Erwischt - Sex unter Rivalen

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Die erfolgreiche Jessica Morgan will unbedingt Bürgermeisterin von Las Vegas werden - deshalb darf ihr Konkurrent Rafael Martinez auf keinen Fall erfahren, dass Poledancing ihr Nebenjob ist! Doch auch der sexy Alphamann ist kein Unschuldslamm, und bald hat Jessica ein Ass im Ärmel. Als sie Rafael unter Druck setzen will, kocht plötzlich die Lust zwischen ihnen hoch! Der Wahlkampf gerät endgültig außer Kontrolle, als ein Sextape, das sie beide zusammen zeigt, an die Öffentlichkeit gelangt …


  • Erscheinungstag 03.10.2019
  • Bandnummer 27
  • ISBN / Artikelnummer 9783745751123
  • Seitenanzahl 180
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wenn Sie Rafael Martinez einmal genauer betrachten, wird Ihnen schnell auffallen, dass bei ihm einfach alles passt. Er ist männlich, wohlhabend, einflussreich. Er kennt die richtigen Leute, und er weiß genau, wie man einen guten Deal abschließt“, sagte Jessica Morgan auf dem TV-Bildschirm, so als würde sie Rafael durch die Kamera hindurch direkt selbst ansprechen. „Aber die Leute hier in Las Vegas brauchen – verdienen – einen Bürgermeister, der weiß, was die Stadt bewegt. Jemanden, der die aktuellen Herausforderungen im Bereich der Sozial- und Wohnungspolitik kennt. So wie ich. Ich stelle mich zur Wahl, um den Leuten zu helfen, den Frauen und Kindern, die jemanden brauchen, der sie und ihre Rechte zu schützen weiß. Ich fordere eine verantwortungsvollere, viel stärker auf die Gemeinde fokussierte Verwaltung –“

Rafael fluchte leise und drückte die Stummschaltetaste auf der Fernbedienung. So konnte er die gut aussehende Frau auf dem großen Flachbildschirm in seinem Wohnzimmer zwar noch sehen, ihre beleidigenden Worte aber nicht mehr hören.

„Tja, ganz unrecht hat sie ja nicht“, sagte Alex Fischer, sein bester Freund, der grinsend auf der Couch saß. „Du bist männlich, wohlhabend und einflussreich, und du weißt, wie man einen guten Deal macht.“

Rafael warf ihm einen funkelnden Blick zu, ging aber nicht auf seine Worte ein.

Alex gab nach und lehnte sich entspannt zurück. „Okay, wo kommt sie eigentlich so plötzlich her? Und warum hat sie es auf dich abgesehen?“

„Jessica ist seit zwei Jahren im Stadtrat, seit der letzten Wahl, und sie hat sich von Anfang an stark für sozialpolitische Themen eingesetzt. Aber abgesehen von ein paar wenigen Bereichen, in denen wir unterschiedlicher Ansicht waren, hat sie sich eigentlich meist zurückgehalten; niemand hat mit ihrer Kandidatur gerechnet.“ Anfangs hatte Rafael sogar gedacht, dass es sich um einen Scherz handelte. Er war davon ausgegangen, direkter Nachfolger von Bürgermeister Thompson zu werden, und es hatte ihn nicht weniger überrascht als alle anderen, dass sie plötzlich mit in den Ring gestiegen war.

„Sie ist also einfach spontan auf die Idee gekommen, als Bürgermeisterin zu kandidieren?“, fragte Alex skeptisch. „Das muss doch irgendwie schon eher absehbar gewesen sein.“

Rafael schüttelte den Kopf. „Sie muss ja nur einen Antrag einreichen, über das nötige Geld verfügen, eine ordentliche Kampagne auf die Füße stellen und darauf hoffen, zu gewinnen. Und gemessen daran, wie die Medien auf sie anspringen, scheint ihr das ganz gut zu gelingen. Und stell dir vor – sie hat ihre Kandidatur tatsächlich über Crowdfunding finanziert. Ziemlich erfolgreich sogar.“

„Im Ernst? Und was hat sie für ein Problem mit dir? Sie scheint ja nicht gerade ein Fan zu sein.“

„Nein, das ist sie nicht.“ Sein ganzes Leben lang war es ihm ziemlich egal gewesen, wie beliebt er bei anderen war. Er war selbstbewusst und selbstsicher genug, um die Meinungen anderer – gute wie schlechte – an sich abprallen zu lassen. Um in der Politik zu überleben, braucht man ein dickes Fell. Und trotzdem juckte es ihn irgendwie, dass Jessica Morgan eine so schlechte Meinung über ihn zu haben schien. Bisher waren sie sich eigentlich auch immer freundlich begegnet, wenn sie miteinander zu tun gehabt hatten. Doch plötzlich hatte er es mit einer echten Herausforderung zu tun. Die Frau, die ihn in ein so schlechtes Licht rückte, war das einzige Hindernis, das zwischen ihm und seinem Traumjob stand – dem Job, der ihm zustand.

„Das Einzige, was mir als Motiv einfällt, ist, dass sie unbedingt gewinnen will. Außer uns kandidiert ja sonst niemand, sie muss also nur mich schlagen“, fuhr er mit einem bitteren Unterton fort und dachte an seine Umfragewerte, die bereits leicht gesunken waren, seit Jessica sich ins Rennen begeben hatte. „Sie hat jedenfalls ihre Boxhandschuhe an.“

„Und was hast du jetzt vor? Wenn sie so weitermacht, kann sie deiner Kandidatur echt schaden. Das Letzte, was du momentan gebrauchen kannst, ist, dass sie dich als reiches Elite-Arschloch darstellt“, erinnerte ihn Alex, der zugleich auch sein Wahlkampf-Manager war. Unnötigerweise.

„Denkst du etwa, dass ich das verdammt noch mal nicht selber weiß?“, erwiderte Rafael und blickte auf den TV-Bildschirm, auf dem Jessica noch immer zu sehen war.

Doch Rafael war alles andere als ein reiches Elite-Arschloch. Er hatte sich den Arsch abgearbeitet für all das, was er inzwischen erreicht hatte. Jeder Luxus, den er sich gönnte – sein fürstliches Zuhause, die schnellen Autos – waren Blut, Schweiß und Tränen zu verdanken. Nichts, was er anpackte, nahm er auf die leichte Schulter. Schon als Kind hatten ihm seine Eltern, die als mexikanische Immigranten auf der Suche nach einem besseren Leben in die USA gekommen waren, eingebläut, dass harte Arbeit die Grundlage allen Erfolgs bildete. Es war dieser Glaube, der seinen Ehrgeiz auf geschäftlicher Ebene befeuerte und seine politischen Ambitionen antrieb.

Bürgermeister von Las Vegas zu werden war nur ein Schritt auf der politischen Karriereleiter, die er zu erklimmen plante. Mit seinen besten Freunden und Geschäftspartnern – der „Bruderschaft“, wie sie sich nannten – im Rücken war er auf dem Weg nach oben nicht aufzuhalten. Alex leitete mit seinem Kumpel Brett eine Immobilienagentur, die zu den größten Firmen der Stadt zählte. Dann war da noch Gabe, Spitzenanwalt und Experte für alle rechtlichen Belange in ihrer Gruppe. Und Alana, die einzige Frau in der Runde, eine talentierte Innenarchitektin und Managerin der Restaurants und Clubs, die sie gemeinsam betrieben. Rafael war für die politischen Verbindungen der Gruppe zuständig. Gemeinsam hatten sie einige der lukrativsten Geschäfte der Stadt inne, immer auf der Suche nach weiteren Expansionsmöglichkeiten.

Rafael wandte sich von Alex ab und ließ den Blick durch die Glastür in den Garten hinter seinem Haus schweifen, vorbei an Whirlpool und Schwimmbecken, von denen aus man den nächtlichen Himmel über Las Vegas sehen konnte, der von den Lichtern der Stadt erleuchtet wurde. Doch hinter allem Leuchten und Glitzern und hinter dem Glamour, für den Las Vegas bekannt war, sah Rafael eine Stadt voller Menschen, denen er helfen wollte. Leute, die sich wie seine Eltern ein Zuhause und ein Leben innerhalb der die Stadt umgebenden unwirtlichen Wüste aufgebaut hatten und die auch manchmal strauchelten, während sie an ihrem American Dream arbeiteten. Egal, was Jessica Morgan dachte, über ihn zu wissen – er wollte Bürgermeister aller Menschen dieser Stadt werden. Er hatte die Visionen, er hatte die Kontakte, er hatte das Geld und es war nicht nur sein Ego, das ihn antrieb. Rafael wollte die Welt ein wenig besser machen. Und er sah wirtschaftliches Wachstum, von dem jeder profitierte, als Schlüssel auf dem Weg dahin.

Und damit hatte er seine Karriere noch nicht zu Ende gedacht. Tief in seinem Inneren wusste er, dass er nicht nur für Las Vegas’ Bewohner die Zukunft verbessern wollte, langfristig wollte er allen Menschen im Staate Nevada helfen und irgendwann ganz Amerika. Er sah sich in seinem Haus um. Er hatte sich mit jedem Luxus umgeben, den er sich nur vorstellen konnte, doch das war ihm nicht genug; Geld allein reichte ihm nicht mehr. Seine Ziele waren hochgesteckt; er träumte schon seit seiner Kindheit davon, eines Tages im Oval Office zu sitzen, Commander-in-Chief zu sein, das Land zu leiten und Entscheidungen zum Wohle aller Amerikaner zu treffen, egal, wer sie waren, und mit anderen Regierungschefs die Welt zu einem besseren, sichereren, saubereren Ort zu machen. Der Weg dahin würde hart sein und viel Arbeit bedeuten, aber Rafael war bereit dafür. Er hatte sich sein Leben lang darauf vorbereitet und wartete nur auf den passenden Moment, um endlich loslegen zu können. Nur eins stand jetzt noch zwischen ihm und seinem Traum: Jessica Morgan.

Er drehte sich um, und sein Blick verengte sich, während er erneut auf den Fernseher starrte, auf Jessica Morgans herzförmiges Gesicht mit den grünen Augen und ihrem Schmollmund. Auf ihre weiche, glatte Haut, bei deren Anblick ihm die Fingerspitzen juckten, weil er sie so gern berührt hätte, und auf ihr welliges, hellbraunes Haar, das mit goldglänzenden Strähnen durchsetzt war. Ihre Botschaft war die der Gleichheit, dass jeder ein Recht auf einen Platz an der Tafel hatte. Ihre Einstellung bewunderte er, doch er hatte noch nicht ein Wort von ihr darüber gehört, wie sie ihre Vorstellungen in die Wirklichkeit umzusetzen gedachte. Soweit er es beurteilen konnte, und so idealistisch ihre Botschaft auch sein mochte, schien sie außer großen Worten nicht viel zu bieten zu haben.

Jessica war aber nicht nur Idealistin, sie war noch dazu eine Schönheit. Eine Tatsache, die Rafael nicht bestreiten konnte. Sie kleidete sich zwar sehr konservativ, doch die Kostüme und die hochgeschlossenen Blusen, die sie trug, unterstrichen ihre umwerfenden Kurven viel mehr, als dass sie sie kaschierten, was einen Mann stark aus der Fassung bringen konnte. Er zumindest hatte er sich in den vergangenen zwei Jahren bei Stadtratssitzungen öfter, als er sich selbst eingestehen wollte, von dem Gedanken abgelenkt gefunden, wie sie unter ihren Kleiderschichten wohl aussehen mochte oder wie es sich anfühlen würde, eine Strähne ihres hellbraunen Haars um seine Finger zu wickeln, während er sie küsste. Mehrmals hatte man ihn schon dabei erwischt, dass er der Sitzung nicht mehr folgen konnte, weil er sich vorstellte, wie ihre rosa Lippen sich um seinen Schwanz schlossen …

„Sie sieht gut aus.“ Alex’ Feststellung riss ihn aus seinen Gedanken, und er wandte sich seinem Freund wieder zu.

Rafael nickte, antwortete aber nicht. Es waren ja nicht nur ihr Aussehen und ihr unverkennbarer Sex-Appeal, darüber hinaus hatte sie sich als starke, intelligente, leidenschaftliche und verdammt gefährliche Konkurrentin bewiesen. Wenn die ersten Wochen ihres Wahlkampfs eins versprachen, dann, dass er einem verdammt harten Kampf ins Auge sehen musste. Es war deshalb mehr als wichtig, dass er vergaß, wie gut die Frau aussah, und sich mit voller Kraft aufs Gewinnen konzentrierte. Er bemerkte, dass sein Freund ihn beobachtete.

„Das ist dir offensichtlich auch schon aufgefallen“, stellte Alex fest. „Konnte Harris irgendetwas über sie in Erfahrung bringen?“, fragte er und bezog sich dabei auf den Privatdetektiv, den Rafael engagiert hatte, um sich im Rennen um den Posten des Bürgermeisters alle möglichen Vorteile zu verschaffen.

„Ich rechne jeden Moment mit Neuigkeiten von ihm“, sagte Rafael. „Er ist an ihr dran, seit sie ihre Kandidatur offiziell gemacht hat. Deshalb habe ich dich gebeten, heute Abend herzukommen. Offenbar hat er etwas richtig Explosives rausgefunden, und als meinen Wahlkampf-Manager und engsten Bruder wollte ich dich dabeihaben, wenn er die Bombe platzen lässt.“

Alex und er waren zwar nicht wirklich miteinander verwandt, doch seit ihrer jüngsten Kindheit waren sie unzertrennlich gewesen. Alle Mitglieder ihrer Bruderschaft standen sich nahe, doch Rafael und Alex verband eine ganz besondere Beziehung.

Alex schlenderte zur gut ausgestatteten Bar hinüber und goss sich ein paar Finger dick von Rafaels gutem Bourbon ein. „Das klingt gut. Für dich auch einen Drink?“

Rafael lehnte ab. „Nein, ich muss morgen fit sein. Ich bin mit ein paar älteren Ladys aus der Kirchengemeinde zum Mittagessen verabredet, da sollte ich wohl besser nicht mit Fahne auftauchen.“

Alex trank einen Schluck und zuckte mit den Schultern. „Weißt du nicht, wie diese älteren Ladys drauf sein können?“, sagte er kichernd. „Aber gut. – Und du hast keine Ahnung, was Harris mit dir besprechen will?“

„Nein. Er wollte nichts sagen, bevor er hundertprozentig sicher ist, und schon gar nicht am Telefon.“ Rafael verzog das Gesicht, denn er war nicht unbedingt geduldig. „Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt. Er klang, als hätte er was Großes.“

Wie aufs Stichwort klingelte es an der Tür. Rafael lächelte und ging zur Tür. Er öffnete sie, und Harris, der Privatdetektiv seines Vertrauens, stand davor. Mit einem Schritt zur Seite ließ er ihn eintreten.

„Sag mir, dass du was Gutes hast“, sagte er, während die beiden zu Alex ins Wohnzimmer gingen.

Harris lächelte. „Sag du mir, ob es was Gutes ist“, antwortete er und reichte Rafael einen braunen Umschlag. Ohne zu zögern riss er ihn auf. Seine Augen weiteten sich, als er die vergrößerten Fotos betrachtete; auch wenn das Licht auf ihnen schummrig war, waren sie von exzellenter Qualität. „Ich schicke dir die natürlich auch noch einmal per E-Mail zu.“

Er wandte sich zu Harris. „Sind die echt? Ist sie das?“

„Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen“, bestätige der Privatdetektiv. „Letztes Wochenende in San Francisco, sie war da, live und in Farbe.“

„Was haben wir denn hier?“, fragte Alex und schloss zu den beiden auf.

Rafael reichte ihm die Fotos und lächelte. „Ich glaube, ich habe die Wahl gerade gewonnen.“

Jessica Morgan lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Die Kamera war ausgeschaltet, und sie konnte sich endlich entspannen. Trotz der späten Uhrzeit war das Interview gut gelaufen, und sie hoffte, dass es ihre Umfragewerte im Vergleich zu denen von Rafael Martinez noch weiter in die Höhe treiben würde. Jessica war nach einem langen Arbeitstag erschöpft nach Hause gekommen und musste eigentlich noch für San Francisco packen. Doch als Tanya Roberts, Politikreporterin bei LVTV, über ihren Manager angefragt hatte, ob sie spontan für ein Interview bei sich zu Hause zur Verfügung stehen würde, hatte Jessica natürlich zugesagt. Sie verfügte nicht über die gleichen Ressourcen wie ihr politischer Gegner, hatte keine Unsummen für Werbespots und riesige Plakatwände übrig. Neben ihrer Social-Media-Präsenz und spontanen Meet-and-Greets, die sie organisierte, musste sie jede Gelegenheit nutzen, um ihre Botschaft unter die Wähler zu bringen.

„Danke, Jessica“, sagte Tanya und beugt sich vor, um ihr die Hand zu schütteln.

„Jederzeit; danke, dass Sie an mich gedacht haben.“ Jessica trank einen Schluck aus der Wasserflasche, die neben ihr stand. Ihre Nervosität klang langsam ab. Manche Auftritte lagen ihr mehr als andere. In der Öffentlichkeit zu sprechen gehörte zum Beispiel nicht unbedingt zu ihren Stärken, doch seit sie im Stadtrat tätig war, wurde sie immer besser. „Es hat mich total gefreut, als Gordon mir die Nachricht Ihres Teams überbracht hat. Ich möchte jede Gelegenheit nutzen, die meinem Wahlkampf Aufmerksamkeit verschafft.“ Ihr Wahlkampf-Manager war völlig aus dem Häuschen gewesen.

„Wo wir gerade davon sprechen – wie läuft Ihre Crowdfunding-Aktion?“

„Hervorragend“, antwortete Jessica. Sie hatte sofort angefangen, Geld zu sammeln, als sie in den Wahlkampf gestartet war. „Die Resonanz ist sogar noch besser, als ich es mir vorgestellt habe. Ich wäre garantiert nicht da, wo ich jetzt bin, ohne die Leute, die sich für mich einsetzen. Das hier ist auf jeden Fall eine Gemeinschaftsleistung einer riesigen Gruppe von Menschen.“

„Und wie läuft der Wahlkampf?“

„Sehr gut“, sagte Jessica. „Ich bin zwar die meiste Zeit ziemlich k. o., weil wir so viel zu tun haben, aber damit habe ich gerechnet. Das wird sich alles gelohnt haben, wenn die Stimmzettel erst einmal ausgewertet sind.“

„Da bin ich mir sicher. Alles Gute für Sie.“

„Ich freue mich wirklich über Ihre Unterstützung, vielen Dank.“ Jessica stand auf und blickte unauffällig auf ihre Uhr. Es war beinahe schon dreiundzwanzig Uhr, und obwohl sie noch eine Menge zu tun hatte, bevor sie ins Bett fallen konnte, war sie sehr zufrieden, dieses Interview gegeben zu haben.

Sie begleitete Tanya und ihren Kameramann zur Tür, verabschiedete sich, und nachdem sie hinter den beiden abgeschlossen hatte, lehnte sie die Stirn an die Tür und seufzte laut. In ihrem Innersten spürte sie noch immer ein aufgeregtes Flattern. Es war das gleiche Gefühl, das sie immer am Tag vor einem ihrer Auftritte spürte. Alles, was jetzt noch zwischen ihr und der Bühne stand, waren der Koffer, der noch gepackt werden musste, ein paar Stunden Schlaf und der kurze Flug nach San Francisco. Danach würde sie endlich so richtig zur Ruhe kommen, wenn sie erst einmal all die Anspannung und Energie verbrannt hatte, die sich seit ihrem letzten Auftritt vor einer Woche in ihr angesammelt hatten. Aus Erfahrung wusste sie, dass sie den Stress nur abbauen konnte, wenn sie auf die Bühne ging … oder mit einem heißen Typen. Ihre Gedanken schweiften zu ihrem Gegner im Kampf um den Bürgermeisterposten, zu Rafael Martinez, der dunkel und heiß aussah wie ein Supermodel.

Sie schüttelte den Kopf; keine der beiden Möglichkeiten war in diesem Moment für sie eine Option. Ganz sicher nicht innerhalb der Stadtgrenzen von Las Vegas und schon gar nicht, während sie um das Amt des Bürgermeisters kämpfte.

Und vor allen Dingen nicht mit Rafael Martinez.

Sie wusste, dass sie sich von der Bühne verabschieden müsste, sollte sie gewinnen. Niemals würde sie ihren anderen Beruf geheim halten können, wenn sie erst einmal im politischen Rampenlicht stand. So sehr es sie also schmerzte, sie würde mit dem Tanzen aufhören müssen, ganz egal, wie sehr sie es liebte.

Ihren Ambitionen zum Trotz frustrierte sie dieser Ausblick auf ihr neues Leben. Ohne zu tanzen oder mit jemandem schlafen zu können, ohne Aussicht darauf, ihren Stress irgendwie körperlich loszuwerden, müsste sie mit einem Glas oder einer Flasche Wein und ihrem treuen Vibrator Vorlieb nehmen. Jessica ging in die Küche und nahm eine Flasche Wein aus dem Schrank. Sie goss sich ein Glas ein und trug es ins Wohnzimmer, wo sie sich auf die Couch fallen ließ und den Nachrichtensender einschaltete, der gerade das Live-Interview mit ihr gesendet hatte. Allerdings war das Erste, was sie auf dem Fernseher sehen konnte, Rafael Martinez’ Gesicht. Sie seufzte genervt. Ihm war einfach nicht zu entkommen.

Rafael war groß und sah gut aus, dunkel, sexy, muskulös und klug – eigentlich genau ihr Typ. Diese Tatsache hatte sie in der Vergangenheit zu ignorieren versucht, was jedoch mit härter werdendem Wahlkampf immer schwerer wurde, da sie seinem Gesicht und seiner Stimme kaum noch ausweichen konnte. Dennoch konnte sie sich der Anziehung, die dieser Mann auf sie ausübte, nicht hingeben. Er war der Feind. Er stand für all das, was sie bekämpfte, und sie musste dafür sorgen, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen, um ihrem Job gerecht zu werden.

Wider besseres Wissen schnappte Jessica sich die Fernbedienung, und statt den Fernseher auszuschalten, drehte sie die Lautstärke auf. Dennoch konnte sie seine Worte kaum hören, waren ihre Gedanken doch vor unbefriedigter Lust wie vernebelt. Im Grunde wusste sie sowieso, was er sagen würde, das Gleiche, was Politiker immer sagten – Wachstum, Industrie, Kriminalitätsrate, bla, bla, bla, Dinge eben, die seine Freunde aus der Geschäftswelt gern hörten. Rafael wusste allerdings genau, wie man das anstellte, das musste sie zugeben. Er war klug, mit Leidenschaft dabei, blasiert … zum Anbeißen, umwerfend sexy, mit seinen gestählten Muskeln, die sich unter seinen Hemden abzeichneten, diesem intensiven Blick aus seinen dunklen Augen, mit dem er sein Gegenüber regelrecht zu durchbohren schien und seinen vollen Lippen, die den Anblick auf strahlend weiße Zähne freigaben. Und dann diese markante Linie seines Kieferknochens, seine gerade Nase und die hohen Wangenknochen. In Kombination machte ihn all das zu einem verdammt attraktiven Mann. Wenn er nur nicht so egoistisch, stur und herablassend wäre, und so sexy …

Das Geräusch der sich öffnenden und wieder schließenden Eingangstür riss sie aus ihren Gedanken, und hastig wollte sie den Fernseher ausschalten, allerdings fiel ihr dabei die Fernbedienung herunter, und sie erwischte nur die Pause-Taste.

„Süße, du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Date ich gerade hatte“, rief ihr Mitbewohner und bester Freund Ben ihr zu, während er ins Wohnzimmer schlenderte. Als er Jessica sah, errötet und leicht außer Atem, hielt er inne, legte den Kopf ein wenig schief und lachte. „Was treibst du denn da? Du siehst ja aus, als hätte ich dich bei ein paar Fingerübungen untenrum erwischt.“ Er winkte ihr auf unmissverständliche Art und Weise mit den Fingern seiner rechten Hand zu.

Jessica warf ein Kissen nach ihm und lehnte sich auf der Couch zurück. „Ach, halt doch die Klappe“, murmelte sie und lachte. „Okay, wie war dein Date? War er süß?“ Sie hoffte, so das Thema wechseln zu können.

„Er war extrem süß, Feuerwehrmann, aber dumm wie Brot. Dachte doch tatsächlich, dass alfresco der Name von dem Typen ist, dem das Restaurant gehörte“, antwortete er und schnappte sich ihr Glas vom Couchtisch, um einen Schluck Wein zu trinken. Dann nickte er in Richtung des TV-Bildschirms, auf dem Rafael Martinez’ Gesicht mit seinem perfekten, weißen Lächeln und diesen unwiderstehlichen Grübchen eingefroren zu sehen war. „Aber, Baby-Girl, ich will wissen, was dir die Röte ins Gesicht gezaubert hat, so ganz allein hier auf der Couch. Etwa Mr. Martinez hier? Definitiv zum Anbeißen.“

„Nein“, erwiderte sie etwas zu schnell. „Es liegt nicht an ihm. Denn weißt du, Ben, ich bin ja nicht wie du, ich kann mich beim Anblick eines mittelmäßig gut aussehenden Typen durchaus zusammenreißen.“ Sie stand auf.

Ben wies auf den Fernseher. „Mittelmäßig gut aussehend? Schau dir den Mann doch mal an. Ich wünschte, er würde in meiner Liga spielen.“

„Tja, vielleicht solltest du mal versuchen, ihn rumzukriegen. Ich jedenfalls muss ins Bett. Ich muss noch packen und morgen früh den Flieger nach San Francisco erwischen.“

„Oh, du haust schon wieder ab?“

„Ja, wieso?“

„Ich bin immer so einsam, wenn du weg bist. Warum jedes Wochenende nach San Francisco fliegen? Hier in Vegas gibt es auch Strip-Clubs, weißt du. So müsste ich dich nicht andauernd vermissen.“

„Du weißt doch, dass ich es nicht riskieren kann, hier zu tanzen. Die Schlagzeilen kann ich mir schon vorstellen, Las Vegas’ Stadträtin und Bürgermeisterkandidatin zieht blank!“ Sie nahm Ben ihr Glas wieder ab. „So, wie die Medien Rafael und mir nachspionieren, würde das doch innerhalb kürzester Zeit rauskommen.“

„Und was machst du, wenn die Wahl vor der Tür steht? Ich nehme an, dass du die durchsichtigen Pumps und den Tanga dann gegen eine glamouröse Bürgermeister-Schärpe eintauschst. Oder willst du etwa Amerikas erste Bürgermeisterin-Schrägstrich-exotische-Tänzerin werden?“

Sie lachte. „Du weißt genau, dass ich keine durchsichtigen Pumps habe. Mein Beruf ist mir nicht peinlich. Ich liebe jede Sekunde, die ich auf der Bühne sein kann. Das wird mir fehlen, wenn es vorbei ist. Aber du kennst diese Stadt genauso gut wie ich.“ Touristen mochten Las Vegas für eine sehr unkonventionelle Stadt halten, aber Jessica war klar, dass die Wüstenstadt rund um das Amüsierviertel herum tendenziell eher konservativ wählte und dass die Wähler ihren Nebenjob nicht gutheißen würden. Ihr war bewusst, dass es riskant war, zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch zu tanzen, immerhin half es aber, dass sie den Staat dafür wechselte. Und außerdem steuerte sie mit dem Geld, das sie so verdiente, einen wichtigen Teil zum Wahlkampfbudget bei. „Es ist Zeit, dass ich das alles hinter mir lasse. Ich wusste doch, dass ich nicht für immer tanzen kann. Und es gibt Dinge, die ich einfach tun muss. Jetzt geht es darum, mich auf die Leute zu konzentrieren, denen ich helfen kann, und diese Stadt zu einer besseren zu machen. Sei selbst der Wandel, den du in der Welt sehen willst.“

„Tausche die Pole gegen das Podium?“

„Ganz genau. Das Geld wird mir allerdings fehlen“, sagte sie. Wobei es ihr darum nicht wirklich ging. Anfangs hatte sie gestrippt, um sich das College zu finanzieren. Doch mit der Zeit war ihr klar geworden, dass ihr das Tanzen echt lag. Mit viel harter Arbeit hatte sie es sogar zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Auf der Bühne zu sein gab ihr ein Gefühl der Bestätigung, es machte ihr Spaß, war ein super Training. Sie war verdammt gut in dem, was sie tat, und sehr gefragt.

„Willst du mitkommen?“

„Nein, ich treffe mich noch mal mit Mr. Süß-aber-dumm-wie-Brot. Vielleicht lade ich ihn ja hierher ein, wenn ich schon sturmfrei habe.“

„Denk an die Regel, dass hier in der Küche grundsätzlich Hosen getragen werden“, erinnerte sie ihn.

„Das ist deine Regel, nicht meine. Aber mal im Ernst, was ist dein Plan, wie willst du gegen ihn gewinnen?“

„Ich werde gewinnen, weil ich die beste Kandidatin bin.“

Ihr Mitbewohner betrachtete sie skeptisch. „Reicht das denn? Warum lässt du mich nicht mit ein paar Leuten reden … sehen, ob wir etwas Dreck aufwirbeln können?“

„Was für Leute kennst du denn?“

„Ich kenne Leute, die Leute kennen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Lieber nicht. Ich will nicht mit unfairen Mitteln gewinnen.“

„Glaubst du denn, dass Rafael Martinez keine unfairen Mittel einsetzt? Ich meine doch nur, dass du vielleicht ja etwas Interessantes über ihn herausfinden könntest.“

„Ich weiß nicht“, sagte Jessica und beugte sich zu ihrem Freund, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. „Klingt irgendwie nicht so ausgereift. Ich muss jetzt aber wirklich packen. Wir sehen uns am Sonntag.“

„Mach’s gut, Baby-Girl, viel Spaß in San Francisco.“

„Den werde ich haben.“

2. KAPITEL

Am nächsten Abend betrat Rafael „Charlie’s Gentleman’s Club“, einen der, wie er herausgefunden hatte, stilvolleren Strip-Clubs in San Francisco. Der Raum war abgedunkelt, wie in vielen anderen Nachtclubs auch, das meiste Licht ging von der Bühne aus, die mit gelben und roten Lämpchen umrandet war. Auf der Bühne tanzte eine Frau, nackt bis auf einen Tanga und Plateau-Pumps, zu einem klassischen Rock-Song, und er betrachtete sie nicht ohne Interesse. Wenn er nicht aus rein geschäftlichen Gründen hier gewesen wäre, hätte ihm die Show wahrscheinlich sogar ganz gut gefallen. Doch auch wenn die Frau auf der Bühne umwerfend aussah und sehr talentiert zu sein schien, war sie nicht die Frau, die er hier sehen wollte.

Er setzte sich an die Bar und bestellte ein Bier, dann drehte er sich auf seinem Barhocker um und blickte zur Bühne. Charlie’s war nicht mal ansatzweise so schäbig, wie er sich einen Ort wie diesen vorgestellt hatte. Der Laden war sauber, hip und gut besucht von einem bunten Publikum, das respektvoll und höflich die Show genoss und die Zeit hier zu genießen schien.

Er war mit dem Di Terrestres, dem erotischen Club nur für Mitglieder, den die Bruderschaft ins Leben gerufen hatte, selbst im Nachtclub-Business tätig und wusste genau, dass eine sichere und saubere Umgebung entscheidend war, um das richtige Publikum zu ziehen. Ihr Club war ein bekannter Treffpunkt in Las Vegas, ein erotischer Spielplatz für ein exklusives Publikum, jeden Abend geöffnet. Ihr Angebot war einzigartig in der Stadt, und es freute ihn, dass er und seine Freunde diese Marktlücke so früh erkannt und geschlossen hatten. Di Terrestres stellte sozusagen die Krönung all ihrer Läden dar und war zugleich auch am profitabelsten. Eigentlich hatte Rafael hier im Charlie’s sogar beinahe das Gefühl, im Di Terrestres zu sein, mit dem kleinen Unterschied, dass er hier kein Hausrecht hatte. Das hier war Jessicas Terrain. Immerhin hatte er jedoch den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite.

„Arbeitet Jessie M heute Nacht?“, fragte er die Barkeeperin über seine Schulter hinweg.

Zuerst antwortete sie nicht, wahrscheinlich war sie nicht gerade scharf drauf, irgendeinem Typen Auskunft zu geben, der sich nach einer der Tänzerinnen persönlich erkundigte. Sie verdrehte die Augen und arbeitete weiter, bediente andere durstige Gäste. Rafael schob einen Fünfziger über den Tresen.

„Arbeitet Jessie heute?“

Die Barkeeperin warf einen Blick auf den Schein, dann hob sie ihn auf und schob ihn in den tiefen Ausschnitt ihres Tank-Tops, das knalleng über ihre enormen Brüste gespannt war. „Sie ist in fünf Minuten dran“, antwortete sie ihm.

„Dann bin ich ja genau pünktlich“, merkte er an und nippte an seinem Bier.

Langsam verklang die Musik, und Rafael wandte sich erneut der Bühne zu, Er sah der Tänzerin nach, die beim Rausgehen ihre Sachen und die Dollarscheine von der Bühne aufsammelte. Die butterweiche Stimme des DJs erklang über die Lautsprecher. „Einen kräftigen Applaus für Lola, Leute.“ Das Publikum klatschte laut, und als der Applaus langsam nachließ, legte der DJ einen rhythmischen Song auf. „Und jetzt, Ladys und Gentlemen, haben wir etwas ganz Besonderes für Sie. Diese Lady sehen wir hier nicht alle Tage, aber wir lieben es, wenn sie uns mit einem Besuch beehrt. Es ist uns eine große Freude, heute, exklusiv für einen Abend, die wundervolle, heiße, mit Preisen überschüttete Weltmeisterin im Poledance bei uns begrüßen zu dürfen: Jessie M!“

Weltmeisterin? Rafael drehte sich zur Bühne, die soeben zu euphorischem Applaus und einem treibenden Hip-Hop-Beat von einer gewissen Politikerin aus Las Vegas, seiner größten Gegnerin im Kampf um das Amt des Bürgermeisters, betreten wurde. Von ihr, die ihm seit Wochen ein Dorn im Auge war. Jessica Morgan. Jessie M.

Sie bewegte sich selbstbewusst und anmutig, exakt im Rhythmus der Musik. Leichtfüßig schritt sie einmal die gesamte Bühne ab und stellte dabei Blickkontakt zu allen Gästen in den ersten paar Reihen her. Diesen Blick kannte er. Genauso sah sie ihr Gegenüber an, wenn sie intensiv debattierte. Ihr Blick war genauso zielgerichtet, wenn auch ein wenig intimer von der Bühne aus, als wenn sie mit ihren Wählern oder Kollegen interagierte. Ihm wurde bewusst, dass er hier die gleiche Leidenschaft erkennen konnte, mit der sie sich offensichtlich jeder Aufgabe zu widmen schien. Dies war eine Einstellung, die Rafael nur bewundern konnte. Sie wirbelte über die Bühne und zog sich das Oberteil ihres Outfits aus, worunter ein mit Strasssteinen gespickter Push-up zum Vorschein kam, der ihre sowieso schon üppigen Brüste in ungeahnte Höhen hob.

Als sie die Stange in der Mitte der Bühne erreichte, erhob Rafael sich langsam von seinem Barhocker und ging weiter nach vorne, wo er sich an einen leeren Tisch direkt an der Bühne setzte. Beinahe hätte er verpasst, wie sie sich mit einer schnellen Drehung die Stange hinaufschwang und ihre Beine um das Metall schlang, um sich kopfüber hinabhängen zu lassen, nur gehalten durch die Kraft ihrer straffen Muskeln, und es dabei irgendwie auch noch schaffte, sich weiter zu drehen. Vorsichtig ließ sie sich die Stange ein Stück hinabgleiten, und dann musste er ein unwillkürliches Stöhnen unterdrücken, als sie erneut herumwirbelte, um sich nun mit den Armen festzuhalten, und zwar mit einer akrobatischen, flexiblen Bewegung, die ihr so natürlich von der Hand ging, als würde sie atmen. Rafael war selbst gut in Form, aber er war sich nicht sicher, ob er auch nur annähernd über die unfassbare Körperbeherrschung verfügte, die Jessica an der Stange auf dieser Bühne an den Tag legte.

Er spürte, wie seine Körpertemperatur anstieg, während er sie beobachtete, und er vor Verlangen nach ihr zu glühen begann. Sie war seine politische Gegnerin. Er war nach San Francisco gekommen, um sie auffliegen zu lassen. Aber, verdammt noch mal, diese Frau dort auf der Bühne war das Heißeste, was er je gesehen hatte. Sie stand vor der Stange und ging mit gespreizten Beinen tief in die Hocke. Dann schnellte sie wieder hoch und schwenkte ihren runden, festen Hintern zum Publikum, um mit einer schnellen Drehung ihrer Finger den Verschluss zwischen ihren Brüsten zu öffnen und sich den Push-up von den Schultern zu schütteln.

Rafaels Atem stockte, als das Wäschestück mit einem Klackern der Strasssteinchen auf der Bühne landete. Oben ohne hielt sie sich an der Stange fest und rieb sich an ihr, ihre Hüfte im Rhythmus des treibenden Beats kreisend. Mit einem Griff nach hinten löste sie die Schleife, die ihren Rock zusammenhielt, und auch er flatterte zu Boden. Jetzt trug sie nur noch einen knappen Tanga und hohe Pumps und drehte sich noch ein paar weitere Male um die Stange. Die ganze Zeit über ließ Rafael sein Bier unberührt; er hatte alles um sich herum vergessen, während er ihr dabei zusah, wie sie sich im Scheinwerferlicht drehte und wiegte, als wäre sie ganz auf der Bühne zu Hause.

Die Show war beeindruckend, sie lenkte ihr Publikum souverän, und Rafael lehnte sich in seinem Sessel zurück. Jessica ließ sich in dem Moment auf die Knie fallen und kroch animalisch auf allen vieren über die Bühne, direkt auf ihn zu. Dann, mit einer langsamen Bewegung, bei der sie jeden einzelnen Muskel in ihrem Körper anzuspannen schien, presste sie den Oberkörper zu Boden, um dann anmutig den Rücken zu wölben und sich wieder hochzuwinden. Die ganze Zeit über sah sie ihm direkt in die Augen, tanzte nur für ihn, und Rafael erhob sich und griff in sein Portemonnaie, aus dem er einen Hunderter herauszog. Er stand so nah an der Bühne, dass er den Schein unter den schmalen Bund ihres Tangas stecken konnte, wobei er mit den Fingern über die weiche Haut ihrer Hüfte fuhr. Sie zwinkerte und warf ihm einen heißen Handkuss zu, doch im selben Moment schimmerte erst Erkenntnis in ihren Augen auf, gefolgt von einem kurzen Anflug von Panik, und dann Angst. Sie wusste, wer er war, war aber Profi genug, sich nichts anmerken zu lassen, während sie mit der langsam ausklingenden Musik und dem schummriger werdenden Licht ihre Performance beendete. Das Publikum um ihn herum brach in tosenden Applaus aus, doch Rafael setzte sich nur hin, überzeugt davon, dass sie in kürzester Zeit zu ihm stoßen würde.

Fassungslos lehnte er sich zurück, sein Herz raste, und sein Schwanz pochte gegen den Reißverschluss seiner Hose, während er seiner Mitbewerberin im Rennen um den Bürgermeisterposten in Las Vegas dabei zusah, wie sie fast nackt ihre Sachen und die Dollarscheine, die ihr zugeworfen worden waren, aufsammelte, jeden direkten Blick in seine Richtung vermeidend. Er hatte sie offensichtlich erschüttert. Er war in San Francisco, um sie auffliegen zu lassen, ihre Kandidatur abzusägen, und so selbst einen sauberen, vorzeitigen Sieg einzufahren. Aber irgendetwas brachte ihn von diesem Vorhaben ab. Es schien ihm nicht länger die interessanteste Option zu sein, sie zu outen; er war von ihr fasziniert und wollte mehr über sie erfahren. Mehr, als zu wissen, wie sie nur mit Tanga und Pumps bekleidet aussah.

Oh, Gott. Oh, Gott. Oh, Gott.

Er war es.

Jessica verschwand hinter dem Vorhang und schlüpfte in den Backstage-Bereich, wo andere Tänzerinnen sich fertig machten, miteinander quatschten und zwischen ihren Auftritten abhingen. Die Show war super gelaufen, und wie immer ließ ihr Auftritt sie mit einem rauschartigen Gefühl und wunderbar erschöpften Muskeln zurück. Wie immer hatte sie das Scheinwerferlicht und den Applaus genossen, doch als sie Rafael Martinez vorne an der Bühne hatte stehen sehen, war sie beinahe in Ohnmacht gefallen. Der Schein, den er in ihren Tanga gesteckt hatte, steckte dort noch immer, fest zwischen ihrer Hüfte und dem Polyester eingeklemmt. Noch immer konnte sie die Berührung seiner Finger auf ihrer Haut spüren, als sie den Schein herauszog und ihn stirnrunzelnd betrachtete. Einhundert Dollar? Was will er hier?

Auf der Bühne war es ihr gelungen, die Haltung zu bewahren, als sie hinabgeschaut und erkannt hatte, dass er dort in der ersten Reihe saß. Rafael Martinez. Er war in ihrem Club, hatte sie tanzen gesehen, und jetzt war alles aus. Er war hier, um sie auffliegen zu lassen, würde jedem erzählen, dass sie Tänzerin war, ihre Karriere zerstören, ihr Leben, alles, wofür sie so hart gearbeitet hatte. Also hatte sie den Blick nicht abgewendet, als sie ihn erkannt hatte, sondern sich aufgerichtet und mit erhobenem Haupt ihre Show zu Ende gebracht.

Je länger sie allerdings darüber nachdachte, desto mehr verging ihr die Chuzpe, die sie eben auf der Bühne noch gehabt hatte. Ihre Hände zitterten, und sie krallte sie um ihr Kostüm – und ihr Geld – zu Fäusten zusammen. Sie musste sich etwas anziehen und ihm gegenübertreten. Sie rief sich in Erinnerung, dass sie sich doch für nichts zu schämen brauchte, und spürte, wie ihre Angst ein wenig nachließ. Zugleich wurde ihr mit brutaler Deutlichkeit bewusst, dass er nun die Macht hatte, all ihre Träume mit einem Schlag platzen zu lassen. Sie musste herausfinden, was er hier machte, und ihn irgendwie dazu bewegen, ihr Geheimnis für sich zu behalten.

„Hey, super Show, Jessie“, rief ihr eines der Mädchen zu, doch sie konnte nicht sicher sagen, wer es gewesen war. Ihre Gedanken kreisten viel zu sehr darum, einen Weg zu finden, all das zu retten, was für sie in diesem Moment auf der Kippe stand. Hastig zog sie einen Rock und ein schwarzes T-Shirt über und spielte kurz mit dem Gedanken, einfach durch die Hintertür zu verschwinden, abzuhauen, ohne Rafael gegenüberzutreten, ihm vielleicht sogar vielmehr einen der Sicherheitsleute auf den Hals zu jagen. Allerdings würde keine dieser Optionen ihr Problem lösen. Irgendwann würde sie ihm wieder begegnen, und dann doch lieber hier, in ihrem Club, als während einer Stadtratsdebatte. Jessica atmete tief durch und wappnete sich innerlich, bevor sie den Backstage-Bereich verließ und ihn im Club suchen ging.

Sie sah sich um, die Blicke der Gäste ignorierend, die sie eben noch auf der Bühne bewundert hatten, und fand Rafael beinahe sofort, noch immer an dem Tisch vorne an der Bühne sitzend, entspannt einen Schluck aus seiner Bierflasche trinkend, während er sie längst erblickt hatte, auf den Lippen ein süffisantes, amüsiertes Grinsen. Fahr zur Hölle. Sie streckte die Schultern, was hoffentlich selbstbewusst auf ihn wirkte, und ging auf ihn zu.

Als sie sich in den Sessel neben ihm sinken ließ, schob sie ihm den Hunderter über den Tisch hinweg zu und lehnte sich dann zurück. „Ich will dein Geld nicht“, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wie soll ich denn sonst für meinen privaten Tanz bezahlen?“, fragte Rafael, die rechte Augenbraue hochgezogen. „Ich bin hier Kunde.“

Dieser Mann war einfach unglaublich. „Du wirst keinen bekommen. Und es ist mir ganz egal, wer du bist. Ich mache keine privaten Tänze. Schon seit Jahren nicht mehr.“

„Dann wäre jetzt doch ein sehr guter Moment, um mit dieser Gewohnheit zu brechen, oder nicht?“, fragte er und lächelte durchtrieben.

„Selbst, wenn ich das täte, dann bestimmt nicht für dich. Was machst du hier?“

„Das könnte ich dich auch fragen“, erwiderte er und ließ den Blick kurz durch den Club streifen. Sie folgte seinem Blick und sah die Frauen, die entspannt durch den Raum gingen, nur mit knappen Dessous bekleidet – wenn überhaupt.

Autor

J Margot Critch
<p>J. Margot Critch lebt mit ihrem Mann Brian und ihren kleinen vierbeinigen Freunden Simon und Chibs in St. John’s, Neufundland. Ihre Zeit verbringt sie damit, Romane zu schreiben, Musik von Jimmy Buffett zu hören und aufs Meer zu schauen. Und dabei überlegt sie, ob sie lieber einen Kaffee oder eine...
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