Julia Extra Band 567

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  • Erscheinungstag 01.04.2025
  • Bandnummer 567
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534314
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cara Colter

1. KAPITEL

Shelby Kane trat auf die Bremse, und das kleine Auto kam schlitternd zum Stehen. Für einen Moment war das springende Reh so nah an ihrer Windschutzscheibe, dass sie das Gefühl hatte, jedes einzelne Haar des Tiers sehen zu können.

Sie schloss die Augen, hielt den Atem an und machte sich bereit für den Aufprall.

Aber nichts passierte.

Als sie es wagte, die Augen wieder zu öffnen, sah sie, wie das Reh durch das hohe Gras davonhüpfte und schließlich – mit derselben anmutigen Leichtigkeit, mit der es ihrem Auto ausgewichen war – über einen Stacheldrahtzaun sprang. Einen Moment lang hielt es noch inne, drehte sich um und sah sie direkt an. Seine Augen waren sanft und tiefbraun. Ein Ohr zuckte, dann trottete das Tier an einer Herde Rinder vorbei davon.

Noch nie war Shelby einem wilden Tier so nah gewesen, und trotz der außergewöhnlichen Schönheit des Rehs hoffte sie, es nie wieder zu sein. Mit immer noch rasendem Herzen stieg Shelby aus dem Auto, lehnte sich gegen den Kotflügel und atmete tief die nach Sonne und Gras duftende Luft ein.

Ihre Umgebung erfüllte sie mit einer seltsamen Mischung aus Ehrfurcht und Beklommenheit. Glücklicherweise schienen die riesigen Rinder, die nur durch die dünnen Drähte dieses Zauns von ihr getrennt waren, sich überhaupt nicht für sie zu interessieren.

Sie befand sich in Alberta im Westen Kanadas, und nichts hätte sie auf die Unermesslichkeit der Landschaft vorbereiten können, auf die endlose Weite der Prärie und die sanften Hügel. In der Nähe ragten die Rocky Mountains strahlend vor einem endlosen blauen Himmel auf, die Gipfel schroff und schneebedeckt.

Ihr Navigationssystem hatte bereits an der Abzweigung von der Hauptstraße angekündigt, dass sie in sechzehn Kilometern die Mountain Waters Ranch erreichen würde, und sie hatte sich vorgestellt, über eine schmale, kurvenreiche Bergstraße zu fahren.

Viele flache Kilometer auf einer staubigen Schotterstraße später schien sie den Bergen nicht näher zu sein, und eine Ranch war weit und breit nicht in Sicht.

Shelby war durch und durch ein Stadtmädchen, und obwohl ihr Lebensstil es ihr ermöglicht hatte, mehr Wunder auf der Welt zu sehen, als sich die meisten Menschen erträumen konnten, hatte sie so etwas noch nie erlebt.

Endlose Weite.

Und ein fast erschreckendes Gefühl der Einsamkeit.

Wo waren die nächsten Menschen?

Sie blickte sich noch ein letztes Mal um, dann stieg sie wieder ins Auto. Noch sechs Kilometer.

Zum Glück hatte sie sich bei dem Mietwagen für das Navigationssystem entschieden und nicht für ein größeres Fahrzeug. Entscheidungen, die sie in ihrem neuen Leben treffen musste: größeres Auto oder ein Navi.

Das kleine, sparsame Auto passte vielleicht zu ihrem begrenzten Budget, aber es entsprach bestimmt nicht dem ersten Eindruck, den sie erwecken wollte. Sie warf einen Blick auf ihre Kleidung – eine klassische maßgeschneiderte Hose in dunklem Blaugrün, dazu eine passende Jacke und eine farbenfrohe Seidenbluse.

Alles Designerstücke, ebenso die Schuhe mit einem acht Zentimeter hohen Pfennigabsatz. Sie waren nicht gerade für eine Ranch geeignet – und auch nicht zum Autofahren –, steigerten aber ihre Größe auf eins dreiundsiebzig, was sich im bisherigen Geschäftsleben als hilfreich erwiesen hatte.

Ein geübtes Auge würde sehen, dass ihre Kleidung nicht mehr im Trend lag, aber wie geübt sollte schon jemand sein, der auf einer abgelegenen Ranch lebte?

Sie stellte den Rückspiegel ein und betrachtete sich eingehend. Ihr Haar war nicht mehr von Frederique auf der Fifth Avenue perfekt gefärbt und geschnitten, aber immer noch makellos. Von Natur aus honigfarben wellte es sich voll und glänzend bis zu ihren Schultern, wobei Shelby sich fragte, ob der außerordentlich teure Friseur es tatsächlich verbessert hatte.

Ihre braunen mit Gold und Grün gesprenkelten Augen blickten noch immer erschrocken von der Begegnung mit dem Reh. Aber zu ihrem Erstaunen erzielte die Wimperntusche, die zu ihrem Budget passte, genauso gute Ergebnisse wie die fünfzig-Dollar-Marke, die sie in der Vergangenheit bevorzugt hatte. Das Gleiche galt für ihr preisgünstiges Lipgloss. Zufrieden stellte Shelby den Spiegel wieder in die ursprüngliche Position und startete das Auto.

Als einziges Kind des milliardenschweren Unternehmers Boswell Kane war Shelby in luxuriösen Häusern auf der ganzen Welt aufgewachsen – Paris, Lissabon, London, George Town, Los Angeles, New York. Jedes Herrenhaus mit mehreren Pools und Medienräumen, Personalunterkünften und gepflegten Außenanlagen ausgestattet. „Gemütlich“ traf auf keins davon zu.

Ihre Mutter Jasmine war gestorben, als Shelby noch ein Kind gewesen war. Danach hatte ihr Vater versucht, den Tod der Mutter irgendwie wiedergutzumachen, indem er jeder ihrer Launen nachgegeben und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte.

Shelby hatte das Leben gelebt, von dem jeder träumte: Privatjets, Modenschauen, exklusive Designerkleidung, Spas, Partys. Sie war in den Alpen Ski gefahren und am Great Barrier Reef getaucht. Sie war auf Fotosafari in Afrika gegangen, hatte die Oscars besucht, mit Königen zu Abend gegessen und war backstage bei den bekanntesten Bands der Welt gewesen.

Aber hatte sie all diese Privilegien wirklich geschätzt? Trotz ihres Wohlstandes war da immer das Gefühl gewesen, dass etwas fehlte.

Bis sich ihre Freundin Kylie eines Tages verlobt und den perfekten Ort für die Hochzeit gesucht hatte. Da Shelby zufällig jemanden mit einer Villa in Frankreich kannte, stellte sie den Kontakt her, und es ergab sich ganz selbstverständlich, dass sie ihrer Freundin als Beraterin für die Details wie Menü, Dekoration und Unterbringung der Gäste zur Seite stand.

Während dieser Zeit hatte Shelby zum ersten Mal auf eine ganz andere Weise Spaß, ohne das unbehagliche Gefühl, dass ihrem Leben etwas fehlte.

Die Hochzeit verlief so gut, dass bald eine andere Freundin Shelby um Hilfe bei einer Veranstaltung bat.

Danach ergab sich die Gründung ihrer Agentur wie von selbst. Shelby war sich durchaus bewusst, dass ihr Unternehmen eigentlich nichts weiter als ein nettes kleines Hobby war. Doch das hielt sie nicht davon ab, weiterzumachen.

Und dann war eine böse Stiefmutter in ihr Leben getreten.

Lydia Barkley gehörte nicht zu der Art von Frauen, mit der Shelbys Vater normalerweise ausging – perfekt frisiert, kultiviert, durchtrainiert und Mitglied der gehobenen Gesellschaft.

Nein, Lydia war füllig, mit kurzen Haaren, die aussahen, als hätte sie sie selbst geschnitten. Shelby bezweifelte, dass sie Prada von Gucci unterscheiden konnte. Sie war eher unverblümt als subtil. Doch ihr Vater fand sie erfrischend.

Lydia besaß eine erfolgreiche Anwaltskanzlei, arbeitete gerne und betrachtete verhätschelte Frauen mit kaum verhüllter Verachtung. Shelby schloss daraus, dass Lydia auch ihre viel zu jung gestorbene Mutter verachtet hätte. Und obwohl man eigentlich keinen Grund brauchte, seine Stiefmutter nicht zu mögen, war Shelby froh, nun einen gefunden zu haben.

Als ihr Vater Lydia schließlich geheiratet hatte, war Shelby sechsundzwanzig und in der Lage, den Frischvermählten aus dem Weg zu gehen. Nur die obligatorischen Familientreffen ließen sich nicht vermeiden.

Ihr Vater – oder vielleicht auch Lydia – hatten beschlossen, Weihnachten in ihrem Haus in Chelsea zu feiern, was Shelby für eine schlechte Wahl hielt. Sie fand London im Winter eintönig. Ihr damaliger Freund Keith – der letzte in einer langen Ahnenreihe – hatte sich geweigert, mitzukommen, weshalb sie ihm ein Ticket auf die Cayman Inseln gekauft hatte, wo sie ihn so bald wie möglich auf dem Anwesen ihrer Familie treffen wollte.

Als Shelby allein vor der Doppeltür des Wohnzimmers stand und noch einmal tief Luft holte, hörte sie ihren eigenen Namen aus Lydias Mund.

Die nächsten Worte veränderten Shelbys gesamte Existenz und festigten ihre Abneigung gegen ihre Stiefmutter: „Boswell, ich mache mir Sorgen um Shelby.“

Natürlich tust du das, dachte Shelby ironisch. Sie wartete darauf, dass ihr Vater protestierte. Welches Recht hatte diese Frau, über sie und ihre Familie zu reden? Aber nein, alles, was sie hörte, war das sanfte „Wirklich?“ ihres Vaters.

„Keith nutzt sie offensichtlich aus.“

Bestimmt würde ihr Vater sich nicht auf diesen hinterhältigen Klatsch einlassen. Doch er seufzte bloß. „Offensichtlich.“

Offensichtlich? Das tat weh! Vor allem, weil Shelby sich manchmal fragte, ob sie nicht Keith ausnutzte.

Er passte zu ihr, erfüllte ihr Bedürfnis nach Gesellschaft, ohne ihr jemals das Gefühl zu geben, ihm verpflichtet zu sein.

Verpflichtungen konnten zu anderen Dingen führen.

Wie Kindern.

Shelby mochte Kinder. Sie mochte sie sogar sehr, war sich aber sicher, dass sie eine schreckliche Mutter abgeben würde.

Wann aber hatte Keith das letzte Mal für irgendetwas bezahlt? Oder wenigstens angeboten, zu zahlen?

„Bosley …“

Wie sehr Shelby Lydias schrecklichen kleinen Kosenamen für ihren Vater hasste. Sein Name war Boswell.

„Ich mag die Menschen nicht, mit denen sie sich umgibt. Sie sind entweder oberflächlich oder nutzen sie aus.“

Was offensichtlich Unsinn war. Meine Freunde würden Lydia auch nicht mögen. Allein schon wegen der Frisur. Die möglicherweise ein Beweis für Lydias Standpunkt war.

„Ich sehe das genauso wie du“, sagte ihr Vater in diesem Augenblick.

Wie bitte?

„Aber Bosley, Liebes, das ist wirklich deine Schuld. Du hast die arme Shelby zu sehr verwöhnt.“

Arme Shelby? Zu sehr verwöhnt?

„Ich habe versucht, auszugleichen, dass sie keine Mutter hatte.“

„Natürlich hast du das, Liebling. Aber sie hatte durchaus eine Mutter, und ehrlich gesagt, befürchte ich, dass sie genauso enden wird, wenn du nichts änderst.“

Bei der Erwähnung ihrer Mutter überlief Shelby ein vertrauter Schauer der Angst. Doch sie schüttelte ihn ab und konzentrierte sich auf ihre Empörung.

Hier war die Chance ihres Vaters, sie und ihre Mutter zu verteidigen. Es war schließlich wohl kaum die Schuld ihrer Mutter, dass sie gestorben war.

Oder doch? flüsterte eine Stimme in Shelbys Kopf. Es gab immer noch so viele unbeantwortete Fragen, und ihr Vater hatte sie vor den unvermeidlichen Gerüchten beschützt, die den Tod einer so schönen, jungen und berühmten Frau begleiteten. Wofür Shelby ihm dankbar war.

Sie schüttelte den Kopf. Sie hätte jederzeit online nach Informationen und Details suchen können, doch schon beim Gedanken daran wurde ihr schlecht. Als würde sie ihrer Mutter hinterherspionieren.

„Ich habe mir einige Gedanken gemacht“, fuhr Lydia fort, wobei sie ihre Gedanken sehr detailliert darlegte.

Später, als ihr Vater nach einem unangenehmen Weihnachtsessen vorschlug, in die stickige Bibliothek des Hauses zu gehen, war Shelby hundertprozentig auf das Gespräch vorbereitet.

Sie würde weder ein Taschengeld erhalten noch Zugang zum Familienjet, zu einem der Anwesen auf der ganzen Welt oder zu dem liebenswürdigen Personal, das für sie kochte, putzte und sich um sie kümmerte. Nicht einmal ein Chauffeur würde ihr mehr zur Verfügung stehen.

Aber den Spaß würde sie ihnen verderben!

Bevor Lydia den Plan verkünden konnte, machte Shelby ihre eigene Ankündigung. „Ich habe ein kleines Unternehmen gegründet“, erklärte sie wie beiläufig. „Es läuft ganz gut.“

Was vielleicht etwas übertrieben war, aber der skeptische Ausdruck auf Lydias Gesicht spornte sie an. „Und ich habe entschieden, dass ich es allein schaffen möchte. Ohne dein Geld, Dad.“

Ihr Vater wirkte verblüfft, Lydia verärgert. Und allein die Mienen der beiden waren es wert! Sie gaben ihr genau den Anreiz, den sie brauchte, um ihnen zu zeigen, dass sie es schaffen würde.

Was sie nun seit achtzehn Monaten tat.

Ärgerlicherweise hatten ihr Vater, Lydia und ihre eigenen nagenden Zweifel in Bezug auf Keith vollkommen recht behalten. Die Gründung ihres eigenen Unternehmens hatte eine überraschend pragmatische Seite in ihr zum Vorschein gebracht. Und ihr wurde zunehmend klar, dass Keith zwar charmant, aber einfach nur faul war. Er kannte weder Ziele noch Ehrgeiz, und selbst als Shelbys Geld versiegte, bot er nicht an, etwas selbst zu zahlen, sondern schmollte nur. Sie war sich nicht sicher, warum sie sich jemals mit so etwas zufriedengegeben hatte.

Was hatte sie sich dabei gedacht?

Dankbar stürzte sie sich in ihre neue und schockierende Realität, in der selbst der ganz normale Alltag eine Herausforderung war. Sie hatte noch nie ein Ei gebraten, am Steuer eines Autos gesessen oder eine Rechnung bezahlt. Sie war immer von Luxus umgeben gewesen und lebte nun in einem Zimmer, das etwa so groß war wie früher ihre Kleiderschänke.

Doch sie entdeckte auch eine ganz neue Wahrheit über sich selbst. Shelby Kane war eine Kämpferin! Es gefiel ihr, die Herausforderungen zu meistern, denen sie jeden Tag gegenüberstand.

Zusätzlicher Ansporn war ihre Entschlossenheit. Sie würde ihrem Vater und Lydia schon zeigen, dass sie niemand war, den man bemitleiden musste!

2. KAPITEL

Auch wenn sie ihre Talente nur aus völliger Verzweiflung entdeckt hatte, stellte Shelby fest, dass sie ein gutes Gespür fürs Geschäft besaß.

Ihre Beziehungen hatten ihr geholfen, zu überleben und zu wachsen. Ihre Agentur entwickelte sich unter den Reichen und Berühmten zum Anlaufpunkt für Geburtstagsfeiern, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Jubiläen oder Familientreffen.

Sie hatte schnell herausgefunden, dass es ihre Spezialität war, für jeden Anlass den perfekten Veranstaltungsort zu sichern – ein Talent, das nicht jeder besaß. Sie kannte Besitzer der spektakulärsten Immobilien der Welt und konnte sie mit ihrem Namen davon überzeugen, diese für den richtigen Zweck und zum richtigen Preis für einen Abend zu teilen.

Auch ihr Vater erlaubte ihr, die Anwesen der Familie zu nutzen, doch ärgerlicherweise schien er ihre geschäftlichen Aktivitäten einfach nur zu belächeln. Shelby hatte das Gefühl, er wartete nur darauf, dass sie entweder spektakulär scheiterte oder das Interesse verlor.

Aber das tat sie nicht. Wenn überhaupt, gefiel ihr dieses Leben von Tag zu Tag mehr.

Sie sorgte dafür, Angela Fillmores achten Geburtstag in einem Schloss mit einhundertfünfzig Zimmern in den Blue Ridge Mountains zu feiern und Kate und Landon Whitleys goldene Hochzeit mit vierhundert Gästen auf einer Privatinsel in der Karibik.

Die Wellingtons hießen vier Generationen der Familie an Bord einer Superjacht vor der Küste Griechenlands willkommen, und die New Yorker Damen-Hilfsliga hielt ihren Wohltätigkeitsball – ihre erfolgreichste Veranstaltung aller Zeiten – auf einem luxuriösen Anwesen in Marthas Vineyard ab.

Manchmal verdiente sie mit einer Veranstaltung nicht so viel wie erhofft. In einem katastrophalen Fall verlor sie am Ende sogar Geld. Dazu kam der Stress, weshalb sie nachts oft wach lag und Hunderte von Details durchging, die für die Organisation einer erfolgreichen Veranstaltung erforderlich waren.

Doch sie hatte Erfolg. Inzwischen hatte sie einen Assistenten einstellen können, Marcus. Und am Ende des Tages verspürte sie ein Gefühl der Zufriedenheit über ihre Leistung. Ihre Stärke, ihre Kreativität, ihr Selbstvertrauen und sogar ihre Führungsqualitäten wuchsen durch die Tatsache, dass sie mit ihrer Arbeit für die Hoffnungen und das Glück der Menschen verantwortlich war.

Bis Lydia erneut ins Spiel kam, die wollte, dass Shelby die Party zum fünfundsechzigsten Geburtstag ihres Vaters plante. Shelby konnte nicht sagen, ob es sich dabei um eine Prüfung oder beginnendes Vertrauen handelte.

Aber sie wusste, dass sie die Herausforderung nicht nur annehmen, sondern die Feier auch zu ihrer spektakulärsten Veranstaltung aller Zeiten machen musste. Sie musste selbst sehen, wie weit sie gekommen war, musste beweisen, dass dies nicht nur ein nettes kleines Spiel war, an dem sie bald das Interesse verlieren und um Hilfe betteln würde.

Shelby lehnte Lydias Geld ab, erklärte ihr, ihrem Vater die Party schenken zu wollen, und wusste genau, wo diese stattfinden sollte.

An diesem einen Ort, von dem sie in einer Zeitschrift über Viehzucht in irgendeinem Wartezimmer gelesen hatte. Das Titelbild hatte Shelby den Atem verschlagen und ihr Herz vor Sehnsucht aufseufzen lassen.

In dem Artikel ging es um die Geschichte der Viehzucht in Süd-Alberta. Das Foto, das ihre Seele einfing, zeigte eine riesige Fachwerkscheune am Rande einer bewaldeten Schlucht, hinter der die Berge lagen.

Der Beschreibung zufolge stand das hundertfünfzig Jahre alte Gebäude auf der Mountain Waters Ranch. Seit über fünfzig Jahren diente es nicht mehr als Scheune, sondern ausschließlich als Veranstaltungsort für Feiern der umliegenden Farmen.

Sie hatte das Foto angeschaut, als wäre es ein kühler Drink und sie wäre am Verdursten. Eine riesige weit geöffnete Doppeltür führte in die Scheune, die keineswegs dunkel war. Licht strahlte durch die gegenüberliegenden Doppeltüren, die den Rahmen für eine gemäldeartige Aussicht auf Täler und Berge bildeten.

Das Innere der Scheune mit offenen Balken und Sparren wirkte gleichzeitig majestätisch und gemütlich. Wunderschöne, riesige Kronleuchter hingen in der Mitte der vier Querbalken. Die alte Holzlattendecke und die Wände hatten im Laufe der Zeit die Farbe von Ahornsirup angenommen.

Obwohl auf dem Foto keine Menschen zu sehen waren, konnte Shelby erkennen, dass der Raum für eine Hochzeit hergerichtet worden war. Mindestens zweihundert passende Stühle, weiß mit hellblauen Schleifen auf der Rückenlehne, standen vor diesem atemberaubenden Panorama.

Nach ihrer Erfahrung mit Keith hatte sie ihre eigene Schwäche erkannt und der Romantik völlig abgeschworen. Was wäre gewesen, wenn sie ihn tatsächlich geheiratet hätte? Der Gedanke ließ sie erschaudern!

Und doch, als sie das Foto sah, kam es ihr vor, als würde sich jede Lektion, die sie gelernt hatte, in Luft auflösen. Ihr war, als würde ein unterdrückter Teil von ihr an die Oberfläche drängen. Shelby – die nicht einmal einen Freund hatte und auch nie wieder einen haben wollte – durchfuhr der völlig lächerliche Gedanke Das ist der Ort, an dem ich heiraten werde.

Aber warum sollte sie heiraten? Ihre Arbeit nahm all ihre Zeit und Energie in Anspruch und erfüllte sie auf eine Weise, die sie nicht im Geringsten erwartet hatte. Sie war frei von der Bedürftigkeit anderer Frauen, die eine Beziehung – und eine Ehe – anstrebten, als wäre das eine Art heiliger Gral, der ihnen jede Art von Befriedigung geben würde, nach der sie im Leben gesucht hatten.

Obwohl sie wusste, dass es nicht rational war, hatte sie das Bild heimlich aus der Zeitschrift herausgerissen und vorsichtig in ihre Handtasche gesteckt.

Nun wollte sie ihren Vater mit diesem Ort für die spektakulärste Geburtstagsfeier aller Zeiten beeindrucken.

Das erwies sich jedoch als großes Problem, denn der zurückgezogen lebende, verwitwete Milliardär Samuel Waters, dem die Ranch gehörte, erwies sich als ausgesprochen schwer zu erreichen.

Trotz ihrer Quellen konnte Shelby keine Telefonnummer finden. Und von ihren drei Dutzend Mails hatte Mr. Waters nur eine beantwortet. Mit einem einzigen Wort.

Nein.

Ohne ihn persönlich kennengelernt zu haben, war Shelby sich ziemlich sicher, dass sie Samuel Waters fast genauso wenig leiden konnte wie ihre böse Stiefmutter.

Doch sie betrachtete sein Nein nicht als endgültige Antwort. Sie war sich sicher, dass sie ihn überzeugen konnte, und dazu würde sie den Löwen in seiner eigenen Höhle besuchen.

Oder besser gesagt auf seiner eigenen Ranch.

Schließlich begann die Straße allmählich anzusteigen und schlängelte sich durch frische grüne Baumgruppen. Hin und wieder erblickte Shelby einen Bach entlang der Straße.

Als sie ihr Fenster öffnete, hörte sie das Plätschern des Wassers und Vogelgezwitscher. Die Luft besaß eine Reinheit und Frische, von der sie nicht sicher war, ob sie so etwas schon jemals erlebt hatte.

Auf dem Gipfel des Hügels hielt sie an. Zum zweiten Mal stieg Shelby aus dem Auto und genoss die unglaubliche Aussicht auf das Tal. Unter ihr schlängelte sich die Straße hinunter bis zu einer Ranch. An den Querbalken eines hölzernen Torbogens hing ein schmiedeeisernes Schild, das einen einzelnen Cowboy zeigte, der in die Ferne blickte, und die Aufschrift Mountain Waters Ranch trug.

Es gab eine Scheune und einige Nebengebäude, Ställe, eine sandige Koppel, eine Landebahn und einen Flugzeughangar – was gut war, denn Shelby war sich nicht sicher, ob sie die Gäste bitten konnte, für eine Party so weit zu fahren.

In der Ferne, wo die Felder in ein Tal übergingen, lag die Scheune am Rande einer Schlucht, die jahrtausendelang vom Wasser durchflossen wurde. Die Fotos waren der Schönheit nicht gerecht geworden.

Das verwitterte Gebäude aus wettergrauen Baumstämmen war atemberaubend. Aber mindestens genauso spektakulär wie die Scheune wirkte das Wohnhaus der Ranch, ein weitläufiges Blockhaus, das auf dem Foto nicht zu sehen gewesen war. Riesige Bäume beschatteten die umlaufende Veranda, aus einem steinernen Schornstein quoll Rauch in die frische Bergluft.

Bei dem Anblick verspürte Shelby eine seltsame Sehnsucht. Sie seufzte tief.

Diese Ansammlung von Gebäuden in diesem weiten Tal zeugte von Tradition, Geschichte und Familie. Ein Ort isoliert von der Welt, an dem die Menschen seit Generationen Sicherheit und Zuflucht gefunden hatten. Ein Zuhause.

Es war nicht nur perfekt für den fünfundsechzigsten Geburtstag ihres Vaters, es war der einzige Ort, der dafür infrage kam.

Und sie wäre diejenige, die ihm diesen ganz besonderen Tag bescherte. Sie wollte ihm zeigen, dass sie ihn liebte, auch wenn er unter den Einfluss ihrer bösen Stiefmutter geraten war. Und dass sie es irgendwie wert war …

Sie stieg wieder in das kleine Auto und fuhr den Hügel hinunter. Die Straße teilte sich und Shelby bog nach links zum Haus ab und erreichte einen gepflegten Hof. Wieder verspürte sie diese Sehnsucht in ihrem Inneren, fast wie ein Erkennen.

In einem der Bäume baumelte eine Schaukel von einem Ast. Es gab einen gepflegten leuchtend grünen Rasen. Ein Beet aus roten Tulpen bildete einen Halbkreis um die Veranda, die Blätter bewegten sich im Wind. Breite Steinstufen führten hinauf zu einer Veranda mit zwei Schaukelstühlen, die einen Blick über den weitläufigen Hof und auf die endlosen Berge boten.

Der schrille, aufgeregte Schrei eines Kindes lenkte ihre Aufmerksamkeit vom Haus ab. Sie wandte sich um, beschattete ihre Augen. Und dann sah sie ihn.

Der Mann war das Bild eines Cowboys. In Cowboystiefeln und mit Hut stützte er sich mit den Ellbogen auf einen Holzzaun, der eine Koppel umgab. Er trug ein dunkles Jeanshemd und verblasste Jeans. Die breiten Schultern und schmalen Hüften verrieten sowohl Kraft als auch Sportlichkeit.

Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu, wobei die Krempe des weißen Cowboyhutes sein Gesicht im Schatten hielt. Obwohl sie seine Gesichtszüge nicht sehen konnte, spürte sie, wie sich etwas in ihr regte.

Sie mahnte sich zur Ruhe, doch obwohl sie erwartete, dass er auf sie zukommen würde – wie viele Fremde tauchten hier schließlich auf –, wandte er seine Aufmerksamkeit von ihr ab, als würde sie ihn nicht interessieren.

Shelby fühlte sich zurückgewiesen, genauso wie damals, als sie seine knappe Antwort auf ihre E-Mails erhalten hatte. Ein ganz neues Gefühl, zumal sie trotz der unhöflichen Mail wenigstens eine gewisse Freundlichkeit erwartet hatte.

Was sollte sie jetzt tun? An die Haustür klopfen?

Doch dann entdeckte sie den Grund des Lärms, der ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.

Oh, um Himmels willen. Natürlich war der Cowboy nicht zu ihr gekommen! Er beaufsichtigte ein Kind. Ein bezauberndes Mädchen. Es schien etwa fünf Jahre alt zu sein und saß auf einem pummeligen Pony.

Shelby machte sich auf den Weg zur Koppel, doch der Absatz von einem ihrer Schuhe versank tief im weichen Frühlingsboden. Sie zog beide Schuhe aus und ging barfuß weiter.

In dem Moment entdeckte das kleine Mädchen Shelby. Ihr Gesichtsausdruck war alles andere als neugierig. Das Kind sah eher verärgert aus!

Als Shelby sich der Koppel näherte, wendete das kleine Mädchen das Pony und kam direkt auf sie zu. Widerwillig begann das Pferd zu traben und verfiel dann in einen schwerfälligen Galopp, während es das Mädchen mit den Beinen antrieb.

In einer Staubwolke erreichte die Kleine Shelby. Dunkle, wilde Locken kamen unter einem rosa Cowboyhut hervor. Über einem Pawsy-Poo-T-Shirt trug sie eine Weste mit Lederfransen, dazu schwarze Strumpfhosen und einen Lederrock, der zu der Weste passte. Das Ensemble endete in rosa Cowboystiefeln.

Sie hatte wunderschöne zarte Gesichtszüge und Augen, die Shelby an das Reh erinnerten, dem sie auf dem Weg begegnet war. Doch jetzt wurde die Schönheit durch ihren finsteren Blick getrübt.

Am Rande nahm Shelby wahr, dass jetzt auch der Cowboy auf sie zukam.

„Hallo …“ Sie bekam keine Gelegenheit, ihre Begrüßung zu beenden.

Das Kind zog eine Spielzeugfigur aus einer Halterung an ihrer Taille und richtete sie direkt auf Shelby. „Peng.“

Wenn Shelby sich nicht täuschte, war sie gerade mit einer Barbiepuppe erschossen worden.

Ihr blieb keine Wahl. Sie ließ ihre Schuhe fallen, taumelte rückwärts und fasste sich an die Brust. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich so dramatisch wie möglich zu Boden fallen.

„Man hat auf mich geschossen“, flüsterte sie und hoffte, dass das Gras ihre Kleidung nicht ruinierte.

Als sie ein widerstrebendes Kichern hörte, machte Shelby sich keine Sorgen mehr um ihr Outfit oder darum, erwachsen zu wirken. Reife war schließlich nicht alles, worauf es ankam.

3. KAPITEL

Shelby lag still da, bis sie spürte, wie ein Schatten über sie fiel. Sie öffnete die Augen. Und es kam ihr so vor, als wäre sie tatsächlich erschossen worden.

Der Mann, der unter der breiten Krempe seines Cowboyhuts auf sie herabblickte, war absolut hinreißend. Er strahlte eine Art Kraft und Selbstvertrauen aus, die Shelby eine Warnung zuflüsterte. Er war mehr als ein einfacher Cowboy.

Seine Augen, identisch mit denen des Kindes, waren eine Nuance dunkler als Schokolade und von Wimpern gesäumt, die man für ein Werbeplakat verwenden könnte.

Seine Haare wurden in der Stirn durch den Cowboyhut zurückgehalten, doch die dunklen Locken reichten ihm bis über die Ohren. Eindeutig zu lang und doch waren die hohen Wangenknochen, die gerade, kräftige Nase, die vollen Lippen und das Grübchen im Kinn unbestreitbar sexy.

Er blickte sie einen Moment lang an, dann wurden seine Augen schmal, als würde er darüber nachdenken, was er tun sollte. Offensichtlich war er nicht erfreut über ihre Reaktion.

Als er ihr nach einem Moment die Hand entgegenstreckte, strahlte er deutlichen Widerwillen aus. Ein Gefühl erfasste sie, wie eine Vorahnung.

Wenn sie seine Hand nahm, würde sich ihr Leben für immer verändern. Auf eine Weise, die sie nicht kontrollieren konnte. Dabei war ihr Kontrolle sehr wichtig.

Das Gefühl der Hilflosigkeit wurde intensiver, als sich seine Hand mit atemberaubender männlicher Kraft um ihre schloss.

Noch nie hatte Shelby eine Berührung erlebt, die so echt und rau war. Und als er sie einfach auf die Füße zog, löste seine Kraft ein Prickeln in ihrem Körper aus.

Sie sah ein Aufblitzen in seinen Augen und war sich einen Moment lang sicher, dass er es auch spürte. Doch dann ließ er abrupt ihre Hand los und runzelte die Stirn. Leider war auch sein strenger Blick außerordentlich sexy, vor allem im Kontrast zu den ungezähmten Locken.

„Hannah“, sagte er streng und blickte von ihr zu dem kleinen Mädchen, das immer noch auf dem Pony saß, „es ist unhöflich, auf Gäste zu schießen.“

„Man kann niemanden mit einer Puppe erschießen“, erklärte Hannah ernsthaft. Sie wedelte mit der Puppe und steckte sie wieder in ihren Hosenbund.

Shelby bemerkte etwas im Gesicht des Mannes. Eine Verletzlichkeit. Für einen Mann, der aussah, als gehörte ihm die ganze Welt, schien er überfordert zu sein.

„Außerdem mag ich sie nicht“, verkündete Hannah.

„Du bist sehr unhöflich“, tadelte der Mann.

Kleine Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund.

Der Mann reichte Shelby die Hand. Zum zweiten Mal. „Sam Waters.“

Das war Sam Waters? Es bestätigte ihre anfängliche Ahnung, dass er mehr als ein Cowboy war. „Shelby Kane.“ Sie nahm seine Hand. Diesmal hätte sie bereit sein sollen. Aber das war sie nicht. Sein Griff war umwerfend stark, warm und sexy.

„Das ist meine Tochter, Hannah.“

Das Mädchen starrte sie finster an.

„Du begrüßt Miss Kane“, forderte Sam streng, „und entschuldigst dich dafür, dass du mit deiner Puppe auf sie geschossen und ihr gesagt hast, dass du sie nicht magst. Du kennst sie nicht einmal.“

„Hallo, Miss Kane. Tut mir leid, dass ich dich nicht mag.“

Shelby musste lachen, was ihr einen finsteren Blick des sexy Daddys einbrachte.

„Ich habe Sie nicht erwartet. Die Agentur sagte mir, sie würden mir niemanden mehr schicken.“ Er nahm seinen Hut ab und fuhr mit der Hand durch seine glänzenden Locken.

Agentur?

„Ich brauche kein Kindermädchen!“

Sam betrachtete seine Tochter einen Moment lang, dann setzte er den Hut wieder auf den Kopf.

„Natürlich nicht“, stimmte Shelby zu, was ihr einen Blick widerwilligen Interesses von dem Kind und einen Ausdruck ernsthafter Verärgerung von dem Mann einbrachte.

„Sie sind ein Mädchen aus der Stadt, nicht wahr?“, fragte Sam. Seine Stimme hatte einen rauen Ton, der sich anfühlte, als würde sie über ihre Haut reiben. Und das nicht auf unangenehme Weise.

„Ich sehe mich lieber als Frau“, erwiderte Shelby.

Sam Waters blickte sie schief an. „Frau“, wiederholte er mit ausdrucksloser Stimme. „Okay.“

„Ich komme aus New York.“

„Darum heißt es wohl Internationaler Kindermädchenservice. Allerdings wundert es mich, dass der Begriff Kindermädchen immer noch eine politisch akzeptable Bezeichnung ist.“

Seine sarkastische Bemerkung war eindeutig ein Seitenhieb darauf, dass sie ihn korrigiert hatte, und aus irgendeinem Grund fühlte es sich tatsächlich so an, als wäre sie als Kindermädchen hergekommen und nicht, um seine Ranch für eine Party anzumieten. Sie erlaubte sich, einen Blick auf die Fachwerkscheune zu werfen.

Sie wäre absolut perfekt.

„Städter können wir hier nicht gebrauchen. Am besten ...“, er warf einen Blick auf ihren Wagen, „… nehmen Sie Ihr Spielzeugauto und fahren dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind.“

„Es sieht aus wie ein Auto, das ein Clown im Zirkus fährt“, mischte sich Hannah ein.

„Darum will die Agentur also keine Leute mehr schicken“, vergaß Shelby jede Diplomatie.

Er sah sie aufmerksam an. Ihr fiel auf, dass er kein Mann war, der Widerspruch gewohnt war.

Sie musste ihm die Wahrheit sagen, und zwar sofort. Andererseits wirkte Sam Waters auch nicht wie ein Mann, der seine Ranch für eine Party hergab. Vielleicht, wenn er sie besser kennen würde?

Aber ging es hier überhaupt noch um die Party? Wie gern wollte sie einen Blick in dieses Haus werfen, einen Fuß an einen Ort setzen, an dem seit über hundert Jahren Menschen lebten, in Schaukelstühlen auf der Veranda saßen, sich vielleicht an den Händen hielten …

Sam seufzte. „Kann ich davon ausgehen, dass Sie nicht reiten?“

„Ehrlich gesagt, mag ich keine Pferde.“

Das Vater-Tochter-Duo sah sie entsetzt an.

„Spielzeugpferde natürlich ausgenommen.“

Sie sah, wie ein widerstrebendes Lächeln um Sams Lippen zuckte.

„Ich brauche kein Kindermädchen“, erklärte Hannah noch einmal. „Buckie reicht mir! Ich liebe ihn. Er kümmert sich um mich.“

„Das Pony?“, fragte Shelby.

„Nein, das ist Rascal“, erklärte Sam. „Buckie ist unser Koch. Zur Not übernimmt er die Kinderbetreuung, aber das ist nicht ideal. Sie braucht eine Frau.“

„Tue ich nicht!“ Jetzt weinte Hannah. „Du kannst nicht meine Mama sein. Meine Mama ist gestorben.“

Für einen Moment verschwand die wütende Maske, und Shelby spürte den grenzenlosen Schmerz des kleinen Mädchens.

„Meine Mama ist auch gestorben“, sagte sie leise.

Die Verbindung zwischen ihnen war kurz und intensiv. In ihren achtundzwanzig Jahren auf der Welt hatte sie noch nie so etwas gespürt, und plötzlich wusste sie, dass Hannah sie brauchte.

Sie konnte sich an ihre eigene Verzweiflung und Not erinnern, als sie in dem Alter des Mädchens gewesen war. Sofort folgte das vertraute Gefühl der Leere, das sie seit ihrer frühen Kindheit immer begleitet hatte. Sie schüttelte es ab und sah zu, wie Hannah das dicke Pony herumwirbelte und in einer Staubwolke davongaloppierte.

Shelby warf Sam einen Blick zu, und einen Moment lang sah sie ihn, einen Mann, der offensichtlich ein Imperium leitete. Als alleinerziehender Vater aber überfordert wirkte.

Als sie nach seinen Kontaktinformationen gesucht hatte, hatte sie herausgefunden, dass sein Unternehmen locker mit dem ihres Vaters mithalten konnte.

Aber all seine Milliarden und seine Macht hatten seine Tochter nicht vor dem Schmerz bewahren können.

Vielleicht könnte Shelby einmal in ihrem Leben die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen stellen. Die Frau, die sie vor achtzehn Monaten gewesen war, hätte die Situation ausgenutzt und eine Weile mitgespielt.

Nun aber konnte sie es nicht. Vielleicht war da etwas an ihm, das alles andere als hundertprozentige Aufrichtigkeit inakzeptabel erscheinen ließ. Sie holte tief Luft. „Ich bin nicht …“

Ein Geräusch unterbrach sie mitten im Satz. Ein Mann donnerte auf einem Pferd direkt auf sie zu. Shelby dachte daran, über den nächsten Zaun zu springen, aber seltsamerweise fühlte sie sich von Sam beschützt, der ruhig und stark stehen blieb.

Als es so aussah, als würde das Pferd direkt mit ihnen zusammenstoßen, kam es abrupt vor ihnen zum Stehen.

„Boss“, rief der Cowboy auf dem Pferd. „Am Round-Pen ist ein Unfall passiert. Es ist Jim …“

Sams Ruhe war verschwunden. Sofort rannte er los, drehte sich dann aber noch einmal um. „Kommen Sie hier klar?“

Shelby nickte. Natürlich. Welche andere Möglichkeit hatte sie?

Sam rief Hannah aus dem Krankenhaus an, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging, und Gute Nacht zu sagen.

Er erwartete, dass seine Tochter über das frischgebackene Kindermädchen außer sich sein würde, doch ihre erste Frage galt Jimmy.

„Geht es ihm gut?“, fragte sie mit rührender Besorgnis.

„Ja, er hat sich den Arm gebrochen.“

„Hat er einen Gips?“ Sie fragte, nicht, wann er wieder zu Hause sein würde. Sagte nicht, dass sie das neue Kindermädchen hasste.

„Ja, tut er. Wie geht es Miss Kane?“

„Sie sagt, ich kann sie Shelby nennen. Ich mag sie.“

„Wirklich?“

„Ja. Sie ist nett. Sie ist nicht wirklich ein Kindermädchen. Sie wird einfach meine Freundin sein.“

4. KAPITEL

Clever, dachte Sam, wie Shelby Kane die Abneigung seiner Tochter gegenüber Kindermädchen erkannt und sie umgangen hat.

Auch wenn er sein Unbehagen nicht unterdrücken konnte, hoffte er, dass es dieses Mal vielleicht funktionieren würde.

Miss Kane hatte bei ihrer kurzen Bekanntschaft etwas in ihm ausgelöst.

Ein Gefühl, das ihm ganz und gar nicht gefiel. Schon bevor er ihre Hand genommen hatte, war ihm bewusst gewesen, dass sie eine Frau war. Eine attraktive Frau noch dazu, was er wie einen Schlag ins Gesicht empfunden hatte.

Für einen Mann, der viel zu viel verloren hatte, um noch einmal zu lieben, erkannte Sam sein Erschauern als das, was es war: eine Warnung.

Gefahr. Zieh dich zurück.

Und nur ein Narr würde diese Warnung ignorieren.

Es war dunkel, als er den Hubschrauber wieder auf der Ranch landete und Jimmy zu seinem Quartier begleitete.

„Lass es ein paar Tage ruhig angehen“, ermahnte er ihn.

Dann ging er durch die Dunkelheit zurück zum Haus. Als er jemanden in einem der Schaukelstühle auf der Veranda sitzen sah, blieb er stehen. In eine Decke gehüllt, um sich vor der Kälte des Frühlingsabends in den Bergen zu schützen, erkannte er das neue Kindermädchen.

Sollte er sie Shelby nennen? Oder Miss Kane? Er ärgerte sich über seine Unsicherheit, traf sonst Entscheidungen, bei denen Millionen von Dollar auf dem Spiel standen, ohne darüber nachzudenken.

Doch seine Befangenheit ihr gegenüber ging tiefer als die passende Anrede. Zögernd beobachtete er sie eine Weile.

Sam erinnerte sich, wie sich ihre Hand in seiner angefühlt hatte, als er sie vom Boden hochgezogen hatte. Sie hatte es auch gespürt, diese Energie zwischen ihnen, das hatte er in ihren Augen gesehen. Was wahrscheinlich eine natürliche Reaktion seines Körpers war. Seit Beths Tod hatte er keine Frau mehr berührt. Solche Impulse konnte er kontrollieren.

Weitaus gefährlicher erschien ihm das andere.

Sam dachte daran, wie sie ihn aufmerksam angeschaut hatte, als würde sie etwas sehen, von dem er nicht wollte, dass sie es sah. Als könnte sie jede einzelne Unsicherheit erkennen. Vor allem, wenn es darum ging, sein kleines Mädchen allein großzuziehen.

Jeden Tag versuchte er, ein Gleichgewicht zwischen seinem Geschäft und seinen elterlichen Pflichten zu finden. Vater zu sein, war unbekanntes Land für ihn. Wie viel Fernsehen war zu viel? War es in Ordnung, Hannah ab und zu mit seinem Handy spielen zu lassen? Was sollte er mit all diesen Haaren anstellen? Sollte sie ihre eigenen Outfits auswählen?

Sie waren hier auf der Ranch so glücklich wie lange nicht seit Beths Tod. Aber war es in Ordnung, sie hier auf einer entlegenen Farm großzuziehen? Brauchte sie mehr? Mehr Freunde in ihrem Alter, mehr Dinge, die sie auf die Schule vorbereiteten, die nächstes Jahr begann?

Er war gut darin, Entscheidungen zu treffen. Nur dass sie diesmal nicht nur ihn betrafen.

Die wichtigste Frage aber war, ob Hannah mehr Frauen in ihrem Leben brauchte. Etwas von dieser Sanftheit, dieser weiblichen Energie, die auf der Ranch Mangelware war.

Nicht aber bei Shelby Kane, selbst wenn ihre schlanke Figur in den Falten einer Decke verborgen war.

Sie war viel zu hübsch für diesen Job, besonders ihre Augen. Aus der Nähe hatte er gesehen, dass sie von goldenen und grünen Flecken durchzogen waren, sodass er sich nicht sicher sein konnte, welche Farbe sie hatten. Ihr Haar erinnerte ihn an Honig und Frühlingssonne. Und ihr Mund …

Sam gefiel nicht, dass ihm diese Details aufgefallen waren. Shelby stellte eine Komplikation dar, die er nicht brauchte. Und doch … Hannah hatte gesagt, dass sie sie mochte.

Fühlten sie sich verbunden, weil Shelby wusste, was es bedeutete, ein kleines Mädchen zu sein, das in Trauer ertrinkt?

Der Gedanke erfüllte ihn mit Hoffnung.

Als er sie zum ersten Mal aus dem Augenwinkel gesehen hatte, war gerade ihr Absatz im Boden stecken geblieben. Allein die Wahl ihrer Schuhe zeigte, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, worauf sie sich hier einließ. Schuhe, deren Marke ihm sehr wohl bekannt war, weil sie einst Teil seiner Welt gewesen waren.

Wie Generationen vor ihm war Sam auf dieser Ranch geboren und aufgewachsen. Aber im Gegensatz zu seiner Familie hatte er sich eine größere Welt gewünscht.

An der Universität in Calgary hatte es ihn zur Technik hingezogen – ein Fachgebiet so weit entfernt von der rauen Realität von Kühen, Land und Wetter und harter, körperlich anstrengender Arbeit, wie man es sich nur vorstellen konnte.

Seine Erziehung hatte ihm Tatendrang und Zähigkeit verliehen, eine unermüdliche Arbeitsmoral, die Fähigkeit, schnell zu denken und Herausforderungen zu meistern. Und doch war es die Kombination der Welten gewesen, die Sams kometenhaften Aufstieg erst ermöglicht hatte. Ein Erfolg, der seine kühnsten Träume übertroffen hatte.

Dann hatte er die Liebe gefunden. In gewisser Weise war Beth wie er gewesen. Sie stammte aus einer hart arbeitenden Familie, aber als er sie kennenlernte, war sie eine Berühmtheit mit eigenen Restaurants, Kochbüchern, Internetaccounts und Fernsehsendungen gewesen.

Für einen kurzen Augenblick waren sie das It-Paar gewesen, hatten die Titelseiten von Zeitschriften geziert und die Welt erobert. Ein Paar, das alles hatte.

Bis sein Vater krank geworden und gestorben war. Sams Mutter folgte ihm erstaunlich schnell an gebrochenem Herzen.

Sam hatte diese Verluste noch nicht überwunden, als Beth ihm sagte, dass es ihr nicht gut ging. Er wusste sofort, dass sie versucht hatte, ihn wegen seiner Trauer zu schützen. Hatte diese Verzögerung eine Rolle gespielt? Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn sie es ihm früher gesagt – oder er es bemerkt hätte?

Die Diagnose war niederschmetternd.

Kurz danach war Sam, der noch vor einem Moment alles hatte, wovon ein Mann nur träumen konnte, allein auf der Welt. Mit einem kleinen Kind, das darauf vertraute, dass er nicht unter der Last all seiner zerplatzten Träume zusammenbrach.

Sam blieb mit der niederschmetternden Erkenntnis zurück, dass das Gefühl von Macht nur eine Illusion war. Als es darauf ankam, war ihm nichts davon geblieben.

Plötzlich bot ihm die Ranch – das Leben, das er einst zurückgelassen hatte – Zuflucht. Er fand einen Weg, wie er von dort aus seine Geschäfte führen konnte. Technologie – und eine Landebahn – machten es möglich.

Dies war der Ort, an dem seine Tochter glücklich und vor der Öffentlichkeit geschützt war. Dies war der Ort, an dem er sich in harter, körperlicher Arbeit verlieren konnte, die Balsam gegen den unerbittlichen Schmerz und das Bewusstsein seiner eigenen Ohnmacht war.

Schockiert davon, welchen Sturm an Gefühlen allein der Anblick einer Frau auf seiner Veranda in ihm ausgelöst hatte, schüttelte er die Gedanken ab, ehe er durch die Dunkelheit auf sie zuging.

„Miss Kane“, sagte er laut.

„Shelby.“

„Sam“, antwortete er, obwohl die Vertrautheit ein Brett aus dem Zaun löste, den er unbedingt zwischen ihnen aufrechterhalten musste. Arbeitgeber, Arbeitnehmer, sagte er sich streng. „Wie lief es heute Abend mit Hannah?“

„Sie wollte nicht baden, und ich durfte ihre Haare nicht berühren, aber ansonsten war es gut. Ihr Zimmer gefällt mir. Ich mag besonders das kleine Zelt in der Ecke. Wir haben darin ein Bilderbuch gelesen.“

Erleichtert, dass alles gut gelaufen war, warf er Shelby einen dankbaren Blick zu.

„Wie geht es dem Verletzten? Jim?“

„Gebrochener Arm. Er wird sich eine Weile ausruhen, aber es wird wieder. Es ist eine Ranch. Solche Sachen passieren eben.“

Sie blickte mit diesen leuchtenden Augen zu ihm auf, die im Mondlicht eher grün als golden oder braun aussahen.

Ihm wäre es lieber, wenn sie nicht hübsch wäre. Auf einer Ranch voller Männer würde das nur Komplikationen mit sich bringen, die bloß alle Blumen auf der Ranch abpflücken und für sie zu Blumensträußen binden würden.

Aber wem wollte er etwas vormachen? Es waren nicht seine Cowboys, um die er sich Sorgen machte.

Das war er selbst.

Es war das erste Mal seit Beths Tod, dass er solche Gedanken hatte. Und die Vorstellung gefiel ihm ganz und gar nicht. „Hat Buckie dir gezeigt, wo du deine Sachen hinstellen sollst?“

„Ja, in das Zimmer über der Garage. Es ist sehr schön.“

„Du kannst dich dort selbst versorgen. Aber der nächste Lebensmittelladen ist weit entfernt, und Buckie kocht für uns alle hier.“

„Alvin ist bezaubernd.“

„Alvin?“

„Oh, das ist Buckies richtiger Name.“

Der Ranchkoch war schon lange vor ihm hier gewesen. Sam wusste natürlich, dass er Alvin hieß, aber bezaubernd war er sicherlich nicht. Jeder seiner Sätze wurde von einem Kraftausdruck begleitet, wobei sich Buckie wie jeder andere Mann auf der Ranch in ihrer Nähe wahrscheinlich von seiner besten Seite zeigen würde.

„Es ist so schön hier“, antwortete Shelby auf seine Frage, was sie hier draußen machte.

Setz dich nicht zu ihr.

Doch plötzlich fühlte er sich erschöpft. Und warum sollte er sich nicht mit der neuen Nanny seiner Tochter zusammensetzen? Gehörte das nicht zu seiner elterlichen Verantwortung, Shelby Kane kennenzulernen? Ergeben ließ er sich auf dem Schaukelstuhl neben ihr nieder. Und wusste gleichzeitig, dass das nicht der eigentliche Grund für sein Handeln war.

„Ich glaube nicht, dass ich schon jemals solche Sterne gesehen habe“, murmelte Shelby.

Er blickte hinaus in die sternenübersäte Nacht, und die Schönheit überraschte ihn. Als wäre er in der letzten Zeit blind gewesen und könnte sie plötzlich sehen. Wie lange war es her, dass er so einen Moment erlebt hatte?

„Und die Geräusche“, fuhr sie fort. „Ich dachte, es wäre ruhig auf dem Land, aber das ist nicht der Fall.“

Plötzlich hörte er den Schrei einer Eule, das Brüllen von weit entfernten Rindern, das Zirpen von Grillen und einen Chor von Fröschen unten am Bach.

„Ich rieche auch etwas“, sagte sie. „Als würde man eine Flasche Champagner öffnen und die Perlen kitzelten in der Nase.“

Jetzt nahm auch er einen Geruch wahr, der allerdings nichts mit der frischen Bergluft zu tun hatte. Es war ihr Duft – kein Parfüm oder Seife –, mehr subtil, dafür aber erschreckend sinnlich. Eine Kombination aus Blumen, Gewürzen und weiblichem Geheimnis.

Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit fühlte Sam sich durch und durch lebendig. Ein beunruhigender Gedanke! Er musste sich dringend wieder auf seine elterliche Pflicht besinnen und mehr über sie herausfinden. Jemandem die Fürsorge für seine Tochter anzuvertrauen, bedeutete mehr, als nur einen Teil der Arbeit abzugeben.

Eins aber war ihm jetzt schon klar: Sie war für diese Position völlig ungeeignet, auch wenn sie mit seiner Tochter im Zelt saß und Märchenbücher las.

5. KAPITEL

Shelby Kane, nach eigenen Angaben ein Mädchen aus der Stadt.

Bis jetzt waren alle Kindermädchen ungeeignet für den Job gewesen. Wobei sie meistens von seiner Tochter vertrieben worden waren, bevor er überhaupt einen Makel erkennen konnte.

Über keine von ihnen hatte Hannah je etwas Positives gesagt.

Allerdings – ob ungeeignet oder nicht – standen ihm einige Geschäftsreisen bevor, und er hatte Unterstützung dringend nötig. Wenn Shelby ihn durchs Frühjahr bringen konnte, war das alles, was er verlangte.

„Man muss Kinder sehr mögen, um Kindermädchen zu werden“, versuchte er, das Gespräch in eine Art Vorstellungsgespräch umzuwandeln. „Ich bin überrascht, dass du keine eigenen hast. Eine Familie, die dich vermisst, wenn du diese Aufgaben übernimmst.“

Bis zu dieser Sekunde war ihm kein Ehemann in den Sinn gekommen. Er warf einen Blick auf ihren Ringfinger.

Nichts.

Vielleicht ein Freund, der sehnsüchtig wartete? Wobei ihm ihr Privatleben nur deshalb am Herzen lag, weil es Auswirkungen auf ihre Pflichten haben könnte.

„Ich wollte nie Kinder“, sagte sie leise.

Er runzelte die Stirn. Das war ein seltsamer Kommentar von jemandem, der seinen Lebensunterhalt mit Kinderbetreuung verdiente.

Sie zögerte einen Moment. „Um ehrlich zu sein, habe ich nicht nur draußen den Abend genossen. Ich habe auf dich gewartet.“

Eine kleine Aussage nur, und dennoch löste sie etwa in ihm aus, was ihm gar nicht gefiel. Vor allem, als er das Gefühl als Sehnsucht identifizierte. Nach Hause kommen und eine Frau haben, die auf ihn wartet.

Gefahr.

Er mahnte sich zur Professionalität. Sie war schließlich sein Kindermädchen. Und er kannte sie kaum. Gleichzeitig aber war er einfach nur müde.

„Ich habe meine Sachen nicht in den Raum gestellt, den Alvin mir gezeigt hat“, fuhr sie mit leiser Stimme fort, als wollte sie ein Geständnis ablegen. „Weil ich dir etwas sagen muss.“

Bei ihrem Tonfall wirbelte eine Vielzahl von Möglichkeiten durch Sams Kopf.

Ich bin schwanger. Kann mein Freund kommen? Kann ich das Wochenende freihaben? Wo ist das nächste Einkaufszentrum?

„Ich bin kein Kindermädchen.“

Shelby beobachtete Sam Waters aufmerksam. Er hatte seinen Hut abgenommen und drehte ihn zwischen seinen langen Fingern. Er war wirklich hinreißend, mit den viel zu langen Locken, die sein Gesicht umrahmten. Hier auf der Veranda, mit dem Mondlicht auf seinem Gesicht, war er noch deutlich atemberaubender als bei ihrer ersten Begegnung.

Wieder fielen ihr seine Wimpern auf. Die dunklen Augen. Seine Nähe und die unerwartete Intimität dieses Augenblicks hüllten all ihre Sinne ein. Sie war sich seiner Nähe bewusst. Trotz der Kälte trug Sam immer noch das gleiche dunkelblaue Jeanshemd – keine Jacke. Er lachte über ihre Worte.

Sie mochte das Licht, das in der Dunkelheit seiner Augen tanzte. Und sein Lachen, das warm war und ansprechend. Er wirkte tatsächlich erleichtert, als hätte er etwas anderes erwartet.

„Das hat Hannah auch gesagt, als ich aus dem Krankenhaus angerufen habe, um ihr Gute Nacht zu sagen.“

Etwas in Shelbys Herz schmolz dahin. Wieder überkam sie der Schatten einer Erinnerung. Ein kleines Mädchen, das auf einen Anruf wartete, der nicht kam.

„Hannah hat mir gesagt, dass du kein Kindermädchen bist. Angesichts ihrer Abneigung gegen Kindermädchen gratuliere ich dir zu der Idee.“

Sie hätte es dabei belassen können. Hatte ihre Pflicht erfüllt und gesagt, was sie zu sagen hatte.

Vielleicht könnte sie ein paar Tage hier verbringen, bevor sie die Wahrheit preisgab. Die Mountain Waters Ranch berührte ihr Herz so sehr, dass sie diesen Ort nicht loslassen wollte. Und sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie sich schon jemals so zu Hause gefühlt hatte.

Bei der Renovierung des Hauses waren keine Kosten gescheut worden. Doch trotz aller modernen Annehmlichkeiten war es seinen traditionellen Wurzeln treu geblieben.

All die wunderschönen Antiquitäten, unbezahlbaren Teppiche, seltenen Gemälde und Böden aus Kernholzkiefern verliehen ihm ein Gefühl von Gemütlichkeit, das keiner der Innenarchitekten in den vielen Häusern ihres Vaters je erreicht hatte. Hier spürte man die Generationen, die um den Esstisch gesessen hatten.

Das Haus besaß den Charme eines echten Zuhauses. Auf dem Boden lag Spielzeug, auf der Kücheninsel ein teilweise zusammengebautes Puzzle. Und an der Wand hing ein Kalender, der mit Markierungen in kräftiger Schrift übersät war. Wie ein Besuch beim Tierarzt, Zahnarzttermine, Geburtstagsfeiern – alltägliche Details im Leben von Menschen, die an einem Ort lebten und blieben.

Den Mittelpunkt des Wohnzimmers aber bildete ein vom Boden bis zur Decke reichender Kamin mit Resten von Holzkohle und Asche, an dessen Holzsims Shelby die Nägel für Weihnachtssocken erkennen konnte.

Einblicke in das wirkliche Leben der Waters, die Sehnsucht in Shelby geweckt hatten.

Sie wollte mehr darüber wissen.

Oder – der Gedanke war noch beängstigender – sie wollte dazugehören. Es wäre fast eine Erleichterung, weggeschickt zu werden, bevor diese verborgenen Wünsche außer Kontrolle gerieten. Aus Erfahrung wusste sie, dass die Sehnsucht nach Familie und Geborgenheit nur Enttäuschung bedeutete. Sie holte tief Luft.

„Ich meine es ernst. Ich wurde nicht von dem Nanny Service hergeschickt.“

Sams Stirnrunzeln vertiefte sich. Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Im schwachen Licht des Mondes wirkten seine Augen fast schwarz. Alles Lachen war aus seinem Gesicht verschwunden.

„Wer bist du dann?“ In der Frage lag keine Freundlichkeit.

Sie holte tief Luft. „Shelby Kane. Und ich bin kein Kindermädchen.“

„Was machst du dann hier? Mountain Waters liegt nicht gerade am Weg zu irgendetwas. Niemand kommt zufällig vorbei.“

Shelby holte tief Luft. „Ich plane Veranstaltungen. Weshalb ich dich per E-Mail kontaktiert habe, um eine Veranstaltung in deiner Scheune auszurichten.“

Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. „Und ich habe meine Tochter bei dir gelassen“, brummte er.

Es war, als hätte er den Teil über die Veranstaltung nicht einmal gehört.

„Ja“, gab sie freundlich zurück, „das war ein Missverständnis.“

„Ich habe dir vertraut.“ Jetzt klang seine Stimme aufgebracht. „Die Agentur führt gründliche Hintergrundüberprüfungen durch. Ihre Kindermädchen sind ausgebildet.“

Für einen Moment spürte sie, wie ihr eigener Zorn aufstieg. „Willst du damit sagen, dass ich ohne eine Ausbildung nicht geeignet bin, auf deine Tochter aufzupassen? Dann solltest du vielleicht besser nachschauen, ob Hannah sicher in ihrem Bett schläft.“

Sam rührte sich nicht, aber sein Gesichtsausdruck wurde auch nicht weicher.

„Ich habe dir geholfen“, betonte sie verärgert.

„Du hast mich angelogen.“

„Das habe ich nicht.“

Plötzlich erkannte sie hinter seiner Wut die Unsicherheit, ein guter Vater zu sein. Ein Hauch von Wehmut stieg in ihr auf. Hatte sich jemals jemand um sie solche Sorgen gemacht?

„Du bist kein schlechterer Vater, weil es ein Missverständnis gegeben hat“, sagte sie leise.

„Nicht?“, gab er immer noch aufgebracht zurück. „Du könntest eine Journalistin sein.“

Wenigstens sah er in ihr keine potenzielle Entführerin. „Ich hoffe, so etwas ist dir nicht schon einmal passiert.“

Sein Blick sprach Bände.

„Es tut mir leid. Ich kenne die Gefahren von Reichtum und Ruhm.“

Er hob die Brauen.

„Ich bin Boswell Kanes Tochter.“

Das sollte ihm wenigstens die Gewissheit geben, dass sie ihn nicht aufgespürt hatte, weil sie sein Geld wollte. „Ich bin nur hier, weil ich die Fachwerkscheune mieten möchte.“

Für einen Moment sah er nur verwirrt aus. Dann dämmerte es ihm. „Jetzt erkenne ich deinen Namen. Du hast mir etwa dreißigtausend E-Mails geschickt.“

„Höchstens dreitausend.“

Er sah nicht amüsiert aus.

„Wenn du geantwortet hättest“, fuhr Shelby fort, „wäre ich nicht hier.“

„Aber das habe ich. Und du bist es trotzdem. Weil es nicht die Antwort war, die du erwartet hast.“

Durch die Art, wie er das sagte, fühlte sie sich wie das verwöhnte Mädchen, das sie einst gewesen war. Unfähig, ein Nein als Antwort zu akzeptieren. Unfähig zu glauben, dass sie ihren Willen nicht durchsetzen konnte.

„Und wenn ich dir die erwünschte Antwort gegeben hätte, wärst du jetzt auch hier, um alles auszumessen, Pläne zu schmieden und die Ruhe und Routine meiner Ranch zu stören.“ Es gelang ihm, dieses Wort mit Verachtung zu füllen.

„Wie würden deine Gäste anreisen?“, fuhr er leise fort und hob seine Hand, als sie antworten wollte. „Nein, nein, lass mich raten. Privatjets, Hubschrauber. Vielleicht ein oder zwei Luxusbusse. Und dann laufen die Leute überall herum, brechen sich im weichen Dreck die Absätze ab …“

Das saß! Shelby spürte, wie sie zusammenzuckte.

„… verlaufen sich überall“, fuhr er fort, „das Vieh wird erschreckt und am Ende wird mir mit Klage gedroht.“

„Ich habe schon einige Großveranstaltungen auf Privatgrundstücken durchgeführt“, erklärte sie steif.

„Gut! Such dir eines davon aus.“

„Ich bin ein Profi“, verkündete sie stolz. „Es ist ein Privileg, eine Immobilie wie diese zu nutzen, weshalb ich deine Erlaubnis niemals missbrauchen würde. Und ich kann dir Referenzen nennen.“

„Das ist nicht nötig. Weil ich die Scheune nicht vermiete.“

„Doch, das tust du“, sagte sie.

„Willst du sagen, ich lüge?“

„Ich habe ein Foto von einer Veranstaltung in der Scheune gesehen.“

Er seufzte. „Schau, ich möchte nicht mit dir streiten. Ich vermiete die Scheune nicht. Ich stelle sie Freunden und Nachbarn kostenlos zur Verfügung. Manchmal für ein Jubiläum oder eine Hochzeit, und demnächst findet hier der Abschlussball der High-school statt.“

„Du weißt nicht einmal, was mein Anlass ist.“

„Weil es mir egal ist.“

Autor

Abby Green
<p>Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...
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