In der Oase sinnlicher Träume

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"Was soll das heißen?", fragte sie hilflos. In Salims Augen erschien ein bedeutsamer Glanz. "Das heißt, dass du die Nacht hier bei mir verbringen musst." Mit der gefährlichen Eleganz eines Raubtiers betritt Scheich Salim Al-Noury den Saal. Warum hat bloß niemand Charlotte vor seinem umwerfenden Sex-Appeal gewarnt? Die junge Diplomatin soll Salim beibringen, wie er auf dem internationalen Parkett sein Land vertritt. Keine leichte Aufgabe, denn er besteigt den Thron nur unwillig. Doch mit seinem feurigen Charme verführt er sie! Leidenschaftlich gibt Charlotte sich dem stolzen Wüstenprinzen in einer idyllischen Oase hin. Dabei weiß sie doch genau, dass sie ihn am Krönungstag verlassen muss …


  • Erscheinungstag 02.01.2019
  • Bandnummer 2368
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711894
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Selbst die heiße Dusche konnte nicht das schale Gefühl wegspülen, das Scheich Salim Ibn Hafiz Al-Noury verspürte. Das lag nicht an der Frau, mit der er eben noch das Bett geteilt hatte. Ganz im Gegenteil: Sie war atemberaubend. Aber was noch mehr zählte: Sie war mit einem One-Night-Stand einverstanden gewesen. Mit Frauen, die es nicht waren, ließ er sich gar nicht erst ein.

Nein, es lag ganz allein an ihm.

So weit er zurückdenken konnte, war ihm nichts wichtiger als seine Unabhängigkeit. Deshalb hielt er sich auch von seiner Familie fern – mit ihrem bedrückenden Vermächtnis, das ihm durch die königliche Geburt auferlegt worden war. Und mit den schmerzlichen Erinnerungen. Gefühlsmäßige Bindungen waren ihm verhasst, sie brachten nur Schmerz und unerträgliches Leid.

Salim und sein Bruder Zafir waren gefühlskalt und zweckmäßig erzogen worden. Vom ersten Tag an waren sie gedrillt worden, benachbarte Königreiche zu regieren – Jandor, die Heimat seines Vaters, wo sie geboren und mit ihrer Schwester Sara aufgewachsen waren – und Tabat, das Land, aus dem ihre Mutter stammte.

Seit Jahrhunderten lagen die beiden Länder miteinander im Krieg. Ein Friedensabkommen war erst verhandelt worden, nachdem ihre Mutter, die Kronprinzessin von Tabat, den frisch gekrönten König von Jandor geheiratet und das Königspaar sich vertraglich verpflichtet hatte, dass ihre Söhne später diese Länder regieren würden, um den Frieden in der Region zu sichern.

Nach dem Tod ihres Vaters vor einem Jahr hatte Zafir als Ältester den Thron von Jandor bestiegen, wo er sich eher zu Hause fühlte als sein Bruder.

Doch nun stand ihm, Salim, die Übernahme des Throns von Tabat bevor.

Gereizt schlang Salim sich ein Badetuch um die Hüften, weil seine Gedanken wieder in diese Richtung abschweiften. Aber was blieb ihm anderes übrig, als sich mit seinem Dilemma abzufinden?

Lange war es ihm gelungen, zu verdrängen, was von ihm erwartet wurde. Die Leitung des mächtigen Technologieimperiums, das er über Jahre aufgebaut hatte, hätte er ohnehin nicht einfach so abgeben können. Doch inzwischen war es so erfolgreich und fest verankert, dass er es auch von anderen verwalten lassen könnte …

Der Wasserdampf in der Duschkabine löste sich auf, und Salim erhaschte einen Blick auf sein Spiegelbild. Sein Gesichtsausdruck war streng, die hellen blauen Augen passten eigentlich nicht zu seiner olivfarbenen Haut. Und das unrasierte Kinn wirkte hart. Zu hart.

Kritisch betrachtete er seine ebenmäßigen Züge – und hatte ein weibliches Gesicht vor sich, das seinem so ähnlich war. Ihm hatten die Jahre nichts anhaben können. Seine Zwillingsschwester war mit elf Jahren gestorben.

An jenem Tag war etwas in ihm für immer zerbrochen: sein Herz. Und der unerschütterliche Glaube an seine Unbesiegbarkeit, seine Ideale. Mit Sara hatte er den liebsten Menschen verloren. Sie waren Seelenverwandte gewesen. So einen Schmerz wollte er nie mehr durchleben.

Die Erinnerung an den Anblick des leblosen Körpers seiner geliebten Schwester war so stark, dass er nach Luft ringen musste. Selbst nach neunzehn Jahren. Er hatte Saras Tod gerächt. Doch statt Frieden zu finden, war die Leere in ihm noch größer geworden.

Salim packte den Rand des Waschbeckens so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Beharrliches, durchdringendes Läuten durchdrang seine Benommenheit.

Salim betrat das Schlafzimmer seines New Yorker Penthouses und bemerkte das intervallartige Aufleuchten seines Handydisplays. Ein Anruf. Zögernd nahm er das Telefon vom Nachttisch und verspürte das gewohnte Ziehen in der Brust, den vertrauten Gefühlssturm … und das alte Schuldgefühl. Sollte er den Anruf einfach ignorieren? Aber das würde das Unvermeidliche nur hinauszögern.

Schroff meldete er sich. „Hallo, Bruder. Schön, von dir zu hören.“

Zafir nahm die wenig freudige Begrüßung mit einem Laut der Missbilligung auf. „Seit Wochen versuche ich, dich zu erreichen. Teufel noch mal, Salim, was soll das? Was bezweckst du damit? Damit machst du es dir und uns allen nur noch schwerer.“

Salim ignorierte den Vorwurf. „Jetzt sollte ich dir wohl gratulieren. Entschuldige, Zafir, dass ich es zu eurer Hochzeit nicht geschafft habe.“

Sein Bruder seufzte ungeduldig. „Ehrlich gesagt, hatte ich auch nicht erwartet, dass du zur Hochzeit kommst – aber du hättest uns wenigstens gratulieren können. Kat möchte dich unbedingt kennenlernen, Salim.“

Der Druck in seiner Brust wurde stärker. Eine halbe Ewigkeit hatte er seinen Bruder so erfolgreich aus seinen Gedanken verbannt, dass es ihm schwerfiel, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken. Warum auch?

Er schuldete Zafir nichts. Ebenso wenig seiner frisch gebackenen Schwägerin, der jungen Königin von Jandor.

„Ich habe keine Zeit zum Plaudern, Zafir“, blockte er barsch ab. „Weshalb rufst du an?“

„Das weißt du genau, Salim.“ Nun schlug sein Bruder einen härteren Ton an. „Du hast lange genug gekniffen – dich deinen Pflichten entzogen. Seit über einem Jahr erwarten die Regierungsvertreter in Tabat, dass du endlich deine geburtsbestimmte Rolle als König antrittst – wie unser Vater testamentarisch festgelegt hat.“

Ehe er etwas erwidern konnte, fuhr Zafir beschwörend fort: „Tabat droht im Chaos zu versinken. Hier geht es nicht um dich, Salim. Das Volk geht auf die Barrikaden, wenn die Stabilität des Landes nicht bald gesichert ist. Höchste Zeit, dass du die Regierung und die Verantwortung übernimmst. Du bist der König, ob es dir gefällt oder nicht.“

Am liebsten hätte Salim einfach aufgelegt. Er war alles andere als ein König. Hatte sich der einengenden, wirklichkeitsfremden Welt des Hofes bewusst entzogen. König hatte er nie sein wollen. Die Rolle war ihm durch seine königliche Geburt auferlegt worden. Unfasslich, dass sein Bruder sich damit abgefunden und den Thron von Jandor bestiegen hatte. Er, Salim, hatte nicht die Absicht, sich zu opfern …

Das wollte er seinem Bruder klarmachen, doch der ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Du kommst nicht darum herum, Salim“, fuhr Zafir scharf fort. „Die Rolle ist dein Schicksal. Wenn du dich weigerst, bist du schuld an blutigen Auseinandersetzungen in Tabat.“

Schicksal … Verloren dachte Salim an den Tod ihrer Schwester. War es Schicksal, dass Sara grausam von der Mauer gestürzt war und so jung hatte sterben müssen?

Nein, er glaubte nicht an Schicksal. Man nahm sein Leben selbst in die Hand. Und das hatte er seitdem getan.

Finster blickte Salim über die Skyline von Manhattan, über der die Sonne langsam unterging und alles in weiches rötliches Licht tauchte. Ein atemberaubender Anblick – doch er berührte ihn nicht.

Ein Falke glitt vor seinem Fenster vorbei – majestätisch, aber tödlich ließ er sich auf seinen Schwingen durch die Lüfte tragen – auf der Jagd nach Beute. Hier war der königliche Vogel weit von seinen natürlichen Jagdgründen entfernt, doch wie die Menschen hatte er sich an das Leben in der Stadt gewöhnt.

Eine Erinnerung stieg aus der Vergangenheit auf … er und Sara in der Wüste mit ihren Lieblingsfalken. Sara hatte die Hand gehoben, um den majestätischen Vogel zum Fliegen anzuspornen – lachend hatte sie ihn geneckt, sein Falke sei einfach nur zu faul zum Fliegen. So voller Leben, so herrlich unbekümmert und unschuldig war sie gewesen …

„Salim?“

Die Stimme seines Bruders durchbrach das Schweigen, und der Druck in Salims Brust machte sich wieder bemerkbar. Schicksal oder nicht, er wusste, dass er sein unerwünschtes Erbe irgendwann antreten musste.

„Du hast gewonnen“, gab er grimmig nach. „Ich beuge mich meinem Volk und lasse mich krönen.“

1. KAPITEL

Genervt ging Charlotte McQuillan in dem leeren Büro auf und ab und blickte zum x-ten Mal auf die Uhr. Der König – Salim Ibn Hafiz Al-Noury – genau genommen war er ja erst in drei Wochen nach der Thronbesteigung König – ließ sie nun schon fast eine Stunde warten.

Es war kein Geheimnis, dass er offenbar der einzige Thronfolger war, der sich dagegen sträubte, die Macht zu übernehmen. Er hatte seine Krönung nun schon ein Jahr aufgeschoben, während sein älterer Bruder Zafir vor einem Jahr im benachbarten Jandor zum Oberhaupt des Landes gekrönt worden war.

Etwas mehr Höflichkeit und Benimm hätte sie vom enfant terrible der internationalen Milliardärs-Playboyszene eigentlich erwartet.

Natürlich hatte Charlotte von Scheich Salim Ibn Hafiz Al-Nourys Ruf gehört, wenn auch eher allgemein. Pikante Geschichten in Society-Hochglanzmagazinen interessierten sie nicht, nachdem sie als junges Mädchen Opfer eines Gesellschaftsskandals geworden war. Doch selbst sie hatte sich ein Bild von dem arroganten, fabelhaft aussehenden Scheich gemacht, von dem es hieß, was er anrühre, werde zu Gold.

Sein Ruf als Playboy passte zu seinem Reichtum, seiner Rücksichtslosigkeit und den erstaunlichen Erfolgen in der internationalen Geschäftswelt.

Ungeduldig trat Charlotte ans Fenster und blickte auf die endlose Sandwüste hinaus, über der sich der erbarmungslos blaue Himmel spannte. Wie ein goldroter Feuerball strahlte die Sonne auf das Sandmeer herab und versengte alles, während Charlotte in den klimatisierten Räumen fast fror. Selbst im Schatten war die Hitze im Freien unerträglich, wie sie selbst erfahren hatte, als sie die wenigen Schritte vom Flugzeug zur königlichen Limousine gelaufen war, die sie zum Palast gebracht hatte.

Mit ihrer empfindlichen hellen Haut und dem rotblonden Haar hatte sie ohnehin nie zu den Sonnenanbetern gehört. Doch nun war sie hier, nachdem sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt hatte, dem alljährlichen Weihnachtstrubel in London zu entrinnen.

Dass sie die Weihnachtszeit mit ihrem übertriebenen Lichter- und Glitzertreiben, der erzwungenen festlichen Fröhlichkeit nicht mochte, war eine schlichte Untertreibung. Um diese Jahreszeit war ihr Leben einst zerbrochen … damals hatte sie auf einen Schlag erkennen müssen, dass das Leben nur eine Illusion war, die sich jeden Moment in Luft auflösen konnte.

Wie der Zauberer von Oz, hinter dessen schillernder Fassade dann doch nur der Zauberer aufgetaucht war.

Hier in Tabat breitete sich vor dem Palastfenster eine völlig fremde Welt vor ihr aus, die kaum weiter vom hektischen Londoner Weihnachtsbetrieb entfernt sein konnte. Dennoch konnte Charlotte es nicht genießen. Eher das Gegenteil war wohl der Fall … Vielleicht sehnte sie sich insgeheim doch ein wenig nach dem, was sie hinter sich zurückgelassen hatte – nach den kitschigen Weihnachtsfilmen und Festkarten, dem fröhlichen Festgewimmel im Kreise der Familie und lieber Menschen …

Dass sie die Feiertage oft tränenreich mit rührseligen Weihnachtsfilmen verbracht hatte, blieb ihr trauriges Geheimnis.

Seufzend kehrte Charlotte der exotischen Aussicht den Rücken zu. Um die selbstmitleidigen Gedanken abzuschütteln, begutachtete sie die Einrichtung des weitläufigen königlichen Büros, das sie laut Protokoll ohne Anwesenheit des Königs gar nicht allein hätte betreten dürfen.

Irgendwann musste es ein prächtiger Empfangssaal für wichtige Honoratioren und Gesandte gewesen sein. An den hohen Wänden waren faszinierende verblichene Malereien zu erkennen, die einem arabischen Märchen entnommen sein könnten.

Alles, was Charlotte bisher von Tabat und seiner gleichnamigen Hauptstadt gesehen hatte, sprach von einstigem Ruhm und verblasstem Glanz. Dennoch hatte die alte Stadt sie mit ihren gewundenen Straßen, den verwinkelten Gassen und dem Flüsschen, das sich von den Bergen bis zum Meer und der benachbarten Küste von Jandor schlängelte, berührt.

Das Land Tabat war reich an Naturschätzen, unter denen Öl die wichtigste und gewinnträchtigste Einnahmequelle darstellte. Andererseits bedurfte die Infrastruktur des Königreiches dringend umfangreicher Modernisierungsmaßnahmen, wie auch Tausende andere Bereiche wie Schulwesen, Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen …

Es brauchte dringend einen Regenten, der die Herkulesaufgabe übernahm, das Land ins einundzwanzigste Jahrhundert zu führen. Wirtschaftspotenzial besaß Tabat im Überfluss – es musste nur erschlossen und wirksam genutzt werden.

Doch nach allem, was Charlotte von Scheich Al-Noury und seinem Ruf wusste, bestand wenig Hoffnung auf baldige Besserung dieser trostlosen Situation. Der Scheich machte kein Geheimnis daraus, dass ihn nur sein aus zahllosen westlichen Unternehmen bestehendes Firmenimperium interessierte.

Jetzt hatte sein Bruder, König Zafir von Jandor, sie als Public-Relations-Expertin für Internationale Beziehungen engagiert, um seinem Bruder beratend zur Seite zu stehen, vor allem aber, um die Organisation und Durchführung seiner in Kürze anstehenden Krönung zu übernehmen. Doch seit Charlotte den Auftrag vor zwei Wochen übernommen hatte, hatten weder Scheich Salim Al-Noury noch seine Leute auf ihre wiederholten Anrufe reagiert, geschweige denn ihr die notwendigen Arbeitsunterlagen übermittelt.

Erneut blickte Charlotte auf die Uhr. Weit über eine Stunde hatte Al-Noury sie nun warten lassen. Frustriert und müde nach der Reise ging sie zu dem Sessel, auf dem sie ihre Aktentasche abgestellt hatte. Vielleicht sollte sie sich an einen Angestellten wenden und sich erst einmal in ihr Zimmer bringen lassen. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, wurden die mächtigen Doppeltüren aufgestoßen, und ein Hüne betrat den Raum.

Obwohl sie sein Foto vorher schon gesehen hatte, war sie auf den Anblick des echten Salim Ibn Hafiz Al-Noury nicht vorbereitet. Zum ersten Mal im Leben war Charlotte sprachlos.

Er musste weit über einen Meter achtzig sein, sehr viel größer, als sie erwartet hatte. Mit seinen breiten Schultern, der muskulösen Brust und den schmalen Hüften war er ein athletisch gebauter Mann, der Macht und geballte Kraft ausstrahlte.

Ungeduldig fuhr er sich durch das etwas zu lange, dunkle Haar, das sein markantes, unrasiertes Gesicht rahmte. Mit seinen auffallend hellen blauen Augen, die Charlotte an den endlos blaugrauen Himmel über der Wüste erinnerten, musterte er sie schweigend. Sein empfindsamer Mund stand in überraschendem Gegensatz zu seiner kraftstrotzenden Erscheinung …

Das weit geschnittene weiße Hemd konnte weder die Muskeln noch die dunklen Brusthärchen verbergen. Es verschwand in einer engen Reithose, die in abgetragenen ledernen Stiefeln steckte.

Jetzt nahm Charlotte auch den unverkennbaren Pferdegeruch wahr … und einen feinen Hauch von männlichem Schweiß. Ihr wurde bewusst, dass sie den Mann so entsetzt ansah, als könnte sie nicht fassen, was sie da vor sich hatte.

Scheich Al-Noury runzelte die Stirn. „Mrs. McQuillan?“ Offenbar hielt er sie für verheiratet …

Charlotte nickte nur.

„Sie wollen schon wieder gehen?“ Er sprach mit leichtem Akzent.

Die dunkle, rauchige Stimme ging ihr durch und durch.

Himmel! Schluss damit! Er war nicht der erste gut aussehende Mann, mit dem sie zu tun hatte.

Betont ruhig wandte sie sich an den Scheich. „Ich habe über eine Stunde auf Sie gewartet, Euer Majestät, und dachte schon, Sie würden nicht kommen.“

In seinen irisierenden Augen blitzte es auf. „Noch bin ich nicht König“, erinnerte er sie und betrachtete sie eingehender.

Charlotte wurde bewusst, wie verkrampft sie die Aktentasche hielt, und lockerte ihren Griff.

Endlich blickte er ihr wieder ins Gesicht. „Hat man Ihnen Erfrischungen angeboten?“

Charlotte schüttelte nur den Kopf. Der König – nein, Scheich Al-Noury – ging zur Tür und rief nach jemandem. Beflissen erschien ein Junge in langer Tunika und Turban – derselbe, der sie ins Büro geführt hatte – und bewegte sich erschrocken, als Al-Noury ihn mit einem scharfen Wortschwall auf Arabisch bedachte … Dann lief er fluchtartig davon.

Verspätet erkannte Charlotte, was sie angerichtet hatte. „Aber das war doch nicht nötig, Euer Hoheit – er ist noch ein Kind“, nahm sie den Jungen in Schutz. „Warum hat mich kein Erwachsener empfangen? Wo sind Ihre Bediensteten?“

Herausfordernd langsam drehte Scheich Al-Noury sich zu ihr um, zog eine Braue hoch, lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sprechen Sie Arabisch?“

Verwirrt nickte Charlotte. „Neben anderen Sprachen. Aber darum geht es mir nicht …“

Der Scheich richtete sich zu seiner beachtlichen Größe auf. „Entschuldigung. Ich wäre zu Ihrer Begrüßung erschienen, aber ich wurde in den Stallungen aufgehalten. Ich musste ein neues Fohlen in Empfang nehmen … ein Geschenk von Scheich Nadim Al-Saqr in Merkazad. Nach der Reise war das Tier sehr unruhig, da habe ich geholfen, es zu beruhigen.“

Nun schlenderte Scheich Al-Noury durch das weitläufige Büro auf Charlotte zu, sodass ihr einen Moment Zeit blieb, sich zu fangen. Dass seine Entschuldigung wenig aufrichtig klang, drang kaum zu ihr durch, weil seine raubtierhafte Geschmeidigkeit sie gefangen nahm: Ein Mann wie er war ihr noch nie begegnet: muskulös, geballte Kraft … und von einer aggressiven Sexualität, die sie unwillkürlich in ihren Bann schlug.

Über die Schulter blickte er kurz zu ihr herüber, dann schenkte er eine goldfarbene Flüssigkeit in ein bauchiges Glas. „Kann ich Ihnen auch etwas zu trinken anbieten?“

Charlottes Kehle fühlte sich jetzt so trocken an wie die Wüste. „Nur Wasser bitte … falls Sie welches dahaben.“

Mit einem Glas Eiswasser kam Al-Noury zu ihr herüber, und wieder schlug seine Ausstrahlung sie in ihren Bann. Als sie das Glas entgegennahm, berührten ihre Hände sich leicht … und sie zuckte wie elektrisiert zurück. Mit unsicheren Fingern umfasste sie das Glas und trank viel zu schnell einige Schlucke.

Scheich Al-Noury deutete auf den Sessel, auf dem ihr Aktenkoffer gestanden hatte.

„Bitte setzen Sie sich, Mrs. McQuillan.“

Er ging um den Schreibtisch herum, nahm Platz, legte die Beine locker auf die Platte und schlug die Füße übereinander. Seine ungenierte Art verwirrte Charlotte, sie vergaß, sich zu setzen. Jetzt fehle ihm nur noch ein halbnacktes Showgirl auf dem Schoß, signalisierte sein ganzes Verhalten.

Er schwenkte sein Cognacglas und trank genüsslich einen Schluck, dann sah er sie wieder an und zog eine Braue hoch. „Ihr Gesichtsausdruck verrät mir, dass ich mich jetzt auf die erste Lektion in Diplomatie und Etikette gefasst machen muss“, bemerkte er trocken.

Peinlich berührt, wandte Charlotte den Blick von den abgewetzten Sohlen seiner Reiterstiefel ab, an denen dunkle Strohklumpen klebten. Sie rochen verdächtig nach Stallmist. Gefasst blickte sie ihm in die ungewöhnlich hellen blauen Augen. „Ich würde sagen, es gilt überall auf der Welt als ungezogen, einem Gast die Fußsohlen entgegenzustrecken.“

Einige Augenblicke lang tat der Mann gar nichts, dann zuckte er gleichmütig die Schultern. „Tja, hier sind wir in unserem Teil der Welt – und glauben Sie mir, wir haben sehr viel interessantere Methoden, Leute zu beleidigen. Aber nun, ich werde mir Mühe geben, meine Benimmlehrerin nicht unnötig zu beleidigen.“

Übertrieben langsam schwenkte er die Beine von der Schreibtischplatte, sodass Charlotte einen Blick auf seine muskulösen Oberschenkel erhaschte, dann verschwanden sie unter dem Schreibtisch. Einen Moment bedauerte sie das fast. Was war nur auf einmal mit ihr los?

„Zu Ihrer Information, Scheich Al-Noury: Ich bin entschieden mehr als eine Benimmlehrerin“, klärte sie ihn steif auf. „Ich besitze einen Abschluss in Internationale Beziehungen und Diplomatie sowie ein Diplom über Nahostbeziehungen. Im Übrigen beherrsche ich sieben Sprachen und habe gerade erfolgreich einen Public-Relations-Auftrag für König Alix Saint Croix beendet, durch den er nach der Thronbesteigung erfolgreich auf die Weltbühne zurückkehren konnte …“

Charlotte hielt inne, um durchzuatmen. Ihr heftiger Ausbruch entsetzte sie selbst.

Scheich Al-Noury bewegte keinen Muskel. „Mrs. McQuillan“, begann er gleichmütig, doch Charlotte kam nun erst richtig in Fahrt.

„Miss, bitte!“

Der Scheich musterte sie so langsam von Kopf bis Fuß, dass ihr heiß wurde.

Endlich blickte er ihr wieder ins Gesicht, und um seinen sinnlichen Mund zuckte es. „Schön“, bemerkte er zufrieden. „Entschuldigen Sie meinen Irrtum. Ich hatte einfach angenommen …“ Er richtete sich in seinem Sessel auf und deutete auf den Besucherstuhl. „Setzen Sie sich, Miss McQuillan. Es macht mich nervös, wenn Sie vor mir stehen bleiben.“

Charlotte bezweifelte, dass irgendetwas diesen Mann nervös machen konnte. Er führte sich auf wie ein Lehrmeister! Am liebsten hätte sie ihn einfach sitzen lassen und wäre aus dem Saal gestürmt. Im Handumdrehen hatte er es fertiggebracht, sie auf die Barrikaden zu treiben …

Dabei behielt sie stets einen kühlen Kopf, war geschult, sich durch nichts und niemanden aus dem Konzept bringen zu lassen. Doch im Moment war sie so aufgebracht, dass sie sich selbst nicht kannte. Sie war ein konservativ eleganter Typ, das gehörte zu ihrem Beruf: Nur nicht auffallen oder gar herausfordernd auftreten …

Vorsichtig setzte Charlotte sich nun doch, obwohl der Rock ihr etwas zu eng vorkam und der oberste Knopf der Bluse ihr in die Haut schnitt.

Scheich Al-Noury stellte sein Glas ab. „Hören Sie, Miss McQuillan, niemand zweifelt an Ihren Befähigungen. König Alix hat mich persönlich angerufen, um Sie zu empfehlen. Tatsache ist aber auch, dass ich Ihre sicher beachtlichen beruflichen Qualifikationen nicht benötige. Gegen meinen ausdrücklichen Wunsch hat mein Bruder Sie engagiert. Ich hätte Ihnen rechtzeitig abgesagt, Sie gebeten, nicht herzukommen, aber geschäftliche Entwicklungen in einer meiner ausländischen Unternehmungen hielten mich davon ab. Natürlich werde ich Ihre Rückkehr nach England umgehend veranlassen und Ihnen alle entstandenen Reiseunkosten voll ersetzen.“

Dass er ihre beachtlichen Qualifikationen einfach abtat, machte Charlotte erst recht wütend. So leicht würde sie sich nicht wegschicken lassen.

„Da es Ihr Bruder war, der mich für diesen Auftrag verpflichtet hat“, gab sie übertrieben liebenswürdig zu bedenken, „ist er es auch, der den Vertrag mit mir kündigen muss.“

Einen Augenblick lang betrachtete Scheich Al-Noury sie missbilligend, was seine ebenmäßigen Züge nur noch faszinierender machte.

„Wollen Sie mir allen Ernstes klarmachen, dass Sie in dieser gottvergessenen Sandwüste bleiben wollen – in dieser Stadt, in der die Lichter regelmäßig ausgehen, weil die steinzeitliche Stromversorgung zusammenbricht –, statt schleunigst nach Hause zu fliegen, wo alle Bequemlichkeiten dieser Welt und der große bunte Weihnachtstrubel Sie erwarten, Miss McQuillan? Wenn Sie bleiben, kann ich nicht garantieren, dass Sie es rechtzeitig zum Fest nach Hause schaffen. Sie mögen unverheiratet sein, aber sicher wartet dort doch jemand … ungeduldig auf Sie.“

Charlotte brauchte einige Sekunden, um den vollen Umfang seiner Einwände zu begreifen. Ihr fiel nur auf, dass Al-Noury vor dem ungeduldig zögerte.

Der Mann konnte nicht ahnen, dass niemand sie erwartete

Dann wurde ihr bewusst, wie verächtlich er von seinem Land sprach.

Gottvergessene Sandwüste …

Natürlich war es nicht gerade erhebend, in einer alten Stadt von einem Sandmeer umgeben zu sein, doch Charlotte reizte es auf einmal, sich hinauszuwagen und die Umgebung zu erkunden. Hier konnte es verborgene Schätze geben, die nicht auf den ersten Blick ins Auge stachen …

Bei der Vorstellung fing sie sich wieder. „Ich bin es nicht gewohnt, Verträge zu brechen, Scheich Al-Noury“, erwiderte sie kühl. „Für mich wäre es unprofessionell, die Flinte gleich zu Anfang ins Korn zu werfen. Ich darf Ihnen versichern, dass ich kein Verlangen verspüre, rechtzeitig zum Weihnachtsfest zu Hause zu sein. Im Gegenteil, es reizt mich, eine ganze Weile hier in der Wüste zu verbringen.“

Verblüfft blickte Salim die Frau auf der anderen Seite des Schreibtischs an. Mehr als verblüfft. Er war es gewohnt, Befehle zu erteilen oder – wie in diesem Fall – höflich Vorschläge zu unterbreiten, die normalerweise prompt befolgt wurden.

Erstaunlich war jedenfalls, dass die Besucherin auf seine Ankündigung nicht postwendend verschwand. Wer fand es nicht großartig, für nichts bezahlt zu werden? Stattdessen saß sie ihm immer noch gegenüber: würdevoll, aufrecht wie eine Ballerina … und sah ihn mit ihren großen grünen Augen an, wie sie ihm nur in Schottland an ewig nebligen Tagen begegnet waren.

Komisch, dachte Salim gereizt.

Die Frau war gar nicht sein Typ. Wieso fielen ihm dann ihre Augen auf? Er interessierte sich höchstens für spärlich bekleidete Damen, die seinen Wünschen willig entgegenkamen. Doch alles an dieser Miss McQuillan – vom stumpf geschnittenen, schulterlangen blonden Haar über die kühlen grünen Augen bis zum strengen dunkelgrauen Kostüm und der hellgrauen Bluse – sprach von einer kühlen, unnahbaren Persönlichkeit.

Wogegen er stets rebelliert hatte. Und dabei sollte es bleiben.

Andererseits hatte sie einen überraschend vollen, weichen Mund, der gar nicht zu ihrer sachlichen Art passte, musste er sich widerstrebend eingestehen. Was mochte sich hinter ihrer strengen Erscheinung verbergen …?

Salim betrachtete die straff gebundene Halsschleife ihrer Bluse …

Wie müsste es sein, daran zu zupfen, bis die Bluse vorn auseinanderfiel …?

Als spürte die Besucherin den Weg, den seine Gedanken nahmen, atmete sie schneller, sodass der seidige Stoff sich auf ihren Brüsten bewegte … sie errötete sogar.

Als Frauenkenner waren ihm solche Regungen vertraut. Doch die Frau ihm gegenüber versuchte, sie zu verdrängen. Eine völlig neue Entdeckung …

Ein eisiger Blick traf ihn … sie wollte sich nicht zu ihm hingezogen fühlen.

Das reizte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte. Und machte ihn so neugierig wie die Entdeckung, dass Charlotte McQuillan nichts dagegen hatte, Weihnachten zu verpassen.

Warum wohl?

Aber er hatte es nicht nötig, Frauen neugierige Fragen zu stellen.

Salim bewegte sich unbehaglich auf dem Sessel hin und her, weil ihm die Hose zu eng wurde. Dass er sich für eine Frau interessierte, die in ihm so etwas wie einen ungezogenen Schuljungen sah, irritierte ihn. Abrupt stand er auf.

Autor

Abby Green
<p>Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...
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