Baccara Collection Band 481

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NUR EINE EINZIGE GLUTHEISSE NACHT von BRENDA JACKSON
Für Nadia ist es Leidenschaft auf den ersten Blick, als sie in Jaxon Ravnells dunkle Augen sieht. Eine heiße Nacht erlaubt sie sich, mehr darf nicht sein! Denn alles spricht gegen sie und ihn als Paar. Aber es gibt ein Problem. Für Jaxon ist es mehr – Liebe auf den ersten Blick …

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  • Erscheinungstag 22.02.2025
  • Bandnummer 481
  • ISBN / Artikelnummer 9783751530668
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Jackson

PROLOG

Jaxon Ravnell warf eine Karte ab und sah sich in dem vollbesetzten Raum um. Zusammen mit ihm selbst nahmen über fünfzig Männer am allerersten Westmoreland-Pokerturnier teil. Einige von ihnen waren geborene Westmorelands oder, wie die Outlaws, Cousins der Westmorelands. Dann gab es jene, die in die Familie eingeheiratet hatten. Sie alle hatten mitgemacht, und bis auf vier Spieler waren sie alle bereits ausgeschieden. Sie waren nun entweder als Zuschauer dabei oder saßen an der Bar. Eine Reihe von Whiskeys stand in Karaffen bereit, und jeder bediente sich selbst. In einem großen Kühlschrank befand sich auch Bier.

Gerade herrschte Stille im geräumigen Pokersaal im zweiten Stock von Westmoreland House. Storm Westmoreland fluchte nicht mehr, was bedeutete, dass er entweder ein gutes Blatt hatte oder dies den drei anderen, die mit ihm am Tisch saßen, zumindest glauben machen wollte.

Dillon Westmoreland hatte das Gebäude auf seinem Grundstück in jenem Gebiet gebaut, das die Einheimischen von Denver als Westmoreland Country bezeichneten. Da die Westmorelands sehr familienorientiert waren und gerne zusammenkamen, verfügte das Gebäude im Erdgeschoss über eine riesige Küche und einen großen Bankettsaal, der Platz für bis zu fünfhundert Personen bot.

Für die Frauen gab es einen Kinosaal und für die ganz Kleinen ein riesiges Kinderzimmer, das einem Indoor-Spielplatz ähnelte. Selbstverständlich hatten die Jugendlichen auch ein eigenes Gaming-Zimmer, das mit Konsolen, an der Wand montierten Fernsehern, Flipperautomaten, Gesellschaftsspielen und einem Kühlschrank voller Energydrinks ausgestattet war.

Der zweite Stock war den Männern vorbehalten. Dort befanden sich die Bar, die Billardtische, die Männerhöhle und die Schlafräume für Pokerpartien über Nacht. Jaxon hielt das für eine schöne Sache. Zu Beginn des Turniers hatten mehrere Spiele gleichzeitig stattfinden müssen, und dieser Raum war groß genug, um alle unterzubringen. Es waren ausschließlich Männer zugelassen, und das Essen war von einem Restaurant in der Stadt geliefert worden.

Es war der zweite Turnierabend und es war kurz vor Mitternacht. Im Laufe des letzten Jahres hatte Jaxon alle Westmorelands kennengelernt, die aus Atlanta, Montana, Texas, Kalifornien und Denver. Und seine Beziehung zu seinen neu entdeckten Cousins, den Outlaws, war enger geworden.

Da sie alle eine eingeschworene Gemeinschaft waren, war Jaxon als Ehrenmitglied in die Familie Westmoreland aufgenommen worden. Als Einzelkind war er eine große Familie nicht gewohnt, aber dank ihnen erhielt er nun einen Einblick, wie eine solche Familie funktionierte. Sie alle kennenzulernen, einschließlich der eingeheirateten Ehefrauen und Ehemänner, war anfangs etwas überwältigend gewesen. Jetzt fühlte er sich in ihrer Gegenwart willkommen und entspannt.

Mehr als alles andere wusste er zu schätzen, dass sie ihn als einen der ihren akzeptierten. Das war der Hauptgrund, warum er das Turnier als einen guten Ort für die Ankündigung erachtete, die er zu machen hatte. Zwar war er sich nicht sicher, wie die Männer es aufnehmen würden, aber er wollte die Karten auf den Tisch legen und dann sehen, wie es weiterginge.

Eine weitere Stunde verging, bevor König Jamal Yasir von Teheran, der mit Delaney Westmoreland verheiratet war, allen von der neuen Schule berichtete, die in seinem Land gebaut worden war. Als er mit seinem Vortrag fertig war, beschloss Jaxon, dass nun der perfekte Zeitpunkt gekommen war. „Nur damit ihr es wisst: Ich habe vor, Nadia zu heiraten“, verkündete er so laut, dass es alle Anwesenden hören konnten.

Wie erwartet wurde es still im Raum. Mehr als fünfzig Augenpaare richteten sich auf ihn. Zuerst sagte niemand etwas, woraufhin sein Cousin Senator Jess Outlaw, der als Einziger in Jaxons Plan eingeweiht war, nachfragte: „Nadia Novak?“, um auch die letzten Zweifel bei den Anwesenden auszuräumen.

Jaxon musste sich ein Grinsen verkneifen. Das war die einzige Nadia, die er kannte, und vermutlich war es auch die einzige, die die anderen kannten. „Ja, Nadia Novak.“

„Ich wusste nicht, dass du und Nadia zusammen seid“, sagte Zane Westmoreland, nachdem er einen Schluck von seinem Brandy getrunken hatte.

„Sind wir auch nicht.“

„Und wie willst du sie dann heiraten? Wie willst du das angehen?“, fragte Derringer Westmoreland.

Jaxon verzog die Lippen zu einem bedächtigen Lächeln. „Ich werde ihr einen standesgemäßen Heiratsantrag machen.“

„Viel Glück dabei“, kommentierte sein Cousin Maverick Outlaw. „Ich glaube, wir alle haben Nadia mehr als einmal sagen hören, dass sie noch eine ganze Weile Single bleiben will. Möglicherweise für immer.“

„Hey, das hat Gemma auch behauptet“, erklärte Callum Austell mit seinem starken australischen Akzent. „Ich habe drei Jahre gebraucht, aber am Ende habe ich ihr Herz gewonnen.“

Jaxon hatte davon gehört, wie Ramsey Westmorelands bester Freund aus Australien nach Denver gekommen war, um ihm beim Aufbau seiner Schaffarm zu helfen. Eines Tages hatte er Ramseys Schwester Gemma getroffen, und aus der einjährigen Amerikareise von Callum waren drei Jahre geworden. So lange hatte der Mann gebraucht, um sie für sich zu gewinnen.

„So viel Zeit habe ich nicht“, sagte Jaxon. „Ich will Nadia noch vor Silvester heiraten.“ Er wusste, dass das ein gewaltiges Unterfangen wäre, denn es war schon August.

„Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber auf Männer, die allzu sehr von sich überzeugt sind, steht Nadia gar nicht“, sagte Canyon Westmoreland und grinste.

Jaxon bemerkte, wie einige andere zustimmend nickten. „Ich bin nicht allzu sehr von mir überzeugt. Ich bin nur selbstbewusst.“

„Und sehr diszipliniert, aber das spielt bei Nadia keine Rolle“, mischte sich Stern Westmoreland ein. „Überleg dir das noch mal gut, Jaxon. Mit dem Versuch, Nadia für dich zu gewinnen, könntest du dich überheben. Ich liebe sie über alles, aber sie ist eine Rebellin. Sie ist stur, eigensinnig und aufmüpfig.“

„Klingt, als hätte sie zu lange mit Bailey rumgehangen“, sagte Walker Rafferty grinsend in Anspielung auf seine Frau. „Allerdings habe ich Nadia noch kein einziges Mal fluchen hören.“

Jaxon hob eine Augenbraue. „Bailey flucht?“ So, wie er sie kennengelernt hatte, konnte er sich das nicht vorstellen.

Im ganzen Raum brach Gelächter aus. Ausgelassenes Gelächter. „Schlimmer als ein Seemann“, erklärte Ramsey Westmoreland und nippte an seinem Drink. Jaxon nahm an, dass Ramsey es als ihr ältester Bruder wissen musste. Er hatte gehört, wie die Eltern, Tanten und Onkel der Denver-Westmorelands vor über zwanzig Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, und Dillon, den ältesten Cousin, sowie Ramsey, den zweitältesten, mit einer fünfzehnköpfigen Familie zurückgelassen hatten. Mehrere der Geschwister und Cousins waren damals noch keine sechzehn Jahre alt gewesen. Als man Dillon hatte zwingen wollte, die Jüngsten von ihnen in Pflegefamilien unterzubringen, hatte er sich geweigert.

Walker schmunzelte. „Jetzt, wo wir selbst Kinder haben, verhält sich Bailey viel gesitteter und man hört sie nur noch selten schimpfen. Gott sei Dank.“

„Mit anderen Worten“, mischte sich Sloan Outlaw ein, „ist Nadia eine Herausforderung, die du dir vielleicht nicht antun musst. Sie hat schon mehr als einen Typen vor die Tür gesetzt. Es wäre doch traurig, wenn du der Nächste wärst.“

Eine Minute lang sagte Jaxon nichts, während er sich im Raum umsah und jedem der Anwesenden in die Augen schaute. „Mir ist sehr wohl bewusst, dass Nadia eine starke Persönlichkeit ist. Aber ich habe keine andere Wahl, als sie für mich zu gewinnen. Ich habe mich in sie verliebt.“

Einigen der Männer rutschten Flüche heraus.

„Hast du sie denn schon näher kennengelernt?“, fragte Riley Westmoreland.

„Nein, aber das spielt keine Rolle. Als wir einander vorgestellt wurden, habe ich mich sofort in sie verliebt. So läuft das eben in der Familie Ravnell.“

„Bei den Austells funktioniert es genauso, daher weiß ich, was du meinst“, erklärte Callum und grinste. „Für manche Männer mag das Verlieben ein langsamer und schwerfälliger Prozess sein, aber bei lief das automatisch. Ich habe mich in dem Moment in Gemma verliebt, als Ramsey uns miteinander bekannt gemacht hat.“

„Bei mir war es auch so“, sagte Dylan Emanuel. Er war der jüngste Zuwachs der Westmoreland-Familie, seit er vor zehn Monaten Charm Outlaw geheiratet hatte. „Ich glaube fest an Liebe auf den ersten Blick.“

„Das ist ja schön und gut, aber ich bin mir nicht sicher, ob fünf Monate genug Zeit sind, um Nadia für dich zu gewinnen. Sie kann echt stur sein“, warf Reggie Westmoreland ein, der zweite Senator in der Familie.

Jaxon lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ich glaube, es ist möglich … ohne dass einer von euch sich einmischt.“

„Solange du nicht irgendetwas Illegales vorhast oder ihr das Herz brichst.“

Es war das erste Mal, dass Dillon das Wort ergriff. Ein Rat von Dillon bedeutete sehr viel, denn Nadia war die jüngste Schwester seiner Frau Pam. Jaxon wusste, dass Nadia nicht nur Dillons Schwägerin war, sondern dass er sie darüber hinaus als die kleine Schwester betrachtete, die er nie hatte, da seine Eltern sechs Jungen zur Welt gebracht hatten.

„Ich werde weder etwas Illegales anstellen noch werde ich ihr das Herz brechen. Ich möchte nur, dass ihr alle über meine Absichten Bescheid wisst. Und wie ich schon sagte, ich möchte keinerlei Einmischung.“

„Also dürfen wir es nicht unseren Frauen erzählen,“ sagte Thorn Westmoreland. „Sollte kein Problem sein. Wir halten uns an die Regel, dass alles, was wir in diesem Raum besprechen, auch in diesem Raum bleibt.“

Die anderen stimmten zu. Dillon jedoch sagte: „Ich werde es Pam sagen. Nadia ist ihre jüngste Schwester, und ich finde, sie hat ein Recht darauf, es zu erfahren. Mach dir keine Sorgen, dass sie dazwischenfunken könnte, denn das wird sie nicht. Sie wusste von Aidan und Jill und hat sich nicht eingemischt.“ Jill war ebenfalls eine von Pams jüngeren Schwestern. „Ich vertraue darauf, dass du es mit Nadia richtig angehst.“

„Das werde ich, versprochen. Wie gesagt, ich möchte sie heiraten und werde mein Bestes tun, um sie für mich zu gewinnen.“

„Tja, sei nur darauf gefasst, dass dein Bestes für Nadia nicht gut genug sein könnte“, sagte Durango Westmoreland und schüttelte den Kopf. „Um ehrlich zu sein, ist Nadia nicht diejenige, um die ich mir Sorgen mache.“

„Ich auch nicht,“ erklärte Stone Westmoreland und lachte. „Mit anderen Worten, Jaxon, wir werden uns um deine Wunden kümmern, wenn Nadia dir den Laufpass gibt.“

Jaxon erkannte tatsächlich Mitleid in den Augen einiger Männer. Sogar in Dillons.

„Ihr macht mir keine Angst“, erwiderte er, lachte und warf eine weitere Karte ab.

„Sag nicht, wir hätten dich nicht gewarnt“, sagte Jared Westmoreland und lächelte.

In diesem Moment fragte König Jamal Yasir, der die Karten verteilte, jeden Spieler, ob er mitgehen oder den Einsatz erhöhen wollte. Keiner erhöhte, und sie zeigten nach und nach ihr Blatt.

Alle stöhnten laut auf, als Jamal schließlich Storm Westmoreland zum Gewinner des Turniers erklärte.

1. KAPITEL

Ein Monat später

„Hörst du uns überhaupt zu, Nadia?“

Nadia Novak rieb sich die Schläfen und wünschte, sie hätte nicht gehört, was ihre Schwestern Jillian und Paige gesagt hatten. Jaxon Ravnell war in Gamble und suchte nach Land, um mit seinem Unternehmen zu expandieren. Warum? Hatte er nicht aus demselben Grund letztes Jahr in Forbes, Texas, genug Land erworben? Zudem war Gamble nicht gerade eine bedeutende Stadt in Wyoming, auch wenn die Einwohnerzahl in den letzten Jahren gestiegen war.

Als ihre älteste Schwester Pam vor fünfzehn Jahren Dillon Westmoreland geheiratet und die dreizehnjährige Nadia, die fünfzehnjährige Paige und die siebzehnjährige Jillian zu sich geholt hatte, um mit ihnen auf seinem riesigen Anwesen namens Westmoreland Country in Denver zu leben, war Gamble eine Stadt mit kaum fünftausend Einwohnern gewesen. Dort hatte es lediglich ein Hotel, ein paar Fast-Food-Läden und ein Kino gegeben, in dem Filme erst Monate nach ihrer Premiere gezeigt wurden.

Dank eines fortschrittlichen Bürgermeisters hatte sich die Einwohnerzahl von Gamble inzwischen vervierfacht. Es gab mehrere Hotels und Kinos und eine Vielzahl von Fast-Food-Lokalen. Weitläufige Wohnsiedlungen und ein riesiges Einkaufszentrum hatte man aus dem Boden gestampft. Angesichts der Gerüchte über ein mögliches Skigebiet, das in etwa fünf Jahren entstehen sollte, glaubte Nadia, dass Gamble eines Tages genauso beliebt werden könnte wie Jackson Hole.

Vor Jahren hatte ihr Urgroßvater Jay Novak Senior das achtzig Hektar große Gehöft gekauft, das er Novak Homestead getauft hatte. Am dankbarsten war sie ihrer Schwester Pam dafür, dass sie es nicht verkauft hatte, als sie nach Denver gezogen waren. Sie hatte es als Teil des Familienerbes bewahrt.

Nadia bereute es nicht, wieder nach Gamble gezogen zu sein. Obwohl sie zugeben musste, dass es ganz allein in diesem riesigen Haus manchmal etwas einsam war. In Westmoreland Country war es nie langweilig geworden, da so viele Familienmitglieder in unmittelbarer Nähe lebten. Da Denver nur eine Flugstunde entfernt war, half es jedoch, dass sie oft zu Besuch dorthin zurückkehrte.

Ihre Schwester Jillian, die von allen liebevoll Jill genannt wurde, war Neurochirurgin und lebte glücklich mit ihrem Ehemann, dem Kardiologen Aidan Westmoreland, in Florida. Nadia fand es großartig, dass ihre Schwestern – Pam und Jill – Westmoreland-Cousins geheiratet hatten.

Ihre Schwester Paige war in Pams Fußstapfen getreten und Schauspielerin in Hollywood geworden. Sie hatte sich einen Namen gemacht und in mehreren Filmen mitgespielt. Paige hatte keine Sekunde gezögert, Glanz und Glamour aufzugeben, um Senator Jess Outlaw zu heiraten. Jess war ein Cousin der Westmorelands, und er und Paige lebten in Washington D.C.

Nadia hatte vier Jahre lang an der Universität von Wyoming studiert, bevor sie in Harvard ihren MBA-Abschluss gemacht hatte. Vor drei Jahren war sie nach Gamble zurückgekehrt. Der Zeitpunkt war perfekt, denn die Schauspielschule ihrer Schwester Pam, die Dream Makers Acting Academy, hatte eine neue Leitung gesucht. Nadia liebte ihren Job und fand ihn ebenso erfüllend wie herausfordernd.

Im letzten Jahr war die Schülerzahl an der Akademie erheblich angestiegen, was vor allem an Pams Kontakten nach Hollywood lag. Oft hielt irgendeine befreundete Schauspielerin ein oder zwei Semester lang einen Kurs oder veranstaltete ein einzigartiges Symposium oder einen Workshop. Letztes Jahr waren Kurse für angehende Stuntmen hinzugekommen, die von Fachleuten aus Hollywood geleitet wurden. Die Akademie war inzwischen sehr gefragt, und es gab bereits eine Warteliste fürs nächste Schuljahr.

Obwohl Nadia und ihre Schwestern jetzt Tausende von Meilen voneinander entfernt lebten, nahmen sie sich mindestens einmal pro Woche Zeit für ein kurzes Gespräch. Wegen Pams hektischem Terminplan rief sie an, wann immer sie konnte. Obwohl sie wesentlich älter war als die anderen, standen sie sich alle vier sehr nahe.

„Nadia, hast du uns zugehört?“

„Nein“, antwortete sie ehrlich. Bei Jaxons Namen war sie ausgestiegen. Der Gedanke, mit ihm in derselben Stadt zu sein, beunruhigte sie. Auf keinen Fall würde sie ihren Schwestern erzählen, welchen Einfluss dieser Mann seit ihrem ersten Treffen auf sie gehabt hatte. Aus irgendeinem Grund konnte sie die starke Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, nicht abschütteln. Das Schlimmste war jedoch, dass er, wann immer sich ihre Wege kreuzten, ihre Existenz kaum zu bemerken schien.

Bis auf das eine Mal auf Charms Hochzeit im letzten Jahr. Sie hatten ein ziemlich langes Gespräch geführt. Vermutlich war er einfach zu nett gewesen, um wegzugehen, nachdem sich die Gruppe zerstreut hatte und nur sie beide übrig geblieben waren.

„Also, jetzt vergiss doch mal kurz die Akademie“, sagte Jill.

Nadia war mit den Gedanken nicht bei der Schauspielschule, obwohl sie es vielleicht hätte sein sollen, da sie in einem Dilemma steckte. Vor zwei Wochen hatte das neue Schuljahr begonnen, und gestern hatte der Sponsor für die diesjährige Weihnachtsaufführung, die Dunnings Financial Group, Konkurs angemeldet. Das bedeutete, dass sie einen neuen Sponsor finden musste, und zwar dringend. Die Schüler steckten voller Elan, mit den Vorbereitungen für das Stück zu beginnen. Es fanden bereits Castings statt.

„Okay, was habe ich verpasst?“, fragte Nadia und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Schwestern zu.

„Du hast nicht reagiert, als wir dir erklärt haben, wie du mit Jaxon umgehen sollst.“

Sie runzelte die Stirn. „Und wie genau soll ich mit ihm umgehen?“

„Wir wollen, dass du ihn gastfreundlich empfängst, Nadia“, sagte Paige.

Gastfreundlich? „Warum auch nicht? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich ihm gegenüber je anders verhalten hätte.“

„Wenn du nicht gerade versuchst, ihm aus dem Weg zu gehen. Was hat es damit eigentlich auf sich?“, fragte Jill.

Nadia rollte mit den Augen. Natürlich war es Jill aufgefallen. „Ich halte es einfach nicht für nötig, ihn so anzuhimmeln wie der Rest von euch.“

Wenn sie nur wüssten, dass sie ihn insgeheim mehr als bloß anhimmelte. Sie hatte versaute Gedanken, die ihr Höschen ganz feucht werden ließen. Ganz zu schweigen von den Träumen von ihm, deren Inhalt ihre Schwestern wahrscheinlich in Ohnmacht fallen ließen.

„Wir himmeln ihn nicht an, Nadia“, verteidigte sich Paige. „Wir rechnen ihm nur hoch an, was er getan hat. Kannst du dir vorstellen, was passiert wäre, wenn er nicht mit den Informationen über Phires Vater herausgerückt wäre?“

Phire war mit Maverick Outlaw verheiratet, dem jüngsten Bruder von Paiges Mann. Nadia hatte Phires Vater nie kennengelernt, aber sie hatte von all dem Geld gehört, das er den Outlaws fast fünfundzwanzig Jahre lang unterschlagen hatte. „Und?“ Nadia wappnete sich, denn ihr war klar, dass ihre Schwestern gleich ein Loblied auf Jaxon Ravnell singen würden.

„Außerdem“, fuhr Paige fort, „ist Jaxon der jüngst entdeckte Cousin der Outlaws, und die Familie Westmoreland hat ihn als einen der ihren aufgenommen. Du weißt doch, was das bedeutet.“

Ja, das wusste sie. Die Westmorelands und die Outlaws waren jetzt eine große glückliche Familie. Verdammt, ihre drei Schwestern waren mit Westmorelands und einem Outlaw verheiratet, was sie offiziell zu Mitgliedern des Familienclans machte. „Wie gesagt, ich bin immer höflich zu Jaxon, aber ich weigere mich, ihn anzuhimmeln.“ Hinter verschlossenen Türen hatte sie jedoch kein Problem damit zu schmachten.

„Mach bitte einfach keine Dummheiten, Nadia. Du kannst mit Männern ziemlich grob umgehen und das völlig ohne Grund“, meinte Jill.

Nadia runzelte die Stirn. „Wenn ich hart zu einem Mann bin, hat das mehrere gute Gründe. Muss ich euch an Fletcher Mallard und seine Machenschaften erinnern?“

Fletcher hatte sich mit Pam verlobt, um sie aus heimtückischen Motiven zu heiraten. Zum Glück hatte Dillon diesem Spuk ein Ende gesetzt. Gerade noch rechtzeitig hatte er die Hochzeitszeremonie von Pam und Fletcher verhindert.

„Deswegen kannst du doch nicht die gesamte männliche Bevölkerung verurteilen“, mahnte Jill.

Um ehrlich zu sein, waren es zwei. Von dem anderen hatte sie ihren Schwestern nie erzählt: Benson Cummings. Sie hatte ihn in ihrem ersten Jahr an der Uni kennengelernt. Er war im letzten Studienjahr gewesen, und sie hatte geglaubt, sie wäre verliebt, bis sie entdeckte, dass ihr Name auf einer Ersti-Flachleg-Liste stand. Eine Liste, die unter den älteren Semestern zirkulierte, und Benson war ihr zugeteilt worden. Zum Glück hatte sie von dieser Liste erfahren, bevor sie mit ihm im Bett gelandet war.

„Denk nur an all die Westmorelands und Outlaws und wie wunderbar sie sind“, ergänzte Paige zur Sicherheit.

„Okay, zugegeben, sie sind einzigartig“, sagte Nadia. „Aber wenn es um sie geht, bin ich parteiisch. Jaxon Ravnell kenne ich nicht besonders gut.“

In Wahrheit kannte sie ihn überhaupt nicht. Sie wusste nur, wie sie sich fühlte, wenn er in der Nähe war. Allein der Gedanke, mit ihm in einem Raum zu sein, erinnerte sie daran, dass sie eine Frau war. Eine Frau, deren Körper jedes Mal, wenn sie ihn sah, in Flammen aufging. Das war eine Reaktion, auf die sie lieber verzichtete, und genau aus diesem Grund wich sie ihm aus.

„Na, das ist doch die Gelegenheit, ihn kennenzulernen, wo er doch jetzt eine Weile in Gamble bleibt.“

Nadias Stirnrunzeln vertiefte sich. „Was bedeutet ‚eine Weile‘?“

„Er hat Jess erzählt, er wolle mindestens drei Monate dortbleiben“, sagte Paige. „Möglicherweise auch vier.“

„Warum lädst du ihn nicht zum Dinner ein?“, schlug Jill vor. „Du kochst doch so gern und beklagst dich immer darüber, dass du all diese Gerichte zubereiten willst, aber niemanden findest, der sie isst.“

Das musste ein Scherz sein. Auf keinen Fall würde sie Jaxon zum Abendessen einladen. Was, wenn er merkte, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte? Das war das Letzte, was sie wollte. Wie auch immer, falls sie ihn nicht einlud, würden ihre gewieften Schwestern den Grund dafür herausfinden. „Gut, ich rufe ihn in ein paar Tagen an und frage, ob er Zeit hat. Gib mir seine Nummer.“ Paige ratterte sie in Windeseile herunter.

„Und, Nadia?“

„Ja, Jill?“

„Bitte denk daran, dass Jaxon ein netter Kerl ist. Tu oder sag nichts, weswegen wir unsere Idee mit dem Essen bereuen würden.“

„Tja, wenn er so nett ist, wie ihr beide behauptet, dann habt ihr ja nichts zu befürchten. Können wir jetzt endlich das Thema wechseln?“, fragte sie.

Das Gespräch über Jaxon weckte Empfindungen in ihr, die sie nicht gebrauchen konnte. Mit Sicherheit machte sie nur irgendeine Phase durch. Das musste es sein. Mit achtundzwanzig versuchte ihr Körper, ihr einzureden, dass es an der Zeit wäre, ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Aber sie weigerte sich, das nur zur Befriedigung eines Verlangens zu tun. Für sie musste Sex eine tiefere Bedeutung haben. Doch was, wenn niemals etwas Bedeutungsvolles auftauchen würde? Sollte sie sich weiterhin die Erfahrung verweigern, mit einem Mann zu schlafen? Vor allem, wenn es auch nur annähernd so war, wie Jill und Paige behaupteten? Nadia konnte sich die Neugier nicht verkneifen, ob die Realität auch nur im Geringsten mit ihren Träumen vergleichbar war.

„Ich habe heute einen Anruf von Taylor bekommen“, unterbrach Paige Nadias Gedanken.

Taylor Steele Saxon war die Schwester von Cheyenne, die mit Quade Westmoreland verheiratet war. „Wie geht es ihr?“

„Gut. Quade schmeißt nächsten Monat eine Überraschungsparty für Cheyenne, und Taylor hilft ihm bei den Einladungen.“

„Gut. Schick mir das Datum, dann kann ich es mir im Kalender anstreichen. Und wenn ihr nichts dagegen habt, muss ich jetzt diesen Bericht fertigstellen, damit ich nach Hause kann.“

Nachdem sie das Gespräch mit ihren Schwestern beendet hatte, sah Nadia auf die Uhr und betrachtete dann den Stapel Unterlagen auf ihrem Schreibtisch. Sie stand auf und ging zum Fenster. Die Dream Makers Acting Academy war einst ein geräumiges Haus auf einem achtzig Hektar großen Grundstück gewesen, das Pams Theaterlehrerin an der Highschool, Louise Shelton, gehört hatte. Ms. Shelton, selbst eine ehemalige Schauspielerin, war maßgeblich daran beteiligt gewesen, dass Pam ein Stipendium für das College in Kalifornien erhalten hatte.

Als Ms. Shelton starb, hinterließ sie Pam das Haus samt Grundstück, jedoch unter bestimmten Bedingungen. Pam durfte es niemals verkaufen, und es musste als Schauspielschule genutzt werden. Bis zu ihrer Heirat mit Dillon hatte Pam die Akademie geleitet, dann aber ihrer Freundin Cindy die Verantwortung übertragen. Als diese schließlich mit ihrer Familie nach Cheyenne, die Hauptstadt des Bundesstaates, gezogen war, hatte Pam Nadia den Job angeboten.

Mittlerweile hatte Pam eine zweite Schule in Denver eröffnet. Wie diese war auch sie voll ausgelastet. Vor ein paar Jahren hatte Pam ein Grundstück für eine dritte Akademie in der Gegend von Washington D.C. erworben. Diese leitete derzeit Paige.

Nadia setzte sich wieder auf ihren Stuhl. Der Unterricht war schon seit einer Stunde vorbei, aber sie war noch immer hier. Einige Schüler probten unten und fieberten der diesjährigen Weihnachtsaufführung entgegen. Sie konnte nicht glauben, dass sie nicht stattfinden würde, falls sie nicht schleunigst einen neuen Sponsor fand. Dass sich die Dunnings Financial Group zurückzog, war ein äußerst ärgerlicher Rückschlag.

Ab morgen würde sie bei verschiedenen Unternehmen in der Stadt anrufen. Sie hatte so ihre Zweifel, ob das etwas nützen würde, denn die meisten von ihnen hatten bereits für die Schule gespendet und trugen auch zu anderen gemeinnützigen Zwecken in der Region bei.

Als sie sich in ihrem Stuhl zurücklehnte, grübelte sie darüber nach, woher in aller Welt sie bloß das zusätzliche Geld für das Theaterstück nehmen sollte.

Jaxon Ravnell stand am Fenster seines Hotelzimmers und blickte hinaus auf die Innenstadt von Gamble, Wyoming. Hätte man ihm vor zwei Jahren prophezeit, dass die Expansion des Technologieunternehmens seiner Familie ihn hierherführen würde, er hätte es nicht geglaubt.

Die Hauptverwaltung von Ravnell Technologies befand sich in Virginia, und bisher hatte er Baugrund für eine Niederlassung im texanischen Forbes gekauft. Jetzt zog er ausgerechnet Gamble in Betracht. Er musste zugeben, dass das hauptsächlich an einer bestimmten Frau lag. Jedenfalls bis vor ein paar Tagen, als er die Stadt zum ersten Mal betreten hatte. Es hatte nicht lange gedauert, bis er festgestellt hatte, dass Gamble Wyomings bestgehütetes Geheimnis war.

Obwohl das Wachstum der Stadt schon vor einigen Jahren begonnen hatte, gab es eine Reihe von nationalen Unternehmen, die sich des Potenzials und der Attraktivität der Stadt nicht bewusst waren. Diese mangelnde Bekanntheit kam ihm zugute. Er konnte das gesamte erforderliche Gelände zu einem fairen Marktpreis erwerben, bevor es zu einem Wirtschaftsboom kam. Außerdem freute es ihn, dass er seinen Angestellten angemessenen Wohnraum zur Verfügung stellen konnte. Für ihn bestand kein Zweifel daran, dass Gamble ein idealer Ort zum Leben, Arbeiten und zur Gründung einer Familie war.

Was ihn persönlich betraf … Es war der perfekte Ort, um eine gewisse Frau zu erobern. Nadia Novak.

Jaxon war ein Mann, der eine schöne Frau stets zu schätzen wusste, und Nadia hatte ihn schon beim ersten Anblick in ihren Bann gezogen. Das war vor etwas mehr als einem Jahr bei der Hochzeitsfeier seines Cousins Maverick Outlaw gewesen. In der Sekunde, in der sie in den Bankettsaal der Blazing Frontier Dude Ranch eingetreten war, hatte sie etwas an sich gehabt, das nach einem zweiten und dann einem dritten Blick verlangt hatte. Noch nie in seinem Leben war er von einer Frau so fasziniert gewesen. Er hatte seinen Cousin Jess nach ihr gefragt, und als der ihm erklärte, Nadia Novak habe ein ziemliches Temperament, hatte das Jaxons Interesse nur noch mehr erregt.

Im Gegensatz zu anderen Männern bevorzugte er Frauen mit einer starken Persönlichkeit, vor allem weil die meisten, mit denen er im Laufe der Jahre ausgegangen war, das genaue Gegenteil an den Tag gelegt hatten. Sie waren davon ausgegangen, dass sie zurückhaltend und unterwürfig, geradezu der Inbegriff von gesellschaftlicher Schicklichkeit, Anmut und Kultiviertheit sein mussten, um das Interesse des Ravnell-Erben zu wecken. Genau da hatten sie sich geirrt, denn diese Art Frau fand er stinklangweilig.

Jaxon wünschte sich eine, die stark, unabhängig und temperamentvoll war – wie seine Mutter. Sein Vater Arnett Ravnell meinte immer, das Erste, was ihn an Ingrid Parkinson angezogen habe, seien ihre Energie, ihre Schlagfertigkeit und ihr Elan gewesen. Das waren Eigenschaften, die Jaxons Mutter immer noch besaß und die sein Vater immer noch bewunderte.

Sein Vater hatte zudem behauptet, dass ein Ravnell-Mann die Frau, mit der er sein Leben teilen wollte, gleich beim ersten Anblick erkennen würde. Jaxon hatte immer angenommen, es würde eine aus seinem Heimatstaat Virginia werden. Er war nicht darauf vorbereitet gewesen, einer Schönheit namens Nadia Novak aus Wyoming zu erliegen.

Nadia so für sich einzunehmen, wie sie es mit ihm geschafft hatte, würde eine Herausforderung darstellen, aber wie er den Männern der Familie versichert hatte, wäre er ihr gewachsen. Wann immer er Nadia gesehen hatte, war sie freundlich und umgänglich gewesen, aber sie hatte nie viel erzählt. Zumindest ihm nicht. Und manchmal hatte er den Eindruck, sie ginge ihm aus dem Weg. Jaxon glaubte, das läge vor allem daran, dass sie ihn noch nicht kennengelernt hatte. Diese Vermutung war es, die ihn hierhergeführt hatte.

Noch nie in seinen dreiunddreißig Jahren hatte er eine Frau umworben. Wegen seines Namens und des Reichtums der Ravnells war es immer umgekehrt gewesen. Die Westmorelands und die Outlaws hatten ihn gewarnt, dass er es schwer haben würde. Einige nannten sie sogar scherzhaft die „rebellische Novak“.

Er musste geduldig sein und seine Karten nicht falsch ausspielen. Um sich kennenzulernen, mussten sie Zeit miteinander verbringen. Er war seit etwas über einer Woche in Gamble, und sie ganz bewusst nicht aufzusuchen, war Teil seines Plans. Morgen würde er in der Schauspielschule vorbeifahren und sie zum Lunch oder Abendessen einladen. Es wäre vermeintlich nichts weiter als eine freundschaftliche Geste seinerseits, da sie beide denselben Familien angehörten. Der Gedanke daran ließ ihn schmunzeln.

Er wandte sich vom Fenster ab, als sein Handy klingelte. Schnell schritt er durchs Zimmer und nahm es vom Nachttisch, ohne auf die Nummer auf dem Display zu achten. „Ja?“

„Jaxon, hier ist Nadia Novak.“

Überrascht schnappte er nach Luft. Was für ein Zufall, dass ausgerechnet die Frau anrief, an die er gerade dachte! „Nadia, wie geht es dir? Was für eine Überraschung.“

Schon beim Klang ihrer Stimme kribbelte es ihn in der Lendengegend. „Was kann ich für dich tun?“ Während er die Frage stellte, gingen ihm verschiedene Szenarien durch den Kopf, was sie alles miteinander tun könnten.

„Anfang der Woche haben meine Schwestern erwähnt, dass du in Gamble bist.“

„Ja, ich bin geschäftlich hier.“

„Das haben sie auch gesagt, und ich würde dich gerne zum Abendessen einladen.“

„Zum Abendessen?“

„Ja. Morgen. Bei mir zu Hause auf der Novak Homestead. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, schließlich sind wir familiär sehr eng verbunden.“

Auf seinen Lippen breitete sich ein Lächeln aus. Genau das war auch sein Ansatz gewesen. „Ich möchte dir keinerlei Umstände bereiten.“

„Wirst du nicht. Ich koche gerne und freue mich darauf, es zur Abwechslung mal für jemand anderen als mich selbst zu tun.“

„Na gut, wenn du dir sicher bist?“

„Ganz sicher.“

„Dann bin ich dabei. Wie lautet deine Adresse?“, fragte er und griff nach Stift und Notizblock auf dem Nachttisch.

Sie diktierte sie ihm, und er notierte alles. „Danke für die Einladung. Um wie viel Uhr soll ich denn da sein?“

„Wie wäre es mit fünf? Würde dir das passen?“

Sie ahnte nicht, dass er jede Zeit möglich machen würde, wenn es um sie ging. „Ja, fünf Uhr ist gut.“

„Gut. Dann sehen wir uns morgen. Auf Wiederhören, Jaxon.“

„Auf Wiederhören, Nadia.“

Als er auflegte, wurde Jaxons Lächeln noch breiter. Was für ein Zufall. Dieser Anruf von Nadia hatte ihm den Tag versüßt. Er konnte es kaum erwarten, sie morgen zu sehen.

2. KAPITEL

Was für ein Mann, was für ein unglaublich gut aussehender Mann …

Nadia stand am Küchenfenster und beobachtete, wie Jaxon aus dem Auto stieg. Sie genoss definitiv, was sie sah, und von ihrem Standpunkt aus sah sie eine Menge. Dieses spezielle Fenster war so konzipiert, dass man von innen einen guten Blick auf sich nähernde Besucher hatte, ohne selbst gesehen zu werden. Mit anderen Worten, man konnte die Leute unerkannt beobachten. Was für eine raffinierte Idee ihres Urgroßvaters.

Jaxon hatte einen riesigen Blumenstrauß dabei, vermutlich für sie. Wie aufmerksam! Alle Frauen der Familie, die ihn kennengelernt hatten, hielten ihn für zuvorkommend und liebenswürdig, für einen echten Südstaaten-Gentleman mit einem ausgeprägten Sinn dafür, das Richtige zu tun. Letzteres hatte er eindeutig bewiesen, als er den Outlaws die Machenschaften von Simon Bordella vor Augen geführt hatte.

Nadia legte sich eine Hand aufs Herz, das immer schneller pochte. Je näher er kam, desto mehr reizte er alle ihre weiblichen Sinne. Jedes Mal, wenn sie Jaxon Ravnell zu Gesicht bekam, stellte es etwas mit ihr an. Was hatte er an sich, dass sie sich so verletzlich fühlte? Dass sie jegliche Vorsicht in den Wind schlagen wollte und …

Und dann was? Das Risiko eingehen, einem weiteren Mann ihr Herz zu schenken? Bei einem weiteren Mann auf der Liste zu landen? Damit er ihr Herz und ihren Stolz zertrampelte? Sie verdrängte, was Benson ihr angetan hatte, und konzentrierte sich stattdessen auf Jaxon. Warum musste er bloß so gut aussehen?

Er hatte braune Haut, dunkelbraune Augen und ein markantes, bärtiges Kinn. Sie wusste außerdem, dass er unter seinem Stetson-Hut schwarze Haare hatte. Sein attraktives Gesicht besaß eindeutig sinnliche Züge, die jede Frau zum Schwärmen brächten. Außerdem war er groß und hatte stabile Schultern, einen straffen Bauch und breite, kräftige Brustmuskeln. Definitiv ein gut gebauter Körper.

Das Business-Sakko, das er über einem weißen Hemd trug, passte ihm perfekt, und vermutlich waren seine strammen Oberschenkel der Grund dafür, dass die Hose so verdammt gut an ihm wirkte. Alles zusammen – sein Aussehen, seine Kleidung und sein Gang – bildete ein sehr verlockendes Gesamtpaket. Zum x-ten Mal zweifelte sie nun an ihrem Verstand, weil sie dem Rat von Jill und Paige gefolgt war und ihn zum Dinner eingeladen hatte. Beinahe machte sie einen Satz, als es an der Tür klopfte. Sie holte tief Luft, löste sich vom Fenster und verließ die Küche. Dann blickte sie sich im Wohnzimmer um und fragte sich, was er wohl von ihrem Haus halten würde. Obwohl die Novak Homestead viele Hektar Land umfasste, war das zweistöckige Anwesen mit fünf Schlafzimmern und vier Bädern nicht sonderlich groß. Zumindest nicht im Vergleich zu Jaxons monströsen Ranchhaus in Virginia, von dem sie gehört hatte. Paige war dort ein paar Mal mit Jess zu Besuch gewesen. Dumfries in Virginia war weniger als dreißig Meilen von der amerikanischen Hauptstadt entfernt. Paige hatte ihr alles über Jaxons Pferderanch und seine wunderschönen Vollblüter erzählt.

Damit er nicht merkte, dass sie ihm seit dem Moment nachspioniert hatte, als er mit dem Wagen auf ihren Hof gefahren war, fragte sie: „Wer ist da?“

„Jaxon.“

Sie öffnete die Tür. Obwohl sie jeden einzelnen seiner Schritte beobachtet hatte, musste sie doch blinzeln. Aus der Nähe sah er noch besser aus, und als er lächelnd seine Grübchen zum Vorschein brachte, war sie hin und weg. Sie ließ den Blick von seinem Gesicht zu den beiden oberen Knöpfen seines Hemdes schweifen, die offen standen und seine dunkle, behaarte Brust enthüllten. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie kam nicht umhin, seine pure Männlichkeit zu bewundern, auch wenn sie sich über diese Erkenntnis ärgerte.

„Hallo, Nadia.“

Sein Gruß leitete ihren Fokus zurück auf sein Gesicht. „Jaxon. Willkommen bei mir zu Hause“, antwortete sie, riss sich zusammen und ließ ihn eintreten. Er roch gut. Auch das fiel ihr in seiner Nähe jedes Mal auf.

„Die sind für dich“, sagte er und reichte ihr die Blumen, dann nahm er den Stetson ab und legte ihn auf die Hutablage neben der Tür.

„Ich danke dir, aber das wäre doch nicht nötig gewesen. Die sind wunderschön.“ Sie senkte den Kopf, um den Duft der Blumen einzufangen. Es war eine schöne Mischung aus rosa Gänseblümchen, weißen Päonien, Orchideen, Glockenblumen und Rosen. Was sie jedoch wirklich überwältigte, war das Gefühl seiner Hand, als er ihr den Strauß überreichte. Sie spürte die Berührung bis in die Zehenspitzen.

Sie blickte wieder zu ihm auf und lächelte. „Ich liebe Blumen, und ein paar davon sind meine Lieblingsblumen.“

„Freut mich.“

„Entschuldige mich kurz, während ich sie ins Wasser stelle. Fühl dich wie zu Hause. Der Tisch ist gedeckt und das Essen ist fertig.“

„Es riecht gut.“

„Danke.“ Sie hatte seine Outlaw-Cousins nach seinen Lieblingsgerichten gefragt. Wenig überraschend stammten die meisten davon aus den Südstaaten. Als sie während der Highschool einmal den ganzen Sommer bei den Westmorelands in Atlanta verbracht hatte, hatte sie im Restaurant von Chase Westmoreland gearbeitet und gelernt, wie man viele dieser Speisen zubereitete.

Es dauerte nicht lange, bis sie eine Vase gefunden hatte, während sie dem Gefühl seiner Berührung noch immer nachhing. Allein bei der Erinnerung daran wurde ihr schwindelig. Warum gerade jetzt? Sie war schon öfter in seiner Nähe gewesen, wenn auch nur für kurze Zeit. Die einzig längere Unterhaltung war auf Charms Hochzeit gewesen. Damals hatte sie sich etwas benebelt gefühlt und musste sich beherrschen, nicht zu sabbern.

Jetzt, wo sie ganz allein in ihrem Haus waren, brauchte sie all ihre Selbstdisziplin, um seiner Anziehungskraft zu widerstehen. Sie konnte es sich nicht leisten, dass ihr Körper nach einer Ausrede suchte, um sich ihm zu nähern, um ihn noch mehr als ohnehin schon zu begehren. Das war der Fehler bei Benson gewesen. Vom ersten Augenblick an war sie ihm verfallen.

Nachdem sie die Blumen ins Wasser gestellt hatte, ging sie zurück ins Wohnzimmer.

Als er Nadia zurückkommen hörte, wandte Jaxon den Blick von dem riesigen Porträt ab. Er betrachtete ihren formschönen Hintern, während sie den Raum durchquerte und die Blumenvase auf einen Tisch vor dem Fenster stellte. Dann wandte sie sich ihm mit breitem Lächeln zu.

„Hier sehen sie perfekt aus, findest du nicht?“, fragte sie.

Ehrlich gesagt fand er, dass sie in ihrem blauen Maxikleid verdammt perfekt aussah. Es war mit einem Kordelgürtel versehen, der ihre schmale Taille betonte, und sie hatte es mit einer knappen Wildlederweste und schwarzen Lederstiefeln kombiniert.

Er hatte sie bereits häufiger in kurzen Kleidern gesehen und wusste, dass sie wunderschöne Beine hatte. Das Outfit gefiel ihm besonders, weil es ihre eleganten Kurven betonte. „Ja, da sehen sie hübsch aus“, antwortete er. Dann wandte er sich wieder der großen Fotografie zu, die er zuvor betrachtet hatte. Auf keinen Fall durfte Nadia sehen, wie sehr es ihn erregte, sie anzusehen.

„Ein schönes Familienbild“, meinte er und versuchte, sich auf das auf das große, gerahmte Porträt zu konzentrieren, das über dem Kamin hing. Es war das Bild eines älteren Paares, umgeben von vier hübschen jüngeren Mädchen. „Du wirkst noch so jung.“

Er bemerkte, wie sie sich neben ihn stellte, und blickte zu ihr hinüber. Eine Sekunde lang, vielleicht auch zwei, trafen sich ihre Blicke. In diesem Moment spürte er es. Eine erotische Spannung, die sie genauso zu bekämpfen versuchte wie er. Hatte er sie die ganze Zeit über falsch eingeschätzt? War das der Grund, warum sie ihn gemieden hatte?

Hastig unterbrach sie den Blickkontakt, um zu dem Bild hochzuschauen. „Ich war sechs. Dieses Bild wurde ein paar Monate vor Pams Abreise zum College in Kalifornien aufgenommen. Obwohl wir alle lächeln, hat es mir, Jill und Paige das Herz gebrochen. Wir wollten nicht, dass Pam uns verlässt und so weit wegzieht.“

Er nickte. „Ihr vier steht euch nahe?“ Obwohl er es als Frage formulierte, kannte er die Antwort bereits. Jeder, der die vier zusammen beobachtet hatte, bemerkte das sofort.

„Ja. Pam ist die beste älteste Schwester, die man haben kann. Wir haben unterschiedliche Mütter. Ihre starb, als Pam drei Jahre alt war, und Dad heiratete meine Mutter Alma an Pams zehntem Geburtstag. Pam meint, meine Mutter wäre das beste Geburtstagsgeschenk gewesen, das sie je bekommen hätte. Mom hat nach dem Verlust die Leere in ihrem Leben ausgefüllt.“

Er wandte sich wieder dem Bild zu. Alma Novak war eine wunderschöne Frau gewesen, und er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie dem verwitweten Rancher Jay Winston Novak Jr. ins Auge gefallen war – vermutlich genauso, wie ihm selbst ihre jüngste Tochter aufgefallen war. „Deine Mutter war eine bildschöne Frau und dein Vater ein ziemlich attraktiver Mann. Sie hatten eine wunderbare Familie“, sagte er und schaute zu ihr hinüber.

„Vielen Dank, Jaxon. Falls du deine Jacke ausziehen willst, gleich neben der Tür ist ein Schrank bei der Hutablage.“

„Okay.“ Er zog sie aus und hängte sie auf, bevor er ins Wohnzimmer zurückkehrte. Sie starrte ihn an. „Stimmt etwas nicht?“, fragte er.

„Nein. Alles in Ordnung. Tatsächlich ist das Abendessen fertig“, antwortete sie. „Ich bin früher von der Arbeit losgefahren, um es vorzubereiten.“

„Das wäre doch nicht nötig gewesen.“ Er sprach es aus, obwohl er froh darüber war, denn so bekam er nicht nur die Gelegenheit, sie wiederzusehen, sondern konnte auch Zeit mit ihr verbringen.

Sie winkte ab. „Kein Problem, ich koche gerne. Leider gibt es hier niemanden, für den ich kochen könnte.“

Ihm lag auf der Zunge, dass sie jederzeit für ihn kochen könnte, doch er behielt es für sich. „Kann ich mir irgendwo die Hände waschen?“

„Ja, einfach mir nach.“

Sie ging voran, und sein Herz setzte ein paar Schläge aus, als er ihren sexy Gang bewunderte. „Hier ist das Gäste-WC. Die Küche und das Esszimmer sind gleich hinter dieser Tür.“

„Okay.“

Als er kurz darauf durch eben diese Tür trat, hielt er inne. Sie stand gerade gebückt vor dem Ofen und zog ein Brötchenblech hervor. Er konnte nicht anders, als die Form ihres Hinterns zu genießen.

Er räusperte sich. Sie sah sich zu ihm um, während sie das Tablett auf ein Kühlgitter auf der Arbeitsplatte stellte. „Bitte, setz dich doch an den Esszimmertisch. Was möchtest du trinken?“

„Was hast du denn?“

„Von allem ein bisschen. Dank Spencer geht mir nie der Wein aus, und ich achte darauf, dass ich Bier, Schorlen und Kaffee vorrätig habe, falls die Verwandtschaft mal wieder zu Besuch kommt.“ Spencer Westmoreland und seine Frau Chardonnay besaßen das Weingut Russel Vineyards im Napa Valley.

Jaxon legte den Kopf schief. „Kommen sie oft hier vorbei?“

Sie grinste, während sie mehrere Brötchen auf ein Tablett schob. „Sie schauen ab und zu nach mir. Inzwischen nicht mehr so oft wie damals, als ich frisch wieder hergezogen bin. Mittlerweile sind sie wohl überzeugt, dass ich auf mich selbst aufpassen kann.“

Er war froh, das zu hören. Als er auf dem Hinweg gesehen hatte, wie groß das Grundstück war und wie weit es von der Stadt entfernt lag, hatte er sich Sorgen gemacht, dass sie allein hier lebte. Zum Glück waren um ihr Grundstück herum Überwachungskameras installiert. „Wein klingt gut“, sagte er.

Erst als sie sich endlich setzte, tat er es ebenfalls. Nachdem sie das Tischgebet gesprochen hatte, blickte sie zu ihm hinüber. „Ich hoffe, du magst das alles.“ Dann hob sie die Deckel von den Schüsseln.

Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Alles, was sie aufgedeckt hatte, waren Lieblingsspeisen von ihm. Das konnte unmöglich ein Zufall sein. Er vertrat nicht die Auffassung, dass man auf Thanksgiving warten musste, um Truthahn mit Soße zu servieren. Dazu gab es mit Knoblauch geröstetes Mischgemüse, Kartoffelsalat und heiße Hefebrötchen.

„Greif zu, aber lass noch Platz für den Nachtisch. Ich habe einen Schokokuchen gebacken.“

Er hob den Blick. „Wirklich?“ Schokoladenkuchen war sein Lieblingsdessert.

„Ja.“

Erneut betrachtete er die Schüsseln. „Das hast du alles für mich gekocht?“

Sie zuckte mit den zarten Schultern. „Wie schon gesagt, ich koche gerne, und es war nicht schwierig herauszufinden, welches Essen du magst.“

Bereits nach den ersten Bissen, stellte er fest, wie lecker alles schmeckte. „Nadia, das ist köstlich.“

Auf ihren Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab. „Danke.“

Jetzt waren sie auf einem guten Weg. Noch immer spürte er die sexuelle Energie zwischen ihnen, und offenbar bemühte sie sich, sie zu unterdrücken. Er wollte das kein bisschen. Zu wissen, dass sie nicht so immun gegen ihn war, wie er gedacht hatte, gab ihm sogar Hoffnung.

Vielmehr wünschte er sich, dass sie sich in seiner Nähe wohlfühlte und den Schutzschild, den sie – wieso auch immer – errichtet hatte, fallen ließ.

Als er nach ein paar Bissen aufblickte, bemerkte er, dass sie ihn ansah. Wie zuvor am Kamin blieben ihre Blicke für ein paar angespannte Sekunden aneinander haften, bevor sie sich wieder ihrem Essen widmete. Was auch immer er hatte sagen wollen, war ihm entfallen, daher aß er weiter und grübelte darüber nach, wie außerordentlich schön sie war. So schön, dass es ihm vorhin beinahe den Atem geraubt hätte.

Genauso war es ihm auch ergangen, als er sie das erste Mal auf Mavericks und Phires Hochzeitsfeier getroffen hatte. Schon aus der Ferne waren ihm sofort ihre Augen aufgefallen. Sie waren mandelförmig und schokobraun. Dann waren da noch ihre Haare, eine dichte Pracht dunkelbrauner Locken, die ihr über die honigfarbenen Schultern fielen.

Das Schweigen zwischen ihnen würde wohl andauern, wenn er nicht bald etwas sagte. „Ich habe gehört, dass du aus Gamble weggezogen bist, als Dillon Pam geheiratet hat.“

Sie schaute zu ihm hinüber. „Ja, das stimmt.“

„Warum bist du zurückgekommen?“

Sie lächelte wieder, und er spürte ein heftiges Kribbeln in der Magengrube. „Ich hatte sehr lange keine Absicht, wieder hierherzuziehen. Es gab sogar eine Phase, in der Paige, Jill und ich versucht haben, Pam zum Verkauf zu überreden, aber sie hat sich gesträubt und wollte es als unser Erbe behalten. Inzwischen bin ich froh darüber. Mir war gar nicht klar gewesen, wie sehr ich das Haus vermisst hatte, bis wir an einem Wochenende wegen einer Aufführung in Pams Schauspielschule vorbeikamen. Da wurde mir plötzlich etwas bewusst.“

„Was denn?“

„Dass das Sprichwort ‚Zu Hause ist es am schönsten‘ wahr ist.“

Sie nippte an ihrem Wein und fügte hinzu: „Versteh mich nicht falsch, ich liebe auch Westmoreland Country. Aber hier bin ich geboren. In diesem Haus. Und als ich dann zurückkam, wurde mir bewusst, wie viel es mir bedeutet.“ Sie hielt einen Moment inne. „Was ist mit deinem Haus in Virginia, Jaxon? Ich habe gehört, es soll märchenhaft sein.“

Es erübrigte sich zu fragen, woher sie das wusste, denn ihre Schwester Paige und sein Cousin Jess kamen häufig zu Besuch, wenn Jaxon dort war. Ihm gefiel, dass seine Ranch weniger als eine Stunde von Washington entfernt lag. „Danke. Ich bin, wie du, auf der Circle R Ranch geboren. Meine Eltern haben sie mir überschrieben, als sie in Rente gegangen und näher Richtung Stadt gezogen sind.“

„Sie waren am Familienunternehmen beteiligt, nicht wahr?“

Nachdem er einen Schluck Wein getrunken hatte, antwortete er: „Ja. Mein Vater war Geschäftsführer von Ravnell Technologies, und meine Mutter war Vorsitzende des Ravnell Institute of Technology. Jetzt bin ich der CEO von beiden. Zum Glück arbeiten gute Leute für mich.“ Er hielt einen Moment inne. „Die Circle R Ranch wird für mich immer mein Zuhause sein, auch wenn ich wegen meiner vielen Reisen nicht so oft dort bin, wie ich gerne möchte.“

Sie nickte. „Ich habe gehört, du züchtest Pferde. Und dass du mehrere preisgekrönte Vollblüter besitzt, von denen einige auch an den Derbys teilgenommen haben.“

Anscheinend versuchte sie, das Gespräch von sich auf ihn zu lenken. Das wollte er ändern.

„Ja, die Circle R wurde von meinem Urgroßvater als Pferderanch gegründet. Das ist sie immer noch, und ich habe ein engagiertes Team, das sich um die Pferde kümmert.“

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Aber genug von mir. Erzähl mir von dir, Nadia.“

3. KAPITEL

Nadia sah wieder zu Jaxon hinüber und wünschte sich, er hätte ihren Namen nicht auf diese Weise ausgesprochen. Noch mehr wünschte sie sich, ihr Körper würde nicht so stark darauf reagieren. Er betonte ihn mit diesem Südstaaten-Akzent, der über seine Lippen zu rollen schien. Dieselben Lippen, die sie jedes Mal genussvoll betrachtete, wenn sich sein Mund bewegte. Gab es irgendetwas an ihm, das sie nicht total antörnte?

„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, antwortete sie schließlich, nachdem sie sich mit aller Mühe erneut auf das Gespräch konzentrierte. „Du weißt ja, dass ich die jüngste Schwester von Pam, Jillian und Paige bin. Und sicher hast du schon die Geschichte gehört, wie wir versucht haben, Pams Verlobung mit einem Typen namens Fletcher zu sprengen.“

Er gluckste. „Ja, davon habe ich gehört.“

„Pam war der Meinung, sie müsse eine freudlose Ehe eingehen, um uns vor dem Verlust des Hauses zu bewahren. Dass Dillon aufgetaucht ist, war ein echter Glücksfall. Ich mag gar nicht daran denken, wo wir ansonsten jetzt stünden.“

Jaxon nickte und trank noch etwas Wein. Sie konnte nicht anders, als ihm wieder auf die Lippen zu starren. „Vieles an diesem Haus erinnert mich an das von Dillon“, sagte er, nachdem er sein Glas abgestellt hatte. „Sie sind sich vom Design sehr ähnlich.“

Sie lächelte. „Ja, und das hat auch einen Grund. Mein Urgroßvater Jay Winston Novak Sr. und Dillons Urgroßvater Ra-phel Westmoreland waren mal Geschäftspartner. Angeblich gefiel Raphel der Stil dieses Hauses so gut, dass er Jahre später, als er sich in Denver niederließ und sein eigenes baute, denselben architektonischen Ansatz verfolgt hat.“

„Dillon hat mal erwähnt, dass eure Urgroßväter hier in Gamble zusammengearbeitet haben. Was war das für ein Betrieb?“

Nadia war froh, dass er das Gespräch zwischen ihnen in Gang hielt, denn so entstand keine peinliche Sille, und allmählich fühlte sie sich in seiner Nähe wohl. Allerdings minderte das nicht gerade seine Anziehungskraft auf sie.

„Es war ein Molkereibetrieb. Aus den Tagebüchern, die Pam und Dillon in einer Truhe auf dem Dachboden gefunden haben, geht jedoch hervor, dass Raphel sich um die Pferde gekümmert hat. Soweit ich mitbekommen habe, konnte er esmit ihnen sehr gut. Die Westmoreland-Cousins, die ebenfalls im Pferdetraining tätig sind, haben ihre Liebe zu den Tieren wahrscheinlich von ihm geerbt.“

„Dein Urgroßvater hat Pferde gezüchtet?“

„Ja, und er hat seine Liebe zu ihnen an seinen Sohn, meinen Vater weitergegeben. Bestimmt hätte Dad auch lieber einen Sohn als vier Töchter gehabt, aber das hat ihn nie davon abgehalten, uns seine Liebe zu Pferden näherzubringen. Er hat dafür gesorgt, dass wir sie richtig pflegen und uns das Reiten beigebracht.“ Sie trank noch einen Schluck. „Ich reite, seit ich zwei bin. Ich hatte sogar ein eigenes Pferd namens Cocoa. Dad war ein hervorragender Lehrer und über die Jahre hinweg haben alle seine Töchter Preise für ihre Reitkünste erhalten.“

„Ihr alle vier?“

„Ja. Pam war ein Profi, weil sie schon länger geritten ist. Jill wollte so gut werden wie sie, und weil Dad von ihrem Potenzial überzeugt war, hat er sie auf die Reitschule geschickt. Sie ist bei nationalen Wettbewerben gestartet, bis Dad krank wurde. Dann brauchte er Geld, um für seine Medikamente und Pflege aufzukommen, und wir mussten alle Pferde verkaufen.“

„Hat dir denn das Leben in Denver gefallen?“

Offenbar hatte er die Traurigkeit in ihren Augen gesehen, als sie sich an die Krankheit ihres Vaters erinnerte, und schnell das Thema gewechselt. Dafür war sie ihm dankbar. Es war keine leichte Zeit für die Novak-Schwestern gewesen.

„Ja, hat es. Als Dillon Pam geheiratet hatte, haben uns die Westmorelands allesamt bei sich aufgenommen. Genauso wie sie es jetzt mit dir tun. Das ist eben ihre Art. Sie legen großen Wert auf Familie.“

Sie registrierte das Lächeln auf seinen Lippen und kämpfte angestrengt gegen ihre körperliche Reaktion darauf an.

„Das kann ich verstehen“, sagte er. „Ich hatte eine jüngere Schwester, die noch vor ihrem ersten Geburtstag an einem Herzfehler gestorben ist. Ich bin ohne Cousins und Cousinen aufgewachsen und muss zugeben, dass die Westmorelands und Outlaws mich anfangs ein wenig überwältigt haben. Es gibt so viele von ihnen.“

„Tut mir leid, das mit deiner Schwester.“ Sie berührte ihn am Arm. „Aber anscheinend passt du gut in unsere Familie.“

„Sie haben mir keine große Wahl gelassen“, antwortete er und grinste.

Sie konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln, denn sie wusste genau, was er meinte. So war es auch ihr und ihren Schwestern ergangen. In kürzester Zeit war es ihnen vorgekommen, als hätten sie die Westmorelands schon ihr ganzes Leben lang gekannt. Nadia hatte Jaxon im letzten Jahr bei ihnen beobachtet, und er schien wirklich genau zu ihnen zu passen. Sie hatten ihn in fast alles eingebunden. Offenbar war er sogar einige Male nach Denver, Montana und Atlanta geflogen, um an den berüchtigten Pokerspielen teilzunehmen.

„Ich habe gehört, du hast in Harvard studiert“, sagte er in einem Tonfall, der sich anfühlte, als würde ihr warmer Honig über die Haut fließen.

„Stimmt. Zuerst habe ich aber an der University of Wyoming meinen Bachelor gemacht. Danach bin ich für meinen MBA nach Harvard gewechselt.“

Er nickte. „Ein MBA ist beeindruckend, besonders einer aus Harvard. Ich stamme aus einer langen Reihe von Ravnell-Männern, die traditionell am MIT waren. Ich hingegen habe in Harvard Jura studiert.“

„Hast du als Anwalt gearbeitet?“

„Ein paar Jahre lang war ich einer der Firmenanwälte. Als mein Vater jedoch bekannt gegeben hat, dass er in ein paar Jahren in den Ruhestand wechseln würde, dachte ich, das wäre mein Stichwort, um die Zügel als Geschäftsführer zu übernehmen.“

Da Nadia ihn gegoogelt hatte, wusste sie alles über seine Familie und wie sie zu ihrem Reichtum gekommen war. Sie hatte gelesen, dass Jaxons Großvater väterlicherseits das Ravnell Institute of Technology gegründet hatte, das ähnlich wie das MIT für technologische Fortschritte im Hochschulwesen bekannt war. Es gab eine Warteliste für Masterabschlüsse in Technologiemanagement, und die meisten Studierenden bekamen nach ihrem Abschluss einen Job mit sechsstelligem Gehalt. Viele begannen bei Ravnell Technologies, das als eines der führenden Technologieunternehmen des Landes galt. Irgendwann hatte der Konzern beschlossen, in verschiedene Regionen des Landes zu expandieren.

„Wie man hört, bist du die stellvertretende Leiterin der hiesigen Schauspielschule“, drängte Jaxon sich in ihre Gedanken.

„Ja. Ursprünglich wollte ich nach dem Studium zurück nach Denver ziehen und bei Blue Ridge Land Management arbeiten“, erklärte sie und verwies auf den milliardenschweren Konzern der Westmorelands. „Pam wusste jedoch, dass ich gerne zurück nach Gamble ziehen wollte, und als diese Stelle frei wurde, hielt sie mich für eine gute Wahl und bot sie mir an.“

Nach einem weiteren Schluck Wein fuhr sie fort: „Die Schule ist auf Spenden angewiesen, um Stipendien an bedürftige Schülerinnen und Schüler zu vergeben und jedes Jahr spezielle Programme und Projekte zu veranstalten. Eine meiner Aufgaben ist es, die Mittel für all diese Projekte zu beschaffen.“

„Klingt, als hättest du viel zu tun.“

„Es geht. Hin und wieder muss ich reisen, aber ich mag meine Arbeit.“ Und so war es auch. Selbst jetzt, wo sie mehr Geld für das anstehende Theaterstück brauchte und nicht wusste, woher sie es nehmen sollte.

Während sie aßen, unterhielten sie sich weiter, und es war unschwer zu erkennen, dass Jaxon zwar selbstbewusst, aber nicht großspurig oder gar arrogant war. Und er hatte die Art von Stimme, bei der sie einfach zuhören musste. Sie war einfach so unwiderstehlich. Nadia war froh, dass sie sich die Zeit genommen hatte, ihn kennenzulernen, und ein Teil von ihr wünschte sich, sie hätte es schon früher versucht.

Der Grund, warum sie es nicht getan hatte, war ihre Angst, er könnte merken, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Selbst jetzt hoffte sie, dass es ihm noch nicht aufgefallen war. Der Gedanke, er könnte es gemerkt haben, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Mehr als einmal hatte er sie dabei erwischt, wie sie ihn anstarrte. Jedes Mal schenkte er ihr nur ein freundliches Lächeln, bevor er ein neues Thema ansprach.

„Wie man hört, suchst du nach Grundstücken, um hier in Gamble zu expandieren“, meinte sie, als sie fertig gegessen und ihre Teller zur Seite geschoben hatten.

„Richtig, das stimmt.“

„Warum Gamble? Was hat dich hierher verschlagen, Jaxon?“

Jaxon widersetzte sich dem Drang, ihr zu sagen, dass sie der Grund dafür war, dass es ihn nach Gamble verschlagen hatte. Aber um ehrlich zu sein, hatte er beim ersten Besuch in der Stadt festgestellt, dass sie wirklich ein verstecktes Juwel war.

Etwas Ähnliches war bereits letztes Jahr passiert. Der eigentliche Anlass für seine Reise nach Forbes war Simon Bordella und sein Verrat an den Outlaws gewesen. Die Behauptung, er suche nach Land zum Expandieren, war ein Trick gewesen. Aber am Ende hatte er genau wie in Gamble das Potenzial gesehen, tatsächlich sein Geschäft in dieser Gegend auszubauen.

„Der Vorschlag kam eigentlich von Dillon“, erklärte er. So viel war wahr. Es war am Abend des Pokerturniers gewesen, als er seine Absichten gegenüber Nadia bekannt gegeben hatte. „Er meinte, er hätte darüber nachgedacht, Blue Ridge Land Management nach Gamble zu erweitern, weil es hier viel Bauland zu vernünftigen Preisen gäbe.“

Sie nickte. „Ich erinnere mich, dass Dillon es sich anders überlegt hat, als er festgestellt hat, dass Wyoming zu nah an Colorado liegt, und es besser wäre, in einem anderen Bundesstaat zu investieren.“

„Ja, und er hat vorgeschlagen, dass ich herkomme und mir Gamble ansehe. Ich bin erst seit etwas über einer Woche hier und bis jetzt bin ich beeindruckt von dem, was ich sehe. Wyoming ist der am dünnsten besiedelte Staat der USA. Hier gibt es eine Menge unberührter Landstriche und eine Menge Ranches. Ich kann verstehen, warum man Wyoming den Cowboy-Staat nennt.“

„Ja, wir sind...

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