Julia Herzensbrecher Band 47

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BERUF: HERZENSBRECHER? von AIMEE CARSON

Carlys Ex hat sie abserviert – per automatischer SMS! Erfinder dieser technischen Gemeinheit ist Hunter Philips. Doch als sie ihn in einer Talkshow trifft, ist sie sprachlos: Hunter flirtet vor laufender Kamera mit ihr. Ist sein Begehren ehrlich oder nur ein PR-Stunt?

NIMM MICH – FÜR IMMER! von NICKI NIGHT

Er will diese Frau! Das weiß IT-Unternehmer Sterling Bishop sofort, als er Jewel auf einem Klassentreffen wiedersieht. Doch sie ignoriert dieses unwiderstehliche Prickeln zwischen ihnen. Wie kann er Jewel von seinen Qualitäten überzeugen?

VORSICHT, CASANOVA! von ANNE OLIVER

Dane Huntington ist ein furchtbarer Casanova – aber ihn abblitzen lassen kann Mariel auch nicht. Dazu prickelt es zwischen ihnen viel zu aufregend! Dann macht Dane ihr einen Vorschlag, der einerseits unmöglich ist – andererseits aber höchst verführerisch …


  • Erscheinungstag 10.08.2024
  • Bandnummer 47
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525510
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Aimee Carson, Nicki Night, Anne Oliver

JULIA HERZENSBRECHER BAND 47

1. KAPITEL

Hunter Philips stand breitbeinig mit verschränkten Armen vor dem Fernseher im Green Room des Fernsehsenders WTDU in Miami und beobachtete seine Kontrahentin. Carly Wolfe lächelte ins Publikum und zum Talkshow-Moderator. Die Wichtigtuerin war hübscher, als er gedacht hatte, mit langem braunen Haar, das ihr über die Schultern fiel. Ihre Beine waren elegant übergeschlagen. Ihr Kleid mit Leopard-Druck wirkte verspielt, war verführerisch kurz und passte zu ihren mörderischen Stöckelschuhen. Ein perfekter Look für die mitternächtliche Live-Talkshow. Doch vor allem, um Männer zu ergebenen Zombies zu machen.

Wahrscheinlich klebte jeder Mann im Sendegebiet gerade am Bildschirm.

Der blonde Talkmaster war ihr offensichtlich schon verfallen. Brian O’Connor lehnte sich hinter seinem Mahagoni-Schreibtisch zurück und lächelte Carly Wolfe an, die ihm schräg gegenübersaß. „Ich fand es hinreißend, wie Sie in Ihrem Blog, wie soll ich sagen … auf kreative Weise versuchen, Hunter Philips zu einem Kommentar zu bewegen, bevor Sie Ihre Geschichte im Miami Insider veröffentlichten. Als Besitzer einer nationalen Sicherheitsfirma hat er wohl keine Zeit für die Presse.“

Ihr Lächeln war warm und offen. „Man sagte mir, er sei sehr beschäftigt.“

„Wie oft haben Sie ihn kontaktiert?“

„Ich habe sechs Mal mit seinem Sekretariat telefoniert.“ Carly Wolfe verschränkte ihre Finger um ihr Knie und lächelte ihren Gesprächspartner verschmitzt an. „Sieben, wenn Sie meinen Versuch mitzählen, bei seiner Firma ein Virenschutzprogramm für mein soziales Netzwerk zu kaufen.“

Der Moderator lachte mit dem Publikum. Er war offensichtlich von seinem Gast verzaubert, was Hunter spöttisch lächeln ließ. Carly Wolfe hatte das Publikum mit ihrer lebensfrohen Art um den kleinen Finger gewickelt.

„Ich bin mir zwar nicht sicher“, sagte Brian O’Connor in seiner sarkastischen Art, die ihn bei seinem jungen Publikum so beliebt gemacht hatte, „aber ich glaube, Hunter Philips’ Firma kümmert sich normalerweise um kompliziertere Fälle als die Sicherheit Ihrer Webseite.“

Ihre Augen funkelten schelmisch. „Das hat mir seine Sekretärin auch zu verstehen gegeben.“

Hunter konnte sich von diesen bernsteinfarbenen Augen und ihrer gebräunten Haut nicht losreißen. Gutes Aussehen hatte er gelernt zu ignorieren, doch in den letzten Wochen hatte ihn ihre Art, ihn um einen Kommentar zu bitten, mehr und mehr fasziniert. Unglücklicherweise waren ihr Sex-Appeal und ihre geistreiche Art eine fast unwiderstehliche Kombination.

Hunter mahnte sich zur Ruhe, während er seine Optionen durchging. Jahre zuvor war er darauf trainiert worden, nicht zu agieren, bis sich der Adrenalin-Level in seinem Körper gesenkt hatte – egal, welche Gefahr drohte. Wie banal, dass die Bedrohung nun in Form einer hübschen Reporterin kam.

Hunter zwang sich, weiter zuzuhören.

Brian O’Connor fuhr fort. „Miss Wolfe, würden Sie den wenigen Menschen in Miami, die Ihre Artikel noch nicht kennen, erzählen, warum Sie so wütend auf Hunter Philips sind?“

„Er hat eine Schluss-Mach-App für Handys entwickelt. Also ein Programm, das automatisch eine Nachricht per Handy versendet, in der dann steht, dass Schluss ist. Den ›Laufpass-Geber‹“, antwortete sie. Das Publikum lachte erneut, und Hunter grinste selbstzufrieden. Sein Partner Pete Booker hatte da wirklich einen guten Namen gewählt. „Per Anrufbeantworter, Textnachricht, sogar via E-Mail“, fuhr sie fort. „Wir alle haben schon einmal einen Korb bekommen.“ Sie wandte sich dem Publikum zu. „Stimmt’s, oder hab ich recht?“

Eine Runde Applaus und Gejohle vom Publikum folgte als Antwort. Hunter verzog sein Gesicht. Er hatte begonnen, nebenher Apps zu designen, weil er ruhelos war – nicht, um seiner Firma ein PR-Problem zu bereiten. Vor allem nicht mit einem Programm, welches er vor über acht Jahren entworfen hatte.

Hunter zwang sich zurück ins Hier und Jetzt und hörte, wie der Talkmaster Carly eine Frage stellte. „Möchten Sie sich noch immer mit Mr. Philips unterhalten?“

„Selbstverständlich“, sagte Carly Wolfe. „Ich sehne mich danach, ihn zu treffen – sei es auch nur für eine Minute.“ Sie wandte sich erneut dem Publikum zu. „Was denkt ihr? Soll ich Mr. Philips weiter hinterherlaufen und um einen Kommentar bitten?“

Das Publikum wollte Hunter hängen sehen, so viel war klar, und seine Muskeln spannten sich, als er das Gejohle hörte.

Vor langer Zeit war ihm bereits einmal der Schwarze Peter zugeschoben worden – wegen einer anderen hübschen Reporterin, die eine Geschichte gebraucht hatte. Diesmal würde er das nicht zulassen – komme, was wolle.

Ein Assistent betrat das Zimmer. „Mr. Philips? Sie sind in einer Minute dran.“

Carly entspannte sich während der Werbepause in ihrem Sessel. Sie hoffte, dass Hunter Philips die Sendung verfolgte und sah, dass sich das Publikum über seine entwürdigende App ebenso aufregte wie sie.

Entwürdigende Momente wurden so langsam zu ihrem Spezialgebiet. Gab es überhaupt noch jemanden, der in seinem Leben nicht kalt abserviert worden war? Doch die Erinnerung an Jeremys Nachricht via Schluss-Mach-App ließ Carlys Blut immer noch kochen. Über eine einfache Textnachricht wäre sie schnell hinweg gewesen. Als sie durch einen Zeitungsartikel erfahren hatte, dass Thomas mit ihr Schluss gemacht hatte, um seine Finanzen abzusichern – das war nur peinlich und beinahe komisch gewesen. Aber dieser Laufpass-Geber war einfach nur herzlos. Und vor allen Dingen so unreif.

Und wie furchtbar wäre es erst gewesen, wenn sie wirklich verliebt gewesen wäre?

Sie würde das Hunter Philips nicht durchgehen lassen. Er würde sein Geld mit etwas anderem verdienen müssen, nicht damit, andere Menschen zu verletzen.

Als die Werbepause zu Ende war, sagte der Moderator: „Wir haben heute glücklicherweise einen überraschenden Anruf erhalten. Miss Wolfe, Ihr Wunsch wurde erhört.“

Carly hielt überrascht inne, ihr stockte für einen Moment der Atem, als der Talkmaster fortfuhr.

„Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie nun mit mir den Erfinder der Schluss-Mach-App – Mr. Hunter Philips.“

Carly war völlig baff. Na toll. Nachdem sie Hunter Philips wochenlang hinterhertelefoniert hatte, stellte er sich ihr nun auf einmal, wenn sie es am wenigsten erwartete. Was für ein Schuft.

Sie ärgerte sich, dass sie sein Verhalten insgeheim bewunderte, und zwang sich dazu, tief durchzuatmen, als der Mann zum Applaus des Publikums die Bühne betrat. Er trug eine dunkle Hose und ein schwarzes, langärmeliges Hemd, unter dem sich eine muskulöse Brust abzeichnete. Musste das sein? Er erwischte sie schon kalt genug, und nun sah er auch noch so gut aus?

Sein Haar war dunkel und kurz an den Seiten, und gerade lang genug, um noch gut auszusehen. Groß, kraftvoll, grazil, seine Bewegungen zeugten von einer Entschlossenheit, und dennoch wirkte er gelassen – wie ein Panther auf dem Sprung.

Carly ahnte, dass sie sein Opfer werden konnte.

Brian O’Connor stand auf, um ihn zu begrüßen. Der Applaus ebbte ab, als Hunter sich neben ihr auf die Couch setzte. Carly spürte, wie sich das Leder unter ihr leicht senkte … ihr Bauch zog sich krampfhaft zusammen.

Der Host begann. „Also, Mr. Philips …“

„Hunter.“

Die Stimme des Mannes war sanft und dennoch klar wie Stahl und ließ Carly alarmiert aufmerken. Dieser Mann war mit allen Wassern gewaschen. Doch nach allem, was sie versucht hatte, um ihn zu sprechen, konnte sie sich jetzt nicht einschüchtern lassen.

Der Talkmaster setzte erneut an. „Hier in Miami hat man Miss Wolfes Blog aufmerksam verfolgt, wie sie auf verschiedene Weisen versucht hat, Sie um eine Stellungnahme zu bitten. Was hielten Sie denn von ihren Versuchen?“

Hunter Philips wandte sich ihr zu, seine blauen Augen funkelten Carly an. Sie war auf einmal starr wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

Hunter lächelte. Nur leicht. Versteckt. „Ich war enttäuscht, dass wir uns nicht um Ihre Webseite kümmern konnten“, erklärte er trocken. „Und noch trauriger machte mich, dass ich die Karten für das Star Trek-Treffen, die Sie mir zur Bestechung geschickt hatten, nicht nutzen konnte.“

Ein amüsiertes Kichern ging durch das Publikum – da man sich Hunter Philips unmöglich auf solch einer Veranstaltung vorstellen konnte.

Brian O’Connor kicherte. „Gutes Geschenk.“

Hunter Philips betrachtete Carly spöttisch. „Nicht wirklich. Star Trek ist nicht so mein Ding.“

Innerlich rüttelte Carly sich wach. Das ist deine Gelegenheit, Carly. Bleib cool. Bleib locker. Und lass dich um Himmels willen nicht wieder von deinen Gefühlen leiten.

Sie versuchte es mit ihrem besten entwaffnenden Lächeln, das normalerweise wirkte, obwohl sie schon ahnte, dass dieser Kerl nicht normal war. „Science-Fiction ist nicht Ihr Ding?“

„Ich bevorzuge Krimis und Thriller …“

„Natürlich tun Sie das.“ Selbstverliebt also. „Nächstes Mal werde ich mich daran erinnern.“

Er schmunzelte spöttisch. „Es wird kein nächstes Mal geben.“

„Schade.“ Bei seinem Blick lief es ihr kalt den Rücken runter, aber sie zwang sich, ihm nicht auszuweichen. „Es hat zwar nichts gebracht, Ihnen hinterherzulaufen, aber es hat Spaß gemacht.“

Der Talkmaster kicherte. „Mir gefiel Ihr Versuch, als singender Kuchen vorgelassen zu werden.“

„Damit kam ich nicht einmal am Sicherheitsdienst vorbei“, sagte Carly trocken.

Hunter schaute sie weiterhin skeptisch an, als er zum Talkmaster sprach. „Mir gefiel am besten, als sie sich online für eine Stelle in meiner Firma bewarb.“

Carly schluckte ihre Wut hinunter und lächelte ihn mit einem falschen Lächeln an. „Ich dachte, mit einem Bewerbungsgespräch käme ich an Sie persönlich ran.“

„Jetzt sind Sie ja persönlich an ihm dran“, warf Brian O’Connor verschmitzt ein.

Carly musste sich zusammenreißen. Hunters Blick glitt abschätzig über ihren Körper und ihre Lippen, bevor er wieder in ihre Augen schaute. „Ich kann sehen, warum Ms. Wolfes Charme im persönlichen Kontakt erst voll zur Geltung kommt.“

Carly hatte Mühe, ihren Ärger zu verbergen. Der Kerl checkte sie nicht nur aus – er warf ihr auch noch vor, mit ihm zu flirten. Und nach seinem Ausdruck zu urteilen, fand er sie einfach nur lästig. Dabei war sie einfach von Natur aus so. Sie mochte Menschen. Vor allem interessante Menschen. Und sie fand Hunter Philips nun einmal leider sehr interessant.

„Nun …“ Sie versuchte, gelassen und ruhig zu wirken. „Während Sie sich aufs Versteckspiel spezialisieren, bin ich gut in der direkten Gegenüberstellung.“

„Ja.“ Sein Ton war zugleich vorwurfsvoll und erotisch, und ihr ganzer Körper wurde heiß. „Das kann ich mir vorstellen.“

Sie biss sich auf die Unterlippe. Wenn man ihr schon vorwarf, aus Berechnung zu flirten, dann konnte sie es auch auskosten. Sie wandte sich ihm zu und kreuzte ihre Beine in seine Richtung, wobei ihr Kleid höher rutschte als geplant. „Und Sie?“, fragte sie ihn so unschuldig wie möglich.

Er schaute nur kurz, aber schockiert an ihr herunter und warf ihr danach einen anerkennenden Blick zu. Während ihr Herz in ihrer Brust pochte, schien er cool und nüchtern, als er fortfuhr. „Das hängt davon ab, wer mich herausfordert.“

Sie war sich nicht sicher, ob er sie attraktiv fand. Wenn dem so war, konnte er es gut verbergen.

„Ich stelle mich gerne jemandem, den ich für interessant und gescheit halte“, fuhr er fort. Sie hatte den Eindruck, er meinte sie. Und dennoch wirkte es … nicht wie ein Kompliment. „Der chiffrierte Lebenslauf, den Sie meinem Büro schickten, war interessant und kreativ. Der Code war einfach zu entschlüsseln, doch …“ Er nickte anerkennend in ihre Richtung, „… eine geniale Idee, sicherzustellen, dass er direkt in meinen Händen landen würde.“

„Ich nahm an, jemand wie Sie, dem Sicherheit sehr am Herzen zu liegen scheint, würde den Versuch zu schätzen wissen.“

„Dem war auch so.“ Das gekünstelte Lächeln in seinem Gesicht mahnte sie zur Vorsicht. „Doch mein Schweigen war Ihnen wohl nicht Antwort genug.“

„Ein schlichtes ›Nein‹ hätte genügt.“

„Ich bezweifle, dass Ihnen das genügt hätte.“ Er sah sie wissend an, als ob er ihre Gedanken lesen konnte. Was sie umso mehr ärgerte, da er recht hatte – sie hätte auch dann nicht aufgegeben. „Und da ich Ihnen das Treffen verwehrt habe, bringe ich Ihnen auch Ihren geheimen Decoderring zurück – ich kann ihn nicht annehmen.“

Unter dem Gelächter der Zuschauer hielt Hunter ihr den kleinen Ring hin. Sie bemerkte ein Glitzern in seinen Augen – anscheinend hatte er sich über ihre Versuche, mit ihm Kontakt aufzunehmen, sehr wohl amüsiert.

Sie sah ihn einfach nur perplex an.

Hunter streckte ihr den Ring immer noch entgegen. „Ich bin überrascht, dass Sie sich keine Mitgliedschaft in meinem Boxklub besorgt haben.“

Er klang beinahe enttäuscht darüber.

Schnell wieder gefasst lächelte sie und hielt ihre Hand auf. „Wenn ich gewusst hätte, dass Sie bei so etwas Mitglied sind …“ Er legte den Ring in ihre Hand, warme Finger berührten ihre Haut. Die Spannung, die sie spürte, entlud sich in einer Gänsehaut und darin, dass ihre Stimme heiser wurde. „Ich wäre gekommen.“

„Davon gehe ich aus“, flüsterte er.

Carly hatte den Eindruck, dass er alles an ihr erfasste und dann in seinem Gedächtnis katalogisierte und speicherte. Zu welchem Zweck, wusste sie nicht. Bei dem Gedanken lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Gefangen in seinem Blick, suchte Carly nach einer Antwort, doch da verkündete Brian O’Connor schon die nächste Werbepause.

In der Pause lehnte sich Hunter zu ihr herüber. „Warum verfolgen Sie mich, Ms. Wolfe?“

Mutig hob sie das Kinn. „Ich werde Sie dazu bringen, öffentlich zuzugeben, dass Ihre bösartige App zu nichts taugt.“

Überlegt neigte er den Kopf. „Damit werden Sie kein Glück haben.“

Sie ignorierte seine Antwort und lächelte ihn kalt an. „Und zu guter Letzt werden Sie sie vom Markt nehmen, damit niemand mehr darunter leidet.“

Sein unheimliches Lächeln war wieder da. „Ich frage mich, wie viel Körpereinsatz Sie für dieses Ziel noch zeigen werden.“

Er wollte sie offensichtlich aus der Fassung bringen. Sie riss sich zusammen. „Welche Körperteile wären denn am wirksamsten?“

„Ich lasse mich gerne inspirieren.“

„Vielleicht mein Mittelfinger?“

Er musterte ihre Brüste. „Ich bevorzuge rundere, weichere Formen. Obwohl Ihre scharfe Zunge auch etwas für sich hat.“

Sie wollte ihm gerade die Zunge rausstrecken, als seine Augen wieder in die ihren blickten – und ihr schlicht und einfach die Luft wegblieb.

Zum Glück war die Werbepause in diesem Moment zu Ende. Um ihre Gedanken zu ordnen, wandte sie sich von ihm ab, als Brian O’Connor sie ansprach.

„Nun haben Sie ja Hunters Aufmerksamkeit. Was wollen Sie ihm denn sagen?“

Geh zur Hölle, fiel ihr ein. Leider war das hier kein Kabelkanal – fluchen ausgeschlossen.

„Im Namen aller Betroffenen möchte ich Ihnen persönlich für die Erfindung der wunderbaren App danken – und für seine Schlussmach-Nachricht: ›Das war’s dann, Schätzchen.‹ Sie sind ein wahrer Dichter.“

„Sie lassen sich leicht beeindrucken.“

„An dem Spruch haben Sie sicherlich Stunden gesessen.“

Hunter sah aus, als musste er sich zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen. „Nur ein paar Sekunden. Aber immerhin ist er kurz und prägnant.“

„Oh, verdammt prägnant.“ Sie wandte sich ihm nun direkt auf der Couch zu. „Doch das Beste an der Erfindung ist ja, dass sie gleich Ihrem gesamten sozialen Netzwerk mitteilt, dass Sie wieder Single und zu haben sind.“ Sie lächelte ihn zuckersüß an. „Nette Funktion.“

„Finde ich auch“, pflichtete er ihr bei, als ob sie das ernst gemeint hätte.

„Es spart sicherlich Zeit“, sagte der Moderator in einem Versuch, sich wieder in die Unterhaltung einzuschalten.

Hunters Blick wich nicht von Carly. „Ich weiß Effizienz zu schätzen.“

„Sicher tun Sie das.“

„Wir leben in einer schnelllebigen Welt.“

„Vielleicht zu schnelllebig“, schoss sie zurück. Sie bemerkte, dass er Brian O’Connor total ignorierte. Doch sie war zu sehr in dieses Rededuell vertieft, als dass es ihr etwas ausgemacht hätte.

„Wissen Sie, welche Funktion ich an Ihrer App am liebsten mag?“ Sie legte den Arm auf die Couch und lehnte sich zu ihm hinüber. Sein Duft füllte ihre Sinne. „Die Palette an Liedern, die man begleitend zur Auswahl hat.“

Der Talkmaster meldete sich wieder. „Mit mir hat mal jemand zu Tschaikowskys Nussknacker Schluss gemacht“, warf er ein und schüttelte sich, um das Publikum zum Lachen zu bringen.

Sie blickte an Hunter vorbei zu Brian O’Connor und fragte voller Sarkasmus. „Mr. Philips ist sehr clever, nicht wahr?“ Doch ihr Blick landete irgendwie wieder bei Mr. Schlussmacher.

„Ich heiße Hunter“, erinnerte er sie süffisant. „Und welchen Song hat Ihnen Ihr Ex-Freund geschickt?“

„Das war was ganz Besonderes. ›How Can I Miss You When You Won’t Go Away?‹“

Das Publikum lachte, und Brian O’Connor sagte: „Obskur. Obskur und ziemlich fies.“

„Und weshalb schreiben Sie in Ihrer Kolumne im Miami Insider nun schlecht über mich?“, fragte Hunter und zog damit wieder die Aufmerksamkeit auf sich. „Auf Ihren Ex-Freund scheinen Sie gar nicht so wütend zu sein.“

„Wir waren nicht lange zusammen. Es war nichts Ernstes.“

Er blickte nicht von ihr weg. „Das kann ich nur schwerlich glauben.“

„Warum?“

„Die Hölle selbst kann nicht wüten wie eine verschmähte Frau.“

Auf einmal wurde ihr klar, dass er begonnen hatte, nun sie zu attackieren. Hintenrum und versteckt, um nicht den Zorn des Publikums auf sich zu ziehen. Die Spannung zwischen ihnen beiden war nun beinahe mit Händen zu greifen. Brian O’Connor schwieg und schaute genussvoll zu.

„Das hier hat nicht mit einem persönlichen Rachezug zu tun.“

„Ihre Liebe ist nicht in Hass umgeschlagen?“, frotzelte Hunter.

„Ich glaube nicht, dass ich schon einmal verliebt war.“ Obwohl sie einmal nah dran gewesen war.

„Tut mir leid, das zu hören.“

Sie tat überrascht. „Wieso? Nimmt das Ihrer schadenfreudigen App den Kick?“

„Überhaupt nicht.“

„Oder benutzen Sie Ihre App persönlich, um mit all Ihren Freundinnen Schluss zu machen?“

„Ich bin kein Schwerenöter.“

Sah er sie etwa gerade an, als ob sie sich durch sämtliche Betten der Stadt wälzte?

Er tat so, als suchte er nach den richtigen Worten. „Ich bin in der Hinsicht eher wählerisch. Außerdem bin ich nicht nachtragend.“

Sie sehnte sich danach, diesem coolen, selbstsicheren Typen eine zu verpassen. „Glauben Sie mir: Wenn ich mich an meinem Ex hätte rächen wollen, dann hätte ich Sie da rausgehalten.“

„Warum tun Sie es dann nicht?“

„Das Schlussmachen an sich war nicht schlimm.“ Sie hatte alle Mühe, sich zusammenzureißen, aber hielt seinem Blick stand. „Es war die Art und Weise. Und es ist Ihre App.“

„Das stimmt“, sagte er entspannt.

Seine umgängliche Art ging ihr so unendlich auf die Nerven. Er wusste genau, dass sie ihn nicht an den Pranger stellen konnte, wenn er so liebenswürdig reagierte. „Mein Freund war einfach ein Feigling. Sie jedoch …“, Carly versuchte, ruhig zu bleiben, um ihn aus der Reserve zu locken. „Sie nutzen niedere menschliche Triebe aus, um sich zu bereichern.“

Widerlich, wenn es nach ihr ging.

Hunters kühler, harter Blick blieb starr – genau wie Thomas’ Blick, als er um seiner Karriere willen mit ihr Schluss gemacht hatte. Hunters kontrolliertes Lächeln machte sie wahnsinnig.

„Leider ist das die menschliche Natur“, sagte er. Er zog eine Augenbraue hoch, bevor er schloss: „Vielleicht sind Sie einfach etwas zu naiv.“

Das tat ihr vor allem weh, da sie sich das schon mal hatte anhören müssen – von den zwei Männern, die ihr am meisten bedeutet hatten. Und Hunter Philips gehörte zur gleichen herzlosen Kategorie wie ihr Vater und Thomas – bei denen nur Härte zählte, wo Geld regierte – und für die Erfolg das Wichtigste war.

Sie war am Ende ihrer Geduld. „Das ist nichts als eine peinliche Ausrede, da Sie auch nicht nur einen Funken Anstand besitzen und diesen auch im Rest der Menschheit ausrotten wollen.“

Die Worte hallten in der folgenden Stille nach, und Carly zuckte zusammen.

Na perfekt, Carly. Mit solch einem theatralischen Konter stempeln sie dich nun als Verrückte ab.

Und wieder einmal hatte sie die Beherrschung verloren. Verflixt, hatte sie in den letzten drei Jahren denn gar nichts gelernt?

Hunter zeigte keine Reaktion. Doch in seinen Augen sah sie es: Er freute sich über ihren Ausraster. „Wollen Sie sagen, dass ich am Verfall der Menschheit schuld bin?“ Er runzelte die Stirn. „Das ist ein ziemlich großer Vorwurf für eine kleine, unbedeutende App.“ Er wandte sich dem Publikum mit einem kleinen Lächeln zu. „Wenn ich gewusst hätte, wie wichtig sie ist, hätte ich mir beim Entwerfen mehr Zeit genommen.“

Eine Woge Gelächter ging durchs Publikum, und Carly wurde klar, dass sich ihre Rolle der beherzten Journalistin zur bitteren, sitzen gelassenen Ex-Freundin gewandelt hatte – die einen Schuss hat.

Hunter wandte sich ihr wieder zu. Sie fühlte sich so geschlagen, so frustriert. Er war gekommen, hatte sie auseinandergenommen und besiegt. Er war nicht nur ein außergewöhnlich cooler Computerexperte – er war viel mehr als das. Gefährlich. Schlau.

Doch warum hatte Hunter solch eine App entworfen? Das passte überhaupt nicht zu dem kontrollierten Mann, mit dem sie sich gerade Wortgefechte geliefert – und verloren hatte.

„Leider sind wir am Ende der Sendung“, sagte der Showmaster enttäuscht.

Hunter ließ sie nicht aus den Augen – ein Blick von Gewinner zu Verliererin.

„Schade, dass wir das nicht wiederholen können“, sagte sie provokant und hielt Hunters Blick stand. „Ich würde gerne wissen, was ihn dazu inspiriert hat, diese bescheuerte App zu entwickeln.“

Und zum ersten Mal sah sie etwas aufflackern in seinen Augen – sie war sich nicht sicher, ob es Hass oder Furcht war.

Und dann überraschte sie der Moderator. „Das würde ich auch gern wissen.“ Er wandte sich dem Publikum zu. „Interessiert Sie das auch?“ Das Publikum tobte, und Brian O’Connor war auf einmal Carlys bester Freund. „Wären Sie ein weiteres Mal dabei, Carly?“

„Unbedingt.“ Sie wandte sich erneut Hunter zu, mit weicher Stimme, wie immer, wenn sie versuchte, ihre Wut zu verbergen. „Doch Mr. Philips ist sicher zu beschäftigt, um wiederzukommen.“ Sie wünschte sich, seine Selbstbeherrschung zu besitzen. Er saß vollkommen still da. Doch er musste irgendwo hinter dieser Fassade gerade nach einem Ausweg suchen. Dieser Gedanke bereitete ihr für einen Moment Freude, doch dann schockierte er sie mit seiner Antwort.

„Klar, wenn Sie dabei sind.“

2. KAPITEL

Ein zweites Mal? Wieso hatte er sich darauf eingelassen?

Nach einer kurzen Unterhaltung mit dem Produzenten ging Hunter auf den Ausgang zu. Er hatte sich ein Ziel gesetzt und es erfüllt. Carly Wolfe hatte gut dagegen gehalten, aber letztlich doch verloren. Hunter hätte also triumphierend nach Hause gehen können.

Doch als der Talkmaster ein weiteres Rededuell vorschlug, hatte Hunter in Carlys bernsteinfarbene Augen geblickt – und gezögert. Ihre schlagfertigen sarkastischen Antworten machten Spaß. Und als sie ihn mit ihrem charmant-hinterhältigen Lächeln zu einer Revanche aufgefordert hatte, hatte er einfach nicht anders gekonnt. Welcher Mann konnte dieser hinreißenden Frau schon widerstehen – vor allem, nachdem sie ihm so dreist ihre Beine vorgeführt hatte?

Er hatte keine Sorge, dass er in der nächsten Sendung den Kürzeren ziehen würde, denn vor laufender Kamera würde er ihr nicht verfallen. Diese süße, hitzige Frau war ein Problem, doch nichts, mit dem er nicht fertig werden würde. Er hatte schließlich schon einmal mit einer schönen Reporterin zusammengelebt. Und das hatte sehr übel geendet …

Aus nichts lernte man so gut wie aus Negativbeispielen. Daran würde auch Carlys Aussehen nichts ändern.

Plötzlich hörte er Carly seinen Namen rufen, und im nächsten Moment war sie auch schon gleichauf mit ihm Richtung Ausgang.

Sie bemühte sich, in ihren hohen Schuhen mit ihm Schritt zu halten. „Interessant, dass Sie nicht mal fünf Minuten Zeit für mich hatten.“ Ihr Lächeln wirkte aufgesetzt. Einen verrückten Moment lang vermisste er ihre natürliche Wärme, die ihm zu Beginn der Sendung aufgefallen war. Bis er neben ihr Platz genommen hatte. „Und nun erscheinen Sie auf einmal mitten in der Talkshow, Mr. Philips.“

Er ignorierte ihren verführerischen Zitrusduft. „Hunter“, sagte er nur.

Sie warf ihm einen ungläubigen Blick zu und hielt Schritt mit ihm. „Warum bestehen Sie darauf, dass ich Sie mit Vornamen anrede? Soll das umgänglicher wirken?“

Er musste sich ein Lächeln verkneifen. „Sie sind ja nur sauer, weil Sie verloren haben.“

„Wochenlang waren Sie zu beschäftigt, um mir auch nur ein paar Minuten Ihrer Zeit zu schenken. Und nun kommen Sie hier hereingeschneit und willigen sogar in eine zweite Show ein? Warum?“

„Vielleicht haben Sie mich ja verzaubert.“

„Selbst Aphrodite würde das nicht fertigbringen“, sagte sie. „Also, warum?“

„Der Zeitpunkt stimmte.“

Sie stellte sich vor ihn und zwang ihn, anzuhalten. „Samstag um Mitternacht? Sie müssen nach Ihrer Arbeitswoche völlig erschöpft sein, all diese Firewalls und herzerwärmenden Apps schreiben sich nicht von selbst. Ich hoffe, es lohnt sich wenigstens finanziell.“

„Mein Verdienst ist ausgezeichnet.“

Er sah ihr an, dass sie das nur noch wütender machte. Doch vor acht Jahren hatte er sein Leben mit großer Mühe wieder aufgebaut. Der Hauptnutzen seines Unternehmens war es, Geld zu machen, und er sah keinen Grund, sich dafür zu entschuldigen.

„Was mich wirklich interessiert, ist …“ Sie trat auf ihn zu, und auf einmal war dieses Kribbeln wieder da, was ihn in ihrer Nähe so verrückt machte. „Wie viel haben Sie mit dieser App verdient?“

„Weniger, als Sie denken.“

„Das würde mir schon reichen.“

Er sah sie provozierend an. „Was wäre denn Ihr Preis, Ms. Wolfe?“

Sie stemmte empört die Hände in die Hüfte. „Wie tief können Sie noch sinken?“

Diesmal machte er sich nicht die Mühe, sein Lächeln zu verbergen. „Das hängt davon ab, wie motiviert ich bin. Je höher Sie Ihr Kleid rutschen lassen, desto tiefer kann ich sinken.“

„Und was hätte ich davon?“, fragte sie mit einem sarkastischen Lächeln. „Sie sind doch nicht der Typ Mann, der sich von so etwas verzaubern lässt.“

Das konnte er sich allerdings wirklich nicht erlauben. Er würde es nicht zulassen, sich zwei Mal innerhalb eines Jahrzehnts von einer Frau ausnutzen zu lassen. Es fiel ihm allerdings nicht leicht, Carlys sonnengebräunte Haut, ihr glänzendes Haar und ihre tolle Figur unter dem körperbetonten Kleid zu ignorieren.

Sie lehnte sich zu ihm herüber, um seine volle Aufmerksamkeit zu erhalten. Als ob sie diese nicht schon hatte. „Ich warte auf Ihre Antwort.“

„Auf welche Frage? Ob ich mich von einer berechnenden Frau durch Flirten manipulieren lasse oder ob ich herzlos bin?“

„Oh, herzlos sind Sie ganz sicher. Aber wissen Sie, was ich noch denke?“

Hunter blickte Carly an und wurde sich bewusst, wie eng ihm diese Frau in den letzten Wochen auf den Fersen gewesen war. Er hatte sich während der Sendung zurückgehalten, um das Publikum nicht gegen sich aufzubringen. Doch jetzt, wo sie allein waren, konnte er kontra geben. „Was denken Sie denn noch?“

Einen Moment wirkte sie unsicher, doch dann sagte sie: „Ich denke, dass Sie ein kaltherziger Mistkerl sind, dem es nur um den eigenen Profit geht. Ich kann Menschen wie Sie nicht ausstehen.“

Er antwortete mit sehr leiser und scharfer Stimme. „In dem Fall hätten Sie mich nicht herausfordern sollen.“

Sie schob ihr Kinn ein wenig empor. „Das ist mir leider so rausgerutscht.“

„Verlieren Sie öfter so die Beherrschung?“

Sie holte tief Luft, als ob sie sich zusammenreißen musste. „Ich bereue nichts.“

„Noch nicht, zumindest.“

„Und Sie sind heute Abend nur in der Sendung aufgetaucht, um Gratiswerbung für Ihre App zu machen.“

„Und dafür habe ich Ihnen zu danken.“

Seine Antwort machte sie offensichtlich noch wütender. „Wenn Sie von dem heutigen Abend finanziell so profitiert haben, sollten Sie mir wenigstens Blumen schicken.“

Zum ersten Mal war sein Lächeln ehrlich. „Das mach ich vielleicht auch.“

Ihre Lippen bebten, als ob sie sich zusammenreißen musste, die Beherrschung nicht zu verlieren. „Orchideen, keine Rosen. Ich mag es originell.“

Sie kreuzte die Arme, was – willentlich oder nicht – ihre Brüste noch mehr zur Geltung brachte.

„Ich bin schwer zu beeindrucken.“

Als er sie so vor sich stehen sah, wurde ihm klar, warum er sich auf ein weiteres Duell mit ihr eingelassen hatte. Er genoss ihre Gegenwart einfach zu sehr. Doch das konnte er sich nun – trotz all seines Geldes – auf gar keinen Fall leisten.

Er drängte sich an ihr vorbei in Richtung Ausgang. „Das werde ich mir merken.“

Am Montagnachmittag bahnte sich Hunter seinen Weg durch die überfüllte, opulente Lobby der SunCare-Bank. Sein Handy klingelte, er erkannte die Nummer und nahm ab. „Ich habe SunCare gerade das Angebot gemacht. Hattest du nicht auch hier sein wollen?“

Du bist doch der mit dem Verhandlungsgeschick“, sagte sein Geschäftspartner. „Ich hingegen bin lausig im Umgang mit Klienten.“

„Vielleicht weil du erwartest, dass jeder dein Binärcode-Geschwafel versteht.“

„Das ist die Sprache der Zukunft, mein Lieber“, sagte Peter Booker. „Und was mir bei sozialer Kompetenz abgeht, mache ich bei der Fehlerbehebung unserer plattformübergreifenden Verschlüsselungssoftware wieder wett. Ich bin nämlich schon fertig damit, also bitte: Ehre, wem Ehre gebührt.“

Hunter unterdrückte ein Grinsen. Sein Freund, ein Genie und Computer-Freak, hasste Besprechungen jeder Art. Hunter war zwar mit seinem Fachgebiet der Internetsicherheit vertraut, doch Bookers Fähigkeiten grenzten an Magie. Leider hatte Mutter Natur ihm zwar mathematisches Genie, doch kein Talent im Umgang mit Menschen geschenkt. Also kümmerte Hunter sich um die Kunden. Das System funktionierte, und es gab niemanden, dem Hunter mehr vertraute als Peter.

„Aber deswegen rufe ich dich nicht an. Ich rufe an, um dir zu sagen, dass es Ärger gibt.“

Da Hunter bereits diverse Verschwörungstheorien seines Freundes gehört hatte, blieb er zunächst cool. „Mehr Ärger als mit den geheimen, lautlosen, schwarzen Helikoptern?“

„Mach dich nur witzig, Hunter. Wenn Big Brother dich mit denen abholen kommt, wirst du nicht mehr lachen.“

„Dann werde ich nicht mehr lachen.“

„Interessieren dich meine Neuigkeiten überhaupt?“

„Nur, wenn es um eine weitere Elvis-Sichtung geht.“

„Nichts da. Es geht um Carly Wolfe.“

Hunter stockte, als der Name dieser überaus charmanten Landplage fiel, bevor er die Ausgangstür aufdrückte und sich unter die Menschenmassen auf dem Bürgersteig mischte. „Erzähl.“

„Auf deinen Vorschlag hin habe ich mal ein wenig nachgeforscht und rausgefunden, wer ihr Vater ist – William Wolfe, Gründer und Besitzer von Wolfe Broadcasting. Du weißt schon – dem diverse Medienunternehmen gehören.“ Booker machte eine bedeutungsvolle Pause. „Inklusive dem WTDU TV-Sender.“

Hunter stoppte alarmiert und ließ die Menge an sich vorbeiströmen. Er hatte sich gerade erst von seinem letzten Aufeinandertreffen mit Carly Wolfe erholt. Doch nun hatte sie das Potenzial, ihm noch viel größere Kopfschmerzen zu bereiten, als er angenommen hatte. „Dem Sender mit der Brian O’Connor Show“, sagte er bedächtig.

„Eben dieser“, bestätigte Peter.

Hunter atmete bewusst langsam aus. Bislang hatte er angenommen, dass Carly Wolfes entwaffnende Ehrlichkeit nicht aufgesetzt gewesen war. Ganz im Gegensatz zu seiner Ex, die ihn hinter seinem Rücken manipuliert hatte. Und obwohl er und Carly in ihrem Geplänkel keine Regeln festgesetzt hatten, hatte er ihr doch irgendwie getraut.

Doch damit war nun Schluss. Sie hatte sich den Weg in die Talkshow nicht mit Charme erkämpfen müssen. Nein, sie hatte einfach nur ihren Daddy angerufen. Was für eine Enttäuschung!

„Die nächste Sendung ist nicht das wirkliche Problem“, sagte Booker. „Mit solchen Verbindungen könnte sie uns auf ewig eine Schlammschlacht bieten. Und das könnte unserem Geschäft auf Dauer schaden.“

Hunters Mundwinkel zuckte nervös. Bei Firewall, Inc. ging es nicht nur um Geld und Erfolg. Er hatte sich mit der Firma auch neu definiert, nachdem man ihm seine alte Identität genommen hatte. Booker lauschte dem Schweigen am anderen Ende der Leitung.

„Ich hoffe, du hast einen Plan diesbezüglich“, fuhr Booker fort, „denn mir fällt dazu partout nichts ein.“

Wie üblich lag die ganze Verantwortung bei Hunter. Doch vor acht Jahren hatte außer Booker niemand zu ihm gestanden, niemand hatte ihm mehr getraut. Ohne diese Loyalität hätte Hunter für sich nie ein erfolgreiches Unternehmen, geschweige denn ein neues Leben aufbauen können.

Hunter zwang sich zur Ruhe. „Ich kümmere mich drum.“

Er wusste nicht wie, doch er würde sich mit Carly Wolfe auseinandersetzen müssen.

Nachdem er Carly Wolfe in ihrem Büro nicht antraf und ihm eine Mitarbeiterin im Grufti-Look einen Tipp gegeben hatte – fand sich Hunter zwei Stunden nach Brokers Anruf in einer heruntergekommenen Gegend Miamis voller baufälliger Lagerhallen wieder. Was dachte Carly sich dabei, hier jemanden zu interviewen? Es war weit entfernt vom modernen, hippen Teil Miamis, und ihm war nicht wohl in dieser Gegend.

Hunter hielt vor dem Gebäude mit der richtigen Adresse und parkte hinter einem blauen Mini Cooper, der recht neu war und absolut nicht hierher passte. Er stellte den Motor ab und entdeckte Carly, die telefonierend eine Seitengasse entlang Richtung Auto lief.

Seine Freude wich einer düsteren Vorahnung, als zwei Männer Mitte zwanzig aus einem Eingang hervorkamen und Carly zu folgen begannen. Es waren zwei mächtige Kerle, und ihre Gesichter waren unter den Kapuzenpullis nicht auszumachen.

Sie holten zu Carly auf und grölten ihr hinterher. Hunters Körper schaltete von gespannt aufmerksam in den Kampfmodus.

Schöne Bescherung.

Den Streit mit Carly vergessen und den Körper voll Adrenalin, griff Hunter in das Handschuhfach.

„Abby“, sprach Carly in ihr Handy, während sie sich das andere Ohr zuhielt, um den Lärm der Stadt besser auszublenden. „Ganz langsam. Ich verstehe kein Wort.“

„Er ist hier im Büro vorbeigekommen und wollte wissen, wo du bist.“ Abby klang verschwörerisch. „Das wird Ärger geben.“

Carly musste grinsen. Auf Abbys Pessimismus konnte man sich verlassen. Abby hatte ihr auch prophezeit, dass sie nach dem Interview mit den zwei Graffitikünstlern geknebelt in einem Kofferraum landen würde, und dennoch war alles gut gegangen. Die beiden hatten vielleicht wie Gangster ausgesehen, waren aber nun mal außergewöhnlich talentiert.

Wer ist gekommen?“

„Hunter Philips.“

Carlys Herz setzte für einen Moment aus, bevor es mit doppelter Geschwindigkeit weiterschlug. Ihr Handy fest umklammert, bemühte sie sich um Klarheit. „Was hast du ihm gesagt?“

„Carly, es tut mir leid!“, sagte Abby mit einem Seufzer. „Ich hab ihm gesagt, wo du steckst. Er hat mich einfach … überrascht. Und er ist so … so …“

„Schon klar.“ Carly unterbrach ihre Freundin, bevor diese sich in noch weiteren Ausflüchten verirren konnte.

„Du weißt schon!“, sagte Abby, und Carly war erleichtert, dass dieser Kerl nicht nur bei ihr so einen Eindruck hinterlassen hatte.

Er war zu kantig und zurückhaltend, um als charmanter Playboy abgestempelt werden zu können. Und für einen Bad Boy zu kontrollierend. Wenn man über seinen eiskalten Blick hinwegsah, war er verboten schön und so verführerisch, dass Carly sich am Morgen nur mit Mühe auf ihren Bericht über einen neuen Nachtklub konzentrieren hatte können. Nur ein weiterer Artikel in einer Reihe von faden Geschichten über Klubs, Galerien oder die neuesten dämlichen Trends. Wie sollte man sich schon auf so etwas konzentrieren, nachdem man Hunter Philips begegnet war?

Heute Abend jedoch würde sie sich hoffentlich auf ihren Bericht über die Graffitikünstler konzentrieren können. Noch einer, den ihr Boss wahrscheinlich nicht drucken lassen würde.

„Danke für die Warnung, Abby.“

„Sei vorsichtig, ja?“

Carly versicherte es ihr und legte auf, immer noch so eingenommen von dem Versuch, nicht an Hunter Philips zu denken, dass sie nicht schnell genug auf den Mann reagieren konnte, der ihr nun in den Weg trat. Erst im letzten Moment erkannte sie Hunter Philips.

Doch damit nicht genug – Hunter schlang nun auch noch einen Arm um ihre Hüfte und zog sie neben sich. Carly wusste nicht, wie ihr geschah.

Sein Blick war unterdessen nur auf ihre zwei Interviewpartner gerichtet. Sein muskulöser Körper drückte sich schützend an ihren. Und unterhalb seiner schicken Lederjacke drückte sich etwas Hartes in Hüfthöhe in ihren Bauch.

In Carlys Kopf schrillten die Alarmglocken. Dieser harte Gegenstand kam ihr irgendwie bekannt vor.

Hunters Stimme klang ruhig und souverän, als er die Männer ansprach. „Ihr solltet jetzt besser die Kurve kratzen“, sagte er, offensichtlich bereit, sich mit den beiden anzulegen.

Thad, den sie eben noch interviewt hatte, kam einen Schritt auf ihn zu. „Wen interessiert, was du denkst?“

Hunter wirkte völlig locker und entspannt. Die beiden Männer wirkten bedrohlich und kampferfahren, doch Hunters Stimme war ruhig und zeigte keine Furcht. Carly gewann den Eindruck, dass er die Situation sogar genoss.

„Niemanden, aber ich sag es euch trotzdem.“

Thad wirkte, als würde er gleich auf ihn losgehen, doch Marcus, sein Kumpel, wiegelte ab.

„Beruhig dich, Mann. Alles ist gut“, beschwichtigte Marcus und hielt Thads Arm fest. „Carly hat ihren Rekorder vergessen.“

Und Thad schob hinterher: „Ja, Mann. Und das alles war schließlich nicht unsere Idee.“

Carly wurde bei all dem Testosteron in der Luft zwar ganz anders, doch nun hatte sie wirklich genug von dem Theater.

„Hunter, halten Sie sich zurück. Das sind Thad und Marcus, und ich habe sie gerade interviewt.“

Hunter sah sie an, als sei sie völlig durchgedreht.

Sie hielt die Hand auf und bat um ihr Aufnahmegerät. Offensichtlich war sie weniger bei der Sache gewesen, als sie gedacht hatte.

Thad blickte Hunter immer noch düster an, als er in seine Tasche griff, und Hunters Haltung wurde reflexartig noch gespannter.

Verdammt, wird der jemals locker? Der harte Gegenstand an seiner Hüfte drückte nun wieder in ihre Seite.

Was zum Teufel war das?

Doch es fiel ihr schwer, sich auf etwas anderes als auf seinen Geruch und seine Hand an ihrer Hüfte zu konzentrieren.

Als Thad ihr das Diktiergerät gab, sagte sie: „Ich ruf euch nächste Woche an, um einen neuen Termin zu vereinbaren.“

Thad nickte und warf Hunter einen tödlichen Blick zu, bevor die beiden Männer zurück ins Lagerhaus spazierten.

Nachdem sie außer Sichtweite waren, sagte Hunter: „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.“

„Was denn?“

„Sie interviewen die beiden?“

„Warum nicht?“ Carly sah ihn an und war sich nicht sicher, ob sie ihn treten sollte, weil er ihre Interviewpartner verärgert hatte, oder ob sie ihm um den Hals fallen wollte, weil er sie hatte beschützen wollen. Er war noch genauso angespannt wie zuvor, als ob er der Situation noch immer nicht traute. Sie spürte das, da er sie noch immer nicht losgelassen hatte.

Und er fühlte sich so gut an.

Ihre Schulter lehnte an seiner Brust. Sein Arm lag noch immer um ihre Hüfte und drückte den Rest ihres Körpers fest an sich. Er war definitiv nicht der lockere Künstler-Typ, auf den sie normalerweise stand. Locker war so gar nichts an ihm.
Sein ganzer Körper war stahlhart. Und offenbar hatte er im Notfall keine Bedenken, ihn als Waffe einzusetzen …

Auf einmal wurde ihr klar, was sie da an ihrer Seite spürte. „Ist das eine Knarre da an Ihrer Hüfte?“

Wie konnte sie an etwas anderes als ihn denken, wenn er sich nun auch noch wie der Held aus einem Actionfilm benahm? Oder war er der Bösewicht?

Einen Augenblick sah er sie an, als ob er nach der richtigen Antwort suchte. „Vielleicht freue ich mich auch einfach nur, Sie zu sehen.“

Sie stutzte zuerst und musste dann über den alten Witz lachen. „In dem Fall wären Sie wirklich seltsam gebaut.“ Und bevor er etwas entgegnen konnte, fügte sie hinzu: „Und jetzt lenken Sie bitte nicht von der Frage ab, indem Sie mir versichern, dass mit ihrer Anatomie alles okay ist.“

„Mit meiner Anatomie ist alles okay.“

Dessen war sie sich mehr als bewusst, doch sie wusste auch, zu widerstehen. So hoffte sie zumindest, denn so etwas Aufregendes wie Hunters ruhige und dennoch wachsame Art hatte sie noch nie erlebt.

Erinnere dich daran, was beim letzten Mann passiert ist, Carly.

Sie würde sich nicht noch einmal von ihren Gefühlen überrumpeln lassen. Ihre Karriere war gerade erst dabei, sich vom letzten Desaster zu erholen.

„Wer sind Sie?“ Sie löste sich aus seiner Umklammerung und sah ihn an. „Und jetzt erzählen Sie mir nicht, Sie seien Berater für die Sicherheit von Netzwerken, denn das ist Blödsinn. Ich habe das schon während der Sendung gespürt.“

Er sah sie so intensiv an, dass ihr ganz anders wurde. „Was spüren Sie denn sonst noch?“

Dass sie noch nie jemandem wie ihm begegnet war. Dass sie noch nie jemand so sehr begehrt hatte. Doch vor allem, dass man ihn nicht unterschätzen durfte.

Stattdessen antwortete sie: „Dass Sie die beiden auch mit bloßen Händen besiegt hätten“, sagte sie und schaute zu ihm hoch.

Hunter reagierte nicht darauf, und sie überlegte sich, was sie als Nächstes tun sollte. Sie wollte sich seine Waffe angucken, doch wie sollte sie da unten rankommen? Er war wesentlich gefährlicher, als sie zuerst vermutet hatte, also sollte sie es besser sein lassen.

Tu’s nicht, Carly. Lass es.

Ach, was soll’s.

Sie riss sich zusammen, kam ihm noch näher und spürte das Adrenalin in sich hochsteigen. „Ich glaube, Sie hätten sich dabei noch nicht mal die Kleidung zerknittert.“ Sie ging lasziv um ihn herum. „Ihr strahlend weißes Hemd …“ Sie spürte, wie er ihr mit dem Blick folgte, was sie ganz nervös machte. Und wie sich zwischen ihren Brüsten Schweißperlen bildeten. „Ihre dunkle Designerhose …“ Sie versuchte, seinen Blick zu ignorieren. „Oder die schöne schwarze Lederjacke …“

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie wieder vor ihn trat und ihre Finger an seiner Jacke entlanggleiten ließ.

„Hab ich recht?“ Sie blickte ihm kurz in die wachsamen Augen, und es lief ihr kalt den Rücken runter. „Zwei rechte Haken, und das wäre es gewesen?“ Gespannt schob sie seine Jacke zur Seite.

Hunter sah sie schmunzelnd an, zog seine Jacke wieder zurecht und versperrte ihr damit die Sicht. „Vielleicht.“

Meine Güte, wie konnte er sie nur so foltern.

Sie schaute ihn enttäuscht an. Verdammt. Je mehr sie über ihn erfuhr, desto mehr wollte sie enthüllen. Ihn enthüllen.

Auf einmal kam ihr ein Gedanke. „Sind Sie so eine Art Hacker?“ Er sah sie fragend an. „Sie wissen schon, einer dieser illegalen Hightech-Hacker, die erwischt werden und ins Gefängnis wandern und danach Firmen helfen, sich vor Hackern wie Ihnen zu schützen.“

Hunter lehnte sich an die Wand voller Graffiti und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Ihm gefiel die Idee offenbar. Die ganze Situation schien ihm zu gefallen. So sehr, dass er sie nur zu gerne noch weiter reizen wollte.

„Was sagt Ihnen Ihr Bauch?“

„Der sagt mir, dass Sie viele Geheimnisse haben.“ Sie lehnte sich neben ihn an die Wand.

Sie musste hochschauen, um ihm in die Augen zu blicken.
Es war viel einfacher, mit einem Mann gleicher Größe zu flirten. Und sie wusste noch nicht mal, ob er ein Gauner war.

Sie runzelte die Stirn. „Beantworten Sie meine Frage?“ Er zuckte nicht mit der Wimper. Sie kam einfach nicht hinweg über diesen Mann. „Bei dem, was ich über Sie weiß, sollte ich schreiend wegrennen.“

Endlich eine Regung. „Ich bin nicht gefährlich.“

„Warum haben Sie dann eine …“

„Ich habe früher für das FBI gearbeitet.“

Dies hätte ihr Interesse eigentlich stillen sollen. Zu ihrem Verdruss machte es ihn nur noch interessanter.

„Und warum spioniert mir ein ehemaliger FBI-Agent hinterher?“

Er musterte sie spöttisch, und sein Blick war immer noch genauso undurchsichtig wie vor seinem Geständnis. Wie Liebe und Hass, so waren Verbrecher und Gesetzeshüter doch nur zwei Seiten einer gefährlichen Medaille. „Und wie lange wollen Sie Ihr familiäres Vitamin B noch gegen mich ausspielen?“

Ihr fehlten die Worte. Vitamin B? Anscheinend nahm er an, dass sie die Position ihres Vaters ausnutzte. Und über ihren Vater wollte sie mit ihm nun auf gar keinen Fall reden.

Sie war froh, eine Ausrede parat zu haben. „Leider habe ich keine Zeit, mich mit Ihnen weiterzuunterhalten, denn ich muss zu einem anderen Interview.“

Seine freundliche Art war mittlerweile verschwunden. So einfach würde er sie wohl nicht gehen lassen.

„In dem Fall komme ich mit.“

3. KAPITEL

Hunter saß neben Carly als Einziger in der letzten Reihe des alten Theaters. Auf der Bühne tanzten und sangen drei nackte Männer, von einer elektrischen Gitarre begleitet, Shakespeare. „Hamlet, das Musical!“ wollte das Publikum in Miami wohl mit nackten Tatsachen überzeugen. Doch wenn Gott Hunter gnädig war, würde auch das zu Ende gehen, und er könnte sich endlich mit Carly auseinandersetzen.

Er rutschte nervös in seinem Sitz hin und her und flüsterte: „Wann wollen Sie Hamlet denn nun interviewen?“

Carly flüsterte zurück: „Sobald die Kostümprobe vorbei ist.“

Er starrte auf die Bühne. „Kostümprobe?“

„Ja, die müssen einen Durchlauf im Kostüm machen. Oder in diesem Fall nackig.“

Hunter zuckte, als einer der Männer über die Bühne wirbelte und ihm sein gutes Stück folgte. „Nackig reicht nicht aus, um das zu beschreiben.“

Sie kicherte. „Am Mittwoch interviewe ich einen Teilnehmer beim jährlichen Pink Flamingo Drag Queen-Schönheitswettbewerb. Vielleicht wollen Sie ja da auch mitkommen.“

Er sah sie skeptisch an. „Was für eine Art Reporter sind Sie eigentlich?“

„Lifestyle-Themen. Ich mache Kunst- und Unterhaltungsberichte.“

Auf der Bühne tanzten die Schauspieler mittlerweile Cancan, und Hunter war kurz davor, zu flüchten. „Sie gehen mit dem Begriff Unterhaltung sehr großzügig um“, sagte er trocken.

Carly lehnte sich zu ihm und klang beinah hoffnungsfroh. „Gefällt Ihnen das Stück nicht?“

Er sah sie an und war sich nicht schlüssig darüber, was schlimmer war: das verführerische Grinsen auf ihrem Gesicht oder die Nacktszene auf der Bühne.

Sie benutzte ihren Charme, um ihn zu manipulieren, doch irgendwie beeindruckte ihn das auch. Man musste entweder dumm oder mutig sein, um sich in so einer gefährlichen Gegend wie vorhin herumzutreiben. Leider war es bei ihr wohl Letzteres. Und wie sie flirtend versucht hatte, einen Blick auf seine Waffe zu erhaschen – das hatte ihn angemacht, obwohl es ihn doch eigentlich nerven sollte. Er musste sich leider eingestehen, dass er sie mochte.

Das machte alles nur noch komplizierter.

„Nein, das Stück ist okay“, log er. Er hatte nicht die Absicht, zu verschwinden, bevor sie ihre Unterhaltung beendet hatten. Er würde seine Interessen wahren, komme, was wolle. „Ich fühle mich allerdings in einer dunklen Seitengasse in einer miesen Gegend wohler als hier.“

„Sie ziehen zwei künstlerische Gangster drei Schauspielern vor?“

„Solange sie was anhaben.“

„Das macht es aber einfacher, Waffen darunter zu verstecken“, zog sie ihn auf.

„Ich habe wenigstens einen Waffenschein. Und ich gehe jede Wette darauf ein, dass die beiden Knarren dabeihatten.“ Er nickte Richtung Bühne: „Diese Darbietung hier ist viel gefährlicher.“

„Erschießen Sie mir bitte keine Schauspieler.“

„Meine Knarre liegt im Handschuhfach.“ Er blinzelte kurz rüber zur Bühne, wo Hamlet einen schottischen Freudentanz aufführte. „Obwohl ich kurz davor bin, sie zu holen.“

„Ich wusste gar nicht, dass man zur Netzwerksicherung Revolver braucht.“

Obwohl die Frage sarkastisch wie immer klang, schaute sie ihn offen an. Verdammt. Bis zu dem Moment in der Gasse hätte er sie als eine von vielen abstempeln können. Doch nachdem er ihren Körper an seinem gespürt hatte, war er sich dessen nicht mehr so sicher. Seit Mandy hatte er durch die Arbeit mit Firewall, Inc. keine echte Beziehung mehr gehabt. Kurz, oberflächlich und unkompliziert lief einfach besser.

Und komplizierter als Carly Wolfe ging nicht.

Ihm wurde klar, dass er sie auf keinen Fall noch einmal berühren durfte.

„Mein Alltag ist üblicherweise waffenfrei. Die Pistole ist nur in meinem Auto, da ich vor der Arbeit beim Schießstand vorbeigeschaut habe.“

Sie sah ihn vieldeutig an. „Gut, Sie halten sich in Form.“

Hunter zwang sich, zur Bühne zu gucken. Das Fortissimo der Musik ermöglichte ihm eine kurze Pause von der Unterhaltung. Seine wöchentlichen Schießstandbesuche waren unnötig, und doch konnte er sie nicht aufgeben. Waren sie doch das Einzige, was er beibehalten hatte, nachdem er seine Karriere beim FBI hatte aufgeben müssen.

Die Erinnerung schmerzte ihn, und er biss die Zähne zusammen. Er mochte seinen jetzigen Job, doch eine gewisse Eintönigkeit machte sich doch breit und machte ihm zu schaffen …

Carly musste seine Gedanken gelesen haben. „Warum haben Sie beim FBI aufgehört?“, fragte sie.

Er wandte sich ihr erneut zu. Obwohl sie offensichtlich nach Antworten suchte, so war doch die Herzlichkeit zurückgekehrt, die er bei ihr bislang nur auf dem Monitor im Sender erhascht hatte. Was würde sie mit der Wahrheit anfangen? Einige schlimme Details könnte er mit ihr teilen, doch die schlimmsten Einzelheiten würde er nie preisgeben dürfen. Um sensible Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, hatte das FBI die Ermittlungen gegen ihn damals geheim gehalten. Außer Mandys Zeitungsartikel über seinen Fall war nichts an die Öffentlichkeit gelangt.

„Rein vertraulich?“, fragte er sie.

Sie zögerte länger, als ihm lieb war. „Rein vertraulich.“

„Man hat mir meine Sicherheitsfreigabe entzogen und mich unbegrenzt beurlaubt.“

Unbehagliches Schweigen folgte, was nur von der grauenvollen Musik gefüllt wurde. Dann fragte sie: „Warum?“

„Ich hatte an einem Fall gearbeitet, bei dem es um Hacker ging, die Kreditkartennummern stahlen. Die russische Mafia kümmerte sich um die Geldwäsche.“ Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr. „Man warf mir vor, Informationen an die Mafia weitergegeben zu haben.“

Sie sah ihn erstaunt an. „Und? Haben Sie?“

Die Worte taten ihm weh. So, wie ihn die Zweifel seiner Kollegen verletzt hatten. Außer seinen Eltern und Pete Booker hatte ihm niemand geglaubt. Selbst nachdem die Untersuchung abgeschlossen worden war. Warum sollte es bei ihr anders sein? Doch irgendwie war ihm ihre Meinung besonders wichtig.

„Was glauben Sie denn?“

Carly kannte ihn kaum und hatte keinen Grund, ihm zu trauen. Doch er ertappte sich dabei, den Atem anzuhalten, während er auf ihre Antwort wartete.

„Ich weiß nicht“, sagte sie sanft und sah ihn unsicher an. „Warum sagen Sie es mir nicht?“

Für Carly fühlten sich die Sekunden wie Stunden an, als sie auf Hunters Antwort wartete. Sie hatte Hunter ja schon zuvor interessant gefunden, doch nun … Sein Gesicht zeigte keine Regung.

Nur kurz schien es, als würde er an etwas denken. Doch dann lehnte er sich in seinem Sitz zurück und tat betont gelassen. „Ich lasse Sie am besten ihr eigenes Urteil fällen.“

Carly starrte Hunter nachdenklich an. Verdammt, dieser Kerl würde sie in den Wahnsinn treiben. „Wie ist es ausgegangen?“

„Die Ermittlungen wurden wegen Mangels an Beweisen fallen gelassen. Danach bin ich freiwillig gegangen.“

Es war klar, dass er nicht weiter darüber reden wollte. Doch er ließ offen, ob die Vorwürfe gegen ihn begründet gewesen waren oder nicht. Die Wahrheit wusste nur er selbst.

Sie räusperte sich. „Es hat sicher seine Vorteile, beim FBI gewesen zu sein.“

Er warf ihr einen scharfen Blick zu. „Genauso, wie es Ihnen geholfen haben muss, William Wolfe als Vater zu haben.“

Das saß. Sie redete nicht gerne über ihren Vater. Die nächsten Minuten würden nicht angenehm werden.

Erinnere dich an dein Motto, Carly. Cool. Leicht und locker.

„Nicht so sehr, wie Sie denken“, sagte sie locker. „Mein Vater bestand immer darauf, dass ich es ohne ihn schaffe.“ Und genau das hatte sie auch vorgehabt, damals, als sie noch daran geglaubt hatte, dass sich harte Arbeit auszahlen würde. „Als ich meine erste Stelle bei einer kalifornischen Zeitung bekam, wusste ein Jahr lang niemand, wer mein Vater war.“

Er sah sie interessiert an. „Die Reaktionen waren sicher interessant.“

„Mein Boss wurde natürlich auf einmal sehr freundlich.“

Besser gesagt war er nur freundlich geblieben, bis sie eine dumme Entscheidung getroffen und einen Skandal losgetreten hatte – sowohl privat als auch beruflich. Und ihr Vater hatte sein Wort gehalten und sich nie für sie eingesetzt … nicht einmal, als sie ihn wirklich gebraucht hatte.

Carly umklammerte ihre Sitzlehne und sah zur Bühne, dankbar für die Ablenkung. Hamlet sang gerade und hielt Yorks Schädel mit jeder hohen Note höher in die Luft. Die Anerkennung ihres Vaters hatte sich immer unerreichbar angefühlt. Doch wenn sie ihren jetzigen Chefredakteur dazu bringen konnte, ihr so weit zu vertrauen, dass sie sich ihre Themen wieder selbst aussuchen durfte, dann hätte sie ihre Würde wiedererlangt.

„Kalifornien ist weit weg“, sagte Hunter, als das Solo vorbei war. „Ihr Vater muss sich gefreut haben, als der Miami Insider Sie angestellt hat und Sie wieder heimgekehrt sind.“

Carly musste sich zusammenreißen, nicht laut aufzulachen. „Das würde man annehmen. Doch mein Vater ist überzeugt, dass ein wöchentliches Online-Magazin keinen Erfolg haben kann. Aus seiner Sicht habe ich damit Karriereselbstmord begangen.“

Ein weiteres Mal. Es schmerzte sie, dass er ihr nicht vertraute. Doch sie würde ihn eines Besseren belehren.

Carly schenkte Hunter ein ironisches Lächeln. „Er wartet wahrscheinlich nur darauf, dass mein Blatt pleitegeht.“

Hunter blickte sie skeptisch an. „Sie wollen mir erzählen, dass Ihr Vater nichts damit zu tun gehabt hatte, dass Sie in die Brian O’Connor Show eingeladen wurden?“

Diesmal musste sie laut auflachen. Die Vorstellung war zu absurd. „Mein Vater würde mir nie solch einen Gefallen tun.“

„Ist ja ein ziemlich großer Zufall, dass wir ausgerechnet beim Sender Ihres Vaters gelandet sind.“

„Er hatte damit nichts zu tun. Ich habe den Produzenten der Show kontaktiert …“

„Der Sie nie in die Sendung gelassen hätte, wenn Sie einen anderen Nachnamen hätten.“

Das konnte sie nicht leugnen. „Okay, das stimmt.“ Irgendwas Gutes musste es ja an sich haben, Teil der Wolfe-Familie zu sein. Denn die elterliche Fürsorge war nicht so prickelnd gewesen. „Aber Brian O’Connor liebt meine Kolumne und war von Anfang an dafür.“

„Dafür, mich bloßzustellen?“

Sie seufzte entnervt. „Sie haben mich in der Sendung völlig demontiert. Und übrigens habe ich mich in der Sendung nur zu Ihrer App äußern wollen. Sie hätten dort gar nicht auftauchen sollen.“

Er schaute sie provozierend an. „Das tut mir aufrichtig leid.“

Carly wurde sich erneut bewusst, wie leicht sie dieser Mann auf die Palme bringen konnte.

Er sah sie gespannt an. „Ich möchte, dass Sie diese öffentliche Debatte beenden.“

„Zuerst geben Sie zu, dass Ihre Schluss-Mach-App zu nichts taugt.“

„Gut. Ich gebe es zu.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das reicht nicht. Darum bin ich froh, dass Sie einer weiteren Sendung zugestimmt haben.“ Sie schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln – eines, das mehr versprach. „Sie werden vor laufender Kamera wiederholen, was Sie gerade gesagt haben, und erzählen, was Sie motiviert hat, solch eine sinnlose App zu gestalten.“

Er lehnte sich bewusst sehr langsam zu ihr hinüber und flüsterte sanft, aber bestimmt: „Das können Sie vergessen.“

Seine Nähe und sein betörender Duft machten es ihr schwer, weiterzuatmen. Ihr war klar, dass Hunter sie ebenso attraktiv fand wie sie ihn. Doch sie wusste auch, dass sie Berufliches nie wieder mit Privatem vermischen würde. „Na, dann seien Sie besser auf der Hut, Mr. Philips.“

Er blickte auf ihre Lippen. „Hunter.“

Sie konnte nicht mehr klar denken. „Hunter“, wiederholte sie gehorsam.

„Bei Ihnen bin ich immer auf der Hut. Wegen Ihrer scharfen Zunge. Ihren schneidenden Attacken. Ihrem verführerischen Charme. Und …“ Sein Blick glitt kurz über ihre Beine, „dass Sie gerne mal ein wenig mehr zeigen.“

„In der nächsten Sendung werde ich Ihnen damit die Wahrheit über Ihre Vergangenheit aus der Nase ziehen.“

Sein harter Blick, gepaart mit einem leichten Lächeln machte sie ganz wahnsinnig. „Es gibt kein Kleid, das das vermag.“

Sie unterdrückte ein Grinsen. „Fordern Sie mich heraus?“

Er lächelte sie an. „Das tue ich nicht. Ich werde die Gelegenheit allerdings nutzen, Sie erneut in Ihre Schranken zu weisen.“

Carly musste kichern. Dieser Kerl war zwar unglaublich beherrscht, hatte aber s...

Autor

Aimee Carson
Mit 11 Jahren verließ Aimee Carson zum ersten Mal die Kinderbuchabteilung der Bibliothek, landete in einer Reihe mit Liebesromanen und zog einen aus dem Regal. Seit dem Moment war sie diesem Genre verfallen, und ihre Leidenschaft für Liebesgeschichten begleitete sie auf ihrem Weg von Florida nach Alaska, Seattle und schließlich...
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Nicki Night
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Anne Oliver
Anne Oliver wurde in Adelaide in Süd Australien geboren und ist dort immer noch heimisch. Sie hat zwei erwachsene Kinder und einen Abschluss in Naturwissenschaften. Seit annähernd 30 Jahren arbeitet sie im Bereich der früh kindlichen Bildung. Anne begann 1998 mit dem Schreiben und ist Mitglied der Romance Writers of...
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