Mein Traumlover

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Dieser Mann ist jede Sünde wert - gut aussehend, charmant, mit einer männlichen Ausstrahlung, die jede Frau faszinieren muss. Und so überlegt die hübsche PR-Beraterin Lily nicht lange und gibt der Versuchung nach: Auf dem Rückweg von einer Party haben sie und Brian Quinn heißen Sex. Hinter den getönten Scheiben einer eleganten Limousine lieben sie sich voller Lust. Zu spät erfährt Lily, dass ihr Traumlover beruflich ihr größter Widersacher ist ...


  • Erscheinungstag 30.07.2018
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758004
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Im Nachrichtenraum herrschte kontrolliertes Chaos, als Brian ihn durchquerte. Die Wochenenden waren immer ein wenig verrückt, weil die Redakteure bei WBTN-TV dann mit einer Notbelegschaft zusammenarbeiteten. Auf dem Weg zu seinem Schreibtisch zupfte Brian am gestärkten Kragen seines Hemdes, der an seinem Hals scheuerte. Er trug nicht oft einen Smoking, und wenn, dann empfand er es als äußerst unbequem.

Im Vorbeigehen betrachtete er sich in einer verglasten Tür. Ein Smoking hatte tatsächlich eine unbestreitbare Wirkung auf Frauen, doch er fragte sich, was an einem schwarzen Smoking und einer Fliege so besonders war. Ein Smoking war in seinen Augen nicht ungewöhnlicher als ein weißes T-Shirt und ausgewaschene Jeans. Brian runzelte die Stirn. Auch diese Kombination schienen Frauen zu mögen. Und natürlich guten alten Boxershorts.

Zu schade, dass es keine private Feier ist, auf die ich gehe, dachte er. Dann hätte sich das gestärkte Hemd wenigstens am Ende bezahlt gemacht. Obwohl bei der Wohltätigkeitsveranstaltung heute Abend viele schöne Frauen sein würden, besuchte Brian sie aus beruflichen Gründen. Und er trennte strikt zwischen Beruf und Vergnügen.

„Wow!“

Er entdeckte links von sich Taneesha Gregory, die sich über die Trennwand ihres Arbeitsabteils lehnte. Sie lächelte breit, und ihre braunen Augen leuchteten amüsiert. Taneesha war seine Lieblingskamerafrau – oder Kameragöttin, wie sie sich selbst bezeichnete. Frech und furchtlos drängelte sie sich für die beste Aufnahme oft zwischen den männlichen Kollegen hindurch, um mit der Kamera die Reaktion eines Interviewten auf eine Frage einzufangen. Wenn es um knallharten Enthüllungsjournalismus ging, war Taneesha diejenige, die Brian für die Bilder haben wollte.

„Fang gar nicht erst an“, warnte er sie und drohte ihr mit dem Finger.

„Du bist klasse“, sagte sie und klatschte lachend in die Hände. Sie kam aus ihrem Minibüro und rückte seine Fliege gerade. „Aber ich finde, ein Smoking ist für eine Nachrichtensendung am Wochenende ein bisschen übertrieben. Ich habe gehört, du moderiest morgen Abend die Elf-Uhr-Nachrichten.“

„Ja, aber dafür ist der Smoking nicht gedacht. Ich arbeite an einer Story.“

„Ich hoffe, du brauchst mich nicht dafür, denn du weißt ja, ich trage kein …“

„ … Kleid“, beendete er den Satz für sie. „Ja, ich weiß. Das letzte Mal hast du eines auf deiner Hochzeit angehabt.“

„Allerdings“, bestätigte sie und wischte ihm einen Fussel von der Schulter. „Und ich habe Ronald versprochen, dass ich eines zu unserer Silberhochzeit tragen werde. Bis dahin sind es noch elf Jahre.“

„Keine Sorge“, beruhigte Brian sie. „Ich verfolge heute Abend nur eine Spur. Richard Patterson, der niederträchtige Bauunternehmer, veranstaltet einen Wohltätigkeitsball. Ich werde einfach uneingeladen hingehen und mir seine Gäste mal ansehen.“

Taneesha stöhnte. „Bist du immer noch an dieser Story dran? Wenn der Boss herausfindet, dass du Patterson nachstellst, reißt er dir den Kopf ab. Oder hast du schon vergessen, wie viel Geld für Werbung Patterson in diesen Sender steckt?“

„Er hat sechs Fast-Food-Restaurants und einen Autohandel, und die beiden machen nur einen Bruchteil seines Gesamtgeschäftes aus. Im Übrigen gehört es zur Politik dieses Senders, dass die Verkaufsabteilung unabhängig von der Nachrichtenabteilung arbeitet.“

„In der Theorie, aber ohne Werbung würde WBTN nicht existieren, und du könntest deine Nachrichten von Beacon Hill herunterbrüllen.“

„Ich weiß, dass da eine Story ist“, erklärte Brian ernst. „Ich kann es fühlen. Ich werde ihn in die Enge treiben und abwarten, was passiert. Was kann dieser Emporkömmling denn schon machen, die? Ich glaube nicht, dass er auf mich losgehen wird.“

„Bist du verrückt? Die werden dich rauswerfen, ehe du …“

„Findest du nicht, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf Aufklärung hat? Drei andere Bauunternehmer haben sieben Jahre vor Gericht verbracht, um eine Baugenehmigung für dieses Grundstück zu bekommen. Patterson kauft es, und das Bebauungsverbot wird innerhalb weniger Wochen aufgehoben. Ich will wissen, wie viel es ihn gekostet hat, und wer das Geld bekommen hat.“

„Leute wie Patterson verwischen ihre Spuren sorgfältig.“

„Zwielichtige Grundstücksgeschäfte, Verhandlungen in Hinterzimmern und viel Geld, das den Besitzer wechselt … Früher oder später werden diese Kerle nachlässig und machen einen Fehler. Pattersons Geschäfte gehen jedes Mal zu glatt über die Bühne. Mein Schwager Rafe Kendrick ist ebenfalls Bauunternehmer, und auch er meint, was Patterson macht, sei nicht legal.“

„Dir ist hoffentlich klar, dass der Besitzer dieses Senders und Patterson alte Freunde sind. Vielleicht solltest du dir lieber Gedanken um deine Karriere machen.“

Brian lachte. „Ich bin in nur einem Jahr der beste Enthüllungsjournalist in Boston geworden und sorge für Einschaltquoten. Die werden mich nicht feuern.“

„Aber möglicherweise werden sie dir den Job des Wochenend-Moderators nicht anbieten. Und du weißt ja, dass der Wochenend-Moderator derjenige ist, der Bills Posten einnimmt, wenn er sich in zwei Jahren zur Ruhe setzt.“

Die Gerüchte kursierten seit den letzten Einschaltquoten im Sender, doch Brian versuchte, sie zu ignorieren. „Meinst du etwa, ich will vor der Kamera sitzen und für den Rest meines Berufslebens Nachrichten vorlesen?“

„Das Gesicht dafür hast du jedenfalls“, meinte Taneesha und tätschelte ihm scherzhaft die Wange.

Ihre Worte überraschten ihn nicht. Er war die Karriereleiter bei WBTN rasch hinaufgeklettert, und obwohl er gern glauben würde, dass es an seinen journalistischen Fähigkeiten lag, ahnte er doch, dass es viel mit seinem Aussehen zu tun hatte. Die Umfragen sagten alles. Er war bei den Frauen zwischen einundzwanzig und neunundvierzig der beliebteste Fernsehjournalist der ganzen Stadt. Und seine Beliebtheit beim männlichen Publikum war auch nicht allzu gering. Die Frauen der Zielgruppe mochten sein Aussehen, und den Männern gefiel, dass er ein ganz normaler Kerl aus Southie – die Abkürzung für South Boston, das Arbeiterviertel – war. Die Menschen aus Boston glaubten Brian Quinn, dass er ihnen die Wahrheit sagte.

„Ich mag ja das richtige Gesicht dafür haben, aber es liegt mir nicht. Ebenso wenig wie es dir liegt, hinter einer Studiokamera zu stehen. Du bist wie ich – wir sind beide gern draußen in den Straßen.“

„Wenn du die Beförderung nicht willst, wieso arbeitest du dann so hart?“

Brian zuckte mit den Schultern. „Weil ich gern der Erste bin, der Bescheid weiß.“

„Taneesha! Feueralarm in Dorchester! Dein Einsatz.“

Taneesha drehte sich um und winkte einem der Reporter zu, der zur Tür rannte. „Dann los.“ Sie lächelte Brian an. „Wenn du die Story bringst, vergiss deine Lieblingskameragöttin nicht. Ich werde Patterson die Kamera so dicht unter die Nase halten, dass wir seine Gedanken lesen können.“

„Du wirst dabei sein“, versprach Brian und schaute ihr nach, wie sie zum wartenden Übertragungswagen eilte. Dann zog er seine Schreibtischschublade auf und nahm sein Diktafon heraus. Er legte eine neue Kassette ein und hielt inne, um über Taneeshas Worte nachzudenken.

Er wusste, dass das Management Pläne mit ihm hatte und er auf dem besten Weg war, „das Gesicht von WBTN-TV“ zu werden. Bis zu diesem Moment hatte ihn sein meteoritenhafter Aufstieg in Atem gehalten. Doch was Brian wollte, war kein Moderatorenjob, selbst wenn das viel Geld bedeutete und ein hohes Ansehen in der Stadt. Was ihn wirklich interessierte, war eine gute Story.

Nach dem Studium hatte er sich entschlossen, für Zeitungen zu arbeiten. Also hatte er Erfahrungen bei kleinen Zeitungen in Connecticut und Vermont gesammelt. Aber er hatte zurück nach Boston gewollt, und als man ihm für den Einstieg einen Job als Nachrichtenschreiber bei WBTN angeboten hatte, hatte er angenommen. Damals hatte er nicht damit gerechnet, dass er so schnell Karriere machen würde.

Brian steckte das Diktafon in die Tasche seiner Smokingjacke und nahm den Wagenschlüssel aus seiner Hosentasche. Auf dem Weg zur Tür ging ihm Taneeshas Warnung durch den Kopf. Er arbeitete seit über einem Jahr mit ihr zusammen, und er hatte sich stets auf sie verlassen können, wenn es um eine Story oder einen persönlichen Rat ging. Doch sein Instinkt sagte ihm, dass seine Karriere entgegen der öffentlichen Meinung nicht in die richtige Richtung lief. Und Brian vertraute seinem Instinkt.

Er könnte jederzeit kündigen, sich einen Job bei einer seriösen Zeitung suchen und sich wieder hocharbeiten. Aber er war dreißig Jahre alt. In diesem Alter sollte man sein Leben in geordnete Bahnen gelenkt und seine Prioritäten gesetzt haben. Andererseits war er auch nicht in einer normalen Familie aufgewachsen, also war das wohl eine geeignete Entschuldigung.

Das Leben bei den Quinns hatte allen sechs Brüdern beigebracht, von einem Moment zum nächsten zu leben. Ihr Vater, Seamus, war nur selten zu Hause gewesen, sein Job als Fischer hielt ihn manchmal wochenlang von zu Hause fern. Brians Mutter hatte die Familie verlassen, als Brian erst drei war. Er und seine Brüder waren allein aufgewachsen, und der Älteste von ihnen, Conor, war eine Art Elternersatz gewesen.

Sie alle hatten hier und da ihre Schwierigkeiten gehabt, doch Brian und Sean, sein Zwillingsbruder, waren die Wildesten gewesen. Sie hatten es zu einem beeindruckenden Vorstrafenregister wegen Bagatelldelikten gebracht. Zum Glück war Conor Polizist geworden, als der Ärger ernst wurde. Er warf sie drei Tage hintereinander ins Gefängnis, nachdem sie den Wagen eines Nachbarn gestohlen hatten, und ließ sie anschließend zur Strafe das Haus des Nachbarn streichen. Der Nachbar freute sich über die Hilfe, und Brian und Sean kamen zu dem Schluss, dass eine kriminelle Laufbahn sich nicht bezahlt machte.

Also richtete Brian seine Energien auf die Schule und belud halbtags Lkw beim „Boston Globe“ mit Zeitungen. Nach seinem High-School-Abschluss wurde er der zweite Quinn, der ein College besuchte. Der andere war sein Bruder Brendan gewesen. Beim Einschreiben wurde Brian nach seinem Hauptstudiengang gefragt, und er erkundigte sich bei dem hübschen Mädchen neben ihm, was denn ihr Hauptfach sein. Journalismus hatte er nur als Zwischenlösung betrachtet, und es schien ihm die beste Möglichkeit, leidenschaftliche Mädchen kennen zu lernen, abgesehen von den Krankenpflegekursen. Die Vorlesungen war überraschend interessant, besonders als er feststellte, dass er fürs Schreiben von Artikeln Talent hatte.

Brian ging zu seinem Wagen auf dem Parkplatz. Wenn er Glück hatte, würde er früh am Abend schon bekommen, was er brauchte, und konnte den Rest dieses Samstagabends bei einem Glas Guinness in Quinn‘s Pub ausspannen oder mit ein paar gut aussehenden Frauen flirten. Brian grinste. Vielleicht würde er sogar den Smoking anbehalten. Dafür würde er sich zwar aufziehen lassen müssen, aber er würde sich auch die Schönheiten im Pub aussuchen können.

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, ermahnte er sich und ließ den Motor an.

Als die Tische abgeräumt waren und die Band zu spielen begann, war Lily Gallagher bereit, nach Hause zu gehen – oder zurück ins Hotel, das momentan ihr Zuhause war. Sie lehnte an der Bar und bestellte ihr erstes Glas Champagner. Ihre Füße machten ihr zu schaffen, und sie tadelte sich für die Wahl ihrer Schuhe. Die teuren Slingpumps passten zwar perfekt zu ihrem Kleid, waren jedoch mehr für die Optik als für den Tragekomfort gemacht.

Lily war erst an diesem Nachmittag aus Chicago nach Boston geflogen, neugierig auf den Grund für ihre Anforderung. Richard Patterson persönlich hatte zu ihrem Boss bei „DeLay Scoville Public Relations“ Kontakt aufgenommen und um ihre Dienste gebeten. Laut Don DeLay war Richard Patterson bereit, ein gewaltiges Pauschalhonorar zu zahlen, ohne weitere Erklärungen, wofür er sie eigentlich brauchte.

Lily hatte nicht die Absicht, sich zu weigern. Ein Auftrag wie dieser war ihr Ticket an die Spitze, nur einen Schritt von der Vizepräsidentschaft und einem Eckbüro entfernt. Jetzt war dieses Büro in Sichtweite. Lily ahnte, weshalb Patterson gerade sie haben wollte. Er war ein großer Bauunternehmer, und sie hatte erst im letzten Jahr einen riesigen Skandal mit einem Bauunternehmer in Chicago gemanagt.

Krisenmanagement war ihre Spezialität. Man rief sie, wenn etwas schief ging, und es war ihre Aufgabe, die Lage durch gezielte PR-Arbeit zu verbessern. Auf dem Flug von Chicago hatte Lily alles über „Patterson Properties and Investments“ gelesen, eine Firma, zu der Einkaufszentren, Motels und Fast-Food-Läden gehörten. Richard Patterson hatte ausgezeichnete Kontakte zu Politikern und kletterte langsam die gesellschaftliche Leiter in Boston hinauf, trotz seiner bescheidenen Anfänge in einer Arbeitergegend von Boston.

Lily war froh, einen Auftrag außerhalb von Chicago zu haben, obwohl sie ihr neues Haus und ihre beste Freundin Emma Carsten vermisste. Emma und sie arbeiteten zusammen bei der Agentur und sprachen oft darüber, sich mit einer eigenen Firma selbstständig zu machen. Doch weil Lily eine Hypothek abzuzahlen hatte, war das vorrangige Ziel eine Beförderung bei DeLay.

Sie würde bei Patterson in Ordnung bringen, was in Ordnung zu bringen war, und wenn sie in ein paar Monaten nach Chicago zurückkehrte, würde sie so gut dastehen, dass sie eine Beförderung verlangen konnte.

„Lily?“

Sie drehte sich um und sah Richard Patterson vor sich. Er war ein gut aussehender Mann Mitte fünfzig mit ergrauenden Schläfen. Er trug einen maßgeschneiderten Smoking, vermutlich von einem der besten Designer für Herrenbekleidung. Wenn er kein Klient und nicht verheiratet gewesen wäre, wäre er für Lily möglicherweise infrage gekommen. Aber sie trennte strikt zwischen Beruf und Vergnügen.

„Der Ball ist wundervoll“, sagte sie. „Sie haben Ihre Sache als Vorsitzender des Festkomitees ausgezeichnet gemacht, Mr. Patterson.“

Er lächelte. „Ich habe gar nichts getan. Ich habe einen Veranstaltungsplaner engagiert, und meine Frau hat sich um den Rest gekümmert. Hören Sie, ich muss weg. Es handelt sich um einen Notfall bei einer Investorengruppe aus Japan. Ich weiß, wir hatten noch gar nicht die Gelegenheit, uns zu unterhalten, und jetzt bin ich für die nächsten Tage nicht in der Stadt. Aber ich will, dass Sie Montag meine Sekretärin anrufen. Sie wird Termine mit meinen wichtigsten Leuten vereinbaren, die Sie über den Stand der Dinge ins Bild setzen.“

„Gut. Ich muss so viel wie möglich wissen. Wenn Sie mir sagen, woran ich arbeiten soll, könnte ich gleich loslegen …“

„Das besprechen wir alles am Dienstag“, unterbrach er sie und warf einen Blick über die Schulter.

„Einverstanden.“

„Falls Sie etwas brauchen, rufen Sie Mrs. Wilburn an. Boston ist herrlich im Juni. Schauen Sie sich ein paar Sehenswürdigkeiten an.“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich und ging davon. Lily blieb mit der Frage zurück, weshalb es so wichtig gewesen war, dass sie heute ankam und auf diesem Ball erschien.

Sie schaute sich um und beschloss zu warten, bis Richard fort war, um dann den Abend zu beenden. Sie trank noch einen Schluck Champagner und beobachtete die Paare auf der Tanzfläche. Der Ballsaal im „Copley Plaza“ war wunderschön geschmückt und sah aus wie die Gärten von Versailles. Springbrunnen plätscherten; mit duftenden Blumen geschmückte und mit winzigen Lichtern verzierte Lauben sorgten für eine romantische Atmosphäre.

Lily seufzte.

Es gab noch andere Gründe, weshalb sie froh gewesen war, Chicago zu verlassen. Ihre Verlobung mit dem Anwalt Daniel Martin war jetzt offiziell gelöst. Nachdem sie zwei Jahre und vier Monate zusammen gewesen waren, hatte sie geglaubt, den Mann ihrer Träume gefunden zu haben – bis sie ihn und eine attraktive Brünette mit künstlich vergrößerten Brüsten nackt im Bett erwischte. Nie hätte sie erwartet, dass er so tief sinken würde, und seine einzige Entschuldigung hatte gelautet, er sei einfach noch nicht bereit, sich endgültig zu binden.

Lily hatte ihre Lebensplanung auf diesen Mann ausgerichtet, und dann war es plötzlich vorbei. Sie musste erkennen, dass sie für die Liebe viel zu viel aufgegeben hatte. Manchmal kam ihr Chicago wie eine Wüste für weibliche Singles vor. Am Horizont waren Unmengen gut aussehender Männer, die sich beim Näherkommen als Fata Morgana entpuppten.

Sie trank noch einen Schluck Champagner. Vielleicht sollte sie langsam aufhören, so verzweifelt nach Liebe zu suchen, und sich stattdessen mit ein bisschen Lust zufrieden geben. Den ersten Schritt in Richtung Unabhängigkeit hatte sie mit dem Kauf ihres eigenen Hauses getan. „Ich weiß genau, was ich jetzt brauche“, murmelte sie. „Einen netten, aber leidenschaftlichen One-Night-Stand.“

Die Männer, die ihr normalerweise über den Weg liefen, kamen meistens nicht infrage. Entweder waren sie verlobt mit jemandem, der sie nicht verstand, verheiratet, was sie ganz vergessen hatten zu erwähnen, gefühlskalt, litten unter Bindungsangst, waren fasziniert von Damenschuhen oder zogen eine Änderung ihrer sexuellen Vorlieben in Erwägung.

Doch jetzt hatte sie die Gelegenheit, einen Mann zu ihren Bedingungen zu bekommen, denn diesmal war sie an keiner Beziehung interessiert. Sie konnte sich amüsieren, ohne eine Bindung einzugehen.

Das Problem war nur, dass dieser Wohltätigkeitsball der letzte Ort war, an dem sie einen allein stehenden Mann finden würde. Der einzige Grund, weshalb Männer zu derartigen Veranstaltungen gingen, waren ihre Frauen, die darauf bestanden.

Lily schnappte sich von einem vorbeikommenden Kellner rasch ein zweites Glas Champagner und sah zu den Balkonen hinauf. Sie beschloss, sich im ersten Stock einen Tisch zu suchen, von dem aus sie dem Ball in Ruhe zuschauen konnte. Ein paar Minuten später machte sie es in einer Loge an einem Tisch bequem. Sie kickte ihre Schuhe fort, rieb ihre Füße und fühlte sich von dem Champagner angenehm benommen. Ein Kellner kam an ihren Tisch und bot ihr ein Glas an, das sie nahm. Sie stellte es auf die andere Tischseite, als würde sie noch jemanden erwarten.

„Eine schöne Frau wie Sie sollte hier nicht allein sitzen.“

Lily sah langsam zu einem Mann auf, der an ihrem Tisch stand, und staunte über ihr Glück. Doch obwohl er attraktiv war, wirkte sein Lächeln eine Spur zu eingeübt. Seine dunklen Haare waren zurückgekämmt, und er trug einen schlecht sitzenden Smoking. Trotzdem beschloss sie, ihm wenigstens eine Chance zu geben. „Ehrlich gesagt, fühle ich mich ganz wohl“, erwiderte sie.

Er setzte sich trotz des Champagnerglases zu ihr. „Nun, ich nicht. Ich bin allein hier, während alle anderen in Begleitung hier sind. Ich heiße Jim Franklin.“

„Ich bin Lily“, sagte sie.

„Nur Lily?“

„Lily Gallagher.“

„Tja, Lily Gallagher, da wir beide allein hier zu sein scheinen, könnten wir einander doch Gesellschaft leisten. Erzählen Sie mir von sich.“

Lily wollte etwas sagen, doch er wartete gar nicht erst auf die Antwort. „Ich bin Investment-Analytiker bei Bardwell Fleming. Diese Bälle sind eine großartige Investition. Meine Chefs kaufen einen Platz an einem der Tische und schicken uns los, um geschäftliche Kontakte zu knüpfen. Wir verkaufen keine Aktien oder Fonds, sondern bieten Analysen für alle möglichen Arten von Investitionen an. Ich lebe seit etwa fünf Jahren in Boston, nachdem ich aus New York hierher versetzt worden bin.“

Bei allen Vorsätzen blieb die Lust eine knifflige Sache. Entweder empfand eine Frau sie oder nicht. Und Lily wusste längst, dass dieser Mann ihren Puls nicht beschleunigen würde.

„Und was machen Sie beruflich, Lily?“

„Mr. Franklin, ich möchte wirklich nicht …“

„Jim“, unterbrach er sie erneut. „Haben Sie schon eine Altersvorsorge? Haben Sie Ihr Geld klug angelegt?“

Lily nahm ihr Glas, leerte es und stand schnell auf. „Ich hole mir noch ein Glas Champagner. Wenn Sie mich entschuldigen würden …“

„Da kommt schon der Kellner“, rief Franklin und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.

Lily verkniff sich einen Fluch und setzte sich wieder. Eigentlich war sie nicht unhöflich, schon gar nicht in beruflichen Situationen, aber sie bezweifelte, dass Richard Patterson mit dem Investment-Analysten Jim Franklin befreundet war.

Während Franklin über Vermögenswerte und Wertpapiere mit hoher Rendite dozierte, ließ Lily den Blick wandern und fragte sich, wie lange sie diese einseitige Unterhaltung noch ertragen musste. Sie versuchte gerade fieberhaft, sich seine höfliche Entschuldigung einfallen zu lassen, als sie einen Mann hinter Franklin bemerkte, der an einer der Marmorsäulen lehnte und amüsiert grinste.

Lily wandte schnell den Blick ab, doch als sie wieder hinsah, stellte sie fest, dass der Mann an der Säule sie noch immer beobachtete. Dann schaute er auf seine Uhr und tat, als müsste er gähnen, so dass Lily ebenfalls grinsen musste. Sie trank einen Schluck und beobachtete den Fremden über den Rand ihres Glases hinweg.

Im Gegensatz zu Jim Franklin sah dieser Mann geradezu umwerfend gut aus. Er hatte dunkles Haar, das ihm auf den Kragen fiel, aber dennoch sorgfältig geschnitten war. Dunkle Brauen akzentuierten Augen von unbestimmter Farbe, doch Lily war überzeugt, dass sie eine faszinierende Farbe hatten. Sie musterte ihn und fand, dass er überdurchschnittlich groß und gut gebaut war. Sein maßgeschneiderter Smoking betonte seine breiten Schultern und die schmale Taille.

Als sie ihren Blick wieder auf sein Gesicht richtete, wurde sein Grinsen noch ein wenig breiter. Er nickte ihr zu, als wüsste er ganz genau, was sie dachte. Dann stieß er sich von der Säule ab und ging auf Lily zu. Sie hielt den Atem an, und ihr Herz schlug schneller.

„Schatz“, sagte er und blieb vor dem Tisch stehen. „Ich habe dich überall gesucht.“

Er streckte die Hand aus, und Lily legte ihre in seine. Zu ihrem Erstaunen hob er ihre Hand an die Lippen und küsste ihr Handgelenk. Sie schluckte. „Liebling“, entgegnete sie. „Du kommst spät.“

„Nicht zu spät, hoffe ich. Du verzeihst mir doch, oder?“

Langsam erhob sie sich. „Selbstverständlich.“ Lily wandte sich an Jim Franklin und hob ihre Schuhe auf. „Danke für die Investitionstipps, Jim. Ich wünsche Ihnen noch einen netten Abend.“

Der Fremde legte ihre Hand in seine Armbeuge und führte Lily zum nächstgelegenen Ausgang. In der Eingangshalle blieb er stehen. „Jetzt sind Sie in Sicherheit.“

„Ich war nicht wirklich in Gefahr“, meinte Lily. „Es sei denn, Langeweile ist tödlich.“

„Bei einem Kerl wie dem weiß man nie. Ich wollte jedenfalls nicht mit ansehen, wie Sie sich über das Geländer stürzen, nur um ihm zu entkommen.“

„Danke für die Rettung.“

„Gern geschehen. Sind Sie allein hier? Oder hat Ihre Verabredung Sie versetzt?“ Lilys Retter machte eine Pause. „Oder war das etwa Ihre Verabredung?“

Lily schüttelte den Kopf. „Ich bin allein hier. Eine berufliche Verpflichtung.“

„Und wann endet diese Verpflichtung?“

„Genau jetzt.“ Lily lächelte zögernd und begriff, dass er möglicherweise einen falschen Eindruck bekommen hatte. Plötzlich hatte sie keine Lust mehr, in ihr Hotel zurückzukehren. Sie hatte gerade einen attraktiven und geistreichen Mann kennen gelernt – ein seltenes Ereignis in ihrem Leben. „Und Sie? Ich nehme an, es gibt einen Grund dafür, dass Sie hier sind – abgesehen davon, mich vor dem äußerst unterhaltsamen Mr. Franklin zu retten.“

Ihr Retter lachte. „Um ehrlich zu sein, ich bin uneingeladen hier. Die Band klang so gut, dass ich mir die Party mal ansehen wollte. Allerdings fand ich die Leute hier ein bisschen zu steif für meinen Geschmack … bis ich Sie entdeckte.“ Er betrachtete sie von oben bis unten, und Lily erschauerte. „Hat Ihnen schon jemand gesagt, dass Sie unglaublich gut aussehen in diesem Kleid?“

„Sie schmeicheln mir. Dabei kenne ich noch nicht einmal Ihren Namen.“

„Ach, lassen Sie uns nicht dieses Spiel spielen. Und reden wir bloß nicht darüber, womit wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Oder woher wir kommen. Und das Wetter ist auch tabu. „

„Na schön“, meinte Lily, fasziniert von der Idee. „Wir können uns über Kunst und Literatur oder Musik unterhalten. Allerdings muss ich Sie ja irgendwie nennen.“

„Liebling war doch ganz nett“, schlug er vor.

„Gut, dann können Sie mich Schatz nennen“, meinte Lily lachend.

„Oder Schatzi“, sagte er amüsiert. „Komm, Schatzi, sie spielen unser Lied. Wir sollten tanzen, findest du nicht?“ Er nahm ihr die Schuhe aus der Hand, warf sie sich über die Schulter und schlenderte zur Treppe.

Lily schaute ihm nach und nahm den Anblick seiner breiten Schultern in sich auf. Wieso sollte sie nicht eine Nacht mit diesem attraktiven Fremden verbringen? Sie hatte gehofft, in Boston einen Mann für ein kurzes Abenteuer zu finden, und dieser Fremde war genau richtig. Und wenn sie gleich von vornherein klarstellte, dass es keine Aussicht auf eine Beziehung gab, würde sie auch nicht wieder verletzt werden.

Er blieb stehen und warf ihr einen Blick über die Schulter zu. „Kommst du, Liebling?“

Lily lachte und lief zu ihm. „Hast du meinen Namen schon vergessen? Ich bin Schatz. Du bist Liebling.“

Die Band hatte „Isn‘t It Romantic“ zu spielen begonnen, als Brian die schöne Fremde in dem goldfarbenen Kleid auf die Tanzfläche führte, wo er sie an sich zog. Ihr Kleid war am Rücken tief ausgeschnitten, und als er die Hand auf ihre Haut legte, stellte er fest, wie weich sie sich anfühlte.

Der Abend hatte sich schnell von Arbeit zu Vergnügen gewandelt. Brian hatte sich leicht ohne Einladung Einlass verschafft, doch die Gelegenheit, Richard Patterson zur Rede zu stellen, hatte sich nicht ergeben, weil er kurz zuvor wegen eines geschäftlichen Notfalls aufgebrochen war. Daraufhin hatte Brian beschlossen, sich die Gäste vom Balkon aus anzusehen, in der Hoffnung, vielleicht einen von Pattersons speziellen Freunden zu entdecken. Doch als er die Frau im goldfarbenen Kleid entdeckte, hatte er alles andere vergessen.

„Sie sind ein guter Tänzer“, bemerkte sie.

„Das Kompliment kann ich zurückgeben.“

Er fand ihr kleines Spiel faszinierend. Allerdings war er sich nicht sicher, wo das Spiel endete und die Realität anfing. Die Frau benahm sich, als würde sie ihn nicht erkennen, und das war angesichts der Werbetafeln und Buswerbung schwer zu glauben. Vielleicht sah sie keine Nachrichten. Oder sie lebte nicht in Boston.

„Ich habe zwischen meinem siebten und zwölften Lebensjahr Tanzunterricht gehabt“, gestand Lily. „Meine Mutter wollte es so. Sie meinte, eines Tages würde ich es brauchen, aber ich glaubte ihr nicht. Anscheinend habe ich mich geirrt.“ Sie strich über seine Schulter. „Und wie ist es mit Ihnen?“

„Ich verfüge über natürliche Anmut und sportliche Fähigkeiten. Außerdem lassen Sie mich sehr viel besser aussehen, als ich in Wirklichkeit bin.“

Brian konnte sich vom Anblick ihres Gesichts nicht losreißen. Sie war schön, mit lebhaften grünen Augen und prachtvollen kastanienbraunen Locken, die ihr in die Stirn fielen und die Wangen umrahmten. Brian gab dem Impuls nach und strich sie ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Einen Moment lang hielt Lily den Atem an, und sie sahen sich in die Augen. Dann legte er ihr den Arm um die Taille. „Achtung“, sagte er und ließ sie in seinem Arm ganz tief nach hinten gleiten.

Sie tanzten weiter und wirbelten über die Tanzfläche wie Ginger Rogers und Fred Astaire. Brian staunte, wie leicht es war, sie zu führen. Sie schien jede Bewegung vorauszuahnen. Mit ihr zusammen sah er tatsächlich aus wie der beste Tänzer auf der Welt. Und in seinen Augen war sie die schönste Frau im Saal.

„Wenn wir nicht über unsere Jobs reden oder das Wetter oder unsere Herkunft, worüber sollen wir dann sprechen?“ fragte sie.

„Worüber Sie wollen. Wir gestatten uns gegenseitig fünf Fragen. Alles ist erlaubt. Und wir müssen ehrlich antworten. Damit sollte doch eine interessante Unterhaltung zu bestreiten sein, oder?“

„Ich fange an“, erwiderte sie. „Sind Sie verheiratet?“

„Nein, und ich war es auch nie. Und Sie?“

„Nein, nie.“ Die Band leitete zu „Embraceable You“ über, und sie tanzten weiter. „Einmal war ich nah dran, aber es wurde nichts daraus.“ Sie überlegte sich ihre nächste Frage sorgfältig. „Sind Sie mit jemandem zusammen?“

Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. „Oh, Schatzi, dafür vergeudest du eine Frage? Nein, ich bin mit niemandem zusammen. Und ich werde dir nicht die gleiche Frage stellen, weil es mir nämlich egal ist, ob du mit jemandem zusammen bist. Du bist jetzt hier mit mir, das ist alles, was zählt.“

„Eine Frage noch“, meinte sie. „Wie heißen Sie?“

Autor

Kate Hoffmann
Seit Kate Hoffmann im Jahr 1979 ihre erste historische Romance von Kathleen Woodiwiss las – und zwar in einer langen Nacht von der ersten bis zur letzten Seite – ist sie diesem Genre verfallen. Am nächsten Morgen ging sie zu ihrer Buchhandlung, kaufte ein Dutzend Liebesromane von verschiedenen Autorinnen und...
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