Flammend heiß verführt

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Ausgerechnet Lucas! Eva ist mehr als genervt, als sie feststellt, dass sie für ihre nächste Marketingkampagne mit Lucas Waring zusammenarbeiten muss. Als Teenager war sie dem Pflegesohn ihrer Eltern so nah … Für Lucas empfand Eva das allererste Mal heiße Leidenschaft - und sie gestand ihm damals sogar ihre Liebe. Doch seit er ihren Bruder in die Insolvenz getrieben hat, ist Lucas für sie gestorben! Wie soll sie es jetzt bloß mit ihm aushalten!? Zumal noch immer jede seiner scheinbar zufälligen Berührungen wie Feuer auf Evas Haut brennt …


  • Erscheinungstag 11.12.2020
  • Bandnummer 50
  • ISBN / Artikelnummer 9783745752458
  • Seitenanzahl 208
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Nervös knete ich meine Finger und bohre einen Absatz meiner Stilettos in den Plüschteppich im Arbeitszimmer meines Vaters.

Ich weiß, dass Lucas mir hierhin folgen wird. Ich habe es in seinen Augen gelesen. Der gleiche Blick, den ich in den vergangenen Monaten immer wieder bei ihm entdeckt habe … der gleiche Blick, den auch ich aufsetzen kann: Lust, Begierde – Liebe.

Ich liebe ihn schon seit Jahren – lange bevor Mum und Dad seine Beschützer geworden sind … lange bevor ich wirklich den Grund kannte, warum mein Herz aus der Brust springen wollte, warum ich am ganzen Körper bebte, warum ich kein Wort herausbringen konnte.

Ich bin achtzehn, wir feiern meine Geburtstagsparty, und ich kann es ihm genauso gut heute sagen – zumindest rede ich mir das ein. Denn ich kann es nicht länger für mich behalten. Aber ich habe auch Angst, es ihm zu gestehen. Es spielt keine Rolle, dass ich das gleiche Gefühl bei ihm zu spüren glaube, dass ich mitbekomme, wie er mich anschaut, wenn er glaubt, niemand beobachte ihn.

Ich erinnere mich an diesen Gesichtsausdruck, konzentriere mich darauf, während ich mein Champagnerglas leere. Beim Geschmack von Alkohol schüttelt es mich ein wenig, doch ich brauche ihn. Ich muss mir Mut antrinken. Die Tür fest im Blick, stelle ich das Glas beiseite.

Du liebst ihn. Du kannst es ihm sagen. Du musst es tun.

Über die Partymusik hinweg höre ich Schritte im Korridor, die näher kommen. Ich hole tief Luft, presse die Hände gegen meine Oberschenkel, damit sie nicht zittern, und hoffe, dass meine feuchten Handflächen keine Spuren auf meinem weißen Kleid hinterlassen.

Es klopft an der Tür, und mir stockt der Atem.

„Evangeline?“

Beim Klang seiner Stimme schießt das Blut schneller durch meine Adern, und mein Puls beginnt unkontrolliert zu rasen.

„Ja …“ Es klingt wie ein Flüstern und verrät meine Angst. Ich bin frustriert. Ich möchte selbstbewusst erscheinen, will, dass er mich als Frau sieht und nicht als die kleine Schwester seines besten Freundes Nate.

Reiß dich zusammen!

Sein Kopf erscheint im Türrahmen. Langsam lässt er den Blick von mir zurück in den Korridor wandern.

„Hey!“, stoße ich atemlos hervor.

Wir kommen einander nicht näher. Meine Knie fühlen sich an wie Pudding, und seine Finger zittern ein wenig, als er sich mit der Hand durchs Haar fährt. Die andere liegt noch auf der Türklinke.

Pack den Stier bei den Hörnern. Du musst es tun. Du musst es ihm zeigen.

„Schließ die Tür.“

Ich bin überrascht, wie selbstsicher ich dabei klinge, und noch überraschter, als er tatsächlich tut, worum ich ihn bitte. Aber er sieht mich nicht an. Seine Blicke brennen Löcher in den Boden vor seinen Füßen.

Ich hole tief Luft. „Warum schaust du mich nicht an?“

Sein Blick wird unsicher, und ich sehe, wie er mit sich kämpft.

Langsam trete ich einen Schritt vor. Der enge Minirock schränkt meine Bewegungsfreiheit ein und rutscht noch höher. Als ich ihn ausgewählt habe, habe ich mir diesen Augenblick vorgestellt – in dem ich Lucas meine Liebe gestehe, ihn vielleicht sogar verführen werde. Ich möchte mein erstes Mal mit ihm erleben, und heute Abend wäre perfekt dafür.

„Lucas?“

Er schüttelt den Kopf. Dann blickt er mir tief in die Augen, und ich sehe das Flackern in ihnen. In seiner Miene liegt Begierde. Die Arme lässt er hängen, und die Hände hat er zu Fäusten geballt.

„Wir sollten nicht hier sein … allein.“

„Warum bist du dann gekommen?“, provoziere ich ihn.

Bitte lass ihn verwirrt sein. Ich brauche dringend eine Bestätigung für meine Vermutung.

„Ich …“

Er schüttelt den Kopf, fixiert mich aber noch immer mit seinem Blick. Der Kampf, den er in seinem Inneren ausficht, ist klar ersichtlich. Er leckt sich über die Unterlippe. Der Anblick seiner Zunge verwirrt mich. Wie sehr möchte ich diesen Mund schmecken.

„Mit dir allein zu sein, hier …“ Mit einer Handbewegung zeichnet er meinen Körper von Kopf bis Fuß nach. Der Blick, mit dem er mich misst, lässt meine Haut prickeln.

„Vertraust du dir nicht?“, necke ich ihn. Ich will unbedingt witzig klingen, obwohl ich genau weiß, wie viel von seiner Antwort abhängt.

Ich nähere mich ihm bis auf Armeslänge, werfe ihm einen Blick zu, senke züchtig die Augenlider. Noch scheue ich mich, ihn zu berühren. Die Angst vor einer Zurückweisung ist immer noch da.

„Du weißt, dass wir das nicht tun sollten.“

Jetzt bin ich an der Reihe, den Kopf zu schütteln. „Warum nicht?“

„Weil … na ja, weil du eben bist, wer du bist. Und weil mir deine Familie sehr viel bedeutet.“

„Irgendwie sind wir auch deine Familie.“

„Genau, Eva. Sie ist nämlich alles, was ich habe.“

Ich riskiere einen weiteren Schritt und betrachte seinen gequälten Blick. Ich möchte den leidvollen Ausdruck wegküssen, ihm den Schmerz aus seiner Vergangenheit nehmen, seinen Verlust, seine Einsamkeit. Er hatte niemals einen Vater. Seine Mutter, obwohl die beste Freundin meiner eigenen, war kaum jemals anwesend, und jetzt ist sie schon seit fast einem Jahr tot. Aber ich bin da. Ich bin immer für ihn da gewesen. Ich kann ihm genügen. Wenn er es doch endlich merken würde.

„Und wir werden immer für dich da sein. Aber ich muss dir sagen, wie ich mich fühle. Ich muss dir sagen, dass ich … dass ich …“ Mir versagt die Stimme, und ich verfluche mich, weil ich nun doch Schwäche zeige.

„Nein, Evangeline, sag das nicht.“

Seine Worte sind eine Warnung, die ich kaum ertragen kann. Doch sie sind auch der Auslöser, den ich brauche.

„Warum?“

„Weil es alles verändern wird.“

„Und was ist daran so schlimm?“

Er holt tief Luft und lässt den Atem zitternd entweichen, bleibt aber stumm.

Jetzt. Jetzt ist der Moment gekommen.

„Lucas.“ Ich lege meine Hand auf seine Schultern, spüre, wie er sich verspannt, doch nun gibt es kein Zurück mehr. „Ich liebe dich.“

Er presst die Augen zusammen, um mich nicht ansehen zu müssen, und als er sie wieder öffnet, flackern sie. Er umklammert meine Hüften und schiebt mich fort.

„Ich liebe dich auch, aber … aber nicht auf diese Weise. Ich kann das nicht.“

Damit dreht er sich um und will gehen, aber ich stelle mich vor ihn, blockiere seinen Fluchtweg. Ich reagiere so schnell, dass er gegen mich prallt und gegen die Tür stößt. Ich keuche durch halb geöffnete Lippen.

Es ist nicht die Überraschung, sondern der wohlige Schauer, der mich durchläuft, als mein Körper seine Hitze spürt und sich der Beweis seiner Erregung gegen meinen Unterleib drückt.

Er blickt auf meinen Mund, und es bedarf keiner weiteren Worte. Seine Begierde setzt mich bereits in Flammen, noch ehe er seine Lippen auf meinen Mund drückt.

Ich schwebe im siebten Himmel.

Er ist nicht zärtlich, suchend, unsicher. Sondern zielstrebig, entschlossen. Mit der Zunge teilt er meine Lippen, dringt in meinen Mund ein und fordert mich auf, das Gleiche bei ihm zu tun.

Ich bin schon vorher geküsst worden – von anderen Jungs –, aber ich bin noch nie so verschlungen worden – jedenfalls noch nicht auf diese Art.

Ein Sirren erfasst mich, meine Brüste reiben sich an seinem Oberkörper, und der dumpfe Schmerz in meinen Eingeweiden schwillt an zu einem begehrlichen Pochen. Ich schiebe die Hände in sein schwarzes Haar, ziehe ihn enger an mich, und er beginnt, mich zu streicheln. Ich kann nicht glauben, dass das wirklich geschieht. Ich fühle mich wie betäubt, wie in einem Traum.

Er stöhnt in meinen Mund, presst mich heftiger gegen die Tür, und ich weiß: Es passiert wirklich. In diesem Moment wird mir klar, dass mein Traum wahr geworden ist.

Langsam lässt er die Hände zu meinen nackten Schenkeln wandern und schiebt meinen Rock höher. Ich weiß nicht, ob ich mein Bein anhebe, um es um ihn zu schlingen, oder ob er es tut, aber die harte Beule in seinen Jeans drückt gegen die prickelnde Lust zwischen meinen Beinen, und ich stöhne vor Vergnügen.

Leise fluchend knabbert er an meinen Lippen, ehe er den Kopf erneut schüttelt. „Ich will dich schon so lange.“

Sein Geständnis versetzt mich in Alarmbereitschaft. Ich will mehr davon. Mehr Worte. Eine erneute Bestätigung seiner Gefühle für mich.

„Wie lange?“

„Zu lange.“

Ich drohe vor Glück zu zerplatzen. Mir kommt es so vor, als ob ein Puzzle sich endlich von selbst zusammenfügt.

Wieder finden sich unsere Lippen. Sie sollen seine Worte mit einem Kuss besiegeln. „Du kannst mich haben. Ich gehöre dir. Ich habe dir schon immer gehört.“

Wie aus weiter Ferne höre ich ein seltsames Klopfen durch den Wirbelwind, der in meinem Kopf tobt – und plötzlich werde ich von Lucas fortgestoßen. Ich versuche, mich in dem Nebel um mich herum zu orientieren. Seine Augen sind weit aufgerissen, er ist entsetzt.

„Lucas? Bist du da drin?“

Mein Bruder verstummt, die Klinke wird heruntergedrückt, aber die Tür bewegt sich nicht. Mir wird klar, dass Lucas sie verschlossen hat. Es erfüllt mich mit Hoffnung, die jedoch genauso schnell wieder stirbt. Er starrt mich erschrocken an und sieht aus, als habe er einen Geist gesehen.

„Lucas! Komm schon, alter Knabe. Jemand hat gesehen, wie du ins Zimmer gegangen bist. Und Eva auch.“

Himmel!

Er war zuvor schon blass. Jetzt sieht er totenbleich aus. Kopfschüttelnd wendet er den Blick ab.

„Ich bin ein Idiot. Ein verdammter Idiot.

Es klingt wie ein Fluch. Auf Zehenspitzen, die Hand ausgestreckt, gehe ich auf ihn zu. Aber er weicht im selben Tempo zurück. In seinen Augen blitzt es zornig. „Lass das.“

Man hört Schritte auf dem Korridor und dann die Stimme meines Vaters. „Was ist hier los?“

„Nichts. Ich … wollte nur Eva holen. Mum möchte, dass sie den Kuchen anschneidet.“

„Der letzte Ort, mein Sohn, an dem Eva sich aufhält, ist mein Arbeitszimmer.“

Nate lacht verunsichert. „Klar … natürlich. Ich schau mal oben nach.“

Sie entfernen sich, ihre Stimmen werden leiser, und ich weiß, dass mein Bruder uns schützt. Aber ich will keinen Schutz. Ich möchte mich nicht länger verstecken.

„Lucas, bitte stoß mich nicht fort. Ich möchte es nicht länger verheimlichen. Ich weiß, dass du genauso fühlst. Ich weiß, dass du …“

„Du weißt gar nichts.“

„Du willst mich …“

„Ja, ich will dich.“ Er haut mir die Worte regelrecht um die Ohren. „Aber das ist keine Liebe.“

„Doch, das ist es – denn ich liebe dich.“

„Du liebst mich nicht. Du bist verknallt, verwirrt, ein Opfer deiner Hormone.“

Mein Herz droht zu zerbrechen. Es fühlt sich eiskalt an. „Du weißt nicht, was du da sagst …“

„Ich weiß, dass du und deine Familie alles seid, was ich habe. Und dass ich ohne dich nichts habe.“

Keine Ahnung, was ich darauf erwidern soll. Ich weiß nur, dass es stimmt. Aber es macht meine Argumente nur noch schlagender. Eigentlich ist es ganz einfach.

„Dann akzeptier doch, dass wir uns lieben und meine Familie sich für uns freuen wird. Wenn sie sich erst mal darauf eingestellt hat.“

Heftig schüttelt er den Kopf. „Nein, das wird sie nicht. Kapierst du das denn nicht? Nate hat an die Tür geklopft, damit wir aufhören. Er weiß Bescheid.“

„Aber …“

„Nein, Eva, er hat mir bereits zu verstehen gegeben, dass du tabu für mich bist – und er hat recht, verdammt noch mal. Was soll aus mir in ein, zwei Jahren werden, wenn das hier … was immer es ist … zu Ende geht?“

„Das wird es nicht.“

„Und das kannst du garantieren, ja?“

„Ich … ich …“

Ratlos fährt er sich mit beiden Händen durchs Haar. In seinen braunen Augen, von denen ich schon so lange geträumt habe, liegt ein gequälter Ausdruck.

Und dann dreht er sich um und geht zur Tür.

„Bitte“, höre ich mich sagen, „geh nicht.“

Er zögert keine Sekunde, dreht sich nicht einmal zu mir um, als er die Tür aufschließt und hinausgeht. Er lässt mich einfach stehen, und mein Herz zerbricht in tausend Stücke, als mir klar wird, dass er es ernst meint.

Dass er mir niemals gehören kann – egal, wie sehr ich ihn liebe.

1. KAPITEL

Das ist mein Moment. Zum ersten Mal in meinem Leben wird mir klar, dass ich es geschafft habe. Dass ich selbstständig bin. Das hier habe ich nicht meinem Familiennamen zu verdanken. Abgesehen von der kleinen Finanzspritze von meiner lieben Ma und meinem guten alten Pa habe ich alles allein hingekriegt.

Mein Baby ist endlich fertig, und die Firmen überbieten sich geradezu, um den Auftrag für die Serienproduktion zu bekommen und sich um den Vertrieb zu kümmern. Sie fahren sämtliche Geschütze auf, um mich von ihrer Kompetenz zu überzeugen.

Glücklicherweise bleiben mir noch ein paar Wochen, bis ich mich entscheiden muss.

Heute Abend geht es nur um den Triumph. Und den will ich voll auskosten.

Im Saal wimmelt es von potenziellen Produzenten und Verkaufsmanagern. Und mitten drin bin ich – voller Selbstvertrauen in meinem festlichen, bodenlangen roten Seidenkleid, mein blondes Haar zu einer Hochfrisur gesteckt, ziemlich elegant und dennoch lässig, weil sich ein paar Locken gelöst haben. Die perlenden Bläschen in meinem Champagnerglas steigern meine gute Laune ins Unermessliche. Mein Selbstbewusstsein kennt keine Grenzen.

„Du hast es geschafft, mein Engel.“

Ich drehe mich um und schaue in die Augen meines Vaters. Ich sehe die Bewunderung in seinem Blick – etwas, nach dem ich mich verzehrt habe, seitdem ich weiß, dass ich meinem Bruder schon als Vierzehnjährige überlegen war.

Dabei liegt mir das Wettbewerbsdenken eigentlich überhaupt nicht. Aber wenn dir dauernd eingeredet wird, dass du die Unfähigere bist, das Mädchen, stachelt es deinen Ehrgeiz eben doch an. Umso mehr, wenn dein Bruder offenbar überhaupt nichts falsch machen kann, obwohl er in Wahrheit ziemlich viel in den Sand setzt – und trotzdem grenzenlose Bewunderung von allen möglichen Leuten erfährt.

„Ich weiß.“

Er verspannt sich, und ich fürchte, dass er den Anflug von Bitterkeit in meiner Stimme gespürt hat. Aber nein, er wendet den Blick ab und kneift die Augen zusammen. Etwas anderes hat seine Aufmerksamkeit erregt.

„Was, zum Teufel …?“, murmelt er.

Ich folge seinem Blick, und sofort beginnen meine Nervenenden zu prickeln. Mein Vater lässt keine Anzeichen von Abneigung erkennen – Gefühle sind nicht seine Sache, vor allem nicht bei einer Veranstaltung wie dieser – meiner Veranstaltung –, bei der es vor allem ums Geschäft geht.

„Hast du ihn etwa eingeladen?“

„Wie b…?“ Das Wort erstirbt mir auf der Zunge, und mein ganzer Körper verspannt sich.

Ich sehe ihn, den Grund für das Unbehagen meines Vaters, und ich spüre, wie es auch mich erfasst. Meine gute Laune ist schlagartig dahin. Die Champagnerflöte in meiner Hand zittert. Ich weiß, ich sollte besser woanders hinschauen, aber ich schaffe es nicht.

Zehn Jahre ist es jetzt her, und trotzdem kann ich mich von seinem Anblick nicht losreißen.

Lucas Waring.

Der Erzfeind meiner Familie.

Der Ruin meines Herzens.

„N…nein“, stammele ich.

Eigentlich sollte ich nicht überrascht sein – nicht wenn der Raum voll von seinesgleichen ist.

Seinesgleichen? Träumst du?

Die Leute hier sind nicht wie er. Keiner von denen kann ihm das Wasser reichen. Waring Holdings ist eines der Top-Unternehmen im Land – ach was, weltweit –, und jetzt taucht Lucas auf und will … was?

„Er kann unmöglich glauben, dass du daran interessiert bist, mit ihm zusammenzuarbeiten.“

Mein Vater spricht genau das aus, was ich denke. Das kann er wirklich nicht glauben. Aber was dann?

„Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.“

Ich bin nicht mehr das achtzehnjährige Mädchen, das ich einmal war, und auch nicht die Frau, die ich kurz danach geworden bin – entschlossen, ihm aus dem Weg zu gehen. Nein, jetzt habe ich die Kontrolle über die Situation. Das ist mein Abend. Hier geht es um meine Arbeit.

„Entschuldige mich.“

„Nein.“ Mein Vater stellt sich mir in den Weg. „Ich werde dafür sorgen, dass er verschwindet.“

Ich halte seinem Blick stand. Meine Lippen zittern. Ich möchte sagen Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln, aber es klänge irgendwie launisch und kindisch. Stattdessen lächle ich ihn an. „Er hat sich die Mühe gemacht herzukommen. Ich sollte wenigstens fragen, was er will.“

„Aber …“

„Aber nichts, Dad. Jemandem, der so einflussreich ist wie Lucas, ausgerechnet heute Abend die kalte Schulter zu zeigen, wäre für alle anderen Anwesenden sicher die falsche Botschaft.“

Mein Vater brummt etwas Unverständliches und leert sein Champagnerglas. Er weiß, dass ich recht habe. Er wäre heute nicht da, wo er ist, wenn er sich von seinen Vorlieben und Abneigungen hätte beeinflussen lassen. Es ist allerdings das erste Mal seit fünf Jahren, dass Lucas es gewagt hat, sich irgendeinem von uns zu nähern.

Seitdem meine Familie den Kontakt zu ihm abgebrochen hat, weil ganz offensichtlich er die Schuld daran trug, dass die Firma, die er mit Nate gegründet hatte, bankrott gegangen ist.

Damals hatte ich daran meine Zweifel. Und jedes Mal, wenn Nate später wieder etwas versemmelt hat, tauchten diese Zweifel wieder auf. Lucas war ganz bestimmt nicht allein für die Pleite verantwortlich. Aber es scheint, dass Lucas das gleiche Schicksal erlitten hat wie ich.

Nates Heiligenschein dagegen ist unbefleckt geblieben.

Ich kann nicht leugnen, dass ich zu gern wissen würde, wie es seinerzeit wirklich zum Schiffbruch gekommen ist. Ebenso wenig kann ich leugnen, dass seine Anwesenheit heute Abend mir und meinem Produkt sehr gelegen kommt. Es wird die Begehrlichkeiten der anderen Interessenten nur noch weiter anfeuern.

Oder sie ergreifen alle die Flucht, weil sie glauben, dass sie gegen ihn sowieso nicht die geringste Chance haben.

Nicht gegen ihn – gegen seine Firma, Eva!

Fast unmerklich schüttele ich den Kopf, sodass mich die Locken, die sich aus meiner Hochfrisur gelöst haben, im Nacken kitzeln. Es lenkt mich ab und entspannt mich ein wenig.

„Sorge bitte dafür, dass Mum nicht durchdreht, wenn sie ihn sieht“, bitte ich meinen Vater, und während ich an meinem Champagner nippe, setze ich mich in Bewegung und hoffe, dass Lucas mich nicht entdeckt, ehe ich mich von dem Schock erholt habe und ihm gefasst gegenübertreten kann.

Doch irgendwie scheint er zu spüren, dass ich auf ihn zusteuere, denn sofort dreht er den Kopf in meine Richtung und fixiert mich mit seinem Blick. Ein Beben erfasst meinen Körper. Es hilft nicht, dass ich daran gewöhnt bin, seinem Gesicht permanent im Fernsehen und in den Boulevardzeitungen zu begegnen. In meiner Magengrube flattern Schmetterlinge, und meine Wangen werden so heiß, wie es nur seine Nähe bewirken kann.

Am liebsten würde ich woanders hinschauen, aber diesen Triumph gönne ich ihm nicht. Inzwischen bin ich stärker, klüger, und das ist gut so. Deshalb erfreue ich mich an seinem Anblick und betrachte ihn von Kopf bis Fuß. Sein etwas zu langes Haar. Die ausdrucksvollen Augenbrauen über den dichten Wimpern, den dunklen, durchbohrenden Blick, mit dem er mich anschaut. Ich ignoriere meinen rasenden Puls, lassen den Blick tiefer wandern zu dem markanten Kinn mit dem attraktiven Bartschatten.

Seinen Mund allerdings ignoriere ich geflissentlich.

Die Erinnerung an den flüchtigen Kontakt vor vielen Jahren brauche ich nicht. Ganz bestimmt nicht.

Als Nächstes betrachte ich seine Schultern, die breiter sind, als ich sie in Erinnerung habe. Beeindruckend. Ich verschwende keinen Gedanken an seine Muskeln unter dem maßgeschneiderten dunkelgrauen Anzug, den ich anschließend in Augenschein nehme, ebenso wie das weiße Hemd und die provozierend schmale schwarze Krawatte.

Unwillkürlich muss ich lächeln, ich kann es nicht verhindern. Immer noch derselbe Rebell …

Als ich ihm wieder in die Augen schaue, bemerke ich ein Flackern in seinem Blick. Irgendetwas verrät er damit. Ich weiß nur nicht, was. Unbehagen?

Vielleicht.

Von wegen!

Er beherrscht den Saal. Seine Anwesenheit erzeugt Aufmerksamkeit, selbst wenn er es gar nicht beabsichtigt. Ebenso wie er meine erregt – gegen meinen Willen.

Ein Kellner schiebt sich zwischen uns hindurch, und er greift nach einem Glas, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von mir zu wenden. Sofort fühle ich mich von ihm angezogen wie die liebestrunkene Achtzehnjährige, die ich einmal war.

Vorsicht, Eva.

„Lucas.“

Ich dehne die Silben seines Namens, koste den Klang auf meinen Lippen, und ich sehe, wie sein Blick dorthin wandert. Sie sind rot, glänzen und passen perfekt zu meinem Kleid und dieser fantastischen Party, und ich bilde mir ein, dass er sie hungrig betrachtet.

Wenn doch nur …

„Ich wünschte, ich könnte sagen, es wäre mir ein Vergnügen, dich zu sehen.“

Ich bin stolz auf meine feste Stimme, den süffisanten Tonfall. Genau das hat er verdient für all das, was er mir vor zehn Jahren angetan hat – und während der zusätzlichen fünf Jahre, falls meine Familie recht hat … In diesem Moment weiß ich nicht, wofür ich ihn mehr leiden lassen möchte.

Doch, das weißt du genau, Lügnerin.

Er betrachtet mich mit diesem durchdringenden Blick, den ich nicht zu deuten vermag, und hebt sein Glas an die Lippen. Zu spät merke ich, dass ich nun doch dorthin schaue, und meine verräterische Zunge fährt über meine eigenen Lippen …

„Es gehört sich nicht, jemanden anzustarren.“

Ich zucke zusammen und verfluche seine Anwesenheit und die Wirkung, die er auf mich hat. Aber seine Stimme klingt ein wenig gepresst, und das Flackern in seinen Augen kann er nicht verbergen. Ich lasse ihn also nicht gleichgültig – nicht mehr. Es gibt mir Macht über ihn, und die will ich auskosten.

„Es gehört sich auch nicht, uneingeladen auf einer Party aufzukreuzen.“

Er lächelt kaum merklich. Trotzdem erbebe ich innerlich. Verdammt noch mal!

„Ich bin daran gewöhnt, mit offenen Armen empfangen zu werden – egal, ob man mich eingeladen hat oder nicht.“

Leicht genervt ziehe ich die Augenbrauen hoch. Jetzt bin ich ihm so nahe, dass ich ihn umarmen könnte. Der Gedanke ist nicht gerade dazu angetan, mich zu konzentrieren.

Das ist doch bloß eine Redensart, Idiot!

Ich neige den Kopf zur Seite und versuche, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. „Das mag vor Jahren einmal gestimmt haben, aber nicht hier und jetzt und bestimmt nicht von mir.“

„Nicht von dir oder nicht von deiner Familie, Evangeline?“

Könnte ich zu einer Pfütze auf dem Boden zerschmelzen, würde ich es tun. Keiner nennt mich Evangeline – niemand. Nur meine Eltern. Ich bin Eva – die starke, zuverlässige Eva. Eine Frau, die sich hundertfach bewiesen hat.

Aber wenn er es sagt, wie er es sagt, klingt es nicht so wie bei Mum und Dad. Ich fühle mich dann nicht wie ein kleines Mädchen, schwach und verwundbar. Ich fühle mich so stark und wertvoll, wie auf ein Podest gestellt und bereit, angebetet zu werden.

Von ihm. Zu meinen Füßen.

Oh ja!

Ich schlucke, fühle mich wie vom Blitz getroffen.

Es macht mir Angst. Er macht mir Angst. Und er muss verschwinden – egal, was ich eben zu Dad gesagt habe: Ich traue mich nicht, länger als unbedingt nötig mit ihm zu reden.

„Hast du deine Zunge verschluckt?“

„Nein“, platzt es aus mir heraus.

„Was dann?“

Ich sehe einen Muskel in seiner Wange zucken, und er lässt mich nicht aus den Augen, während er auf meine Antwort wartet.

„Bist du es, oder ist es deine Familie, der ich nicht willkommen bin, Evangeline?“

„Sowohl als auch“, antworte ich und bedauere es sofort. Es ist zu persönlich, zu unprofessionell. Aber ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Nicht wenn er mir so nahe ist.

„Ist das deine Art, mich zu bitten, dass ich gehen soll?“

Ich bemerke Köpfe, die sich zu uns umdrehen, Ohren, die gespitzt werden.

Vorsicht, Eva …

Ich verliere mich im zornigen Blitzen ihrer blauen Augen, denen ich ansehe, dass sie mich am liebsten rauswerfen würde. Mir macht es Spaß, ihren inneren Zwiespalt noch zu verstärken.

Das ist viel einfacher, als sich mit dem Schlamassel auseinanderzusetzen, der seit zehn Jahren unter den Teppich gekehrt ist.

„Nein, Lucas. Ich bitte dich nicht, zu gehen.“

Sie befeuchtet ihre Lippen. Noch einmal. Das leuchtende Rot wird intensiver. Die Farbe des Blutes weckt sündige Gedanken in mir, die nicht hierhergehören. Nicht in diesen Saal mit all den Menschen.

Und die nichts mit dem Grund zu tun haben, weshalb du hier bist.

Es geht ums Geschäft.

Nicht um sie.

Nicht um …

Ich bemerke das Pochen ihrer Halsschlagader, als sie die Hand hebt und ihre Finger mit den rot lackierten Nägeln darauflegt. Himmel, wie gern würde ich das tun – derjenige sein, der ihre seidenweiche Haut streichelt.

Ich umklammere den Stiel meines Glases und schiebe die andere Hand in meine Hosentasche. Sicher ist sicher.

„Gut.“ Ich lasse den Blick zu dem riesigen Weihnachtsbaum und dem großen Bildschirm daneben schweifen, auf dem Videos von dem Produkt laufen, das zu kaufen ich hergekommen bin. „Denn ich glaube, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben – geschäftlich betrachtet.“

Ich schlucke.

Geschäftlich betrachtet? Was für einen Scheiß labere ich da? Kannst du es nicht noch deutlicher sagen, dass du sie auch ins Bett kriegen willst?

Sie lachen zu hören ist genauso überraschend wie die Wirkung, die das auf mich hat: Es geht mir durch und durch. Ich hatte ganz vergessen, dass sie so etwas mit mir anstellen kann – sei es, dass sie lacht, sei es, dass sie lächelt oder eine Melodie summt, wenn sie glaubt, keiner höre sie.

„Aber klar, Lucas. Natürlich geschäftlich. Was könntest du denn sonst meinen?“

Sie beobachtet mich über den Rand ihres Glases hinweg. In ihrem Blick lese ich eine stumme Aufforderung, Belustigung und Selbstvertrauen. Und es ist dieses Selbstvertrauen, das mich irritiert. Es ist neu, jedenfalls für mich. Die Unschuld von einst ist der Reife einer Frau gewichen, die weiß, was sie will und die ihre Bedürfnisse kennt.

Und was genau sind diese Bedürfnisse?

Vor zehn Jahren hat sie keinen Hehl daraus gemacht, aber jetzt …

Verdammt. Die meisten Frauen begehren mich – was auf Gegenseitigkeit beruht. Mein Geld und meine Macht ziehen alle möglichen Typen an – auch ohne meinen athletischen Körper, den zu vervollkommnen ich mir sehr viel Mühe gebe.

Aber andere Frauen bedeuten dir nichts. Dir liegt nur etwas an ihr.

Lag – nicht liegt. Denn das wäre verdammt dumm.

Vor zehn Jahren war sie unantastbar. Als Schwester meines besten Freundes, als Tochter der Menschen, die mir am nächsten standen. Die richtige Eltern für mich waren.

Doch sehen wir den Tatsachen ins Gesicht: Hier stehe ich nun als der schlimmste Albtraum ihrer Familie, und meine ganze Loyalität zählt keinen Cent mehr.

Überleg doch mal, was du damit anfangen kannst.

Ich schaue sie an, lasse den Blick langsam von oben nach unten wandern, und es bricht aus mir heraus, ehe ich darüber nachdenken kann: „Es war nicht geplant. Eigentlich bin ich nur aus geschäftlichen Gründen gekommen und um dir ein sehr attraktives Angebot zu machen. Doch plötzlich stelle ich fest, dass ich viel mehr will.“

Ihre Augen werden groß, und das Glas unter ihrem Kinn zittert. Sie hebt es weder an ihre Lippen noch lässt sie es sinken. Sie ist schockiert, und ich nutze meinen Vorteil.

„Wie lange ist es her, Evangeline – sieben Jahre?“

„Sechs.“

Sie sagt es mit einer Gewissheit, die mich erstaunt. Hat sie die Tage gezählt – zurück bis zu jenem Moment? Was mich angeht: Ich habe sie gezählt – trotz meiner absichtlichen Falschrechnung. Und selbst damals war es nur einer kurzer Augenblick – ein paar Minuten im Haus der Beaumonts, bevor Nate und ich auf gemeinsame Geschäftsreise gegangen sind. Aber er ist eingebrannt in mein Gedächtnis. Sie an der Seite eines anderen Mannes – ihres Verlobten. Voller Glückseligkeit.

„Wie geht es Peter?“

Ich weiß nicht, warum ich die Frage stelle. Sie ist nicht verheiratet – an ihrem Finger steckt kein Ring. Keine Ahnung, warum ich mir das von ihr noch einmal bestätigen lassen will.

„Ich weiß es nicht. Kurz nach jenem Abend haben wir Schluss gemacht.“

Meine Frage hat sie nicht im Geringsten berührt, und das verrät mir genug. Sie erinnert sich also noch genau an diesen Moment.

Ich möchte mir das Gefühl der Befriedigung, das mich nach ihrer Antwort durchströmt, nicht anmerken lassen, aber ich kann es nicht verleugnen – genauso wenig wie den brennenden Wunsch, diese Lippen zu schmecken, die mich mit ihrer verführerischen Farbe und dem einladenden Glanz provozieren.

„Und Nate?“, stoße ich hervor. „Ich kann ihn nirgendwo sehen.“

Ihre Wimpern zucken, als sie die Veränderung in meiner Stimme registriert, während ich von einem unangenehmen Thema zum nächsten wechsle. Aber ich verspüre nicht länger die geringste Lust, über Geschäftliches zu reden und auf sicheres Terrain zu wechseln.

„Mein Bruder ist geschäftlich nach Hongkong geflogen. Doch Weihnachten ist er wieder hier.“

Ich nicke und ignoriere den merkwürdigen Stich, den ihre Erwähnung von Weihnachten bei mir verursacht. Jahrelang habe ich das Fest mit den Beaumonts gefeiert. Ich rede nie darüber, wie sehr ich es vermisse, aber in diesem Moment wird es mir schmerzhaft bewusst. Dieser kalte, dumpfe Schmerz über etwas, das es einmal gegeben hat und das nie wiederkommen wird.

Nate hat das alles noch. Ich dagegen …

Verdammt noch mal, Lucas, lass es gut sein!

„Schön für ihn.“ Ich verdränge den Schmerz, aber in meiner kühlen Antwort ist die Verbitterung nicht zu überhören.

Eva kneift die Augen zusammen, und ich schaue in eine andere Richtung und versuche, mich zu entspannen, während ich an meinem Drink nippe. Am liebsten würde ich die Vergangenheit auslöschen. Andererseits ist es mir ein Bedürfnis, sie zur Sprache zu bringen und mich ihr zu stellen.

Doch was würde das bringen? Nichts.

„Deine Eltern haben es also geschafft zu kommen, wie ich sehe.“ Mit einer Kopfbewegung deute ich zur Bar, wo sie nebeneinanderstehen und uns so unauffällig wie möglich beobachten. Dabei weiß ich genau, dass sie uns keine Sekunde aus den Augen lassen. Ich spüre ihre durchdringenden Blicke genauso wie die Hitze, die ihre Nähe in mir erzeugt.

„Sie hätten es um nichts in der Welt versäumen wollen. Es liegt ja schließlich auch in ihrem Interesse, dass es mir und meinem Geschäft gut geht.“

„Ich habe gehört, dass sie einen Anteil von fünfundzwanzig Prozent halten?“

„Wow. Du hast wirklich deine Hausaufgaben gemacht.“

„Ich mache immer meine Hausaufgaben.“

Denn ich vertraue niemandem. Nicht mehr. Das bisschen Vertrauen, das ich jemals gehabt habe, ist vor fünf Jahren von ihrem Bruder zerstört worden.

„Es gehört zu meinen Aufgaben, alles über die Unternehmen zu wissen, mit denen ich zusammenarbeiten möchte – und über die Leute, die sie führen.“

„Und was sagen dir deine Nachforschungen über mich?“

„Über dich oder dein Geschäft?“

„Beides.“

Hätte es sich um eine andere Frau gehandelt, hätte ich vermutlich gedacht, dass sie auf ein Lob aus ist. Beim Blick in ihre Augen stelle ich allerdings fest, dass das nicht der Fall ist. Die wilde Entschlossenheit ist nach wie vor vorhanden, das Wissen darum, dass sie es sich und allen anderen immer wieder bewiesen hat. Dass ich weiß, dass keines ihrer Bedürfnisse unerfüllt geblieben ist. Genau das bringt mich an den Rand des Wahnsinns.

Würde sie diese Selbstsicherheit auch im Schlafzimmer aufrechterhalten können?

„Dein Produkt stößt auf einen interessierten Markt, aber die Anmeldung zum Patent wird es nur für einen gewissen Zeitraum schützen. Es geht also im Wesentlichen um den Faktor Zeit. Außerdem brauchen wir Produktionsmöglichkeiten und müssen Wege finden, auf den Markt zu kommen – und zwar so schnell wie möglich.“

„Wir?“ Fragend zieht sie die Augenbrauen hoch. „Das ist ziemlich anmaßend von dir.“

„Du weißt, dass dir meine Firma beides bieten kann.“

Sie summt leise vor sich hin, und ihr Summen lässt meinen gesamten Körper vibrieren. Ich schaue auf ihre fest geschlossenen Lippen, ihren provozierenden Schwung. Wie gern würde ich sie mit der Zunge kosten und dafür sorgen, dass sie sie für mich öffnet …

„Und was ist mit mir, Lucas? Was sagen dir deine Nachforschungen über mich?“

Gern würde ich beteuern, dass ich ihr Unternehmen sehr schätze, aber dass ich sie selbst noch viel mehr schätze. Ich möchte ihr erzählen, dass ich ihr voll und ganz vertraue. Dass sich nichts von dem, was ich vor Jahren über sie erfahren habe, geändert hat. Und dass das, was ich zwischenzeitlich über sie herausgefunden habe, meinen Eindruck nur noch verstärkt hat. Und dass es nichts an ihr gibt, was bei mir auch nur die leisesten Zweifel wecken würde.

Abgesehen von den Erfahrungen mit ihrem Bruder – ein Geschäftsexperiment, das mich in den Augen ihrer Familie zum Aussätzigen gemacht hat …

Du wirst zu persönlich. Hier geht es ums Geschäft. Du brauchst ihr nur so weit zu vertrauen, wie es in dem Vertrag, den du mit ihr abschließen willst, festgelegt ist.

Und doch spüre ich jetzt schon, dass ich mehr will. Ich will ausprobieren, wie weit ich bei dieser perfekten, selbstbeherrschten Geschäftsfrau, die vor mir steht, gehen muss, damit ich sie knacken kann. Damit ich sie dazu bringen kann, mich so zu begehren, wie sie es als Achtzehnjährige getan hat.

Wenn ich doch bloß die Zeit zurückdrehen und mir nehmen könnte, was sie mir damals so bereitwillig angeboten hat, anstatt …

„Bist du so weit, Eva? Alle warten auf deine Rede.“

Es ist ihr Vater. Wie aus dem Nichts taucht er plötzlich neben ihr auf. Ich verfluche diese roten Lippen. Hätten sie mich nicht abgelenkt, hätte ich sein Kommen bemerkt. Wäre darauf vorbereitet gewesen. Stattdessen bin ich gezwungen, meinen Blick von dem verführerischen Rot abzuwenden und ihn anzuschauen. Der Ausdruck in seinem scharf geschnittenen Gesicht ist absolut missbilligend.

Als ob er mir direkt in die Seele sehen und meine Begierde für seine Tochter spüren könnte. Seine Miene sagt mir, dass ich mir meine Lust sonst wohin stecken soll.

„Mr. Beaumont“, begrüße ich ihn überaus freundlich und hebe das Glas. Dabei schenke ich ihm das belanglose Lächeln, das ich für Geschäftszwecke reserviert habe.

Seine Augen blitzen verärgert. Ich spüre, dass er mich am liebsten ignorieren würde. Auch Eva wirkt plötzlich sehr angespannt, als ihre Blicke zwischen ihm und mir hin und her flattern.

„Ja, natürlich. Danke, Dad.“

Sie legt die Hand auf die Brust ihres Vaters – ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass er sich zurückhalten soll. Es bringt mein Blut zum Kochen. Ich bin kein Mann vieler Worte, und ich werde auch jetzt keine verlieren, aber die Wahrheit darüber, was vor fünf Jahren passiert ist, drängt mit aller Macht nach draußen.

Ich spüle sie mit Champagner hinunter und wende mich erneut an Eva. Meine Hand berührt ihren Rücken. Ich will etwas sagen, aber die Worte ersterben mir auf der Zunge, als ich die Hitze ihrer Haut unter der Seide spüre.

Ihr Mund öffnet sich – aus Überraschung, wie ich annehme –, bis ich das Rot auf ihren Wangen sehe, das Blitzen in ihren Augen, und in dem Moment wird mir klar, dass sie es ebenfalls empfindet. Das Begehren. Wäre ich ein Spielertyp, würde ich jede Wette eingehen, dass es stärker ist als jemals zuvor.

„Lass uns später weiterreden.“

Ich warte nicht auf ihre Antwort. Stattdessen drehe ich mich auf dem Absatz um und mache mich auf die Suche nach einer stillen Ecke, wo ich meine über alles geschätzte Haltung wiederfinden kann.

Ich bin es nicht gewohnt, die Fassung zu verlieren. Ich verlasse mich darauf, jede Herausforderung, die mir begegnet, zu meistern. Aber irgendetwas sagt mir, dass eine Zusammenarbeit mit Evangeline eine noch nie da gewesene Herausforderung für mich wäre.

Denn ungeachtet der Absichten, mit denen ich heute Abend hierhergekommen bin, will ich sie besitzen.

Sie und ihr Unternehmen.

Das Problem ist – ich weiß genau, was ich mir dringlicher wünsche …

Ich schaue ihr nach, als sie zur Bühne geht. Ihr ganzer Körper glänzt im Schein der Weihnachtsbaumbeleuchtung, und mein Körper reagiert so gewaltig, dass ich weiß, es wäre besser für mich, Hals über Kopf zu flüchten. Doch ich bleibe wie angewurzelt stehen.

Ich schulde den Beaumonts überhaupt nichts.

Aber ich stehe in Evas Schuld – einer zehn Jahre alten Schuld. Und plötzlich kann ich es kaum erwarten, diese Schuld zu begleichen.

2. KAPITEL

Ich halte meine Rede, wobei mir die Worte nur so aus dem Mund sprudeln. Kein Wunder, ich habe sie ja tausend Mal geprobt und könnte sie sogar im Schlaf halten. Was eine beachtliche Leistung ist angesichts der Tatsache, dass ich mit meinen Gedanken überhaupt nicht bei meinem Produkt bin, sondern bei dem Mann, der in einer abgeschiedenen Ecke des Raums auf mich wartet und mir lauscht.

Ich kann seine durchdringenden Blicke spüren, seinen Hunger. Ich habe ihn in seiner Berührung gespürt, in seinen Augen, die auf mich gerichtet waren, als ich zur Bühne ging. Diesen Hunger spüre ich noch immer, und er stachelt meinen eigenen an.

Die Zuhörer sind begeistert. Zwanzig Minuten lang kann ich sie in meinen Bann schlagen. Trotzdem ist mein Mund trocken. Vor lauter Vorfreude. Auf ihn.

Ich unterbreche meine Rede, um einen Schluck Champagner zu trinken. Mein Lächeln gilt meinem Publikum, bevor ich es ganz auf ihn richte. Meine Lust muss befriedigt werden, ehe sie all meine Gedanken beherrscht und mein weiteres Handeln beeinflusst.

Ich hebe das Glas und trinke auf die Zukunft – und um meine Stimmbänder zu befeuchten, ehe ich die Bühne verlasse, um das zu tun, was jetzt von mir erwartet wird – von Gast zu Gast zu schlendern und Small Talk zu machen.

Mit den meisten habe ich mich bereits unterhalten. Aber jetzt geht es darum, mich ihres Interesses zu vergewissern und konkrete Treffen zu vereinbaren, für deren Terminplanung meine persönliche Assistentin sorgen soll.

Autor

Rachael Stewart
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