Das sinnliche Spiel des Milliardärs

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Der freiheitsliebende Milliardär Gaetano Leonetti braucht unbedingt eine Braut, um Chef der Bank zu werden. Zum Glück spielt die Tochter seiner Haushälterin die Rolle. Natürlich nur, bis er den Job hat! Doch ihre ungeahnt zärtlichen Küsse wecken bald eine gefährliche Sehnsucht …


  • Erscheinungstag 28.07.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753226
  • Seitenanzahl 120
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Gaetano Leonetti hatte einen wirklich miserablen Tag. Das hatte gleich heute Morgen angefangen, als sein Smartphone den Eingang einer Mail gemeldet und ihm dann eine ganze Serie von Fotos gezeigt hatte, die jähe Wut in ihm auflodern ließen. Ihm war auch klar, dass sein Großvater und der ultrakonservative Vorstand der Leonetti Investment Bank wegen dieser Fotos vor dem Explodieren stehen mussten. Und bedauerlicherweise würde er nicht mehr tun können, als die Frau, die für den Artikel in diesem Schmierenblatt verantwortlich war, zu feuern.

„Es ist nicht deine Schuld“, sagte Tom Sandyford leise. Tom war nicht nur sein Rechtsbeistand, sondern auch ein enger Freund.

„Natürlich ist es meine Schuld“, knurrte Gaetano. „Es ist mein Bett, in dem diese Frau sich da rekelt. In meinem Haus, auf meiner Party.“

„Ist diese Celia nicht der einstige Star dieser Seifenoper, von deren Drogenproblem du aber erst später erfahren hast? Und wurde sie nicht aus der Serie gefeuert, nachdem du mit ihr Schluss gemacht hattest?“

Gaetano nickte nur.

„Es ist einfach Pech“, meinte Tom. „Aber du kannst schließlich keinen lückenlosen Lebenslauf von deinen Gästen verlangen. Woher solltest du also wissen, dass manche von ihnen nicht ganz astrein sind?“

„Nicht ganz astrein?“ Gaetanos attraktive dunkle Züge legten sich in Falten. Zwar war er in England geboren und aufgewachsen, aber bei ihm zu Hause war immer nur Italienisch gesprochen worden, daher kam es immer wieder mal vor, dass er über Redewendungen stolperte, die ihm nicht geläufig waren.

„Nun, aufrechte, anständige Bürger, Pfeiler der Gesellschaft“, umschrieb Tom erklärend. „Eine Handvoll Frauen auf der Party waren also Prostituierte? In dem privilegierten exklusiven Umfeld, in dem du dich bewegst … wie hättest du das herausfinden können?“

„Die Presse hat es auf jeden Fall herausgefunden“, gab Gaetano tonlos zurück.

„Mit der albernen sensationslüsternen Schlagzeile ‚Orgie im Herrenhaus‘. Morgen ist das schon wieder vergessen. Obwohl …“ Interessiert blätterte Tom das Blatt noch einmal durch.

„Ja?“

„Diese Blondine da, die nackt im Springbrunnen tanzt, ist recht erinnerungswürdig.“

„Ich kann mich nicht entsinnen, sie gesehen zu haben. Ich habe die Party früh verlassen, weil ich nach New York fliegen musste. Und da trugen alle Anwesenden ihre Kleider noch“, gab Gaetano verächtlich zurück. „Einen weiteren Skandal kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen.“

„Irgendwie scheinen die Skandale dich immer zu finden. Ich nehme mal an, der Alte und der Vorstand greifen jetzt wohl wieder zu den Waffen, wie üblich, oder?“, erkundigte Tom sich mitfühlend.

Gaetano presste die sinnlichen Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und nickte. Im Namen von Familienloyalität und Respekt zahlte er noch immer praktisch mit seinem Blut, auf jeden Fall mit seinem Stolz und Ego, für den letzten Skandal. Sich von seinem vierundsiebzigjährigen Großvater Rodolfo maßregeln lassen zu müssen, als wäre er ein unartiger Schuljunge, war hart für einen erfolgreichen Milliardär, dessen Investmentberatung international gefragt war. Und als Rodolfo dann auch noch zu der stets gleichen Litanei über Gaetanos lockeren Lebensstil und seinen Umgang mit Frauen angesetzt hatte … Gaetano winkte im Geiste ab. Es brachte doch eh nichts. Jeder Versuch, dem alten Mann zu erklären, dass Erwartungen und Werte sich seit den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts massiv geändert hatten, war ein sinnloses Unterfangen.

Mit einundzwanzig hatte Rodolfo Leonetti die Tochter eines Fischers geheiratet und in den über fünfzig Jahren glücklichen Ehelebens keine andere Frau auch nur angesehen. Ironischerweise war der einzige Sohn, Gaetanos Vater Rocco, ein unverbesserlicher Playboy und Spieler gewesen. Mit fünfzig hatte er eine Frau geheiratet, die jung genug war, um seine Tochter zu sein, einen Sohn mit ihr gezeugt und war dann zehn Jahre später im Bett einer anderen gestorben, vermutlich an Überanstrengung. Gaetano nahm an, dass er für die Sünden seines Vaters zahlte, praktisch seit seiner Geburt. Aber mit neunundzwanzig und als einer der renommiertesten Banker der Welt war er es leid, sich ständig vor seinem Großvater und dem Bankvorstand beweisen zu müssen, genau wie er es leid war, beim Vorstand stets vor eine Wand zu rennen. Er hatte Millionen für die Bank gemacht, er hatte die Position des CEO verdient.

Und heute Morgen wäre er fast explodiert, als sein Großvater ihm dieses Ultimatum gestellt hatte.

„Du wirst nie CEO dieser Bank werden, solange du dein Leben nicht änderst und aus dir endlich ein respektabler Ehemann und Familienvater wird“, hatte der Alte ihm verärgert geschworen. „Ich werde im Vorstand gegen dich stimmen, und ganz gleich, wie brillant du auch sein magst … du weißt, dass der Vorstand mir immer folgt. Sie alle erinnern sich nur zu gut daran, dass dein Vater diese Bank mit seinen riskanten Unternehmungen fast in Grund und Boden gewirtschaftet hätte.“

Gaetano kochte vor Wut. Mal ehrlich … was hatte sein Sexleben mit seinem Geschäftssinn und seiner Expertise als Banker zu tun? Seit wann waren eine Ehefrau und Kinder der Maßstab für Urteilsvermögen und Reife eines Mannes?

Fakt war, er hatte nicht das geringste Interesse zu heiraten. Allein der Gedanke, sein ganzes Leben an eine Frau gefesselt zu sein, jagte ihm einen Schauder über den Rücken. Zudem würde ihn eine mögliche Scheidung die Hälfte seines Vermögens kosten, für das er hart gearbeitet hatte. Seinen akademischen Abschluss hatte er mit Ehren bestanden und seither weitere Qualifikationen an den renommiertesten internationalen Instituten erlangt. Und das sollte noch immer nicht ausreichen, nur weil sein Vater ein verwöhnter reicher Junge gewesen war? Das war einfach nicht fair.

Mitleidig musterte Tom den Freund. „Hast du wieder die ‚Such-dir-ein-einfaches-Mädchen-und-werde-sesshaft‘-Predigt über dich ergehen lassen müssen?“

„Ein einfaches Mädchen, kein Party-Girl. Eines, das die einfachen Dinge des Lebens zu schätzen weiß“, zitierte Gaetano seinen Großvater. Die Gespräche mit seinem Großvater drehten sich immer nur um dieses eine Thema: Heirate, werde sesshaft und setze Kinder in die Welt mit einer Frau, die dir ein Heim schafft. Das schien die Lösung zu sein, damit sich alles in Wohlgefallen auflöste.

Gaetanos Züge wurden hart. Er hatte miterleben können, wie gut diese rosige Fantasie für seine Freunde funktionierte, die alle inzwischen wieder glücklich geschieden waren.

„Du solltest dir eine Zeitmaschine besorgen und in die 1950er zurückreisen, um eine solche Frau zu finden“, kam es spöttisch von Tom.

„Weißt du, was das Beste an der Sache ist?“, fragte Geatano.

„Sag schon.“

„Sollte ich wirklich ein einfaches Mädchen heiraten, wäre Rodolfo, dieser Snob, wahrscheinlich entsetzt. Nur leider ist er von seiner Idee so besessen, dass er mir den Weg an die Spitze der Bank blockiert.“

Seine Assistentin klopfte an und legte ihm zwei Umschläge auf den Tisch. „Das ist die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Nichteinhaltung der Verschwiegenheitsklausel, und das die Kündigung des Mietvertrags für die Wohnung, die mit zu der Stelle gehört. Der Hubschrauber wartet startbereit auf dem Dach auf Sie, Sir.“

„Was hast du vor?“, fragte Tom.

„Ich fliege runter nach Woodfield Hall und entlasse die Haushälterin, die der Presse diese Fotos verkauft hat.“

„Die Haushälterin war das?“, hakte Tom verdutzt nach.

„Ja, ihr Name wird in dem Artikel als Quelle genannt. Nicht gerade sehr clever von der Frau.“

Poppy stellte ihr Fahrrad ab und rannte in den kleinen Dorfladen, um Milch zu holen. Zwar war sie wie üblich spät dran, aber sie konnte ihren Kaffee nun mal nicht ohne Milch trinken, und wenn sie nicht ihre zwei Tassen am Morgen trank, fehlte ihr den ganzen Tag der Schwung. Ihre langen rotgoldenen Locken hüpften bei jedem Schritt, ihre grünen Augen blitzten.

„Guten Morgen, Frances“, grüßte sie die verkniffen aussehende Ladenbesitzerin, als sie das Kleingeld für die Milch auf den Tresen legte.

„Wundert mich, dass du so gut gelaunt bist“, sagte die alte Frau säuerlich.

„Warum sollte ich das denn nicht sein?“

Frances knallte eine abgegriffene Zeitschrift auf den Tresen. Poppy las die Überschrift und wurde prompt blass. Hastig griff sie sich die Zeitschrift, blätterte weiter und stöhnte auf, als sie das große Foto von der nackten Blondine in dem Springbrunnen sah. Das hatte ihr Bruder Damien aufgenommen, an dem Abend jener berüchtigten Party. Sie wusste das, weil sie ihn dabei erwischt hatte, wie er das Foto bei seinen Freunden herumgezeigt hatte.

„Sieht aus, als hätte deine Ma eine zu lose Zunge“, kam es von Frances. „Kann mir nicht vorstellen, dass Mr. Leonetti das gefallen wird.“

Poppy legte auch noch Münzen für die Zeitschrift auf den Tresen und verließ eilig den Laden. Wie, um alles in der Welt, war die Presse an dieses Foto gekommen? Und woher stammten die anderen Bilder? Diese Frau da auf dem Bett, deren Gesicht allerdings nicht zu erkennen war … Hatte Damien sich von einem angeheiterten Gast zum Mitfeiern einladen lassen und dann noch weitere kompromittierende Fotos geschossen? Und wieso riskierte ihre Mutter ihre Anstellung und gab die Fotos an die Regenbogenpresse weiter?

Mit hängenden Schultern stieg Poppy wieder auf ihr Fahrrad. Sie wusste doch, weshalb ihre Mutter etwas derart Dummes tun würde: Jasmine Arnold war Alkoholikerin.

Ein einziges Mal war es Poppy gelungen, ihre Mutter zu einem Treffen der Anonymen Alkoholiker zu schleifen, danach nie wieder. Und während Jasmine sich jeden Tag betrank, mühte Poppy sich ab, zusätzlich zu ihrem eigenen Job auch die Verantwortlichkeiten ihrer Mutter zu erledigen. Was blieb ihr denn anderes übrig, wenn das Dach über ihren Köpfen an den Arbeitsvertrag der Mutter gebunden war? Und war es nicht auch ihre Schuld? Viel zu spät hatte sie bemerkt, wie schlimm die Dinge mit ihrer Mutter standen, bevor sie wieder nach Hause zurückgezogen war.

Es war ein Glücksfall, dass Gaetano höchstens zweimal pro Jahr in die Villa kam. Schließlich war er ein Stadtmensch durch und durch, der wunderschöne große Landsitz lag zu weit von London entfernt, das war für ihn einfach zu unbequem. Würde er sich öfter blicken lassen, hätte Poppy den Zustand ihrer Mutter niemals so lange verheimlichen können.

Poppy trat in die Pedale, um den Berg hinaufzukommen, auf dem Woodfield Hall lag. Das Haus war der Familiensitz der Leonettis, die irgendwann im achtzehnten Jahrhundert als finanzkräftige Darlehensgeber aus Venedig nach England übergesiedelt waren. Und wenn die Familie etwas gut konnte, dann Geld scheffeln.

Genauer wollte sie gar nicht über Gaetano nachdenken. Es wäre eine Lüge zu behaupten, sie würden sich gut kennen. Sie mochten ja im selben Haushalt aufgewachsen sein, aber Freunde waren sie nie geworden. Zum einen war Gaetano sechs Jahre älter als sie, zum anderen hatte er stets in irgendwelchen erlesenen Internaten gelebt. Dennoch war Poppy sicher, dass er sich wegen dieser Fotos enorm aufregen würde. Er achtete geradezu besessen darauf, seine Privatsphäre zu wahren. Ihre Laune sank auf den Nullpunkt. Sie konnte sich genau vorstellen, welcher Ärger da jetzt bevorstand. Ganz gleich, wie hart sie auch arbeitete, das Leben schien nie leichter zu werden, immer wartete schon die nächste Krise auf sie. Wie sollte sie es denn schaffen, auf Mutter und Bruder aufzupassen, wenn die beiden überhaupt kein Bewusstsein hatten, was zum Überleben nötig war?

Die Arnold-Familie lebte in einer Wohnung in dem Anbau gleich neben dem Haus. Jasmine Arnold, eine große überschlanke Mittvierzigerin mit rotem Haar, saß am Küchentisch, als ihre Tochter hereinkam und die Zeitschrift vor sie auf den Tisch legte.

„Bist du verrückt geworden, so etwas an die Presse weiterzugeben, Mum?“ Dann ging sie zur Hintertür und rief laut nach ihrem Bruder.

Damien kam aus einer der Garagen hervor und wischte sich mit einem Lappen das Motorenöl von den Fingern. „Wo brennt’s denn?“

„Hast du die Fotos von dieser Party einem Reporter überlassen?“, herrschte Poppy den Bruder an.

„Nein, habe ich nicht“, verteidigte ihr jüngerer Bruder sich sofort. „Mum wusste, wo die Fotos zu finden waren, und hat sie an den Typen verkauft. Hat eine schöne Stange Geld dafür bekommen.“

Poppy konnte es nicht fassen. Dummheit und Arglosigkeit hätte sie noch entschuldigen können, aber ihre Mutter hatte ihren Arbeitgeber tatsächlich ganz bewusst verkauft.

Damien stöhnte auf, als er die Miene seiner Schwester sah. „Jetzt tu nicht so entsetzt, Poppy, du weißt, dass Mum alles für den nächsten Drink tut. Natürlich habe ich versucht, sie davon abzuhalten, aber sie wollte nicht auf mich hören.“

„Und warum hast du mir nichts gesagt?“

„Was hättest du denn noch tun können? Ich hatte gehofft, die Fotos würden vielleicht nicht veröffentlicht werden. Oder falls sie veröffentlicht werden, dass niemand groß Notiz davon nimmt“, gestand Damien. „Ich meine, die Zeitungen berichten doch ständig über Gaetano, ich bezweifle ehrlich, dass er jeden Bericht über sich in irgendeinem Klatschblatt liest.“

„Wenn du dich da nur nicht irrst. In dem Fall fliegt Mum nämlich raus, und wir stehen auf der Straße.“

Damien gehörte nicht zu den Leuten, die sich schnell nervös machen ließen. „Dann lass uns hoffen, dass ich mich nicht irre.“

In der Beziehung kam Poppy auf ihren Vater – sie sorgte sich schnell. Es war schwer, sich das vorzustellen, aber vor wenigen Jahren hatte die vierköpfige Arnold-Familie noch ein gesichertes und unbeschwertes Leben geführt. Poppys Vater war der Gärtner des Anwesens gewesen, ihre Mutter die Haushälterin. Mit zwanzig hatte Poppy bereits zwei Jahre ihrer Ausbildung zur Krankenschwester hinter sich, und Damien stand kurz vor dem Abschluss seiner Lehre als Automechaniker. Und dann war ihr Vater völlig unerwartet an einem Herzinfarkt gestorben, und ihrer aller Leben hatte eine grausame Wende genommen.

Poppy hatte eine Auszeit von ihrer Ausbildung beantragt, um nach Hause zu kommen und ihrer Mutter zu helfen, über den Verlust hinwegzukommen, war dann allerdings wieder zurückgefahren, um ihr Studium erneut aufzunehmen. Von da an war es jedoch leider immer weiter bergab mit ihrer Familie gegangen. Ihre Mutter war komplett dem Alkohol verfallen, und Damien hatte sich mit den falschen Leuten eingelassen, was ihm sogar eine Gefängnisstrafe eingebracht hatte. Das war das Signal für Poppy gewesen, endgültig nach Hause zu kommen. Aber da hatte sie ihre Mutter bereits mit schweren Depressionen und alkoholabhängig vorgefunden. Die Ausbildung hatte Poppy vorerst auf Halt gestellt, in der Hoffnung, ihre Mutter würde bald wieder auf die Beine kommen. Nur passierte das eben nie. Immerhin war es Poppy ein Trost, dass ihr Bruder sich wieder gefangen hatte. Aber Damien war jetzt vorbestraft, was bedeutete, dass er überall Schwierigkeiten haben würde, eine Anstellung zu finden. Poppy fühlte sich schuldig, weil sie es ihrem kleinen Bruder überlassen hatte, sich um die Mutter zu kümmern, während sie ihre Ausbildung verfolgt hatte, entschlossen, die erste Arnold zu sein, die nicht für die Leonettis arbeiten musste. Das war eigennützig und egoistisch gewesen, und seither versuchte sie, diesen Fehler wiedergutzumachen.

Und so schrubbte und putzte sie jetzt tagsüber einen Raum nach dem anderen und bemühte sich, das große Haus in Ordnung zu halten. Ironie des Schicksals, dass sie jetzt genau das tat, was sie so unbedingt hatte vermeiden wollen – sie arbeitete für die Leonettis. Aber da sie abends auch noch im hiesigen Pub kellnerte, blieb ihr keine Zeit, um über die Misere ihres Lebens nachzudenken.

Unangenehmerweise hielt das ihre Gedanken nicht davon ab, immer wieder zurück zu Gaetano zu wandern. Er war der einzige Junge, den sie je gehasst hatte, aber eben auch der einzige, den sie je geliebt hatte. Was sagte das über sie aus? Mit sechzehn war sie tatsächlich dumm genug gewesen, sich einzubilden, sie könne eine Beziehung mit dem privilegierten Sohn des Hauses haben. Seine verletzenden Worte klangen noch heute in ihren Ohren nach.

Ich fange nichts mit dem Personal an, Poppy . Damit hatte er unmissverständlich klargemacht, dass sie beide niemals auf einer Stufe stehen würden, kamen sie doch aus völlig verschiedenen Welten. Hör auf, mir nachzustellen, Poppy. Du benimmst dich ja wie ein Flittchen. Oh, wie sie sich gekrümmt hatte. In Wahrheit war sie einfach zu jung und unerfahren gewesen, um sein Interesse auf subtile Art zu wecken. Du bist klein und pummelig, und du hast rote Haare. Du bist nicht mein Typ.

Sieben Jahre war diese erniedrigende Erfahrung jetzt her, und bis auf eine unangenehme Begegnung hatte sie Gaetano nicht mehr gesehen. Wann immer er sich auf dem Anwesen aufhielt, hatte sie sehr genau darauf geachtet, ihm aus dem Weg zu gehen. Er konnte also nicht wissen, wie schlank sie geworden und dass sie noch ein ganzes Stück gewachsen war. Vermutlich würde es ihn aber auch gar nicht interessieren, schließlich umgab er sich nur mit den schönsten und elegantesten Frauen. Wobei … nun, diese eine, die die letzte Party hier gegeben hatte, war so ziemlich alles gewesen, aber ganz sicher keine elegante Lady.

Nachdem Poppy die Arbeit in der Villa erledigt hatte, ging sie nach Hause und zog sich für ihre Schicht im Pub um. Als Teenager hatte sie eine Gothic-Phase durchgemacht, auch, um sich hinter dem düsteren Outfit zu verstecken. Heute färbte sie sich zwar nicht mehr die Haare und lackierte sich auch nicht mehr die Nägel schwarz, aber den grundlegenden Stil hatte sie beibehalten. Sie hatte viel an Gewicht verloren, seit sie zwei Jobs hatte, und war der Meinung, dass die Gothic-Kleidung ihre übermäßige Schlankheit kaschierte. Der dunkelrote Rock und das schwarze Tank-Top betonten zudem ihre schmale Taille und ihre langen Beine.

Nach der Arbeit im Pub wartete Poppy draußen auf der Straße auf ihren Bruder, der sie mit dem Motorrad abholen kam.

„Gaetano Leonetti ist heute Abend mit dem Hubschrauber angekommen“, war das Erste, was er ihr berichtete. „Er wollte mit Mum sprechen, aber sie war natürlich nicht ansprechbar, also habe ich gesagt, sie sei krank. Er hat zwei Briefumschläge dagelassen.“

Poppy schluckte. „Hast du … sie geöffnet?“

Er nickte, sagte aber nichts.

„Und? Was steht drin?“

„Mum ist gefeuert worden, und wir haben einen Monat, um aus der Wohnung auszuziehen.“

Entsetzt stöhnte Poppy auf.

„Er muss wohl die Zeitschrift gesehen haben.“ Damien schnitt eine Grimasse. „Und das ist wohl Grund genug für ihn, uns auf die Straße zu setzen.“

„Kann man ihm das verübeln?“, sagte Poppy, auch wenn sie das Gefühl hatte, der Boden würde sich unter ihren Füßen auftun. Wohin sollten sie jetzt gehen? Wovon sollten sie leben? Ersparnisse hatten sie nicht mehr, Mum vertrank ihren Lohn, und Damien lebte vom Sozialamt. Aber Poppy war eine Kämpferin, so schnell würde sie nicht aufgeben.

Als das Motorrad dann wenig später auf die Auffahrt zur Villa einbog, waren die Fenster im Haupthaus hell erleuchtet. Gaetano blieb also über Nacht?

„Ja, er bleibt eine Weile“, sagte Damien, als er das Motorrad in die Garage stellte.

„Ich werde mit ihm reden!“

„Wozu soll das gut sein?“ Damien klang mutlos und geschlagen. „Was sollte ihn das kümmern?“

Gaetano ist nicht herzlos, dachte Poppy verzweifelt. Zumindest hatte er mit dreizehn ein Herz gehabt. Da hatte er nämlich dicke Tränen geweint, als sein Vater versehentlich seinen Hund überfahren hatte. Auch sie hatte geweint, denn Dino war ebenso ihr Hund gewesen wie Gaetanos. Wenn Gaetano nicht zu Hause war, dann hatte sie sich um den Hund gekümmert. Für Dino war nie Ersatz ins Haus gekommen, und als sie Gaetano einmal nach dem Grund gefragt hatte, da hatte er nur tonlos geantwortet: „Hunde sterben.“

Damals war sie viel zu jung gewesen, um zu verstehen, dass er auf diese Art vermeiden wollte, noch einmal verletzt zu werden. Als sein Vater starb, hatte Gaetano keine einzige Träne vergossen, aber als seine Großmutter dann das Zeitliche segnete, war er fast genauso erschüttert gewesen wie sein Großvater. Seine Großeltern hatten ihm nähergestanden als seine richtigen Eltern. Innerhalb eines Jahres hatte seine Mutter wieder geheiratet und war nach Florida gezogen. Den Sohn hatte sie zurückgelassen.

Mit energischen Schritten ging Poppy um das Haus herum, Damien auf den Fersen.

„Es ist fast Mitternacht“, zischelte er ihr zu. „Du kannst doch jetzt nicht bei ihm anklingeln!“

„Bis morgen hat mich der Mut verlassen.“

Versteckt in den Schatten, sah Damien zu, wie seine Schwester an der Tür klingelte. Erschreckt zuckte sie zusammen, als sie eine Stimme neben sich hörte.

„Ich gehöre zu den Sicherheitsleuten, Miss Arnold“, sagte der Mann, das Handy am Ohr. „Ich informiere Mr. Leonetti gerade, wer vor seiner Tür steht.“

Poppy unterdrückte den Fluch. Sie hatte vergessen, welchen enormen Sicherheitsaufwand die Familie betrieb. Natürlich würde niemand ungesehen mitten in der Nacht zu Gaetano vordringen können. „Ich muss Ihren Chef sprechen.“

Den Mann sprach in schnellem Italienisch ins Handy, Poppy verstand kein einziges Wort.

„Es ist wirklich dringend“, bekräftigte sie dennoch.

Es musste wohl eine Entscheidung getroffen worden sein, denn von innen aus dem Haus war zu hören, wie die Riegel aufgezogen und der Schlüssel im Schloss gedreht wurden. Ein zweiter Leibwächter zog die Tür auf und ließ Poppy in die marmorgeflieste Halle eintreten. Poppy spürte den Schweißtropfen zwischen ihren Schulterblättern hinunterlaufen, aber sie streckte den Rücken durch.

Vor diesem Moment hatte ihr immer gegraust, doch es gab keine Alternative: Es war so weit, sie würde Gaetano die Wahrheit sagen müssen.

Poppy Arnold? In Gaetanos Erinnerung stiegen gleich mehrere Bilder auf: Poppy als kleines Mädchen, das trotz seiner Warnung auf den See hinauspaddelte. Poppy, die sich, übertrieben theatralisch, wie es ihrem Stand gemein war, wegen Dino die Augen ausweinte. Poppy mit fünfzehn, die ihn anhimmelte, als würde er über Wasser gehen können. Eine Schwärmerei, die ein Jahr später sehr viel weniger unschuldig geworden war. Und schließlich … Poppy, die zufrieden lächelnd aus den Büschen trat, hinter sich einen von den jungen Gartenhelfern, der noch dabei war, sich das Hemd wieder in die Hose zu stecken.

Angesichts der langen Zeit, die die Arnold-Familie schon auf dem Anwesen arbeitete, hielt Gaetano es nur für fair, sich zumindest anzuhören, was Poppy zu sagen hatte. Seit Jahren hatte er nicht mehr an sie gedacht. Lebte sie noch immer hier bei ihrer Familie? Er hatte immer den Eindruck gehabt, sie könnte es nicht abwarten, dem Leben auf dem Land zu entkommen. Sie hatte immer eine leicht rebellische Ader gehabt. Wie sehr mochte sie sich verändert haben? War sie jetzt etwa offiziell hier angestellt? Die Stirn über die eigene Unkenntnis gerunzelt, lehnte er sich an den Schreibtisch und wartete.

Das Klicken von hohen Absätzen hallte auf dem Korridor, dann ging die Tür zur Bücherei auf … und sofort wurde sein Blick von wohlgeformten langen Beinen angezogen, die im Türrahmen erschienen.

Jedes Showgirl in Las Vergas wäre neidisch auf diese Beine.

Ein Gedanke, der Gaetano stutzen ließ. Bemüht riss er den Blick los und hob ihn zu Poppys Gesicht … nur um den nächsten Schock zu erhalten. Die Zeit hatte Poppy Arnold in einen umwerfend aussehenden, großen und schlanken Rotschopf verwandelt. Er wusste, er gaffte, aber er konnte es nicht ändern. Sein Hirn registrierte erst alle Veränderungen, nahm dann sofort all das wahr, was gleich geblieben war. Das einst pausbäckige Gesicht hatte eine schöne Herzform angenommen, hohe Wangenknochen, dazu eine kecke kleine Nase, und der Mund … voll und rot, der Prototyp jeder männlichen Fantasie. In seinen Lenden setzte ein dumpfes Pochen ein, er knöpfte sein Jackett zu, um die automatische Reaktion seines Körpers zu verbergen. Vielleicht würde Poppy doch noch als Letzte lachen, denn aus dem hässlichen Entlein, das er einst grob abgewiesen hatte, war ein wunderschöner Schwan geworden.

„Mr. Leonetti“, sagte sie höflich, als würden sie sich zum ersten Mal begegnen.

„Gaetano, bitte“, konterte er trocken. „Schließlich kennen wir uns seit unserer Kindheit.“

„Ich glaube nicht, dass ich dich je gekannt habe“, überlegte Poppy laut, während sie ihn ungeniert musterte.

Sie hatte damit gerechnet, unattraktive Veränderungen festzustellen, schließlich war er inzwischen fast dreißig, verbrachte den Großteil seines Tages in einem Büro und lebte, wenn man den Zeitungsberichten über ihn Glauben schenken wollte, das dekadente Leben eines reichen Playboys. Hätte ein solches Leben nicht inzwischen Spuren hinterlassen müssen? Doch da war kein Gramm Fett zu viel an ihm, im Gegenteil. Groß, durchtrainiert und muskulös, zeigten auch weder seine markanten Züge noch sein volles schwarzes Haar Anzeichen eines möglichen körperlichen Verfalls.

Die Luft schien plötzlich wie elektrisch aufgeladen. Unruhig wechselte Poppy von einem Fuß auf den anderen. Gaetano sah noch besser aus als vor sieben Jahren, als sie so brennend für ihn entflammt war. Sicher albern und dumm, gestand sie sich ein, aber immerhin hatte sie schon damals guten Geschmack bewiesen, nicht wahr? Gaetano sah einfach viel besser aus als die meisten Männer. Ihr Schoß verkrampfte sich, Wärme lief ihr über die Haut, während er sie mit seinen dunklen Augen intensiv von Kopf bis Fuß musterte.

„Lebst du noch hier mit deiner Mutter und deinem Bruder?“, fragte er schließlich.

„Ja.“ Bemüht vertrieb sie den Nebel, der sich für einen Moment um ihren Verstand gelegt hatte. „Wahrscheinlich fragst du dich, weshalb ich zu dieser nachtschlafenden Zeit bei dir auftauche.“

„Nun?“

Autor

Lynne Graham
<p>Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen. Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem Schreiben....
Mehr erfahren