Plötzlich Vater, plötzlich verliebt?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Plötzlich Daddy! Nach dem ersten Schock genießt Luke Barlow das Leben mit seiner süßen Tochter Maddy. Zu seinem Glück fehlt nur noch, dass er auch das Herz ihrer schönen Tante gewinnt. Peyton hingegen sträubt sich. Was muss er tun, damit sie ihn nicht als sorglosen Casanova sieht?


  • Erscheinungstag 09.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746797
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Immer wenn Peyton Reynolds als kleines Mädchen aufgeregt durch das Haus ihrer Großmutter Lucy geschossen war, hatte Lucy sie festgehalten und gesagt: „Großer Gott, Kind, nicht so schnell. Du wirst das Leben verpassen, wenn du dir nicht angewöhnst, zwischendurch auch mal Luft zu holen.“

Peyton hatte das nie gelernt. Sie erledigte immer alles zehn Mal so schnell wie andere. Deshalb hatte sie das College auch in zweieinhalb Jahren statt vier absolviert, mehr Überstunden bei Winston Interior Design gemacht als ihre Kollegen und war in ihren drei Jahren dort vier Mal befördert worden. Doch dann, einen Monat vor ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag, hatte der tödliche Autounfall ihrer älteren Schwester Susannah ihre Welt in den Grundfesten erschüttert. Seitdem war Peyton allein für Susannahs niedliche kleine Tochter verantwortlich, und das rund um die Uhr.

Sie musste sich also nicht nur an ihre Rolle als Ersatzmutter für Madelyne gewöhnen, sondern auch aufpassen, dass sie in der sich rasant verändernden Innenarchitekturbranche nicht den Anschluss verlor. Vor Susannahs Tod hatte sie kurz vor der Beförderung zur Abteilungsleiterin gestanden, nur einen Schritt von ihrem Ziel entfernt, Teilhaberin zu werden, doch seit vier Wochen schien um sie herum alles zu bröckeln, wofür sie so hart gearbeitet hatte. Und das war noch nicht mal ihr größtes Problem …

Das Schlimmste war Maddys Schweigen. Ihre nicht ausgesprochenen Worte, ihre nicht vergossenen Tränen.

Maddy trauerte nicht, fragte nicht nach ihrer Mutter und wollte auch nicht über deren Tod reden. Sie spielte brav mit ihren Sachen, aß ihre Mahlzeiten und putzte sich die Zähne, wirkte jedoch stumm, niedergeschlagen und lachte kaum noch.

Ihr trauriges Schweigen hatte Peyton schließlich dazu bewogen, von Baltimore in Maryland nach Stone Gap in North Carolina zurückzukehren – eine jener Kleinstädte in den Südstaaten, in denen die Welt stehen geblieben zu sein schien und deren grünes Umland Frieden und Trost bot.

Und in der der einzige Mann auf der Welt lebte, den Peyton am liebsten nie wiedersehen wollte. Ein Mann, der noch keine Ahnung hatte, dass sie sein Leben bald gründlich auf den Kopf stellen würde.

„Tante P?“, erhob sich das zarte Stimmchen der fast vierjährigen, bildhübschen Madelyne zwischen den beiden Doppelbetten im Hotelzimmer.

Maddy war alles, was Peyton noch von ihrer Familie geblieben war. Seit dem Tod ihrer Schwester fiel es Peyton manchmal schwer, sich nicht von ihrer Trauer überwältigen zu lassen, doch ein Blick auf Maddys blonde Locken und ihr süßes Lächeln genügte, und schon ging es ihr wieder besser. Für die Kleine würde sie alles tun.

Peyton ging um ihr Bett herum, hockte sich auf den Teppich und lächelte ihrer Nichte zu. „Was ist, Süße?“

„Spielst du mit mir? Ich habe ein Puppenhaus gebaut.“ Maddy zeigte auf einen leeren, auf der Seite liegenden Koffer, der von vier blonden blauäugigen Barbiepuppen in verschiedenen nicht zusammenpassenden glamourösen Outfits flankiert wurde. Die Kleine hatte sofort nach ihrer Ankunft überall im Hotelzimmer ihre Spielsachen und Kleidungsstücke verstreut. In dem langweiligen beigen Interieur sah es so aus, als sei eine Farbbombe explodiert.

„Das würde ich wirklich gern, aber erinnerst du dich noch an das Meeting, von dem ich dir vorhin erzählt habe? Meine Freundin Cassie kommt gleich vorbei und passt auf dich auf.“

„Ich mag Cassie“, sagte Maddy. „Sie spielt immer mit mir.“

„Und ob sie das tut, Schätzchen!“, dröhnte die laute, fröhliche Stimme Cassie Bertrams durch das Zimmer. Cassie, die gerade zur Tür hereinkam, war platinblond, trug ein leuchtend rosa Sommerkleid und Flip Flops mit riesigen Plastikblumen. Sie war schon immer eine schillernde Erscheinung gewesen.

Grandma Lucy hatte sie immer als Pfau bezeichnet, doch Cassie brachte Schwung in jede Bude und führte ein Leben, um das Peyton sie manchmal beneidete. Sie hatte sofort nach der High School geheiratet, mit ihrem Mann ein Haus in Stone Gap gekauft und neben ihrem Teilzeitjob im Schulbüro fünf Kinder bekommen. Sie war Peyton in den zwei Wochen ihres Aufenthalts eine Riesenhilfe.

„Ich habe zwei Stunden Zeit, bevor ich meinen Jüngsten im Kindergarten abholen muss“, sagte Cassie zu Peyton. „Reicht dir das?“

„Das ist mehr als genug. Ich werde nicht lange dafür brauchen, einem gewissen Typen zu verklickern …“, Peyton warf einen Blick auf ihre mutterlose Nichte, ging zum Fenster und winkte Cassie, ihr zu folgen, „… dass er endlich erwachsen werden und seinen Beitrag leisten muss.“

Cassie grinste. „Ich wünsche, ich könnte euch heimlich bei eurem Gespräch belauschen.“

„Keine Sorge, ich werde ganz logisch und vernünftig argumentieren, dann wird er schon klein beigeben.“

„Logisch und vernünftig? Bei dieser geballten Ladung Testosteron?“ Cassie lachte. „Na dann viel Glück, Schätzchen.“

Die Beschreibung „geballte Ladung Testosteron“ passte perfekt auf Luke Barlow. Oder hatte zumindest gepasst, als er in Peytons erstem Highschooljahr mit ihrer Schwester zusammen gewesen war. Von Susannahs Schwangerschaft hatte er jedoch nichts wissen wollen, und Peyton hatte nicht die Absicht, Susannahs Exfreund und Maddys verantwortungslosen und abwesenden Vater damit auch nur eine Sekunde länger davonkommen zu lassen. Maddys Wohlergehen stand für sie an erster Stelle.

„Wie geht es ihr?“, fragte Cassie leise, so als habe sie Peytons Gedanken erraten.

„Unverändert. Sie redet nicht darüber. Sie spielt und isst und macht alles, was man ihr sagt, aber irgendwie ist da eine Mauer um sie herum. Ich komme einfach nicht an sie ran.“

Cassie legte Peyton tröstend eine Hand auf eine Schulter. „Das gibt sich schon noch.“

Peyton seufzte. Sie versuchte schon seit einem Monat, sich mit diesen Worten zu trösten, aber die Situation wurde eher schlimmer als besser. „Mag sein. Hoffentlich habe ich mit meiner Rückkehr hierher die richtige Entscheidung getroffen.“

„Tante P?“ Maddy stand auf und sah Peyton über das Bett hinweg verunsichert an. „Gehst du jetzt weg?“

„Nur für eine Weile, Süße.“

Maddy griff errötend nach dem Saum ihres Rocks und knetete daran herum. „Kommst du wieder zurück?“

Peyton ging zu ihrer Nichte und hockte sich vor sie hin. „Natürlich komme ich zurück, Schätzchen. Cassie wird die ganze Zeit über hierbleiben und mit dir spielen. Es dauert nur ein Weilchen, versprochen.“

Maddys Unterlippe zitterte. „Wie lange ist ein Weilchen?“

Peyton warf Cassie einen verzweifelten Blick zu. Situationen wie diese, in denen sie mit Maddys Verlustangst umgehen musste, waren besonders schwierig. „Schneller als Die Eiskönigin dauert.“

„Wir singen auch zusammen den Soundtrack“, versprach Cassie der Kleinen lächelnd. „Und ich ernenne dich zur Ehrenprinzessin.“

„Okay.“ Maddy klang wenig begeistert. Sie setzte sich wieder zu ihren Barbiepuppen und spielte weiter. Ab und zu streifte sie Peyton mit einem besorgten Blick.

Die beiden Frauen gingen zurück zum Fenster und dämpften wieder die Stimmen. „Du machst genau das Richtige, Pey. Die arme Kleine braucht eine Familie, und du hast dringend Unterstützung nötig. Und wenn dieser Mistkerl nichts von der süßen Kleinen wissen will, kümmere ich mich eben um sie.“

„Lieb von dir, aber du hast auch so schon genug um die Ohren. Außerdem ist er derjenige, der Verantwortung für Maddy übernehmen sollte.“ Und je eher Peyton ihm das klarmachte, desto besser. Sie griff nach ihrer Handtasche und küsste Maddy auf eine Wange. „Bis bald, Süße. Sei schön lieb zu Cassie.“

Maddy hatte Tränen in den Augen, doch sie presste tapfer die Lippen zusammen.

„Ich bleibe auch nicht lange weg“, versuchte Peyton sie zu beruhigen und zauste Maddy sanft die Locken. „Versprochen.“

Vor der Tür drückte Cassie sie rasch an sich. „Viel Glück. Und sei nicht zu hart zu Luke. Er ist zwar ein Casanova, aber im Grunde genommen ein netter Kerl. Vielleicht hatte er ja einen guten Grund für sein Verhalten.“

„Die einzige Ausrede, die ich gelten lassen würde, wäre, wenn ihn die letzten vier Jahre jemand weggesperrt hätte. Was ich übrigens gern nachhole, wenn es sein muss.“ Peyton lächelte.

„Ich hoffe, das ist nicht dein voller Ernst“, rief Cassie hinter ihr her.

Lächelnd stieg Peyton in ihren Wagen. Doch als sie den Motor startete, stieg die gleiche Frustration in ihr auf, die sie schon seit Wochen empfand. Luke Barlow, der begehrteste Junggeselle der Stadt, wollte keinen Kontakt zu seiner Tochter, die ihre Mutter verloren hatte und ihren Vater daher unbedingt brauchte.

Peyton erinnerte sich noch gut an Susannahs Tränen, als sie Peyton davon erzählt hatte, wie ablehnend Luke auf ihre Schwangerschaft reagiert hatte. Nachdem er ihr mitgeteilt hatte, dass er nichts mit dem Baby zu tun haben wollte, hatte die damals Neunzehnjährige beschlossen, die Stadt und ihr chaotisches Elternhaus zu verlassen und ihr Kind allein großzuziehen. Peyton hatte daraufhin extra die Universität gewechselt, um in der Nähe ihrer Schwester leben zu können, und hatte noch dazu einen Teilzeitjob angenommen, um Susannah finanziell zu unterstützen – abgesehen von dem emotionalen Beistand.

Alles Dinge, für die Luke eigentlich zuständig gewesen wäre!

Peyton war es unbegreiflich, wie jemand nichts mit Maddy zu tun haben wollen konnte. Sie selbst hatte sich auf den ersten Blick in ihre Nichte verliebt und von da an jede freie Minute mit ihr und Susannah verbracht. Sie hatte die beiden sogar in ihrer Wohnung in Baltimore einquartiert, obwohl es oft Streit gegeben hatte, weil Susannah fast jeden Abend ausgegangen war. Maddy jedoch hatte Peyton für alles entschädigt. Peyton liebte die Kleine über alles.

Wie lange ist ein Weilchen?

Maddys herzzerreißende Frage zeigte Peyton, dass Maddy ihren Vater dringender brauchte denn je. Die Tage, in denen Luke Barlow frei in der Stadt umherstreifen und Frauen aufreißen konnte, waren endgültig gezählt.

Peyton kontrollierte ein letztes Mal Lukes Adresse und fuhr zu seinem Haus, das nur ein paar Blocks von seinem Elternhaus entfernt lag. Als sie an seiner Tür klingelte, schärfte sie sich ein, gelassen zu bleiben und logisch zu argumentieren. So emotionslos wie möglich.

Ha! Eher würde sie jetzt im Hochsommer von einem Schneesturm heimgesucht werden!

Im Haus bellte ein Hund und dann … Schweigen. Peyton wartete in der Hitze North Carolinas, während die Zikaden in dem dichten Wald östlich des Hauses zirpten.

Sie war überrascht, dass Luke überhaupt ein eigenes Haus bewohnte. Das ließ auf eine gewisse Beständigkeit schließen, einen Kredit oder zumindest regelmäßige Mietzahlungen. Verlässlichkeit. So etwas hätte sie Luke nie zugetraut.

Eine alte Holzschaukel, die sie an die von Grandma Lucy früher erinnerte, bewegte sich unter einer Eiche in der Brise, und ein weiß gestrichener Briefkasten stand neben der Einfahrt. Das Haus machte Peyton fast nostalgisch – es erinnerte sie an längst vergangene Zeiten, als ihr Leben noch unkompliziert gewesen war. Na ja, relativ.

Sie klingelte erneut. Der Hund bellte weiter, doch im Haus rührte sich nichts. Ein restaurierter Mustang mit offenem Verdeck stand in der Einfahrt. Peyton fühlte sich wie in die Achtziger zurückversetzt. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und drückte ein drittes Mal auf den Klingelknopf. Wenn es auf der Welt noch gerecht zuging, war Luke inzwischen kahl und fett.

Der Hund verstummte plötzlich. Schritte waren zu hören, und kurz darauf ging die Tür auf.

Luke Barlow stand im Türrahmen und sah Peyton schlaftrunken an. Bartstoppeln bedeckten sein Gesicht. Bei seinem Anblick stockte ihr der Atem. Er war weder kahl noch fett, ganz im Gegenteil. Er sah sogar noch besser aus als auf der Highschool, der Idiot!

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er.

Offensichtlich erkannte er sie nicht wieder. Peyton unterdrückte ein Gefühl der Enttäuschung. Auf der anderen Seite hatte sie sich in den letzten fünf Jahren sehr verändert. Sie trug jetzt Kontaktlinsen und Kleider anstatt Brille und Khakihosen. Außerdem hatte sie sich das Haar lang wachsen lassen, trainierte täglich im Fitnessstudio und hatte eine viel weiblichere Figur als beim Abschlussball. Für Luke war sie immer nur Susannahs nervige kleine Schwester gewesen, doch inzwischen war sie erwachsen geworden.

Eine Frau.

„Anscheinend erinnerst du dich nicht an mich“, sagte sie. „Ich bin Peyton, Susannah Reynolds’ Schwester.“

Überrascht ließ er den Blick über ihr Kleid, ihre High Heels und ihr langes Haar gleiten. „Peyton? Peyton Reynolds? Mann, dich habe ich ja schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Was machst du hier?“

Lukes tiefe Stimme und sein Südstaatendialekt waren noch immer verdammt sexy. Früher einmal hatte Peyton sehr für ihn geschwärmt, aber das war schon lange her, und seitdem war eine Menge passiert. Leider schien seine Stimme immer noch die gleiche erotisierende Wirkung auf sie zu haben wie früher …

Würdevoll straffte sie die Schultern und bemühte sich um einen kühlen und gefassten Eindruck. Wenn sie sich oft genug einschärfte, kühl und ruhig zu sein, würde sie sich vielleicht sogar irgendwann so fühlen. „Ich bin vorbeigekommen, um dich zu … sehen.“

Eigentlich hatte sie sagen wollen, „um dich zu sprechen“, doch Lukes Anblick hatte sie so durcheinandergebracht, dass sie sich verhaspelt hatte. Er trug nämlich eine tief auf den Hüften sitzende Shorts, weiter nichts. Das dunkle Haar auf seiner gebräunten muskulösen Brust verjüngte sich auf seinem Bauch zu einer schmalen Linie, an der Peyton den Blick abwärtsgleiten ließ, bis sie ihn hastig losriss und ihn wieder auf Lukes Gesicht richtete. Verdammt, was war bloß los mit ihr? Sie war schließlich kein schüchternes kleines Schulmädchen mehr, das für den Kapitän des Footballteams schwärmte.

Er grinste frech. Mist! „Du wolltest mich sehen?“

„Ich wollte mit dir reden.“

Der Hund nutzte die Gelegenheit, durch die offene Tür auf die Veranda zu trotten. „Charlie, sitz!“, sagte Luke streng.

Der Terrier sah zu seinem Herrchen auf, als wolle er fragen, ob das wirklich sein musste, doch als Luke unbarmherzig blieb, ließ er sich seufzend auf den Hintern plumpsen. Hoffnungsvoll klopfte er mit dem Schwanz auf die Holzdielen der Veranda.

Erst jetzt erkannte Peyton ihn wieder. „Ist das etwa der Hund von damals?“, fragte sie.

Ein Lächeln breitete sich über Lukes Gesicht. „Du erinnerst dich noch an ihn?“

Oh, sie erinnerte sich an eine Menge, was Luke anging! Bei manchen Erinnerungen setzte ihr Herz einen Schlag aus, bei anderen schrillten sämtliche Alarmglocken. „Ich dachte, du wolltest ihn ins Tierheim bringen.“

Luke zuckte die Achseln. „Was soll ich sagen? Ich bin eben ein Softie.“

Peyton spürte, dass ihre innere Anspannung ein bisschen nachließ, aber nur etwas. Dass der Mann den Hund behalten hatte, den sie vor Jahren gerettet hatten, bedeutete noch gar nichts. Das machte lange noch keinen guten Vater aus ihm.

Peyton wollte Luke dazu bringen, ihr entweder das alleinige Sorgerecht zu übertragen oder Unterhalt für Maddy zu zahlen. Das war das Mindeste, was er seiner Tochter schuldete. Jedenfalls würde sie ihn nicht länger einfach so davonkommen lassen, ganz egal, was sie früher mal für Gefühle für ihn gehabt hatte.

Luke zeigte auf ein paar weiße Korbmöbel, über denen sich träge ein Deckenventilator drehte. Peytons Blick wanderte wieder zu Lukes nackter Brust. Verdammt, sah er gut aus. Zu gut. Sein Anblick machte sie zunehmend nervös. Wäre es unhöflich, ihn zu bitten, sich etwas überzuziehen, damit sie wieder rational denken konnte?

„Also, was führt dich hierher?“, fragte er, nachdem er es sich auf der Korbbank bequem gemacht und lässig einen Arm auf die Rückenlehne gelegt hatte.

Peyton hatte sich vorgenommen, nicht sofort mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern Luke erst ein bisschen auszuhorchen, bevor sie sich für eine Strategie entschied. So ging sie auch immer bei einem neuen Auftrag vor – erst entwickelte sie ein Gespür für die Räumlichkeiten, dann erst kam das Design.

Sie nahm in einem Korbsessel Platz. „Ich wollte ein paar alte Freunde besuchen, solange ich in der Stadt bin. Ich habe heute Morgen Cassie Bertram gesehen und habe gehört, dass du jetzt hier wohnst. Da ich gerade in der Gegend war, dachte ich, ich komme mal vorbei. Wie geht es dir?“

Falls er diese Begründung etwas merkwürdig fand, ließ er sich nichts anmerken. „Gut. Kann mich nicht beklagen.“

Eine verlegene Gesprächspause folgte. Wieder ertappte Peyton sich dabei, den Blick von Lukes nacktem Oberkörper losreißen zu müssen. Was zum Teufel hat er da drin? Magnete? Demonstrativ sah sie sich um. „Hübsches Haus.“

„Danke. Ich habe es nur gemietet, aber es gefällt mir. Es hat einen Swimmingpool. Fehlt nur noch ein Kühlschrank, und ich habe alles, was ich brauche.“ Er grinste.

„Um hier Partys zu feiern?“

Er lachte spöttisch. „Wenn ich noch achtzehn wäre, vielleicht. Nein, ich brauche nicht viel zum Leben, obwohl meine Mutter mich ständig auf Flohmärkte schleppt und mich zu so merkwürdigen Dingen wie Gewürzregalen überreden will. Jack hat mir einen Tisch und Stühle gebaut, das reicht.“

Okay, vielleicht war Luke ja doch nicht mehr der Partylöwe, der er früher gewesen war. Möglicherweise war er tatsächlich reifer geworden. „Jack baut Möbel?“

„Alles, wofür man einen Hammer und Nägel gebrauchen kann. Er arbeitet gern handwerklich. Ich habe ihn nach seiner Rückkehr aus Afghanistan vor ein paar Monaten dazu überredet, sich als Zimmermann selbstständig zu machen, da er nicht wusste, was er mit sich anfangen soll. Inzwischen kann er sich kaum noch retten vor Aufträgen.“

Peyton wunderte das nicht. Lukes jüngerer Bruder Jack war schon immer abenteuerlustig und zuverlässig gewesen – eine ideale Kombination fürs Militär –, während Mac, der Älteste, studiert hatte und Karriere machte. Luke hingegen hatte sich eher durch Sportlichkeit als durch Ehrgeiz ausgezeichnet. Die Mädchen, die hinter ihm her waren, interessierte es zwar nicht, ob er einen vernünftigen Job hatte oder nicht, doch Peyton war das nicht egal. Wenn er Maddy unterstützen wollte, brauchte er einen regelmäßigen Gehaltsscheck. „Und was machst du jetzt so?“

Luke lehnte sich zurück. „Nimm es mir nicht übel, aber irgendwie komme ich mir gerade vor wie bei einem Bewerbungsgespräch.“

„Ich frage bloß aus … Neugier.“ Peyton lächelte künstlich. „Wir haben uns schon lange nicht gesehen. Ich wollte mich nur auf dem Laufenden halten.“

„Klar doch“, sagte er ironisch. Peyton beschlich das Gefühl, dass er sie genauso einzuschätzen versuchte wie sie ihn. „Ich arbeite bei meinem Vater in der Kfz-Werkstatt. Jack und ich haben ihm während seiner Knieoperation ausgeholfen, und jetzt, wo Jack sich selbstständig gemacht hat und mein Vater darüber nachdenkt, sich zur Ruhe zu setzen, bin ich öfter dort.“ Luke fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Keine Ahnung, was aus Gator’s Garage wird.“

„Du könntest die Werkstatt doch übernehmen.“

„Das ist ganz schön viel Verantwortung. Außerdem würde ich mich damit längerfristig festlegen.“ Er grinste wieder. „Nicht gerade mein Ding.“

„Kann ich mir vorstellen“, antwortete Peyton mit gespielter Belustigung. Insgeheim war sie enttäuscht. Anscheinend hatte Luke doch keine Vaterqualitäten. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie gehofft hatte, dass er inzwischen erwachsen geworden war. Nicht dass sie Maddy nicht allein großziehen konnte, aber es würde der Kleinen guttun, einen Mann in ihrem Leben zu haben, erst recht, wenn er ihr biologischer Vater war.

„Und was ist mit dir?“, fragte Luke. „Du siehst übrigens toll aus.“

Peyton ärgerte sich darüber, dass sie errötete. Schließlich hatte so ein Kompliment bei einem notorischen Charmeur wie Luke nichts zu bedeuten. „Danke.“

„Du hast gesagt, dass du hier nur zu Besuch bist. Wo lebst du inzwischen?“

Luke hatte den Spieß geschickt umgedreht. Wollte er sie mit ihren eigenen Waffen schlagen, oder interessierte ihn das wirklich? „In Baltimore. Ich bin Innenarchitektin bei einer relativ großen Firma.“

Er nickte. „Macht Sinn. Du hast schon früher gern deine Umgebung verschönert.“ Er wartete, bis ein Auto am Haus vorbeigefahren war, bevor er seine nächste Frage stellte: „Wie geht es deiner Schwester?“

Peyton blinzelte verblüfft. „Hast du noch nichts davon gehört?“

„Wovon?“

Sie holte tief Luft. „Susannah kam …“ Sie stockte. Verdammt, warum fällt es mir so schwer, das auszusprechen? „Sie kam … vor einem Monat bei einem Autounfall ums Leben.“

Luke wurde blass. „Oh Gott, das ist ja schrecklich! Nein, ich habe nichts davon gehört. Sie war doch noch so jung.“ Er stieß einen Fluch aus, beugte sich vor und berührte sie an einer Hand. „Das tut mir schrecklich leid, Peyton. Geht es dir gut?“

Lukes Mitgefühl kam so unerwartet, dass Peyton völlig durcheinander war und ihre innere Abwehr bröckelte. Ihr schossen die Tränen in die Augen. Nie hätte sie damit gerechnet, dass Luke sie nach ihrem Befinden fragen würde.

Für einen Moment wäre sie fast der Versuchung erlegen, ihm alles anzuvertrauen. Mir wächst gerade alles über den Kopf. Mein Leben ist ein einziges Chaos. Alles, was ich bisher unter Kontrolle hatte, entgleitet mir gerade. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich am Ende mit meinem Latein. „Ja, es geht mir gut.“

„Es tut mir so leid“, wiederholte Luke wieder und drückte ihr die Hand. Ein beunruhigend tröstliches Gefühl.

Peyton wollte gerade etwas erwidern, als ihr auffiel, dass er das Wichtigste ausgelassen hatte. Wollte er denn gar nicht wissen, wie es seiner Tochter ging? Es schien ihn gar nicht zu interessieren, wie sie mit dem Verlust ihrer Mutter zurechtkam. Hatte er denn gar kein schlechtes Gewissen, sie und Susannah im Stich gelassen zu haben?

Peyton riss ihre Hand los, zog ihr Handy aus der Handtasche und zeigte Luke ein Foto von Maddy aus glücklicheren Tagen. „Willst du denn gar nicht wissen, wie es ihr geht?“

„Hübsches Mädchen“, sagte Luke. Charlie, der Hund, trottete zu ihm herüber und ließ sich zu seinen Füßen fallen. „Ist das deine Tochter?“

Autor

Shirley Jump
<p>Shirley Jump wuchs in einer idyllischen Kleinstadt in Massachusetts auf, wo ihr besonders das starke Gemeinschaftsgefühl imponierte, das sie in fast jeden ihrer Romane einfließen lässt. Lange Zeit arbeitete sie als Journalistin und TV-Moderatorin, doch um mehr Zeit bei ihren Kindern verbringen zu können, beschloss sie, Liebesgeschichten zu schreiben. Schon...
Mehr erfahren