.“ Luke ballte die Fäuste. „Kann ich jetzt gehen?“

„Nein, du kannst jetzt nicht gehen. Wir müssen einen Verwandten von dir finden.“ Der Polizist atmete tief durch. „Sonst musst du in ein Pflegeheim, und das willst du doch nicht, oder?“

Eigentlich klang das in Lukes Ohren gar nicht so schlecht. Dort wäre er in Sicherheit. Wie lange könnte er, auf sich allein gestellt, überleben? Er hatte kein Geld, keinen Platz zum Schlafen und nichts zu essen. „Das ist okay“, sagte er. „Schicken Sie mich da hin.“

„Keine Verwandtschaft? Niemand, der sich um dich kümmern könnte?“

Luke schüttelte den Kopf und stand von der Trage auf. „Ich habe Hunger. Kann ich was zu essen bekommen?“

Auch der Polizist stand auf. „Sehen wir mal, was ich auftreiben kann.“

Luke hockte sich in eine dunkle Ecke, wo er nachdenken konnte. Bis vor wenigen Wochen hatte er Lukas Parrish geheißen, aber seit der Abreise aus St. Louis war er Lukas MacKenzie. So hatte sein Vater es ihm eingetrichtert. An anderen Orten hatte er andere Namen gehabt. Welchen sollte er jetzt angeben? Vor Parrish war es Cartwright gewesen, davor Phillips.

Er zog die Knie bis an die Brust an, schlang die Arme darum und kämpfte gegen die Tränen, doch dann brach es aus ihm heraus. Weinend verfluchte er seine Eltern, weil sie ihm so etwas antaten.

Es war bestimmt alles ganz allein seine Schuld. Er hätte mutig sein und seine Mutter überreden sollen, seinen Vater zu verlassen, doch sein Vater war ein selbstsüchtiger und herrischer Mensch. Er hätte sie niemals gehen lassen.

Als eine Polizistin auf ihn zukam, vermied Luke jeden Blickkontakt. Er wollte nicht noch mehr Fragen beantworten.

„Wie geht es dir, Luke?“, fragte sie in einem freundlichen Tonfall.

„Nicht so gut“, sagte er leise. „Komme ich jetzt bald in das Pflegeheim?“

Sie reichte ihm die kleine Blechdose, die er immer bei sich gehabt hatte, seit er denken konnte. Egal, wohin sie zogen, seine Mutter hatte ihm immer geholfen, ein sicheres Versteckt dafür zu finden, damit sein Vater die Dose nicht in die Hände bekam. Luke konnte nicht sagen, wieso der Inhalt dieser Dose so wichtig war.

„Gehört die dir?“, fragte die Polizistin.

Luke nickte und nahm ihr die Dose ab.

„Hast du darin ein Foto deiner Mutter?“

Luke kramte einen Schnappschuss heraus, der seine Mutter und ihn in einem Vergnügungspark am Meer zeigte. Er konnte sich gut an den Tag erinnern. Es war warm gewesen, es hatte nach Meer gerochen, und die Möwen hatten versucht, ihm und seiner Mutter das Sandwich zu stehlen.

„Ist sie das?“

Luke nickte.

„Hast du auch ein Foto von deinem Vater?“

„Er lässt sich nicht gern fotografieren.“

Sie reichte ihm kleines Fotoalbum. „Was ist mit diesen Leuten? Sind das deine Großeltern?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wer die sind.“

„Und diese Eheringe? Diese Uhr? Wem gehört das?“

Er zuckte mit den Schultern. „Das war von Anfang an in der Dose. Ich weiß nicht.“

Die übrigen Sachen hatte er selbst gesammelt. Eine Muschel, ein Rosenquarz, eine indianische Münze. Wenn sein Vater von dieser Dose gewusst hätte, wäre der Inhalt schon vor Jahren beim Pfandleiher gelandet.

„Wir werden dieses Foto kopieren und versuchen, deine Eltern aufzuspüren. Wenn du dich noch an irgendwas Wichtiges erinnerst, ruf mich an, okay?“ Sie reichte ihm ihre Visitenkarte. „Das hier ist meine Privatnummer.“

„Ich glaube, sie wollen mich nicht.“ Tränen liefen ihm über die Wangen. Er schaffte es nicht, sie zurückzuhalten.

„Das kann ich einfach nicht glauben.“ Die Polizistin rieb ihm über den Rücken, bis er zu weinen aufhörte.

Auf jeden Fall musste er sich an das halten, was sein Vater ihm gesagt hatte: Er hieß Luke MacKenzie, aber seine Freunde nannten ihn Mac.

1. KAPITEL

„Wer sind Sie? Wo steckt Buddy? Ich muss mit Buddy reden.“

Luke MacKenzie hob einen Lappen vom Boden des Flugplatzhangars auf, wischte sich das Schmierfett von den Fingern und musterte die Frau, die gerade eben zur Tür hereingeplatzt war. Das dunkle Haar war vom Wind zerzaust, und ihre Wangen waren gerötet. Sein Blick ging zu ihren vollen Lippen und den perfekten weißen Zähnen. Trotz ihrer offensichtlichen Wut strahlte sie eine natürliche Schönheit aus. Es war schon sehr lange her, dass er eine so schöne Frau gesehen hatte.

Lässig lächelnd trat er hinter den Schreibtisch und beugte sich näher zu ihr. „Buddy bekommt gerade im Krankenhaus eine künstliche Hüfte.“

Überrascht und leicht verlegen erwiderte sie seinen Blick. „Oh, das hat er mir nicht gesagt. Wann ist er wieder zurück?“

„In drei bis vier Wochen.“ Er streckte ihr die Hand hin. „Luke MacKenzie. Alle nennen mich Mac.“ Erstaunt über ihren festen Händedruck, hielt er ihre Hand etwas länger fest und genoss die Berührung ihrer schlanken Finger.

„Mr. MacKenzie, ich …“

„Einfach Mac.“ Noch einmal drückte er ihr die Hand.

Sie zog die Hand zurück. „Also, Mr. Einfach-Mac, lassen Sie mich eins klarstellen, da Buddy Sie anscheinend nicht eingeweiht hat: Wenn Charlie Clemmons wieder verlangt, dass Sie dieses alberne ‚Heirate mich, Emma‘-Banner am Himmel entlangziehen, dann sagen Sie einfach Nein.“

„Und Ihr Name lautet …“

„Emma“, antwortete sie leise. „Emma Bryant.“

„Also, Heirate-mich-Emma, vielleicht kann Buddy zweihundert Dollar für einen Heiratsantrag per Flugzeug ausschlagen, aber den Luxus, Charlies Geld auszuschlagen, kann ich mir nicht leisten.“

„Charlie kann so viel Geld zum Fenster rauswerfen, wie er will, ich werde ihn nicht heiraten.“

„Vielleicht ist er verliebt“, vermutete Mac.

„Vielleicht ist er auch komplett verrückt.“

„Wieso wollen Sie ihn denn nicht heiraten? Haben Sie einen anderen?“

Mit ihrem wütenden Blick hätte sie Stahl schmelzen können. „Das geht Sie überhaupt nichts an! An Ihrer Stelle würde ich nicht auf das Gerede im Ort hören.“

„Was für Gerede? Tut mir leid, davon bekomme ich nichts mit. Erklären Sie es mir. Möchten Sie was trinken? Im Kühlschrank steht Limo.“

Sie sah ihn an, als habe er verlangt, sie solle mit ihm nackt auf dem Tisch tanzen. „Offenbar halten Sie sich für charmant, und vielleicht wirkt dieser Charme auch bei einem bestimmten Frauentyp, aber garantiert nicht bei mir.“

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Wenn Sie einen festen Freund oder Verlobten haben, wäre ein Heiratsantrag tatsächlich etwas problematisch.“ Sie ist eine sehr schöne Frau, dachte Mac und betrachtete ihr kurzes dunkles Haar, das hübsche Gesicht und die großen, ausdrucksstarken grünen Augen mit den dichten langen Wimpern. Ihr sinnlicher Mund war wie zum Küssen geschaffen.

„Hören Sie einfach auf, dieses Banner über den Himmel zu ziehen.“ Auf dem Absatz drehte sie sich um und ging in Richtung Tür.

„Am schnellsten werden Sie ihn los, indem Sie was mit einem Neuen anfangen.“

Langsam drehte sie sich zu ihm um. „In einer Kleinstadt wie San Coronado ist das Angebot an anständigen Männern sehr begrenzt. Glauben Sie mir, ich habe gesucht.“

„Vielleicht nicht gründlich genug. Sie könnten mit mir ausgehen. Ich bin neu in der Stadt, und es wäre schön, wenn mir jemand alles zeigt, was es hier so gibt.“ Im Grunde war es für ihn nur ein Versuch, sie noch ein bisschen länger in der Werkstatt des Hangars aufzuhalten. Diese umwerfend schöne Frau, die keinen Mann finden konnte, faszinierte ihn. „Lassen Sie uns bei einer Limo die Einzelheiten besprechen. Geben Sie mir eine Chance, mich für das Problem mit dem Banner zu entschuldigen.“

Lange sah sie ihn schweigend an. „Sie wollen mit mir ausgehen? Ein Date?“

„Genau.“

„Wir sind uns doch gerade erst begegnet. Und ich glaube, ich mag Sie nicht mal.“

„Nein, sagt ein Mädchen, weil’s die Sitte will“, sagte er leise. „Und wünscht, dass es der Frager deut’ als Ja.“

„Glauben Sie im Ernst, ein kleines Shakespeare-Zitat reicht, um mich umzustimmen?“

„Ich könnte noch mehr Shakespeare zitieren, aber meine Zitatensammlung liegt gerade in der anderen Werkzeugkiste.“ Er lächelte. „Mögen Sie Shakespeare?“

„Er ist der größte Schriftsteller, der je gelebt hat.“

„Und glauben Sie, dass es Edward de Vere war, der die Shakespeare-Werke geschrieben hat?“ Er sah ihr an, dass er damit ihr Interesse geweckt hatte. „Ich habe gerade ein Buch darüber gelesen.“

„Über den Earl von Oxford?“ Sie wandte sich ihm zu. „Die Theorie finde ich faszinierend.“

„Dann sollten wir uns mal treffen und darüber diskutieren.“

Sie zögerte, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Hören Sie einfach auf damit.“ Sie verließ den Hangar und trat ins Sonnenlicht des schönen Oktobertags hinaus.

„Womit soll ich aufhören?“, rief er ihr nach. „Sie auf Dates einzuladen? Oder mit dem Banner herumzufliegen?“

Er folgte ihr zur Tür, aber sie war bereits in ihren alten Volvo gestiegen und fuhr die Landebahn entlang, gefolgt von einer dichten Staubwolke.

Buddys Mechaniker J. J. Jones kam mit einer alten Hydraulikpumpe um die Ecke des Hangars geschlendert. „War das Emma Bryant?“

„Ja.“

„Ich hab’s dir doch gesagt, dass du das mit dem Banner lassen sollst.“

„Was weißt du über sie?“

„Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Sie ist in meinem Alter. Siebenundzwanzig. Ist die Bibliothekarin hier im Ort. Ihr Dad starb, als sie noch klein war, und ihre Mom ist vor drei Jahren nach langer Krankheit gestorben. Emma hat sie fast vier Jahre lang zu Hause versorgt.“

„Wenn sie so eine Heilige ist, wieso wird dann im Ort über sie getratscht? Sie hat mich gefragt, ob ich das Gerede über sie gehört habe.“

J. J. zögerte. „Sie ist einer der nettesten Menschen, die ich kenne. Nimmt sich Zeit für jeden, und alle lieben sie.“

Mac seufzte. „Meinst du, sie geht mit mir aus?“

„Ich bezweifle, dass du ihr Typ bist.“

„Dann ist sie wählerisch?“

„Eher vorsichtig“, erwiderte J. J. und schüttelte die Pumpe. „Ich muss wieder an die Arbeit. Die Pumpe von deinem Flieger ist Schrott. Am besten ersetzen wir gleich beide. Soll ich zwei bestellen?“

„Nein, nur eine“, antwortete Mac. „Und versuch, eine günstige zu finden.“

„Mach ich.“

Macs Blick kehrte zur Landebahn zurück, auf der Emma Bryant verschwunden war. Wenn er morgen früh wieder mit dem Banner herumflog, konnte er sicher sein, dass sie wieder hier auftauchen und ihm die Meinung sagen würde.

„Es ging alles so schnell, ich bin kaum mitgekommen.“ Emma umklammerte das Lenkrad. „Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich gefragt hat, ob ich mit ihm ausgehe.“

„Und? Was hast du gesagt?“

„Weiß ich nicht mehr.“ Emma sah zu ihrer besten Freundin Trisha Kelling und hob die Schultern. „Ich wünschte, ich könnte zurückspulen und es mir noch mal anhören.“

„Warte.“ Trisha hob die Hand. „Halt an. Wir brauchen hier deine volle Konzentration.“

Emma hielt am Straßenrand an, wandte sich ihrer Freundin zu und atmete tief durch.

„Wie hat er ausgesehen?“, wollte Trisha wissen.

„Sexy. Dunkles Haar, hellblaue Augen. Du weißt schon, wie eine ausgebleichte Jeans.“

„Oh, ich liebe dieses Blau! Was noch?“

„Gerade Nase, schöne Zähne. Und ein sehr schöner Körper, soweit ich das sehen konnte.“

„Und sein Paket?“, bohrte Trisha nach. „Hast du das überprüft?“

„Nein! Wieso sollte ich … ihm auf den Schoß starren?“

„War er charmant oder von sich eingenommen?“

„Ein bisschen von beidem. Er wirkte klug. Er hat Shakespeare zitiert.“

„Wirklich? Was hat er gesagt?“

Als Englischlehrerin auf der Highschool kannte Trisha sich bei Shakespeare aus. Leider konnte Emma sich nicht mehr genau an das Zitat erinnern, und das bewies ihr, wie sehr Luke MacKenzie sie durcheinandergebracht hatte. „Irgendwas von Mädchen und Sitte und Ja und Nein.“

„Nein, sagt ein Mädchen, weil’s die Sitte will, und wünscht, dass es der Frager deut’ als Ja? Aus der Komödie der Irrungen?“

„Genau! Das war’s.“ Emma rieb sich das Gesicht. „Dann hat er noch die These erwähnt, dass Shakespeare in Wahrheit Edward de Vere war. Es war, als wüsste er, wie sehr mich dieses Thema fasziniert. Als ob er mich in Versuchung führen will.“

„Und du hast Nein gesagt, weil es die Sitte will, aber …“

Emma lächelte. „Vielleicht ist er der Richtige. Das würde Sinn ergeben, oder?“

„Gutaussehend und sexy und auch noch klug und sehr charmant?“

„Außerdem ist er nur eine kurze Zeit hier, das ist perfekt.“ Emma nickte. „Ich fasse es nicht, endlich werde ich diese lästige Jungfräulichkeit los. Ich werde Sex mit diesem Mann haben, und dann ist es vorbei.“ Emma atmete tief durch. Sie hatte nie vorgehabt, so lange Jungfrau zu bleiben. Jahr um Jahr war vergangen, ohne einen möglichen Lover in Sicht, und bevor sie es richtig gemerkt hatte, saß sie jetzt hier, ging langsam auf die dreißig zu und war noch so unschuldig wie eine Nonne. „Ich hätte mit ihm flirten sollen.“

„Du kannst ja zurückfahren“, schlug Trisha vor.

„Unter welchem Vorwand?“

„Um dich zu entschuldigen, weil du so zickig warst?“

„Das war ich wirklich. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er es ernst meint. So ein Mann und … und ich. Der Bücherwurm.“

„Bring ihm doch ein Buch!“ Trisha war begeistert. „Du weißt, dass er Shakespeare liest. Wenn er Whitman mag, ist er die ultimative Sexmaschine.“

„Whitman? Nein, das wäre zu … offensichtlich. Irgendwie verzweifelt.“

„Du bist doch auch verzweifelt. Am besten gibst du das gleich offen zu. Es ist doch irgendwie sexy, wenn eine Frau sich verzweifelt nach Sex sehnt.“

„Meinst du?“ Emma seufzte. „Hätte ich doch bloß damals nicht dieses dämliche Stützkorsett bekommen. Nur deshalb sind die Jungs auf Abstand gegangen.“

Mit dreizehn hatte man bei ihr eine Skoliose diagnostiziert, und während der Highschoolzeit hatte sie die Rückenschiene bekommen. In Verbindung mit der Zahnspange und einer starken Akne hatte sie auf keinen Jungen anziehend gewirkt. Kurz nachdem sie die Stützschienen losgeworden war, hatte ihre Mutter Krebs bekommen. Emma hatte die Pflege übernommen, sich mit Lernen getröstet und war als Jahrgangsbeste von der Highschool abgegangen. Anschließend war sie auf dem College gewesen, hatte aber zu Hause gewohnt, weil das billiger war und sie sich dadurch besser um ihre Mutter kümmern konnte.

Vor vier Jahren hatte sie ihr Informationswissenschaftsstudium abgeschlossen, und man hatte ihr den Job der Bibliotheksleitung angeboten. Obwohl Emma immer davon geträumt hatte, die Stadt zu verlassen, war sie geblieben, um ihre Mutter auf dem letzten Stück Weg ihrer Krankheit zu begleiten.

Die Einwohner von San Coronado hatten ihr und ihrer Mutter Elaine immer beigestanden. Elaine war als Vorschullehrerin des Orts bei allen bekannt und beliebt gewesen, und während ihrer Krankheit hatten die Menschen Spenden für sie gesammelt, damit sie die Medikamente bezahlen konnte. Jede Woche war im Kirchenkreis für sie gebetet worden.

Wie hätte Emma da das Jobangebot ausschlagen können? Es war ihre Chance gewesen, der Gemeinschaft, die ihrer Mutter so viel Liebe und Zuwendung entgegengebracht hatte, etwas zurückzugeben.

Deshalb hatte sie sich in die Arbeit gestürzt und das gesamte Katalogsystem der Bücherei modernisiert, die Raumaufteilung verändert und neue Programme für Kinder und Senioren eingeführt. Und obwohl ihre Mutter sie gedrängt hatte, auszugehen und sich mit anderen Menschen zu treffen, hatte sie lieber lange gearbeitet, um spätabends zu Hause todmüde ins Bett zu fallen.

Früher hatte sie davon geträumt, mit ihrer Mutter an exotische Orte wie Neuseeland, Indonesien oder Costa Rica zu verreisen. Gemeinsam hatten sie Reiseführer durchstöbert, sich Routen überlegt und alles in ledergebundenen Tagebüchern aufgeschrieben. Noch in der Endphase der Krankheit ihrer Mutter hatten sie damit weitergemacht, als ob in diesen Plänen eine magische Heilkraft stecken würde.

Als klar war, dass die Krankheit unheilbar war, hatte Elaine ihrer Tochter das Versprechen abgerungen, irgendwie einen Weg zu finden, auch ohne sie diese Reisen zu unternehmen und die Orte zu sehen, von denen sie beide so fasziniert gewesen waren.

Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie sich zu Hause vor der ganzen Welt verkrochen und sich ausschließlich auf die Arbeit konzentriert. Und jetzt kam es ihr vor, als habe die Welt sich von ihr entfernt.

Es gab ein paar verfügbare Männer im Ort, aber eine Beziehung unter ständiger Beobachtung aller Einwohner anzufangen machte ihr Angst. Jedem schien ein bisschen zu viel an ihrem Glück zu liegen.

„Ich weiß, wie schwer es für dich war“, stellte Trisha leise fest.

„Ich beschwere mich nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann mich glücklich schätzen. Ich habe einen wunderbaren Job und eine wundervolle beste Freundin. Mehr brauche ich nicht.“

„Du brauchst Leidenschaft in deinem Leben. Und ein paar richtig gute Orgasmen!“ Trisha schrie jetzt fast. „Dieser Mac könnte die Lösung für all deine Probleme sein.“

„Falls ich tatsächlich was … Körperliches mit Mac anfange, muss ich darauf vorbereitet sein. Ich muss mir sexy Unterwäsche kaufen und zum Friseur. Oh, und ich muss ihm ein Frühstück servieren können, falls er über Nacht bleibt. Am besten überlege ich mir ein Menü. Gut wäre auch, wenn ich meine Kenntnisse über … du weißt schon … Sex auffrische. In der Bibliothek haben wir sehr informative Sachbücher.“ Emma fuhr weiter und konnte an nichts anderes denken, als dass ihre lange Durststrecke schon bald zu Ende sein konnte.

„Vielleicht gehst du das Ganze ein bisschen zu analytisch an“, wandte Trisha ein. „Ehrlich gesagt, sobald ihr anfangt, euch auszuziehen, hast du nicht mehr viel Zeit zum Nachdenken.“

„Ist das so bei dir und Joey?“

Trisha lachte auf. „Du suchst nach dem perfekten Mann und nicht nach einem Kerl mit Brustpelz und dem Körper eines Teddybären.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Was soll ich sagen? Ich finde meinen Ehemann unglaublich sexy. Und er ist im Bett immer so voller Begeisterung. Außerdem ist er gut ausgestattet.“

„Danke, danke, mehr will ich gar nicht hören.“ Während sie mit offenen Seitenfenstern durch die Felder und Weiden auf die Stadt zufuhren, war Emma zutiefst glücklich darüber, dass es jetzt möglicherweise doch Leidenschaft in ihrem Leben geben würde. Vor Aufregung konnte sie kaum still sitzen.

Mac blickte an der Fassade der Stadtbibliothek von San Coronado hinauf. Wahrscheinlich war die bei allen beliebte Bibliothekarin jetzt hier in diesem Gebäude. Er strich sich durchs Haar und nahm auf der Treppe zwei Stufen auf einmal.

Mac hatte gedacht, in einer Bücherei sei es sehr still und alle würden nur flüstern, doch hier herrschte lebendiges Treiben. Auf dem Boden lagen verstreut kleine Modellfahrzeuge, die er als Kind auch aus Bausätzen zusammengebastelt hatte.

Lächelnd dachte Mac daran zurück, wie er im Pflegeheim mit Freunden stundenlang an diesen Bausätzen gearbeitet hatte. Er hatte Zeitungen ausgetragen, um das Geld für die kleinen Modellbaukästen zu sparen, und die fertigen Autos hatte er hinten in seinem Schrank in ihren Schachteln gestapelt.

An seinem achtzehnten Geburtstag hatte er seine Taschen gepackt, war weggegangen und hatte die Autos und seine Kindheit zurückgelassen. Er hatte einen Job und ein billiges Zimmer gefunden und alles Geld gespart, um Flugunterricht zu nehmen und einen Kurs über Motorenreparatur zu belegen. Für das College hatte sein Geld nicht gereicht, doch er hatte sich einen Mitgliedsausweis bei der Bücherei besorgt und sich selbst unterrichtet.

Hinter dem Empfangsschalter konnte er Emma nicht entdecken. Am besten besorgte er sich einen Leseausweis und fragte beiläufig nach ihr.

„Ich möchte einen Büchereiausweis haben“, sagte er zu der Frau hinter dem Tresen, als er an der Reihe war.

„Können Sie sich ausweisen?“

Autor

Kate Hoffmann
Seit Kate Hoffmann im Jahr 1979 ihre erste historische Romance von Kathleen Woodiwiss las – und zwar in einer langen Nacht von der ersten bis zur letzten Seite – ist sie diesem Genre verfallen. Am nächsten Morgen ging sie zu ihrer Buchhandlung, kaufte ein Dutzend Liebesromane von verschiedenen Autorinnen und...
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