Es geschah in einer tropischen Nacht

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Das Feuer funkelnder Diamanten fasziniert sie, aber die Glut der Liebe kennt Schmuckdesignerin Ruby nicht. Bis sie Zane begegnet. Seine Küsse versprechen pure Leidenschaft! Doch kaum hat er sie an sich gezogen, stößt er sie wieder fort. Warum kann er ihr nicht vertrauen?


  • Erscheinungstag 01.03.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776725
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Sobald Zane Bastiani den Fuß auf das Flugfeld des Broome International Airport setzte, spürte er, wie die drückende Luftfeuchtigkeit ihn umschloss. Irritiert sah er zum Himmel auf, wo groß und golden die Sonne erbarmungslos auf ihn herniederbrannte.

Die Hitze hatte er tatsächlich völlig vergessen. Ebenso wie den azurblauen Himmel, die salzhaltige Luft und die nahezu unwirkliche Helligkeit. Nach neun Jahren im grauen, verregneten London konnte man so etwas vergessen.

Neun Jahre. Er war ein Fremder im eigenen Land.

Kaum zu glauben, dass es schon so lange her war, seit er mit nichts als der festen Überzeugung, es aus eigener Kraft nach oben zu schaffen, hier fortgegangen war. Heute, mit einer großzügigen Terrassenwohnung in Chelsea, einem Chalet in Klosters und dem Chefsessel in einer der dynamischsten Handelsbanken von ganz London, war er seinem Ziel schon ziemlich nahe gekommen.

Und die ganzen vergangenen neun Jahre über hatte er auf den Anruf seines Vaters gewartet. Dass sein Vater seinen Irrtum zugeben würde. Doch als er den Anruf aus Australien schließlich erhalten hatte, war nicht sein Vater am Apparat gewesen.

Sein Zustand sei stabil, hatten die Ärzte gesagt. Und dass Laurence ihn sehen wolle.

Nach den letzten bitteren Worten war ein Herzinfarkt nötig gewesen, um ein Wiedersehen in die Wege zu leiten.

So hatte Zane einen Platz in der ersten Maschine gebucht, die ihn auf schnellstem Wege in die ruhige australische Stadt bringen konnte. Mit einer Platin-Kreditkarte ließ sich so etwas in kürzester Zeit arrangieren.

Auf dem Weg zum Terminal lockerte Zane die verkrampften Nackenmuskeln und stählte sich für das Treffen mit seinem Vater. Als Kind war ihm Laurence Bastiani immer größer als das Leben erschienen. Der große Mann mit der donnernden Stimme, den hochtrabenden Ideen und der robusten Gesundheit. Nicht einmal eine Grippe hatte es gewagt, ihn zu befallen. Es war schwer, sich diesen Mann von einem Herzinfarkt niedergestreckt auf dem Krankenbett vorzustellen. Für Laurence musste es schrecklich sein. Wahrscheinlich hatte er seinen Körper bereits mental entlassen.

Zanes Reisetasche war unter den ersten Gepäckstücken, die auf dem Rollband erschienen. Er packte sie und ging zum Ausgang, vor dem die Taxis warteten.

Schon jetzt klebte ihm das dünne Baumwollhemd auf der Haut. Wie lange mochte es wohl dauern, bis er sich wieder an die Hitze gewöhnt hatte? Unwichtig, dachte er im gleichen Moment, als er dem Taxifahrer knapp die Adresse nannte.

Er wäre längst wieder in London zurück, bevor das passieren konnte.

1. KAPITEL

Das Notfallteam war fort, die Schläuche und Nadeln herausgezogen, die Apparate abgestellt. Seltsam … in den letzten zwei Tagen hatte sie das monotone Piepen der Maschinen hassen gelernt, weil es Laurences sich ständig verschlechternde Konstitution anzeigte. Doch jetzt würde Ruby Clemenger alles dafür geben, diesen Ton wieder zu hören. Er würde die tödliche Stille im Zimmer brechen. Und er wäre Beweis, dass Laurence noch lebte.

Doch Laurence lebte nicht mehr.

Ihre Augen brannten, doch es kamen keine Tränen. Sie hatte es noch nicht akzeptiert. Es war so ungerecht. Fünfundfünfzig war kein Alter, um zu sterben. Erst recht nicht, wenn man so voller Energie und Leben steckte wie Laurence Bastiani, Besitzer des größten Zuchtperlenunternehmens der Welt. Selbst jetzt sah er aus, als schliefe er nur, doch da war kein Heben und Senken der Brust, kein unmerkliches Zucken im Gesicht, auch seine Finger reagierten nicht mehr auf den leichten Druck ihrer Hand.

Ruby neigte den Kopf und presste die Lider zusammen. Sie versuchte, sich auf etwas anderes als auf das schwarze Loch der Verzweiflung zu konzentrieren, doch Logik und Vernunft hatten sie zusammen mit Laurences unerwartetem Abschied verlassen. Sie konnte nur noch an seine letzten Worte denken: „Kümmre dich um ihn“, hatte er angestrengt geflüstert und seine Finger in ihren Arm gedrückt. „Kümmre dich um Zane. Und sag ihm, es tut mir leid …“

Sie hatte keine Zeit mehr gehabt zu fragen, was er damit meinte. Warum der Sohn, der sich seit fast zehn Jahren nicht beim Vater gemeldet hatte, jemanden brauchte, der sich um ihn kümmerte, oder warum der Vater es für nötig hielt, sich zu entschuldigen. Ganz zu schweigen davon, warum ausgerechnet sie das machen sollte.

Dieser verlorene Sohn, der seinen Vater all die Jahre ignoriert hatte, stand bei ihr so weit unten auf der Liste, dass er für sie praktisch gar nicht existierte. Denn sie hatte ihren Mentor und eine Vaterfigur verloren, und vor allem einen lieben Freund.

„O Laurence“, flüsterte sie stockend. „Du wirst mir schrecklich fehlen.“

Sie hörte, wie hinter ihr die Tür aufging, und holte tief Luft. Das Krankenhauspersonal würde sie wohl jetzt auffordern zu gehen, damit es die notwendige Arbeit tun konnte.

Ruby hob den Kopf, ohne sich umzudrehen. „Ich bin gleich so weit. Lassen Sie mir nur noch einen Augenblick, bitte.“

Es erfolgte keine Antwort, auch kein diskretes Zurückziehen oder das Schließen der Tür. Dafür verspürte Ruby plötzlich eine seltsame Kälte, die ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

„Ich würde gern mit meinem Vater allein sein.“

Ruby wandte den Kopf mit einem Ruck zu dem Fremden, der in der Tür stand. Für den Bruchteil einer Sekunde stieg freudiges Erkennen in ihr auf, bis ihr die Wahrheit klar wurde.

O ja, das hätten Laurences Augen sein können. Das gleiche Braun, die gleiche Form und die gleichen schweren, sinnlichen Lider. Doch während im Blick des Älteren eine Mischung aus Respekt und Zuneigung gelegen hatte, mit Lachfältchen in den Augenwinkeln wegen eines kleinen Scherzes oder der Freude über die perfekte Perle, blickte dieses Augenpaar sie kalt und herablassend an.

Zane. Alle Alarmsirenen in ihrem Kopf begannen zu läuten. Er mochte Laurences Sohn sein, aber ihr Freund war er deswegen noch lange nicht.

Seine Körpersprache machte es klarer als jedes Wort, angefangen von dem unrasierten Kinn, den wirren kurzen Haaren, den schwarzen Designerjeans bis hin zu den langen Beinen, die in handgearbeiteten Lederstiefeln steckten. Das weiße Hemd hätte den harten Eindruck mildern müssen, stattdessen betonte es nur die olivbraune Haut und die dunklen Züge. Dieser Mann strahlte Macht aus, als sei sie sein Geburtsrecht.

Ruby zwang sich dazu, den Rücken durchzustrecken, als sein Blick auf ihren mit seines Vaters verschränkten Händen auf dem Bett haften blieb. Unmut ging in großen Wellen von ihm aus, als er es sah, doch Ruby ließ ihre Hände dort, wo sie waren. Ob es ihm passte oder nicht, sie hatte ein Recht darauf, hier zu sein.

Doch ganz gleich, welche Fehler er haben mochte, auch er musste trauern. Selbst wenn Vater und Sohn fast eine Dekade kein Wort miteinander gewechselt hatten, so war Ruby doch klar, dass Laurences Tod ein Schock für Zane sein musste. Noch gestern war jeder davon ausgegangen, dass Laurence genesen würde. Als Zane gestern in London die Maschine bestiegen hatte, war der Tod seines Vaters eine völlig unwahrscheinliche Möglichkeit gewesen. Zane müsste schon hart wie Granit sein, sollte er nicht erschüttert sein. Niemand konnte so gefühllos sein.

„Sie müssen Zane sein“, hob Ruby an, um das eisige Schweigen zu brechen. „Ich bin Ruby Clemenger. Ich habe mit Ihrem Vater zusammengearbeitet.“

„Ich weiß, wer Sie sind“, knurrte er.

Sie holte tief Luft und überdachte ihr Urteil noch einmal. Vielleicht war er doch derart hart und gefühllos. Um Laurences willen setzte sie erneut an. „Herzliches Beileid.“ Sie schüttelte den Kopf. „Er wollte Sie so unbedingt sehen. Aber Sie sind zu spät.“

Zane kniff die Augen zusammen. „Ja, so sieht es mir auch aus.“ Nur mit Mühe riss er sich zusammen. Natürlich, sie musste ja hier sein! In den letzten Jahren hatte er kein einziges Foto von seinem Vater gesehen, ohne dass diese Frau an seinem Arm gehangen hätte. Ruby Clemenger, ständige Begleiterin und rechte Hand seines Vaters. Laurence hatte immer eine Schwäche für schöne Beine gehabt. Den schimmernden Gliedmaßen nach zu urteilen, die da unter dem Stuhl steckten, hatte Laurence sich in dieser Hinsicht nicht geändert.

Im Moment wünschte Zane sich jedoch nichts anderes, als dass sie diese Beine in die Hand nehmen und von hier verschwinden würde. Es war sein Vater, seine Trauer, seine Wut. Er war seit vierundzwanzig Stunden unterwegs und war wegen einer einzigen Stunde um das Wiedersehen mit seinem Vater gebracht worden. Er wollte seine Gefühle mit niemandem teilen, schon gar nicht mit jemandem wie ihr.

Zumindest schien es, als hätte sie den Wink verstanden. Die Angriffslust, die kurz in ihren Augen aufgefunkelt war, schwand. Doch sie trat nicht von dem Bett fort, und selbst in seinem übermüdeten Zustand fielen Zane die verführerischen weiblichen Kurven auf, die strahlend blauen Augen, umrandet von langen Wimpern, die vollen, schön geschwungenen Lippen, die geradezu darum bettelten, geküsst zu werden.

Ganz so, wie sein Vater es schätzte.

Bittere Galle stieg in ihm auf. Sie war gute dreißig Jahre jünger als Laurence. Bei ihrer Figur und ihrem Aussehen hatte sein Vater nicht die geringste Chance gehabt. Der Herzinfarkt war praktisch vorprogrammiert gewesen.

Jetzt beugte sie sich vor und küsste Laurence zum endgültigen Abschied auf die Wange. „Leb wohl, Laurence. Ich werde dich immer lieben.“

Ihre geflüsterten Worte trafen Zane wie ein Schlag in den Magen, brachten jenen Zynismus, den er sich bei einigen der unschönsten Firmenübernahmen in ganz Europa angeeignet hatte, zum Überschäumen. Diese Show war offensichtlich für ihn gedacht. Er wusste, wozu Menschen fähig waren, wenn Geld auf dem Spiel stand.

Ruby Clemenger war lediglich eine Angestellte der Bastiani Pearl Corporation, auch wenn ihre Dienste offenbar weit über das reine Schmuckdesign hinausgegangen waren. Erhoffte sie sich, ein Stück des millionenschweren Unternehmens zu ergattern, jetzt, da Laurence nicht mehr lebte?

„Wie anrührend.“ Seine Geduld war zu Ende. „Sind Sie endlich so weit?“

Er sah, wie sie sich versteifte. Dann legte sie ein letztes Mal ihre Hand an Laurences Wange. Sie drehte sich um, und ohne Zane eines Blickes zu würdigen, ging sie an ihm vorbei und verließ leise den Raum.

Ihr Duft hing noch in der Luft.

Verführerisch.

Ärgerlich!

Zane stieß einen knurrenden Laut aus und trat an das Bett seines Vaters. Er war müde, litt unter Jetlag und kochte vor unterschwelliger Wut. Er war um die halbe Welt gehetzt, nur um zu spät zu kommen. Als Mann, der jede Frist um Längen schlug, traf ihn ausgerechnet dieses Zuspätkommen bis ins Mark.

Noch schlimmer allerdings war die Erkenntnis, dass trotz der erschütternden Ereignisse der in der Luft hängende Duft seine Aufmerksamkeit auf die Person lenkte, an die er jetzt am allerwenigsten denken sollte – die Geliebte seines Vaters.

„Soll ich Sie zum Haus mitnehmen?“

Ruby hatte vor dem Zimmer auf Zane gewartet. Als er nun nach einer halben Stunde herauskam, ignorierte er sie geflissentlich und ging mit energischen Schritten zum Schwesternzimmer, um dem medizinischen Personal Fragen zu stellen.

Ihr persönlich könnte es nicht gleichgültiger sein, wo er blieb und wie er dorthin kam. Warum kroch er nicht wieder unter den Stein zurück, unter dem er die letzten zehn Jahre gesessen hatte! Doch Laurences letzter Wunsch hielt sie zurück. Wenn Laurence eine so tiefe Liebe für einen Sohn empfinden konnte, der so lange nichts von sich hatte hören lassen, dann konnte sie zumindest höflich sein – um Laurences willen.

Eine Schwester überreichte Zane schließlich seine Reisetasche, die anderen gingen wieder ihrem Dienst nach. Er war also direkt vom Flughafen hergefahren? Irgendwo musste er also unterkommen.

Ruby erhob sich von ihrem Stuhl und wiederholte ihre Frage. „Möchten Sie, dass ich Sie mitnehme?“

„Ich habe Sie beim ersten Mal bereits gehört.“ Mit steinerner Miene warf er sich die Tasche über die Schulter, eine Bewegung, die seine Muskeln unter dem Hemd spielen ließ. Seine Statur glich der seines Vaters, aber er war größer und wirkte bedrohlicher, als Laurence jemals gewesen war. „Ich nehme mir ein Taxi.“

„Das wäre unsinnig, da ich den gleichen Weg habe.“

„Tatsächlich?“ Eine Augenbraue wurde nach oben gezogen. „Wieso das?“

Ruby zögerte. Das Arrangement, das sie und Laurence getroffen hatten und das ihr immer so normal erschienen war, war nicht mehr haltbar. Sie würde es ändern müssen. Schnellstmöglich. Es war eine Sache, das Haus mit Laurence zu teilen, Laurence, der ihr wie ein Vater gewesen war. Etwas ganz anderes allerdings war es, mit Laurences Sohn unter einem Dach zu leben, wenn seine Feindseligkeit und Geringschätzung so offensichtlich durchschimmerten.

„Weil … ich dort wohne.“

Zane verzog die Lippen. Ah, die Mätresse direkt im Haus! „Wie praktisch. Mein Vater muss Ihre …“ – Liebesdienste auf Abruf – „… Gesellschaft sehr geschätzt haben.“

Sie hob das Kinn ein wenig höher und schaute ihm direkt in die Augen. „Ihr Vater war ein bemerkenswerter Mann. Zwischen uns bestand eine ganz besondere Freundschaft.“

„Da bin ich sicher“, antwortete er verächtlich. Sein Vater hatte schon immer die Angewohnheit gehabt, „besondere Freundschaften“ zu pflegen. Die Letzte hatte dem Sohn den Respekt für den Vater gekostet und die Vater-Sohn-Beziehung beendet. Zane war entschlossen, dass es ihn dieses Mal absolut nichts kosten würde.

Es war nicht weit bis zum Haus, doch mit der Klimaanlage im Auto war Fahren wesentlich angenehmer als Laufen. Zane starrte während der kurzen Fahrt aus dem Fenster, die alte Nachbarschaft war ihm noch vertraut. Und er versuchte den Duft zu ignorieren, der ihn daran erinnerte, in wessen Auto er saß.

Zumindest sagte sie nichts. Zu viel war in der kurzen Zeit auf ihn eingestürzt und die körperliche Erschöpfung zu groß, als dass er noch die Kraft für ein Wortgefecht gehabt hätte. In dem benommenen Zustand, in dem er sich im Moment befand, kristallisierten sich nur zwei Dinge klar heraus: Sein Vater war tot, und sein eigenes Leben würde sich radikal ändern.

Die Chancen, dass es besser würde, waren minimal.

Ruby lenkte den sportlichen BMW auf die Auffahrt zu dem großzügig angelegten Bungalow im Kolonialstil, der zwanzig Jahre lang Zanes Zuhause gewesen war. Als er ausstieg, fühlte er beim Anblick des Hauses kurz eine heftige Wärme, die nicht von der strahlenden Sonne herrührte.

London und die letzten neun Jahre waren ihm niemals so weit weg erschienen.

Gebaut worden war das Haus im neunzehnten Jahrhundert, als Perlen noch wertvoller gewesen waren als Gold und diejenigen, die mit ihren Booten hinaus zum Perlentauchen fuhren, die gleiche Macht besessen hatten wie Könige. Eine breite Veranda führte um das Haus herum. Üppig blühende Bougainvilleen rankten sich an den Wänden empor, luden dazu ein, das luftige, kühle Innere zu betreten.

Das leere Innere.

Bitterkeit troff aus einer Wunde, die trotz der langen Jahre kaum zu heilen begonnen hatte. Seine Mutter hatte dieses Haus mit den knarrenden Holzböden und den hohen Decken geliebt. Die großen Fenster waren dazu gedacht, auch die leiseste Brise hereinwehen zu lassen. Und seine Mutter hatte den tropischen Garten geliebt, der immer drohte, zu einem Dschungel zu werden und das Haus zu vereinnahmen, wenn man ihn nicht ständig im Auge behielt.

Das Gefühl von Verlust wurde zu einem körperlichen Schmerz, verkrampfte seinen Magen und hinterließ einen bitteren Geschmack. „Willkommen daheim“, murmelte er gepresst.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“

Er registrierte ihre Worte mehr, als dass er sie hörte. Sie zogen ihn zurück in die Vergangenheit. „Mein Großvater kaufte dieses Anwesen von einem der letzten großen Perlenmeister.“ Sein Blick lag unverwandt auf dem Haus, während er die Geschichte wiedergab, die seine Mutter ihm so oft erzählt hatte. „Laurence war damals noch ein Kind. Die Perlmuttindustrie schrumpfte immer mehr, und Großvater steckte alles, was er hatte, in die neue Zuchtperlentechnologie. Er hatte den Traum, der erste Perlenfarmer einer neuen Generation zu werden.“

„Er hat seinen Traum verwirklicht“, sagte Ruby leise. „Ihr Großvater und Ihr Vater haben ein riesiges Erbe hinterlassen. Die Bastiani Pearl Corporation ist ein Vermögen wert.“

Ihre Worte schnitten wie ein Messer durch seine Gedanken, und er richtete seinen düsteren Blick auf sie. Was war mit diesen Frauen los, dass sie nur an Geld dachten? Mit Annelies war es das Gleiche gewesen. Bei ihrem letzten unerwarteten Treffen – zwei Tage, bevor Zane zu diesem hektischen und, wie sich soeben herausgestellt hatte, nutzlosen Rennen nach Australien angetreten war – hatte sie ihn mit ihren weiblichen Waffen überrumpelt, als sie wohl endlich langsam begriffen hatte, dass die Beziehung zu Ende war. Sie hatte das Tränenventil aufgedreht und sich bitterlich beschwert, dass Zane schließlich ihre gesamte Aufmerksamkeit zuteilgeworden sei und sie für ihn unendlich viel aufgegeben habe.

Zane hatte nur gelacht. Selbst wenn, so hatte Annelies doch von der kurzen Liaison genügend profitiert, was ihr die Überbrückungszeit versüßen sollte. Lange hatte sie sowieso nicht gebraucht, bis sie den Nächsten gefunden hatte. Ihr goldenes Haar und ihre Alabasterhaut hatten ihn fasziniert, bis er ihren wahren Charakter erkannt hatte. Jetzt war er frei von ihrem vereinnahmenden Wesen. Und hatte die Nase voll von allen anderen Goldgräberinnen.

„Stimmt was nicht?“ Rubys Frage machte klar, dass ihr seine durchdringende Musterung nicht gefiel.

Er nahm seine Tasche. „Gehen wir hinein.“

Seine Augen brauchten etwas Zeit, um sich an das Licht im Innern des eleganten Bungalows zu gewöhnen. Zane sah sich um. Das Haus mochte vor über achtzig Jahren gebaut worden sein, doch seine Mutter hatte Wert darauf gelegt, bei jeder Renovierung über die Jahre dem jeweils neusten Stand gerecht zu werden und gleichzeitig den Stil des Hauses zu erhalten. Er ließ unmerklich die Luft aus den Lungen entweichen, als er wahrnahm, dass Rubys Anwesenheit keinen Einfluss auf die Handschrift seiner Mutter genommen hatte.

„Ich habe Kyoto gebeten, Ihr ehemaliges Zimmer vorzubereiten.“ Sie wandte sich ihm zu. „Falls Sie bleiben wollen. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.“

Er konnte es kaum glauben. „Kyoto ist noch hier?“ Dass er überhaupt noch lebte! Der japanische Perlentaucher arbeitete schon seit Jahren für die Familie, erst als Koch, dann als Herr des Hauses. Als Zane noch ein Junge gewesen war, war Kyoto ihm schon wie ein alter Mann vorgekommen. „Er arbeitet doch sicherlich nicht mehr, oder?“

Ruby nickte, ein schwaches Lächeln hellte ihre Züge für einen Moment auf. „Hauptsächlich beaufsichtigt er die anderen. Wir haben einen Koch und eine Reinemachefrau für die groben Arbeiten.“ Das Lächeln schwand. „Ich habe ihn heute nach Hause geschickt. Die Nachricht hat ihn am Boden zerstört.“

Sie presste die Lippen aufeinander und wandte sich hastig ab. Entweder versuchte sie, Tränen zurückzuhalten, oder aber, wenn Annelies als Maßstab dienen konnte, Ruby wollte lediglich den Eindruck bei ihm erwecken, als würde sie Tränen zurückhalten. Annelies hätte eine Doktorarbeit über den jeweils effektivsten Einsatz von Tränen schreiben können – auch wenn er bezweifelte, dass sie je eine ehrliche Träne vergossen hatte. Warum sollte Ruby nicht mit einem ähnlichen Arsenal bewaffnet sein? Wahrscheinlich gehörte so etwas zu den Jobanforderungen.

„Nun, den Weg zu Ihrem Zimmer brauche ich Ihnen sicher nicht zu zeigen. Ich lasse Sie dann allein, damit Sie sich einrichten können.“

Er könnte jetzt einfach den langen Gang zu seinem alten Zimmer gehen. Er könnte sie ignorieren und ihr damit zeigen, dass ihre kleine Inszenierung ihn völlig kaltgelassen hatte. Eigentlich müsste er einfach gehen.

Doch etwas trieb ihn, ihr zu beweisen, dass er nicht auf sie hereingefallen war. Sie sollte wissen, dass er die Frauen kannte und sich nicht von billigen Tricks blenden ließ.

Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, achtete nicht auf ihr erschrecktes Zusammenzucken und drehte sie zu sich herum. Dann hielt er ihr Kinn und hob es an, sodass sie ihn ansehen musste. Unendlich langsam hob sie den Blick aus den aquamarinblauen Augen zu ihm auf.

Ihre langen Wimpern waren feucht. Sie war gut, das musste er zugeben, wenn sie auf Abruf Tränen bereithatte. Doch dann erkannte er etwas in diesen Augen, das ihn bis ins Mark traf.

Schmerz. Unendliche Trauer. Verzweiflung, die den Verstand ausschaltete.

Dinge, die er selbst fühlte. Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel, und aus einem Reflex heraus wischte er sie sanft mit dem Daumen fort. Er hörte Ruby leise nach Luft schnappen und fühlte, wie ein Zittern sie durchlief. Etwas in ihm veränderte sich gegen seinen Willen. Das war nicht, was er erwartet hatte. Sie war nicht, was er erwartet hatte.

„Sie haben ihn wirklich gern gehabt?“ Seine ungläubige Frage verriet seine Gedanken. Hatte sie mehr in Laurence gesehen als den Mann, der für den Luxus sorgte? Musste er seine Meinung über sie ändern? In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander.

Ruby entzog sich seinem Griff und wich zurück. „Ist das so schwer zu glauben? Laurence machte es einem leicht, ihn zu mögen.“

Das Eingeständnis brachte seinen Gedankentumult schlagartig zum Stehen. Heiße Rage stieg in ihm auf, als die Fakten wieder an die richtige Stelle rückten. „Laurence machte es einem leicht“ – kein Vertuschen, keine Heuchelei. Mit einem einzigen Satz hatte sie offen das Verhältnis beschrieben. Kein Wunder, dass sie so erschüttert war. Sie hatte ihren großzügigen Gönner verloren! „Da gehe ich jede Wette ein“, meinte er verächtlich.

Sie kam näher, den Kopf leicht geneigt, so als habe sie ihn nicht richtig gehört. „Ich glaube, ich verstehe nicht ganz. Was genau meinen Sie?“

„Das ist ja wohl nicht besonders schwer. Ein reicher alter Mann mit einer ausgeprägten Vorliebe für hübsche junge Frauen, der es sich leisten kann, ihnen die Zeit, die sie mit ihm verbringen, angemessen zu vergüten.“

Wäre er nicht so übermüdet gewesen, hätte er vielleicht die Chance gehabt, sie abzuwehren. So jedoch war er nicht einmal vorbereitet.

Ihre flache Hand traf seine Wange mit der Wucht und der Schnelligkeit eines Pistolenschusses.

Entsetzt über sich selbst, wich sie einen Schritt zurück, starrte auf die Haut, die sich flammend rot färbte. Ihr Herz raste, doch langsam beruhigte sich ihr Puls wieder, und nur der Ärger blieb.

Zane rührte sich nicht von der Stelle, rieb sich nur mit zusammengekniffenen Augen Kinn und Wange. „Sie haben einen anständigen Schlag“, knurrte er.

„Das haben Sie verdient.“ Wie konnte er nur so etwas über Laurence und sie denken! „Ich werde mich auch nicht entschuldigen. Solche Beleidigungen brauche ich mir von Ihnen nicht anzuhören.“

Autor

Trish Morey
Im Alter von elf Jahren schrieb Trish ihre erste Story für einen Kinderbuch- Wettbewerb, in der sie die Geschichte eines Waisenmädchens erzählt, das auf einer Insel lebt. Dass ihr Roman nicht angenommen wurde, war ein schwerer Schlag für die junge Trish. Doch ihr Traum von einer Karriere als Schriftstellerin blieb....
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