Küss mich endlich, Boss
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„Wir haben doch schon darüber gesprochen.“ Ethan Hart lehnte sich zurück und starrte seinen jüngeren Bruder über den Schreibtisch hinweg an. Er stützte sich mit den Ellbogen auf die Armlehnen, legte die Fingerspitzen aneinander und kniff verärgert die Augen zusammen. Wie oft mussten sie das denn noch durchgehen? Nicht zum ersten Mal fragte Ethan sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, seinen kleinen Bruder in den Vorstand zu holen.
Gabriel Hart erhob sich und rammte die Hände in die Hosentaschen. „Nein, Ethan. Wir haben gar nichts besprochen. Du hast es angeordnet.“
Ethan zog eine Augenbraue hoch. „Da du dich ja anscheinend so gut an unsere letzte Unterhaltung erinnerst, wundert mich, dass du noch einmal alles durchkauen willst.“
„Weil ich trotz deiner Sturheit weiter hoffe, irgendwann zu dir durchzudringen.“
„Ich bin stur?“ Ethan lachte und schüttelte den Kopf. „Und das aus deinem Munde!“
„Verdammt, ich versuche hier, etwas Wichtiges zu erreichen“, blaffte Gabe. „Nicht nur für mich, sondern für die Firma.“
Sein Bruder glaubte wirklich daran. Gabriel war immer derjenige gewesen, der gern Neues ausprobierte und bis an seine Grenzen ging. Ethan hatte nichts dagegen, wenn er das im Privaten tat. Aber für die Firma? Um einer Veränderung willen den Ruf riskieren, der seit Generationen aufgebaut worden war? Nein!
Es war ein andauernder Streit zwischen ihnen, der an dem Tag begonnen hatte, als auch Gabe seinen Platz im Familienunternehmen eingenommen hatte. Ethan bedauerte das, denn er und sein jüngerer Bruder hatten sich immer nahegestanden. Aber letztendlich war es Ethan, der die Verantwortung trug und die endgültigen Entscheidungen über die Ausrichtung des Unternehmens traf. Und Gabriel würde damit leben müssen.
Er stand auf. „Fakt ist, Gabe, dass wir im letzten Jahr einunddreißig Millionen Pfund Schokolade verkauft haben. Der Firma geht es gut. Wir brauchen kein Risiko einzugehen.“
„Verdammt, Ethan, wenn unser Urgroßvater keine Risiken eingegangen wäre, hätte er das Unternehmen gar nicht gründen können.“
„Stimmt. Joshua Hart hat die Firma aufgebaut“, erwiderte Ethan. „Und jede Generation hat ihr Möglichstes getan, um den guten Ruf zu erhalten. Wir gehören zu den fünf wichtigsten Schokoladen-Unternehmen der Welt. Warum, zum Teufel, sollten wir jetzt irgendein Risiko eingehen?“
„Um zur Nummer eins zu werden“, fuhr Gabriel ihn sichtlich frustriert an. „Die Zeiten ändern sich, Ethan. Der Geschmack ändert sich. Wir können weiterhin wie bisher unsere großartige Schokolade herstellen, und wir können neue Sorten in unser Sortiment aufnehmen. Neue Geschmacksrichtungen anbieten, neue Formen. Neue Kunden gewinnen, jüngere Kunden, die uns dann in den kommenden Jahrzehnten treu bleiben.“
Ethan musterte seinen Bruder mit einer Mischung aus Zuneigung und Verärgerung. So lief es immer zwischen ihnen ab. Ethan hatte sich zeit seines Lebens um seinen kleinen Bruder gesorgt. Gabriel war der Wildere von ihnen. Derjenige, der neue Dinge ausprobieren, fremde Orte erkunden wollte. Er ging gern Risiken ein, und Ethan hatte ihn aus so mancher Bredouille retten müssen. Und das war auch okay, fand Ethan, solange es nicht um die Firma ging. Da war er nicht bereit, die Traditionen aufs Spiel zu setzen, die das Familienunternehmen zu einem Weltmarktführer gemacht hatten.
„Wenn du deine eigene Firma aufmachen willst, um Oregano-Schokolade oder was auch immer zu verkaufen, nur zu. Heart Chocolates wird top bleiben, indem wir unseren Kunden genau das bieten, was sie haben möchten und von uns erwarten.“
„Die ganz sichere Nummer“, murmelte Gabriel und schüttelte den Kopf. „Wie langweilig.“
Ethan schnaubte. „Erfolg ist langweilig? Wir machen das, was funktioniert, Gabe. Das haben wir immer getan.“
Gabe schlug beide Hände auf den Schreibtisch und beugte sich vor. „Ich bin Teil dieser Firma, Ethan. Wir sind Brüder. Es ist unser Familienbetrieb. Dad hat ihn uns beiden hinterlassen. Und ich will ein Mitspracherecht.“
„Du hast ein Mitspracherecht!“ Ethan wurde langsam richtig wütend.
„Und du entscheidest.“
„Verdammt richtig. Die Firma wurde uns beiden vererbt, aber ich habe das Sagen.“ Ethan sah seinen Bruder direkt an und versuchte, seinen Zorn zu bezähmen. Er verstand, was Gabriel antrieb. Gabe wollte dem Unternehmen einen eigenen Stempel aufdrücken. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass Ethan alles, was sie sich aufgebaut hatten, den riskanten Ideen seines Bruders opfern würde.
Ja, sicher könnten sie neue Geschmacksrichtungen einführen. Neue Schokoladensorten mit merkwürdigen Füllungen, die jeder traditionellen Norm widersprachen. Aber daran waren ihre Kunden nicht interessiert – die wussten genau, was sie wollten, und zählten darauf, dass Heart Chocolate es ihnen bot.
„Das lässt du mich auch nie vergessen, nicht wahr?“ Gabriel richtete sich auf.
„Pass auf, Gabe, ich verstehe ja, worauf du hinauswillst, aber es liegt in meiner Verantwortung, den Ruf zu schützen, den wir uns seit Generationen aufgebaut haben.“
„Denkst du etwa, dass ich den ruinieren will?“ Gabe starrte ihn erstaunt an.
„Nein. Du hast nur nicht alle Aspekte deiner Idee durchdacht.“ Ethans Geduldsfaden war kurz davor zu reißen. Also versuchte er es mit einer anderen Taktik. „Eine neue Sorte einzuführen, in der Hoffnung, neue Kunden zu gewinnen, würde eine riesige Werbekampagne erforderlich machen.“
„Pam meint, dass man das durchaus in unsere übliche Werbekampagne eingliedern kann.“
Ethan hob eine Augenbraue. „Pam? Und wer ist das?“
Gabriel holte tief Luft und sah aus, als bedauerte er bereits, den Namen erwähnt zu haben. „Pam Cassini“, antwortete er. „Sie ist verdammt clever. Zurzeit ist sie dabei, sich eine eigene PR-Firma aufzubauen, und sie hat richtig gute Ideen.“
„Und du schläfst mit ihr“, fügte Ethan hinzu. War das die Erklärung für Gabriels aktuellen Versuch, Dinge zu verändern? Steckte seine neue Freundin dahinter?
„Was hat das mit der Sache zu tun?“
Ehe er antworten konnte, klopfte es kurz an der Tür, und Ethans Assistentin Sadie Matthews steckte ihren Kopf ins Zimmer. Mit ihren großen blauen Augen schaute sie von ihm zu Gabe und wieder zurück, ehe sie fragte: „Kampf beendet?“
„Noch lange nicht“, sagte Gabriel.
Ethan sah ihn grimmig an. „Was gibt es, Sadie?“
„Man hört euer Gebrüll bis hinaus in die Büros.“ Sie trat ein und schloss die Tür hinter sich.
Eine Sekunde lang musterte Ethan sie eingehend.
Seit fünf Jahren war Sadie seine Assistentin. Sie war groß, hatte kurzgelocktes blondes Haar, dunkelblaue Augen, und immer schien ein Lächeln ihren Mund zu umspielen. Sie war effizient, äußerst hübsch, klug, sexy und absolut tabu. Im Laufe der Jahre hatte Ethan sich regelrecht antrainieren müssen, nicht so auf sie zu reagieren, wie er es vermutlich getan hätte, wenn sie nicht für ihn arbeiten würde. Es fiel ihm nicht leicht. Himmel, allein der Blick auf ihre Kurven konnte einen Mann in die Knie zwingen.
Ihr Mund war die reinste Versuchung, und dieses rebellische Funkeln in ihren Augen hatte ihn schon immer fasziniert. Anfangs überlegte er sogar, sie wieder zu entlassen. Dann hätte er herausfinden können, ob sie tatsächlich so fantastisch schmeckte, wie er vermutete. Aber sie machte ihren Job einfach viel zu gut.
Sie kam auf seinen Schreibtisch zu. „Ich habe sogar schon gehört, wie einige Leute Wetten abgeschlossen haben, wer wohl diese Runde gewinnt.“
„Wer war das?“, fragte Ethan sofort.
Die Frage schien sie zu überraschen, doch sie schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht sagen.“
„Was zum Teufel, Sadie …“
Sie ignorierte ihn und sah Gabriel an. „Der neue Großhändler wartet schon in deinem Büro auf dich. Ich kann ihm natürlich auch sagen, dass du in einer hitzigen Diskussion mit deinem Bruder steckst …“
Gabriel biss die Zähne zusammen und nickte. „Na schön. Ich komme.“ Er sah zu seinem Bruder. „Aber das ist noch nicht das letzte Wort, Ethan.“
„Hätte ich auch nicht angenommen.“
Als Gabriel gegangen war, fragte Ethan: „Hast du auf mich gesetzt?“
Sie grinste. „Woher weißt du, dass ich gewettet habe?“
„Du bist zu clever, um nicht auf mich zu setzen.“
„Wow, ein Kompliment für mich und ein Schulterklopfen für dich selbst in einem Atemzug. Beeindruckend.“
„Ist der Großhändler wirklich in seinem Büro, oder hast du dir das nur ausgedacht, um die Kampfhandlungen zu beenden?“
„Der ist wirklich da.“ Sie ging zum Fenster. „Aber ich wollte euren Streit beenden, also hätte ich mir sonst irgendetwas anderes einfallen lassen.“
„Er treibt mich in den Wahnsinn.“ Ethan drehte sich um und stellte sich neben sie. Die Fensterfront bot einen Blick auf den Pazifik. Der Januar konnte selbst in Südkalifornien kalt und grau sein, aber das winterliche Meer hatte seinen eigenen Zauber. Das Wasser war so dunkel wie der Himmel, die Wellen brandeten unermüdlich ans Ufer. Surfer warteten auf ihren Brettern auf die perfekte Welle, und ein paar Boote mit bunten Segeln tanzten über die Wasseroberfläche. Die Szene hätte ihn beruhigen sollen – das tat sie normalerweise auch. Aber dieser Streit mit Gabriel irritierte ihn von Mal zu Mal mehr.
„Er will immer noch neue Schokoladensorten einführen, oder?“
„Ja, und jetzt hat er auch noch irgend so eine Frau, die ihm bei seiner Werbekampagne hilft.“
„Es ist keine ganz verrückte Idee“, bemerkte sie.
Er starrte sie an. „Fang du jetzt nicht auch noch an.“
Sadie zuckte mit den Schultern. „Veränderungen sind nicht immer etwas Schlechtes, Ethan.“
„Meiner Erfahrung nach schon“, widersprach er. Er umfasste ihre Schultern, ignorierte die Hitzewelle in seinem Inneren und drehte Sadie zu sich herum. Dann ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. „Die Leute reden immer davon, ihr Leben verändern zu wollen. Neues Auto, neues Haus, neue Haarfarbe, verdammt, neuen Glauben. Nun, ich finde, es spricht nichts gegen Stillstand. Man findet heraus, was funktioniert, und bleibt dabei.“
„Okay, aber manchmal ist Veränderung der einzige Weg, der einem noch bleibt.“
„Diesmal nicht“, murmelte er. Er wandte ihr und der Aussicht den Rücken zu, kehrte an seinen Schreibtisch zurück und setzte sich. Während er nach dem neuesten Marketing-Bericht griff, meinte er: „Sadie, wenn du dich in dieser Sache auf Gabriels Seite schlägst, will ich nichts davon hören. Ich habe keine Lust auf einen weiteren Streit.“
„Okay. Na ja, wir alle müssen manchmal Dinge tun, die wir nicht tun wollen.“
„Was?“ Er blickte auf.
Sie atmete tief aus und reichte ihm ein Blatt Papier. „Ich kündige.“
„Du kannst nicht kündigen. Wir haben in zwanzig Minuten eine Besprechung.“
„Kann ich doch …“
Ethan starrte sie an und fragte sich, ob er sich verhört hatte. Das kam jetzt aus heiterem Himmel und ergab überhaupt keinen Sinn. „Nein, kannst du nicht.“
Sie wedelte mit dem Papier. „Lies das, Ethan.“
Er riss ihr das Blatt aus der Hand und überflog den Text. „Das ist lächerlich.“ Er reichte es ihr zurück. „Das akzeptiere ich nicht.“
Sadie nahm die Hände hinter den Rücken, damit sie nicht in Versuchung geriet, den Brief wieder zu nehmen und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Natürlich hatte sie gewusst, dass es nicht so einfach werden würde zu kündigen. Hatte gewusst, dass Ethan sich nach Kräften wehren würde. Und sie hatte Angst, dass er sie dazu bringen würde zu bleiben. Denn eigentlich wollte sie Heart Chocolates nicht verlassen.
Aber sie wollte auch nicht die nächsten fünf Jahre ihres Lebens so verbringen wie die vergangenen fünf Jahre. Hoffnungslos in ihren Chef verliebt, der in ihr nichts weiter als einen effizienten Büroeinrichtungsgegenstand sah.
„Du kannst nicht kündigen“, wiederholte er. Als sie sich weigerte, ihr Kündigungsschreiben zurückzunehmen, warf er es auf den Schreibtisch. „Wir müssen unsere Frühjahrs-Kampagne noch fertigstellen, die Sanierung in der Fabrik …“
„Und all das wird auch ohne mich passieren“, sagte Sadie und hoffte, dass er den wehmütigen Unterton nicht wahrnahm.
„Warum?“, fragte er grimmig. „Geht es um eine Gehaltserhöhung? Meinetwegen. Sollst du haben.“
„Es geht nicht ums Geld, Ethan“, sagte sie knapp. Sie verdiente bereits mehr, als sie in jedem anderen Job bekommen würde. Ethan bezahlte seine Angestellten großzügig. Darum ging es wirklich nicht.
Er stand auf. „In Ordnung, zusätzlich zwei Wochen Urlaub im Jahr, plus die Gehaltserhöhung.“
Die Vorstellung brachte sie zum Lachen, und sie entspannte sich kurz. Ehrlich, dafür, dass er eigentlich ein guter Chef war, war er manchmal echt völlig ahnungslos. „Ethan, ich nehme meinen Urlaub jetzt schon nicht. Was soll ich also mit zwei Wochen mehr?“
„Du verhältst dich total unvernünftig.“
„Ich bin nur pragmatisch.“
„Da muss ich widersprechen.“
„Tut mir leid.“ Sie meinte es ernst. Sadie wollte nicht gehen. Wollte nicht weg von Ethan. Allein die Vorstellung bereitete ihr körperliche Schmerzen. Was wiederum bedeutete, dass sie keine andere Wahl hatte.
„Worum geht es denn dann?“
„Ich möchte ein Leben haben“, verkündete sie und fand es schrecklich, wie verzweifelt diese Worte klangen.
Aber sie hatte die letzten acht Jahre damit verbracht, für Heart Chocolates zu arbeiten, die letzten fünf als Ethans Assistentin. Sie machte Überstunden ohne Ende, sah ihre Familie so gut wie nie, und die Zimmerpflanzen in ihrer Wohnung, die sie sich letztes Jahr gekauft hatte, waren allesamt vertrocknet, weil sie nie dort war, um sie zu gießen.
Sie sehnte sich nach Romantik, Sex. Nach einer eigenen Familie, ehe sie zu alt war, um noch Kinder zu bekommen.
„Du hast ein Leben“, konterte er, ganz offensichtlich beleidigt über die Anschuldigung, dass er ihr etwas vorenthielt. „Du bist wesentlich für diese Firma. Für mich.“
Schön wär’s.
Das eigentliche Problem war ja, dass sie seit Jahren in Ethan verliebt war. Leider waren diese Gefühle einseitig und würden sie unweigerlich zu einer verbitterten alten Jungfer machen. Nein. Um ihrer selbst willen musste sie kündigen.
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist Arbeit, Ethan, und das Leben besteht aus mehr als aus Arbeit.“
„Nicht, dass ich wüsste.“
„Das ist Teil des Problems“, erklärte sie. „Verstehst du es denn nicht? Wir arbeiten jeden Tag bis zum Umfallen, kommen häufig am Wochenende ins Büro, und im letzten Jahr hast du mich sogar von der Hochzeit meiner Cousine weggeholt, um diese Verwechslung mit der Sendung zum Muttertag zu bereinigen.“
„Das war wichtig“, erinnerte er sie.
„Megans Hochzeit auch“, gab sie zurück. „Ich muss das machen. Es ist Zeit für eine Veränderung.“
„Schon wieder Veränderung“, murmelte er, stand auf und stellte sich direkt vor Sadie. „So langsam habe ich dieses Wort echt satt.“
„Veränderung ist nicht immer schlecht.“
„Aber selten gut. Wenn Dinge vernünftig laufen, warum sollte man sie dann durcheinanderbringen?“
„Ich wusste, es würde dir nicht gefallen. Vielleicht war es schlechtes Timing, dass ich gerade nach dem Streit mit deinem Bruder damit angekommen bin. Doch ich brauche dringend eine Veränderung.“ Sie starrte in seine grasgrünen Augen und spürte heftiges Bedauern, weil sie gehen wollte. Sein dunkelbraunes Haar war zerzaust, zweifellos weil er während seines Streits mit Gabe mehrfach mit den Händen hindurchgefahren war. Seine Krawatte war gelockert, und das allein war so verdammt sexy, dass ihr fast der Atem stockte.
Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie auf so vielfältige Weise berührte? Es lag nicht nur daran, dass er fantastisch aussah und mit einem einzigen Blick ihre Sehnsucht wecken konnte. Er war stark, intelligent und taff, und die Mischung war eine ständige Versuchung für sie. Daher blieb ihr nur die Kündigung.
„Verdammt, Sadie, was genau willst du denn verändern?“
„Mein Leben“, sagte sie und schaute ihn direkt an, in der Hoffnung, dass er endlich einmal sie sah, nicht nur die stets professionelle Assistentin. Aber das würde wohl nie passieren. Sie war wie das Fax-Gerät oder ein neuer Computer. Einfach nur da, um einen Job zu erledigen. „Wusstest du, dass mein Bruder Mike und seine Frau Gina gerade ihr drittes Baby bekommen haben?“
„Ja und? Was hat das mit dir zu tun?“, fragte er verwirrt.
„Mikes Frau ist zwei Jahre jünger als ich.“ Genervt hob sie die Hände. „Sie hat drei Kinder. Ich habe vier tote Pflanzen.“
„Was zum Teufel soll das denn heißen?“
Sie seufzte. Es war klar gewesen, dass das mit dem Kündigen nicht einfach werden würde. Dass Ethan versuchen würde, sie mit Gehaltserhöhungen, Beförderungen und mehr Urlaub zum Bleiben zu bewegen. Aber sie hatte nicht geahnt, wie schwer es ihr fallen würde, ihm ihre wahren Gründe mitzuteilen. Die, über die sie sich selbst erst kürzlich bewusst geworden war.
„Ich möchte eine Familie, Ethan. Ich hätte gern einen Mann, der mich liebt …“ Dich, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, doch die brachte sie schnell wieder zum Verstummen. „Ich wünsche mir Kinder, Ethan. Ich bin fast dreißig.“
„Ernsthaft? Darum geht es? Du hörst deine biologische Uhr ticken?“
„Ja. Ich denke schon länger darüber nach. Wir arbeiten fünfzehn Stunden am Tag, manchmal sogar noch länger. Ich hatte schon seit Ewigkeiten kein Date mehr, und vor drei Jahren hatte ich das letzte Mal Sex.“
Er blinzelte.
Sie zuckte zusammen. Okay, das hatte sie ihm definitiv nicht erzählen wollen. Schlimm genug, dass sie die tragische Wahrheit kannte. Dass Ethan es jetzt wusste, war total peinlich. „Ich will nicht später, wenn ich alt und grau und allein bin – abgesehen vielleicht von einer Katze, obwohl ich Katzen nicht einmal mag –, zurückschauen und sagen müssen, Mensch, ich war wirklich eine super Assistentin. Das Büro lief immer wie geschmiert.“
„Klingt doch gar nicht schlecht.“
Genervt bohrte sie ihm einen Finger in die Brust. „Das kommt, weil du auch kein Leben hast.“ Ja, es war Ewigkeiten her, seit sie mit jemandem zusammen gewesen war. Aber Ethan war nicht besser. „Du vergräbst dich in deiner Arbeit. Außer mit mir oder Gabe redest du mit niemandem. Du besitzt ein verdammtes Anwesen in Dana Point, aber du bist nie dort. Du lässt dir Essen kommen und isst es an deinem Schreibtisch und gibst dich mit Leib und Seele deinen Tabellen und Kontenblättern hin, und das ist nicht gesund.“
Eine dunkle Augenbraue schoss in die Höhe. „Vielen Dank.“
Sadie trat einen Schritt zurück, vor allem deshalb, weil es sie so verdammt nervös machte, in seiner Nähe zu sein. Er roch so gut. Sein Kiefer war angespannt, seine Augen funkelten, und er sah … viel zu verführerisch aus. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was wohl passieren würde, wenn sie sich ihm an den Hals warf. Würde er sie umarmen? Besinnungslos küssen?
Oder würde er entsetzt reagieren und sie von sich stoßen?
Da sie ohnehin gekündigt hatte, wäre es einfach, das herauszufinden. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie es wirklich wissen wollte. Manchmal war ein wirklich schöner Traum besser als die Realität.
„Hier geht es nicht um mich und mein Leben“, stellte er fest.
„In gewisser Weise schon. Wenn du eine Assistentin einstellst, die darauf besteht, um fünf Uhr Feierabend zu machen, dann würdest du vielleicht auch mal aus dem Büro rauskommen.“
„Okay, okay. Du willst von neun bis fünf arbeiten? Können wir machen.“
Sadie lachte. „Nein, können wir nicht. Erinnere dich nur mal an Megans Hochzeit.“ Ihre Cousine war wirklich verletzt gewesen, dass Sadie während der Trauung aus der Kapelle geschlüpft war und alles verpasst hatte. Und Sadie hatte es auch nicht gefallen. „Es tut mir ehrlich leid, Ethan, aber ich muss gehen. Ich bleibe noch zwei Wochen und arbeite meine Nachfolgerin ein.“
„Wen denn?“ Herausfordernd verschränkte er die Arme vor der Brust.
„Vicki aus dem Marketing.“
„Das soll wohl ein Witz sein.“
„Wieso?“
„Sie summt. Permanent.“
Okay, da hatte er recht. Er war nicht der Einzige, der sich über Vicki beschwerte. „Okay, dann Beth aus der Personalabteilung.“
„Nein. Ihr Parfum ist ein Anschlag auf den Geruchssinn.“
Typisch, dachte sie. Natürlich hatte er an jeder Kandidatin, die sie vorschlug, etwas auszusetzen. Er mochte zwar jung, fantastisch aussehend und sexy sein, aber wenn es um Veränderungen ging, verhielt er sich wie ein Neunzigjähriger.
Zum Glück war sie darauf vorbereitet. „Wie wäre es mit Rick? Er arbeitet seit zwei Jahren hier. Er kennt das Geschäft.“
Seine Gesichtszüge verhärteten sich noch mehr. „Rick ist auf Gabriels Seite. Und ich will nicht meinen Arbeitstag damit zubringen, mit meinem Assistenten zu streiten.“
Okay, dann sollte er doch selbst einen Ersatz vorschlagen. „An wen denkst du denn?“
„An dich.“ Er runzelte die Stirn, und irgendwie sah er jetzt noch sexyer aus.
Was war nur mit ihr los?
„Wir sind ein Team, Sadie. Ein gutes. Warum willst du das zerstören?“
Obwohl es ihr gefiel, dass er sie nicht verlieren wollte, musste sie gehen, um ihr eigenes Seelenheil zu schützen. Wie sollte sie jemals anderweitig Liebe finden, wenn sie ständig an Ethan Hart denken musste? Oh Gott, wie jämmerlich war das denn?
„Ich finde jemanden.“
Auch wenn er nicht glücklich aussah, nickte er kurz. „Und du stimmst zu, erst zu gehen, wenn dein Ersatz eingearbeitet ist.“
Sie kniff die Augen zusammen, denn natürlich erkannte sie die Falle. Wenn er keiner Nachfolgerin zustimmte, würde sie sie niemals einarbeiten und dementsprechend auch nicht gehen können. „Wenn du bereit bist, einen Ersatz zu akzeptieren.“
Er zuckte mit den Schultern. „Wenn diese noch unbekannte Person den Job machen kann, dann natürlich.“
„Du klingst so vernünftig.“ Sadie neigte den Kopf zur Seite. „Wieso glaube ich dir nur nicht?“
„Weil du von Natur aus misstrauisch bist?“
Seine Augen funkelten, und prompt flatterten in ihrem Bauch die Schmetterlinge. Sadie hatte sich in dem Moment, in dem sie ihren Job hier angetreten hatte, ein wenig in Ethan Hart verliebt. Und im Laufe der Jahre war es nur noch schlimmer geworden. Sie wusste überhaupt nicht, wieso. Ethan entsprach so gar nicht dem Ideal des Mannes, der ihr vorschwebte.
Sie hatte viel Zeit und viele Gedanken darauf verschwendet herauszufinden, was sie wollte. Sicher, Ethan war umwerfend. Sah viel zu gut aus. Frauen rannten sich gegenseitig über den Haufen, um ihm nahe zu sein. Erfolgreich war er auch, aber er war der reinste Workaholic und vergaß alles andere um sich herum. Sie wusste nicht, ob er Kinder mochte, weil er noch nie etwas mit Kindern zu tun gehabt hatte. Sie wusste nicht, ob er ein fantastischer Lover war, obwohl er in ihren Träumen längst zum Sex-Gott avanciert war. Er hatte Sinn für Humor, aber der trat selten zutage. Und er war definitiv viel zu verwöhnt. Zu sehr daran gewöhnt, dass alle nach seiner Pfeife tanzten.
Nein, Ethan Hart war nicht der richtige Mann für sie, und wenn sie jemals den Richtigen finden wollte, musste sie kündigen.
„Ich habe gute Gründe, misstrauisch zu sein.“
„Warum sollte ich lügen?“ Er tat erstaunt.
„Um das zu bekommen, was du willst.“
„Du kennst mich einfach zu gut, Sadie.“ Er schüttelte den Kopf. „Ein weiterer Grund, warum wir solch ein gutes Team sind.“
Das waren sie wirklich. Verdammt. Sie wollte nicht gehen, konnte aber auch nicht bleiben.
„Ethan, ich meine es ernst.“ Sie hob das Kinn und sah ihn direkt an. „Ich kündige.“
Eine ganze Weile sah er sie schweigend an. „In Ordnung.“
Und schon fiel bei ihm wieder die Klappe herunter, und sein Blick wurde ausdruckslos. „Wow, das machst du echt gut.“
„Was?“
„In Sekundenschnelle von heiß auf kalt schalten.“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
„Natürlich tust du das“, sagte Sadie. „Das ist doch deine Paraderolle. Wann immer eine Unterhaltung oder Verhandlung in eine Richtung geht, die dir nicht passt, errichtest du eine Mauer. Und jetzt, nachdem ich offiziell gekündigt habe, kann ich dir ja auch sagen, dass es mir nicht gefällt, wenn du das tust.“
Er runzelte die Stirn. „Ach ja?“
„Ja.“ Sadie stemmte die Hände in die Hüften. „Es ist echt befreiend, einfach alles mal aussprechen zu können.“
„Mir war nicht klar, dass du dich bisher zurückgehalten hast.“
„Oh“, sie lachte. „Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich mich in den vergangenen Jahren beherrscht habe. Bis jetzt.“
Die grasgrünen Augen nahmen sie ins Visier. „Na, du bist dir wohl auf einmal ziemlich sicher, was?“
„Sonst auch, nur erzähle ich dir eben normalerweise nicht alles, was ich denke. Wie gesagt, es ist sehr befreiend.“ Bestimmt würde sie ihren Job vermissen. Und vor allem Ethan. Aber so war es das Beste für sie, und sie würde einfach die letzten zwei Wochen mit ihm genießen. Dabei würde sie völlig ehrlich sein und nichts zurückhalten. Okay, sie würde ihm ganz sicher nicht sagen, dass sie ihn liebte, aber ansonsten … „Übrigens hasse ich deinen Kaffee.“
Jetzt wirkte er beleidigt. „Das ist eine erstklassige Sumatra-Röstung, die extra eingeflogen wird.“
„Ja, und er schmeckt trotzdem schrecklich.“
„Ich glaube, mir gefällt diese neue Offenheit nicht.“
Sadie grinste. Sie hatte ihn überrascht, etwas, das praktisch nie vorkam, denn Ethan war allen fast immer einen Schritt voraus. „Tja, mir dagegen gefällt es.“
„Ich könnte dich einfach sofort feuern, und die Sache wäre erledigt“, warnte er sie.
„Oh, wir wissen doch beide, dass du das nicht tust. Du magst doch keine Veränderungen, schon vergessen?“ Sie schüttelte den Kopf.