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Der erfolgreiche Schriftsteller Brendan Quinn kann seinen Blick nicht von der hübschen Kellnerin Amy lösen. Allerdings gehört sie in ihrem sexy Outfit einfach nicht in diese Hafenkneipe! Eher schon auf sein Boot. Auch wenn er weiß, dass er dann kein Auge zutun wird …


  • Erscheinungstag 16.07.2018
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757984
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Brendan Quinn saß in einer dunklen Ecke des „Longliner Tap“ und beobachtete die Stammgäste bei ihrem Freitagabendvergnügen. Der Longliner war ein beliebter Treffpunkt für Fischer und deren Familien und lag im Hafengebiet von Gloucester, Massachusetts, der Heimat der nordatlantischen Schwertfischerflotte.

Sein eigenes Boot, die Mighty Quinn, lag nur wenige Hundert Meter von der Bar entfernt am Pier vertäut. Jetzt, Anfang Dezember, war es bereits recht kalt draußen, aber auf dem ehemaligen Fischerboot seines Vaters war es warm und gemütlich – der perfekte Ort, um sein neues Buch zu Ende zu schreiben.

Er war in den Longliner gegangen, um noch einmal mit den Familienangehörigen und Freunden der Fischer zu sprechen, die er porträtiert hatte, in der Hoffnung, möglichst anschaulich über die Gefahren und Abenteuer berichten zu können, mit denen die Männer bei ihrer Arbeit auf hoher See konfrontiert wurden. An diesem Abend hatte er bereits sechs verschiedene Leute interviewt und sich zwischen den Gesprächen auf Zetteln Notizen gemacht. Dazu hatte er den Leuten Bier spendiert, damit sie gesprächiger wurden.

Jetzt wollte er sich nur noch entspannen und die Atmosphäre in sich aufnehmen. Die Mehrheit der Fischer aus Gloucester, die normalerweise dieses Lokal besuchten, war bereits wegen der Saison Richtung Süden gefahren, doch ein paar Nachzügler waren noch da, die für den Winter keinen Job auf einem Boot gefunden hatten. Es waren Männer, die es gewohnt waren, hart zu arbeiten und noch ausgelassener zu feiern. Außerdem waren da noch die Freundinnen und Frauen derer, die fort waren. Sie kamen in die Bar, um ihre Einsamkeit mit den anderen Frauen zu teilen, die verstanden, was sie durchmachten.

Brendan heftete seinen Blick auf eine blonde Kellnerin, die sich mit einem hoch über ihren Kopf gehaltenen Tablett voller Biergläser einen Weg durch die Menge bahnte. Im Lauf des Abends hatte er immer wieder zu ihr hingesehen. Sie hatte etwas an sich, das nicht recht hierher passte. Obwohl sie die Standardkleidung trug – Leinenschürze, enge Jeans und ein tief ausgeschnittenes hautenges T-Shirt –, schien sie nicht hierher zu gehören.

Es lag nicht an ihrem Haar, das honigblond gefärbt war, oder am Make-up, den dunklen Augen und den hellroten Lippen. Nicht einmal an den drei Ohrringen, die sie in jedem Ohr trug. Brendan beobachtete, wie sie an einem Tisch mit Rowdys Drinks servierte. Es hatte damit zu tun, wie sie sich bewegte. Ihre Bewegungen waren ganz anders als die der übrigen Kellnerinnen, die ihre Hüften schwangen und ihre Brüste provozierend vorstreckten. Im Gegensatz zu ihnen war diese Frau anmutig, kultiviert und keineswegs provozierend. Sie schien beinah wie eine Tänzerin dahinzugleiten. Der Bogen ihres langen Halses und die Drehung ihres Arms verstärkten die Illusion, dass sie nicht einer Horde Wasserratten Bier servierte, sondern bei einer Ballettaufführung über die Bühne schwebte.

Sie wandte sich vom Tisch ab, und Brendan hob die Hand, neugierig genug auf sie, um noch ein Bier zu bestellen. Doch kaum hatte er Blickkontakt zu ihr hergestellt, packte einer der Seeleute sie von hinten und zog sie auf seinen Schoß. Sofort waren seine Pfoten überall auf ihr.

Während sich diese geschmacklose Szene entfaltete, stöhnte Brendan innerlich. Die Situation geriet außer Kontrolle, aber niemand schien deswegen besorgt. Daher fiel ihm nur eine Lösung ein. „Wie ich Schlägereien hasse“, murmelte er. Dann stand er auf und ging zu dem Tisch.

„Nehmen Sie die Hände von der Lady“, befahl er.

Der Betrunkene sah auf und grinste höhnisch. „Was hast du gesagt?“

„Ich sagte, nehmen Sie die Hände von der Lady.“

Die Kellnerin berührte Brendans Arm. Brendan war erstaunt, wie jung sie wirkte. Aus irgendeinem Grund hatte er ein Gesicht erwartet, dem man die Jahre harter Arbeit und anstrengenden Lebens ansehen konnte. Stattdessen war ihre Haut so glatt, dass er beinahe versucht war, sie zu berühren, um herauszufinden, ob sie echt war.

„Ich komme schon zurecht“, sagte sie. „Sie brauchen sich nicht einzumischen. Ich bin sehr gut in Konfliktlösungen und interpersoneller Kommunikation. Ich habe mal ein Seminar darüber besucht.“

Ihre Stimme war tief und heiser. Sie klang nach Whiskey in einer kalten Nacht, warm und angenehm. Brendan nahm ihre Hand und zog sie hoch. „Gehen Sie“, forderte er sie auf. „Ich kümmere mich darum.“

Diesmal packte sie seine Jackenaufschläge. Ihre Berührung sandte einen Stromstoß seinen Arm hinauf. „Nein, ehrlich. Ich werde allein damit fertig. Es ist nicht nötig, sich zu prügeln. Gewalt ist nie die Lösung.“ Sie sah ihn mit ihren unglaublich blauen Augen an. „Bitte.“

Brendan war unschlüssig, was er tun sollte. Es entsprach nicht seiner Natur, einfach eine Frau in Not im Stich zu lassen. Schließlich war er mit all den Märchen von den Heldentaten und der Ritterlichkeit der Quinns groß geworden. Er stellte fest, dass die übrigen Gäste schweigend zusahen und gebannt darauf warteten, ob er davonlaufen oder bleiben und kämpfen würde. Doch im nächsten Moment wurde ihm die Entscheidung abgenommen.

Als er sich wieder der Kellnerin zuwandte, registrierte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Eine Bierflasche kam in seine Richtung geflogen, und er duckte sich. Die Flasche sauste an seinem Ohr vorbei und traf einen der Betrunkenen am Tisch. Dann brach die Hölle los.

Die Kellnerin schnappte sich einen Bierkrug und leerte ihn über dem Kopf des Angreifers aus. Brendan wich einer weiteren Flasche aus, dann einer Faust, ehe er sich doch einen Hieb ans Kinn einhandelte. Entschlossen, sich zurückzuziehen, bevor einer von ihnen ernsthaft verletzt wurde, packte er die Kellnerin am Arm und zerrte sie aus dem Zentrum der Rauferei heraus. Doch sie riss sich los, sprang einem der Betrunkenen auf den Rücken und boxte ihn mit den Fäusten auf die Ohren.

„Verdammt, ich hasse Schlägereien“, murmelte Brendan wieder. Am liebsten wäre er einfach verschwunden. Aber er konnte die Kellnerin nicht hier zurücklassen. Sie schwang gerade ein Tablett wie ein Ninja seine Waffe. Sie schlug es einem der Betrunkenen auf den Kopf und trat einem anderen auf den Fuß, als er seinem verletzten Freund zu Hilfe eilen wollte.

Niemand schien um die Sicherheit der Frau besorgt. Die Gäste, die nicht in die Rauferei verwickelt waren, feuerten sie an. Die übrigen Kellnerinnen saßen auf dem Tresen, um besser sehen zu können. Ein Barkeeper telefonierte, wahrscheinlich mit der Polizei, während der andere einen Baseballschläger hervorholte und ihn bedrohlich schwang. Angesichts der eskalierenden Schlägerei fragte Brendan sich jedoch, ob die Polizei rechtzeitig eintreffen würde.

Als ein stämmiger Fischer die Kellnerin von hinten packte und hochhob, machte Brendan einen Schritt vorwärts. Sie trat dem Kerl mit dem Absatz ihres Stiefels gegen die Kniescheibe und schrie um Hilfe. Zwar riet eine innere Stimme Brendan, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, doch ahnte er bereits, dass er gleich mitten im Getümmel enden würde.

Der Rüpel, der das Ganze ausgelöst hatte, befand sich inmitten der Rauferei. Brendan sah, wie er sich auf die Kellnerin zubewegte. Der Kerl rief ihr etwas zu und holte aus, um sie zu schlagen. Obwohl Brendan nicht gerade scharf darauf war, den Ritter in schimmernder Rüstung zu spielen, konnte er sich nicht beherrschen. Eine Frau zu schlagen war inakzeptabel. Er trat zwischen den Mann und die Kellnerin.

„Denken Sie nicht einmal daran“, warnte Brendan ihn.

„Wollen Sie mich aufhalten?“, knurrte der Mann. „Sie und welche Armee?“

„Keine Armee“, erwiderte Brendan. „Nur ich.“ Er boxte dem Kerl direkt auf die Nase, sodass er vor Schmerz aufheulte und sich die blutige Nase hielt.

Brendan drehte sich zu dem Koloss um, der die Kellnerin festhielt. Ein Schlag auf die linke Niere genügte, damit der Kerl sie losließ. Brendan packte ihren Arm, doch zu seinem Entsetzen wich sie zurück.

„Lassen Sie mich los!“, schrie sie.

Er packte sie erneut. „Zwingen Sie mich nicht, Sie hier rauszutragen. Denn das werde ich nicht tun.“ So hatte es angefangen – erst bei Conor, dann bei Dylan. So waren sie dem Charme einer Frau erlegen und hatten sich verliebt. Beide hatten eine Frau aus einer Notsituation gerettet, und danach war nichts mehr wie vorher gewesen. Auf keinen Fall wollte Brendan den gleichen Fehler begehen.

„Ich werde nicht mitkommen! Ich kann mich um mich selbst kümmern!“ Fluchend trat sie jetzt ihm auf den Fuß.

Schmerz durchzuckte sein Bein. Brendan biss die Zähne zusammen und bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Hören Sie, ich werde es nicht noch einmal sagen.“ Diesmal packte er ihren Arm fester und zerrte sie zur Tür.

„Hilfe!“, schrie sie. „Hilfe!“

„Ich werde es nicht tun“, sagte Brendan leise. „Ich werde Sie nicht über die Schulter werfen und raustragen. Denn wenn ich das tue, ist es mit meiner Freiheit aus.“

„Hilfe! Er kidnappt mich!“

„Ach zur Hölle.“ Er blieb stehen, bückte sich, umfasste ihre Beine und warf sich die Frau über die Schulter. Ein paar Gäste, die nicht in die Schlägerei verwickelt waren, feuerten ihn an; einige warfen mit Popcorn. Mit einem angespannten Lächeln winkte Brendan ihnen zu, riss die Tür auf und marschierte in die kalte Nacht hinaus.

Das Geräusch näher kommender Sirenen signalisierte ihm, dass sie die Bar gerade noch rechtzeitig verlassen hatten.

„Lassen Sie mich herunter“, befahl die Kellnerin zappelnd und tretend.

„Noch nicht.“ Brendan überquerte die Straße. Sobald sie weit genug von der Bar entfernt waren, um nicht mit der Schlägerei in Verbindung gebracht zu werden, stellte er die Frau wieder auf die Füße. Doch er ließ sie nicht gleich los. „Sie werden nicht wieder hineinlaufen, klar? Denn es würde mir gar nicht passen, dass ich mein Leben riskiert habe, um Ihren süßen kleinen Hintern zu retten, nur damit Sie sich gleich wieder ins Getümmel stürzen.“

„Die Polizei ist da“, bemerkte sie. „Ich werde ganz bestimmt nicht wieder hineingehen.“

Er ließ sie los. Sie standen unter einer Straßenlaterne nahe dem Ende des Piers. Brendan betrachtete ihr Gesicht. Sie besaß nicht die glatten, feinen Züge von Olivia, Conors Frau. Oder die süße, natürliche Schönheit von Dylans Meggie. Diese Frau wirkte wild und unberechenbar, gereizt und rebellisch, als würde es sie nicht kümmern, was die Leute von ihr dachten.

Jedenfalls schien es sie nicht zu kümmern, was er von ihr dachte. Ihr Blick war kalt und abweisend. „Falls Sie erwarten, dass ich mich bei Ihnen bedanke, vergessen Sie es.“ Sie rieb sich fröstelnd die Arme und hob trotzig das Kinn.

Die Temperaturen lagen unter dem Gefrierpunkt, und sie trug lediglich ein dünnes T-Shirt. Brendan zog seine Jacke aus und legte ihr sie um die Schultern. „Mein Boot liegt hier am Pier“, erklärte er. „Wieso kommen Sie nicht mit, dann koche ich uns Kaffee. Die Cops werden in einer halben Stunde wieder fort sein, dann können Sie zurück.“

Sie musterte ihn misstrauisch. „Wieso sollte ich mit Ihnen gehen? Woher weiß ich, dass Sie nicht genauso sind wie der Kerl, den Sie drinnen k. o. geschlagen haben?“

„Na schön“, meinte Brendan. „Bleiben Sie hier draußen in der Kälte.“ Er drehte sich um und ging den Pier hinunter. Er lächelte, als er ihre Schritte hinter sich hörte.

„Warten Sie!“

Brendan verlangsamte sein Tempo, bis sie an seiner Seite war. Als sie sein Boot erreichten, bot er ihr die Hand, damit sie auf eine umgedrehte Bretterkiste steigen und an Deck springen konnte.

Die Lichter in der Mighty Quinn brannten hell. Brendan öffnete die Luke und führte sie den Kajütgang hinunter.

„Ich habe Sie nicht für einen Fischer gehalten“, meinte sie.

„Bin ich auch nicht.“ Brendan folgte ihr die Stufen hinunter in die Kapitänskajüte. „Mein Vater war einer. Als er sich zur Ruhe setzte, begann ich auf dem Boot zu wohnen. Ich habe es restauriert und ein paar Dinge geändert. Es ist ein angenehmer Ort zum Wohnen, besonders im Sommer.“

Erneut rieb sie sich die Arme. „Im Winter auch“, sagte sie und wandte ihm ihr Gesicht zu.

Brendan bemerkte eine rote Strieme an ihrer Wange. Er berührte sie und erkannte sofort seinen Fehler. Wie bei einem elektrischen Schlag durchfuhr es seinen Arm, kaum hatte er ihre zarte Haut berührt. „Sie sind verletzt“, bemerkte er leise.

Ihre blauen Augen waren groß und wachsam. Sie legte ihre Hand auf seine. „Tatsächlich?“

Er nickte. Der Drang, sie zu küssen, war stark, obwohl sein Verstand ihn warnte. Sie kannten einander höchstens seit zehn Minuten. Er wusste ja nicht einmal ihren Namen. Und doch hätte er sie am liebsten an sich gezogen und leidenschaftlich geküsst, Verdammt, das war eine sich selbst erfüllende Prophezeiung! Er hatte sie aus der Bar getragen, und jetzt erwartete er, sich Hals über Kopf in sie zu verlieben … so wie es Conor und Dylan ergangen war. Nun, das würde nicht passieren. Ihm gefiel sein Leben genau so, wie es war.

Abrupt zog er seine Hand zurück. „Ich werde Ihnen etwas Eis holen.“ Er deutete auf den Tisch in der Ecke. „Setzen Sie sich. Ich bin gleich wieder da.“

Sie setzte sich und spielte mit einem Stift, der auf dem Tisch lag. Brendan schob seinen Laptop beiseite und verstaute einen Stapel Manuskriptseiten unter einem Aktenordner.

„Wenn Sie kein Fischer sind, was machen Sie dann?“

„Ich bin Schriftsteller.“ Er nahm eine Handvoll Eiswürfel aus dem kleinen Kühlschrank in der Kombüse und wickelte es in ein Handtuch. Dann setzte er sich neben sie und drückte es behutsam auf die rote Schramme auf ihrem Gesicht. Ohne nachzudenken, strich er ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr. Erst danach wurde ihm klar, was für eine intime Geste das war.

„Ich sollte jetzt gehen“, sagte sie und stand auf.

Zuerst dachte er, er hätte ihr Angst gemacht. Doch dann bemerkte er an der Art, wie sie seinen Körper und sein Gesicht musterte, dass die Anziehung offenbar auf Gegenseitigkeit beruhte. Er fragte sich, ob sie zurückweichen oder den Kuss erwidern würde, wenn er sie jetzt küsste.

Sie zog seine Jacke aus und legte sie auf den Tisch. „Die Cops haben die Rowdies wahrscheinlich schon eingesammelt. Die Leute werden ihre Drinks wollen, und ich werde dafür bezahlt, dass ich sie ihnen bringe.“

Sie wandte sich der Luke zu, doch Brendan hielt sie fest. Er hob seine Jacke auf und hielt sie ihr hin. „Nehmen Sie sie. Draußen ist es kalt.“

Sie schüttelte den Kopf, sodass ihr helles Haar ihr ins Gesicht fiel. „Nein, es geht schon.“ Sie zögerte, ehe sie kurz lächelte. Es war das erste Lächeln, seit sie sich kennengelernt hatten. „Danke. Für die Jacke. Und dafür, dass Sie mich gerettet haben.“

Damit verschwand sie in der kalten Dezembernacht und kehrte in eine Welt zurück, in die sie nicht zu gehören schien. Fast wäre Brendan ihr nachgelaufen, um ihren Namen und ihre Geschichte zu erfahren. War sie die Freundin eines Fischers? War sie in Gloucester aufgewachsen? Und wieso erinnerten ihre Augen ihn an den Himmel an einem sonnigen Frühlingstag?

Er trat von der Luke zurück. Er hatte Zweifel gehabt, sie aus der Bar zu tragen. Das war sein erster Fehler gewesen. Es wäre dumm, diesen Fehler noch schlimmer zu machen, indem er ihr nachlief. Sie war wieder aus seinem Leben verschwunden, und er sollte sich freuen, dass er noch mal davongekommen war.

Doch während er sich Kaffee kochte und wieder an den Laptop setzte, um zu arbeiten, kehrten seine Gedanken immer wieder zu ihr zurück. Zu ihrem wundervollen Lächeln und dem mutwilligen Funkeln in ihren Augen. Zu dieser geheimnisvollen Aura, die sie umgab. Und dazu, was er empfunden hatte, als er sie berührte. Es war wie eine starke, magnetische Verbindung gewesen.

Wirklich seltsam. Er musste sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren. Sie war fort, und das war besser so. Auch wenn seine Brüder geheiratet hatten, besaß Brendan doch Vernunft genug, um zu wissen, dass er nicht für eine dauerhafte Beziehung gemacht war. Seine Arbeit erforderte die Freiheit, zu kommen und zu gehen, wie er wollte, und diese Freiheit musste er um jeden Preis verteidigen.

Selbst wenn es bedeutete, die faszinierendste Frau, der er seit Jahren begegnet war, gehen zu lassen.

„Sie können mich nicht feuern! Es war nicht meine Schuld!“

Amelia Aldrich Sloane stand vor dem Longliner und sah zum ersten Stock hinauf. Die Silhouette des Barbesitzers zeichnete sich im Fensterrahmen ihres winzigen Zimmers ab. Er warf einen Müllbeutel mit ihren Sachen hinaus, der mit einem dumpfen Aufprall vor ihren Füßen landete.

„Ich habe Sie beim letzten Mal schon gewarnt“, erklärte er und lehnte sich aus dem Fenster. „Haben Sie eine Ahnung, wie viel Schaden Sie angerichtet haben?“

„Es ist nicht meine Schuld“, wiederholte Amy.

„Von wegen“, rief er zurück.

„Wie kann es meine Schuld sein?“

„Sie sind einfach zu hübsch.“ Er warf ihren Koffer aus dem Fenster. „Sie sind wie Katzenminze für einen Haufen Kater. Anscheinend können die Männer die Finger nicht von Ihnen lassen, und das provoziert jedes Mal Schlägereien. Und Schlägereien kosten mich Geld, Süße. Mehr als Sie als Kellnerin wert sind.“

„Aber ich brauche diesen Job.“ Sie rannte zu ihrem Koffer, der aufgeplatzt auf dem Gehsteig lag.

„In ‚Buddy‘s House of Crabs‘ soll noch was frei sein. Suchen Sie sich dort einen Job.“ Damit knallte er das Fenster zu.

Amy stand allein in der stillen Straße. Sie fluchte leise, nahm ihre Jacke aus dem Kleiderhaufen und zog sie an. „Tja, ich wollte Abenteuer“, sagte sie und sammelte ihre Sachen ein. „Ich sollte wohl vorsichtig sein mit dem, was ich mir wünsche.“

Es war halb zwei morgens, und sie hatte gerade auf einen Schlag ihr Zimmer und ihren Job verloren. Was soll ich denn jetzt machen? fragte sie sich. Der Job im Longliner war die perfekte Tarnung gewesen. Sie musste unauffällig bleiben, und da sie auf Trinkgeldbasis arbeitete, brauchte der Besitzer weder einen Beweis für ihre Identität noch ihre Sozialversicherungsnummer. Doch die Aufdringlichkeit eines Gastes und ihre empörte Reaktion darauf hatten dem Job ein Ende bereitet. Dabei hatte sie auf eine langfristige Anstellung gehofft.

Als sie aus ihrem Leben in Boston geflohen war, hatte sie keinen großartigen Plan gehabt. Sie war nur entschlossen gewesen, ihr altes Leben hinter sich zu lassen – ihren diktatorischen Vater, ihre prominente Mutter und den Einfluss, den die beiden auf ihr Leben hatten. Vor allem aber hatte sie ihrem intriganten Verlobten entkommen wollen, dem Mann, der das Geld der Aldrichs inzwischen mehr liebte als sie.

Als einziges Kind von Avery Aldrich Sloane und seiner wunderschönen Frau Dinah war ihr Leben von ihrer Geburt an vorgezeichnet gewesen. Den Großteil ihres Lebens war sie diesem Weg auch gefolgt. Doch eine Woche vor ihrer Hochzeit mit Craig Atkinson Talbot, die ein großes gesellschaftliches Ereignis werden sollte, hatte sie erkannt, dass sie niemals ihr eigenes Leben würde führen können, wenn sie blieb.

Jetzt war sie seit fast sechs Monaten auf der Flucht und den Privatdetektiven ihres Vaters immer einen Schritt voraus. Sie hatte in Salem gewohnt, in Worcester und in Cambridge, hatte sich mit Gelegenheitsjobs als Kellnerin durchgeschlagen und bei alten Freunden auf dem Sofa übernachtet. Sie nahm an, dass sie frei war, wenn sie noch weitere sechs Monate durchhielt. Dann würde sie Zugang haben zu dem Treuhandfonds, den ihre Großmutter für sie eingerichtet hatte. An dem Tag, an dem sie sechsundzwanzig wurde, würde sie eine reiche Frau sein, die all das nachholen konnte, was ihr bisher im Leben entgangen war.

Sie legte ihre Sachen auf eine Bank vor einem Laden, wo Angelköder verkauft wurden, und dachte daran, was das Geld bedeuten würde. Sie hatte die an Besessenheit grenzende Liebe zum Geld bei ihren Eltern stets abgelehnt. Doch seit sie allein zurechtzukommen versuchte, war Amy klar geworden, dass Geld doch ganz praktisch war.

Obwohl sie in Luxus aufgewachsen war, hatte sie stets austesten wollen, wie weit sie bei ihren Eltern gehen konnte. Sie hatte verlangt, auf eine öffentliche Schule zu gehen, war jedoch gezwungen worden, eine exklusive Privatschule zu besuchen. Als sie darauf beharrt hatte, eine öffentliche Universität zu besuchen, auf der sie eine unter vielen sein würde, hatten ihre Eltern ihr die Wahl zwischen Sarah Lawrence oder Vassar gelassen. Damals hatte sie einen kleinen Sieg errungen, indem sie sich für die Columbia University in New York entschied.

In den höheren Fachsemestern hatte sie schließlich ihren Verlobten kennengelernt, einen wundervollen Mann aus einer guten Bostoner Familie, der Jura studierte, um später eine Gemeinschaftskanzlei zu eröffnen. Als Amy ihn ihren Eltern vorstellte, waren sie erfreut über seinen familiären Hintergrund, jedoch besorgt über seine Karriereaussichten. Er war der am besten geeignete Mann für Amys nächsten rebellischen Schritt.

Doch das änderte sich rasch, nachdem Craig unter den Einfluss ihres Vaters und dessen Geld geriet. Es dauerte nicht lange, bis er als Firmenanwalt für Aldrich Industries arbeitete. Einige Monate vor ihrer Heirat wurde er zum Justiziar des Firmenvorstands befördert, einer Machtposition mit sechsstelligem Gehalt und Aktienoptionen. Da begriff Amy, dass er seinen Traum, eine Gemeinschaftskanzlei zu eröffnen, begraben hatte, und dass der Mann, in den sie sich verliebt hatte, nicht mehr der Mann war, den sie bald heiraten würde.

Und so war sie davongelaufen. Eine Woche vor der Hochzeit hatte sie mitten in der Nacht ein paar Sachen gepackt, war mit dem Wagen zum Bahnhof gefahren und hatte den letzten Zug aus der Stadt genommen. Am Tag vorher hatte sie ihr Konto geräumt, sodass sie genug Bargeld besaß, um die nächsten drei Monate über die Runden zu kommen. Inzwischen war das Geld natürlich längst alle.

Amy griff in die Tasche und zog ein Bündel Scheine heraus, die sie als Trinkgeld bekommen hatte. Im Licht der Straßenlaterne begann sie es zu zählen und fragte sich, ob es genug für ein Zimmer für diese Nacht sein würde. Beim Geräusch näher kommender Schritte sah sie auf und versteckte die Geldnoten rasch in der Jackentasche. Sie kannte den Mann, der auf sie zukam. Es war derselbe, der in der Bar den Streit vom Zaun gebrochen hatte und somit für ihre missliche Lage verantwortlich war.

Er erschien wie aus dem Nichts zu ihrer Rettung, ein Held mit dunklem, windzerzaustem Haar und gemeißelten Gesichtszügen. Amy schluckte hart. Ein prickelnder Schauer überlief sie, doch weigerte sie sich, sich die Anziehung zwischen ihnen einzugestehen.

„Was machen Sie hier?“, fragte sie, als er vor der Bank stehen blieb.

„Ich wollte einen Spaziergang machen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Und wieso sitzen Sie hier draußen? Sie sollten nicht allein hier draußen sein. Warten Sie auf jemanden, der Sie nach Hause fährt?“

„Um ehrlich zu sein, dies war mein Zuhause.“ Sie zeigte auf den Longliner hinter ihr. „Ich habe über der Bar gewohnt … bis vor fünfzehn Minuten. Bis Sie mich um meinen Job und meine Unterkunft gebracht haben.“

„Ich?“

„Sie haben mich schon verstanden“, sagte Amy. „Ihretwegen habe ich meinen Job verloren und mein Zimmer, ganz zu schweigen von zwei anständigen, wenn auch unglaublich fettigen Mahlzeiten am Tag. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich allein mit dem Kerl fertig werde.“

„Er hat Sie angegrabscht.“

Amy lachte. „Sie sind nicht oft im Longliner, nicht wahr? Das ist dort üblich. Außerdem bringt ein bisschen Grabschen ein besseres Trinkgeld. Ich kenne meine Grenzen und weiß mich zu verteidigen.“

„Der Besitzer kann Sie doch nicht wegen einer Schlägerei feuern, für die Sie nicht einmal die Schuld tragen. Ich werde reingehen und mit ihm reden. Ich …“

„Es ist die dritte Schlägerei, in der es um mich ging, wenn Sie es genau wissen wollen. Er hatte es satt, für zerbrochene Gläser und Tische zu bezahlen.“

Er setzte sich neben sie und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Sie müssen doch Freunde oder Verwandte haben, die Sie anrufen können.“

Seine Sorge um sie rührte sie. „Nein. Meine Familie lebt an der Westküste“, log sie. „Außerdem haben wir kaum Kontakt. Und hier bin ich noch nicht lange genug, um Freunde zu haben.“

„Und wohin wollen Sie jetzt?“

Amy zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich werde mir etwas überlegen.“

„Ich nehme nicht an, dass Sie Geld für ein Hotel haben?“

Sie bemerkte seine schuldbewusste Miene. Offenbar glaubte er tatsächlich, dass er für ihren Rausschmiss verantwortlich war. Sie nahm das Geld aus der Jackentasche – knapp dreißig Dollar. „Das ist Ihre Schuld. Ich hatte das Problem im Griff. Wenn Sie sich nicht eingemischt hätten, hätte ich den Streit beenden können. Doch als Sie mich dort wegschleppten, brach die Hölle los.“

„Wenn Sie geblieben wären, wären Sie verletzt worden.“

„Na ja, das werden wir nie erfahren.“

Eine ganze Weile saßen sie schweigend auf der Bank und sahen auf den Hafen, während ihr Atem vor ihren Gesichtern dampfte. Dann stand er auf und nahm den Müllbeutel und ihren Lederkoffer. „Kommen Sie“, sagte er.

Amy sprang auf und riss ihm den Beutel aus der Hand. „Wohin?“

„Sie können bei mir bleiben. Auf meinem Boot gibt es eine Mannschaftskabine, die ist sauber und warm. Dort können Sie die Nacht verbringen. Morgen können Sie sich dann einen neuen Job und eine neue Unterkunft suchen.“

Sein Angebot machte sie sprachlos. „Ich soll bei Ihnen bleiben? Ich kenne ja nicht einmal Ihren Namen. Woher weiß ich, dass Sie kein psychopathischer Serienkiller sind?“

„Ich schätze, Sie wissen es nicht“, entgegnete er.

„Wie heißen Sie?“

„Brendan Quinn. Und Sie?“

„Amy Aldrich.“ Sie betrachtete ihn einen Moment lang. „Brendan Quinn. Das klingt nicht nach einem Serienkiller.“

„Ich habe Ihnen ja schon gesagt, ich bin Schriftsteller.“

Sie winkte ihn näher zu sich heran, umfasste sein Kinn und drehte sein Gesicht dem Licht der Straßenlaterne entgegen. „Sie scheinen ein ehrlicher Typ zu sein. Ich denke, dass ich bei Ihnen gut aufgehoben bin.“

„Das sind Sie“, versprach Brendan und bot ihr die Hand, die sie zögernd nahm. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Aldrich.“

Sie gingen den Pier hinunter, und Amy musterte Brendan von Zeit zu Zeit. Er sah wirklich sehr gut aus mit seinem dunklen Haar, das ein wenig zu lang war, und dem Eintagebart. Doch es waren seine Augen, die ihre Aufmerksamkeit weckten. Ihre Farbe war eine seltsame Mischung aus Grün und Gold.

Als sie sein Boot erreichten, warf er ihre Sachen an Bord und half ihr an Deck. Sie schleppte ihren Koffer zur Luke und dann die schmale Treppe hinunter, die unter Deck führte. Erleichtert seufzend schaute sie sich um. Obwohl es ein seltsamer Ort zum Übernachten war, spürte sie, dass sie hier sicher war. Eigentlich war es der perfekte Unterschlupf für die nächsten Monate.

Autor

Kate Hoffmann
Seit Kate Hoffmann im Jahr 1979 ihre erste historische Romance von Kathleen Woodiwiss las – und zwar in einer langen Nacht von der ersten bis zur letzten Seite – ist sie diesem Genre verfallen. Am nächsten Morgen ging sie zu ihrer Buchhandlung, kaufte ein Dutzend Liebesromane von verschiedenen Autorinnen und...
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