Im Bann einer unvergesslichen Liebesnacht

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"Sie wollen auf dem Castello bleiben, oder?" "Ja. Aber wie soll das funktionieren?" Nicolos dunkler Blick durchbohrte sie. "Ganz einfach. Sie müssen mich heiraten." Als Millionär Nicolo Santo Domenico das hoch verschuldete Anwesen ihrer Familie für sich beansprucht, bebt Chiara vor Wut! Wie kann er es wagen? Aber um das Castello zu halten, lässt sie sich auf einen pikanten Deal ein: Sie wird seine Frau, natürlich nur zum Schein, und verhilft dem Unternehmer damit zu einem seriösen Ruf. Doch als Nicolo sie in ihrer Hochzeitsnacht raffiniert verführt, ist sie gegen seine heiße Leidenschaft plötzlich machtlos. Fatal, denn jetzt spürt Chiara umso mehr, lieber lebt sie ohne Geld als in einer Ehe ohne Liebe …


  • Erscheinungstag 12.02.2019
  • Bandnummer 2374
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711986
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ich überbringe ungern schlechte Nachrichten, Signorina Caruso, aber um das Vermögen Ihrer Familie steht es schlecht. Ihr Vater hat seit vielen Jahren die Unterstützung der Bank benötigt, um das Gut am Leben zu erhalten. Um genau zu sein, gehört das Anwesen inzwischen der Bank. Es sei denn, Sie könnten es auf der Stelle zurückzukaufen, wovon ich allerdings nicht ausgehe …

Chiara stand am Fenster und versuchte, die Worte zu verarbeiten. Alles erschien ihr plötzlich sinnlos. Erst vor wenigen Tagen hatte sie ihre Eltern beerdigen müssen – und nun diese furchtbare Neuigkeit.

Sie schlang die Arme um sich, als könnte sie sich so vor der Kälte der Welt schützen. Dass es so schlecht um das uralte Anwesen der Familie stand, hatte sie nicht geahnt. Und noch weniger konnte sie sich vorstellen, eine Lösung zu finden. Also hatte sie alles verloren. Nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihr Zuhause.

Das Anwesen der Carusos war eine beeindruckende Burg an der Südküste Siziliens. Seit vielen Jahrhunderten wurden hier Oliven und Zitronen angebaut. Der Verkauf dieser typisch italienischen Produkte war der Haupteinnahmezweig der Familie gewesen.

Doch in den letzten Jahren war die wirtschaftliche Lage immer schlechter geworden. Chiara hatte gewusst, dass die Landwirtschaft kaum noch Ertrag brachte, und ihrem Vater immer wieder ihre Unterstützung angeboten. Doch er hatte nicht mit sich reden lassen. Ihr Vater war sehr altmodisch gewesen. Seiner Meinung nach sollten Frauen sich nicht um geschäftliche Anliegen kümmern.

Heute bereute Chiara, nicht hartnäckiger gewesen zu sein.

Doch woher hätte sie wissen sollen, wie schlimm es wirklich stand?

Außerdem waren die letzten Jahre auch so schon schwer gewesen. Nachdem ihre Mutter an Krebs erkrankt war, hatte Chiara sich um sie gekümmert. Sie verdankte ihr Leben der Tatsache, dass ihr Vater in dieser Woche beschlossen hatte, seine Frau selbst zur Chemotherapie zu bringen.

Am Morgen des tödlichen Unfalls hatte er Chiara aufgefordert, sich nach einem Job umzusehen. „Du musst etwas tun“, hatte er mit scharfem Tonfall verlangt. „Es genügt nicht, dass du dich nur um deine Mutter kümmerst.“

Chiaras Vater hatte aus seiner Enttäuschung darüber, eine Tochter statt eines Sohnes bekommen zu haben, nie einen Hehl gemacht. Auch dass es bei der Geburt Komplikationen gegeben hatte und Chiaras Mutter danach keine Kinder mehr bekommen konnte, hatte stets als schweigender Vorwurf über der Familie gehangen.

Als Kind war Chiara kränklich gewesen, weshalb ihre Mutter sie auf der Burg selbst unterrichtet hatte. Und auch später war Chiara nicht mit den Menschen im Dorf in Kontakt gekommen. Ihr Vater hatte immer darauf geachtet, dass niemand der Familie zu nahekam.

Chiara war immer allein gewesen. So war es nicht verwunderlich, dass sie im Dorf nicht mit offenen Armen empfangen wurde, als sie sich nach Arbeit erkundigte.

Als sie unverrichteter Dinge wieder im Castello ankam, waren ihre Eltern noch immer nicht von dem Termin in der Klinik zurückgekehrt.

Chiara hatte sich an ihren Lieblingsort zurückgezogen – einen kleinen, privaten Strand, der zur Burg gehörte. Dort hing sie ihren Tagträumen nach. Ahnungslos, dass ihre Eltern in diesem Moment bei einem schweren Autounfall ums Leben kamen.

Chiara fühlte sich noch schuldiger, wenn sie daran dachte, wovon sie geträumt hatte: der Möglichkeit, das Familienanwesen zu verlassen, die Welt zu bereisen und die Liebe ihres Lebens zu finden.

Jetzt erschien ihr diese Träumerei wie ein bitterer Scherz. Sie war nun frei. Nichts hielt sie mehr hier. Doch der Preis dafür war zu hoch. Sie hatte nicht nur ihre Eltern verloren, sondern auch jede Sicherheit.

Wohin sollte sie gehen? Was sollte sie tun? Nichts hatte sie auf die Welt jenseits dieser Burgmauern vorbereitet.

Das Familienanwesen war ihr immer wie ein sicherer Hafen erschienen. Sie hatte nicht damit gerechnet, jemals in eine solche Situation zu geraten, sondern immer davon geträumt, irgendwann mit ihrer eigenen Familie hier zu leben. Mit einem liebevollen Mann und wundervollen Kindern.

Diese ganzen Zukunftspläne nun aufgeben zu müssen, war beängstigend.

In diesem Moment fühlte sie eine Berührung an der Hand und blickte nach unten. Es war Spiro, der alte Mischling, den sie vor fünfzehn Jahren als Welpen gefunden hatte.

Was sollte aus ihm werden?

Chiara strich Spiro sanft über den Kopf und merkte, wie die angespannte Traurigkeit in ihr stärker und stärker wurde.

Dann hörte sie das Geräusch eines Automotors. Spiro wandte den Kopf und bellte. Chiara blickte aus dem Fenster und sah einen eleganten silbernen Sportwagen durch die Einfahrt auf den Hof fahren.

Das musste der Geschäftsmann sein, der sich für das Anwesen interessierte. Ihr Anwalt hatte ihr von ihm erzählt. Merkwürdig, dass jemand schon wenige Tage nach einer Beerdigung über Geschäftliches verhandeln wollte.

Chiara machte sich auf den Weg zur Eingangstür. Sie würde um einen anderen Termin bitten. Heute sah sie sich einfach nicht in der Lage, über das Anwesen zu verhandeln. Andererseits war es vermutlich besser, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit ihr die Bank geben würde, um alles zu regeln.

Sie atmete tief durch und öffnete die schwere Tür aus dunkler Eiche.

Die Sonne blendete sie, sodass sie zunächst nur einen Schatten wahrnahm, der die Stufen zum Eingang emporkam. Dann trat der dazugehörige Mann zwischen die Sonnenstrahlen und Chiara.

Ihre Kehle war plötzlich wie ausgedörrt. Sie hatte gewusst, dass ein Mann vorbeikommen würde. Aber mit diesem Mann hatte sie nicht gerechnet!

Er war die Erfüllung all ihrer geheimen Träume!

Dichtes, dunkles Haar, breite Schultern und ein Gesicht, das ein Künstler der klassischen Antike nicht schöner hätte gestalten können. Hohe Wangenknochen, ein sinnlicher Mund – und faszinierende dunkelbraune Augen, deren Blick auf Chiara ruhte.

Das alles kam so unerwartet, dass ihr der Atem stockte.

„Guten Tag“, brachte sie schließlich hervor. „Kann ich Ihnen helfen?“

Der Mann zog die Brauen zusammen und blickte Chiara noch intensiver an als zuvor. Nichts in seiner Miene verriet, was in ihm vorging.

Instinktiv vergewisserte Chiara sich, dass Spiro noch an ihrer Seite war. Dabei war der Hund viel zu alt, um sie zu beschützen.

Doch Chiara fürchtete auch nicht um ihre Sicherheit. Was sie erschreckte, war vielmehr das Verlangen, das dieser fremde Mann in ihr auslöste.

Eine intensive Sehnsucht, die sie noch nie zuvor gespürt hatte.

„Ich möchte mit Chiara Caruso sprechen“, erwiderte ihr Gegenüber. Seine Stimme war tief und voll.

Offenbar hielt er sie für die Haushälterin. Woher sollte er auch wissen, dass es schon lange keine Angestellten mehr gab?

Chiara straffte die Schultern. Sie war jetzt die Besitzerin des Gutes. Und das bedeutete, dass sie eine Rolle zu erfüllen hatte. Zumindest, wenn sie wollte, dass dieser Fremde sie ernst nahm.

Sicher sah sie nicht besonders beeindruckend aus in ihrer schwarzen Trauerkleidung, ohne Make-up und mit wirren Haaren. Zudem hatte sie nicht gerade eine Modelfigur. Aber Chiara wusste, dass sie ein hübsches Gesicht hatte. Und ein großes Herz.

Ein Herz, das beim Anblick dieses attraktiven Mannes viel schneller schlug, als es sollte.

Sie hob das Kinn. „Ich bin Chiara Caruso“, erklärte sie würdevoll.

Der Mann blickte sie irritiert an. „Sie?“

Chiara merkte, wie sich alles in ihr anspannte. „Ich weiß nicht, was Sie erwartet hatten. Wenn Sie mir nun bitte auch verraten würden, mit wem ich es zu tun habe?“

Sein Blick wurde noch kühler. „Mein Name ist Nicolo Santo Domenico.“

Es wirkte, als erwartete er daraufhin eine Reaktion. So, als müsste sein Name Chiara geläufig sein.

„Und? Was kann ich für Sie tun?“

Der Mann legte den Kopf schief. „Sie wissen nicht, wer ich bin?“

Chiara runzelte die Stirn. „Sollte ich das?“

„Sie haben wirklich keine Ahnung, wer hier vor Ihnen steht?“

Die Arroganz dieses Mannes war einfach unglaublich! Chiara kreuzte die Arme vor der Brust. Ihre Angriffslust war geweckt.

„Nein“, sagte sie. „Ich habe absolut keine Ahnung, wer Sie sind. Aber wenn Sie weiterhin nichts Besseres zu tun haben, als mich auf meiner eigenen Türschwelle zu beschämen, muss ich Sie auffordern zu gehen. Wir hatten in dieser Woche eine Beerdigung. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für Gespräche.“

In die dunklen Augen des Mannes trat ein Funkeln. „Da muss ich widersprechen. Es ist der perfekte Zeitpunkt. Darf ich?“

Ohne die Antwort abzuwarten, schob Nicolo Santo Domenico sich an Chiara vorbei in die Eingangshalle.

Spiro winselte leise, und Chiara wirbelte herum. „Was erlauben Sie sich? Das ist mein Haus!“

Eigentlich gehört es der Bank …

Der Mann wandte sich zu ihr um, und plötzlich hatte Chiara das Gefühl, als würde die Intensität seiner Präsenz sie vollkommen einnehmen.

Es lag nicht nur daran, dass er groß und breitschultrig war. Seine Ausstrahlung ließ alles neben ihm klein erscheinen. Der Anzug war maßgeschneidert. Ihr Gegenüber wirkte, als gehörte ihm die Welt.

Doch was Chiara am meisten gefangen nahm, war die Aura aus Eleganz und gefährlicher Härte. Nie zuvor hatte sie so etwas bei jemandem erlebt. Und es raubte ihr den Atem.

Nicolos Blick glitt zu Spiro. Er verzog die Lippen.

„Was ist denn das?“

„Mein Hund“, erwiderte Chiara kühl und strich Spiro sanft über den Kopf. „Sie beunruhigen ihn. Ich muss Sie bitten, mein Haus zu verlassen.“

Nun sah er sie wieder an, und sie spürte ein leises Vibrieren in sich.

„Genau darüber wollte ich mit Ihnen reden“, sagte Nicolo Santo Domenico. „Das hier ist nicht mehr Ihr Haus.“

Chiara schluckte schwer. War der Mann vielleicht von der Bank?

„Wovon sprechen Sie?“, gab sie sich ahnungslos.

Der Fremde antwortete nicht sofort. Stattdessen steckte er lässig die Hände in die Hosentaschen und blickte sich in der Halle um. „Ich habe sehr lange auf diesen Moment gewartet.“

Und damit begann er, das Haus zu erkunden. Chiara eilte ihm nach.

„Entschuldigung, aber das geht nicht, Signor Domenico!“

Er wandte sich um und musterte Chiara so kühl, dass sie für einen Moment das Gefühl hatte, sie wäre selbst nur der Gast im Haus.

„Der Name lautet Santo Domenico.“

Chiara holte tief Luft. „In Ordnung, Signor Santo Domenico. Wenn Sie mir nicht sofort sagen, was Sie hier zu suchen haben, sehe ich mich gezwungen, die Polizei zu rufen.“

Inzwischen verspürte sie eine leichte Panik. Er musste von der Bank sein. Aber gab ihm das das Recht, einfach so in ihr Haus einzudringen?

„Wo ist das Personal?“

„Es gibt keines. Und außerdem geht Sie das gar nichts an.“

„Kein Personal? Wie konnte das Anwesen dann bewirtschaftet werden?“

Chiara biss sich auf die Unterlippe. „Wir haben das hinbekommen. Meine Eltern und ich.“

„Ihre Eltern und Sie?“

„Ja.“ Chiara schluckte. „Sie wurden vorgestern beerdigt. Beide. Falls Sie das noch nicht wussten.“

Sie hoffte, dass ihre Worte den Mann tatsächlich überraschen würden, doch er reagierte kaum.

„Ja, ich habe davon gehört. Ihren Verlust bedauere ich natürlich.“ Er klang nicht besonders mitfühlend und fragte als Nächstes: „Hat Ihr Anwalt Sie über die Lage aufgeklärt?“

„Ja“, sagte Chiara leise. „Woher wissen Sie, dass ich mit ihm gesprochen habe?“

„Üblicherweise werden die Angehörigen durch einen Anwalt über ihr Erbe unterrichtet.“

„Ja. Natürlich.“ Chiara verfluchte sich im Stillen und kam sich sehr dumm vor.

Ihr Gegenüber straffte die Schultern. „Ich weiß, dass Sie das Castello nicht halten können. Außer, Sie begleichen die fälligen Schulden bei der Bank.“ Er legte den Kopf schief. „Ich nehme nicht an, dass Sie die finanziellen Mittel haben?“

„Sind Sie ein Mitarbeiter der Bank?“

Er schüttelte den Kopf und lächelte. Offenbar amüsierte ihn die Vorstellung. Chiara hätte ihn am liebsten geohrfeigt. Das war ihr noch mit keinem Menschen zuvor so gegangen.

„Sagen wir so – ich verfüge über die nötigen finanziellen Mittel und habe berechtigterweise schon lange ein großes Interesse an dem Anwesen“, sagte er.

„Berechtigterweise? Wie meinen Sie das?“

Nicolo Santo Domenico sah ihr direkt in die Augen. „Diese Burg gehörte viele Jahrhunderte meiner Familie.“

Nico musterte die Frau, die wenige Schritte von ihm entfernt stand. Sie könnte nicht unauffälliger sein in ihrem Trauerkleid, den langen braunen Haaren und dem ungeschminkten Gesicht. Im ersten Moment hatte er sie für die Haushälterin gehalten, aber inzwischen erkannte er noch etwas anderes an ihr: Würde.

So verletzt sie auch zu sein schien, sie trug den Kopf hoch erhoben.

Nico spürte einen Anflug von Mitleid. Sie hatte gerade ihre Eltern verloren … Aber er verdrängte die Emotion. Nur diesem Umstand war es geschuldet, dass er das Anwesen seiner Familie endlich zurückgewinnen konnte!

Die Familie Caruso war dafür verantwortlich, dass seine eigenen Angehörigen über viele Jahre in bitterer Enttäuschung hatten leben müssen!

Nicolo Santo Domenico verdankte seinen beruflichen Erfolg seiner eigenen Kraft, Intelligenz und Beharrlichkeit, nachdem seine Familie alles verloren hatte. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um das alte Familienanwesen wieder den rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben.

Bedauerlich war nur, dass sein Vater das nicht mehr erleben konnte. Einmal war sein Vater zu der Burg zurückgekehrt – bei sich eine Urne mit der Asche seines eigenen Vaters –, mit dem Wunsch, diese Asche auf den Ländereien des Anwesens zu verstreuen. Er war fortgejagt und beschimpft worden. Nico würde niemals den Ausdruck der Erniedrigung vergessen, den dieses Erlebnis im Gesicht seines Vaters hinterlassen hatte.

Versprich mir, dass du dafür sorgen wirst, dass unser Castello in den Familienbesitz zurückkehrt … Diese Worte hatte er Nico mitgegeben.

Und hier war er nun, bereit, den Auftrag endlich in die Tat umzusetzen. Allerdings fühlte es sich nicht so gut an, wie er angenommen hatte. Und der Grund dafür war Chiara Caruso.

Sie war vollkommen anders, als er erwartet hatte. Unschuldig. Verletzlich. Und sie hatte die faszinierendsten grünen Augen, die er jemals gesehen hatte.

Nico war Frauen gewohnt, deren wahres Wesen hinter Tonnen von Make-up und Designerkleidung versteckt war. Chiara schien erfrischend anders zu sein.

Jetzt blickte sie ihn an. „Wie bitte? Die Burg ist seit Jahrhunderten im Besitz meiner Familie. Sie müssen sich irren.“

„Sind Sie sicher?“

Chiara schluckte schwer. „Das ist zumindest das, was ich darüber weiß.“

„Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass Sie keine Ahnung davon haben, was in der Vergangenheit geschehen ist? Oder sind Sie einfach auch nur so hervorragend im Lügen, wie Ihr Vater es war?“

Chiara wurde blass. „Lassen Sie meinen Vater aus dem Spiel. Wie können Sie es wagen, einfach hier aufzutauchen und solche Behauptungen aufzustellen?“ Sie deutete auf die Tür. „Gehen Sie!“

Für einen winzigen Moment dachte Nico, dass er Chiara vielleicht doch noch einige Tage Zeit geben sollte. Doch dann war diese Regung vorbei.

„Falsch. Ich denke, Sie sind es, die hier nicht mehr willkommen ist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bank dafür sorgen wird, dass Sie das Anwesen verlassen.“

Chiara starrte den Fremden fassungslos an. Er wirkte, als wäre es ihm vollkommen ernst, und schien nicht bereit, von seiner verrückten Geschichte, dass die Burg eigentlich seiner Familie gehörte, abzurücken.

„Wie kommen Sie dazu, solche Behauptungen aufzustellen?“

„Weil es wahr ist. Meine Familie hat dieses Anwesen im siebzehnten Jahrhundert bauen lassen.“

Ihr war klar, dass die Burg alt war. Aber so alt? Und sie hatte wirklich nie etwas von der Geschichte des Anwesens gehört.

Nicolo fuhr mit ruhiger Stimme fort. „Damals gehörten den Santo Domenicos die gesamten Ländereien von hier bis Syrakus.“

Wenn das stimmte, handelte es sich um riesige Besitztümer! Aber trotzdem …

„Meine Familie besitzt diese Burg, seit ich denken kann. Und schon deutlich länger. Der Name ist über dem Eingang in Stein gemeißelt.“

Nico verzog verächtlich die Mundwinkel. „Jeder kann etwas in Stein meißeln lassen. Zu jedem Zeitpunkt.“ Er atmete tief durch. „Vor dem Zweiten Weltkrieg geriet meine Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Die Carusos waren damals ihr Geschäftspartner und übernahmen die Burg als Sicherheit. Uns wurde zugesichert, sie zurückzuerhalten, sobald uns wieder Geld zur Verfügung stehen würde. Dann kam der Krieg – und nach seinem Ende hat Ihre Familie die chaotische Situation bestmöglich genutzt. Man gab vor, niemals einen Vertrag aufgesetzt zu haben. Alle Unterlagen wurden vernichtet. Wir hatten keine Chance, unser Anwesen zurückzuerhalten.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Doch nicht nur das. Im Krieg verlor meine Familie alles. Und da wir nun nicht einmal mehr die Burg hatten, verstreuten sich die Santo Domenicos in alle Welt. Die meisten wanderten nach Amerika aus, aber mein Großvater wollte Italien nicht verlassen. Er ging nach Neapel. Und in all dieser Zeit verloren wir nie die Hoffnung, dass wir den Familienbesitz eines Tages wiedererhalten würden.“

„Es fällt mir schwer, das zu glauben. Ich habe nie von Ihrer Familie gehört.“

Nico lachte bitter. „Das wiederum fällt mir schwer zu glauben. Unsere Familiengeschichte ist hier in der Gegend überall bekannt.“

Chiara merkte, wie sie errötete. Sie hatte nie mit den Menschen in der Umgebung zu tun gehabt. Aber wenn sie doch einmal jemandem begegnet war, hatte sie die Blicke der anderen immer als feindlich empfunden. Konnte die Geschichte der verfeindeten Familien der Grund sein?

„Sie haben keine Beweise“, warf sie schließlich ein.

Nicolo Santo Domenico hob eine Braue. „Habe ich nicht? Kommen Sie bitte mit.“

Er eilte hinaus, und Chiara spürte den dringenden Wunsch, einfach die Tür zuzuschlagen und ihn nie wieder ins Haus zu lassen. Doch ihr war klar, dass dieser Mann sich nicht so einfach würde abwimmeln lassen.

Also folgte sie ihm auf den Hof.

Nicolo Santo Domenico blickte sich suchend um, dann ging er mit schnellen Schritten in Richtung des kleinen Friedhofs. Chiara merkte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals festsetzte. Dort waren ihre Eltern begraben.

Doch kurz vor dem Friedhofstor bog Nicolo nach links ab, bis er an ein vollkommen überwuchertes Gatter kam.

Chiara war nie auf dem Gelände hinter dem Gatter gewesen. Die Haushälterin hatte immer gesagt, dieser Teil des Anwesens wäre verflucht …

Doch Nicolo ließ sich nicht aufhalten. Mit energischen Bewegungen riss er das Gestrüpp von dem Gatter und legte den Zugang frei. Chiara sah, wie sich seine Muskeln unter dem Stoff des maßgeschneiderten Anzugs abzeichneten, und spürte einmal mehr eine fast gefährliche Anziehung. Verrückt! Gerade dieser Mann sollte sie auf gar keinen Fall interessieren!

„Kommen Sie“, sagte er grimmig, als er das rostige Tor aufstieß.

Der alte Friedhof war vollkommen verwildert, und es fiel kaum Licht durch das dichte Blattwerk der hohen Bäume. Vorsichtig bahnte Chiara sich den Weg zu Nicolo. Er war vor einem überwucherten Stein stehen geblieben und befreite ihn von Ranken und Gestrüpp, bis eine eingemeißelte Schrift zum Vorschein kam.

„Hier.“ Er fasste Chiara am Arm und zog sie dichter an den Stein heran. „Glauben Sie mir jetzt?“

Chiara spürte Nicolos Gegenwart fast schmerzlich neben sich, und ihr wurde erneut bewusst, wie klein sie sich neben ihm fühlte. Ihr Blick glitt über den Schriftzug auf dem alten Grabstein.

Tomasso Santo Domenico

Geboren und gestorben auf dem Castello Santo Domenico

1830–1897

Chiara konnte nicht fassen, was sie sah. Castello Santo Domenico. Nicht Castello Caruso.

„Das ist der Grabstein meines Ururgroßvaters“, sagte Nicolo ruhig.

Als sie sich umsah, bemerkte sie unzählige weitere Grabsteine, allesamt verborgen unter Büschen und Blattwerk. Nicolos Ahnen schienen sie vorwurfsvoll anzustarren.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie riss sich von Nicolos Griff los, wandte sich um und flüchtete von dem alten Friedhof.

Nico fühlte eine tiefe Genugtuung. Jetzt hatte er die Bestätigung, dass seine Ahnen wirklich auf diesem Anwesen gelebt hatten. Dass es sein Recht war, Burg und Ländereien zurückzufordern. Und dass sein Vater und Großvater sich die Geschichte nicht ausgedacht hatten.

Seine Familie war eine der einflussreichsten der gesamten Region gewesen. Und er würde das Erbe nun zurückholen.

Natürlich wäre es angemessener, Chiara Caruso noch ein wenig Zeit zu geben. Schließlich hatte sie gerade erst ihre Eltern verloren. Aber ihm war noch nie nachgesagt worden, besonders mitfühlend zu sein, und er würde ganz sicher nicht jetzt damit beginnen.

Auch Nicolo wandte sich um und verließ den Friedhof. Auf dem Hof angekommen blickte er sich um. Von Chiara Caruso war nichts zu sehen. Doch er konnte den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht vergessen. Die Verletzlichkeit in den grünen Augen. Und die Wärme ihres Armes unter seiner Hand, als er sie festgehalten hatte.

Nicolo ahnte, dass sich unter dem unförmigen Trauerkleid eine Frau verbarg, die faszinierender war, als es auf den ersten Blick aussah. Es hatte sich gut angefühlt, sie zu berühren. Zu gut.

Er erschrak vor der Intensität der Emotionen, die diese kurze Berührung in ihm hinterlassen hatte. Das war so gar nicht typisch für ihn. Und er konnte sich nicht erklären, warum ausgerechnet Chiara Caruso solche Verwirrung in ihm auslöste.

Wahrscheinlich lag es daran, dass er wegen des Ortes ohnehin angespannt war.

Nico ließ den Blick über das Anwesen gleiten. Pinien säumten den Hang, der zum Meer hin abfiel. Er atmete tief durch.

Mein Land.

Es fühlte sich unglaublich an. Zu wissen, dass eine Burg einem ursprünglich einmal gehört hatte und noch immer zustand, war eine Sache. Eine völlig andere aber war es, das Anwesen zu betreten und zu wissen, dass er es zurückbekommen würde.

Nicolo spürte, dass er zu dieser Burg gehörte. Sie war mehr als ein Wohnort. Sie war das Land seiner Vorfahren, und er fühlte sich hier zu Hause. Endlich war er angekommen.

Das fühlte sich genauso seltsam an wie die unerwarteten Emotionen für Chiara Caruso. Beides hatte er nicht erwartet und sich auch nicht vorstellen können.

Nico erinnerte sich an Chiaras Reaktion auf seine Worte. Und an ihren Blick, als sie die Schrift auf dem Grabstein gelesen hatte.

Entweder war sie wirklich ahnungslos gewesen oder aber eine hervorragende Schauspielerin. Sie hatte so geschockt gewirkt, dass er einen Moment befürchtet hatte, sie würde in Ohnmacht fallen.

Er war hergekommen, um ihr ein Angebot zu machen, das sie nicht ausschlagen konnte. Er wollte ihr das Anwesen für einen angemessen hohen Betrag abkaufen – unter der Bedingung, dass sie weit fortgehen würde und als letzte Überlebende der Familie Caruso für immer aus seinem Umfeld verschwand.

Doch jetzt zögerte er.

Die Worte seines Anwalts kamen ihm in den Sinn.

Sie sind ein Außenseiter, Nicolo. Das hat Sie weit gebracht. Es entstehen aber auch viele Nachteile dadurch. Die Menschen wissen nicht, ob Sie Ihnen trauen können. Aber gerade Geschäftspartner brauchen den Eindruck, dass Ihr Gegenüber verlässlich ist. Ein geregeltes Leben führt, Frau und Familie hat. Denken Sie darüber nach.

Nicolo biss sich kurz auf die Unterlippe. Er war nie der Typ für feste Beziehungen gewesen, und in letzter Zeit langweilten ihn die Frauen, mit denen er üblicherweise zu tun hatte, nur noch.

Heiraten wäre eine Möglichkeit, um den Eindruck einer gefestigten Persönlichkeit zu vermitteln. Kein Geschäftspartner würde dann mehr befürchten, dass die eigene Frau ein Auge auf den gutaussehenden Italiener werfen könnte.

Nico war klar, dass er hier leben wollte, auf dem Land seiner Vorfahren. Nicht mehr im Trubel von Städten wie London oder New York. Dort hatte er sein Vermögen aufgebaut. Jetzt war es an der Zeit, neue Projekte zu verwirklichen. Mit Frau und Familie im Hintergrund, die dafür sorgten, dass er den Eindruck eines gesetzten Mannes vermittelte.

In wenigen Minuten hatte sich ein Plan in Nicolos Kopf verfestigt. Und plötzlich war Chiara Caruso nicht mehr die Frau, die ihn davon abhielt, glücklich zu werden. Stattdessen war sie zum Garant für seine erfolgreiche Zukunft geworden.

2. KAPITEL

Chiara trank einen Schluck Brandy und atmete tief durch. Noch nie hatte sie sich an der Hausbar bedient, aber jetzt verstand sie, warum Menschen zur Entspannung nach einem Drink griffen.

Ihre Hände zitterten noch immer. Als sie Schritte vernahm, die sich näherten, stellte sie das Glas auf dem Silbertablett ab.

Autor

Abby Green
<p>Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...
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