Alle Männer wollen Mandy

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Sofort fühlen sich Mandy und John zueinander hingezogen, als sie bei einer Gruppentherapiesitzung, die im Anschluss an die Buchsignierung eines bekannten Psychiaters stattfindet, ihre Gefühle beschreiben. Johns Blicke scheinen Mandy direkt unter die Haut zu gehen, und schon allein seine dunkle Stimme löst ein Prickeln der Erregung in ihr aus. Nach dem Abschiedskuss vor ihrer Haustür weiß Mandy, dass John ihr Geliebter werden muss. Doch wie soll sie das ihrem Exfreund beibringen, der sich wieder intensiv um sie bemüht …


  • Erscheinungstag 10.07.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783955764531
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Linda Lael Miller

Alle Männer wollen Mandy

Aus dem Amerikanischen von Adrienne Zimmerer

MIRA® TASCHENBUCH


MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg


Copyright dieses eBooks © 2015 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH


Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Daring Moves

Copyright © 1990 by Linda Lael Miller

erschienen bei Silhouette Books, Toronto


Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.ár.l


Konzeption: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildungen: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Redaktion: Mareike Müller


ISBN eBook 978-3-95576-453-1


www.mira-taschenbuch.de

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Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg


eBook-Herstellung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. KAPITEL

Die Schlange der Leute, die auf ein Autogramm warteten, reichte vom Buchladen die Mall hinunter bis zu dem Lederwarengeschäft. Mandy Scott seufzte und besorgte sich eine Tasse Kaffee in der französischen Konditorei ein paar Meter weiter, wobei sie tapfer auf das verführerische Blätterteiggebäck in der Glastheke verzichtete. Dann stellte sie sich hinter einem Mann in einem teuer wirkenden Tweedmantel an.

Im gleichen Moment drehte sich der Mann um und schaute Mandy ein wenig tadelnd an, als wäre sie an der endlosen Warterei schuld. Dann schob er den Ärmel seines Mantels zurück, warf einen Blick auf eine schmale goldene Uhr und wandte sich wieder um. Der Fremde war ein gutes Stück größer als Mandy, hatte braunes Haar, das nur eine Spur zu lang war, dunkelbraun und grüngesprenkelte Augen, und er brauchte dringend eine Rasur.

Mandy war nicht der Typ, der keinen Ton sagte, wenn sich die Gelegenheit zu einem kleinen Gespräch ergab. Sie nippte an ihrer Plastiktasse und verkündete: »Ich will Dr. Marshalls Buch für meine Schwester Eunice kaufen. Sie macht gerade eine schlimme Scheidung durch.«

Der Sachbuch-Bestseller hatte den Titel »Scherbenhaufen – Wege aus der Krise« und war für Leute geschrieben, die einen persönlichen Verlust oder Rückschlag erlitten hatten.

Wieder drehte sich der fremde Mann um und sah sie an. Der angenehme Duft nach Englischleder schien ihn zu umgeben. »Sprechen Sie mit mir?«, wollte er wissen und runzelte fragend die Stirn.

Mandy hatte nicht vorgehabt zu flirten, doch die Warterei konnte so langweilig sein. »Ja, eigentlich schon«, gab sie zu.

Er überraschte sie mit einem kurzen, aber strahlenden und absolut umwerfenden Lächeln. In der nächsten Sekunde wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst, aber er streckte die Hand aus.

»John Richards«, stellte er sich förmlich vor.

Mandy trank rasch den Schluck Kaffee, den sie gerade genommen hatte, und schüttelte dem Mann die Hand. »Mandy Scott«, sagte sie. »Für gewöhnlich rede ich keine fremden Männer auf der Straße an, wissen Sie? Ich habe mich nur tödlich gelangweilt.«

Wieder setzte er dieses unwiderstehliche Lächeln auf, strahlend wie Sonnenlicht auf einem See. »Ich verstehe.«

Die Menschenschlange bewegte sich, und sie rückten beide ein paar Schritte vor. Plötzlich fühlte sich Mandy verunsichert und bedauerte fast, an der Mall aus dem Bus gestiegen zu sein. Vielleicht hätte sie gleich nach Hause in ihre gemütliche Wohnung und zu ihrer Katze zurückfahren sollen.

Aber Eunice würde es guttun, das Buch zu lesen. Außerdem würde sie, Mandy, wenn sie den »Scherbenhaufen« kaufte, alle ihre Weihnachtsgeschenke zusammenhaben. Ab morgen könnte sie sich in ihre Arbeit verkriechen, wie eine Maus in ihr Loch, bis der Gedanke an die Ferien und die quälenden Erinnerungen daran nur noch Vergangenheit waren.

»Wie traurig für Eunice«, meinte John Richards.

»Ich werde ihr Ihr Beileid aussprechen«, versprach Mandy, und ihre blauen Augen funkelten amüsiert.

Sie bewegten sich mit der Menschenmenge nach vorn.

»Gut«, sagte John.

Mandy trank ihren Kaffee aus, zerknüllte die Plastiktasse und warf sie in den nächsten Abfallbehälter. Neben dem Kasten war an einer Stange ein Schild befestigt, auf dem zu lesen war: »Therapie für Sie? Nehmen Sie nach der Autogrammstunde an einer Minisitzung mit Dr. Marshall teil.« Darunter zeigte eine Zeichnung die Mall und die Stadthalle, wo Dr. Marshall die Sitzung abhalten würde.

»Und Sie«, begann Mandy vorsichtig, »kaufen Sie das Buch für sich selbst oder für jemand anderen?«

»Ich schicke es meiner Großmutter«, antwortete John und warf wieder einen Blick auf seine Uhr.

Ob er später wohl irgendwohin muss? fragte sich Mandy. Oder ist er ganz einfach ungeduldig?

»Was ist denn los mit ihr?«, erkundigte sie sich teilnahmsvoll.

John blickte etwas unwillig, aber nach einem kurzen Moment, während die Menge und sie beide sich vorwärtsbewegten, sagte er: »Sie hatte vor einiger Zeit eine ziemlich unangenehme Operation, und das macht ihr noch zu schaffen.«

»Oh.« Unwillkürlich berührte Mandy seinen Arm, so als wollte sie ihn mit dieser kleinen Geste ihre Sympathie spüren lassen.

Irgendwie schien ihre Anteilnahme John Richards weich zu stimmen. »Wollen Sie an der Minisitzung teilnehmen?«, fragte er und zeigte auf das Schild. Seinem Blick nach erwartete er ganz selbstverständlich ein klares Nein.

Mandy lächelte und zuckte die Schultern. »Warum nicht? Ich habe für den restlichen Nachmittag nichts vor, und vielleicht lerne ich etwas dabei.«

John sah nachdenklich aus. »Ich nehme an, man muss nicht unbedingt etwas sagen, wenn man nicht will.«

»Natürlich nicht«, meinte Mandy zuversichtlich, obwohl sie nicht den leisesten Schimmer hatte, wie die Sache ablief. In manchen dieser Selbsthilfegruppen ging es ganz schön verrückt zu. Sie hatte gehört, dass Leute mit nackten Füßen über glühende Kohlen liefen oder sich in Kübel mit heißem Wasser tauchen ließen.

»Ich gehe rein, wenn Sie sich neben mich setzen«, sagte John.

Mandy zögerte nicht lange mit ihrer Antwort. Die Mall war ein gut beleuchteter Platz, wo jede Menge Leute ihre Weihnachtseinkäufe erledigten. Sollte John Richards ein schräger Typ sein – und das war ziemlich abwegig, es sei denn, Verrückte kleideten sich neuerdings wie Models aus »Gentlemen’s Quarterly« –, wäre sie absolut sicher. »Okay«, antwortete sie und zuckte wieder mit den Schultern.

Nachdem die Entscheidung getroffen war, versanken Mandy und John in Schweigen. Es dauerte fast noch eine Viertelstunde, bis er an den Tisch trat, an dem der Autor saß.

Dr. Eugene Marshall, der Guru unter den bekannten Psychologen, kritzelte seinen Namen mit einer fürchterlichen Klaue in das Buch und gab es John. Mandy ließ sich ihr Autogramm geben und folgte ihrem neuen Bekannten zur Kasse.

Nachdem sie beide bezahlt hatten, verließen sie gemeinsam den Laden.

Vor dem zweitürigen Portal der Stadthalle hatte sich schon eine Herde versammelt, und dem Schild auf einer Staffelei zufolge würde die Minisitzung in zehn Minuten beginnen.

John ließ den Blick über die Schnell-Imbiss-Läden auf dem Platz wandern. »Möchten Sie einen Kaffee oder irgendetwas?«

Mandy schüttelte den Kopf und befreite mit einer Handbewegung ihr helles schulterlanges Haar aus dem Kragen ihres Mantels.

»Nein, danke. Was machen Sie eigentlich beruflich, Mr Richards?«

»John«, verbesserte er. Er zog seinen Mantel aus, legte ihn sich über den Arm und lockerte seine Krawatte. »Was glauben Sie, was ich mache?«

Mandy kniff die blauen Augen zusammen und musterte ihn genau. John war ein sportlicher Typ und sogar ein bisschen sonnengebräunt, trotzdem bezweifelte sie, dass er sich sein Geld mit den Händen verdiente. So, wie er angezogen war, gehörte er wohl eher zum Topmanagement. Dafür sprach auch seine goldene Uhr, auf die er gerade wieder einen Blick warf. »Sie sind Börsenmakler«, riet sie.

Er lachte. »Sie sind nah daran. Ich bin Teilhaber eines Investmentunternehmens. Und was tun Sie?«

Die Leute setzten sich langsam Richtung Hörsaal in Bewegung, um sich einen Platz zu suchen, und mit ihnen Mandy und John. Sie lächelte und antwortete: »Raten Sie mal.«

Er betrachtete sie nachdenklich. »Sie sind Stewardess bei einer großen Fluggesellschaft«, meinte er nach einem kurzen Moment.

Mandy nahm seine Bemerkung als Kompliment, obwohl er falsch geraten hatte. »Ich bin stellvertretende Geschäftsführerin des Evergreen Hotels.« Sie fanden zwei Plätze in der Mitte des Saals, und John setzte sich auf den am Gang. Gerade als Mandy im Stillen hoffte, sie hätte jetzt Eindruck auf John gemacht, ausgerechnet in diesem Moment begann ihr Magen laut zu knurren.

»Und Sie haben noch nicht zu Mittag gegessen«, stellte John fest, wobei er wieder auf diese unwiderstehliche Art lächelte. »Zufällig habe ich auch etwas Hunger. Wie wäre es mit einem Happen in diesem chinesischen Schnellimbiss, den ich draußen gesehen habe – ich meine, nachdem wir die Minisitzung hinter uns haben?«

Wieder lächelte Mandy. Sie schien ziemlich viel zu lächeln, was erstaunlich war, denn so richtig glücklich hatte sie sich nicht mehr gefühlt, seit James Brockman in ihr Leben hereingerauscht war, es auf den Kopf gestellt hatte und wieder hinausgerauscht war. »Eine wunderbare Idee«, hörte sie sich sagen.

Dr. Marshall betrat das Rednerpult. Bei seinem Anblick wurde John sichtlich unruhig. Er rutschte auf seinem Sitz nach vorne, schlug das rechte Bein über das linke und begann, nervös mit dem Fuß zu wippen.

Der berühmte Autor stellte sich vor, nur für den Fall, dass sich jemand, der noch nie eine Fernseh-Talkshow gesehen hatte, hereinverirrt hatte. Dann bat er seine Zuhörer, sich zu Gruppen von zwölf Personen zusammenzuschließen.

Diese Aufforderung schien John noch mehr Unbehagen zu verursachen. Und wahrscheinlich hätte er sich gar keiner Gruppe angeschlossen, wenn sich nicht um ihn und Mandy eine gebildet hätte. Und um Mandys Meinung nach die Sache noch aufregender zu machen, wählte der gut aussehende grau melierte Dr. Marshall ihre Gruppe für seine Arbeit aus, während sich seine Assistenten um die anderen kümmerten.

»Also, Leute«, begann er mit überzeugender Autorität, »dann fangen wir mal an.« Er ließ den Blick seiner grauen Augen über die kleine Gruppe schweifen. »Warum sehen Sie denn alle so verstört aus? Es tut ganz bestimmt nicht weh. Wir werden nur ein bisschen über uns reden.« Er sah Mandy an. »Wie heißen Sie?«, fragte er direkt. »Und was war das Schlimmste, was Ihnen im letzten Jahr passiert ist?«

Sie schluckte. »Mandy Scott. Und das Schlimmste …?«

Dr. Marshall nickte freundlich.

Ganz plötzlich wünschte Mandy sich, sie wäre ins Kino gegangen oder zu Hause geblieben, um ihre Wohnung zu putzen. Sie wollte nicht über James sprechen, vor allem nicht vor Fremden, aber Dr. Marshall verlangte eine Antwort, und Mandy hatte noch nie gelogen. James war das Schlimmste in ihrem Leben seit langer Zeit gewesen. Ohne John dabei anzusehen, antwortete sie: »Ich habe mich in einen Mann verliebt, und dann kam heraus, dass er verheiratet war.«

»Was haben Sie gemacht, als Sie es herausfanden?«, fragte Dr. Marshall verständnisvoll.

»Ich habe schrecklich viel geweint«, antwortete Mandy und vergaß dabei einen Augenblick lang, dass noch elf andere Leute zuhörten, darunter John.

»Haben Sie die Beziehung beendet?«, forschte Dr. Marshall weiter.

Noch einmal empfand sie den Kummer und die Demütigung von damals, als James’ Frau in ihr, Mandys Büro, gestürmt war und ihr eine Szene gemacht hatte. Davor hatte Mandy die schreckliche Wahrheit noch nicht einmal geahnt.

»Ja«, antwortete sie mit einem traurigen Nicken.

»Wirkt sich diese Erfahrung immer noch auf Ihr Leben aus?«

Sie hätte gern zur Seite geschaut, um zu sehen, wie John reagierte, aber sie traute sich nicht. Sie senkte den Blick. »Ich glaube schon.«

»Haben Sie das Vertrauen zu Männern verloren?«

Wenn sie an all die Verabredungen dachte, die sie seit der Trennung von James ausgeschlagen hatte, glaubte Mandy tatsächlich, dass sie Männern nicht mehr vertraute. Schlimmer noch, sie hatte aufgehört, sich auf ihren Instinkt zu verlassen. »Ja«, sagte sie leise.

Dr. Marshall berührte sanft ihre Schulter. »Ich behaupte nicht, dass Sie Ihre Probleme durch eine Minisitzung lösen können oder dadurch, dass Sie mein Buch lesen. Aber ich finde, es ist an der Zeit, dass Sie aufhören, sich zu verstecken. Sie sollten dem Leben wieder ins Auge blicken. Einverstanden?«

Mandy war überrascht von Dr. Marshalls Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen. »Einverstanden«, gab sie zurück und nahm sich an Ort und Stelle vor, Eunices Ausgabe von dem »Scherbenhaufen« zu lesen, bevor sie das Buch als Geschenk verpackte.

Dr. Marshall wandte seine Aufmerksamkeit dem Mann links neben Mandy zu. Dieser berichtete, er habe seinen Job verloren, und weil Weihnachten vor der Tür stehe, sei das besonders hart. Eine Frau aus der Reihe hinter Mandy sprach über die schlimme Krankheit ihres Kindes. Schließlich – es waren mehr als zwanzig Minuten vergangen – hatte jeder sein Problem genannt, nur John nicht.

Er rieb sich das Kinn mit den Bartschatten und räusperte sich. Mandy spürte seine Anspannung und Abwehr, als wären es ihre eigenen Reaktionen. Behutsam legte sie ihm ihre Hand auf den Arm.

»Das Schlimmste, was mir jemals passiert ist«, sagte John mit fast unhörbarer Stimme, »war, als ich meine Frau verlor.«

»Wie ist das geschehen?«, wollte Dr. Marshall wissen.

John sah aus, als wollte er auf der Stelle von seinem Stuhl aufspringen und den Gang zur Tür hinunterlaufen, aber er beantwortete die Frage. »Ein Motorradunfall.«

»Sind Sie gefahren?« Dr. Marshalls Züge drückten Mitgefühl aus.

»Ja«, antwortete John nach langem Schweigen.

»Und Sie können immer noch nicht darüber sprechen«, stellte Dr. Marshall fest.

»Das stimmt«, erwiderte John. Er stand auf und ging langsam den Gang hinunter und aus dem Saal hinaus.

Mandy lief ihm nach und holte ihn draußen ein. Sie traute sich nicht mehr, seinen Arm zu berühren, obwohl John langsamer ging, als er ihre Schritte hörte. »Was ist mit dem chinesischen Essen, das Sie mir versprochen haben?«, fragte sie sanft.

Er erwiderte ihren Blick, und einen Moment lang konnte sie bis ins Innere seiner Seele sehen. Wie viel Qual in seinen Augen lag!

»Ach ja«, antwortete er, und seine Stimme klang rau.

»Ich bin fertig mit meinen Weihnachtseinkäufen«, erklärte Mandy John, vor sich das Gericht Nummer drei von der Speisekarte des chinesischen Schnellimbisses. »Wie ist es bei Ihnen?«

»Erledigt meine Sekretärin für mich«, sagte John. Er sah erleichtert aus, nachdem Mandy das Thema gewechselt hatte.

»Die Lady tut mehr als ihre Pflicht«, scherzte sie. »Hoffentlich schenken Sie ihr etwas besonders Tolles.«

John lachte. »Sie bekommt einen besonders tollen Bonus.«

»Sehr gut.«

Offensichtlich fühlte er sich besser. Seine Augen funkelten, und die Anspannung war aus seinen Zügen verschwunden.

»Ich bin froh, dass meine Geschäftspolitik Ihre Zustimmung findet.«

Mandy war erstaunt über sich selbst. Bis jetzt hatte sie noch nicht Ausschau nach einem Ehering an Johns Hand gehalten, und das trotz der Erfahrungen, die sie vor nicht allzu langer Zeit mit James gemacht hatte. Sie warf einen Blick auf Johns Ringfinger und bemerkte dort, wo der Ring gesessen hatte, einen weißen Streifen.

»Wie gesagt, ich bin Witwer«, erklärte John, der ihren Blick richtig gedeutet hatte, mit einem kleinen Lächeln. »Tut mir leid«, sagte Mandy.

Er spießte ein Stück von dem süßsauren Schweinefleisch auf die Gabel. »Es ist jetzt drei Jahre her.«

Zeit genug, dachte sie, dass die weiße Stelle an seinem Finger nachgebräunt sein sollte. »Das ist eine ganze Weile«, stellte sie fest und fragte sich, ob sie nicht einfach aufstehen, ihr Buch und ihren Mantel nehmen und gehen sollte. Aber schließlich blieb sie sitzen, denn ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr, dass der nächste Bus erst in vierzig Minuten kommen würde. Außerdem war sie hungrig.

John seufzte. »Manchmal habe ich das Gefühl, es wären drei Jahrhunderte.«

Mandy biss sich auf die Lippe, aber dann konnte sie nicht anders und stieß hervor: »Sie sind doch wohl nicht einer von diesen widerlichen Typen, die herumlaufen und lautstark verkünden, sie seien nicht verheiratet, obwohl sie es sind? Ich meine, Sie könnten doch wieder geheiratet haben.«

Ganz plötzlich sah er sehr müde und blass unter seiner Bräune aus. Warum läuft er eigentlich so unrasiert herum? fragte sich Mandy.

»Nein«, antwortete er. »Ich bin nicht verheiratet.«

Sie schaute auf ihren Teller, beschämt, weil sie John so etwas gefragt hatte. Trotzdem hätte sie die Frage nicht zurückgenommen. Die Erfahrung mit James hatte sie gelehrt, dass eine Frau in solchen Dingen nicht vorsichtig genug sein konnte.

»Mandy?«

Sie hob den Blick und sah, dass John sie anschaute. »Ja, was?«

»Wie war sein Name?«

»Wessen Name?«

»Von dem Kerl, der Ihnen weismachte, er sei nicht verheiratet.«

Mandy räusperte sich und rutschte nervös auf ihrem Stuhl nach vorne. Der Gedanke an James tat nicht mehr weh, aber sie kannte John Richards nicht gut genug, um ihm zu erzählen, wie übel man sie hereingelegt hatte.

Plötzlich stieg eine unerklärliche Panik in ihr hoch. »Donnerwetter, schon so spät«, sagte sie und schob ihren Ärmel hoch, um einen Blick auf die Uhr zu werfen, den Bruchteil einer Sekunde, nachdem sie gesprochen hatte. Sie sprang von dem Stuhl auf und zog ihren Mantel an, dann griff sie nach ihrer Tasche und dem Beutel aus dem Buchladen. Mandy legte einen Fünfdollarschein auf den Tisch, um ihr Essen zu bezahlen. »Nett, Sie kennengelernt zu haben.«

John runzelte die Stirn und schob langsam seinen Stuhl zurück. »Warten Sie einen Moment, Mandy. Das ist nicht fair.«

Er hatte recht. Er war nicht davongelaufen, obwohl ihm danach zumute gewesen war, und sie würde es auch nicht tun.

Mandy sank auf ihren Stuhl zurück, wobei ihr bewusst war, dass die Leute von den Nebentischen neugierig zu ihnen herüberstarrten.

»Sie reden nicht über ihn«, sagte John, während er sich wieder hinsetzte, »und ich rede nicht über sie. Abgemacht?«

»Abgemacht«, gab Mandy zurück.

Danach unterhielten sie sich über die Seefalken in Seattle und über die chinesischen Kunstgegenstände, die in einem der Museen ausgestellt waren. Später begleitete John sie zur nächsten Haltestelle und wartete mit ihr, bis der Bus kam.

»Auf Wiedersehen, Mandy«, sagte John, als sie einstieg.

Sie entwertete den Fahrschein im Automaten und lächelte über ihre Schulter zurück. »Danke für Ihre Begleitung.«

John winkte, als der Bus wegfuhr, und Mandy spürte ein plötzliches Gefühl von bittersüßer Einsamkeit, das sie noch nie zuvor empfunden hatte, selbst nicht in der schrecklichen Zeit nach der Trennung von James.

Als Mandy das Haus auf dem Queen Anne Hügel erreichte, in dem sich ihre Wohnung befand, war sie in Gedanken immer noch bei John. Er hätte sie sicher gern nach Haus gefahren, das wusste sie, aber er war einfühlsam genug gewesen, nicht zu fragen, und sie dankte ihm im Stillen dafür.

In ihrem Briefkasten fand sie ein Bündel Rechnungen. »Ich werde nie genug sparen können, um eine Frühstückspension zu eröffnen, wenn ich so weitermache«, beklagte sie sich bei ihrem schwarz-weißen langhaarigen Kater Gershwin, als er ihr an der Tür entgegenkam.

Gershwin zeigte sich absolut gleichgültig. Wie gewöhnlich interessierte ihn nur sein Futter.

Mandy knipste die Lampen an und legte ihre Handtasche und das Buch auf den Tisch in der Diele. Dann hängte sie ihren Mantel auf den Messingbaum daneben, der für diesen Raum viel zu riesig war, und ging in die kleine Küche.

Gershwin schnurrte und strich ihr um die Beine, während sie eine Dose Katzenfutter für ihn aufmachte. Aber als sie den Inhalt in seine Schüssel gab, verließ Gershwin sie ohne Gewissensbisse.

Während er sein Futter verschlang, ging sie noch einmal die Briefe durch, die sie aus dem Kasten genommen hatte. Es waren drei Rechnungen, ein »Sie-haben-bereits-gewonnen«-Schreiben und ein Brief von ihrer Schwester Eunice.

Mandy riss ihn sofort auf und überflog die ersten Zeilen. Sie war enttäuscht, als sich das Schreiben nur als eine weitere Litanei über die Sünden von Eunices zukünftigem Exmann entpuppte, und legte es zur Seite. Sie würde später weiterlesen.

Im Badezimmer ließ sie Wasser in die große Wanne mit den Löwenfüßen laufen, zog sich aus und stieg in die Wanne.

Gershwin stieß mit der für Katzen typischen Dreistigkeit die Tür auf und machte einen Satz auf den Wannenrand. Elegant wie ein Seiltänzer spazierte er darauf hin und her und erzählte Mandy dabei laut miauend von seinen Tageserlebnissen.

Sie hörte ihm höflich zu, war aber in Gedanken ganz woanders. Sie dachte an John Richards und den hellen Streifen an seinem Ringfinger.

Mandy seufzte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass John die Wahrheit gesagt hatte und nicht verheiratet war. Aber mit dem gleichen Gefühl hatte sie damals auch James vertraut.

Am nächsten Morgen wartete Mandy an der Haltestelle, als der Bus vorfuhr. Es war ein wenig wärmer heute, und der Schnee hatte zu schmelzen begonnen.

Eine Viertelstunde später trat sie durch die riesige Drehtür in die Halle des Evergreen Hotels. Die teuren Perserteppiche fühlten sich weich unter ihren Sohlen an, als sie weiterging. Das bunt schillernde Licht der großen Kristalllüster brach sich in den wandhohen Spiegeln.

Mandy fuhr mit dem Lift in den dritten Stock, wo sich die Büroräume des Hotels befanden. Als sie durch den kleinen Empfangsraum ging, winkte ihr Linda Simmons von der Rezeption aus zu. »Mr Mansfield ist heute krank«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. Linda war zierlich und hübsch, mit ihrem langen braunen Haar und den ausdrucksvollen grünen Augen. »Dein Schreibtisch bricht unter dem ganzen Papierkram noch zusammen.«

Mandy ging in ihr Büro, und der Ärger fing gleich an. Die Wasserleitung in der Präsidentensuite hatte ihren Geist aufgegeben, und Mandy telefonierte, damit man sich als erstes um die Reparatur kümmerte. Eine Mrs Erdman aus Zimmer 1203 verdächtigte eines der Zimmermädchen, ihr einen Perlenohrring gestohlen zu haben, und an der Rezeption hatte jemand ein paar Termine durcheinandergebracht – die Hochzeitssuite war für zwei Paare gleichzeitig reserviert worden.

Es war Mittag, als Mandy alles geregelt hatte – Mrs Erdmans Ohrring war hinter das Fernsehgerät gefallen, die Wasserleitung in der Präsidentensuite funktionierte wieder, und die zwei Hochzeitspaare würden jedes ein Zimmer für sich haben.

Auf Lindas Vorschlag hin gingen Linda und sie zum Lunch zur Westlake Mall, besorgten sich in einem der Schnell-Restaurants je eine Salatplatte und setzten sich an einem Tisch am Fenster.

»Noch zwei Wochen bis zum Urlaub«, sagte Linda begeistert und verteilte Dressing aus einer kleinen Tüte über ihren Salat. »Weihnachten in den Bergen. Ich kann es kaum erwarten.«

Mandy hätte Weihnachten gern übersprungen, wenn der Rest der Welt damit einverstanden gewesen wäre, aber sie sagte es natürlich nicht. »Du und Pete, ihr werdet beim Skilaufen bestimmt eine tolle Zeit haben.«

Linda kaute gerade und schluckte, bevor sie antwortete: »Ich finde es wahnsinnig nett von seinen Eltern, uns mitzunehmen. Allein hätten wir uns das nie leisten können.«

Mandy nickte und spießte ein Stück Tomate auf.

»Was machst du über die Feiertage?«, wollte Linda wissen.

Mandy lächelte verkrampft. »Ich werde arbeiten, das weißt du doch.«

»Natürlich, aber was ist mit einem Tannenbaum, Geschenken und dem obligatorischen Truthahn?«

»Werde ich alles bei meiner Mutter und meinem Stiefvater haben«, erklärte Mandy.

Autor

Linda Lael Miller
<p>Nach ihren ersten Erfolgen als Schriftstellerin unternahm Linda Lael Miller längere Reisen nach Russland, Hongkong und Israel und lebte einige Zeit in London und Italien. Inzwischen ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt – in den weiten „Wilden Westen“, an den bevorzugten Schauplatz ihrer Romane.</p>
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