Baccara Collection Band 479

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WIE RÄCHT MAN SICH AN SEINEM EX von SOPHIA SINGH SASSON

Journalistin Willa St Germaine darf das Interview ihres Lebens führen – mit dem Mann, der ihr einst das Herz gebrochen hat! Aber was anfangs wie die perfekte Chance wirkt, sich an Rancher Jack Chowdhry zu rächen, wird zu etwas viel Aufregenderem mit ihrem sexy Ex …


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  • Erscheinungstag 28.12.2024
  • Bandnummer 479
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523172
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sophia Singh Sasson

1. KAPITEL

„David benutzt dich als Lockvogel.“

Willa warf die leere Cola-Dose nach Rogerio und traf ihn beinahe am Kopf. Er fing die Dose auf und warf sie zum Mülleimer. Sie prallte ab und rollte über den Boden.

Willa erhob sich seufzend und hob die Dose auf. Sie sah sich in dem schäbigen Büro um, das sie mit drei weiteren Reportern teilte. Die grauen Wände und der bräunliche Teppich entsprachen ihrer Stimmung. „Unsinn. Er hat mich auf Jack Chowdhry angesetzt, um an schmutzige Details über ihn zu kommen. Dass man sich einer Quelle nähern muss, um Informationen zu beziehen, ist ja nichts Neues.“

Willst du Rogerio überzeugen oder dich selbst? Sie wollte nicht darüber reden. Dann müsste sie nämlich nachdenken, was es bedeutete, Jack wiederzusehen. Diesen Auftrag konnte sie nur überstehen, indem sie so tat, als spielte Jack als Person keine Rolle.

Rogerio zog die Brauen hoch. Er war kaum größer als sie. Er hatte schwarze Haare, braune Augen und den stämmigen Körperbau, der von viel zu vielen Stunden im Fitnessstudio kündete. „Er ist dein Ex und der Vater deines Kindes. Also mehr als nur eine Quelle.“

„Pst!“ Willa eilte zur Bürotür, um sicherzugehen, dass niemand sie hörte.

„Entspann dich. Keiner mehr da, der dein dunkles Geheimnis hören könnte.“

Sie ging zu ihm. „Hör zu. Nur du und meine Schwester wissen, wer Priyas Vater ist. Jack Chowdhry weiß nicht mal, dass ich eine Tochter habe, geschweige denn dass er der Vater ist. Dabei soll es auch bleiben. Kapiert?“

Rogerio stand auf und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Dein Geheimnis ist bei mir sicher.“ Er senkte die Stimme. „Wirklich, Willa, ich halte es nicht für eine gute Idee, nach Royal zu fahren. Für David zählt nur die Quote. Und ihm ist egal, wen er ausnutzt, um sie zu bekommen.“

Ist das vielleicht was Neues? Dass ihre Chefs sie ausnutzten, war ihr Schicksal. Immerhin war David offen und ehrlich, was seine Absichten betraf, und fiel ihr nicht den Rücken, wie Jack es getan hatte. „Ich habe keine Wahl. Wenn ich vom Klatsch wegwill, brauche ich diese Story.“

„Du bist eine talentierte Journalistin. Wäre Jack nicht gewesen, wärst du heute Davids Chef. Warte es ab – die richtige Story kommt noch.“

Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch. Es war nicht nötig, dass man sie daran erinnerte, was Jack ihr angetan hatte. Ihr letzter Artikel handelte von den besten Weihnachtsmärkten der Stadt. In kürzester Zeit war sie von einer Enthüllungsjournalistin, die Politskandale aufdeckte, zur Klatschreporterin geworden, die belanglose Artikel über New Yorker Promis verfasste.

„Darauf kann ich nicht warten. Ich bin siebenunddreißig. Ich muss meine Karriere endlich in die richtige Bahn lenken. Wie schwer kann es schon sein? Ein Mann wie Jack hat doch haufenweise Leichen im Keller. Ich brauche nur eine gute zu finden und wieder zu verschwinden.“

„Das mag ja sein, aber ich fürchte, dass du bei der Suche in seinem Keller in seinem Bett landest.“

Ihr Magen zog sich zusammen. „Niemals.“ Auch wenn sie selbst nie auf die Idee gekommen wäre, einen Artikel über Jack zu schreiben, war es keine schlechte Idee, seine unsauberen Methoden aufzudecken. Die Medien liebten ihn – er war der gewitzte Geschäftsmann, der ein Medienimperium aufgebaut und sich nun als Rancher niedergelassen hatte und der Wohltätigkeitsarbeit widmete. Sie kaufte ihm das keine Sekunde ab. Wenn er in Royal war, dann nur, weil er irgendetwas ausheckte, was ihn noch reicher und mächtiger machen würde. Sie konnte es gar nicht erwarten, die Scharade aufzudecken, die er aller Welt vorspielte.

„Sicher? Hast du den Typ mal angeguckt?“ Rogerio tippte auf seinen Laptop und hielt ihn hoch, damit sie den Bildschirm sehen konnte. Jack Chowdhrys Gesicht füllte ihn aus. Verdammt. Sie hatte die Diamond-Gate-Story verfolgt, aber dabei vermieden, die Abbildungen von Jack anzusehen, die in den neuesten Artikeln aufgetaucht waren. Er war im Streit zwischen den berüchtigten Familien Del Rio und Winters ein entscheidender Vermittler gewesen. Die Del Rios hatten die Winters’ bezichtigt, ein Familienschmuckstück gestohlen zu haben. Der Vorwurf hatte nationale Aufmerksamkeit erlangt, als das beeindruckende Diamantencollier auf dem Stammgut der Winters’ gefunden wurde. Jack hatte eine Abmachung ausgearbeitet, nach der das Prunkstück zurückgegeben und eine Entschädigung für den Diebstahl gezahlt wurde. Das Schmuckstück sollte demnächst im Texas Cattleman’s Club, dem TCC, ausgestellt werden, und morgen fand eine Pressekonferenz statt, um der Öffentlichkeit nicht nur das berühmte Collier zu zeigen, sondern außerdem zu verkünden, dass die Fehde nun offiziell beigelegt sei. Jack wurde dort erwartet, und Willas Aufgabe war es, die Story zu nutzen, um an ihn heranzukommen.

Aber nicht zu nah, ermahnte sie sich. Sie hatte vor, ihren Ruf als seriöse Journalistin wiederzuerlangen, indem sie aufdeckte, dass er den Leuten nur etwas vormachte. Ihn fertigzumachen würde ihr zusätzlich Genugtuung verschaffen. Sie betrachtete das Bild. Wie war es möglich, dass er in den letzten fünf Jahren noch attraktiver geworden war? Er hatte immer noch das leicht schiefe Lächeln, seine Grübchen, sein leicht welliges Haar und den Dreitagebart, den sie noch immer auf der Haut spüren konnte, wenn sie die Augen schloss.

„Schau dir nur diese perfekte Haut an, diesen Schlafzimmerblick, diesen …“

„Hast du Angst, dass ich über ihn herfalle? Ich glaube, da halte ich mich lieber an dich“, scherzte sie.

„Na komm. Wenn ein Mann so aussieht, müsstest du aus Holz sein, um in seiner Gegenwart nicht ganz wuschig zu werden.“

„Wenn ich seine Visage sehe, denke ich nur daran, wie er meine Karriere ruiniert hat. Er wusste, wie hart ich für die Story gearbeitet habe – ich habe mein Leben dafür riskiert, und dann hat er die Geschichte einer andern Reporterin gegeben.“ Sie schnaubte. „Jessica Danan ist jetzt Nachrichtensprecherin der Hauptnachrichten bei CMG. Nachdem Jack ihr meine Story gegeben hat, ging es mit ihrer Karriere steil bergauf.“

Rogerio ging zu ihr und nahm sie in die Arme. „Ach, Süße, hör auf, darüber nachzudenken, was hätte sein können. Du wirst es wieder nach oben schaffen.“

Sie nickte. Jack hatte ihre Karriere zerstört, und sie würde ihn benutzen, um neu durchzustarten. „Ja. Also los! Alle Hotels in Royal sind ausgebucht. Ich suche uns eine Unterkunft, du kümmerst dich um die Flugtickets. Ich muss nach Hause zu Priya.“

„Wie willst du sie von Jack fernhalten?“

„Ich nehme sie nicht mit. Kylie wird auf sie aufpassen.“ Willa teilte sich ein Haus mit ihrer Schwester Kylie. Obwohl Priya ihre Tante liebte, würde sie alles andere als begeistert darüber sein, dass Willa sie für mehrere Tage bei ihr ließ. Und Willa fand es schrecklich, nicht bei Priya zu sein. Das kleine Mädchen war ihr Ein und Alles, und sie wusste nicht, wie sie es aushalten sollte, die nächsten paar Tage von ihr getrennt zu sein. Sie hatte überlegt, Priya doch mitzunehmen. Es gab eine Babysitterin, die immer bereit war, mit ihnen zu verreisen, aber Willa wollte Priya um keinen Preis in die Nähe von Jack lassen. Er hatte ihr schon zu viel weggenommen.

*

Jack Chowdhry atmete tief ein. Das wird nervig. Er gab dem Pagen seinen Schlüssel und schaute zu den Ställen, in denen die Pressekonferenz stattfand. Die Zahl der Reporter mit Kameras und Mikros war überwältigend.

„Bereit für die Schlacht?“

Jack drehte sich um und sah in Misha Laws lächelndes Gesicht. „Wo ist deine zweite Hälfte?“ Misha datete seit Kurzem Trey Winters von den berüchtigten Winters’. „Schon drinnen. Ich hatte ein Meeting zum bevorstehenden Börsengang von k!smet.“ Jack lächelte Misha an. Sie war eine attraktive Selfmade-Frau mit einem freundlichen Lächeln. Vor Kurzem hatte sie eine App mit einer erfolgreichen Dating-Plattform gelauncht, die Royal und das ganze Land im Sturm erobert hatte. Es hatte einige Stolperer gegeben, aber Jack war froh zu hören, dass Misha bereit für die erste Aktienemission war. Sie würde das nötige Kapital bringen, um die App auf den nächsten Level zu heben.

„Du solltest dich wirklich bei k!smet registrieren. Wäre es nicht toll für den Aktienpreis, wenn der großartige Jack Chowdhry über die App seine Partnerin fände?“

Vielleicht sollte ich darüber nachdenken. Das Surprise Me!-Feature der App hatte ein paar interessante Treffer gebracht, die gut gelaufen waren. Seit Willa St Germaine hatte er keine ernste Beziehung mehr gehabt. Es war Zeit, eine Familie zu gründen. Er war vierundvierzig. Wie lange konnte er noch warten? Running Gag in seiner Familie war, dass man Jack, wenn er endlich Vater würde, für den Großvater des Kindes halten würde. „Ich weiß nicht, ob ich für die App schon bereit bin.“

Misha griff nach seinem Arm. „Komm schon, du bist einer der begehrtesten Junggesellen in Royal.“

„So toll bin ich nicht“, sagte er verlegen. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er sich auf ein solches Lob etwas eingebildet, aber er hatte gelernt, wie bedeutungslos es war.

„Sei nicht so bescheiden. Deine Vermittlung zwischen den Del Rios und den Winters’ war ein Meisterwerk.“

Jack wedelte mit der Hand. Hätte er geahnt, dass er das Gesicht der Story würde, hätte er nie zugestimmt, für den TCC den Friedensstifter zu spielen. Er hatte darüber nachgedacht, die Pressekonferenz zu schwänzen, aber dann war ihm klar geworden, dass es ihn nur noch interessanter machen würde, wenn er sich versteckte. Es campten jetzt schon Journalisten vor den Toren seiner Ranch. Er hatte ein Statement vorbereitet und hoffte, das Scheinwerferlicht auf die Del Rios und Winters’ lenken zu können. Schon bald standen eine Hochzeit und eine Geburt bevor. Das gab doch sicher eine interessantere Story ab als er?

„Du solltest die anwesenden Medienvertreter nutzen, um k!smet zu promoten“, sagte er, um das Thema zu wechseln.

Misha sah nachdenklich aus. „Ich nutze jede Chance, die ich bekomme. Darf ich offiziell daran erinnern, dass morgen Abend der Börsengang ist?“

„Ich verschaffe dir Sprechzeit.“

„Danke! Du siehst übrigens toll aus.“

Für diesen Abend trug er Cowboystiefel, Bootcut-Jeans und ein legeres Hemd über dem Hosenbund, dessen beide oberen Knöpfe offen waren. Das kann nicht jeder tragen, aber du hast den richtigen Po dafür. Er lächelte, als er an Willa dachte, und fragte sich, wie es ihr in New York erging. Er hatte nach der Liste der Sender geschaut, die heute Abend hier waren. Ihr Sender, NYEN, The New York Entertainment Network, hatte sein Büro um einen Kommentar gebeten, für diesen Abend aber keinen Presseausweis angefordert. Willas Talent wurde in diesem Klatschsender verschwendet, aber daran konnte er nichts ändern. Er hatte versucht, ihr nach dem Debakel vor fünf Jahren einen Job zu verschaffen, aber sie war aus seinem Leben verschwunden, verweigerte seine Anrufe, E-Mails, Textnachrichten oder Nachrichten auf den Sozialen Medien. Er hatte sogar schriftliche Nachrichten in ihrem Gebäude hinterlassen. Aber wie sollte er ihr einen Vorwurf machen nach dem, was er getan hatte? Das Schuldgefühl gegenüber Willa brannte auch nach fünf Jahren noch.

„Hey, macht meine Frau jetzt anderen Männern Komplimente?“ Trey Winters gesellte sich zu ihnen, beugte sich herunter und küsste Misha. Trey war viel größer als Misha, überragte Jack aber kaum. Sie schüttelten sich die Hände.

„Jack meldet sich in der App an“, sagte Misha aufgeregt.

Jack hob die Hand. „Ich denke drüber nach.“

Trey legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich habe viel Geld investiert, weil ich daran glaube. Ich hatte anfangs echte Zweifel an der Surprise Me!-Funktion, vor allem, als sie Jericho und Maggie zusammengeführt hat, aber …“, er sah liebevoll zu Misha, „… Liebe geht unerwartete Wege.“

„Ihr geht besser mal rein. Die Presse wird unruhig. Sie wollen den Mann der Stunde sehen.“

Jack drehte sich um, als ihm Preston Del Rio von hinten auf den Rücken schlug. Er hatte kürzlich erfahren, dass er bald Vater würde, und seitdem sah Jack ihn nur noch lächeln. Er war mit Tiffany Winters verlobt.

„Sie wollen das Diamantcollier sehen.“ Jack sollte das Collier enthüllen. Sobald die Security bereitstand, würde das Schmuckstück im Klub für die Öffentlichkeit ausgestellt werden. Der TCC erwartete viel Zustrom und wollte, dass alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen waren. Heute gab es nur eine kurze Zurschaustellung.

Preston begrüßte Trey und Misha, und plaudernd betraten sie alle den Stall. Jack blieb etwas zurück, sodass Trey und Preston sich unterhalten konnten. Treys Schwester war mit Prestons Baby schwanger. Die beiden Männer gehörten bald einer Familie an, und es war schön zu sehen, dass sie sich inzwischen gut verstanden.

Als er sich dem Eingang näherte, blieb er stehen. Das kann nicht sein. Er schloss die Augen. Nicht jede zierliche blonde Frau war Willa. Er bildete sich Dinge ein, weil er gerade an sie gedacht hatte. Er öffnete die Augen, als sie sich umdrehte.

Ihm blieb das Herz stehen. Willa! Ihre Blicke trafen sich kurz, und ihre Augen versengten ihn innerlich. Dann wandte sie sich ab, und er fragte sich, ob sie ihn überhaupt gesehen hatte. Rasch ging er zu ihr. Sie war in eine hitzige Diskussion mit Jared vertieft, der die Gästeliste kontrollierte.

„Rufen Sie doch einfach beim Sender an und fragen unsere Zulassung ab“, sagte sie. Er sah sie an. Sie trug ein türkisfarbenes Kleid zu hohen Stiefeln. Sein Herz klopfte wie wild, als er ihre glänzenden blauen Augen und ihre schmale Gestalt sah.

„Wo liegt das Problem, Jared?“ Er machte einen Schritt vor und sah Willa an. Er konnte nicht glauben, dass sie wirklich hier war. Sie warf ihm einen eisigen Blick zu. So hatte sie ihn beim letzten Mal angesehen. Bevor sie aus seinem Leben verschwunden war.

„Sir, sie stehen nicht auf der Gästeliste. Ich kann ihnen keinen Ausweis geben.“

Willa starrte ihn immer noch an.

„Wie viele Personen?“, fragte Jared.

„Nur wir beide. Willa St Germaine und Rogerio Silva von NYEN.“ Ein Mann trat vor und streckte ihm die Hand entgegen. Jack schüttelte sie.

„Das passt schon. Ich verbürge mich für sie“, sagte Jack.

Rogerio stieß Willa an, die endlich ihre Stimme wiederfand. „Danke.“

„Es ist schön, dich wiederzusehen“, sagte Jack gepresst.

„Mr. Chowdhry, es freut mich, Sie kennenzulernen. Dürfen wir Sie interviewen?“, schaltete sich Rogerio dazwischen.

Jack zwang sich, Rogerio anzusehen. Er hatte nicht vor, Einzelinterviews zu geben. Der einzige Grund, heute Abend hier zu sein, war, die Aufmerksamkeit von sich wegzulenken.

„Jack, wir sind so weit“, rief ihm einer von der TCC-Crew zu.

Er wandte sich an Willa. „Ich gebe ein Presse-Statement ab. Danach würde ich gern mit dir sprechen. Es ist lang her.“

Willa verengte die Augen. „Mr. Chowdhry, sind Sie bereit, uns ein Interview zu geben?“ Ihre Stimme war genauso eisig wie ihr Blick.

„Können sich zwei alte Freunde nicht einfach unterhalten?“

„Wir sind keine Freunde. Wenn Sie mit mir sprechen wollen, dann in einem Interview.“

Sie hatte sich nicht verändert – ganz die kurz angebundene Journalistin, die er damals kennengelernt hatte. Er lächelte. „Ein Angebot: Für jede Ihrer Fragen, die ich beantworte, darf ich Ihnen eine Frage stellen.“

Sie verengte die Augen. „Deal.“

Endlich würde er ein paar Antworten erhalten.

2. KAPITEL

„Was stimmt mit dir nicht?“, flüsterte Rogerio, sobald Jack weg war.

Willa konnte ihn nicht ansehen. Sie war erstarrt, als sie sich umgedreht hatte und Jack sie ansah. Es war, als wäre keine Zeit vergangen, und der Schmerz des Verrats, ihr Liebeskummer, die Wut drohten sie zu überfluten.

Im Lauf der Jahre hatte sie darüber nachgedacht, ihm zu verzeihen; trotz seiner Tat wollte sie nicht, dass Priya ohne ihn aufwuchs. Aber Jack wiederzusehen hatte sie daran erinnert, wie tief die Wunden waren, und ihr Zorn loderte immer noch. Wie sollte sie so tun, als wäre sie nur eine Reporterin und Jack nur eine Story? Wenigstens hatte sie Rogerio.

„Willa, wirst du das Interview mit ihm schaffen?“

Nein.

„Klar. Ich bin Profi.“ Sie nahm ein Getränk vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners. Erst, als sie das halbe Glas geleert hatte, bemerkte sie, dass es ein Cocktail war. Rogerio gab ihr Wasser.

Die Medienleute hatten sich auf der Wiese versammelt, wo man eine Bühne errichtet hatte. Jack gab gerade sein Statement ab. Sie konnte sich nur darauf konzentrieren, ihren revoltierenden Bauch unter Kontrolle zu bringen. Rogerio filmte Jacks Rede und machte Fotos des Colliers. Wenigstens er war in der Lage, ihre Deckung aufrechtzuerhalten.

„Ich bin gleich zurück“, flüsterte sie.

„Wohin gehst du? Die Presse stellt jetzt ihre Fragen.“

Sie ignorierte Rogerio und schlängelte sich durch die Menge davon. Sie fragte einen der Mitarbeiter nach der Toilette und suchte sie auf. Zum Glück war es eine Einzelkabine, die auf einem Anhänger stand. Es war das schönste Mobilklo, in dem sie je gewesen war. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Ich lasse nicht noch einmal zu, dass er mir das antut.

In einer einzigen Nacht hatte sie zuerst noch gedacht, die Story ihres Lebens zu schreiben, um dann ihren Job zu kündigen. In der folgenden Woche hatte sie erfahren, dass sie schwanger mit Priya war. Sie war auf dem Weg, es Jack zu erzählen, als Jessica Danan im Fernsehen war. Willa hatte über ein Jahr daran gearbeitet, Beweise dafür zu finden, dass der Bürgermeister von New York City tief in die Mafia verstrickt war. Sie hatte ihr Leben riskiert, um in den düstersten Teilen der City mit Informanten zu sprechen, und als sie dann endlich so weit war, die Story zu veröffentlichen, hatte Jack sie zurückgepfiffen. Er hatte gesagt, es sei zu gefährlich und der Sender würde die Story nicht ausstrahlen.

Willa hatte empört gekündigt. Dann hatte er die Story einfach Jessica übergeben. Sie war so naiv gewesen – all die Gerüchte, dass Jack und Jessica miteinander schliefen, hatte sie als bloßes Gerede abgetan. Ihre Story zu verlieren, hätte sie vielleicht noch verkraftet, aber Jacks Betrug hatte sie aus der Bahn geworfen. Der Stress und ihr gebrochenes Herz hatten die Schwangerschaft in Gefahr gebracht, und sie hatte bis zu Priyas Geburt das Bett hüten müssen. Die Ärzte hatten Wochenbettdepression dazu gesagt, aber es war ein gebrochenes Herz. Erst die süße Priya und die Hilfe ihrer Schwester hatten sie von jenem dunklen Ort zurückgeholt. Vor zwei Jahren hatte sie wieder angefangen zu arbeiten, und das war jetzt ihre erste Chance auf eine echte Story. Die wollte sie nicht versauen.

Rogerio stand weit hinten, als sie ihn etwas später fand. „Was hab ich verpasst?“

„Siehst besser aus. Hast du dir Mut zugesprochen?“

Sie nickte. „Ich bin bereit.“

„Gut, er ist nämlich gerade fertig. Er hat das Mikro an eine Frau übergeben, die eine Party für ihre Dating App ankündigt.“

„K!smet. Mach die Kamera an.“

Er zog die Braue hoch, gehorchte aber. Willa erinnerte sich, von der App gelesen zu haben. Sie hatte einige Aufmerksamkeit erregt, vor allem, als die Diamantengeschichte bekannt wurde, weil das Dating-Feature ein Pärchen aus den Familien der Winters’ und der Del Rios zusammengeführt hatte.

„Wir sollten Jack fragen, ob er uns der Managerin vorstellen kann.“

„Wir sollten zu der Börsenparty gehen. Sie ist morgen Abend.“

Sobald Jack von der Bühne stieg, war er von Journalisten umringt. Willa gestikulierte in Rogerios Richtung, und sie bahnten sich einen Weg durch die Menge. Als Jack sie sah, kam er zu ihnen. „Tut mir leid, aber ich gebe heute Abend nur ein Interview, und zwar Willa St Germaine.“

Einen Moment genoss Willa die neidischen Blicke. Sie fühlte sich selbstbewusst, aber als Jack zu ihnen trat, lief ihr ein Schaudern den Rücken hinunter. Plötzlich war sie sich der Wärme seines Körpers bewusst. Sie fühlte sich von seinem intensiven Blick gefangen. Willa keuchte, als er sich näher beugte, sodass sein Körper nur Zentimeter entfernt war. „Lass uns hier weggehen.“

Fürs Interview, meint er. Er ging voraus zum Hauptklubhaus, sie und Rogerio folgten ihm.

Kurz darauf waren sie in einem Nebenraum, der wie ein Salon der alten Welt gestaltet war: mit Holzpaneelen, einem massiven Holztisch und üppigen Ledersesseln. Große Fenster boten einen umwerfenden Blick auf die weitläufige grüne Szenerie und die untergehende Sonne.

Jack setzte sich ans Kopfende eines großen Tisches. Es wäre kindisch, den Stuhl am gegenüberliegenden Ende zu nehmen, also setzte sie sich neben ihn, auch wenn sie lieber den Tisch zwischen ihnen beiden gehabt hätte.

Jack lächelte. Diese verfluchten Grübchen.

Rogerio räusperte sich. „Ich wäre so weit.“

Willa streckte den Rücken durch. „Vielen Dank, dass Sie uns dieses Interview gewähren.“

„Schön, dich zu sehen. Wie ist es dir ergangen?“

„Sehr gut, danke.“ Sie lächelte etwas zu breit. Wie kannst du es wagen, mich danach zu fragen?

„Tolle Rede. Ich möchte Sie gern fragen …“

„Du hast den größten Teil verpasst.“

Er hatte bemerkt, dass sie weg war?

„Rogerio hat sie gehört“, sagte sie. „Weshalb haben die Winters’ und die Del Rios Sie ausgewählt, um zu verhandeln?“

„Ich bin im Vorstand des TCC. Als Pfeiler der Gemeinde dachte der Klub, dass wir bei der Lösung des Problems behilflich sein könnten. Ich wurde wegen meiner Erfahrungen mit Verhandlungen in der Geschäftswelt gefragt.“

Diese gewandte Antwort würde er jedem geben, das war ihr bewusst, aber sie musste mit Kleinigkeiten beginnen, damit er unvorsichtiger wurde.

„Jetzt darf ich eine Frage stellen.“

Moment; bitte? Gedanklich schlug sie sich vor den Kopf. Das war der Preis, den er für das Interview gefordert hatte.

„Nach CMG bist du über zwei Jahre verschwunden gewesen. Wo warst du?“

„Ich habe mir eine Auszeit genommen.“

Er sah sie unverwandt an, und innerlich zerbröselte sie, aber sie hielt seinem Blick stand. Er war nicht der Einzige, der leere Antworten geben konnte.

„Was meinst du mit …“

„Immer nur eine Frage.“

Seine Lippen zuckten, und kurz war sie von seinen Grübchen abgelenkt. Er wusste, dass sie seinem Lächeln nie hatte widerstehen können.

„Was haben Sie für die Verhandlungen bekommen?“

„Ich verstehe die Frage nicht.“

„Was haben Sie davon, der Vermittler gewesen zu sein?“

Er runzelte die Stirn. „Wenn du finanzielle Entschädigung meinst, es gab keine. Ich habe es gemacht, weil Royal meine Heimat ist und ich helfen wollte. Außerdem ist Jericho mein Freund, und er weiß, dass ich als Vorstandsmitglied des TCC neutral bin.“

„Also haben Sie das aus reiner Herzensgüte getan?“ Sie konnte das Misstrauen in ihrer Stimme nicht verhehlen.

Er beugte sich vor. „Fünf Jahre sind eine lange Zeit, Willa. Ich mache die Dinge nicht mehr so wie früher.“

„So sehr ändern die Menschen sich nicht“, sagte sie bissig. Rogerio sog scharf die Luft ein. Ihn hätte sie beinahe vergessen.

Jack lachte. „Du hast dich jedenfalls nicht geändert.“

„Du weißt gar nichts über mich“, spie sie.

Rogerio berührte sie an der Schulter, doch sie schüttelte ihn ab. Jacks Lächeln wurde schmaler, erlosch aber nicht. Immer noch der arrogante Arsch von früher.

„Ich bin mit Fragen dran …“

Sie wappnete sich für die unausweichliche Frage, ob sie immer noch wütend auf ihn sei.

„Wo wohnst du in Royal?“

Die Frage überrumpelte sie. „Welche Rolle spielt das?“

„Das ist keine Antwort.“

Rogerio sagte: „Die Hotels waren ausgebucht, deshalb haben wir eine Wohnung in der Paso Street ein paar Meilen von hier.“ Willa warf ihm einen Blick zu.

Jack schüttelte den Kopf. „Die Häuser in der Paso Street sind ziemlich heruntergekommen. Die Unterbringung kann nicht besonders gut sein.“

„Die ist okay …“, fing Willa an.

„Sie ist grässlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in meiner Badewanne eine Maus gesehen habe.“

Willa drehte sich um. „Rogerio!“

Er warf ihr einen Unschuldsblick zu.

„Warum kommt ihr nicht zu mir auf die Ranch? Wir können das Interview morgen dort beenden.“

„Nein!“

„Sehr gern“, sagte Rogerio über Willas Kopf hinweg.

Jack stand auf und zog eine Karte aus seiner Jeans und bat Rogerio mit Gesten um einen Stift, den dieser ihm gab.

„Meine Handynummer. Bittet den Taxifahrer, euch zur Chowdhry Ranch zu bringen.“

„Danke für deine Gastfreundschaft, aber ich würde das Interview lieber gleich beenden.“ Klang sie so verzweifelt, wie sie sich fühlte?

Er hielt ihr die Karte hin, aber sie regte sich nicht. Rogerio nahm sie.

„Lass uns morgen reden, wenn wir mehr Zeit haben. Übrigens würde ich dir gern das Haus zeigen.“

„Danke, wir kommen in ungefähr einer Stunde raus“, sagte Rogerio.

Jack lächelte ihr zu, dann ging er.

Als er draußen war, drehte sie sich um. „Was denkst du dir eigentlich?“

Rogerio streckte kapitulierend die Hände aus. „Liebes, dieses Interview hat doch nirgendwohin geführt. Er hat uns ein Geschenk gemacht. Denk doch mal darüber nach. Wenn wir in seinem Haus sind, können wir mit den Angestellten sprechen, oder wer auch immer dort wohnt. Gibt es einen besseren Weg, um an Tratsch über ihn zu kommen?“

Leider hatte Rogerio recht. „Mist.“

Er legte ihr die Hände auf die Schultern. „Es tut mir leid. Ich sehe, dass dir das zusetzt.“

„Nein, ich …“

Er zog die Brauen hoch, und sie stieß die Luft aus. Rogerio war nicht nur ihr Kameramann, sondern auch ihr Freund und Nachbar. Er hatte ihr geholfen, den Job bei NYEN zu bekommen.

„Diese Story ist eine schlechte Idee.“

Er nickte weise. „Ich will nicht ‚Ich habe es ja gesagt‘ sagen, aber da wir schon mal hier sind, lass uns das Beste daraus machen. Ich helfe dir.“

Sie nickte in dem entmutigenden Gefühl, dass es für sie nicht gut ausgehen würde.

3. KAPITEL

Auf Jacks Uhr bewegte sich der Sekundenzeiger in Zeitlupe. Sein Puls raste, denn das Gewicht fünf langer Jahre voller Schuldgefühle lag auf ihm. Endlich bekam er die Chance, ihr alles zu erklären. Vielleicht hätte er im TCC mit ihr sprechen sollen, aber das war kein Gespräch, das man so schnell abhandeln konnte. Den Fehler hatte er vor fünf Jahren schon gemacht, und seither wartete er auf seine zweite Chance.

Seine Erinnerung wanderte zu jenem Abend bei CMG, als er den Anruf gemacht hatte, mit dem Willa von der Story zurückgezogen wurde. Ihr Weggang war ein einschneidender Moment seines Lebens gewesen. Endlich entschied er, nicht die Art Mann zu sein, die nur an die Firma und das Geschäft dachte. In den zwei darauffolgenden Jahren hatte er die Führung seines Firmenimperiums sowie seine Vorstandssitze aufgegeben und herausgefunden, wo er sich niederlassen wollte. Auf Royal war er durch Zufall gestoßen. Sein Freund Dev lebte zeitweise in Royal und hatte ihn auf seine Ranch eingeladen. Als Jack die Stadt sah, verliebte er sich sofort in sie. Die Umgebung, der Gemeinschafts- und Familiensinn, all das hatte ihn angezogen. Dev und seine Frau Caitlyn hatten ihm das Grundstück gezeigt, das jetzt sein Eigentum war. Innerhalb eines Jahres hatte er sein Heim erbaut.

Sein Telefon klingelte. „Sir, die Gäste haben gerade das äußere Tor passiert.“

Er öffnete die Haustür, als gerade ein Mietwagen auf die überdachte Backsteineinfahrt fuhr. Willa saß am Steuer. Rogerio sprang aus dem Wagen. „Das ist wirklich mal etwas Besonderes.“

Jack lächelte. Er hatte selbst mit dem Architekten an jedem einzelnen Detail gearbeitet.

„Wo sollen wir parken?“

„Du kannst das Auto hier stehen lassen. Mein Nachtverwalter wird es in einer der Garagen parken.“

„Immer noch auf großem Fuße“, sagte Willa mehr als nur leicht abfällig, als sie ausstieg.

„Ich arbeite hart und genieße das gute Leben“, sagte er leichthin. Sie hat jedes Recht, sauer auf mich zu sein, rief er sich in Erinnerung. „Ich führe euch herum.“

„Wir hatten einen langen Tag. Wäre es okay für dich, wenn wir uns für die Nacht richten?“

Jacks Assistentin hatte herausgefunden, dass Willa und Rogerio für drei Nächte reserviert hatten. Mehr als genug Zeit für eine Aussprache.

Er führte sie hinein. Auf dem weitläufigen Besitz waren sechs Gästehäuser verteilt. In einem dieser Cottages hätten sich Rogerio und Willa wohler gefühlt, aber er wollte Willa in seiner Nähe haben.

„Wow, das ist großartig.“ Rogerio vertrieb das Schweigen mit Fragen zum Haus und der Dekoration. Jack antwortete ihm gern; er war stolz auf das, was er erbaut hatte. Willa schwieg, als Jack ihre Reisetasche griff und sie über die große Treppe zum zweiten Stockwerk führte, wo die Schlafzimmer lagen.

Rogerio brachte er in den Ostflügel. Dieser ließ den Mund offen stehen, als er in das Zimmer trat. „Das ist größer als meine ganze Wohnung.“

„Alle Zimmer sind in anderem Stil ausgestattet.“

„Das ist ja wie im Himmel. Ich glaube, hier gehe ich nicht mehr weg.“

Jack lächelte. „Dann lassen wir dich jetzt mal allein.“ Er war froh, die Tür hinter Rogerio schließen zu können. Willa gab er das Schlafzimmer, das seinem am nächsten lag. Als ob sie seine Absicht vorausahnte, blieb sie mitten im Flur auf dem Weg zum Westflügel stehen. „Es gibt viele Zimmer hier. Ich möchte in der Nähe von Rogerio schlafen.“

„Hat er nachts Albträume?“

Willa rollte mit den Augen.

„Du wirst das Zimmer mögen, das ich für dich ausgesucht habe“, sagte er ruhig und ging den Flur hinunter.

Sie zögerte, dann folgte sie ihm. Er öffnete die Tür zu seinem liebsten Gästezimmer. Es war groß und luftig, mit Fenstern vom Boden bis zur Decke, die sich zu einem Balkon öffneten, der auf die üppigen Gärten hinausging.

Willa trat ein, und obwohl ihre Haltung steif blieb, erschien ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen. Das Bett stand im Zentrum des Raums, ein plüschiges Himmelbett mit Bahnen aus feiner Spitze. Er malte sich aus, wie Willa auf das Bett sprang, ihr Körper in den weichen Kissen einsank und ihr goldbraunes Haar sich auf den cremefarbenen Laken ausbreitete.

„Das erinnert mich an das Zimmer in Paris, in dem …“ Sie unterbrach sich.

„… wir uns zum ersten Mal geliebt haben“, beendete er.

„Ich wollte ‚Sex hatten‘ sagen.“

Sie ging zum Garderobentisch und stellte ihre Tasche ab. „Ein sehr schönes Zimmer. Jetzt würde ich mich gern für die Nacht fertig machen.“

„Wir müssen über die George-Wright-Sache sprechen.“ Er hatte noch warten wollen, aber als sie ihn mit kaltem, unbeugsamem Blick ansah, fühlte er sich unbehaglich. Ihre Miene war gefasst, aber er spürte die brodelnde Anspannung, die von ihr ausging und jeden Moment ausbrechen konnte.

Willa lächelte schmal und trat einen Schritt näher. „Na gut“, sagte sie mit beherrschter Stimme. „Willst du nicht damit anfangen, warum du mir die Arbeit eines ganzen Jahres weggenommen und sie der Frau gegeben hast, mit der du ins Bett gegangen bist?“

Was!

„Wovon sprichst du?“

„Jessica Danan.“ Ihre Stimme zitterte vor Wut.

Er sah ihr in die Augen, und die Eiseskälte darin verriet ihm alles. Mist, das glaubt sie? „Hast du deswegen meine Anrufe nicht angenommen? Du dachtest, ich hätte die Story Jessica übertragen, weil ich mit ihr geschlafen hätte?“

Sie stützte die Hände in die Hüfte. „Zu mir sagtest du, du lässt die Story sterben, weil sie zu gefährlich sei.“ Willa ging auf ihn zu und tippte ihm mit dem Finger auf die Brust. „Der Sender könne die Story nicht ausstrahlen, weil sie zu explosiv sei. Die Rechtsabteilung halte sie für zu riskant. Die Sicherheitsabteilung sorge sich, dass die Mafia sich an mir rächen könne. Und dann habt ihr die Story trotzdem gebracht.“

Er umfasste ihren Finger. Sie sah ihn an, zog den Finger aber nicht weg. „Wenn du nur einen einzigen meiner Anrufe angenommen hättest, wüsstest du, was nach unserem Gespräch im Newsroom noch los war. CNTZ hatte Wind von der Story bekommen. Einer deiner Informanten hatte die Info zweimal verkauft. Sie wollten es groß herausbringen.“

„Und dann hast du die Story Jessica Danan gegeben, anstatt mich anzurufen, damit ich sie bringen kann?“

„Ja – weil ich Angst um dein Leben hatte!“ Er umfasste ihre Hand und zog sie näher zu sich heran. Ihre Augen funkelten, aber sie wich nicht zurück. „Hast du eine Vorstellung davon, wie gefährlich die Story war? Die Mafia hat keine Skrupel. Du hättest als Fischfutter im East River enden können. Die Sicherheitsabteilung sagte, dass es nicht möglich sei, dich zu schützen. Jessica sollte nicht als die Urheberin der Story auftreten. Wir wollten von einer „ungenannten Journalistin“ sprechen, aber sie hat es sich anders überlegt, während sie auf Sendung war. Weißt du eigentlich, was Jessica nach der Ausstrahlung passiert ist? Sie ist gleich vor unserem Gebäude angegriffen worden. Ihr Bodyguard konnte sie gerade so retten. Sie war drei Tage im Krankenhaus. Dann haben wir sie in ein abgelegenes Dorf in Nova Scotia geflogen, um sie zu verstecken. Erst, als George Wright seine Arbeit als Bürgermeister niedergelegt und die Polizei die wichtigsten Täter eingebuchtet hatte, konnte sie zurückkommen. Da warst du längst verschwunden.“

Willas Ausdruck wurde sanfter. „Du hättest eine Richtigstellung veröffentlichen und bekannt machen können, dass es meine Story war.“

„Das habe ich angesprochen, aber wenn wir einen Teil der Story relativiert hätten, hätte das den Fall für das FBI komplizierter gemacht, das bereits die Fakten zusammentrug.“

„Hältst du mich für so dumm?“ Sie entzog ihm ihre Hand. „Wann hätte sich der Sender je um die Interessen der Polizei geschert? Du wolltest keine Richtigstellung veröffentlichen, weil es ein schlechtes Licht auf den Sender geworfen hätte.“ Sie trat zurück und maß ihn mit einem Blick, der ihm Schauder das Rückgrat hinunterjagte. „Dem Sender war ich egal, und dir genauso. Du hättest es korrigieren können, hast dich aber dagegen entschieden.“

Ihm wurde die Kehle eng. Wie sollte er ihr erklären, dass er sie liebte? Er hatte ihr einen Antrag machen wollen. Jack hatte sogar einen privaten Sicherheitsdienst zusätzlich zu dem des Senders bezahlt, aber alle hatten ihm gesagt, dass man ihre Sicherheit nicht garantieren konnte. „Die Bedrohung war noch nicht vorbei, und ich wollte dein Leben nicht riskieren.“

„Das war nicht deine Entscheidung. Es war mein Leben, meine Story, mein Risiko, meine Entscheidung.“

„Ich fühle mich schrecklich, weil die Dinge zwischen uns so geendet haben. Es tut mir leid. Aber du hast mir auch keine Chance gegeben, es zu erklären.“ Er wusste nicht mehr, wie oft er versucht hatte, sie zu kontaktieren. Dann war sie einfach verschwunden. Zuerst hatte er ihr einen Privatdetektiv auf die Spur setzen wollen, es dann aber gelassen. Wenn sie nicht bei ihm sein wollte, würde er sie nicht jagen. War es die richtige Entscheidung gewesen? Vielleicht hätte er sie doch aufspüren sollen. Es war ja nicht so, als hätte er sie vergessen können.

„Wow, wenn das deine Entschuldigung ist, ist sie wirklich Mist.“ Sie ging zur Tür und bedeutete ihm zu gehen.

4. KAPITEL

Willa schlief unruhig. Priya weckte Willa gewöhnlich gegen halb sieben. Royal war zeitlich zwei Stunden hinter New York, aber es war schon sieben Uhr, als sie aufstand. Sie telefonierte per Videocall kurz mit Priya, die den Anruf nach fünf Minuten an ihre Tante übergab, um ihrem Plüscheinhorn Frühstück zu machen. Kylie berichtete von ihren Plänen für den Tag. Willa sagte ihrer Schwester nicht, dass die Story, hinter der sie her war, mit Jack zu tun hatte. Die beiden Schwestern waren, was den Umgang mit Jack anging, immer unterschiedlicher Ansichten gewesen.

Letzten Abend hatte Jack ihr einigen Wind aus den Segeln genommen, aber die Wut, die seit fünf Jahren in ihr kochte, hatte sich nicht abgekühlt. Er hatte gewusst, dass sie die Risiken kannte, als sie anfing, für die Story zu recherchieren. Jack hatte gesehen, wie hart sie an der Story arbeitete und alle Fakten doppelt gegencheckte. Willa hatte einen soliden Bericht zusammengetragen, und er hatte ihn aus irgendeinem altmodischen Anfall von Machismus einfach an Jessica weitergereicht.

Und nicht nur das: Er hatte auch tausend Gelegenheiten gehabt, alles richtigzustellen. Sie gab Jessica nicht die Schuld daran, dass sie sich die Story auf die Fahnen schrieb. Sie hatte nur ihre Chance genutzt. Aber wieso hatte Jack ihr nicht die Quittung dafür gegeben?

Willa duschte in dem luxuriösen Bad ausgiebig. Sie textete Rogerio, doch der reagierte nicht. Sie föhnte ihr Haar und ließ es offen.

Als sie fertig war, schaute sie auf ihr Phone. Rogerio hatte nicht geantwortet, aber es war schon nach halb neun. Es war Samstag, aber Jack wäre sicher bei der Arbeit. Er arbeitete immer samstags. Sie wollte sich Frühstück suchen und dann den Tag planen.

Bei Tageslicht war das Haus noch schöner. Die geschwungene Treppe hatte eine schmiedeeiserne Balustrade. Große Fenster ließen das Tageslicht herein. In jedem Detail war Jack zu erkennen. Die traditionellen Teile mit modernem Touch und die schlichte Eleganz passten ganz zu ihm. Es ergab allerdings immer noch keinen Sinn für sie, dass das Haus in Royal stand.

Sie hörte Rogerio lachen und folgte dem Lärm zu einer weitläufigen, gut ausgestatteten Küche, auf die jeder Profikoch neidisch wäre. Die Frühstücksecke war wie ein Wintergarten mit einem runden Tisch für zwölf Personen gebaut.

„Guten Morgen.“

Ihr Blick blieb an Jacks Augen hängen, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Er ließ sein Haar gern an der Luft trocknen, weshalb es morgens immer leicht feucht und unwiderstehlich zerzaust aussah. Er trug ein cremefarbenes Polohemd, das seine schöne, gebräunte Haut unterstrich. Wieso war er nicht für die Arbeit gekleidet? Sie war gewohnt, ihn beim Frühstück in einem Anzug und mit Smartphone zu sehen. Aber vor ihm stand nur eine Tasse Kaffee.

Auf dem Tisch standen frisches Obst, Pfannkuchen, Müsli, Rührei und Speck bereit. Sie setzte sich neben Rogerio und belud sich den Teller.

„Du musst das Topping mit gebrannten Pekannüssen auf deinem Pfannkuchen probieren. Es schmeckt himmlisch.“

„Alles sieht herrlich aus“, sagte sie.

„Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie noch etwas anderes brauchen.“ Willa erschrak, als ein Mann mit einer Kochmütze hinter ihr erschien.

„Das ist Steve, mein Frühstückskoch.“

Willa lächelte Steve an. „Das sieht umwerfend aus.“ Sie hielt ihm die Tasse entgegen, und Steve füllte sie. Der Kaffeeduft war betörend. Sie gab etwas Sahne hinein und nahm mehrere Schlucke.

„Um welche Zeit können wir das Interview fertig machen?“ Nach dem Gespräch des Vorabends war eines klar: Am besten besorgte sie sich rasch ihre Story und verschwand wieder. Sie würde ihn interviewen und Rogerio bitten, mit seinen Angestellten zu sprechen. Mit etwas Glück konnten sie morgen schon auf dem Rückweg sein.

„Eigentlich haben Jack und ich bereits Pläne“, sagte Rogerio gelassen.

Willa starrte Rogerio an, der lächelte.

„Ich habe vorgeschlagen, dass wir ein Porträt über ihn machen, und er ist einverstanden.“ Rogerio sah sie betont an. „Er hat vorgeschlagen, dass du heute sein Schatten bist und ich Aufnahmen von den Angestellten und dem Grundstück mache. Der Verwalter seiner Ranch wird mir alles zeigen.“

Ganz schlechte Idee. Hatten sie nicht genau darüber gesprochen? Auf dem Weg zur Ranch hatte sie Rogerio das Versprechen abgenommen, sie nicht mit Jack allein zu lassen. Was dachte er sich nur?

„Ich habe heute frei, wir sollten also Zeit zum Reden haben.“

Sie starrte Jack an. Schweigend aß sie ihr Frühstück, während Rogerio den Small Talk aufrechterhielt. Sobald Jack sich entschuldigte, um einen Telefonanruf zu tätigen, wandte sie sich Rogerio zu.

„Du weißt doch, dass ich nicht mit ihm allein sein will.“

„Ja, aber hör zu, warum ich es machen musste. Die ganze Crew ist jetzt da, aber sie arbeiten samstags nur halbtags und haben sonntags frei. Es ist also unsere einzige Chance, mit ihnen zu sprechen. Na komm, es ist wie mit versteckter Kamera.“

Sie seufzte.

„Sieh es doch so: Wenn wir heute gut arbeiten, können wir morgen fahren.“ Er grinste.

„Du hast Glück, dass du schlau bist“, sagte sie. So gut das Frühstück auch war, sie schob den Teller von sich. Sie wollte den Tag nicht in Jacks Nähe verbringen. Ihn riechen, seine Stimme hören und so tun, als ginge es nur um eine Story.

„Was steht heute denn so auf dem Plan?“, fragte sie mit zu fröhlicher Stimme, als Jack wieder hereinkam.

Seine Grübchen erschienen. „Wie wäre es mit einer Tour durchs Haus, und dann fahren wir in die Stadt. Ich muss kurz irgendwo hin, und dann habe ich eine Überraschung für dich.“

Es ist doch kein Date.

„Klingt gut. Ich komme bei der Hausbesichtigung mit und drehe“, sagte Rogerio, bevor sie protestieren konnte.

„Hast du keine Arbeitsmeetings?“ Wie sollte sie eine Schmutzkampagne starten, wenn sie nicht sah, woran er arbeitete? Sie hatte online und in allen Datenbanken, die ihr eingefallen waren, recherchiert. Anscheinend war er aus allen Firmenvorständen zurückgetreten. In seinem LinkedIn-Profil stand als Beruf „Rancher“. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Medienmogul jetzt Rinder züchtete. Vielleicht würde der Rundgang auf seinem Besitz ihr ein paar Antworten liefern.

Sie begannen mit dem Haus, in dem es sieben Gästeschlafzimmer gab. Jack hob sein eigenes Zimmer bis zum Schluss auf. Es war ein weitläufiger Rückzugsort in kräftigen Brauntönen, Gold und Silber. Die Wände waren mit Textilien bespannt, und auf dem großen, kunstvoll gedrechselten Bett lag eine seidene Decke. Willa ließ den Blick nicht zu lang auf dem Kingsize-Bett weilen. Sie wollte sich Jack nicht darin vorstellen.

Rogerio hatte damit keine Probleme. Er strich mit der Hand über die feine Bettwäsche. „Das ist der luxuriöseste Stoff, den ich je gesehen habe.“

Jack lächelte. „Das habe ich aus Rajasthan importieren lassen.“

Er ging zur Balkontür und öffnete sie. Sie traten auf die weitläufige Terrasse. Die Landschaft erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Wogende Hügel in der Ferne waren von hohem Gras und Wildblumen übersät. Eine kleine Rinderherde wanderte über die Felder. In der Nähe der Baumlinie standen die Stallungen, deren Holzwände im Sonnenlicht glänzten. Pferde aller Farben und Größen grasten auf der Weide.

Die Szenerie war so atemberaubend, dass selbst Rogerio sprachlos war.

Sie besichtigten den Stall, ein beeindruckendes Gebäude, das Platz für mehr als zwölf Pferde bot. Es gab auch einen großen Fischteich, einen Pool und Hot Tub sowie ein Gewächshaus.

„Was sind das dort für Gebäude?“, fragte Rogerio.

„Cottages. Einige davon benutzen die Angestellten, in einem wohnen meine Eltern.“ Er zeigte auf das größere der Gebäude, das Willa an eine edle Jagdhütte erinnerte.

„Deine Eltern wohnen hier?“ Wenn seine Eltern ihn in New York besucht hatten, hatte Jack sie in einem Hotel untergebracht, sich kaum die Zeit für ein gemeinsames Abendessen genommen und sich beschwert, wenn sie länger als zwei Nächte geblieben waren.

„Sie werden langsam alt, also hielt ich es für das Beste, wenn sie in meiner Nähe leben. Wie geht es denn deinen Eltern?“

„Gut. Sie haben sich entschieden, in Rente zu gehen, und sind nach Arizona umgezogen.“ Ihre Eltern waren während der Schwangerschaft und nach der Geburt ein Gottesgeschenk gewesen. Ihnen gehörte das Stadthaus, in dem Kylie und sie jetzt wohnten. Willa hätte die letzten paar Jahre niemals ohne ihre Familie überstanden.

„Sind deine Eltern jetzt da?“ Willa hatte Jacks Eltern nur einmal getroffen, kurz bevor die Mafia-Geschichte begonnen hatte. Sie waren als Immigranten kurz nach ihrer Hochzeit von Delhi hergekommen, hatten zuerst im Lebensmittelladen eines Verwandten gearbeitet, dann selbst einen Laden gekauft. Als Jack Teenager war, besaßen sie bereits eine ganze Ladenkette. Jack übernahm nicht nur das Familienunternehmen, nachdem er seinen Abschluss gemacht hatte, sondern schuf daraus ein Imperium.

„Sie sind gerade in Indien. In ein paar Tagen kommen sie zurück.“

„Wie schade, dass ich sie verpasse. Grüß sie von mir.“ Er sah sie seltsam an, und sofort bereute sie ihre Worte.

„Was tun sie in Indien?“, fragte Rogerio.

„Sie sind dort, um traditionelle Gebete zu Priyas Todestag zu begehen“, antwortete Jack, und seine Stimme klang gebrochen.

Rogerios Augen wollten fast aus den Höhlen springen.

„Priya ist … war … Jacks Schwester“, erklärte Willa. „Sie ist vor zehn Jahren gestorben.“ Sie musste Rogerio zugutehalten, dass er schnell wieder die Kontrolle über seine Züge gewann.

Jack hatte sich umgedreht und ging zum Haus zurück. Rogerio zog sie beiseite. „Du hast deine Tochter nach seiner Schwester benannt“, flüsterte er wütend.

Willa zischte: „Sie hat Jack viel bedeutet, und ich fand, dass Priya etwas von ihm haben sollte.“ Der Name war ihr in den Sinn gekommen, sobald auf dem Ultraschall zu sehen gewesen war, dass sie ein Mädchen bekäme.

Sie ließen Rogerio im Haupthaus zurück. Einer der vielen Rancharbeiter fuhr einen roten Porsche Carrera vor. Jack öffnete die Beifahrertür für sie, und Willa ließ sich auf den Ledersitz sinken. Er setzte sich hinters Steuer und lenkte den Wagen geschmeidig die Auffahrt hinunter.

„Bist du immer noch wütend auf mich?“

„Weil du meine Karriere ruiniert und die größte Story meines Lebens einer anderen Reporterin gegeben hast?“

„Wie kann ich es wiedergutmachen?“

Sie warf ihm einen Blick zu, der ihr sofort leidtat. Er lächelte wieder so, dass seine Grübchen zu sehen waren, und ihnen hatte sie nie widerstehen können.

„Hast du vielleicht eine Zeitreisemaschine, mit der du zurückreisen kannst und nicht das Machoschwein herauskehrst, das alles am besten weiß?“

„Meine Zeitmaschine ist gerade kaputt.“ Als sie an einer roten Ampel hielten, wandte er sich ihr kurz zu. „Schau, ich kann dir keine Story über einen wichtigen Bürgermeister geben, der in Wirklichkeit ein getarnter Mafiaboss ist, aber immerhin kann ich dich aus dem Trott bei NYEN herausholen.“

Wie konnte er es wagen? Es war eine Sache, wenn sie es so empfand, aber er durfte doch nicht noch Salz in die Wunden streuen, die er selbst ihr beigebracht hatte.

„Ich bin bei NYEN sehr glücklich.“

„Bist du nicht. Ich habe gesehen, was du für die machst. Sie kennen offensichtlich dein Talent nicht.“ Stopp. Er hatte ihre Berichte gesehen? Der Gedanke gefiel ihr mehr, als sie zugeben wollte.

„Kennst du die k!smet-App? Sie wollen in Kürze an die Börse gehen. Ich kann dir ein Exklusivinterview mit der CEO, Misha, verschaffen.“

„Ach ja. Das hält nicht annähernd der Mafia-Story stand.“

„Komm schon, hör erst mal zu. Die App hat viel mediale Aufmerksamkeit erregt. Der Börsengang wird riesig, und du kannst in den inneren Kreis. Tatsächlich veranstaltet Misha heute Abend eine Pre-Launch-Party, um den Usern zu danken; ich kann dir eine Einladung verschaffen.“

Das Angebot war nicht schlecht. Sie hatte selbst schon daran gedacht, die Story zusätzlich zu der über Jack zu machen. Aber sie wollte ihm nicht das Gefühl geben, sie wäre langsam bereit, ihm zu verzeihen.

„Und was tust du so den ganzen Tag, außer den Vermittler zwischen den Capulets und Montagues zu spielen?“

Er lächelte. „Ich glaube, die Del Rios und Winters’ würden die Eltern von Romeo und Julia blass aussehen lassen. Aber um deine Frage zu beantworten: Ich leite die Ranch.“

„Und …“

„Nichts. Ich bin bei Events in Royal dabei, aber ich habe so viele meiner Unternehmensanteile veräußert, wie ich konnte, und meine Vorstandsposten aufgegeben.“

„Woher kommt der plötzliche Wandel vom Medienmogul zum Rancher?“ Sie versuchte, ihre Stimme neutral klingen zu lassen.

„Der war nicht plötzlich. Wir sind seit fünf Jahren nicht mehr in Kontakt – in der Zeitspanne kann sich vieles ändern. Ich wette, dein Leben ist auch nicht mehr das gleiche.“

Ungewollt zuckte sie zusammen. Wusste er von Priya? Es würde ganz zu ihm passen, ihr einen Privatdetektiv auf die Spur zu setzen. Deshalb hatte sie auf Priyas Geburtsurkunde auch den Namen eines toten Soldaten benutzt und ihr den Nachnamen der St Germaines gegeben. New York war gar keine so große Stadt, wenn es darum ging, sich vor den Mächtigen zu verstecken.

„Vermisst du nicht die Action?“

Er zuckte die Achseln. „In Royal mangelt es nicht an Action. Du bist wegen einer Story aus New York hergekommen.“

Damit hatte er recht, aber in seiner Stimme lag etwas zu viel Nonchalance und Belustigung. All ihre Sinne als Reporterin wurden geweckt. „Wieso hast du dich für eine Ranch entschieden?“ Sie versuchte, dieselbe Frage unterschiedlich zu stellen. Irgendetwas verbarg er. Der Grund für seinen Umzug nach Royal war vielleicht der Schlüssel zu ihrer Story.

„Ich bin nach Royal gekommen, um einen Freund zu besuchen, und habe mich in den Ort verliebt. Es gibt hier alles, was ich mag: Restaurants, guten Whiskey …“ Er lächelte, und Farbe stieg ihr in die Wangen. Whiskey hatten sie zusammen in kalten New Yorker Nächten getrunken, nackt und in Feierlaune. „… und ich mag das Tempo hier, der Fokus auf die Familie, oft im Freien zu sein. Es ist eine gesündere Lebensweise, und zwar körperlich wie mental.“

„Das klingt wie aus einer Werbebroschüre.“ Sie ließ ihre Skepsis bewusst in der Stimme mitklingen.

„Ich habe anfangs auch gezweifelt, aber dann habe ich eine Woche hier verbracht, und das war’s.“

Er parkte am Straßenrand. Willa und Rogerio waren am Tag davor durch diesen Ortsteil gefahren. Es war das Paradebeispiel einer Kleinstadt: Backsteinbordsteine, hübsche Läden und altmodische Straßenlampen. Jack wandte sich ihr zu. „Wie wäre es, wenn du eine Woche hierbleibst und mich begleitest. Man kann nicht erklären, welche Gefühle diese Stadt in einem weckt. Man muss es selbst erleben. Du kannst an der k!smet-Party teilnehmen und am Wochenende wieder nach Hause fahren.“

Niemals. So lang konnte sie nicht von Priya weg sein. Sie waren noch nie länger als zwei Tage getrennt gewesen. Allein der Gedanke, sie eine ganze Woche nicht zu sehen, tat ihr im Herzen weh.

„Das ist ein sehr großzügiges Angebot, aber ich fürchte, ich muss nach New York zurück und meine Story abgeben.“

„Hast du das nicht schon? Ich habe den Beitrag gesehen, den der Sender heute Morgen auf seiner Website gepostet hat.“

Erwischt. Sie wusste sicher, dass er NYEN weder schaute noch las. Wie hatte er sich damals, bei CMG, über den Sender geäußert? Der Sender ist wie ein billiges, fettverschmiertes Diner, in dem das Essen vielleicht schmeckt, dir am Ende aber nicht bekommt. Er beobachtete sie.

„Was tun wir jetzt eigentlich?“

Er lächelte. „Wir besuchen ein Rodeo.“

5. KAPITEL

Jack genoss Millas Gesichtsausdruck. Sie war noch nie bei einem Rodeo gewesen.

„Schauen wir uns das Rodeo in einer Bar an?“, fragte sie. Sie gingen die Main Street entlang.

„Wir schauen uns ein echtes an. Aber vorher muss ich noch etwas für dich besorgen.“

Er brauchte sie nicht anzusehen, um zu wissen, dass sie wohl die Augen zusammenkniff. Willa hatte gern alles unter Kontrolle. Sie waren schon fast an dem Geschäft, zu dem er wollte, als er Maggie Del Rio sah, die gerade in Natalie Valentinos Brautmoden eintrat. Er überquerte die Straße und ging zu dem Geschäft, Willa folgte ihm.

„Heiratest du?“, fragte Willa, als sie hineingingen.

„Würde es dir etwas ausmachen?“, fragte er sie.

„Jack!“, rief Maggie aus, als sie ihn sah. Sie trug Jeans, ein Karohemd, das sie in der Taille geknotet hatte, und Cowboystiefel. Sie umarmte ihn kurz, dann wandte sie sich interessiert an Willa. „Sie habe ich hier in der Gegend noch nicht gesehen.“

Willa lächelte und streckte ihr die Hand hin. „Willa St Germaine.“

„Das ist Maggie Del Rio“, sagte Jack, obwohl er bei ihrem erkennenden Blick den Eindruck hatte, dass Willa es schon wusste.

„Was führt Sie nach Royal, Willa?“

„Tatsächlich Ihre Familie. Ich bin wegen der Colliergeschichte hier.“

Maggies Lächeln verschwand. „Da gibt es wirklich nichts mehr zu berichten.“

Jack wusste, dass Maggie von der ganzen Aufmerksamkeit und der Dramatik um die beiden Familien genug hatte. „Willa ist auch eine alte Freundin. Wir haben bei CMG zusammengearbeitet. Ich versuche, sie zu überzeugen, in Royal zu bleiben und zur k!smet-Party zu gehen.“ Das erregte Maggies Aufmerksamkeit. Misha war Maggies beste Freundin und Kundin bei ihrem Büro für Grafikdesign, weshalb es ihr wichtig war, dass k!smet erfolgreich war.

„Sie sollten die App ausprobieren. So habe ich meinen Verlobten kennengelernt.“ Maggie sprach zwar in Willas Richtung, aber ihm entging nicht der betonte Blick, den sie ihm zuwarf.

„Ach, Jack, ich bin froh, dass du gerade da bist. Vielleicht kannst du Maggie ein bisschen Vernunft beibringen.“

Jack drehte sich um und sah Natalie Valentine, eine zierliche blonde Frau, die ein funkelndes, cremefarbenes Kleid hochhielt.

Maggie seufzte.

„Maggie will ein Kleid von der Stange kaufen, kannst du dir das vorstellen? Sieh dir dieses schöne Vera-Wang-Kleid an, das gerade hereingekommen ist.“

Sie gestikulierte in Jacks Richtung, der keine Ahnung hatte, was sie von ihm wollte, bis sie ihm das Kleid in die Hand drückte und ihm bedeutete, er solle es hochhalten.

Er fing Willas spöttisches Lächeln auf und hielt es ihr vor. „Ein schönes Kleid.“ Willa verdrehte die Augen, aber er hielt das Kleid noch ein paar Sekunden lang so. Er besaß immer noch den Verlobungsring für sie: einen zweikarätigen Saphir mit zwei kleinen Diamanten auf beiden Seiten. Er hatte ihr den Antrag an dem Abend machen wollen, an dem sie die Mafia-Story senden wollte. Seither hatte er oft über seine Entscheidung nachgedacht. Hätte er sie weitermachen lassen sollen? Letztendlich ging es Jessica Danan gut; die Bedrohung war verschwunden, und sie hatte eine schöne Karriere gemacht. Aber selbst in dem Wissen, wie es ausgegangen war, konnte er sich nicht vorstellen, eine andere Entscheidung zu treffen. Die Bedrohung für Willas Leben war real gewesen, und auch wenn es ihr egal war, so liebte er sie zu sehr, um ihre Sicherheit zu riskieren. Hatte sie geliebt. Daran musste er sich erinnern. Es geht um Wiedergutmachung, nicht darum, sich wieder in sie zu verlieben.

Er legte das Kleid auf einem Sofa ab. Ein Bild davon, wie Willa im Brautkleid aussah, konnte er nicht brauchen. Sie hatte ihm das Herz gebrochen. Er hatte als Chef ihres Chefs entschieden, ihr die Story wegzunehmen. So war das Business. Sie hatte gekündigt, das war ihr Recht, aber sie hatte auch beschlossen, ihre Beziehung wegzuwerfen.

„Hör zu, Jack, Jericho und ich wollten das gemeinsam machen, aber die Zeit flieht, und jetzt frage ich einfach.“ Maggie unterbrach sich, und Jack wartete gespannt.

„Wir hätten gern, dass du uns traust.“

Jack starrte sie an. Wieso sollte irgendjemand wollen, dass er Teil ihrer Hochzeitsfeier war? Seit er in Royal war, hatte er niemanden mehr ernsthaft gedatet. Er war das Sinnbild des Mannes, der die Liebe nicht fand. „Wieso das denn? Ich bin doch kein Geistlicher. Braucht man dafür nicht eine Lizenz oder so etwas?“

„Es reicht ein einfacher Antrag bei der Gemeinde. Bitte, Jack. Jericho und ich sind dir sehr dankbar, weil du unsere Familien zusammengeführt hast. Wir möchten, dass diese Harmonie auch in unserer Hochzeit gespiegelt wird. Das würde uns viel bedeuten.“

Er linste zu Willa, die ihn mit undurchdringlicher Miene beobachtete. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er immer wusste, was sie dachte, es war fast eine telepathische Kommunikation gewesen. Das war lang her.

„Bitte, Jack. Ich fülle auch den Antrag aus und bringe ihn zum Unterschreiben vorbei.“

Er...

Autor

Barbara Dunlop
<p>Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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