Enthemmt!

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Woher kommt auf einmal Adams unstillbarer Hunger auf laszive Spiele im Swingerclub? fragt Claudia sich, zuerst noch amüsiert. Warum will Charles trotz raffinierter Verführungsversuche keinen Sex mehr? Alisha ist ratlos. Und wieso ist bei ihren Dates, die in schöner Regelmäßigkeit im Bett enden, nie der Mann dabei, der sie auch noch am nächsten Morgen glücklich macht? wundert sich Lishelle. Drei Freundinnen, bereit, für erfüllende Lust, wahre Liebe und ein glückliches Leben fast alles zu geben. Doch wehe, wenn ein Mann diese Grenzen überschreitet. Denn dann ist für sie die Zeit der Rache gekommen: erotisch, enthemmt - und vernichtend ...


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • ISBN / Artikelnummer 9783955762605
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kayla Perrin

Enthemmt!

Roman

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Getting Even

Copyright © 2006 by Kayla Perrin

Erschienen bei: SPICE Books

Übersetzt von Gina Marr

Published by arrangement with Harlequin Enterprises II B. V., Amsterdam

Konzeption/Reihengestaltung: fredeboldpartner.network, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Claudia Wuttke

Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook: 978-3-95576-260-5

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

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1. KAPITEL

Claudia

Es heißt zwar, die Liebe eines Mannes geht durch den Magen, aber wenn Sie mich fragen, ist das völliger Bockmist. Mal ehrlich, die Liebe hängt ausschließlich von seiner Libido ab. Ich muss es wissen. Denn genau in diesem Moment – ich sitze in einem Restaurant in Atlanta mit Adam Hart, dem Mann meiner Träume – sterbe ich fast vor Scham. Ich versuche, völlig entspannt zu wirken, wie ich da am Tisch sitze, meine Margarita durch einen Strohhalm trinke und Adam seine Hand zwischen meinen Beinen hat. Seine Finger kitzeln auf meiner Haut, als er noch etwas höher rutscht.

“Adam”, ermahne ich ihn spielerisch, während seine Finger über mein Höschen streifen. “Ich versuche, mich ernsthaft mit dir zu unterhalten.”

“Wirke ich etwa nicht ernsthaft auf dich?”

Nun, in der Tat, und genau das ist ja das Problem. Er ist viel zu ernsthaft, was dieses Vorspiel betrifft.

“Liebling, du weißt doch, wie sehr ich das mag, aber …”

“Was, das?”

Meine Lider flattern, als er meine Perle streichelt.

“Hmm”, seufze ich leise, blicke dann aber bestürzt auf, weil der Ober an unseren Tisch getreten ist. Meine Wangen brennen, ich frage mich, ob meine dunkle Haut auch Schamesröte hervorbringen kann. Schnell presse ich die Beine zusammen, was Adam allerdings nicht davon abhält weiterzumachen.

“Haben Sie gewählt?”, fragt der Ober. Womöglich liegt ein wissendes Flackern in seinem Blick, ich bin nicht sicher. Falls nicht, muss er den Eindruck haben, dass Adam und ich zu verliebt sind, um auch nur einen Zentimeter Distanz zwischen uns zu ertragen. Warum sonst sollten wir nebeneinandersitzen, als ob wir an der Hüfte zusammengewachsen wären?

“Nun”, beginne ich. Dabei habe ich noch nicht mal einen Blick auf die Speisekarte geworfen. “Ich glaube, wir brauchen noch ein paar Minuten.”

“Ich weiß, was ich will”, sagt Adam. Dabei sieht er allerdings mich und nicht den Ober an. Am liebsten würde ich ihm eine Ohrfeige verpassen. Nein, das ist eine Lüge. Am liebsten würde ich sofort verschwinden und mich mit ihm auf dem Rücksitz seines Mercedes SUV vergnügen. Ich genieße es wirklich, wie sehr Adam mich begehrt, nur gefällt mir seine Neigung, es so gerne in aller Öffentlichkeit zu demonstrieren, nicht ganz so gut.

“Das New York Steak”, fährt Adam fort. “Blutig. Ich mag es schön blutig.”

“Das nehme ich auch”, verkünde ich in der Hoffnung, dass ich immer noch nicht erröte. “Aber medium.”

“Reis oder Bratkartoffeln?”

“Reis”, antworten wir gleichzeitig.

Der Ober kritzelt etwas auf seinen Block. “Möchten Sie vorher Suppe oder Salat …?”

“Zweimal den Salat des Hauses”, unterbreche ich ihn. “Und etwas Knoblauchbrot. Ach so, und einen halben Liter Chardonnay.”

“Lieber eine ganze Flasche”, sagt Adam.

Ich sehe ihn überrascht an. Sein Blick ist glasig, und als er sich auf die Unterlippe beißt, fährt mir ein Schauer über den Rücken. Ich weiß, was er will. Er will mich betrunken machen, um mir die Hemmungen zu nehmen.

Ich frage mich, was er diesmal mit mir ausprobieren möchte.

“Ist das alles?”, fragt der Ober.

Ihn habe ich ja völlig vergessen. Schnell schaue ich auf und grinse. “Das ist doch eine ganze Menge.”

Gott sei Dank wendet er sich ab und lässt uns allein. Zwar kennt er mich nicht, trotzdem atme ich erleichtert auf. Ich komme gerne in dieses Restaurant, weil es ziemlich weit von Buckhead entfernt ist, dem Viertel, in dem Adam und ich leben. Wenn ich hier bei etwas Anstößigem ertappt werde, weiß zumindest niemand, wer ich bin. Und da heute Montag ist, ist das Restaurant auch nicht so gut besucht wie an den Wochenenden.

“Nun.” Adam lächelt mich an, während er meinen Schoß weiter mit dem Finger erforscht. “Wo waren wir stehen geblieben?”

Ich schiebe seine Hand weg, ein wenig irritiert, dass er nur an das Eine denken kann, obwohl wir eigentlich eine ganze Menge zu besprechen haben. “Adam, im Ernst. Wir müssen reden.”

Er schmollt ein wenig, gibt dann aber nach. “Na gut”. Er lehnt sich zurück. “Dann lass uns reden.”

Jetzt grinse ich von einem Ohr zum anderen. Ich bin total verrückt nach Adam, aber möglicherweise sogar noch ein ganz kleines bisschen mehr wegen unserer bevorstehenden Hochzeit.

Sehen Sie, ich bin fast dreißig, und eine Zeit lang war ich nicht sicher, ob ich überhaupt jemals heiraten oder nicht doch als alte Jungfer sterben würde. Welche Frau mit Selbstachtung nimmt noch den Ausdruck 'alte Jungfer' in den Mund, fragen Sie? Nun, Sie haben eben meine afroamerikanischen High-Society-Freundinnen noch nicht kennengelernt. Und schon gar nicht meine Mutter, die schon von meiner Hochzeit träumte, als ich noch in ihrem Bauch war. In vielerlei Hinsicht habe ich ein wirklich angenehmes Leben, aber über den Makel, unverheiratet zu bleiben, würde ich niemals hinwegkommen.

Egal, weil ich ja heirate. In sechs Wochen werde ich Mrs. Adam Hart sein. Seit einem Jahr schon plane ich jedes einzelne Detail unserer aufwändigen Hochzeit. Wenn es nach mir geht, wird es die spektakulärste Hochzeit, die Atlanta jemals erlebt hat.

Ist Ihnen aufgefallen, dass ich nicht sagte, Adam und ich hätten die Hochzeit geplant? Leider kann man nicht gerade behaupten, dass er sich auch nur im Geringsten für die komplexen Einzelheiten interessiert, die bei einer solch pompösen Hochzeit zu bedenken sind. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei diesem großen Tag um nichts anderes als einen Traum, der für die Braut wahr wird, und da hat er ja auch nicht Unrecht.

Doch glauben Sie mir, es macht überhaupt keinen Spaß, so eine Traumhochzeit zu planen. Das ist harte Arbeit und bereitet einem eine Menge Kopfschmerzen. Deswegen muss ich auch auf der Stelle einige Dinge in Erfahrung bringen, schließlich rückt der große Tag in Riesenschritten näher.

Ich ziehe einen Kalender aus meiner Guccitasche und klappe ihn auf. “Diana will sich dieses Wochenende mit uns zusammensetzen. Ich habe für Samstag zehn Uhr einen Termin mit ihr ausgemacht. Hast du Zeit?”

“Klar.”

“Ich weiß, dass wir uns über die Farben im Grunde schon geeinigt haben, aber ich denke trotzdem immer wieder über die Kleider der Brautjungfern nach. Wie ich gehört habe, werden die Brautjungfern von Rebecca Morrison butterblumengelbe Kleider tragen, und da unsere Hochzeiten nur zwei Wochen auseinanderliegen …” Ich breche ab, als Adam die Innenseite meiner Handgelenke zu streicheln beginnt. “Hörst du mir zu?”

“Du willst andere Farben?”

“Ich denke darüber nach, ja.”

“Und weiter?”

“Nun, ich weiß ja, dass du und dein Trauzeuge eure Smokings schon ausgewählt habt.” Davon abgesehen, dass die Kleider bereits genäht worden sind und es Unmengen kosten würde, neue machen zu lassen.

“Dann ändern wir eben die Farbe der Blume, die wir im Knopfloch tragen.” Er zuckt lässig mit den Schultern, als wollte er sagen, dass ich aus einer Mücke einen Elefanten machte.

Vielleicht stimmt das ja auch, aber dieses ganze Hochzeitstheater ist wirklich anstrengend. Ich beschließe, das Thema Farbwahl fallen zu lassen, bis wir unsere Hochzeitsplanerin treffen. Es gibt nämlich noch ein anderes, dringenderes Problem. “Wir haben auf der Antwortkarte den Gästen doch die Möglichkeit gegeben, sich für Red Snapper oder Ente zu entscheiden.”

“Mhm.”

“Nun, jetzt bekomme ich lauter Anrufe von Leuten, die fragen, warum wir nicht Fleisch anbieten. Als ob es sich um irgendein Grillfest handeln würde und nicht um eine Fünfsternehochzeit. Die machen mich und meine Mutter verrückt, aber so langsam frage ich mich schon, ob wir nicht doch auch Rindfleisch zur Wahl stellen sollten.” Ich verdrehe die Augen und stöhne laut.

“Wie schwierig wäre das denn?”

“Das weiß ich nicht, vermutlich nicht sehr. Solange wir ein paar Wochen vor der Hochzeit wissen, wer was will.” Diana hat die besten Küchenchefs aus New Orleans für unseren großen Tag engagiert. “Aber vielleicht sollten wir auch einfach ein Machtwort sprechen. Wir bieten acht Gänge an. Da wird schon niemand verhungern.”

“Aber wenn es keine große Sache ist”, sagt Adam und legt seine Hand auf meine, “dann können wir uns doch für ein weiteres Hauptgericht entscheiden.”

“Bist du sicher, Schatz? Und wenn es doch etwas komplizierter ist?”

“Wir wollen, dass alle zufrieden sind. Also. Das kostet zwar mehr, aber das ist doch nicht so wichtig.”

“Nein. Du hast recht.” Ich entspanne mich langsam. Wenn mein Vater sich keine Sorgen um die Kosten macht, warum sollte ich es dann tun? “Und ich will ja auch, dass alle zufrieden sind.” Und zwar so, dass sie noch Monate später von diesem fantastischen Ereignis schwärmen …

“Ich verstehe nicht, warum du so angespannt bist. Es scheint doch alles in bester Ordnung zu sein.”

“Du hast leicht reden. Du hast ja nichts mit den Vorbereitungen zu tun.”

Ich werfe Adam einen tadelnden Blick zu, als Antwort drückt er mir einen zarten Kuss auf den Mund. “Du weißt, dass ich dich dafür liebe.”

“Das solltest du auch.”

“Ich verspreche dir, dass unsere Flitterwochen dich für alles entschädigen.”

Im Augenblick erscheinen mir unsere Flitterwochen wie ein Fantasiegespinst, das niemals Realität werden wird. “Wann verrätst du mir endlich, wohin es geht?”

“Sobald wir dort sind.”

Ich sollte begeistert sein, bin es aber nicht. Ich vermute, ich kann mich erst dann richtig auf die Flitterwochen freuen, wenn all die offenen Fragen in unserem Hochzeitsplan geklärt sind.

Adam lässt meine Hand los, greift nach meiner Margarita, von der er einen Schluck probiert, und ich beobachte ihn dabei und kann wieder mal nicht anders als zu denken, wie unglaublich sexy dieser Mann ist mit seinen ein Meter fünfundachtzig, dem kurz geschnittenen Haar und der perfekten goldbraunen Haut. Adam gehört zu den Männern, die alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn sie einen Raum betreten. Selbst hier, in diesem Restaurant, fallen mir die verstohlenen genauso wie die direkten Blicke der Frauen auf.

Aber ich mache mir keine Sorgen. Die können so viel gucken, wie sie wollen. Adam ist nicht zu haben. Warum sollte er auch? Ich stelle meinen Mann im Bett mehr als zufrieden.

Als eine gut aussehende Frau Adam einen langen Blick zuwirft, lege ich unter der Tischplatte eine Hand auf seinen Oberschenkel.

“Hmm”, murmelt er leise.

“Ich liebe dich, Adam Hart”, flüstere ich.

“Ich liebe dich, Claudia Fisher.”

“Ich weiß.” Ich atme tief durch. “Deswegen bringt es mich auch fast um, dir etwas vorzuenthalten.” Adam schaut mich alarmiert an, und mir wird klar, dass meine Worte zweideutig waren. “Es sind keine schlechten Neuigkeiten”, versichere ich schnell. “Um genau zu sein, sind es wunderbare Neuigkeiten.”

“Ich bin gespannt.”

Überschäumend vor Aufregung nehme ich seine Hand. Was ich ihm jetzt sagen werde, ist das Beste, was man überhaupt sagen kann. Die Krönung für unsere unvergessliche Hochzeit – und der Grund, warum ganz Atlanta darüber sprechen wird.

“Erinnerst du dich, dass ich sagte, ich hätte eine Überraschung für dich?”

“Ja”, entgegnet Adam.

“Ich wollte es dir erst kurz vorher verraten, aber ich bin so aufgeregt, ich kann nicht länger warten.”

“Worum geht es denn, Baby?”

“Du wirst nie glauben, wer bei unserer Hochzeit singen wird. Ich könnte vor Glück geradewegs tot umfallen!”

Adams Augen funkeln nun auch. “Verrat es mir.”

“Babyface! Ist das zu fassen?”

Adam gibt mir einen ziemlich ernstzunehmenden Kuss, mit Zunge und allem, aber das stört mich jetzt nicht mehr. Als wir schließlich nach Luft schnappen, fragt er: “Wie ist dir das gelungen?”

“Meine Cousine hat das eingefädelt.” Morgan Fisher, eine meiner vielen Cousinen, ist leitende Angestellte bei Palm Records in Los Angeles. Sie kennt Babyface sogar persönlich.

“Oh, Mann!” Adam grinst breit. “Der Babyface?”

“Höchstpersönlich. Ist das nicht fantastisch?”

“Du bist fantastisch.” Adams Stimme verändert sich, wird tiefer. Ich kann in seinen Augen lesen, was er denkt. Er will mich endlich nackt sehen.

Der Ober kommt mit dem Wein, öffnet die Flasche, schenkt etwas ein und lässt Adam kosten. “Sehr gut”, verkündet Adam.

Als wir wieder allein sind, erhebt Adam sein Weinglas. “Auf uns”, sagt er. “Und auf eine strahlende Zukunft.”

“Darauf trinke ich gerne.” Ich stoße mit meinem Verlobten an und weiß, dass ich das glücklichste Mädchen auf der ganzen Welt bin.

Dann schiebt er seine Hand wieder zwischen meine Beine und sagt: “Bitte, Baby, ich will, dass du kommst.”

“Adam …”, protestiere ich schwach.

Aber er streichelt mich bereits, diesmal viel entschiedener, und gegen meinen Willen werde ich sehr feucht.

“Weißt du eigentlich, wie ich es liebe, wenn du so nass bist?”, flüstert er mir heißblütig ins Ohr, schiebt einen Finger in mich und bewegt ihn schnell. “Ich will dich schmecken. Bitte, Baby …”

Ich stöhne leise. “Hier?”

“Mein Gott, ja.”

Er zieht seine Hand hervor, hebt sie an die Nase, atmet tief ein, stöhnt entzückt und nimmt dann langsam einen Finger in den Mund. Das reicht beinahe, um mich zum Höhepunkt zu bringen.

“Verdammt, ich liebe dich”, stößt er hervor und lässt seine Hand wieder unter meinen Rock wandern. Nun geht er aufs Ganze, schiebt zwei Finger in mich und streichelt mit dem Daumen über meine Lustperle.

“Wie stellst du das nur an?”, frage ich. “Warum machst du mich so unglaublich heiß?”

Seine Bewegungen werden schneller, die anderen Gäste müssen doch bemerken, was hier vor sich geht. Wie könnte es anders sein?

Oh, verdammt. Es ist beinahe so weit …

Ich drücke meine Beine zusammen und vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter. “So ist es gut, Baby. Du weißt, dass du mir gehörst.”

Und dann komme ich. Und komme. Und komme.

Ich beiße in Adams Schulter, um mein Stöhnen zu dämpfen. Ich kann nur beten, dass die Gäste in Hörweite glauben, ich hätte einen Lachkrampf.

“Sie beide scheinen etwas zu feiern zu haben.”

Ich starre den Ober an, der vor unserem Tisch steht. Adam hält mich mit einem Arm fest umschlungen, so dass ich mich nicht von ihm lösen kann. Seine andere Hand ist noch immer in meiner Unterhose.

“Nun, das stimmt”, entgegne ich mit zitternder Stimme. Mir ist noch immer ganz schwindlig. “Wir werden bald heiraten.”

“Ah”, säuselt der Ober und stellt das Knoblauchbrot vor uns. “Ich gratuliere.”

Erst als er wieder verschwunden ist, mache ich mich von Adam los. Er grinst mich triumphierend an, weil er weiß, dass er mich einmal mehr überwältigt hat.

Und ich kann nicht anders. Ich grinse zurück.

Ich liebe diesen Mann.

Etwa eine Stunde später – vermute ich zumindest (sicher bin ich mir nicht, weil ich den Löwenanteil am Wein hatte) – klammere ich mich an Adams Arm fest. Wir fahren auf der Umgehungsstraße um Atlanta herum, wie mir scheint, seit Ewigkeiten, aber vermutlich täusche ich mich in Anbetracht meines umnebelten Hirns. Ich kann kaum noch die Augen offen halten, aber als Adam plötzlich rechts abfährt, werde ich wieder munter. Er hat eine Ausfahrt zu früh genommen.

“Warte mal”, sage ich.

Er drückt meine Hand. “Keine Sorge, Babe.”

“Wohin fahren wir?”

Er wirft mir ein schelmisches Lächeln zu. “Du hast eine Überraschung für mich gehabt. Nun habe ich auch eine für dich.”

Ich betrachte Adam erschöpft. Er ist nicht gerade talentiert, was romantische Überraschungen betrifft. Und davon einmal abgesehen – womit will er mich eigentlich hier am Ende der Welt überraschen? Es sei denn, er möchte …

Plötzlich glaube ich die Antwort zu kennen und werde mit einem Schlag nüchtern.

“Adam”, kreische ich. “Das hast du nicht!” Natürlich will ich, dass er hat. Ich blicke mich erwartungsvoll um, in der Hoffnung, ein großes Haus mit einem riesigen Garten voller uralter Eichen zu entdecken. Zwar bin ich bis jetzt davon ausgegangen, dass wir nach der Hochzeit in Buckhead bleiben, aber vielleicht hat er ja beschlossen, nach Duluth zu ziehen.

Allerdings befinden wir uns in einem Industriegebiet, was mich ein wenig verwirrt. Nicht nur in einem Industriegebiet, sondern auch noch in einem ziemlich heruntergekommenen. Nicht gerade die Gegend, in der Adam ein Haus kaufen würde.

Langsam werde ich nervös und greife nach Adams Hand.

“Entspann dich, Sweetheart”, sagt er. “Du wirst sehen, was es ist, wenn wir da sind.”

Ich bin tatsächlich mehr als überrascht, als Adam die Auffahrt zu einem großen grauen einstöckigen Gebäude hinauffährt, das aussieht wie eine Lagerhalle. Ich kann mir nicht vorstellen, was wir hier wollen, es sei denn, er ist einfach auf der Suche nach einem abgelegenen Ort. Was mich wundern würde, nachdem ich ihm bereits auf dem Parkplatz des Restaurants einen geblasen habe. Zumindest glaube ich das. Die Erinnerung daran ist eher verschwommen. Wie auch immer, ich bin nicht in der Stimmung für weitere sexuelle Spielchen.

“Adam, ich glaube, wir sollten besser gleich nach Hause fahren.”

“Keine Bange.”

Er fährt an dem Gebäude entlang und dann links um die Ecke, wo ich plötzlich eine ganze Reihe Autos entdecke. Lexus, Jaguar, BMW. Was ist das hier? Eine Art Club?

Diese Frage stelle ich auch Adam.

“Ja, es ist ein Club.”

“Aber ich dachte …” Ich schmiege mich an meinen Verlobten. “Ich dachte, wir gehen noch schnell zu dir, bevor du mich nach Hause fährst.”

Adam hält neben einem Ford Explorer. “Ich bin sicher, es wird dir gefallen.”

Ich runzle die Stirn, als Adam sich von mir losmacht und aussteigt. Sekunden später öffnet er meine Tür und reicht mir die Hand. Was auch immer sich in diesem Gebäude befindet – ich bin nicht davon überzeugt, dass es mir gefallen wird, aber Adam lächelt mich so freudig an.

Kopfschüttelnd lasse ich mir aus dem Wagen helfen. Wir laufen Hand in Hand auf eine Hintertür zu. Das ist nicht die Art von Clubs, die ich normalerweise besuche. Elegante Läden in Buckhead, in denen es Live-Jazz gibt oder eine Piano-Bar. Das hier wirkt – nun –, 'verboten' ist das einzige Wort, das mir in dem Moment einfällt.

Ich hänge mich an Adams Arm. Wirklich ein merkwürdiger Ort. Der kaum beleuchtete Eingangsbereich ist komplett von den anderen Räumen abgetrennt. Ich höre leise, romantische Musik – der einzige Hinweis darauf, dass hier tatsächlich irgendetwas stattfindet. So wie ich müssen sich die Leute in der Zeit der Prohibition gefühlt haben, wenn sie sich bei Anbruch der Dunkelheit in die so genannten Speakeasies schlichen – es ist, als ob ich etwas Illegales täte.

In einem sehr kleinen Kassenhäuschen sitzt eine vollbusige Frau, der Adam zwei Hundertdollarscheine reicht. Sie gibt ihm kein Geld zurück. So viel habe ich noch nie gezahlt, um in einen Club zu kommen. Ich frage mich einmal mehr, um was für eine Art Überraschung es sich handelt.

Der Türsteher öffnet eine schwere Eisentür, das plötzlich einfallende Licht blendet mich. Adam tritt ein, ich folge ihm – und bleibe dann wie angewurzelt stehen.

Ich bin so fassungslos, dass ich nicht weiß, was ich denken soll, und schließe kurz die Augen für den Fall, mich womöglich zu irren. Doch als ich sie wieder öffne, zeigt sich mir derselbe schockierende Anblick, und mir wird klar, dass dies hier wirklich geschieht.

Überall – und ich meine überall – sind die Leute mit nur einem beschäftigt: mit Sex. Direkt vor mir auf einer Bodenmatte vergnügt sich eine Frau mit zwei Männern. Rechts daneben ist eine Frau gerade dabei, einem Mann einen zu blasen. Und hinter ihnen hat ein Mann eine Frau an die Wand gedrückt und nimmt sie hart von hinten.

Mein Gott. Das ist krank. Als wäre man in einem Raum voller wilder Tiere.

Panik steigt in mir hoch. Ich bin vom Alkohol benommen, ja, aber nicht so betrunken, dass ich mich nicht sofort frage, wozu Adam mich hierher gebracht hat. Am absurdesten finde ich die halb bekleideten Leute auf der Tanzfläche, die so tun, als würden sie von dem Treiben um sie herum nichts bemerken.

“Adam …”

“Wir können auch einfach nur zusehen, falls dir das lieber ist.”

Mir klappt der Mund auf, ich kann ihn nur anstarren. Ich hatte alle möglichen Antworten erwartet, aber nicht diese. Er müsste doch genauso entsetzt sein wie ich, genauso angewidert, dass wir aus Versehen in einem Sexclub gelandet sind.

Doch stattdessen sieht er mich mit einem hoffnungsvollen Blick an, und seine Handflächen werden feucht.

Himmel hilf, er ist erregt!

Im Gegensatz zu mir. “Du wusstest, was hier vor sich geht?”, frage ich ihn wütend.

“Mir hat jemand davon erzählt, und ich wollte mir das mal ansehen.”

In meinem Kopf dreht sich alles. “Schön”, sage ich. “Nun hast du's gesehen. Können wir jetzt gehen?”

Adam zieht mich an sich und streichelt meinen Hintern. “Komm schon, Claudia. Macht dich das gar nicht an?”

“Ob mich das anmacht?”

“Ja.” Er schweigt einen Moment. “All diese Leute, die wilden, hemmungslosen Sex haben.”

“Du machst wohl Witze.”

“Sex ist etwas ganz Natürliches, Babe. Etwas Wunderschönes. Warum soll man nicht offen zeigen, was man füreinander empfindet?”

Wenn meine Mutter das wüsste, sie würde auf der Stelle tot umfallen. Ach, was rede ich von meiner Mutter, ich bin selbst kurz davor, tot umzufallen. Und wenn mich irgendeiner meiner Bekannten jemals an einem solchen Ort erwischen würde, würde ich es nicht überleben.

“Ich möchte gehen”, sage ich.

Mit einem Finger dreht er meinen Kopf nach rechts. “Schau dir diese Frau an”, flüstert er. “Sieh dir ihr Gesicht an, während der Mann sie mit dem Mund befriedigt.” Die Frau beißt sich auf einen Finger und verdreht die Augen. “Sie gibt sich der Erfahrung völlig hin.”

Ich beobachte die Frau, lausche – und schlucke schwer. Dass ich auch nur hinschaue, finde ich schon widerlich, deswegen reiße ich mich schnell von dem Anblick los.

“Und vermutlich kennt sie den Typen nicht einmal.”

Bisher habe ich von Swingerclubs immer nur gehört, nie habe ich so etwas aus der Nähe und in der Realität gesehen. “Adam, wirklich, ich fühle mich hier nicht wohl.”

Adam ignoriert meine Worte vollständig, schnappt sich meine Hand und führt sie an seine Hose. Mein Gott, er ist steinhart. Ich bin nicht sicher, ob ich entsetzt sein oder einfach die Tatsache akzeptieren sollte, dass eine Erektion in einer solchen Umgebung wohl normal ist.

Ein Mann und eine Frau, gut gekleidet wie Adam und ich, schlendern auf uns zu. Ich erstarre, als die Frau, eine ältere weiße Dame, mich von Kopf bis Fuß mustert. Ich lehne mich an Adam, in der Hoffnung, dass er mich beschützt. Vor was genau weiß ich auch nicht.

“Hallo”, sagt die Frau.

“Kein Interesse”, entgegne ich schnell und schlinge die Arme um Adam. Dann trete ich zur Seite und ziehe ihn mit mir. Er zuckt mit den Schultern, als das Pärchen an uns vorbeigeht.

“Ich weiß, dass du Bedenken hast”, beginnt Adam.

“Das beschreibt nicht mal im Ansatz, was ich fühle.”

“Komm, suchen wir uns eine ruhige Ecke.”

“Wie bitte?” Ich schüttle den Kopf. “Adam, nein!”

“Nur für einen kurzen Moment.”

Ich habe das Gefühl, mein Herz müsste brechen. Ich habe so viel getan, um Adam sexuell zufrieden zu stellen, es ist wie ein Schlag ins Gesicht, dass er jetzt anderen zusehen will.

Er küsst mich sanft auf die Lippen. “Ich weiß, das ist verrückt. Aber bald sind wir verheiratet. Und ich möchte nur … mal etwas anderes ausprobieren … nur ein einziges Mal. Bevor wir 'ich will' sagen und uns für immer aneinander binden.”

Ich weiß nicht genau, was er damit sagen will. Schlimmer noch, ich traue mich nicht, zu fragen. Will er, dass wir uns mit einem anderen Pärchen vergnügen und dann am nächsten Morgen so tun, als wäre es nie geschehen?

Wegen Adams unersättlichen Hungers nach Sex habe ich eine Menge getan, was ich sonst nie getan hätte. Dinge, die ich nur ungern zugebe. Von Sex in der Öffentlichkeit bis zu derart abnormen Praktiken, dass meine Großmutter sich im Grab umdrehen würde. Ich habe wirklich alles versucht, um ihn glücklich zu machen. Ich bin eine Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts und wohl kaum prüde zu nennen. Aber Partnertausch – das ist eine ganz andere Geschichte.

“Wir trinken was und schauen einfach ein wenig zu.”

“Ich vögle nicht mit irgendeinem Typen. Und ganz sicher werde ich nicht zusehen, wie du es mit einer anderen Frau treibst.”

Adam drückt meine Hand. “Nein, nein. Darum geht es doch gar nicht, Sweetheart. Hier geht es nur um uns. Um dich und mich. Darum, dass wir beide möglichst viel ausprobiert haben, bevor wir heiraten.”

“Bist du unglücklich mit mir?” Ich wage mir gar nicht vorzustellen, dass ich trotz aller Bemühungen versagt haben könnte.

“Nein, natürlich nicht. Mein Herz gehört nur dir, und das wird immer so sein. Aber wir sind nicht ewig jung. Ich möchte nicht, dass wir später etwas bereuen.”

“Bereuen, dass wir nie Partnertausch ausprobiert haben?”, frage ich ungläubig.

“Ich will nur nicht, dass wir uns eines Tages wünschen, wir hätten mehr gewagt. Es geht darum, sich neuen Erfahrungen zu öffnen.”

Ich weiß wirklich nicht, was ich darauf antworten soll. Aber mich überkommt mal wieder dieses schreckliche Gefühl, dass ich ihn verlieren könnte.

“Ich möchte mit keiner anderen Frau zusammen sein”, versichert er mir. “Ich will nur zusehen … und dann möchte ich dich verwöhnen …”

Ganz plötzlich – oder in Anbetracht dieser Umgebung doch nicht so plötzlich – greift Adam unter meinen Rock, streichelt mich mit dem Daumen, und trotz meiner Bedenken durchfährt mich ein Schauer der Lust.

“Ich will dich lecken, während alle anderen zusehen”, flüstert er heiser. “Und dann möchte ich mit dir schlafen.”

Ich weiß nicht, wie ich das finden soll, wirklich nicht. Nein, das ist eine Lüge. Ich weiß es doch. Weiß, dass ich das nicht tun will. Aber dann denke ich an meine Schwester, die von ihrem Mann verlassen wurde, weil sie angeblich zu verklemmt ist, und sofort frage ich mich, ob Adam sich auch aus einem solchen Grund von mir trennen würde. Aber falls er mich wegen meiner Abneigung gegen Swingerclubs verlässt, ist er wohl nicht der Mann, für den ich ihn gehalten habe. Andererseits – wir sind verlobt. Ich habe bereits eine Menge in meine Hochzeit investiert, und ich will verdammt sein, wenn nicht alles so läuft wie geplant.

“Nur ein einziges Mal?”, frage ich.

Sein Lächeln strahlt hell wie eine Neonreklame. “Nur ein Mal, Babe.”

Leise seufzend lasse ich mich von Adam in eine dunkle Ecke ziehen. Es handelt sich doch nur um eine seiner verrückten Fantasien. Sobald sie Wirklichkeit geworden ist, wird sie ihn nicht mehr interessieren, und wir können all das vergessen.

2. KAPITEL

Alisha

Ich bin kurz davor.

“Ja! Oh Gott, ja!” Erregung schießt durch meinen Körper, ich atme schneller. Ich liebe diesen Moment, wenn wir vollkommen in Einklang sind. Wir haben diese gewisse Schwelle überschritten, und keiner von uns hält sich noch zurück. Die Bewegung, der Rhythmus ist gleichmäßig, ich stehe kurz vor der totalen Erfüllung.

Schnell drücke ich auf den Auslöser und mache eine Reihe von Fotos. “Wundervoll. Und jetzt, kommen Sie etwas näher. So ist es gut. Sie lieben diese Frau aus tiefstem Herzen. Und jetzt neigen Sie den Kopf, Mark.” Ich gleite auf ihn zu und drehe seinen Kopf in die Richtung, die mir vorschwebt. “Genau das ist es.” Ich stöhne tatsächlich vor Vergnügen. “Jetzt bleiben Sie so. Und lächeln.”

Ich halte die Kamera in der Hand, was mir besser gefällt, als sie auf einem Stativ zu befestigen. So bin ich viel freier, kann die verschiedenen Blickwinkel besser ausprobieren. Ich mache einen Schritt zurück und bewege mich so weit nach rechts, bis ich zufrieden bin. Dann schaue ich durch den Sucher, stelle scharf und voilà: Perfektion. Die Kamera liebt dieses Paar.

Ich schieße noch ein paar Bilder von Mark und Robin in einer weiteren tadellosen Pose. Nun habe ich schon eine Menge Material von den beiden, aber noch bin ich nicht fertig. Erst das nächste Bild wird genau den richtigen Moment einfangen.

^p“Drehen Sie sich ein kleines bisschen. Sehen Sie sich an. Weniger Lächeln, mehr Romantik.” Gott, zwischen den beiden ist so viel Ehrlichkeit. “Ja, so ist es absolut perfekt.”

Ich drücke auf den Auslöser und lasse erst wieder los, als der Film voll ist. Dafür bin ich wirklich geboren. Das Fotografieren liegt mir im Blut.

Ich lasse die Kamera sinken. “Das war großartig”, verkünde ich und spüre dieses High, das sich nach einer gelungenen Fotosession einstellt. “Die Fotos werden fantastisch werden.”

Robin grinst von einem Ohr zum anderen. “Glauben Sie wirklich?”

“Ganz bestimmt. Die Kamera liebt Sie.”

“Ich kann es kaum erwarten, die Bilder zu sehen.” Robin dreht sich zu Mark und reibt ihre Nase an seiner. Es geht nichts über Liebespaare, die man auf Fotos bannt. Ich liebe es, wie ihre Blicke alles über ihre Seelen verraten.

Die beiden haben sich vor Kurzem verlobt. Deswegen sind sie in meinem Fotostudio – sie brauchen Fotos für die Verlobungsanzeige.

Und das ist auch der Grund dafür, warum sie so zärtlich miteinander umgehen. Sie können kaum die Finger voneinander lassen. Selbst als sie vom Sofa aufstehen, halten sie sich an der Hand. So gerne ich glückliche Pärchen sehe, so sehr wühlt zugleich die Sehnsucht in meinem Bauch.

“Können wir jetzt die Probeabzüge sehen?”

Ich schüttle den Kopf. “Sie können mich altmodisch nennen, aber ich bin kein Freund der digitalen Fotografie. Wenn ich Ihnen richtige Abzüge zeige, bekommen Sie eine viel bessere Vorstellung davon, wie die Fotos aussehen werden.”

Robin nickt zwar, wirkt aber ein wenig enttäuscht. “Und wie schnell sind die fertig?”

In dieser Woche ist ziemlich viel los gewesen. “Nun, wahrscheinlich in neun oder zehn Tagen.”

“So lange?” Sie schaut Mark besorgt an. Offenbar kann sie es kaum erwarten, die Verlobung zu verkünden.

“Ich kann Ihnen auch einen schnelleren Termin anbieten. Zwischen drei und fünf Tagen.”

“Drei”, entscheidet Robin, ohne zu zögern. “Wir wollen die Anzeige so schnell wie möglich verschicken.”

Ah, junge Liebe. Ich versuche mich an die Zeit zu erinnern, als mein Mann und ich so verliebt waren. Als jede Sekunde, die wir voneinander getrennt waren, sich wie eine qualvolle Ewigkeit anfühlte.

Die Erinnerung daran ist zwar vage, existiert aber noch. Das war vor zehn Jahren, als wir noch aufs College gingen, bevor Charles mit dem Jurastudium anfing. Damals war so eine Leichtigkeit zwischen uns. Wir lachten viel, alberten herum.

Und hatten eine Menge Sex.

Vergiss Charles, sage ich mir. Ich will jetzt nicht an ihn denken, nicht jetzt, wo ich dieses Hochgefühl habe.

Also stürze ich mich wieder in die Arbeit, gebe Robin und Mark einen Termin, an dem sie die Abzüge sehen können. Nachdem sie einen Betrag angezahlt haben, begleite ich sie zur Tür. Arm in Arm laufen sie die Treppe hinunter, steigen in einen BMW und winken mir zu.

Nachdem sie weggefahren sind, seufze ich leise und gehe in mein Studio zurück. So gerne ich dieses Hochgefühl auch festhalten möchte – kaum bin ich allein, sinkt meine Laune in den Keller.

Wenn ich mich mit meiner Arbeit beschäftige, ist es leicht, meine Probleme zu vergessen. Doch jetzt muss ich wieder daran denken. Liebe in ihrer reinsten Form zu sehen, lässt mich über mein eigenes Liebesleben immer ins Grübeln geraten. Dieser Kontrast: Mark und Robin, die so glücklich sind, so liebevoll miteinander umgehen. Charles und ich, so unglücklich, so distanziert.

Wir sind nun seit fünf Jahren verheiratet, und bis vor Kurzem waren wir auch glücklich. Doch vor etwa vierzehn Monaten hat sich unsere Beziehung drastisch verändert. Der liebevolle und zärtliche Charles wurde auf einmal kalt und abweisend. Seit über einem Jahr hat er mich nicht mehr angefasst.

Klar, wir küssen uns, wir umarmen uns. Mit ungefähr so viel Leidenschaft wie Bruder und Schwester. Wenn ich versuche, über das Platonische hinauszugehen, zieht Charles sich zurück.

Er sagt, er sei gestresst, was ich ja durchaus verstehen kann. Mein Mann ist Zivilverteidiger und hat viel um die Ohren. Das ist mir durchaus klar. Aber vierzehn Monate? Ich dachte immer, mit Sex könnte man wunderbar Stress abbauen.

Manchmal bin ich so frustriert, dass ich am liebsten alles hinschmeißen würde. Aber dann frage ich mich wieder, wie das gehen soll. Ich liebe diesen Mann mehr als alles auf der Welt. Ich werde mit ihm bis an mein Lebensende verheiratet bleiben. Und bis ans Lebensende ist eine lange Zeit, um keinen Sex zu haben.

Wenn ich ihn unter Druck setze, macht er sofort dicht, deswegen habe ich mir angewöhnt, auf subtile Art sein Interesse zu wecken. Indem ich ihm beispielsweise eine Nackenmassage gebe oder nach seiner Hand greife, wenn wir zusammen auf dem Sofa sitzen. Aber selbst das funktioniert nicht. Denn gerade wenn ich glaube, dass er ausreichend entspannt ist und ich vielleicht endlich zum Zug kommen könnte, drückt er mir einen Kuss auf die Wange und sagt, dass er schon mal ins Bett geht.

So war es auch gestern Abend.

Und am Abend davor kam Charles erst nach mir ins Bett. Er schmiegte sich nicht an mich. Das macht er nicht mehr. Als ob eine Grenze mitten durch unser Bett führt, die er nicht übertreten will.

Heute Morgen fragte ich ihn unter Tränen, ob er eigentlich noch mit mir verheiratet sein wolle. Er versicherte mir, dass es so sei – dann gab er mir einen Kuss auf die Stirn und ging zur Tür.

Ehrlich, ich bin mit meiner Weisheit am Ende. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Aber ich kann jetzt nicht das Handtuch werfen. Ich muss einen Weg finden, unsere Beziehung zu retten.

Auf der Fahrt ins Fotostudio habe ich mir die verschiedensten Möglichkeiten überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mal etwas Neues probieren muss. Etwas vollkommen anderes.

Ich denke dabei an Duftkerzen, Wein und eine entspannende Atmosphäre. Sie denken jetzt vielleicht, das ist doch nichts Besonderes. Und Sie haben recht. Aber ich setze noch einen drauf, indem ich etwas wirklich Skandalöses anziehen werde. Etwas, dem mein Mann einfach nicht wird widerstehen können.

Ganz am Anfang unserer Ehe haben wir so was öfter gemacht, aber irgendwann haben wir die Lust daran verloren. Es wurde langweilig.

Ich habe also herrlichen Sex im Kopf, als ich die Tür hinter mir abschließe. Das Studio ist klein, ein Raum in einem Einkaufszentrum. Mehr kann ich mir nicht leisten, wenn ich mit der Arbeit, die mir so viel Spaß macht, zumindest ein wenig Geld verdienen möchte.

Dieser Monat ist ganz gut gelaufen, es gab mehr Hochzeiten, als ich erwartet hatte. Somit habe ich zum Glück etwas Geld übrig, das ich dafür ausgeben will, meine Ehe aufzupeppen.

Bei diesem Vorhaben kann mir eigentlich nur ein Mensch helfen. Meine Schwester. Ich klettere hinter das Steuer meines Jettas und rufe sie auf dem Handy an. Meine Schwester und ich sprechen nicht sehr oft miteinander. Wir verstehen uns nicht besonders gut. Aber das hier ist ein Notfall. Ich brauche ihr Fachwissen.

Ich war immer das brave Mädchen. Samera war immer die Hure.

Ich liebe sie trotzdem, und ich kann ihr ihren Lebenswandel auch kaum vorwerfen. Unsere Mutter ist eine religiöse Fanatikerin – für den Fall, dass ich das noch nicht erwähnt habe. Damit hat sie meine Schwester ins Sexgewerbe getrieben, während ich lange glaubte, auch nur den Hauch von Lust zu empfinden würde mich direkt in die Hölle schicken.

Seit sechs Jahren arbeitet Samera als Stripperin. Sie bevorzugt den Ausdruck “exotische Tänzerin”, aber ich nenne die Dinge gern beim Namen.

Es klingelt, ich warte. “Hallo”, meldet sie sich fröhlich nach dem dritten Klingeln.

“Hey, Sam. Ich bin's.”

Sie schweigt einen Moment. “Ally”, sagt sie dann. “Nun, das ist eine Überraschung.”

“Ich weiß. Tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Ich hatte eine Menge Arbeit.”

“Verstehe. Ich hatte auch viel zu tun. Und verdienst du jetzt endlich anständig Geld?”

Was sie eigentlich wissen will, ist, ob ich genug verdiene, um unabhängig zu sein. Samera findet die Vorstellung schrecklich, dass ich, sollten Charles und ich uns trennen, noch nicht in der Lage wäre, allein über die Runden zu kommen.

“Es läuft schon besser”, verkünde ich, ohne hinzuzufügen: “Aber nicht viel.”

“Du weißt ja, wenn es nicht gut läuft, kann ich dir jederzeit einen Job in dem Club besorgen.”

Ich kichere sarkastisch, wie immer. Das ist ein alter Witz zwischen uns – den ich allerdings nicht sonderlich lustig finde. Im Grunde ist es einfach nur Sameras Art, mir zu sagen, wie prüde sie mich findet.

“Wie wäre es, wenn wir stattdessen zusammen zu Mittag essen?”, schlage ich vor. “Möglichst bald. Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen.”

“Kein Problem, Schwesterlein.”

Das wird sich erst noch herausstellen. “Hör mal”, sage ich. “Ich habe eine Bitte.”

“Schieß los.”

“Das klingt jetzt vielleicht komisch. Aber wo finde ich ein, sagen wir, Kaufhaus für Erwachsene?”

“Für Erwachsene? Du meinst so was wie 'JCPenny'?”

Sie weiß genau, was ich meine. “Nein, ein Laden, in dem man … so Zeug kaufen kann. Du weißt schon.”

“Du meinst einen Sexshop?”

“Ja, was auch immer.”

Samera lacht. “Ich schwör's dir, Ally, ich kann direkt sehen, wie du rot wirst. Ich weiß nicht, warum dir das so peinlich ist. Wir leben im dritten Jahrtausend. Frauen dürfen das Wort Sex aussprechen, ohne Angst haben zu müssen, deswegen verfolgt zu werden.”

“Ich brauche keine Belehrungen. Nur einen Rat.”

“Was willst du denn genau? Filme? Spielzeug?”

“Ich dachte da mehr Richtung sexy Unterwäsche. Ich möchte die Beziehung zu Charles etwas aufpeppen.” Kaum habe ich das gesagt, sehe ich einen lachenden Teufel mit einer Mistgabel in der Hand vor meinem inneren Auge. Glauben Sie mir, es ist nicht so einfach, achtzehn Jahre Erziehung ungeschehen zu machen.

“Warum kommst du nicht im Club vorbei? Das bringt euch beide garantiert in die richtige Stimmung.”

“Nein danke.” Auf gar keinen Fall will ich von jemandem mit Charles in einem Striplokal ertappt werden. Das ist nicht gerade die Veränderung, die ich mir vorgestellt hatte. “Ich will einfach nur in einen Laden und unanständige Dessous kaufen. Mit Spitze und Federn. Vielleicht sogar ein im Schritt offener Tanga.”

“Ach du je. Du meinst es also ernst.”

“Du kannst jetzt aufhören, zu kichern. Ich lebe schließlich nicht hinter dem Mond.”

“Okay, okay.” Samera beruhigt sich. “Im Schritt offen ist gut übrigens. Das bringt Typen immer in Stimmung. Genauso wie essbare Unterwäsche. Ich habe das mal getragen bei einem Mann, und ich kann dir sagen …”

“Zu viel Information”, verkünde ich. Samera lässt sich gerne mitreißen und erzählt Details, die man gar nicht wissen will. “Sag mir einfach, wo ich so was kaufen kann.”

“Wo bist du? Verlässt du gerade das Studio?”

“Ja.”

“Es gibt einen Laden in Sugarloaf, den ich wärmstens empfehlen kann. Er liegt auf deinem Heimweg. Er heißt “A Little Naughty”. An der Ecke John und Hibiscus.”

Jetzt, wo Samera es erwähnt, glaube ich mich an das Geschäft erinnern zu können. Ich bin schon daran vorbeigefahren, habe es aber nicht bewusst wahrgenommen. “Ich glaube, ich kenne den Laden.”

“Da gibt es alles, wovon du nur träumen kannst. Frag nach Suzie. Sag ihr, dass ich dich schicke, dann bekommst du Rabatt.”

Ich frage mich, wie oft meine Schwester da wohl einkauft. Aber eigentlich will ich es gar nicht wissen. “Tausend Dank, Schwesterlein. Hör mal, ich melde mich später wieder, ja?”

“Weißt du, du musst nicht mit Charles zusammenbleiben, wenn er dich nicht zu schätzen weiß. Und wenn ihn das nicht anmacht, dann solltest du dich ernsthaft fragen, ob er dich betrügt.”

“Tschüss.” Ich verdrehe die Augen und weiß wieder genau, warum wir nicht sonderlich oft miteinander sprechen. Ich liebe Samera, aber unsere Leben sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Sie lebt allein und glaubt nicht an die Ehe, noch weniger an Monogamie. Sie interessiert sich nur dafür, was Männer ihr geben können, sie behauptet, sie hätte sich schon zu oft die Finger verbrannt. Ich auf der anderen Seite wäre niemals wegen seines Geldes mit einem Mann zusammen.

Eine halbe Stunde später parke ich vor dem Geschäft an der Ecke John Street und Hibiscus Street und entdecke sofort die neonpinkfarbenen Lichter und die knapp bekleideten Puppen im Schaufenster. Die Sonne geht gerade unter, aber ich setze trotzdem die Sonnenbrille auf, als ich aus dem Wagen steige. Ich will nicht Gefahr laufen, erkannt zu werden.

Ich betrete den Laden und stehe erst einmal nur so herum. Meine Sinnesorgane sind allesamt überfordert. Links von mir jede Menge knappe Dessous, aber nichts, was ich nicht schon gesehen hätte. Aber die Dinge rechts von mir sind es, die mich erröten lassen.

Dort befindet sich ein Regal mit ausgestellten Dildos – von denen manche so groß sind, dass ich mir nicht vorstellen kann, warum eine Frau sie kaufen sollte. Und offenbar bekommt man sie in allen erdenklichen Farben, was die Frage aufwirft, ob sie womöglich auch noch mit Geschmack sind.

“Hi!” Eine winzige brünette Frau hüpft auf mich zu. Sie trägt ein Piercing in der Augenbraue und ist dunkel geschminkt. “Kann ich Ihnen helfen?”

“Ich … schaue mich nur um.”

Sie kneift die Augen zusammen und scheint zu überlegen, ob sie mich kennt. “Sie kommen mir bekannt vor. Waren Sie schon einmal hier?”

“Ich, um Gottes willen nein.” Dann kapiere ich. “Wahrscheinlich verwechseln Sie mich mit meiner Schwester. Samera Peyton.”

“Ja, natürlich. Sie haben die gleichen schönen Augen.”

“Sind Sie Suzie?”

“Mhm. Kann ich Ihnen wirklich nicht helfen?”

Ich weiß, dass ich mich in einem Sexshop befinde, aber ich will trotzdem nicht, dass dieses süße kleine Ding eine Vorstellung davon bekommt, was ich später noch zu tun gedenke. Ich schüttle den Kopf. “Nicht jetzt jedenfalls. Ich sag dann Bescheid.”

Ich wandere nach rechts auf die ungefährlich aussehende Unterwäsche zu, die ich nicht vorhabe, zu kaufen. Selbstverständlich ist das völlig sinnlos, denn Suzie wird ja auf jeden Fall sehen, was ich aussuche.

“Entspann dich”, flüstere ich mir zu und befingere einen schwarzen Spitzenbody. “Du bist eine erwachsene Frau. Und du darfst guten Sex haben.”

Zum Teufel, im Augenblick wäre ich mit durchschnittlichem Sex zufrieden. Diese traurige Tatsache lässt mich meine Zurückhaltung vergessen, und ich mache mich auf die Suche nach dem obszönsten Stück Unterwäsche, das ich finden kann. Ich ergattere ein im Schritt offenes Höschen und einen BH mit Federn. An diese beiden Teile klammere ich mich, als wären sie die Lösung für all meine Probleme.

Als ich die Uniform eines Dienstmädchens an einer Puppe entdecke, muss ich lachen. Doch nachdem ich damit wieder aufhöre, erlaube ich mir einen genaueren Blick. Die Uniform ist äußerst knapp, man könnte darin ein schönes Rollenspiel veranstalten. Ich würde zum Beispiel nicht anständig kochen oder nicht sorgfältig genug Staub wischen. Und Charles könnte mir den Hintern versohlen und mich mit seinem pochenden Schwanz bestrafen …

Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht laut aufzulachen. Offenbar habe ich wohl viel zu viele historische Romane gelesen.

Ich stöbere weiter und entdecke eine Puppe ganz in Leder mit einem Hundehalsband und einer Peitsche. Das ist eine Idee. Ich könnte Charles dafür auspeitschen, dass er ein böser Junge war. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, wie er auf allen vieren seinen Hintern in die Luft streckt. Also schnappe ich mir das Päckchen mit der Dienstmädchenuniform und klemme es unter den Arm. Und ich suche mir sogar eine schwarze Perücke aus. Wenn schon Rollenspiel, dann richtig.

Nach kaum fünfzehn Minuten in diesem Laden fühle ich mich wie eine andere Frau. Und zwar so sehr, dass ich auf meinem Weg zur Kasse an einem Regal voller Vibratoren Halt mache und einen Blick darauf werfe. Mehr als einen, um ehrlich zu sein, aber ich bin eben neugierig. Meine Aufmerksamkeit richtet sich auf einen langen, dicken und blauen Vibrator (eine merkwürdige Farbe für dieses lebensecht aussehende Stück), aber ich werde nicht fragen, wieso. Ich nehme ihn aus dem Regal und untersuche ihn genauer.

“Oh, diesen da liebe ich geradezu.”

Ich zucke erschrocken zusammen, und der blaue Penis und meine Dessous fallen zu Boden. Die niedliche kleine Suzie hebt alles ohne zu zögern wieder auf.

Mit brennenden Wangen nehme ich die Sachen in Empfang, ohne ihr dabei allerdings in die Augen zu sehen.

“Oder wie wäre es damit?” Sie wählt einen riesigen Penis aus. “Der fühlt sich sehr echt an. Fassen Sie ihn doch mal an.”

Gott vergib mir, denke ich, dann berühre ich den dargebotenen Penis und bin überrascht, wie weich er ist. “Nett”, murmle ich, weil mir nichts Passenderes einfällt.

“Bei dem hier bewegen sich die Hoden sogar, was noch mehr stimuliert. Und es gibt drei Geschwindigkeitsstufen, je nachdem, wie Sie es bevorzugen.”

Inzwischen bin ich rot wie eine Tomate. “Also … ich glaube, ich bleibe bei dem hier.” Auf keinen Fall kann ich einen weiteren Penis in meine Wohnung bringen, selbst wenn ich ihn brauchen könnte. Was würde mein Mann denn dazu sagen?

Suzie geht zur Kasse, ich folge ihr. Mir ist klar, dass wir uns im dritten Jahrtausend befinden, aber dieser Laden ist so … sündig. Ich kann kaum glauben, dass ich wirklich hier bin. Schuldgefühle steigen in mir auf, ich überlege, zur Beichte zu gehen.

“Vielleicht wollen Sie das mal ausprobieren.” Suzie deutet auf einen Behälter voller kleiner Tuben. “Gleitmittel mit Geschmack”, verkündet sie stolz. “Ich persönlich finde Himbeere am besten.”

Guter Gott, sie sieht viel zu jung aus, um den ganzen Kram schon ausprobiert zu haben. Gerade will ich ihr sagen, dass ich kein Interesse daran habe, als ich meine Meinung ändere. Wie viel habe ich bisher verpasst? Viel zu viel, das steht fest. Ich habe einiges nachzuholen, und genau das werde ich tun.

Ich schnappe mir eine Handvoll Tuben. “Davon kann ich nicht genug kriegen.”

“Ich weiß genau, was Sie meinen.”

Ich kichere leise und genieße den Moment, als ich jemanden neben mir bemerke, mich umdrehe und vor Entsetzen beinahe tot umfalle, als ich nur wenige Schritte von mir entfernt einen total heißen Typ entdecke. Wie lange ist er schon da, und wieso ist er mir nicht vorher aufgefallen?

Und noch schlimmer, wie viel von dem Gespräch hat er mitbekommen?

Als unsere Blicke sich treffen, grinst er mich an.

Gott helfe mir, er denkt, ich bin eine Sexbesessene. Ich bezahle hastig und eile aus dem Laden.

Neun Uhr abends und noch immer keine Spur von Charles. Was mir vor drei Stunden noch als eine gute Idee erschien, kommt mir jetzt völlig albern vor. Ich liege in dieser lächerlichen Hausmädchenuniform mit der noch lächerlicheren Perücke auf dem Sofa und schaue mir halbherzig eine Datingshow im Fernsehen an. Der Hackbraten wartet lauwarm im Backofen.

Er hat nicht mal angerufen, um zu sagen, dass er später kommt.

Ich hätte mich umziehen können – war auch kurz davor, es zu tun –, aber Charles soll sehen, womit ich versuchen wollte, ihn zu verführen. Und wenn ich ganz ehrlich bin, hoffe ich irgendwie noch immer, dass er zur Tür hereinkommt, mich halbnackt daliegen sieht und über mich herfällt, bis ich nicht mehr weiß, wer ich bin.

Als ob das jemals geschehen würde. Warum zum Teufel bemühe ich mich überhaupt? Vielleicht hat meine Schwester ja recht. Vielleicht hat Charles tatsächlich eine Affäre.

Das schnurlose Telefon liegt neben mir auf dem Sofa, weil ich auf Charles' Anruf hoffte. Jetzt nehme ich es hoch und wähle die Nummer einer meiner Freundinnen. Ich muss einfach eine freundliche Stimme hören.

“Hallo?”

Gott sei Dank ist Lishelle zu Hause. Sie ist Nachrichtensprecherin und arbeitet abends manchmal. Ich habe sie im Spelman-College kennengelernt, genauso wie meine andere beste Freundin Claudia Fisher. Ich schätze, ich tat ihnen leid – als eines der wenigen weißen Mädchen, das sich traute, auf eine überwiegend von Schwarzen besuchte Schule zu gehen. Was mir egal war. Ich wollte einfach auf eine reine Mädchenschule gehen, vermutlich wegen meiner Mutter, die sich Sorgen wegen der Versuchungen machte, denen ich auf einem normalen College ausgesetzt gewesen wäre.

“Hey, Lishelle”, sage ich und ziehe die Perücke ab. “Hier ist Alisha.”

“Was gibt's, Mädchen?”

Ich seufze leise. “Eigentlich nichts. Ich sitze hier herum und sehe fern und dachte, ich ruf mal an.” Ich will nicht über Charles sprechen. Ich bin schon deprimiert genug. “Hast du heute von Claudia gehört?”

“Mhm.”

“Also gibt es eine weitere Anprobe am Samstag?”

“Sie übertreibt wirklich. So wie sie ständig neue Kleider und Designer ausprobiert, kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendetwas jemals gut genug für sie sein wird.”

“Sie muss sich bald entscheiden. Schließlich ist die Hochzeit am siebenundzwanzigsten Mai.” Ich hebe den Kopf, als ich höre, wie der Türknauf sich bewegt. Charles. Mein Herz beginnt zu hämmern. “Lishelle, ich muss auflegen.”

“Wie bitte?”

“Ich melde mich morgen.”

Meine ganze Verführungsszene ist ruiniert, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Einfach aufstehen und meinen Mann begrüßen oder provokativ auf dem Sofa liegen bleiben?

Die Entscheidung wird mir abgenommen, denn ich habe nicht mehr genug Zeit, aufzustehen. Ich schleudere die Perücke durchs Zimmer, fahre mir durch das blonde Haar, atme tief durch und stütze mich auf einem Ellbogen ab. Als Charles erscheint, flüstere ich: “Hallo.”

Er bleibt wie angewurzelt stehen, als wäre er erstaunt, mich zu sehen. Das ist er wohl auch, denn er hat einen Stapel Post in der Hand, den er gerade durchsehen wollte.

“Hallo”, sage ich noch mal und füge ein Lächeln hinzu.

“Hey.”

Charles betrachtet die Kerzen auf dem Tisch. Ich warte auf seine Reaktion – doch er macht einfach mit der Post weiter.

Mit der Post! Ich bin gekleidet wie eine französische Nutte, und er interessiert sich nur für die Post!

Ich setze mich auf und weiß nicht, ob ich schreien oder weinen soll. Am liebsten würde ich ihn schlagen.

“Charles.” Ich bemerke die Verbitterung in meiner Stimme.

Er läuft um das Sofa herum und setzt sich neben mich. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung.

Ich küsse ihn auf die Wange. “Ich habe dich vermisst, Liebling.”

“Es war ein langer Tag.” Sein Blick wandert über mich. “Was trägst du denn da?”

“Ja!”, denke ich. Er hat es bemerkt. Und es macht ihn an. Wir werden wilden, leidenschaftlichen Sex direkt hier auf dem Sofa haben.

“Nur etwas, das ich heute so nebenbei mitgenommen habe.” Ich presse meine Lippen gegen seine, öffne sie und werde sofort erregt – bis mir auffällt, dass ich genauso gut einen toten Fisch küssen könnte.

Niedergeschlagen lasse ich nun die Schultern sinken. “Charles …”

“Gott, es tut mir leid. Aber ehrlich, Alisha, ich hatte, wie gesagt, einen langen Tag. Mein Kopf schmerzt höllisch.”

Den Rest seines Geredes blende ich aus. Wenn ich müsste, könnte ich es sowieso auswendig herbeten.

Ich will nicht aufgeben, aber was soll ich tun? Wahrscheinlich hat er schon, bevor er zur Tür hereinkam, überlegt, wie er mich am besten zurückweisen kann. Was ist aus dem Mann geworden, der mir Gedichte schrieb und völlig falsch Liebeslieder vorgesungen hat? Diesen Mann vermisse ich.

“Im Ofen ist Hackbraten.”

Charles macht ein spöttisches Gesicht. “Hackbraten? Du weißt doch, dass ich rotes Fleisch nicht sonderlich mag.”

Der Mann hat vielleicht Nerven. Erst mache ich mich in einem Sexshop lächerlich, dann komme ich nach Hause und rackere mich mit einem Abendessen für ihn ab, und ihm ist das völlig egal? Am liebsten würde ich ihn mit einem Sofakissen ersticken.

“Tut mir leid”, sage ich. “Es war …” Ich halte inne, will ihm nicht sagen, dass ich ein schnelles Essen zubereiten wollte, in der Hoffnung, er würde früher heimkommen und stattdessen mich vernaschen.

“Ich hab sowieso schon gegessen”, verkündet er.

Und dann, um der Beleidigung noch eine Verletzung hinzuzufügen, schnappt er sich die Fernbedienung und zappt durch die Kanäle. Der arme, überarbeitete Charles, der so verdammt müde ist, dass er mir nicht mal einen anständigen Kuss geben kann, ist wach genug, um fernzusehen. Warum schluckt er nicht zwei Aspirin und geht direkt ins Bett?

Er bleibt bei einem Fußballspiel hängen – seit wann mag er Fußball?

Und bin ich es, die er nicht mehr mag?

Zurückgewiesen zu werden tut weh. Als ob man einem anderen seine Seele anbietet und er daraufspuckt. So fühle ich mich. Und das kotzt mich an.

Autor

Kayla Perrin
Kayla Perrin wollte schon immer Schriftstellerin werden, versuchte es jedoch zuerst mit einer Karriere als Lehrerin und studierte Englisch und Soziologie. Als nach ihrem Studium immer mehr Lehrer entlassen wurden und kein Job für sie in Aussicht war, entschied Kayla, sich ihren Traum vom Schreiben zu erfüllen. Kayla erhielt zahlreiche...
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