Eine Lady riskiert alles

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Neville Roscoe ist ein Mann, der nach seinen eigenen Regeln lebt und sich nicht um sein Ansehen in der Gesellschaft kümmert. Ungezügelt frönt der Besitzer mehrerer Spielhöllen seinen Leidenschaften. Ursprünglich hat er dieses Leben in der verruchten Halbwelt Londons nur gewählt, um seine Familie vor dem Ruin zu retten. Doch die Rückkehr in die feine Gesellschaft bleibt dem Adeligen nun verwehrt. Als die unbescholtene Lady Miranda Clifford ihn unversehens um Hilfe bittet, zögert er nicht, ihr wie ein echter Gentleman zur Seite zu stehen. Je mehr Zeit er in ihrer Nähe verbringt, desto verlockender wird der Gedanke, seine lasterhafte Vergangenheit hinter sich zu lassen …

»Eine witzige und charmante Story, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite begeistern wird.«
Kirkus Reviews


  • Erscheinungstag 05.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783955768867
  • Seitenanzahl 624
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Prolog

Lord Julian Roscoe Neville Delbraith, zweitgeborener Sohn des Duke of Ridgware, war ein Taugenichts. So sehr gar, dass er dem Begriff eine neue Bedeutung gab. Groß gewachsen, mit dunklem Haar und von gefährlich gutem Aussehen, pirschte er mit der animalischen Anmut eines Panthers auf Beutezug durch die besseren Kreise der Londoner Gesellschaft, getrieben von einem Hunger, den es zu stillen galt und der auch reichlich gestillt wurde. Die Gentlemen fanden ihn einen kapitalen Burschen, dessen Bekanntschaft man sich gern rühmte, wohingegen die Damen seine unfehlbare Eleganz zu schätzen wussten, sein Geschick auf dem Tanzparkett, seinen Charme und den gelegentlich aufblitzenden messerscharfen Witz. Sein Aufzug war stets von erster Güte, und seine Pferde ließen jeden Peer vor Neid erblassen. Wein, Frauen und Glücksspiel waren – wenn auch in umgekehrter Reihenfolge – sein bevorzugter Zeitvertreib, was nicht weiter verwunderlich war. Die Delbraiths brachten seit Generationen Männer hervor, denen das Spiel wie eine Sucht war. Es lag ihnen im Blut, ja, manche nannten es gar einen Fluch.

So gesehen musste man es Lucasta, Lord Julians Mutter und Schutzherrin der Delbraiths in der vorherigen Generation, hoch anrechnen, dass sie es mit starker Hand vermocht hatte, ihren Gatten Marcus, Julians Vater, im Griff zu haben und das Familienvermögen zusammenzuhalten. Wohl hätte auch Marcus liebend gern alles aufs Spiel gesetzt, aber dem hatte Lucasta einen Riegel vorgeschoben, und zwar sehr energisch. Es schien sich auszuzahlen, denn ihr erstgeborener Sohn George war denn auch der erste Delbraith seit ungezählten Generationen, der keine Anzeichen des Familienfluchs aufwies.

Manch einer mochte meinen, dass Lucastas rühmliches Bemühen um Marcus und George ihr keine Kraft mehr ließ, ein ähnliches Wunder auch bei Julian zu bewirken, andere glaubten, dass Julian einfach zu halsstarrig war und damit selbst seiner Mutter über den Kopf wuchs. In den Augen des ton war Julian der Inbegriff des männlichen Delbraith, sein Archetypus sozusagen. Dagegen war selbst Lucasta machtlos.

Andererseits war es auch kein Beinbruch, dass Julian mit solcher Begeisterung dem Fluch der Delbraiths frönte, war doch George der Erbe.

Und George war ganz anders als sein Bruder. Ein großer, ruhiger Mann, stark und verlässlich, wenn auch etwas fade, schien er keinerlei Laster zu haben. In Gesellschaft, wo Julian lebhaft, unterhaltsam, bisweilen auch unverschämt war, stand George schweigsam dabei, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und dachte sich seinen Teil. Kurzum, George war ein Langweiler, aber auch das war nicht weiter schlimm, denn als Erbe war George eine sichere Bank, und darauf kam es an.

Folglich konnten ton und Familie sich eines stillen, erleichterten Lächelns nicht enthalten, als George nach dem Tod seines Vaters den Titel übernahm. Das Lächeln wurde breiter, als George eine ausgesprochen vorteilhafte Ehe mit Caroline einging, Tochter des Earl of Kirkcombe, eine vernünftige junge Dame, die allseits hoch angesehen und geschätzt war.

Caroline schloss sich dem Urteil ihrer Schwiegermutter an und fand George ohne Fehl und Tadel, zumindest was seine Immunität gegen den Familienfluch anging. Dass es in eher intimeren Bereichen durchaus Mängel gab, behielt sie für sich, wie es sich gehörte. Nach außen hin rühmte sie George, wo sie nur konnte, und die Gesellschaft sah es mit Wohlgefallen. Wenig verwunderlich, dass Caroline sich so gar nicht für ihren Schwager, den schönen, schamlos verkommenen Wüstling Julian erwärmen konnte. Sie gab deutlich, wenn auch unausgesprochen, zu verstehen, dass sein Einfluss unerwünscht, da schädlich sei und sie ihn von ihrem Gatten, sich selbst und dem Kind, das sie erwartete, fernzuhalten wünsche.

Julian, der für solche feinen Schwingungen durchaus empfänglich war, beugte sich dem unausgesprochenen Wunsch seiner Schwägerin. Letztlich war sie die Frau seines Bruders, die Duchess – was kümmerte es ihn? Seine zuvor recht häufigen Besuche auf Ridgware, dem Familiensitz in Staffordshire, wo er sich zunächst nach dem Befinden seiner Mutter erkundigte, um dann mit seinen drei deutlich jüngeren Schwestern herumzutoben, wurden mit der Zeit immer seltener, bis er sich gar kaum noch blicken ließ. Die Dienerschaft, die weit mehr mitbekam, als man meinen mochte, bedauerte das sehr, aber natürlich gab niemand etwas auf ihre Meinung.

Dann brachte Caroline ihr Kind zur Welt, einen Sohn, der auf den Namen Henry George Neville Delbraith getauft wurde und rein äußerlich sämtliche Züge eines echten Delbraith zeigte. Caroline sah es verständlicherweise mit Sorge und schwor sich, ihn auf Teufel komm raus vor dem Fluch der Delbraiths zu bewahren.

Am Tag der Taufe fand Julian sich in der Kirche ein, setzte sich zu seiner Mutter und den Schwestern und kam sich vor wie die böse Fee im Märchen, als er unter Carolines vernichtendem Blick seiner Mutter das wirklich unverfängliche Taufgeschenk überreichte, damit wiederum sie es seinem Neffen übergebe, und sowie die Zeremonie beendet war, schüttelte er seinem Bruder die Hand, wünschte seiner Schwägerin und dem ängstlich gehüteten Bündel in ihrem Arm alles Gute und fuhr unverzüglich zurück nach London.

Danach besuchte Julian seine Mutter und seine Schwestern nur noch, wenn Caroline und nach Möglichkeit auch Baby Henry außer Haus weilten. Wenn George da war, schaute Julian kurz bei ihm herein, aber da sie ihrem Wesen nach so grundverschieden waren und die Verantwortung des Titels zudem schwer auf Georges Schultern lastete, fanden die Brüder nie viel zu sagen; die ein oder andere Bemerkung wurde gemacht, vielleicht eine Beobachtung, die sie miteinander teilten, ehe sie wieder – freundschaftlich, aber einander doch fremd – getrennter Wege gingen.

Derweil füllte Julian sein Leben mit Glücksspiel und den üblichen Ausschweifungen. Das Glück war ihm hold: Karten, Würfel, Pferderennen und überhaupt alles, was rannte oder anderweitig rasant war – er spielte gern auf Risiko und setzte große Summen. Was ihm an Zeit noch blieb, verbrachte er mit Tändeleien, einst mit halbseidenen Kokotten, aber nun zunehmend mit gelangweilten Ehefrauen seiner eigenen Kreise. Auch als Weinkenner wurde er geschätzt, wenngleich man ihn noch nie betrunken erlebt hatte. Was daran liegen mochte, dass Trunkenheit und Glücksspiel keine treffliche Kombination waren und Julian es mit dem Familienfluch sehr ernst nahm.

Und so zogen die Jahre ins Land.

Hätte man einen seiner Peers gefragt, wie es um die Finanzen Lord Julian Delbraiths bestellt sei, wäre wohl die einhellige Antwort gekommen, dass er nur noch einen Schritt vom Ruin entfernt war. Dass ihm das Wasser bis zum Hals stehe und er bald kläglich untergehen werde. Dem erfahrenen Beobachter war es unvorstellbar, wie man auf Dauer ein so ausschweifendes Leben führen und dem Glücksspiel frönen konnte, ohne einen Berg Schulden anzuhäufen. Spieler verloren immer, das war allgemein bekannt, wenn nicht auf kurze, so doch auf lange Sicht. Glücksspiel hatte noch jeden ins Unglück gestürzt.

Eine Auffassung, die Caroline, Duchess of Ridgware, sehr nachdrücklich teilte. Mehr noch, sie glaubte, dass ihr nichtsnutziger Schwager peu à peu das Familienvermögen verprasste, aber wann immer sie diese Sorge ihrem Gatten gegenüber zur Sprache brachte, schaute George nur grimmig drein und versicherte ihr, dass sie sich da täuschte. Wenn sie indes beharrte, da es doch das Erbe ihres Sohnes zu schützen galt, wurde George schmallippig und erklärte ihr kühl, dass Julian lediglich das bescheidene Einkommen bezog, das ihm laut dem Testament ihres Vaters vierteljährlich zustand, und darüber hinaus nichts. Dass Julian noch nie weitere Mittel erbeten hatte, auch nicht bei George persönlich. Caroline glaubte ihm zwar nicht, aber angesichts des für ihren Gatten ungewöhnlichen Temperamentsausbruchs blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn beim Wort zu nehmen und es dabei zu belassen.

Genau genommen wussten nur zwei Menschen über Lord Julians finanzielle Situation Bescheid: zum einen sein Kammerdiener Rundle, zum anderen Jordan Draper, Sohn des langjährigen Prokuristen der Delbraiths. Auf Julians Bitte hatte Jordan seine Finanzgeschäfte übernommen, um sie vom Familienvermögen seines Bruders getrennt zu halten. Nur diese beiden wussten, dass Julian zu jenen Delbraiths gehörte, die es nur ungefähr in jeder zweiten oder dritten Generation einmal gab. Er war einer der wenigen Delbraiths, die gewannen. Natürlich gewann er nicht jede Wette, jedes Spiel, aber unterm Strich zahlte es sich immer für ihn aus. So war es schon immer gewesen, solange er denken konnte. Seit er im zarten Alter von fünf Jahren den Spaß am Wettspiel entdeckt hatte, war keine Woche vergangen, aus der er als Verlierer hervorgegangen wäre. Manchmal gewann er vielleicht nur einen Viertelpenny, aber alles in allem hatte er noch nie Geld verloren.

Es war Jordan Draper ein Rätsel, dass niemand sich je gefragt hatte, wie es sein konnte, dass eine Familie, so alt wie die Delbraiths und mit einem derart ruinösen Fluch belegt, noch immer im Besitz sämtlicher Anwesen und ihres Vermögens war. Durch Julian wusste er die Antwort. Großvater, Vater, Sohn – über drei Generationen war zumindest einer der männlichen Nachfahren mit einem glücklichen Händchen gesegnet. Dank Lucasta musste man sich auf diese Laune der Ahnenreihe natürlich nicht mehr verlassen, hatte ihr Einfluss auf Marcus und nachfolgend George dem Laster doch Einhalt geboten. Der Fluch schien gebannt zu sein. Aber wenn er sich Julians gut gefüllte Konten und erfolgreiche Investitionen ansah, war Jordan sich gar nicht mal sicher, ob der Familie damit langfristig gedient war.

Seines ausschweifenden Lebenswandels zum Trotz erfreute Julian sich eines komfortablen Wohlstands, und sein Leben plätscherte ohne größere Vorkommnisse dahin. Natürlich war ihm bewusst, was der ton von ihm hielt, und dieses Wissen beförderte noch seine Neigung zum Zynismus, ließ ihn oft im Stillen lächeln über die Arglosigkeit der Welt.

Bis dann eines Abends im Jahre 1811 an die Haustür seines Quartiers in der Duke Street geklopft wurde.

Es war November, das Wetter trübe und trist. Nur wenige seiner Bekannten weilten noch in der Stadt, was erklärte, weshalb Julian daheim am Kamin saß, die Füße vor sich auf einem Schemel, ein Buch in der Hand. Als es klopfte, hob er den Kopf, hörte Rundles Schritte am Salon vorbei zur Tür gehen und wartete … fragte sich, ob nicht vielleicht …

»Mylord!« Rundle kam ohne anzuklopfen herein, was sonst nicht seine Art war. »Es ist Higginbotham von Ridgware.«

Julian schaute an Rundle vorbei auf den Stallmeister seines Bruders, und als er der ernsten Miene und des leicht desolaten Auftritts des Mannes gewahr wurde, setzte er sich sofort auf. »Meine Mutter?«

Higginbotham stutzte, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Mylord – Ihr Bruder.«

»George?« Julian konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum George den armen Higginbotham bis nach London jagen sollte, um nach ihm, dem nichtsnutzigen Bruder, zu schicken. »Was will er denn?«

Higginbotham tat sich sichtlich schwer, doch dann brach auf einmal alles aus ihm heraus. »Seine Gnaden wollen gar nichts mehr. Er hat sich eine Pistole an den Kopf gesetzt und abgedrückt. Er ist tot. Wir dachten, es wäre vielleicht besser, wenn Sie kämen, Mylord.«

Julian fuhr wie der Teufel und erreichte Ridgware am folgenden Vormittag. Seinen Phaeton ließ er bei den Stallungen stehen und betrat das Haus durch die Seitentür. Es herrschte Totenstille. Seine Schritte hallten auf den Marmorfliesen wider, als er nach vorn in die Halle ging, wo er einen Moment stehen blieb. Higginbotham hatte nicht zu sagen gewusst, was George zu dieser raschen, unwiderruflichen Tat getrieben hatte. Einer Tat, die ganz und gar untypisch für ihn war.

Und die Julian sich beim besten Willen nicht erklären konnte.

Als er hinter sich in einem der Korridore ein Geräusch vernahm, drehte er sich um.

Ein älterer Mann in einem makellos sauberen schwarzen Anzug trat auf ihn zu. »Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, Mylord.«

Julian nickte knapp. »Draper.« Es handelte sich selbstredend um Draper senior, den Prokuristen seines Bruders und Jordans Vater. Die Drapers unterhielten ein Büro in Derby, was Ridgware eindeutig näher lag als London. Julian suchte in Drapers Gesicht nach einer Antwort. »Haben Sie eine Vorstellung, warum George … ich kann es noch immer kaum glauben … warum er sich das Leben genommen hat?«

Draper nickte düster. Er sah blass aus, erschöpft und deutlich älter, als Julian ihn in Erinnerung hatte. »Leider ja, Mylord. Umso größer ist meine Erleichterung, dass die Bediensteten Sie, ohne lange zu zögern, geholt haben. Die Sache ist schrecklich genug, und wir werden rasch ein paar Entscheidungen treffen müssen, wollen wir die Familie vor Schlimmerem bewahren.«

»Vor Schlimmerem …?« Julian runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht ganz.«

»Ich weiß.« Draper deutete den Korridor hinunter. »Wenn Sie mit ins Büro kommen würden, dann will ich versuchen, es Ihnen zu erklären.«

Julian zögerte. »Wie geht es meiner Mutter?«

»Sie ist zutiefst erschüttert, wie auch die Duchess. Der Arzt war gestern hier und hat beiden etwas zur Beruhigung gegeben. Mir wurde gesagt, dass sie wohl in ein paar Stunden wieder wach wären.«

»Und meine Schwestern? Und Henry? Mein Gott, der Junge ist jetzt der Duke!«

»Allerdings – aber keine Sorge, man kümmert sich vorbildlich um die jungen Leute. Die Bediensteten haben alles im Griff.« Draper verstummte einen Moment und rieb sich die Stirn. »Leider duldet unsere Unterredung keinen Aufschub, Mylord. Die Zeit drängt, wenn ich das so sagen darf. Sie werden es gleich verstehen.«

Draper war an sich die Ruhe in Person, vertrauenswürdig, gewissenhaft und unerschütterlich, was mit einer der Gründe war, warum Julian seinem Sohn seine eigenen Geschäfte übertragen hatte. Den Alten so aufgewühlt zu erleben warf weitere Fragen auf und war, gelinde gesagt, beunruhigend. Julian nickte bedächtig. »Gut, wenn Sie meinen«, sagte er und bedeutete ihm, vorauszugehen.

Während er Draper den Korridor hinabfolgte, fragte er: »Wann ist es passiert?«

»Gestern früh, Mylord. Meines Wissens hörten die Bediensteten den Schuss gegen elf Uhr. Sie haben die Tür zur Bibliothek aufgebrochen, aber ausrichten konnten sie natürlich nichts mehr.«

Während der langen Fahrt hatte Julian viel Zeit zum Nachdenken gehabt. »Wer weiß sonst noch von Georges Tod?«

»Im Augenblick, Mylord, beschränkt sich das Wissen auf die Hausangestellten, das Stallgesinde und die Familie. Und der Doktor und ich wissen natürlich auch Bescheid.«

»Dann bestünde die Möglichkeit, die Umstände seines Todes zu vertuschen«, überlegte Julian laut. Sein erster Gedanke hatte seinen Schwestern gegolten, seiner Mutter, dem kleinen Henry, ja, selbst seiner Schwägerin, denn eine Selbsttötung in der Familie, aus welchen Gründen sie auch erfolgt war, warf immer einen langen Schatten. Derlei blieb nie ohne gesellschaftliche Folgen.

Draper zögerte. »Möglicherweise«, meinte er dann, doch überzeugt klang er nicht.

Julian betrat hinter Draper das Büro des Anwesens.

Draper wies auf den Sessel hinter dem Schreibtisch. »Setzen Sie sich am besten. Das macht es Ihnen leichter, Einsicht in die Bücher zu nehmen.«

Leicht irritiert tat Julian wie ihm geheißen. »Wozu brauche ich denn Einsicht in die Konten?«

Draper drehte sich, nachdem er eines der Hauptbücher aus dem Regal gezogen hatte, wieder um und sah ihn ernst an. »Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, Mylord, dass Ihr Bruder entgegen allgemeiner Auffassung nicht gegen den Fluch der Delbraiths gefeit war.«

»Heiliger Bimbam!« Julian raufte sich die Haare, als er sich mit dem Beweis und wahrem Ausmaß von Georges Spielsucht konfrontiert sah. Während der letzten halben Stunde hatte Draper ihm sämtliche Konten vorgelegt, wobei vor allem eines deutlich geworden war: George war gelungen, woran sämtliche Delbraiths vor ihm gescheitert waren. Er hatte das Anwesen zu Grunde gerichtet und den Schaden zu beheben versucht, indem er auf sämtlichen Besitz Hypotheken aufgenommen hatte, bis nirgends mehr etwas zu holen gewesen war.

Julian ließ die Hände sinken und lehnte sich zurück. »Gut«, meinte er, auch wenn gar nichts gut war. Sein Verstand lief auf Hochtouren, jonglierte mit Zahlen, Chancen und Wahrscheinlichkeiten. Jetzt war ihm klar, warum Draper ihn so dringend hatte sprechen wollen. »Rechnen Sie das mal zusammen«, fuhr er fort. »Alles. Und dann schicken Sie nach Jordan, sagen Sie ihm, er soll meine aktuelle Bilanz mitbringen.«

»Ja, Mylord.« Draper zögerte, ehe er gestand: »Ich war so frei, vorhin schon nach ihm geschickt zu haben – er müsste binnen der nächsten Stunde eintreffen.«

Julian hob den Blick. »Das war, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, ungewohnt anmaßend von Ihnen.« Er sagte es ohne allen Vorwurf, eher wie eine Frage.

Draper erwiderte seinen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich bitte um Verzeihung, Mylord, aber ich kenne Sie und Ihren Bruder, seit Sie kleine Kinder waren. Ich wusste, dass die Familie auf Ihre Hilfe zählen kann, und wie ich bereits sagte, bleibt uns …«

»… keine Zeit.« Julian verzog das Gesicht, dann nickte er knapp. »Na schön.« Er schob den Stuhl zurück. »Dann gehe ich jetzt nach oben und schaue bei meinen Schwestern vorbei. Lassen Sie mich rufen, sowie Jordan eingetroffen ist.«

Er traf Millicent, Cassandra und Edwina im oberen Salon an, den sie als ihr kleines Reich für sich hatten. Man hatte ihnen mitgeteilt, dass George gestorben war, mehr jedoch nicht. Doch da auch sie den Schuss und den nachfolgenden Aufruhr mitbekommen hatten, fiel es ihnen nicht allzu schwer, eins und eins zusammenzuzählen.

»Er hat sich umgebracht, nicht wahr?«, fragte Millicent, die mit ihren vierzehn Jahren auf dem besten Wege war, eine zweite Lucasta zu werden. Sie saß auf der breiten Fensterbank, die Knie bis ans Kinn gezogen, und redete nicht lange um den heißen Brei.

Nachdem Julian die drei zur Begrüßung länger und fester umarmt hatte als sonst, ließ er sich auf dem Kissen zu Millicents Füßen nieder und überlegte, wie viel er ihnen sagen, was ihnen ersparen sollte …

Cassie, elf Jahre, schnaubte. »Erzähl es uns einfach. Wenn du es uns nicht sagst, aus den Dienstboten kriegen wir es schon heraus.«

Und so fügte Julian sich seufzend, hatte aber ein wachsames Auge auf die zehnjährige Edwina, damit nichts, was gesagt wurde, sie überforderte.

»Aber … warum?« Millicent runzelte die Stirn. »Er muss doch einen Grund gehabt haben, etwas so Grauenhaftes zu tun.«

Womit sie gleich beim heikelsten Punkt waren. »Von Draper habe ich erfahren, dass George angefangen hat zu spielen. Anscheinend ist er doch vom Fluch der Delbraiths eingeholt worden, und statt das Anwesen, Vermögen und Ansehen der Familie aufs Spiel zu setzen, hat er … nun, dem Spuk ein Ende gemacht.«

Nicht ganz die Wahrheit, aber auch nicht ganz gelogen. Julian hoffte, sie gaben sich damit zufrieden.

Seine Schwestern sahen ihn an, alle drei mit fragend gerunzelter Stirn, dann gab Cassie wieder dieses Schnauben von sich. »Das sieht ihm ähnlich. George ist so verstockt, dass er nicht mal um Hilfe bitten kann.« Sie richtete ihre grauen Augen auf Julian. »Du lebst schon dein ganzes Leben mit dem Fluch, aber dir kann er nichts anhaben – und der Familie hast du auch nicht geschadet damit.«

Er rang sich ein müdes Lächeln ab. »Leider war George nicht wie ich.«

»Das stimmt.« Millie schwang die Beine von der Fensterbank und legte ihm kurz die Hand auf den Arm. »Du bist aus härterem Holz geschnitzt. Aber apropos Familie – was ist mit dem Makel? Wegen der Selbsttötung, meine ich.«

»Deswegen braucht ihr euch keine Sorgen zu machen. Ich las eben den Bericht des Arztes, und er rät, sich daran zu halten, dass George plötzlich und unerwartet vom Schlag getroffen wurde.«

Die drei ließen das einen Moment sacken, dann meinte Edwina ganz sachlich: »Gut. Als Nächstes bräuchten wir Trauerkleidung, um ihm in aller Form die letzte Ehre zu erweisen.«

Millie verzog das Gesicht. »Wir werden kaum darum herumkommen. Er konnte ein schrecklicher Stoffel sein, unser George, aber nachdem er sich so selbstlos für uns geopfert hat, soll er wenigstens bei seiner Beerdigung stolz auf uns sein können.«

Aus dem Augenwinkel sah Julian einen Einspänner, gelenkt von Jordan Draper, die Einfahrt hinaufpreschen.

»Wir sollten das mit Mama besprechen«, meinte Cassie. »Über Kleider zu reden muntert sie bestimmt auf. Oder lenkt sie zumindest von Georges Malheur ab.« Sie schaute Julian an. »Warst du schon bei ihr?«

»Nein, noch nicht.« Er zögerte. »Doch, das ist eine gute Idee. Lenkt sie ab, muntert sie ein wenig auf, und sagt ihr, dass ich jetzt hier bin und so bald wie möglich hinaufkomme, um mit ihr zu sprechen.« Die Mädchen sprangen auf, und auch er erhob sich. »Vorher muss ich allerdings noch einiges mit Draper klären. Aber sagt Mama, dass ich gleich danach zu ihr komme.«

Seine Schwestern nickten, umarmten ihn noch einmal, und als sie alle zusammen den Salon verließen, atmete Julian verstohlen auf. Das war längst nicht so schlimm gewesen wie befürchtet.

Die nächsten Stunden verbrachte er mit den Drapers, Vater und Sohn, später kam auch noch Minchinbury dazu, der Anwalt der Familie. Zu viert wurde es recht eng im Büro, aber keiner von ihnen schlug vor, das Gespräch in einem weniger geschützten Raum fortzuführen.

Minchinbury bestätigte, dass Georges Testament Julian als alleinigen Erben vorsah und ihm zudem das geteilte Vormundschaftsrecht für den dreijährigen Henry zufiel. Letzteres quittierte Julian bloß mit einem Nicken und beschloss, sich später damit zu befassen; immer schön der Reihe nach, eine Katastrophe nach der anderen.

»Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen«, schloss Jordan nach endloser, fruchtloser Debatte, »aber selbst wenn wir alle frei verfügbaren Werte liquidieren und sämtliche Erträge des Anwesens auf die Tilgung der Schulden verwenden, übersteigen die Forderungen doch bei Weitem die Zahlungsfähigkeit des Dukes.«

Während sie die immer aberwitzigeren Zahlen durchgesehen hatten, war eine Idee in Julian gereift. Eine nicht minder aberwitzige Idee, aber auf dergleichen verstand er sich gut. Er lehnte sich zurück und sah Jordan an. »Rechne mal meine Vermögenswerte mit ein. Mach alles zu Geld, was sich zu Geld machen lässt, verwende es zur Reduzierung der Schuldenlast, und lass mir …« Er überlegte kurz. »… zehntausend in bar. Wenn wir weiterhin mit einem ständigen Einkommen meinerseits von …« Hier musste er etwas länger rechnen, ehe er die Summe nannte.

Draper und Minchinbury blieb vor Schreck der Mund offen stehen, aber Jordan hob nur kurz die Brauen und brachte die neuen Zahlen zu Papier, wob sie ein in das komplizierte Geflecht aus Hypotheken- und Kreditrückzahlungen.

Währenddessen tauschten Draper und Minchinbury immer wieder verstohlene Blicke, als sie zu ahnen begannen, worauf Julian hinauswollte. Es war Minchinbury, der sich, noch immer leicht entsetzt, an Julian wandte. »Mylord … was genau haben Sie vor?«

Julian bedeutete ihm, zu warten, bis Jordan alles durchgerechnet hatte.

Als er fertig war, atmete Jordan tief durch. »Es könnte reichen«, meinte er und sah Julian an. »Knapp, aber machbar.«

Ihm brauchte Julian nicht zu erklären, was er vorhatte; Jordan arbeitete schon so lange für ihn, dass er sich denken konnte, worauf alles hinauslief, aber Julian war dennoch froh, seine Rückendeckung zu haben. Lieber auf Nummer sicher gehen. »Du hast auch die laufenden Kosten mit einberechnet? Den Unterhalt des Anwesens, die üblichen Zuwendungen an meine Mutter, die Mädchen und die Duchess? Die Mitgift der Mädchen wurde nicht angerührt?«

»Die Mitgift der Mädchen ist schon lange passé«, erwiderte Jordan. »Aber bis sie alle sechzehn sind, lässt sich das wieder ansparen – das habe ich berücksichtigt. Zudem eine jährlich steigende Summe für Henry, beginnend an seinem fünften Geburtstag.«

»Ausgezeichnet«, meinte Julian und versuchte sich zu sammeln, ehe er sich an Draper und Minchinbury wandte. »Was ich vorschlagen würde, Gentlemen, ist Folgendes.«

Er legte ihnen seinen Plan dar, bis ins letzte Detail, denn wenn er die Delbraiths vor dem Ruin bewahren wollte, wenn er den Titel, das Anwesen, die Familie retten wollte, brauchte er ihre Unterstützung. Zunächst waren sie bestürzt, als sie die ganze Tragweite seines Plans begriffen, doch letzten Endes stimmten auch sie zu, denn eine andere Wahl blieb nicht.

George hatte es sich leicht gemacht; nun war es an Julian, die Trümmer aufzulesen.

Das Gespräch mit seiner Mutter verlangte ihm erneut einiges ab – nicht zuletzt, da sie meinte, an Georges Schmach mitschuldig zu sein.

Sie war noch immer eine attraktive Frau und saß, das ergrauende Haar streng aus dem von Trauer gezeichneten Gesicht genommen, mit einem zerknäulten Taschentuch in der Hand in ihrem Privatsalon, den Sessel leicht einem der Fenster zugewandt. »Ich hätte es merken müssen!«, klagte sie sich an. »Es ist mir unbegreiflich, wie mir die Anzeichen entgehen konnten.«

Entgegen weitverbreiteter Annahme verstand Julian sich gut mit seiner Mutter; was beider Eigensinn anging, waren sie einander sehr ähnlich und schon vor langer Zeit zu einer stillschweigenden Übereinkunft gelangt: Lucasta würde ihm nicht in seine Angelegenheiten hineinreden, und er hielt sich aus den ihren heraus. Beide ließen sich zu nichts drängen, was sie nicht wollten.

Julian sah hinaus auf die sich weit erstreckenden Rasenflächen und das angrenzende Wäldchen und seufzte. »Mama, wenn nicht einmal ich etwas bemerkt habe, dann gab es auch nichts zu bemerken. Er war ziemlich gut darin, seine Schwäche zu verbergen.«

»Er hat uns getäuscht. Er hat uns betrogen.« Nach einem Moment fing Lucasta sich wieder und fuhr ruhiger fort: »Wie lange ging das schon so?«

Julian zögerte, war aber klug genug, sie nicht zu belügen. Er wandte sich zu ihr um. »Laut Draper, seit er nach Eton kam, wenngleich die Einsätze zu Beginn klein waren, sodass Papa oder du keinen Verdacht schöpfen würdet. Erst nachdem er sein Erbe angetreten hatte, begann er, um größere Summen zu spielen.«

Lucasta schüttelte hilflos den Kopf. »Und du hast nie auch nur den Hauch eines Gerüchts gehört?«

»Nein.« Was wiederum einiges sagte über die von George frequentierten Etablissements. Hätte er die in ihren Kreisen wohlgelittenen Spielhöllen besucht, hätte Julian davon gewusst. George musste sich in die Unterwelt geflüchtet haben, um seine Sucht zu befriedigen.

Lucasta atmete einmal tief durch und hob das Kinn. »Nun gut. Wir können nicht ändern, was geschehen ist. Am besten, wir folgen Doktor Melroses Rat und halten uns daran, dass George der Schlag getroffen hat. Wir lassen ihn beisetzen, wie es sich gehört, und dann«, sie sah Julian an, »lesen wir den Scherbenhaufen auf und schauen, was noch zu retten ist.« Sie wartete, doch als er keine Anstalten machte, von sich aus etwas zu sagen, seufzte sie nur. »Da George sich lieber den Schädel weggepustet hat, als sich den Folgen seines Tuns zu stellen, fürchte ich das Schlimmste. Aber sag – wie schlimm steht es wirklich?«

Er versuchte gar nicht erst, etwas zu beschönigen. Ohnehin ein zweckloses Unterfangen, seine Mutter war der Wahrheit nicht minder zugetan als ihrer Familie. Sie würde alles tun, um die Ihren zu schützen, und wenn sie Ausflüchte auch nur witterte, würde sie nicht eher lockerlassen, bis sie Gewissheit hatte. Und so zog er sich einen Sessel heran, setzte sich und erzählte ihr alles. Als sie dann, wenig verwunderlich, vor Schreck wie gelähmt dasaß, fuhr er geschmeidig fort: »Ich habe sowohl mit den beiden Drapers gesprochen als auch mit Minchinbury und mir etwas überlegt. Man könnte es einen Akt der Verzweiflung nennen, aber unsere Lage ist verzweifelt. Nach kurzer Bedenkzeit haben sie meinem Plan zugestimmt, denn es ist unser einziger Ausweg. Glaub mir, wir haben sämtliche Optionen erörtert, aber die Lage ist ernst. Nichts wird uns aus dieser Situation noch retten außer dem, was ich dir gleich vorschlagen werde.«

Sie sah ihn lange an. »Dein Plan wird mir vermutlich nicht gefallen, oder?«

»Nein, aber eine andere Möglichkeit bleibt uns nicht.« Und dann begann er darzulegen, was er vorhatte.

Seine Mutter hörte es sich schweigend an. Sowie er fertig war, begannen sie zu streiten. Damit hatte er gerechnet, aber er blieb standhaft, bis sie sich schließlich einsichtig zeigte. Nur in einer Hinsicht war sie zu keinen Zugeständnissen bereit, und das überraschte ihn dann doch.

»Einen Sohn habe ich verloren – ich will dich nicht auch noch verlieren. Nein!« Sie gebot ihm zu schweigen. »Ich sehe ein, dass es für den Erfolg des Planes unabdingbar ist, jeden öffentlichen Kontakt zu vermeiden, aber …«, sie sah ihn eindringlich an, »… ich bestehe darauf, dass du uns, mich und deine Schwestern, hier weiterhin besuchst. Sie sind meine Töchter, und ich verbürge mich dafür, dass sie ein Geheimnis ebenso wahren können, wie ich es kann. Du wirst dich nicht von uns lossagen, und wir würden dich auch niemals gehen lassen.« Tränen standen ihr in den Augen. »Das, mein Lieber, kannst du nicht von uns verlangen. Wenn du deinen Plan also umsetzen willst, kalkulierst du das besser mit ein. Es ist meine einzige Bedingung, aber die ist nicht verhandelbar.«

Mit einer solch heftigen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Er musterte seine Mutter aufmerksam, doch da er um ihren unbeugsamen Willen wusste, besann er sich schließlich eines Besseren. »Gut, wenn du darauf bestehst. Aber meine Besuche auf Ridgware werden in aller Heimlichkeit stattfinden müssen.«

Sie nickte verständig. »Das sollte kein Problem sein. Die Bediensteten sind verlässlich, und du weißt, dass sie alles für dich täten.«

»Und die Mädchen …« Er zögerte. »Ich überlasse es dir, ihnen alles zu erklären. Du findest gewiss die besseren Worte, und mir bleibt keine Zeit für die unvermeidlichen Einwände und Begründungen. Jordan und ich müssen so schnell wie möglich nach London zurückkehren. Wenn wir die klaffenden Löcher, die George in die finanzielle Fassade unserer Familie gerissen hat, zumindest notdürftig flicken wollen, ist rasches Handeln angezeigt.«

Lucasta betrachtete ihn nachdenklich. »Und Caroline?«, fragte sie schließlich. »Wenn du möchtest, setze ich sie davon in Kenntnis.«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich rede gleich noch mit ihr. Wir teilen uns jetzt Henrys Vormundschaft und werden einen Weg finden müssen, uns zu arrangieren – und sei es bloß um des Jungen willen.«

Julian gab sich einen Ruck und stand auf.

Lucasta erhob sich ebenfalls. Sie zog ihn an sich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Dann geh jetzt, mein Lieber. Ich weiß, dass dir keine andere Wahl bleibt.«

Rasch ließ sie ihn los und wandte sich ab, aber er sah dennoch die Träne, die ihr über die Wange rann.

Das Gespräch mit seiner Schwägerin setzte einem langen, schrecklichen Tag die Krone auf.

Als er sich auf den Weg zu ihren Räumlichkeiten machte, sah er bereits Draper und Minchinbury ihren Salon verlassen. Sie schlossen die Tür hinter sich und kamen ihm auf der Galerie entgegen. Sowie er auf die beiden traf, blieben sie alle drei stehen, um sich kurz zu besprechen.

»Ich habe der Duchess soeben die von ihrem Gatten getroffenen Verfügungen erläutert«, sagte Minchinbury. »Sie wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass die Ordnung des Nachlasses allein Ihnen obliegt und sie sich auch die Vormundschaft ihres Sohnes mit Ihnen teilen muss. Sie ist sich der Rechte und Pflichten im Klaren, die Ihnen daraus entstehen.«

Julian musste sich ein Lächeln verkneifen. »Und wie hat sie das aufgenommen?«

Minchinbury verzog das Gesicht. »Nicht allzu gut, fürchte ich, aber es musste ihr ja gesagt werden. Zumindest weiß sie nun über die Situation Bescheid.«

»Wir haben sie zudem über die finanzielle Lage unterrichtet, die der verstorbene Duke hinterlassen hat«, fuhr Draper fort. »Ich habe ihr zu erklären versucht, dass Sie – entgegen ihrer Annahme – niemals Mittel aus der Vermögensmasse bezogen haben, die Ihnen nicht zustanden, und die derzeitige Situation allein den verheerenden Ausschweifungen ihres verblichenen Gatten zu verdanken sei. Ihren Plan haben wir selbstredend nicht näher erläutert, allerdings angedeutet, dass Sie einen solchen hätten und wir in Anbetracht aller Umstände davon überzeugt seien, dass es die einzige Möglichkeit ist, die Familie, wenn nicht gar die Herzogswürde samt aller Privilegien, vor unwiderruflichem Schaden zu bewahren.«

Julian sah zwischen den beiden hin und her. »Wenn ich Sie recht verstehe, haben Sie der Duchess mitgeteilt, dass sie meinem Vorschlag auf Teufel komm raus zustimmen muss, wenn sie sich und ihren Sohn vor dem Ruin retten will?«

Die beiden Männer zögerten einen Moment, dann nickten sie. »Das könnte man so sagen. Wir …« Minchinbury warf einen kurzen Blick auf Draper. »… sind ja schon längere Zeit in die Meinung eingeweiht, die Ihre Gnaden von Ihnen hat, Mylord, und sahen es darum als unsere Pflicht an, die Dinge für Ihre Gnaden richtigzustellen, damit Ihre Worte auf fruchtbareren Boden fallen.«

Draper nickte zustimmend. »Das war das Mindeste, was wir tun konnten, um Sie in Ihrem Vorhaben zu unterstützen.«

Julian verneigte sich. »Ich danke Ihnen, meine Herren. Ihre Hilfe weiß ich zu schätzen.«

Die beiden verbeugten sich und traten beiseite. Minchinbury meinte zum Abschied: »Sie können sich auch weiterhin jederzeit an uns wenden, Mylord. Wir sind Ihnen gern zu Diensten.«

Julian nickte kurz und setzte seinen Weg fort. Vor Carolines Tür hielt er sich gar nicht erst mit zweifelnden Gedanken auf, sondern klopfte gleich an. Sowie von drinnen ein gedämpftes »Herein« erklang, trat er ein.

Caroline stand mit dem Rücken zum Fenster und hatte die Arme um sich geschlungen. Julian deutete eine Verneigung an, schloss die Tür und ging zu seiner Schwägerin. »Mein Beileid. Ich wünschte, es wäre anders gekommen, aber es hilft ja nichts: Wir müssen miteinander reden.« In schicklicher Distanz blieb er stehen und suchte den Blick ihrer blauen Augen. »Minchinbury und Draper sagten mir bereits, dass sie dich über die Lage aufgeklärt hätten. Gibt es vielleicht etwas, das du nicht verstehst, hast du noch Fragen?« Er bemühte sich um einen ruhigen, sachlichen Ton.

Ihr Gesicht der üblichen Fassade beraubt, schaute sie ihn an; er sah die Fragen, die Gefühle, den Zorn in ihren Augen. Am Ende kam ihr nur ein einziges Wort über die Lippen: »Warum?«

Julian schüttelte den Kopf. »Er wusste offenbar keinen anderen Ausweg.«

»Aber …« Sie winkte ab und sah beiseite. »Ich …« Wieder verstummte sie, dann fasste sie sich ein Herz, mied es aber, ihn anzusehen. »Es fällt mir noch immer schwer, zu begreifen, dass ich all die Jahre dich für den Schuldigen hielt, wobei doch er es war.«

Julian stutzte. »Du hattest einen Verdacht?«

»Ja, aber dabei nicht ihn im Visier.« Sie lachte trocken. »Darauf wäre ich nie gekommen. Aber einige Teile meines Schmucks … Imitate, keine echten Stücke, denn alles, was einmal echt war, ist längst dahin, durch billige Kopien ersetzt.« Sie sah Julian an. »Ich dachte, er bräuchte meinen Schmuck, um deine Schulden zu begleichen. Weil er annahm, ich würde den Unterschied nicht bemerken und es besser wäre, als Vermögen aus dem Anwesen …« Die Stimme versagte ihr, und sie wandte sich ab. »Nein, du brauchst mir nicht zu sagen, wie dumm ich war, wie blind. Das weiß ich selbst.«

Du liebe Güte, nach solchen Dramen stand ihm nun wahrlich nicht der Sinn. »Caroline, wenn wir eine finanzielle Katastrophe abwenden wollen, müssen wir jetzt handeln. Die Zeit drängt.«

Sie bedachte ihn mit bitterem Blick. »Laut Minchinbury und Draper bleibt mir keine andere Wahl, als mich deinen Plänen zu fügen, wenn ich weiter mit Henry hier leben und seine Zukunft nicht aufs Spiel setzen will.«

Er seufzte still. Das war der Nachteil, dass die beiden sich bereits eingemischt hatten. »In dieser Hinsicht haben sie recht, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Soll mein Plan gelingen, kommt es auch auf deine Kooperation an. Jeder wird seine Rolle spielen müssen, und dazu möchte ich dir mein Vorhaben kurz erläutern.«

Caroline gönnte sich einen Moment Bedenkzeit, dann sah sie ihn entschlossen an und nickte. »Gut, dann sag, was du vorhast.«

Sie setzte sich nicht und bot auch ihm keinen Platz an. So standen sie einander gegenüber, und er legte ihr seinen Plan dar. Als er zum Ende kam, sah sie ihn ungläubig an.

Schweigen senkte sich zwischen sie, ihr schien es die Sprache verschlagen zu haben.

»Und?«, fragte er schließlich. »Wirst du deinen Part übernehmen? Die Rolle spielen, die du notwendigerweise spielen musst, um das Ganze glaubwürdig zu machen?«

Sie blinzelte, klappte den Mund auf und wieder zu. »Ich … ich verstehe nicht …«

So langsam strapazierte sie seine Geduld. »Die Frage ist ganz einfach. Wirst du …«

»Nein, das meine ich nicht …« Sie hielt einen Moment inne, ehe sie fragte: »Du willst dich selbst opfern. Warum? Das verstehe ich nicht, und ich traue dem nicht. Wenn ich diesem Plan zustimme und dich in deinem Vorhaben unterstütze, werden mein Sohn und ich für immer in deiner Schuld stehen. Henrys Zukunft wird von dir abhängen – das können wir niemals wiedergutmachen.«

»Stimmt«, meinte er bloß.

Sie lachte, ein rauer, freudloser Ton, und wandte sich ab.

»Caroline.« Es kostete ihn große Willensanstrengung, ruhig und sachlich zu bleiben. »Willst du selbst jetzt deinem Stolz die Oberhand lassen und meine Hilfe ablehnen?«

Sie sah ihn wieder an, suchte seinen Blick.

Von fern drang ein heller, übermütiger Schrei zu ihnen, ein Laut freudiger Ausgelassenheit, nicht der Furcht. Julian trat ans Fenster und sah seine Schwestern und Henry aus dem Wald kommen. Sie hatten einen Spaziergang gemacht und kehrten nun zurück. Millie und Cassie ließen Henry zwischen sich schaukeln. Er war erst drei; dass sein Vater gestorben war, berührte ihn nicht weiter. Er lebte unbekümmert im Augenblick. Zwei Diener und die Amme folgten ihnen, sie unterhielten sich leise, während sie ein Auge auf die vier hatten.

Julian schaute zu Caroline hinüber. Er war ein ganzes Stück größer als sie; gut möglich, dass sie nicht sehen konnte, was er gerade beobachtete.

Wenngleich er versucht war, sie beim Arm zu packen und ans Fenster zu zerren, bedeutete er ihr nur höflich, näher zu treten. »Du willst wissen, warum ich ein solches Opfer bringe?« Als sie neben ihn trat, zeigte er hinaus. »Darum. Keiner der vier – oder der sieben, wenn wir genau sind – hat das Los verdient, das ihnen unweigerlich bevorstünde, wenn ich nicht tun würde, was getan werden muss. Und es gibt nur diese eine Möglichkeit.«

Er beobachtete sie, wie sie ihren Sohn betrachtete und seine Worte sacken ließ.

Nach einer Weile meinte sie, ruhiger nun, gefasster: »Es gibt wirklich keine andere Möglichkeit?«

Er zögerte. »Der Fluch der Delbraiths hat unsere Familie in diese Bredouille gebracht; da scheint es mir nur rechtens zu sein, dass der Fluch der Delbraiths uns auch wieder daraus befreit.«

»Aber zu welchem Preis?«

»Um jeden Preis. Und letztlich ist das meine Entscheidung, nicht deine.«

Sie schaute noch eine Weile hinaus in den Garten, dann trat ein entschlossener Zug in ihr Gesicht. »Gut, ich bin einverstanden. Ich werde tun, was immer es braucht, um … die Situation zu entschärfen.«

Eine weitere Etappe geschafft. Er atmete kurz auf und wappnete sich dann, um auch das nächste Hindernis zu überwinden, das eine noch größere Herausforderung darstellte. »Und da wir gerade von dem Fluch sprechen, so habe ich eine Bedingung, die nicht verhandelbar ist. Als Gegenleistung für mein Bemühen, die Familie zu retten – dich und Henry eingeschlossen –, erwarte ich von dir, dass er die Wahrheit über seinen Vater erfährt. Ihm soll nicht verborgen bleiben, was geschehen ist und warum.«

»Wie bitte?« Caroline wirbelte zu ihm herum. »Das kann nicht dein Ernst sein! Er ist doch noch ein Kind …«

»Natürlich nicht jetzt. Aber sobald er alt genug ist, es zu verstehen, Fragen zu stellen. Denn das wird er. Und ich möchte, dass seine Fragen ehrlich beantwortet werden. Ich will nicht, dass du den Fluch vor ihm zu verbergen suchst.« Er sah sie ernst an. »Denn ich nehme das alles nicht auf mich, damit du ihn in dem Glauben bestärkst, er könne gegen den Fluch gefeit sein, und er dann sein gesamtes Vermögen wegschmeißt, kaum dass er volljährig ist.« Sie wollte widersprechen, doch Julian deutete mit warnendem Finger auf sie und kam ihr zuvor. »Zudem erwarte ich als sein Vormund, ihn bei meinen Besuchen zu Gesicht zu bekommen und in aller Ruhe mit ihm sprechen zu können. Meinetwegen kannst du gern dabei sein, aber das Reden überlass mir.«

Carolines Miene war wie versteinert. »Nein. Nein, das werde ich nicht …«

»Caroline.« Sein schneidender Ton ließ sie verstummen; er sah sie unverwandt an, als er in schonungsloser Offenheit sagte, was gesagt werden musste. »Weder du noch Mama habt das Unheil bei George erkannt. Wenn du versuchst, Henry zu ‚schützen‘, wirst du denselben Fehler machen wie Mama mit George. Der Fluch ist dadurch nicht gebannt, aber Henry wird alles tun, um ihn zu verbergen. Und du wirst zwangsläufig nichts bemerken. Aber ich werde die Zeichen erkennen, denn ich weiß, wonach ich Ausschau halten muss, und ich kann dir versichern, dass ich ein sehr genaues Auge auf Henry haben werde.« Eindringlich sah er sie an. »Du musst das verstehen, Caroline. Dieser Fluch ist eine reale Bedrohung. Er ist wie eine Erbkrankheit – wenn wir es rechtzeitig erkennen, wenn Henry die Hilfe bekommt, die er braucht, lässt es sich in den Griff kriegen. Wenn wir so tun, als ob nichts wäre, wenn wir seine Versuchung leugnen, wird es ihn heimlich verzehren, so wie George.«

»Und was ist mit dir?«, fragte Caroline mit einem ungläubigen Schnauben. »Kannst du mit deiner Schwäche denn so gut umgehen, dass es dich nicht verzehrt?«

Er schwieg einen Moment und überlegte, was er erwidern sollte. »Meine Schwäche, liebe Caroline, ist in der derzeitigen Situation das Einzige, was dich und Henry vor dem Armenhaus bewahren kann. Daran solltest du denken, ehe du mir zum Vorwurf machst, von unserer Gabe Gebrauch zu machen. Alles hat zwei Seiten. Und wie es aussieht, bin ich der einzige noch lebende Delbraith, der eigene Erfahrungen hat mit dem Fluch. Der weiß, welchen Anfechtungen Henry sich mit den Jahren wird stellen müssen und wie damit umzugehen ist.« Er ließ seine Worte wirken, löste den Blick nicht von ihr und fuhr etwas milder fort: »Ich weiß, dass es schwer für dich ist, das als gegeben zu akzeptieren, aber nach Lage der Dinge bin ich Henrys einzige Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft, sowohl in finanzieller als auch persönlicher Hinsicht.«

Erst als er diese harten Wahrheiten aussprach, wurde ihm bewusst, welche Verantwortung er auf sich nahm.

Aber es musste sein, in diesem Punkt blieb ihm keine Wahl.

Als Caroline nichts erwiderte, nur wie gelähmt dastand und noch verlorener wirkte als zuvor, wandte er sich zum Gehen. An der Tür blieb er stehen und sah sich nach ihr um. »Setz nicht deinen Sohn aufs Spiel, Caroline. Wenn dir an seinem Wohl gelegen ist, tust du, was ich sage.«

Sie trat zum Fenster und gab keine Antwort.

Auch Julian ging ohne ein weiteres Wort.

Eine halbe Stunde später, nachdem er sich von seinen Schwestern und seinem kleinen Neffen verabschiedet hatte, lenkte Julian sein Gespann die Auffahrt hinunter, dann gab er den Pferden die Peitsche und sah zu, dass er so schnell wie möglich zurück nach London kam.

In den frühen Morgenstunden überließ er den Wagen und die völlig erschöpften Tiere einem der Stallburschen und legte das kurze Stück zu seiner Wohnung zu Fuß zurück. Die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, ging er Richtung Duke Street und erlaubte sich zum ersten Mal, über seinen Plan nachzudenken. Während der langen Fahrt hatte er sich jeden Gedanken daran verboten; zu sehr war es ihm wie das Bilanzziehen eines dem Tode Geweihten erschienen.

Bei seiner Unterkunft angekommen, stieg er Stufe um Stufe die Treppe hinauf, steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.

Er trat ein und zog sie leise hinter sich zu.

Und damit war sein Leben als Julian Delbraith abgeschlossen.

1. Kapitel

Zwölf Jahre später

London, Oktober 1823

Miranda Clifford blieb im Schatten einiger Bäume stehen und beobachtete, wie ihr jüngerer Bruder Roderick über eine gepflegte Rasenfläche zielstrebig zu der prächtigen, im Mondlicht weiß schimmernden Villa marschierte.

Sie selbst war zu beiden Seiten von dichtem Gebüsch und alten Bäumen schützend umgeben, die das Haus wie im Schoß von Mutter Natur bargen. Ein leichter Wind ging, ein Lüftchen nur, ein leiser Hauch, der die feinen Strähnen, die sich aus ihrem Chignon gelöst hatten, ihren Nacken kitzeln ließen.

Reglos stand sie da, den Blick auf Roderick gerichtet, der nun ohne Zögern die drei Stufen zur Terrasse hinaufging und durch eine verglaste Tür das Haus betrat. Lautlos schloss die Türe sich hinter ihm.

»Verflixt!« Miranda starrte zu der Tür, als wollte sie ihren Bruder zur Umkehr bewegen. Es war noch schlimmer als befürchtet.

Drei Wochen war es her, seit ihr das erste Mal aufgefallen war, dass Roderick sich spätabends heimlich aus dem Haus stahl. Sie hatte sich damit zu beruhigen versucht, dass derlei nächtliches Treiben bei einem jungen Gentleman von dreiundzwanzig Jahren ganz normal und nicht der Rede wert sei. Andererseits hatte sie besagte dreiundzwanzig Jahre damit zugebracht, ihren Bruder vor Unbill zu bewahren; ihn zu beschützen war ihr in Fleisch und Blut übergegangen, das konnte man nicht einfach von heute auf morgen ablegen. Und weil es ihr so schwerfiel, hatte sie einen Pakt mit sich geschlossen: Einmal wollte sie ihm heimlich folgen, nur um sich zu vergewissern, dass er sich – wohin er auch ging, was immer er tat – nicht in Gefahr begab.

Nicht, dass sie ihm nicht vertraut hätte; sie wollte einfach nur Gewissheit. Wenn sich herausstellte, dass ihre Sorge unbegründet war, würde sie sofort wieder nach Hause gehen, und Roderick bräuchte nie davon zu erfahren.

Vor zehn Minuten war sie ihm daher die dunkle Treppe hinuntergefolgt, durch das nachtschlafende Haus an der Claverton Street, Pimlico, das sie sich mit ihrer Tante teilten. Die Standuhr auf dem Treppenabsatz hatte zwanzig Minuten vor elf gezeigt. Sie war Roderick in das Morgenzimmer gefolgt, über den Rasen und durch das Gartentor, das auf die kleine Gasse hinter dem Haus führte. Ihr nach der neuesten Mode kurz gefasstes Cape fest um sich gezogen und das Retikül an sich gedrückt, hatte sie sich im Schutz der Dunkelheit wie ein Schatten an seine Fersen geheftet. Ihre Verwunderung, dass er sich an die schmalen Durchgänge hielt, statt einfach zur Straße zu gehen, fand nach gut fünf Minuten strammen Fußmarschs eine Erklärung, als Roderick vor einem in eine hohe Mauer eingelassenen Gartentor haltmachte und ohne sich umzusehen hindurch verschwand.

Miranda zögerte kurz, dann folgte sie ihm. Zuerst war ihr nicht bewusst, in wessen Garten sie sich da schlich, doch sowie sie das Haus sah, diesen stattlichen Bau mit all seiner Pracht, wusste sie Bescheid. »Was, zum Teufel, hat er bei Neville Roscoe verloren?« Die Frage enthielt bereits die Antwort. Neville Roscoe war ihr wohl berühmtester, auf jeden Fall aber berüchtigtster Nachbar. Er war Londons unangefochtener Glücksspielkönig und nannte zahlreiche Spielhallen und Clubs sein Eigen, in denen eine durch die Bank gut betuchte, aristokratische Klientel verkehrte. Glücksspiel war das bevorzugte Laster der besseren Gesellschaft, und Roscoe schien ein Meister darin zu sein, den von Gier Getriebenen zu geben, wonach sie verlangten.

Es hieß, er sei dadurch zu einem beachtlichen Vermögen gekommen und verfüge über nicht minder beachtlichen Einfluss in allen Sphären der Gesellschaft. Als leicht anrüchig galt er, aber nicht als kriminell. Ihm war das nebulöse Reich zwischen ton und Unterwelt vorbehalten; den einen Tag verkehrte er mit dem Hochadel, den nächsten mit den Paten der Demimonde und schaffte es doch, sich von keiner dieser Welten vereinnahmen zu lassen.

Im Grunde war Roscoe ein Rätsel und lebte nach seinem eigenen Gesetz.

Er hatte bereits hier gewohnt, in der weißen Villa an der Chichester Street mit Blick über den baumbestandenen Dolphin Square bis hinab zur Themse, als Roderick vor einem Jahr das gleich um die Ecke gelegene Haus an der Claverton Street kaufte. Binnen Tagen nach ihrem Einzug hatte Miranda quasi alles über den berühmt-berüchtigten Nachbarn gewusst.

Mit eigenen Augen gesehen hatte sie ihn indes noch nie, und sie war auch nicht sonderlich erpicht darauf.

»Elender Schuft.« Sie war sich nicht sicher, ob sie Roderick oder Roscoe meinte; dass ihr Bruder sich im Spiel versuchte, war zwar nicht verwunderlich, aber … Ihre Lippen wurden schmal. »Sich mit Roscoe einzulassen, kann er sich nicht leisten.«

Was nicht hieß, dass er sich derlei nicht leisten konnte. Ihr Bruder war ein vermögender junger Mann, der auch auf Roscoes Niveau finanziell mitzuhalten vermochte. Aber sein Reichtum verdankte sich dem Handel, es war kein altes Geld, das über Generationen weitergereicht worden war. Und das, so war es ihr und ihrem Bruder zeitlebens eingebläut worden, hieß, dass sie beide, weit mehr als jene, die von Stand geboren waren, über jeden Zweifel erhaben sein mussten und tadellose Respektabilität zu wahren hatten.

Roderick in Roscoes Haus verschwinden zu sehen hatte sofort den Geist ihrer älteren Schwester Rosalind heraufbeschworen. Sie drei waren als Kinder zu Waisen geworden, und Rosalind war mit Roderick und Miranda bei ihren beiden unverheirateten Tanten aufgewachsen. Rosalind waren dieselben Lektionen, dieselbe unnachgiebige Strenge zuteilgeworden, aber mit sechzehn Jahren hatte sie schließlich begonnen aufzubegehren. Sie war mit fahrendem Volk davongelaufen und zwei Jahre später ausgezehrt und am Ende ihrer Kräfte zurückgekehrt.

Rosalinds Tod war ebenso tragisch wie der ihrer Mutter, die einst mit ihrem Vater durchgebrannt war, einem Fabrikantensohn. Und beides sollte ihnen ständige Ermahnung sein: Wann immer jemand aus ihrer Familie den schmalen Pfad der Tugend und Respektabilität verließ, waren Ruin und ein früher Tod die Folgen. Miranda wollte weder, dass Roderick jung sein Leben ließ, noch wollte sie, dass seine Zukunft eine anderweitig tragische Wendung nahm. Stillschweigend nach Hause zu gehen und ihn seinem Schicksal zu überlassen, das kam somit nicht infrage.

Im Schutz der Dunkelheit pirschte sie sich über den Rasen zum Haus und besagter Tür. Im Geiste malte sie sich aus, welche Ausschweifungen sie dahinter finden würde – ihre Fantasie reichte von hochriskantem, ruinösem Spiel bis zu … Orgien? Ihre Vorstellung einer Orgie war recht begrenzt, aber nach allem, was sie gehört hatte, durchaus wahrscheinlich. Frauen gehörten bei Roscoes Veranstaltungen ganz selbstverständlich dazu; seine Clubs waren bekannt für das zahlreich vertretene weibliche Personal.

Wenn ich Glück habe, kann ich mich unbemerkt daruntermischen – zumindest bis ich Roderick gefunden habe. Sie wirkte erfahren genug, das war einer der Vorteile, die erste Blüte hinter sich zu haben. Auf der Terrasse angekommen, sah sie an ihrem violettblauen Promenadenkleid hinab, das sie unter dem Cape trug. Abendgarderobe war es nicht gerade, aber elegant genug, sie als Angehörige der Oberschicht auszuweisen. Jetzt, da sie schon mal hier war, würde sie keinen Rückzieher machen. Sie wollte ja bloß bleiben, bis sie Roderick gesichtet hatte und er sie; das sollte genügen, um ihn zur Besinnung zu bringen. Und dann würde er sie nach Hause begleiten – so wie es sich gehörte.

Mit zwei Schritten war sie bei der Tür, öffnete sie und trat ein. Vor ihr erstreckte sich ein dunkler Korridor. Erst als sie die Türe leise hinter sich schloss, fiel ihr auf, wie seltsam still es war. Auch dass das Haus quasi im Dunkeln lag, war merkwürdig. Vom Garten aus hatte sie die gesamte Rückfassade überblicken können, doch in keinem der Fenster hatte ein Licht gebrannt, nichts deutete auf eine Feier hin, nicht einmal auf eine der gediegenen Art. Sämtliche ihrer Sinne hellwach, blieb sie an der Tür stehen und versuchte sich erst einmal zu orientieren.

Da das Grundstück zur Chichester Street hin abfiel, befand sich der rückwärtige Garten in erhöhter Lage und sie sich somit im ersten Stock und nicht im Erdgeschoss, das nach vorn zur Straße hinausging. Vermutlich wurde die Geselligkeit in einem der Empfangsräume eine Etage tiefer abgehalten. Sie spitzte die Ohren und lauschte, konnte aber nicht einmal gedämpfte Geräusche vernehmen.

Leicht irritiert begann sie, den langen Korridor hinabzugehen. Wenn Roderick durch diese Tür ins Haus gelangt war, musste auch er diesen Weg genommen haben, denn einen anderen gab es nicht, sah man von vereinzelten Räumen ab, die links und rechts des Flurs abgingen und hinter deren verschlossenen Türen es gleichfalls dunkel und still war. Mit jedem Schritt wurde Miranda ihrer Umgebung mehr gewahr. Es herrschte eine erstaunlich gediegene Atmosphäre, alles schien solide und geschmackvoll zu sein. Alt war das Haus indes nicht; es hieß, Roscoe habe es nach seinen Vorstellungen erbauen lassen. Vielleicht erklärte das die hochwertige Ausstattung, die sie im Halbdunkel mehr erahnte denn sah. Jede Linie, jede Form zeugten von zurückhaltender Eleganz, ergänzt nur von einem Hauch Luxus in Draperie und Dekor. Ihr blieb keine Zeit, stehen zu bleiben und sich umzusehen, aber die gerahmten Gemälde an den Wänden bemerkte sie dennoch. Es schienen Originale zu sein – und von recht namhaften Künstlern noch dazu.

Sie fragte sich, ob die solide Bauweise des Hauses die seltsame Stille erklärte. Vielleicht schluckten auch Teppiche und Draperien jeden Laut. Der über den Flur gespannte Läufer war zumindest so dick, dass sie schier bis zum Knöchel darin versank und ihre eigenen Schritte nicht mehr hörte.

Im vorderen Teil des Hauses angelangt, öffnete der Korridor sich auf eine halbrunde Galerie, in deren Mitte sich die Haupttreppe befand. Miranda blieb stehen und sah sich um. Drei weitere Gänge führten auf die Galerie, aber noch immer war kein Mucks zu hören. Auch brannte nirgends Licht; der Raum wurde von fahlem Mondschein erhellt, der durch die hohe Glaskuppel des Treppenhauses fiel und ein großes Fenster direkt gegenüber, das einen Blick auf die Baumwipfel des Dolphin Square bot und dahinter den silbern schimmernden Fluss.

Gegenüber, unter besagtem Fenster, wand sich die Treppe in einem weiten, eleganten Schwung nach unten.

Sie fasste sich ein Herz und beschloss, nach unten zu gehen, und dort, am Kopf der Treppe, hörte sie auch endlich gedämpfte Stimmen, dem Vernehmen nach ausschließlich Männer. Sie mussten irgendwo im Erdgeschoss sein, aber noch ein ganzes Stück entfernt, irgendwo in den Tiefen des Hauses.

Hufschlag auf dem Straßenpflaster ließ sie sich zum Fenster umdrehen. Sie schaute hinaus und sah einen elegant gekleideten Gentleman aus einer Droschke steigen. Nachdem er den Fahrer bezahlt hatte, ging er hinauf zum Haus.

Sie kannte den Mann nicht, aber sein Aufzug, sein ganzes Auftreten ließen vermuten, dass er den besseren Kreisen der Gesellschaft angehörte.

Ein Klingeln hallte im Haus wider, auf das fast unverzüglich die gemessenen Schritte des Butlers im Vestibül zu hören waren. Miranda überlegte, ob sie an die Treppe treten sollte, von wo aus sie gut nach unten hätte schauen können, aber die Gefahr, entdeckt zu werden, war zu groß. Also blieb sie, wo sie war, und lauschte.

»Guten Abend, Mylord.«

»Guten Abend, Rundle.« Der Besucher trat ein, die Tür wurde geschlossen. »Ich bin spät dran, fürchte ich. Sind die anderen schon da?«

»Ja, Mylord, aber der Herr lässt auch noch auf sich warten.«

»Ausgezeichnet.« Unten schien der Gast Mantel, Hut und Handschuhe sowie seinen Stock abzulegen. »Dann dürfte ich ja nichts verpasst haben.«

»Vermutlich nicht, Mylord.«

»Findet die Sitzung wie immer in der Bibliothek statt?«

»Jawohl, Mylord.«

»Machen Sie sich keine Umstände, Rundle – ich kenne den Weg.«

»Danke, Mylord.«

Zwei Paar Schritte verließen die Halle in unterschiedlicher Richtung. Im Nu war Miranda zur Treppe geeilt – aber sie kam zu spät, um zu sehen, welcher der Männer wohin gegangen war. Allerdings schwang eine Tür am Ende der Halle noch nach, durch die vermutlich der Butler in den hinteren Teil des Hauses verschwunden war. Was wiederum hieß, dass es die Schritte des Besuchers waren, die in dem Gang linker Hand verklangen, wo sich dann die Bibliothek befinden dürfte, in der besagte »Sitzung« stattfand.

Nachdem sie einmal tief Luft geholte hatte, streckte sie die Hand nach dem Geländer aus und …

Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, eine Ahnung, dass etwas nicht stimmte.

Sie verharrte reglos … wartete, lauschte. Zwar hatte sie niemanden kommen hören, aber sie hatte ja selbst erlebt, wie lautlos man sich hier bewegen konnte, selbst wenn man es nicht darauf anlegte. Ihre Sinne, zuvor ganz auf die Vorgänge in der Halle gerichtet, warnten sie mit einem Mal, dass jemand hinter ihr stand – und zwar ganz nah.

Der Atem stockte ihr, das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich ganz langsam umdrehte … und ihr Blick auf eine tadellos gebundene Krawatte aus cremefarbener Seide fiel.

Roscoe sah, wie ihre Augen sich weiteten, als sie den Blick hob, um ihm ins Gesicht zu schauen. Sie hatte schöne Augen, aber er versagte sich ein Lächeln. »Kann ich Ihnen helfen, Miss …?«

Sie antwortete nicht sofort, aber er machte nicht den Fehler, zu glauben, dass sie vor Schreck wie gelähmt sei; im Gegenteil, in ihren Augen blitzte recht lebhaftes Kalkül auf, während sie überlegte, was sie erwidern solle. Von zarter, anmutiger Gestalt mochte sie sein, aber er hatte reichlich Übung darin, Menschen auf den ersten Blick einzuschätzen. Ein Blick in ihr Gesicht reichte ihm. Eine stille Kraft und Entschlossenheit sah er darin, die sich deckten mit der aufrechten Haltung und dem geschmeidigen Gang, die ihm schon aufgefallen waren, als er sie über die Galerie hatte gehen sehen. Keine Frage, mit welcher Art junger Dame er es zu tun hatte.

Resolut und bestimmt war sie und, wenn ihr etwas am Herzen lag, auch unerbittlich.

Folglich überraschte es ihn auch nicht, dass sie nach dem ersten Schreck nicht mal mit der Wimper zuckte, sich zu ganzer, durchaus überdurchschnittlicher Größe aufrichtete und recht hochmütig meinte: »Ich bin Miss Clifford.«

Diese Mitteilung erwischte ihn dann doch kalt, auch wenn er sich natürlich nichts anmerken ließ.

Ihr Blick wanderte abwärts und fiel auf das Kontenbuch, das er in der Hand hielt. Sie zog die fein geschwungenen Brauen zusammen. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

Ihr Ton machte keinen Hehl daraus, dass sie ihn für eine Art Sekretär oder Verwalter zu halten schien. Entgegen seiner Absicht zuckte nun doch ein belustigtes Lächeln um seine Lippen. »Ich bin der Besitzer dieses Etablissements.«

Anscheinend jagte ihr das einen größeren Schreck ein, als ihn plötzlich hinter sich stehen zu sehen. Sie starrte ihn an, wie vor den Kopf geschlagen, und rang merklich nach Worten. »Sie sind Roscoe?«

Er konnte sich denken, was sie über ihn gehört hatte; ein Grund mehr, sie noch etwas weiter in Verwirrung zu stürzen. Er verneigte sich vor ihr mit all der Eleganz, die ihm einst selbstverständlich gewesen war. »Dann willkommen in meinem bescheidenen Quartier, Miss Clifford, auch wenn ich mich frage, was Sie herführt.«

»Bescheidenes Quartier?« Sie hatte eine tiefe, samtene Altstimme, die sehr gut zu seinem ersten Eindruck von ihr passte. Ihr Blick schoss hinüber zu den drei Gemälden, die entlang der Galerie hingen – zwei Gainsboroughs und ein Reynolds –, dann auf die Tapisserie hinter ihm. »Für einen Glücksspielkönig haben Sie einen recht erlesenen Geschmack, Sir.«

Schön, dass es ihr aufgefallen war, aber so leicht ließ er sich nicht ablenken. »Allerdings. Meine Frage beantwortet das nicht.«

Miranda war derweil mit einer ganz anderen Frage befasst: Wie sollte sie hier ohne auch nur den Ruch eines Skandals wieder herauskommen? Ein Problem, das ihrer ganzen Verstandeskraft bedurfte, und was davon noch übrig war, war gründlich durcheinander. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung von Roscoe gehabt, aber so hätte sie ihn sich nicht mal in ihren kühnsten Träumen vorgestellt.

Er war groß – deutlich größer als sie, und sie war nicht klein –, aber Brust, Schultern und seine langen, muskulösen Glieder fanden sich in so perfekter Proportion, dass der Gesamteindruck anmutiger Eleganz einem glatt den Atem rauben konnte. Auch seine Garderobe war nicht das, was man von einem Glücksspielkönig erwartet hätte – in dem tadellos geschnittenen dunklen Rock über einer in gedecktem Blau, Grau und Schwarz gestreiften Weste mit schlichten schwarzen Knöpfen, cremeweißem Hemd, besagter Krawatte, exquisit gebunden, und schwarzen Breeches hätte er in den allerbesten Kreisen reüssiert und immer noch eine bessere Figur abgegeben als die meisten anderen Gentlemen.

Jede seiner Gesten, seiner Bewegungen, der Klang seiner Stimme … sie hätte nicht zu sagen gewusst, was für ein Mann er letztlich war, aber ein Blick in sein markantes Gesicht, seine dunklen Augen, die sie so ruhig und unverwandt ansahen, sein scharf geschnittenes Kinn und die Patriziernase, das alles gab ihr die Gewissheit, dass Vorsicht geboten war. Mehr noch, er erschien ihr gleich in vielfacher Hinsicht gefährlich, ohne dass sie hätte sagen können, woran sie bei ihm war.

Kurzum: Der Mann war ihr ein Rätsel.

Mit Männern wie ihm hatte sie keine Erfahrung, aber nachdem sie nun in dieser Klemme steckte, konnte er ihr vielleicht auch wieder heraushelfen. Sie reckte das Kinn noch ein wenig höher und hielt sich an ihren Hochmut. »Ich bin hier, um meinen Bruder zu retten.«

Langsam zog er eine seiner dunklen Brauen nach oben. »Retten?«

Eine unausgesprochene Warnung schwang darin mit; sie ignorierte es. »Genau. Sie können der besseren Gesellschaft gar nicht so fern sein, als dass Sie nicht wüssten, wie ruinös es für meinen Bruder wäre, würde bekannt, dass er mit jemandem Ihrer … Neigungen verkehrt.«

Seine Miene blieb unergründlich. Er ließ einen Augenblick verstreichen, dann sagte er nur: »Meine … Neigungen?«

Nein, sie würde sich nicht einschüchtern lassen. »Ihre Geschäfte. Ihr zwielichtiges Tun.« Sie warf einen vielsagenden Blick in die Halle. »Ich weiß zwar nicht genau, welchem Vergnügen Sie und Ihre Gäste sich an diesem Abend hingeben, aber wenn Sie so nett wären, Mr. Clifford auszurichten, dass ich hier bin und er mich nach Haus begleiten möge, dann werden weder er noch ich Sie künftig behelligen.«

Statt ihrer Bitte auch nur ansatzweise nachzugeben, sah er sie weiter an, die dunklen Augen – sie konnte nicht erkennen, welche Farbe sie hatten, ging aber nicht davon aus, dass sie schwarz waren – prüfend auf ihr Gesicht, ihre Augen gerichtet. Seine Miene gab nichts preis, war völlig unergründlich.

»Sagen Sie mir doch bitte eins, Miss Clifford«, meinte er schließlich, und seine tiefe Stimme ging ihr durch Mark und Bein, »was glauben Sie, welche Unterhaltung ich meinen … Bekannten in der Privatsphäre meines Zuhauses biete?«

Ja, ja, sie hätte nicht unbefugt in sein Haus eindringen dürfen, aber sie würde einen Teufel tun und sich von einem Glücksspielkönig über Recht und Unrecht belehren lassen. »Das weiß ich nicht, und es interessiert mich auch nicht, aber zweierlei kam mir in den Sinn, als ich Roderick dieses Haus betreten sah: entweder eine private Glücksspielrunde oder aber eine Orgie. Ganz gleich, worum es sich handelt, ich glaube nicht, dass es im Interesse meines Bruders ist, daran teilzuhaben. Wie ich überhaupt glaube, dass der Umgang mit Ihnen nicht zu seinem Vorteil sein wird.«

Seine schweren Lider senkten sich kurz, ehe er sie wieder ansah. »Wollen Sie mich beschuldigen, Ihren Bruder zu verderben, Miss Clifford?«

Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper ob seines leise drohenden Tons. »Tun Sie das denn?«

»Nein.« Aber sie war keineswegs die erste Dame, die ihn dessen bezichtigte; und vielleicht war es dieses Echo aus längst vergangenen Zeiten, das Roscoe veranlasste, sie eines Besseren zu belehren. Er wollte ihr beweisen, dass sie unrecht hatte, ihr zeigen, dass sie sich in ihm täuschte. Und er wollte noch heute eine Entschuldigung von ihr hören.

Normalerweise war er nicht so empfindlich, es war ihm gleich, was die Leute von ihm dachten. Im Grunde begriff er selbst nicht, was ihn ritt, warum sie, diese Dame, der er nie zuvor begegnet war, ihn an so heikler Stelle treffen konnte. An einer Stelle, die noch immer schmerzte, trotz allem …

»Ich würde vorschlagen, Miss Clifford, dass Sie mit mir kommen.« Er trat zurück und bedeutete ihr, ihm in den Korridor am Ende der Galerie zu folgen.

Argwöhnisch starrte sie ihn an. »Warum? Ich kann genauso gut hier warten, während Sie Roderick holen.«

»Glauben Sie wirklich, ich würde Ihren Bruder derart blamieren?« Er setzte sich in Bewegung und ließ sie einfach stehen.

Eins, zwei, drei Schritte wartete sie ab … dann schnaubte sie gereizt und setzte sich in Bewegung. »Wohin gehen wir?«

»An einen Ort, von dem aus Sie unser Treiben genau verfolgen können, ohne dass einer meiner Gäste auch nur etwas davon bemerkt.«

»Nein!« Sie blieb stehen.

Als er einfach weiterging, musste sie sich beeilen, um ihn einzuholen. Mit hochmütiger Miene und etwas außer Atem fügte sie hinzu: »Ich … ich brauche mir das nicht anzuschauen – wirklich nicht.«

»Oh doch.« Er verzog keine Miene, doch innerlich grinste er. Sie würde sich noch wundern!

Vor einer schmalen, in das Holzpaneel eingelassenen Tür blieb er stehen und wandte sich nach ihr um. »Sie müssen eine wirklich blühende Fantasie haben, wenn Sie glauben, ich würde in meiner Bibliothek Orgien abhalten.«

Sie stutzte. »Ach ja?«

»Ja. Vertrauen Sie mir, in meiner Bibliothek finden keine Orgien statt. Das Schlimmste, worauf Sie sich gefasst machen müssten, wären acht Männer beim Glücksspiel, aber heute kann ich nicht einmal damit dienen.« Er suchte ihren Blick, sah sie herausfordernd an. »Sie sind Ihrem Bruder gefolgt, weil Sie wissen wollten, was ihn herführt – die Antwort findet sich hinter dieser Tür. Werden Sie jetzt kneifen und das Weite suchen, oder haben Sie den Mut, sich der Wahrheit zu stellen?«

Wenn er ehrlich war, amüsierte er sich königlich, und aller Anstrengung zum Trotz schien er es nicht völlig verbergen zu können. Mit schmalen Augen sah sie ihn an, schürzte die Lippen, schließlich nickte sie. »Na schön. Ich bin bereit.«

Er öffnete die Tür und winkte sie herein.

Hoch erhobenen Hauptes trat sie über die Schwelle. Erneut gelangten sie auf eine Galerie, die einmal ganz um die sich über zwei Geschosse erstreckende Bibliothek lief.

Sie hielt sich dicht im Schatten der von Büchern gesäumten Wände und blickte hinab auf die sieben Gentlemen, die in der Mitte des Raums um einen Tisch saßen. Geschäftsbücher und Notizen lagen bereit, und alle schienen darauf zu warten, dass der Herr des Hauses sich einfand und die Sitzung eröffnete. Derweil vertrieben sie sich die Zeit mit dem für ihresgleichen üblichen Geplänkel und höflicher Plauderei.

Die Galerie war mit einem dicken Teppich ausgelegt, der es ihm und Miss Clifford erlaubte, sich lautlos und unbemerkt zu bewegen. Er stellte einen Sessel dicht ans Geländer und bedeutete ihr, sich zu setzen.

Sie zögerte, huschte dann doch nach vorn und nahm Platz. Er wartete, bis sie sich Rock und Cape gerichtet hatte, dann beugte er sich über sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Solange Sie nicht aufstehen, kann man Sie von unten nicht sehen. Und wenn Sie ganz leise sind, wird man Sie nicht hören. Aber Sie können von hier oben alles beobachten und jedes einzelne Wort verstehen, das unten am Tisch gesprochen wird.«

Miranda unterdrückte die heftigen und äußerst beunruhigenden Empfindungen, die es ihr bescherte, seine Stimme so nah zu hören, seinen Atem zu spüren, der sich in den feinen Härchen an ihrem Nacken verfing. Stattdessen spitzte sie die Ohren und versuchte, sich auf das Gespräch bei Tisch zu konzentrieren, und musste feststellen, dass er recht hatte. Die Galerie war akustisch perfekt gelegen, ein richtiger Lauschposten; sie konnte ohne Mühe verstehen, was gesagt wurde, obwohl die Männer recht leise sprachen.

Roscoe stand noch immer über sie gebeugt, und sie war sich seiner Nähe bewusst; die Kraft und die Wärme, die von ihm ausgingen, ein feiner, angenehmer Geruch – alles bestürmte ihre Sinne, wenn er ihr so nah war. Sie schluckte und musste sich anstrengen, ein Nicken zuwege zu bringen.

Zufrieden richtete er sich auf und wandte sich zum Gehen, kam dann noch einmal zurück und beugte sich erneut über sie, flüsterte ihr wieder so betörend ins Ohr. »Wir nennen uns übrigens die Philanthropische Gilde.«

Und noch ehe sie seine Worte ganz begriffen hatte, war er auch schon zur Tür hinaus.

Roscoe setzte sich zu den anderen Gildenmitgliedern, entschuldigte sich, dass er sie hatte warten lassen, dann eröffnete er die Sitzung und versuchte sich aufs Geschäftliche zu konzentrieren.

Die Organisation der Philanthropischen Gilde war im Grunde ganz einfach. Sie führten gemeinnützige Projekte durch, die jeweils von einem der Mitglieder geleitet wurden. Bei jedem Treffen wurde über die gemachten Fortschritte berichtet und nach Lösungen für etwaige Probleme gesucht. Normalerweise fanden sie sich einmal im Monat zusammen, aber da sie in letzter Zeit einige neue Vorhaben angegangen waren – zwei Projekte waren abgeschlossen und durch neue ersetzt worden, Roderick war erst kürzlich zu ihnen gestoßen und bedurfte noch einer gewissen Anleitung –, hatten sie die Frequenz ihrer Sitzungen vorübergehend erhöht.

Die Projekte wurden durch einen Fonds finanziert, der von einem peniblen Pfennigfuchser von Anwalt verwaltet wurde. Jeder steuerte so viel bei, wie er konnte oder wollte, doch ein geforderter Mindesteinsatz von fünftausend Pfund im Jahr sorgte dafür, dass der Kreis der Mitglieder exklusiv und überschaubar blieb.

Ro Gerrard, Viscount Gerrard, war das erste reguläre Mitglied gewesen. Ro hätte auch einen hervorragenden Spieler abgegeben, doch hatte es ihm nie im Blut gelegen. Sein wendiger Verstand und das Händchen für Zahlen und Erfolgschancen erwiesen sich bei mehr dem Allgemeinwohl dienenden Unternehmungen jedoch als ebenso nützlich. Als er den Markt nach geeigneten wohltätigen Zwecken sondiert hatte, war er auf Roscoe gestoßen. Nach der ersten Überraschung hatte Ro getan, was er immer tat: Er hatte Fragen gestellt, Vorschläge gemacht und schließlich so lange gedrängt, bis auch Roscoe einsah, dass es nur vernünftig wäre, wenn sie sich zusammentaten, um mit vereinten Kräften das Gute zu fördern.

Aus diesem bescheidenen Anfang war schließlich die Gilde erwachsen.

»Unsere jungen Damen scheinen gut auf Mrs. Canterburys Unterrichtsmethoden anzusprechen«, erstattete Sebastian Trantor Bericht, auch er noch ein Neuling, der sich ihnen nach seiner Heirat mit Ros Schwägerin angeschlossen hatte. Er betreute eine von der Philanthropischen Gilde finanzierte Schule in Lincoln, die Waisenmädchen die Möglichkeit bot, sich zu Schreibkräften ausbilden zu lassen.

Danach berichtete Roderick über sein Projekt, eine kleine Gemeindeschule in Battersea, keine allzu komplexe Aufgabe, die gut geeignet war, erste Erfahrungen zu sammeln. »Ich bin nicht ganz glücklich mit einigen der Lieferanten, von denen die Schule auch weiterhin Materialien beziehen möchte. Meiner Ansicht nach sollten wir an unserem Prinzip festhalten, Vetternwirtschaft zu vermeiden und Lieferanten, die in verwandtschaftlicher Beziehung zu den Schulleitern stehen, nur dann zu nutzen, wenn es keine Alternativen gibt.«

»Hört, hört«, meinte Max Gillard. »Sehr weise gesprochen. Das war eine unserer ersten Regeln, die uns seitdem nicht nur viel Ärger, sondern auch einiges an Kosten erspart hat.«

Roderick nickte. »Ich werde noch einmal mit Amtmann Hendricks sprechen.«

»An deiner Stelle«, mischte sich Roscoe ein, »würde ich mich ganz im Vertrauen an Father … O’Leary, oder? … wenden. Er sitzt im Schulausschuss, und auch wenn ihm ein solches Ausschlusskriterium vermutlich nicht nötig erscheint …« Roscoe lächelte zynisch in die Runde. »… sollte ein kleiner Hinweis, dass die Gilde nur Projekte finanziert, die sich an diese Regeln halten, genügen, damit er den Ausschuss von unserem Anliegen überzeugt. Wozu sich damit aufhalten, dir den Mund fusselig zu reden, wenn er das für dich übernehmen kann.«

»Das sehe ich genauso«, pflichtete Hugh Bentley ihm bei und wandte sich an Roderick. »Letztlich wollen wir nicht nur, dass sie sich an unsere Vorgaben halten, sondern ihnen auch das Gefühl vermitteln, sie wären selbst auf die Idee gekommen.«

Roderick grinste und machte sich Notizen.

So ging es reihum weiter, bis auch Roscoe den Fortschritt seines laufenden Projekts schilderte – eine Schule, die Jungen aus den Elendsquartieren am Hafen immerhin so viel beizubringen versuchte, dass sie sich später auf den Werften ausbilden lassen konnten. Dazu kooperierte die Gilde bereits mit den Werftbesitzern, die ein Mitspracherecht beim Lehrplan hatten und später auch über die Anstellung in Lohn und Brot entschieden.

Als zuletzt auch noch Hugh – Lord Hugh Bentley, der zweitgeborene, doch deutlich begabtere Sohn des Duke of Raythorne – das Wort ergriff und Rapport erstattete, begann Roscoe sich allmählich zu entspannen. Er lehnte sich zurück und fragte sich, was sein ungebetener, argwöhnischer Gast oben auf der Galerie wohl von alldem hielt.

Von den acht um den Tisch versammelten Männern, entstammten sieben – Ro, Sebastian, Marvin Grayle, Edward Bremworth, Hugh, Max und er selbst – alten Adelshäusern. Die einzige Ausnahme war Roderick. Zwar stellte eine adelige Abstammung keine Bedingung dar, um in die Gilde aufgenommen zu werden, aber Tatsache war nun einmal – von rühmlichen Ausnahmen wie Roderick abgesehen –, dass ein Großteil des für wohltätige Zwecke verfügbaren Geldes in den Händen des Adels lag.

In Gedanken bei seiner heimlichen Beobachterin, hätte Roscoe zu gern gewusst, ob sie schon vor Scham im Boden versank. Er wusste zwar nicht, warum Roderick seiner Familie nichts von seiner Mitgliedschaft in der Gilde erzählt hatte, aber wenn er jetzt diese überbehütende große Schwester bedachte und dazu die Tatsache, dass Roderick immerhin schon dreiundzwanzig war und über ein beträchtliches Vermögen verfügte, konnte er verstehen, dass Roderick endlich einmal etwas ganz für sich allein hatte machen wollen. Ein Befreiungsschlag sozusagen.

Trotz des Altersunterschieds von fünfzehn Jahren und der damit einhergehenden Lebenserfahrung, die ihn und Roderick voneinander trennten, konnte Roscoe ein solches Bestreben nur zu gut nachvollziehen.

Ob die feine Miss Clifford das auch so sah, war indes eine andere Frage.

Miranda verfolgte die Sitzung mit angehaltenem Atem.

Die Stimmen der Männer drangen klar und deutlich zu ihr, und mit jedem Wort sank sie tiefer in einen Abgrund aus Scham und Selbstkasteiung.

Aber wie hätte sie das auch ahnen können?

Noch ehe Roscoe unten in der Bibliothek aufgetaucht war und am Tisch den Vorsitz eingenommen hatte, war sie schon über den gesellschaftlichen Rang der anwesenden Gentlemen im Bilde gewesen. Zwar schienen sie einander gut genug zu kennen, um einen freundschaftlichen Umgang zu pflegen und sich mit Namen statt mit Titeln anzureden, aber in scherzhaften Bemerkungen war hin und wieder ein »Lord« oder einmal auch ein »Viscount« gefallen.

Das hatte sie aufhorchen und genauer hinsehen lassen, und bei näherer Betrachtung erschienen ihr Gesichter und Habitus der Herren durchaus aristokratisch – was im Übrigen auch für Roscoe galt, nun, da sie ihn bei Lichte betrachten konnte. Ohne jeden Zweifel stammten solche Züge von noblen Vorfahren ab, auch wenn in seinem Falle besagte Vorfahren sich vermutlich abseits des Stammbaums vergnügt hatten.

Und doch, dieses Gesicht … es schlug sie mühelos in seinen Bann. Während sie sich die verschiedenen Berichte anhörte und daraus ihre Schlüsse zog, ruhte ihr Blick indes nicht auf den jeweils Rapport erstattenden Herren, sondern auf Roscoe. Weil er kein einziges Mal den Blick hob, um zur Galerie hinaufzuschauen, ließ er es ihr frei, ihre stetig wachsende Neugier zu befriedigen und ihn eingehend – prüfend, fragend – zu betrachten.

War er ihr zuvor ein Rätsel gewesen, so war er es nun noch mehr.

Zudem bekam sie nicht oft Gelegenheit, einen Mann, noch dazu jemanden seines Kalibers, so ungehindert, ja fast schamlos beobachten zu können. Einen Mann, der all das verkörperte, wovor man sie zeitlebens in den höchsten Tönen gewarnt hatte.

Er sah gut aus, wenngleich nicht auf die hübsche, gefällige Art, dazu war er zu alt. Eine Abgeklärtheit, die von Erfahrung sprach, stand ihm ins Gesicht geschrieben, die seinen markanten Zügen eine gewisse Härte verlieh. Seine Lippen waren fein geschwungen, doch spielte oft ein zynisches Lächeln darum, während die schweren Lider über seinen dunklen Augen – über deren Farbe sie sich noch immer nicht im Klaren war – und seine oft ausdruckslose Miene auf Distanziertheit und einen gewissen Ennui hindeuteten, wenn nicht gar einen Überdruss an der Welt.

Sein Gesicht mit dieser Ahnung verborgener Stärke und einer in sich zurückgezogenen Persönlichkeit kam ihr schon interessant genug vor, aber wie faszinierend fand sie erst seinen Körper! Bereits auf der Galerie hatte er sie beeindruckt, aber ihn nun dem Vergleich mit den anderen Männern unterziehen zu können weckte noch größeren Gefallen an seiner hochgewachsenen Gestalt, seiner langgliedrigen Eleganz.

In seinen Bewegungen verbanden sich Kraft und Anmut, eine Mischung, die sie unwiderstehlich fand. Allein, wie er sich in seinem Stuhl zurücklehnte, um einem der anderen Gentlemen zuzuhören! Sie konnte sich kaum sattsehen an dieser Pose, dieser lässigen Noblesse eines Mannes in den besten Jahren, der mit sich und seinem Körper im Reinen war.

Erst als die Sitzung beendet wurde und er sich erhob, um mit den anderen die Bibliothek zu verlassen – noch immer ohne auch nur einen Blick in ihre Richtung zu werfen –, konnte sie sich aus seinem Bann befreien und ihre Gedanken wieder anderem zuwenden.

Wie beispielsweise der Frage, was sie aus dem soeben Gehörten folgern sollte. Denn ganz gleich, wie sie die Sache sehen mochte, war ihr nun ziemlich deutlich geworden, dass es Anmaßung, wenn nicht gar eine Unverschämtheit gewesen war, Roscoe zu bezichtigen, er habe einen schlechten Einfluss auf Roderick. Weit gefehlt – das Gegenteil war der Fall. Sie würde sich entschuldigen müssen.

Eine tiefe, aufrichtige Entschuldigung war angezeigt.

Sie seufzte still. Roscoe mochte zweifelhafter Herkunft und Londons berühmt-berüchtigter Glücksspielkönig sein, aber unter der harten Schale, dem kühl distanzierten, machtbewussten Äußeren, verbarg sich ein feinsinniger, fürsorglicher Mann. Ein Mann, der ihren Beifall verdient hätte, nicht ihren Argwohn.

Ein Gentleman mochte er nicht sein, wurde aber als solcher von den Peers akzeptiert. Niemand schien sich an seiner dubiosen Herkunft oder seiner Reputation zu stören, und solange Roderick in seiner Verbindung zu ihm Diskretion wahrte, wollte ihr beim besten Willen kein Grund einfallen, warum sie dagegen vorgehen sollte. Roderick würde kein Schaden daraus entstehen, wenn er mit Roscoe in dessen Funktion als Vorsitzender der Philanthropischen Gilde Umgang pflegte. Tatsächlich könnte er noch das ein oder andere von Londons Glücksspielkönig lernen, was ihm nur zum Vorteil gereichen sollte – auch wenn diese Vorstellung ein wenig gewöhnungsbedürftig war.

Gewiss, es mochte seltsamere Gemengelagen geben, aber so auf die Schnelle wollte ihr keine einfallen.

Mein Gott, welche Blamage. Kurz war sie versucht, sich ganz feige davonzustehlen, die Galerie zu verlassen, während Roscoe seine Gäste verabschiedete, auf demselben Weg zu verschwinden, auf dem sie gekommen war, und heimwärts zu eilen … Aber nein, so war sie nicht. Oder vielmehr, so wollte sie nicht sein. Sie war ungebeten in sein Haus gekommen und hatte ihn beleidigt, er hingegen hatte sie als stille Beobachterin an diesem Treffen teilhaben lassen, das sie so viel gelehrt hatte, nicht zuletzt alles, was sie über Rodericks jüngstes Vorhaben wissen musste.

Statt um ihren Bruder zu bangen, konnte sie stolz auf ihn sein.

Und beides – dass ihr die Sorge genommen war und sie Roderick mit neuer Anerkennung begegnen konnte – verdankte sie Roscoe, weshalb es nur recht war, sich auch ihrerseits mit der einem Gast gebührenden Rücksicht und Höflichkeit zu verhalten und auf ihn zu warten, damit er sie hinausbegleiten konnte.

Zumal sie sich ja noch entschuldigen wollte, so wenig es ihr auch behagte.

Fünf Minuten später öffnete sich die Tür zur Galerie, und da stand er, ihr irritierender Gastgeber, er füllte den schmalen Durchgang fast aus und sah sie nur an, als wäre es an ihr, das Wort zu ergreifen.

Sie seufzte leise, fasste sich ein Herz und stand auf, erwiderte seinen Blick erhobenen Hauptes. »Ich muss mich entschuldigen, Mr. Roscoe. Offenbar bin ich gleich einigen Trugschlüssen erlegen – sowohl was Sie als auch meinen Bruder anbelangt. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie es mir gestattet haben, die Wahrheit zu erfahren.«

Auch wenn Roscoe keine Miene verzog, so war er doch überrascht. Seiner Erfahrung nach taten sich Damen mit festen Überzeugungen, und als solche erschien ihm Miss Clifford, schwer damit, ihre Ansichten zu ändern oder gar Fehler einzuräumen. Doch ein Blick in ihr Gesicht genügte, in ihre schönen braunen Augen, und er fand nur reine, ernste Aufrichtigkeit.

Rodericks Schwester schien zu den wenigen Frauen zu gehören, die auch stark genug waren, einen Fehler zuzugeben.

Er neigte höflich den Kopf. »Keine Ursache.« Eigentlich hatte er damit gerechnet, sie eine halbe Stunde triezen zu müssen, bis er ihr eine halbherzige Entschuldigung entlockt hätte – denn ohne wollte er sich nicht zufriedengeben –, aber sie hatte ihm den Wind aus den Segeln genommen, und natürlich konnte er sich jetzt nicht enttäuscht zeigen. »Meine Bekannten nennen mich einfach nur Roscoe«, fügte er hinzu.

Warum er das noch gesagt hatte, wusste er selbst nicht genau, doch erschien es ihm angemessen. Er trat beiseite. »Kommen Sie, ich bringe Sie jetzt nach Hause.«

Sie hatte sich schon zum Gehen gewandt, nun blieb sie wieder stehen und sah ihn kühl an. »Danke, aber das wird nicht nötig sein. Vermutlich wissen Sie, dass wir gleich um die Ecke wohnen.«

Er konnte sich ein Lächeln nicht versagen. »Allerdings, das weiß ich. Aber hier unterliegen Sie einem weiteren Fehlschluss, Miss Clifford, denn ein Gentleman wie ich würde eine Dame niemals allein nach Hause gehen lassen – weder bei Tag und erst recht nicht bei Nacht.«

Miranda betrachtete ihn aufmerksam; der feine Schwung seiner Lippen – vermutlich ein angedeutetes Lächeln – barg leisen Spott. Sie hatte sich entschuldigt, und er hatte ihre Entschuldigung angenommen, aber er konnte noch nicht davon lassen, sie in seiner Meinung über ihn eines Besseren zu belehren.

Über seine Worte nachsinnend, suchte sie nach einer Möglichkeit, dennoch höflich abzulehnen, aber was hätte sie sagen sollen? Dass sie keine Dame war?

Und so schickte sie sich ins Unvermeidliche, neigte artig den Kopf und trat zu ihm auf den Korridor.

Seite an Seite gingen sie zurück zur vorderen Galerie. Mittlerweile brannten Lampen entlang der Wände, in deren sanftem Schein sie stehen blieb, um eines der Gemälde genauer zu betrachten. Eigentlich hatte sie es nicht fragen wollen, konnte sich dann aber doch nicht zurückhalten. »Das ist doch nicht etwa …?« Sie deutete auf die Leinwand.

»Ein Original? Doch. Zudem eines seiner schöneren Werke, wie ich finde.«

Sie sah ihn bloß an; er stand bereits an der Treppe und wartete geduldig, dass sie sich von seinen Kunstschätzen losreißen würde. »Ich wäre versucht, eine Bemerkung über der Sünde Lohn zu machen, aber vermutlich würde ich auch damit einem Irrtum erliegen, nicht wahr?«

Er lächelte. Ein echtes, so betörendes Lächeln, dass es ihr direkt unter die Haut ging und ihr an Stellen warm wurde, von denen sie nicht einmal geahnt hatte, dass sie zu erwärmen waren. Doch alles, was er darauf erwiderte, war: »Allerdings.«

Sie warf noch einen Blick auf die beiden anderen Gemälde, besah sich auch die Tapisserie, wenngleich Gobelins sie nicht sonderlich interessierten, und erst dann, als es sich wirklich nicht länger aufschieben ließ, schloss sie sich ihm wieder an.

Zusammen gingen sie die Treppe hinunter; sie hatte sich schon gefragt, ob er den Weg über die Straße oder durch den Garten wählen würde, wollte seiner Wahl aber nicht widersprechen. Trotz des Risikos, mit ihm gesehen zu werden – was in Anbetracht der späten Stunde und des eher ruhigen Viertels sehr gering sein dürfte –, war es ihr bei Dunkelheit doch lieber, die Straße zu nehmen statt die schmalen Gassen.

Sein Butler hielt noch in der Halle die Stellung. Grauhaarig und stattlich und so routiniert, dass er sich nicht den Hauch von Überraschung anmerken ließ über das plötzliche Auftauchen einer jungen Dame, die er seines Wissens nie ins Haus gelassen hatte, machte er einen Diener und holte dann auf Roscoes Bitten dessen Mantel. Sie nutzte die Gelegenheit, sich ein wenig umzusehen, bewunderte auch hier die gediegene Ausstattung mit elegantem Holzpaneel und drei großen Landschaftsgemälden.

Der Butler kehrte mit einem fashionablen Paletot zurück. Als Roscoe hineinschlüpfte und sich die Manschetten zurechtzog, erlaubte sie sich noch einmal einen Blick auf ihn. Just in diesem Moment schaute er auf, und im hellen Schein des Kronleuchters konnte sie endlich die Farbe seiner Augen erkennen.

Sie waren blau. Ein tiefes, dunkles Blau.

Ein ungewöhnlicher Ton, leuchtend und lebendig. Das Haar hingegen, modisch geschnitten, sodass die dichten Locken eng am wohlgeformten Kopf lagen, war von einem satten Braun, das bei minderen Lichtverhältnissen schwarz erscheinen mochte.

Der Butler wartete an der Tür und öffnete sie auf einen Blick Roscoes.

Mit der ihm eigenen Anmut winkte Roscoe sie herbei und ließ ihr den Vortritt. Als sie die Stufen vor dem Haus hinunterging, hörte sie ihn hinter sich zum Butler sagen: »Ich bringe die Dame nur rasch nach Hause. In einer halben Stunde sollte ich zurück sein.«

»Sehr wohl, Sir – ich gebe Rawlins Bescheid.«

Auf dem Trottoir blieb sie stehen und wartete auf Roscoe. Die Höflichkeit gebot es zwar, nicht zu fragen, aber … »Rawlins?«

Roscoe erwiderte kurz ihren Blick, ehe sie gemeinsam die Straße hinabgingen. »Einer meiner Leibwächter. Einer von ihnen steht mir immer rund um die Uhr zur Verfügung, und sie sehen es nicht gern, wenn ich ohne Vorwarnung verschwinde.«

»Verstehe.« Sie schritt forsch neben ihm aus und war froh, dass er ihr nicht seinen Arm bot, denn die galante Geste auszuschlagen wäre recht unfreundlich gewesen, aber sie hätte es dennoch getan. Derlei anzunehmen hätte einen Grad der Bekanntschaft signalisiert, der zwischen ihnen nie sein konnte. Ein Glück war die Straße, genau wie sie gehofft hatte, menschenleer und verlassen. Die Bäume auf dem Dolphin Square warfen dunkle Schatten auf die gegenüberliegende Straßenseite, doch auf ihrer Seite schien der Mond ungehindert aufs Trottoir und wies ihnen den Weg. »Wenn Sie die Sorge Ihrer Leibwächter zu schätzen wissen, können Sie gewiss auch nachvollziehen, weshalb ich Roderick zu Ihrem Haus gefolgt bin.«

Roscoe zögerte, dann meinte er: »Ja, das kann ich tatsächlich.« Wer, wenn nicht er, hätte das verstehen können? Er wusste, wie weit der Wunsch, seine Liebsten zu beschützen, einen Mann treiben konnte; für eine Frau verhielt es sich vermutlich kaum anders. Er wartete ab, denn er ahnte, was als Nächstes kommen würde.

Zwar brauchte sie eine Weile, um die richtigen Worte zu finden, aber schließlich fasste sie sich ein Herz und hob das Kinn noch ein wenig höher. »Mir ist bewusst, dass es mir nicht zusteht, Sie darum zu bitten, aber wenn Sie Roderick gegenüber nichts davon erwähnen könnten, dass ich heute hier war, wäre ich Ihnen sehr für Ihre Diskretion verbunden.«

»Ich hatte nicht die Absicht, es zu erwähnen.«

Sie nickte, ohne ihn anzusehen. »Danke.«

Er gönnte ihr diesen Moment der Erleichterung, ehe er meinte: »Allerdings wüsste ich zu gern, warum Sie glauben, dass Roderick, der mit seinen dreiundzwanzig Jahren nach meinem Dafürhalten außerordentlich reif und vernünftig ist, noch Ihres Schutzes bedarf.«

Er wandte sich zu ihr um und sah einen düsteren Schatten über ihr Gesicht huschen.

»Das … lässt sich nicht so einfach erklären.«

Er richtete den Blick wieder nach vorn; bis die Claverton und die Chichester Street sich kreuzten, war es noch ein wenig hin. »Uns bleiben gewiss noch ein paar Minuten.«

Nach einem Moment des Schweigens atmete sie tief aus. »Na schön, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Wir wurden sehr früh zu Waisen. Zwei Tanten, die älteren Schwestern meiner Mutter, zogen uns drei auf – mich, Roderick und Rosalind, unsere große Schwester. In Anbetracht unserer Umstände mussten wir uns stets tadellos anständig betragen und weit mehr als andere auf unsere Reputation bedacht sein, aber …« Sie seufzte. »… wie Jungs nun einmal sind, fiel es meist meiner Schwester und mir zu, ein Auge auf Roderick zu haben und ihn … vor Ungemach zu bewahren.«

»Und wie lange beschützen Sie ihn schon? Zwanzig Jahre?«

»Wenn nicht länger, ja. Es ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.« Als sie in die Claverton Street einbogen, fügte sie hinzu: »Eine Angewohnheit, von der ich mich vermutlich langsam lösen sollte.«

Dabei konnte er ihr nur Glück wünschen; eine so lange währende Gewohnheit wurde man nicht so einfach los. Der Wunsch, andere zu beschützen, war einem, wie sie ganz richtig gesagt hatte, in Fleisch und Blut übergegangen.

Als sie sich dem Haus näherten – er wusste, dass es Rodericks war –, blieb sie an der schmalen Gasse stehen, die zu den hinteren Gärten führte. »Ich würde lieber das Gartentor benutzen.«

Sie ging ihm voraus in die dunkle Gasse; er folgte ihr ohne ein weiteres Wort.

Der Zugang zum Garten fand sich auf halber Höhe des Grundstücks. Miranda blieb stehen, schob den Riegel zurück und stieß das Tor aus massivem Holz auf. Schon zum Gehen gewandt, blieb sie noch einmal stehen und sah Roscoe an. »Danke, dass Sie mich begleitet haben.«

Im schwachen Mondschein meinte sie wieder dieses zynische Lächeln um seine Lippen spielen zu sehen. »Obwohl es doch in Ihren Augen nicht nötig war?«

Einen Moment schaute sie ihn nur an, ehe sie meinte: »Es gehört sich so für einen Gentleman.« Sie neigte den Kopf. »Gute Nacht.«

»Gute Nacht, Miss Clifford.«

Sie drehte sich um, trat durchs Tor – und stolperte über die flache Steinstufe.

Seine Hand schloss sich mit festem Griff um ihren Ellbogen.

Eine Vielzahl von Empfindungen – sehr heftig und sehr beunruhigend – schossen ihren Arm hinauf.

Er hielt sie, bis sie sich wieder gefangen hatte.

Sie richtete sich auf und atmete tief durch, versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, seine Berührung verursachte ihr – durch sämtliche Kleider – ein wohliges Prickeln auf der Haut. Sie wartete einen Moment, ehe sie wagte, ihn anzusehen. Wie nah er ihr auf einmal war, dieser starke Fels von einem Mann, ungleich wirklicher, lebendiger als zuvor – und ihr ungleich gefährlicher.

»Danke«, sagte sie, froh, dass zumindest ihre Stimme ruhig und gefasst klang. »Haben Sie nochmals vielen Dank.«

Er sah sie an, den Blick seiner dunklen Augen forschend auf ihr Gesicht gerichtet, seine Miene indes war schwer zu deuten, unergründlich. Schließlich lockerte er seinen Griff um ihren Ellbogen; langsam, fast zögerlich löste er Finger um Finger, als widerstrebte es ihm, sie loszulassen.

Dann trat er zurück, hinaus auf die Gasse, und nickte knapp. »Noch einmal gute Nacht, Miss Clifford.«

Sie merkte, dass sie wieder freier atmen konnte, erwiderte sein Nicken und griff nach dem Tor. »Haben Sie vielen Dank … Roscoe. Und gute Nacht.«

Sie schloss das Tor hinter sich und blieb noch eine ganze Weile so stehen, starrte im Dunkeln darauf und wartete, dass ihr Herzschlag sich beruhigte.

Und diese nie auch nur geahnten Empfindungen langsam abebbten.

Schließlich atmete sie noch einmal tief durch, drehte sich um und ging hinauf zum Haus.

Roscoe stand bestimmt noch eine Minute vor dem geschlossenen Tor, in Gedanken versunken, die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt, dann wandte er sich ab und ging weiter die Gasse hinab, um für den Rückweg die Abkürzung zu seinem Haus zu nehmen.

Miss Clifford – ihren Vornamen kannte er nicht, aber er bräuchte nur einen Blick in Rodericks Akte zu werfen, wenn es ihn denn interessierte – war … nun, sie war definitiv anders als die üblichen Damen der Gesellschaft.

Was genau an ihr anders war, wusste er allerdings selbst nicht zu sagen. Die Hände in den Manteltaschen vergraben, sann er darüber nach, während er ohne Eile heimwärts schlenderte.

Vielleicht lag es daran, dass sie älter war als die meisten der jungen Damen, die er kannte. Zwar wusste er nicht, wie alt genau sie war, aber auf jeden Fall älter als Roderick, er würde mindestens fünf Jahre schätzen. Achtundzwanzig könnte passen und würde zumindest zum Teil ihre Charakterstärke erklären – eine innere Stärke, die ihm sofort aufgefallen war und die er zu schätzen wusste. Und doch … bei aller Festigkeit und Entschlossenheit wirkte sie unsicher, sich ihrer selbst nicht gewiss.

Eine ungewöhnliche Mischung, die sein Interesse weckte.

Ihm kam wieder der Moment in den Sinn, da er sie, der Gartenstufe und ihres Ungeschicks sei Dank, beim Arm gefasst, sie berührt hatte. Es war lange her, wenn überhaupt, dass er sich eines solch sinnlichen Ansturms bewusst gewesen wäre. Es war wie ein Schlag, der ihn traf, erstaunlich in seiner Intensität. Dass sie es auch gespürt hatte, stand außer Frage; er hatte es ihr von den Augen ablesen können, den leicht geöffneten Lippen, hatte ihren Atem flacher, rascher gehen hören.

Dessen ungeachtet verbot sich jeder weitere Gedanke an die Möglichkeiten, die jener Augenblick ungeschützter, gegenseitiger Anziehungskraft verhieß. Jede weitere Annäherung wäre zum Scheitern verurteilt. Wenn er die Situation nicht völlig falsch einschätzte, hatte Miss Clifford ihm gerade nicht nur das Gartentor vor der Nase zugemacht, sondern ihn auch ein für alle Mal aus ihrem Leben verbannt.

»In Anbetracht unserer Umstände mussten wir uns stets tadellos anständig betragen und weit mehr als andere auf unsere Reputation bedacht sein.«

Entgegen ihrer Annahme verstand er zwar nicht, warum es sich so verhielt, aber wenn sie so sehr auf ihre Respektabilität bedacht war, dürfte eine wie auch immer geartete Bekanntschaft mit Londons Glücksspielkönig so ziemlich das Letzte sein, wonach ihr der Sinn stand.

Eine Weile ging er in Gedanken versunken weiter, dann verzog er die Lippen zu einem zynischen Lächeln, hob nickend den Blick und beschleunigte seine Schritte. Die harte Realität seines Lebens wartete auf ihn.

Miranda hielt sich noch ein wenig in der Kühle des Gartens auf, bis ihre aufgewühlten Sinne in ihren gewohnt gleichmütigen, wenn nicht gar schlafwandlerischen Zustand zurückgekehrt waren. Einen solchen Funken hatte sie noch nie gespürt, hatte sich noch nie so lebendig gefühlt. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, was das zu bedeuten hatte. Ihr Bauchgefühl hatte sie von Beginn an gewarnt, dass Roscoe gefährlich war; zu Recht, wie sie nun meinte. Eine solche Zerstreuung konnte sie nicht gebrauchen in ihrem Leben – sie konnte ihn nicht mal in die Nähe ihres wohlgeordneten, respektablen Lebens lassen.

Nachdem sie die kleine Episode als niemals zu wiederholende Erfahrung verbucht hatte, ging sie zur seitlichen Terrasse und betrat das Haus durch die Fenstertüren des Morgenzimmers. Das Morgenzimmer war vorwiegend ihr überlassen; hier stand ihr Sekretär, auf dem sie nun ihr Retikül abstellte, dann streifte sie sich das Cape von den Schultern und breitete es über die Lehne des Stuhls.

Ihre Gedanken kreisten einmal mehr um Rodericks Projekt und die Arbeit der Philanthropischen Gilde. Sie verließ den Raum und trat hinaus in die im Dunkeln liegende Halle, ging weiter zur Treppe und begab sich nach oben.

Sie hatte kaum fünf, sechs Stufen bewältigt, als sich auf dem Treppenabsatz eine weiß gewandete Gestalt aus dem Schatten löste.

Miranda hätte beinahe geschrien. Sie schluckte ihren Schreck herunter – es schien eine Nacht der Wunder und Schrecken zu sein – und rang, die Hand noch immer am Hals, nach Atem. »Tante, du hast mir vielleicht eine Angst eingejagt.«

»Allerdings, mein Fräulein – und du mir.« Gladys starrte sie durchs Halbdunkel an und hieb mit ihrem Stock auf den Boden. »Wo bist du gewesen? Zu einer solchen Stunde nach Hause zu kommen! Wie oft habe ich dir gesagt …«

»Ich war nur ein wenig im Garten spazieren. Roderick war ausgegangen, und du weißt, dass ich keinen Schlaf finde, bis er wieder sicher daheim ist. Es erschien mir Zeitverschwendung, vorher zu Bett zu gehen.«

Gladys schnaubte. »Er kam schon vor einer halben Stunde zurück. Wahrscheinlich schnarcht er längst.«

»Oh, dann ist es ja gut. Ich war etwas abgelenkt.« Von Londons Glücksspielkönig.

»Du musst vorsichtiger sein, Mädchen«, ermahnte Gladys sie, wandte sich schwerfällig um und begann, ihre stattliche Gestalt die Treppe hinaufzuwuchten. »Vergiss nicht, dass du dir nicht auch nur den Ruch unstatthaften Verhaltens leisten kannst.«

Miranda folgte ihr und ließ den wohlbekannten Sermon zum einen Ohr hinein- und zum anderen hinausrauschen; sie hatte es schon so oft gehört, dass sämtliche mahnenden Worte sich in ihre Seele gebrannt hatten.

Oben angekommen, blieb Gladys schnaufend stehen, sodass Miranda notgedrungen ein paar Stufen weiter unten innehalten musste. Gladys drehte sich um und schickte einen ungnädigen Blick zu ihr hinab, ehe sie die unvermeidliche Schlusssalve abfeuerte. »Oder willst du enden wie deine Mutter und deine Schwester?«

Mit einem stillen Seufzer erwiderte Miranda pflichtschuldig: »Nein, Tante, natürlich nicht.«

Gladys nickte zufrieden und marschierte zu ihrem Zimmer. »Roderick ist ein vermögender Gentleman, und er ist ein Mann, will sagen, die Gesellschaft wird nicht einmal mit der Wimper zucken, wenn er zu nachtschlafender Stunde nach Hause kommt. Aber du, mein Mädchen, ein falscher Schritt von dir, und dein Ruf ist unwiederbringlich dahin. Also merk dir das: Respektabilität ist oberstes Gebot.«

Mit dieser Ermahnung ließ Gladys sie stehen und verschwand in ihr Zimmer.

Miranda tat einen tiefen Seufzer, dann ging sie langsam weiter zu ihrem eigenen Zimmer am Ende des Korridors.

Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, wartete sie einen Moment, ob das Gefühl der Enge, das sie gerade befallen hatte, nachließe. Aber noch immer war ihr, als schnürten die strengen Regeln, die Unerbittlichkeit ihrer Tante ihr die Luft ab.

Wie Blei lag sie auf ihr, diese Respektabilität, hielt sie klein, in engen Grenzen gefangen, drohte sie zu ersticken.

Während sie darauf konzentriert gewesen war, Roderick zu retten, während ihrer Begegnung mit Roscoe und dem gemeinsamen Weg zurück nach Hause, hatte dieses Gefühl der Einengung und Beschränktheit – umschränkt, gepfercht, umpfählt, um es mit Shakespeare zu sagen – kurz nachgelassen.

Mit einem müden Lächeln trat sie an ihren Ankleidetisch und begann, sich zum Schlafen bereit zu machen. Der heutige Abend war nur ein kleiner Ausbruch aus ihrem wohlanständigen Leben gewesen. Ein paar flüchtige Stunden in einer anderen Welt, in der andere Regeln galten.

Aber dies hier war ihr Leben – ein Leben, in dem sie stets aufpassen musste, sich nicht auch nur den kleinsten Fehltritt zu leisten; eine Welt, in der sie, wollte sie irgendwann einmal ein eigenes Leben, einen eigenen Hausstand haben, zu aller Zeit und in jeder Hinsicht die Regeln des Anstands würde einhalten müssen.

Dank der kurzen Freiheit, die sie gerade gekostet hatte, schien ihr das Gewicht gesellschaftlicher Erwartungen schwerer denn je, wie ein Mühlstein hing es ihr um den Hals, zog sie mit sich hinab. Eine Bürde, der sie, glaubte man den Tanten, sich nie würde entledigen können.

Vorausgesetzt, sie erwartete mehr vom Leben, als ihrer vom Schicksal heimgesuchten Mutter oder ihrer Schwester vergönnt gewesen war.

Nachdem sie ihr Kleid und Unterkleid ausgezogen und das Nachthemd übergestreift hatte, schlug sie das Plumeau zurück und schlüpfte ins Bett. Sie drehte sich zur Seite und schaute aus dem Fenster, hinaus in die mondhelle Nacht.

»Manchmal frage ich mich schon«, überlegte sie laut, aber so leise, dass die Worte selbst für sie kaum zu hören waren, »ob sie nicht glücklich waren. Ja, sie mögen eines frühen Todes gestorben sein, aber zumindest waren ihnen ein paar Jahre des Glücks beschieden.«

Sie sann noch einen Moment darüber nach, dann ließ sie den Kopf aufs Kissen sinken, schloss die Augen und fiel in einen Schlummer, in dem kein Traum ihre kleine vertraute Welt störte – eine Welt, in der Respektabilität oberstes Gebot war.

2. Kapitel

Die nächste Begegnung mit ihrer Tante fand den Morgen darauf am Frühstückstisch statt.

Das bleigraue Haar zu einem strengen Knoten gebunden, die schwere Gestalt in mehrere Lagen flatternder Gewänder gehüllt, war sie bereits in die Lektüre ihrer Korrespondenz vertieft. Als Miranda sie grüßte, kam von Gladys nur ein zerstreutes Brummeln.

Sie setzte sich und dankte Hughes, dem Butler, für die frisch aufgebrühte Kanne Tee, goss sich eine Tasse ein und nahm sich einen Toast – alldieweil darauf wartend, dass Gladys eine Bemerkung zu ihrer mitternächtlichen Begegnung auf der Treppe machte, aber die Minuten verstrichen in herrlicher Stille, und es machte den Eindruck, als hätte die Korrespondenz Gladys vollauf in Beschlag genommen. Miranda war froh um die kleine Verschnaufpause und würde sich hüten, ihre Tante auf sich aufmerksam zu machen.

Roderick war wie gewohnt schon zu seinem täglichen Ausritt aufgebrochen. Miranda knabberte an ihrem Toast, nippte am Tee und sann wieder über die Erkenntnisse des gestrigen Abends nach, insbesondere über Roscoes Einschätzung, dass ihr Bruder ein für sein Alter sehr reifer und vernünftiger junger Mann sei und daher, so die unausgesprochene Schlussfolgerung, ihres Schutzes nicht länger bedürfe.

»Aha, mein Fräulein!«

Sie zuckte kurz zusammen und schaute zu Gladys auf. Den Kneifer auf der Nasenspitze, hielt ihre Tante einen Brief fast auf Armeslänge von sich, während sie das Geschriebene überflog.

»Wie es aussieht, hat Mr. Wraxby noch immer ein Auge auf dich geworfen. Er schreibt, dass er kommende Woche in der Stadt sein wird und sich freuen würde, uns seine Aufwartung zu machen.« Gladys ließ den Brief sinken und nahm Miranda ins Visier ihrer braunen Augen, denen trotz einer gewissen Altersschwäche nichts entging. »Dann hast du also doch noch eine Chance. Gut so – etwas Besseres als Mr. Wraxby hätten Corrine und ich uns nicht für dich erhoffen können.«

Corrine war Gladys’ ältere Schwester gewesen; beide waren sie unverheiratet geblieben und hatten der leichtfertigeren jüngeren Schwester ihre unbedachte Liebesheirat nie verziehen. Trotzdem waren sie natürlich ihrer Pflicht nachgekommen und hatten die Verantwortung für Georgianas drei Kinder übernommen, als die Schwester und ihr Gatte Frederick Clifford – klassisch gebildet, aber eben doch nur ein Fabrikantensohn – bei einem Bootsunglück ihr Leben gelassen hatten. Dreiundzwanzig Jahre war das her.

Schwer vorzustellen, aber fairerweise musste man sagen, dass Corrine gar noch unerbittlicher als Gladys der Ansicht gewesen war, Georgianas Kinder müssten sich allzeit der Respektabilität verpflichten, um den Makel ihrer Herkunft, wenn nicht auszugleichen, so doch zumindest so gering wie möglich zu halten. Denn nichts war beschämender, als dem Handel zu entstammen – auch wenn er einem noch so großen Reichtum beschert hatte. Als Töchter von Sir Augustus Cuthbert, Baronet, die dem niederen Landadel angehörten und sich mit Klauen und Zähnen an jedes gesellschaftliche Privileg klammerten, das mit ihrem bescheidenen Rang einherging, hatten Corrine und Gladys ihre Mündel nie vergessen lassen, dass sie nur einen winzigen Schritt von der gesellschaftlichen Ächtung entfernt waren.

Als sie noch auf dem Land gelebt hatten, auf Oakgrove Manor in Cheshire – dem Anwesen, das Roderick von Frederick geerbt hatte, erworben mit dem geschmähten Vermögen, welches Frederick wiederum von seinem unstandesgemäßen Vater geerbt hatte, dem Fabrikbesitzer –, waren Miranda die ihr von den Tanten auferlegten Regeln als weder besonders streng noch ungewöhnlich erschienen. Da sie seit ihrem sechsten Jahr unter der Ägide der beiden lebte, war ihr ein anderer Blick auf die Welt gar nicht gegeben. Die Tanten würden schon wissen, was gut für sie war.

Doch als Corrine vor zwei Jahren gestorben war, Miranda noch immer nicht verheiratet und die Verehrer zudem recht rar gesät waren, hatte Gladys sich bereitgefunden, dass sie – Roderick, Miranda und Gladys als Anstandsdame – ein paar Jahre in London verbringen sollten, um den dortigen Heiratsmarkt zu sondieren, immer in der Hoffnung, dass sich endlich etwas Passables fände, wenn schon nicht für Miranda, so doch wenigstens für Roderick.

Roderick hatte dann das Haus an der Claverton Street gekauft, und vor einem Jahr waren sie nach Pimlico umgezogen, damals noch am grünen Rand der ständig wachsenden Metropole gelegen, und die ruhige Lage war Gladys sehr entgegengekommen.

Miranda fragte sich, ob ihrer Tante jemals zu Gehör gekommen war, dass Londons berüchtigter Glücksspielkönig in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft lebte …

»Miranda! Jetzt hör doch mal zu!«

Sie blinzelte, um das Bild eines markanten Gesichts mit dunklen Augen und zynischem Lächeln zu vertreiben. »Tut mir leid, Tante. Wraxby, sagtest du?«

»Allerdings.« Gladys’ Augen funkelten wie zwei hart schimmernde Onyxsteine. »Du tätest gut daran, dir die Tatsache in Erinnerung zu rufen, dass du, seit du törichterweise den Honourable Mr. Jeffers abgewiesen hast, keinen einzigen Antrag mehr erhalten hast. Wenn du jemals einen eigenen Hausstand haben willst, würde ich dir raten, alles auf Mr. Wraxby zu setzen. Wenn du dich ein bisschen anstrengst und ihm bietest, was er bei einer Ehefrau sucht, stehen die Zeichen gut, dass er dir einen Antrag macht.«

»Wenn du meinst, Tante.« Miranda senkte den Blick auf ihren Teller. »Vermutlich hast du recht.«

Jeffers. Obwohl seitdem einige Zeit vergangen war, vermochte die bloße Erwähnung seines Namens sie noch zu erschüttern. Die Erinnerung daran deprimierte sie zutiefst, öffnete ein ganzes Fass verletzter Gefühle und anhaltenden, lähmenden Selbstzweifels.

Lionel Jeffers war ein Gentleman aus Cheshire, etwas älter als die üblichen Verehrer, doch damals, mit gerade einmal zwanzig, war sie geschmeichelt gewesen, dass ein reifer Mann wie er sich um ein junges Mädchen wie sie bemühte. Sie hatte sich im siebten Himmel geglaubt und kurze Zeit gar gehofft, endlich das Glück zu finden, nach dem ihre Mutter und ihre Schwester mit so fatalen Folgen gesucht hatten. Ihr wäre natürlich ein anderes Schicksal beschieden und immerwährendes Glück und … Bis eine wohlmeinende Dame sie eines Tages beiseitenahm und sie aufklärte. Jeffers sei nicht an ihr interessiert, sondern einzig an ihrem Vermögen.

Als wäre das nicht schlimm genug gewesen, hatten ihre Tanten, als sie ihnen, kreuzunglücklich und am Boden zerstört, davon berichtete, sie nur verständnislos angesehen. Ihnen war der Grund von Jeffers’ Interesse an ihr von Anfang an bewusst gewesen. Auch wussten sie von seiner langjährigen und äußerst kostspieligen Geliebten.

Die Erinnerung an die Vorhaltungen und Schmähungen, die gefolgt waren, nachdem sie Jeffers einen Korb gegeben hatte, ließen sie noch immer bis ins Mark erschauern.

Roscoe musste ungefähr im selben Alter sein wie damals Jeffers … Mit dem Unterschied, dass Miranda keine zwanzig mehr war.

Sie versuchte, sich zusammenzureißen, nicht mehr an sein Gesicht zu denken, seinen Körper, die sie beide gestern bis in den Schlaf verfolgt hatten … Genug. Sie zwang ihre Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. »Kommende Woche … Gut, ich werde dafür sorgen, dass das Haus präsentabel ist, und die Köchin schon einmal warnen, dass wir Besuch erwarten und uns von unserer besten Seite zeigen wollen.«

»Tu das«, erwiderte Gladys und maß Miranda mit kritischem Blick. »Wenigstens haben wir jetzt kühleres Wetter und deine Kleider lange Ärmel. Als Wraxby uns das letzte Mal besuchte, wirkte er nicht sehr angetan davon, dass deine Sommerkleider so viel Haut zeigten. Ich denke, das war einer der Gründe, die ihn zögern ließen. Diesmal würde ich ihm an deiner Stelle keinen neuerlichen Grund geben, an deiner Respektabilität zu zweifeln.«

»Ja, Tante.« Miranda schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Ich würde dann jetzt mit Mrs. Flannery sprechen.«

Gladys nickte und winkte sie fort.

Auf dem Weg ins Morgenzimmer, wo ihre tägliche Besprechung mit der Haushälterin stattfand, versuchte Miranda, ein Bild Wraxbys aus den Tiefen ihrer Erinnerung heraufzubeschwören, eines nicht weiter bemerkenswerten Witwers in den Vierzigern, der in Suffolk lebte und ihr eher halbherzig den Hof machte, seit sie ihm in der Bond Street aufgefallen war. Viel gab ihre Erinnerung an diesen fast schon quälend zurückhaltenden Herrn nicht her …

Sie kannte Wraxby nun schon fast ein Jahr, Roscoe war sie nur einmal begegnet.

Und doch war Wraxby ihr nie im Traum erschienen.

»Gelman wartet unten, und er kommt – wie gewünscht – in Begleitung von Jennifer Edger.«

Roscoe saß am großen Schreibtisch seines Arbeitszimmers und schaute von dem Kontenbuch auf, das er gerade durchging, der Monatsbilanz des Pall Mall Clubs, den Gelman erfreulich erfolgreich für ihn führte. Die Meldung entlockte ihm hingegen ein spöttisches Hochziehen der Augenbraue und einen vielsagenden Blick auf Jordan Draper.

Jordan, der mit seinem braunen Haar, den braunen Augen und dem braunen Anzug schlichter wirkte, als er war, nahm wieder seinen Platz rechter Hand von Roscoe ein.

»Und wie ist die Stimmung zwischen ihnen?«, fragte Roscoe. »Schon erste Anzeichen bösen Bluts? Jenny, die Gelman an die Gurgel geht … oder umgekehrt?«

Jordan grinste. »Wider Erwarten sind sie friedlich. Deine Verwarnung letzten Monat scheint Früchte zu tragen.«

Roscoe schnaubte. »Abwarten.« Sein Blick kehrte zu den Zahlen zurück, und nach kurzer Betrachtung räumte er ein: »Eines muss man den beiden ja lassen – der Club läuft prächtig.«

»Stimmt.« Jordan beugte sich vor und nickte zufrieden. Mit Blick auf den letzten Saldo gab er seine Prognose für die kommenden Monate ab.

Roscoe hörte aufmerksam zu; das Spekulative lag ihm mehr als jedem anderen, aber von Jordans Fähigkeiten konnte er sich noch eine Scheibe abschneiden. Er würde ihm immer dankbar sein, dass er sich vor Jahren bereit erklärt hatte, das ländliche Kontor seines Vaters zu verlassen und sich mit ihm zusammenzutun. Während der letzten zwölf Jahre, da Roscoe sich sein Imperium aus Spielhallen und Clubs aufgebaut hatte, hatte Jordan ihm mit der ihm eigenen Ruhe und Bescheidenheit treu zur Seite gestanden, hatte stets den Überblick behalten und dafür gesorgt, dass alles auf den letzten Penny seine Richtigkeit hatte.

Autor

Stephanie Laurens
Stephanie Laurens wurde in Ceylon (dem heutigen Sri Lanka) geboren. Sie begann mit dem Schreiben, um ihrem wissenschaftlichen Alltag zu entfliehen. Bis heute hat sie mehr als 50 Romane verfasst und gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen historischer Liebesgeschichten. Die preisgekrönte New-York-Times-Bestsellerautorin lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Melbourne.
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Stephanie Laurens
Stephanie Laurens wurde in Ceylon (dem heutigen Sri Lanka) geboren. Sie begann mit dem Schreiben, um ihrem wissenschaftlichen Alltag zu entfliehen. Bis heute hat sie mehr als 50 Romane verfasst und gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen historischer Liebesgeschichten. Die preisgekrönte New-York-Times-Bestsellerautorin lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Melbourne.
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