Loderndes Verlangen in dunklen Augen

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Sein Lächeln war so umwerfend, wie sie vermutet hatte. Gefährlich, verführerisch, atemberaubend und unwiderstehlich. "Was tun Sie da?” Erschrocken fährt Nessa zusammen - Luc Barbier hat sie auf frischer Tat ertappt! Sie ist in das Büro des skandalumwitterten Gestütsbesitzers eingebrochen, um nach Beweisen für die Unschuld ihres Bruders zu suchen. Bebend vor Angst schlägt sie Luc vor, für ihn zu arbeiten, bis ihr Bruder entlastet ist. Doch beim Blick in seine dunklen Augen entdeckt die schöne Irin etwas, bei dem sie ein erregender Schauer überläuft: männliches Verlangen. Und dann macht der feurige Franzose ihr einen ungeheuer aufregenden Gegenvorschlag …


  • Erscheinungstag 09.10.2018
  • Bandnummer 2357
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710460
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nessa O’Sullivan hätte nie gedacht, dass sie je ein Verbrechen begehen würde. Aber hier war sie, auf einem privaten Grundstück, verborgen im schwachen Mondlicht und bereit, einzubrechen und etwas zu stehlen, das ihr nicht gehörte.

Sie schnitt eine Grimasse. Na ja, um genau zu sein, würde sie nicht wirklich einbrechen. Ihr Bruder hatte ihr die Schlüssel zu seinem Büro auf Luc Barbiers Anwesen gegeben.

Luc Barbier.

Besitzer der gleichnamigen Pferdezucht und des Rennstalls. Bei seinem Namen überlief ihren zarten Körper ein Schauer. Sie kauerte sich tiefer unter den Baum am Rand des makellosen Rasens. Ihren verbeulten Mini Cooper hatte sie ein Stück vom Tor entfernt stehengelassen und war dann über die niedrige Mauer geklettert.

Das Haus ihrer Familie lag ganz in der Nähe, daher kannte sie sich in der Gegend gut aus. Schon als Kind hatte sie hier gespielt, als das Gestüt noch einen anderen Besitzer gehabt hatte.

Als ganz in der Nähe der Schrei einer Eule ertönte, zuckte Nessa zusammen. Das Herz hämmerte wild in ihrer Brust. Sie zwang sich, tief ein- und auszuatmen, um sich zu beruhigen. Wieder verfluchte sie ihren hitzköpfigen älteren Bruder. Er war einfach geflohen und hatte sie mit seinem Problem allein gelassen.

Andererseits … konnte sie Paddy junior wirklich vorwerfen, dass er Luc Barbier nicht die Stirn bieten wollte? Luc Barbier, dem furchteinflößenden enfant terrible der Rennwelt?

Man wusste kaum etwas über ihn, nur, dass er in der Lage war, selbst die schwierigsten Pferde zu trainieren. Aber seine kalte, dunkle Attraktivität ließ die wildesten Gerüchte aus dem Boden schießen. Es hieß, er würde von Zigeunern abstammen und hätte auf der Straße gelebt, bevor er zu einer Art Legende in der Rennszene geworden war.

Er war noch jung, aber ihm gehörte bereits ein eigener Rennstall in der Nähe von Paris – und jetzt auch dieses exklusive Gestüt in Irland mit einem weiteren Rennstall. Hier arbeiteten die besten Trainer der Welt mit seiner beeindruckenden Anzahl erfolgreicher Rennpferde – alles unter seiner genauen Aufsicht.

Abgesehen von seinen Erfolgen in der Rennwelt investierte er in unzählige andere Firmen. Innerhalb weniger Jahre hatte er es geschafft, sein Vermögen zu verdreifachen und zu einem der reichsten Unternehmer der Welt zu werden. Doch sein Hauptinteresse blieben die Pferde.

Das Geheimnis um seine Herkunft befeuerte die Spekulationen über ihn noch zusätzlich. Man sagte über ihn, dass seine Fähigkeiten eine Art Zauberei sein müssten, geerbt von seinen mysteriösen Vorfahren.

Anderen Gerüchten zufolge war er nur ein einfacher Krimineller aus schlechten Verhältnissen, der es durch Talent, Einfallsreichtum, Glück und Skrupellosigkeit aus der Gosse bis ganz nach oben geschafft hatte.

Seit Barbier vor einigen Jahren Nessas Bruder als Manager auf seinem Gestüt eingestellt hatte, sprach Paddy junior nur in einem gedämpften, ehrfürchtigen Ton über den Mann.

Nessa war ihm nur ein- oder zweimal begegnet. Bei einer exklusiven, irischen Pferdeauktion hatte sie ihn aus der Ferne gesehen. Selbst zwischen all den Berühmtheiten der Pferdeszene, Ölscheichen und Angehörigen von Königshäusern, war er nicht zu übersehen gewesen.

Tintenschwarzes Haar, dicht und wild, fiel ihm bis auf den Kragen. Ein dunkles Gesicht mit markantem Knochenbau, ernst, die Augen hinter dunklen Gläsern verborgen. Muskulöse Arme vor der Brust verschränkt.

Er hatte mehr Ähnlichkeit mit einem mysteriösen Filmstar oder den schweigsamen Bodyguards der Ölscheiche als mit einem Rennpferdbesitzer.

Nessa hatte keine Sicherheitskräfte in seiner Nähe entdeckt, und selbst jetzt noch erinnerte sie sich genau an die Ausstrahlung von Gefahr und Bedrohung, die ihn umgab. Er war garantiert in der Lage, auf sich selbst aufzupassen.

Sie war heute Abend nur aus einem einzigen Grund überhaupt hier: Ihr Bruder hatte ihr versichert, Luc Barbier würde sich zurzeit in Frankreich aufhalten.

Sie verspürte nicht das geringste Verlangen, dem Mann persönlich zu begegnen. Denn bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen sie ihn aus der Ferne gesehen hatte, hatte sich jedes Mal ein sehr beunruhigendes Gefühl in ihrem Inneren bemerkbar gemacht. Ein Gefühl, das ihr ganz unvertraut war – und sehr unangemessen einem Fremden gegenüber.

Sie holte noch einmal tief Luft, verließ ihr Versteck unter dem Baum und schlich vorsichtig über den Rasen zum Haus. Ein Hund bellte. Nessa blieb stehen, sie hielt den Atem an.

Das Bellen brach ab, und sie ging weiter, bis sie das Haupthaus erreichte. Durch den Torbogen betrat sie den Innenhof. Hier lagen die Bürogebäude.

Sie folgte Paddys Anweisungen, fand das Hauptbüro und öffnete mit dem größten Schlüssel am Bund die Tür. Ihr Herz hämmerte wild, aber die Tür öffnete sich ohne das leiseste Geräusch. Kein Alarm ertönte. Aber Nessa war zu erleichtert, um sich darüber zu wundern.

Das Haus lag in tiefer Dunkelheit, sie konnte gerade noch die Treppe erkennen. Sie schaltete die Taschenlampe an ihrem Handy ein, ging nach oben und seufzte erleichtert, als sie Paddys Büro fand.

So leise wie möglich trat sie ein und schloss die Tür wieder hinter sich. Einen Moment lang lehnte sie sich gegen das Holz. Ihr Herz raste. Über ihren Rücken lief Schweiß.

Sobald sie sich etwas beruhigt hatte, ging sie weiter in den Raum hinein. Sie nutzte das Licht ihres Handys, um Paddys Schreibtisch zu finden. Er hatte ihr gesagt, sein Notebook liege in der obersten Schublade, aber als sie diese öffnete, war sie leer. Nessa öffnete eine Schublade nach der anderen – alle waren leer. Leicht panisch sah sie in den anderen Schreibtischen nach, aber nirgendwo gab es ein Zeichen von dem Notebook.

In ihrem Kopf hörte sie Paddys aufgeregte Worte: „Dieses Notebook ist die einzige Chance, meine Unschuld zu beweisen. Wenn ich nur die E-Mails zu dem Hacker zurückverfolgen kann …“

Nessa stand mitten im Büro und biss sich auf die Lippen. Langsam verlor sie die Nerven.

Kein Laut warnte sie, dass sie nicht länger allein im Gebäude war. Als sich eine andere Tür öffnete und der Raum in helles Licht getaucht wurde, wirbelte sie herum. Sie blinzelte geblendet und starrte die große Gestalt an, die den Türrahmen ausfüllte.

Sie begriff, dass es Luc Barbier war. Und dass sie jeden Grund gehabt hatte, eine Begegnung mit ihm zu fürchten. Er war schlicht und einfach der umwerfendste und furchteinflößendste Mann, den sie je aus der Nähe gesehen hatte.

Und das wollte schon etwas heißen. Ihr Schwager war immerhin Scheich Nadim Al-Saqr von Merkazad – ein Mann, wie man ihn sich beeindruckender und männlicher kaum vorstellen konnte.

Luc Barbier war ganz in Schwarz gekleidet, er trug Jeans und ein langärmeliges T-Shirt. Seine Augen waren so dunkel, dass sie unergründlich wirkten.

Er hielt ein flaches silbernes Notebook hoch.

„Sind Sie deshalb hergekommen?“

Seine Stimme klang dunkel und rau und hatte einen sexy Akzent. Nessa tat das Einzige, was ihr einfiel – sie drehte sich auf dem Absatz um, rannte zurück zu der Tür, durch die sie gekommen war, und zog sie auf … nur um vor einem kräftigen Wachmann zu stehen, der sie ungerührt ansah.

Hinter sich hörte sie Barbiers Stimme. Dieses Mal lag unmissverständliche Härte darin. „Schließen Sie die Tür. Sie gehen nirgendwo hin.“

Als sie sich nicht bewegte, griff der Wachmann an ihr vorbei, schloss die Tür und sperrte sie mit Luc Barbier ein. Der sich ganz offensichtlich nicht in Frankreich aufhielt.

Äußerst widerwillig drehte sie sich um und sah ihn an. Ihr war bewusst, dass sie in ihrer schwarzen Jogginghose, dem engen schwarzen Pullover und der dunklen Baseballkappe, unter der sie ihr Haar versteckt hatte, schuldig wie die Nacht aussehen musste.

Luc Barbier hatte die andere Tür geschlossen. Das Notebook lag neben ihm auf einem Schreibtisch. Er stand einfach nur da, mit verschränkten Armen und gespreizten Beinen, als rechnete er jeden Augenblick damit, dass sie wieder lospreschen wollte.

„Also, wer sind Sie?“

Sie hielt den Mund fest geschlossen und hoffte, dass die Kappe ihr Gesicht verbarg.

Er seufzte hörbar. „Wir können es so versuchen oder auf die harte Tour. In zehn Minuten kann die Polizei hier sein, dann können Sie denen sagen, wer Sie sind und warum Sie in mein Haus eingebrochen sind. Aber wir wissen beide, dass Sie deshalb gekommen sind, nicht wahr?“ Er tippte mit einem Finger auf das Notebook. „Offensichtlich arbeiten Sie für Paddy O’Sullivan.“

Nessa hörte seine letzten Worte kaum. So lächerlich es auch war, sie konnte auf kaum etwas anderes achten als auf seine wunderschönen Hände. Groß und männlich und doch fast graziös. Tüchtige Hände. Sexy Hände. Das seltsame Gefühl in ihrem Inneren wuchs und wurde immer verwirrender.

Sie schwieg hartnäckig. Plötzlich stieß Barbier einen leisen französischen Fluch aus, nahm das Notebook und ging. Er hatte fast die Tür erreicht, als Nessa klar wurde, dass die Katastrophe nur noch größer würde, wenn er die Polizei einschaltete. Dass Barbier sie bisher noch nicht angerufen hatte, weckte den Hauch einer Hoffnung in ihr, dass sie die Situation noch irgendwie retten konnte.

„Warten Sie!“ In der Stille klang ihre Stimme sehr hoch.

Mit dem Rücken zu ihr, blieb er an der Tür stehen. Von hinten wirkte er fast so furchteinflößend wie von vorn. „Was haben Sie gesagt?“

Nessa versuchte, ihr rasendes Herz zu beruhigen. Sie hielt den Kopf gesenkt und versuchte, sich so gut wie möglich unter dem Schirm der Kappe zu verstecken.

„Ich sagte: Warten Sie. Bitte.“

Es blieb lange still, dann sagte er ungläubig: „Sie sind ein Mädchen?“

Sie wusste, dass sie von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet war und eine Kappe trug, aber sah sie wirklich so jungenhaft aus? Ihr war genau bewusst, dass sie die weiblichen Listen und Tricks nicht beherrschte, schließlich hatte sie den Großteil ihres Lebens in Gummistiefeln im Dreck verbracht. Zu ärgerlich, um daran zu denken, dass sie sich verstecken wollte, richtete sie sich auf und sah ihn an. „Ich bin vierundzwanzig. Wohl kaum mehr ein Mädchen.“

Er betrachtete sie skeptisch. „Durchs Unterholz zu kriechen und in ein fremdes Haus einzubrechen, ist wohl kaum das Verhalten einer erwachsenen Frau.“

Der Gedanke an die Art Frauen, die ein Mann wie er kannte – Welten von Nessa entfernt –, vergrößerte ihre Unsicherheit noch. Sie versuchte, ihre Verletzlichkeit hinter einem Angriff zu verbergen. „Sie sollten in Frankreich sein.“

Luc Barbier war schockiert. Und er war kein Mann, den man leicht schockieren konnte. Aber dieses schmächtige Mädchen – diese Frau? – gab ihm Kontra, als hätte er sie nicht gerade auf frischer Tat beim Einbruch in sein Haus ertappt. „Ich war in Frankreich, und jetzt bin ich es nicht mehr.“

Er ließ den Blick über ihren Körper wandern und spürte, wie etwas in ihm aufstieg … Interesse. Denn jetzt sah er es. Ja, sie war eindeutig eine Frau. Wenn auch fast knabenhaft schmal und klein. Aber er erkannte ihre Brüste. Klein und perfekt geformt, zeichneten sie sich unter ihrem hautengen Pullover ab.

Er sah auch ihre Unterlippe, auf die sie sich gerade biss, und spürte einen sehr unwillkommenen Anflug von Verlangen.

„Nehmen Sie die Kappe ab“, hörte er sich selbst sagen.

Sie hob trotzig das kleine Kinn. Er sah, wie angespannt sie war. Einen Moment lang wusste er nicht, was sie tun würde.

Dann, als wüsste sie, dass sie keine andere Wahl hatte, hob sie eine Hand und nahm die Kappe vom Kopf. Langes, dunkelrotes Haar fiel über ihre Schultern.

Für ein paar Sekunden konnte Luc sie nur dumm anstarren. Und dann sah er den Rest von ihrem Gesicht und fühlte sich noch dümmer.

Er hatte schon unzählige schöne Frauen gesehen, einige von ihnen galten als die schönsten Frauen der Welt, aber in diesem Augenblick waren sie nicht mehr als verschwommene Erinnerungen.

Sie war umwerfend. Hohe Wangenknochen. Makellose blasse Haut. Eine gerade Nase. Riesige haselnussbraune Augen mit grünen und goldenen Funken. Und dieser Mund, breit und üppig.

Sein Körper reagierte, doch der Schock über seine Reaktion auf dieses schmächtige Mädchen ließ seine Erregung sofort wieder abklingen. Er begehrte keine Frauen, es sei denn, wenn er es wollte.

Sein spontanes Verlangen rührte nur daher, dass ihre Schönheit ihn so überrascht hatte. „Jetzt sagen Sie mir, wer Sie sind, oder ich rufe die Polizei.“ Seine Stimme klang hart.

Nessa glühte innerlich von dem Blick, mit dem Barbier sie angesehen hatte. Ohne ihre Kappe fühlte sie sich ungeschützt. Gleichzeitig konnte sie die Augen nicht von ihm abwenden. Er war einfach … wunderschön, auf eine rohe, sehr männliche Weise. Harte Linien und scharfe Gesichtszüge. Doch sein Mund war provozierend sinnlich – das einzig Weiche in diesem Gesicht.

„Ich warte.“

Sie wandte den Blick ab und konzentrierte sich auf das Bild eines berühmten Rennpferdes an der Wand hinter ihm. Wenn sie nicht wollte, dass er die Polizei rief, hatte sie keine Wahl. Sie musste ihm ihren Namen verraten. Und in einer so kleinen, eng verbundenen Gemeinde wüsste innerhalb von Minuten der ganze Ort Bescheid.

„Mein Name ist Nessa …“ Sie zögerte, dann setzte sie hastig hinzu: „O’Sullivan.“ Sie warf ihm einen Blick zu und sah, dass er die Stirn runzelte.

„O’Sullivan? Sind Sie mit Paddy verwandt?“

Sie nickte jämmerlich. Dieser Abendausflug hatte sich zu einer wahren Katastrophe entwickelt! „Ich bin seine jüngere Schwester.“

Barbier brauchte einen Moment, um diese Information zu verarbeiten, dann verzog er den Mund. „Er schickt seine kleine Schwester los, damit sie die Drecksarbeit für ihn erledigt?“

„Paddy ist unschuldig!“, verteidigte Nessa ihren Bruder sofort.

Ihr Ausbruch beeindruckte Luc Barbier nicht im Geringsten. „Mit seinem Verschwinden hat er seine Situation nur noch schlimmer gemacht. Und an den Tatsachen hat sich nichts geändert: Paddy war für den Kauf des sizilianischen Zuchthengstes von Gio Corretti verantwortlich. Das Pferd ist vor einer Woche bei uns angekommen, der Kaufpreis von einer Million Euro ist von meinem Konto verschwunden, aber nie bei Corretti angekommen. Es ist doch offensichtlich, dass Ihr Bruder es selbst eingesteckt hat.“

Bei der riesigen Summe wurde Nessa blass, aber sie zwang sich, stark zu bleiben, für Paddy. „Er hat kein Geld veruntreut. Das war nicht sein Fehler. Sein Computer ist manipuliert worden. Irgendwie müssen die Gauner sich als die Pferdeverkäufer ausgegeben haben, und Paddy hat ihnen das Geld in dem Glauben überwiesen, dass alles seine Richtigkeit hat.“

Barbiers Miene war hart wie Stein. „Wenn das wirklich stimmt, warum ist er dann nicht selbst hier, um sich zu verteidigen?“

„Sie haben ihm gesagt, Sie würden ihn anzeigen und er wäre für die gesamte Summe schadensersatzpflichtig. Er hat einfach keinen anderen Ausweg gesehen.“

Im Kopf hörte sie wieder seine panische Stimme: „Ness, du weißt ja nicht, wozu dieser Mann fähig ist. Er wird mich so fertigmachen, dass ich nie wieder einen Job in der Szene bekomme …“

Barbiers Lippen wurden schmal. „Mit seiner Flucht unmittelbar nach dem Telefongespräch hat er sich nur noch verdächtiger gemacht.“

Nessa wollte noch mehr zu seiner Verteidigung vorbringen, schwieg aber. Wie sollte sie diesem Mann erklären, dass ihr Bruder als Teenager eine rebellische Phase durchgemacht und schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war? Das würde ihn in Barbiers Augen auch nicht unschuldiger aussehen lassen.

Paddy hatte hart dafür gearbeitet, um sein Leben herumzureißen, aber der Richter hatte ihm gesagt, dass er das nächste Mal nicht ohne eine Vorstrafe davonkommen würde.

Luc Barbier betrachtete die Frau, die vor ihm stand. Er begriff nicht, warum er überhaupt noch mit ihr herumdiskutierte. Und doch, ihr offensichtlicher Wunsch, ihren Bruder zu verteidigen – selbst auf ihre eigenen Kosten –, faszinierte ihn.

Seiner Erfahrung nach war Loyalität nicht mehr als ein Mythos. Jeder interessierte sich nur für seinen eigenen Vorteil.

Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er verfluchte sich, weil er nicht schon eher daran gedacht hatte. Aber er war zu abgelenkt gewesen von einer Flut roter Haare und einem zierlichen Körper. Wie ärgerlich! „Vielleicht stecken Sie ja selbst mit drin. Wollten Sie den Computer verschwinden lassen, damit jeder Beweis vernichtet wird?“

„Natürlich nicht! Ich bin nur gekommen, weil Paddy …“ Sie brach ab. Sie wollte ihren Bruder nicht noch mehr belasten.

„Weil Paddy … was?“, fragte Barbier. „Zu feige war? Oder schon das Land verlassen hat?“

Nessa biss sich auf die Lippen. Paddy war nach Amerika geflohen, um sich bei ihrem Bruder Eoin zu verstecken. Sie hatte ihn angefleht zurückzukommen.

Wieder hörte sie seine Worte: „Niemand macht Barbier ungestraft Ärger. Es würde mich nicht überraschen, wenn er Verbindungen zur Unterwelt hat …“

Einen Augenblick flackerten Zweifel in Nessa auf. Konnte es sein, dass Paddy vielleicht doch …

Sofort rief sie sich zur Ordnung. Wie konnte sie auch nur eine Sekunde lang an ihrem Bruder zweifeln? Daran war nur dieser Mann schuld.

„Paddy ist unschuldig. Ich gebe Ihnen recht, er hätte nicht fliehen sollen, aber das hat er nun mal getan.“ Sie zögerte kurz, bevor sie fortfuhr: „Er neigt dazu, bei Problemen wegzulaufen. Nach der Beerdigung unserer Mutter war er eine ganze Woche lang verschwunden.“

Barbier blieb völlig ungerührt, dann sagte er: „Ich habe schon gehört, dass die Iren ein Talent dafür haben, sich aus allem herauszureden, aber bei mir funktioniert das nicht, Miss O’Sullivan.“

Wieder flammte Ärger in ihr auf. „Ich versuche absolut nicht, mich aus irgendetwas herauszureden.“ Sie zwang sich, ruhiger weiterzusprechen. „Ich wollte Paddy nur helfen, seinen Computer zurückzubekommen. Er hat gesagt, damit könnte er seine Unschuld beweisen.“

Barbier nahm das dünne, silberne Notebook auf und hob es hoch. „Wir haben den Computer gründlich durchsucht und nichts gefunden, was die Unschuld Ihres Bruders beweisen könnte. Sie haben ihm mit dem Einbruch keinen Gefallen getan. Jetzt sieht er nur noch schuldiger aus. Noch dazu haben Sie sich selbst in Schwierigkeiten gebracht.“

Fasziniert sah Luc zu, wie die Farbe aus ihrem ausdrucksvollen Gesicht wich. Die meisten Menschen versteckten sich hinter einer Maske. Er selbst konnte sich nicht einmal erinnern, wann er sich zuletzt erlaubt hatte, seine Gefühle zu zeigen.

Aber darauf würde er nicht hereinfallen. Er müsste schon ein absoluter Dummkopf sein, ihr zu glauben.

Nessa spürte, wie ihre letzte Hoffnung schwand. Barbier war so unbeugsam wie ein Stein. Er legte das Notebook zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, als würden sie ganz entspannt plaudern. Aber an diesem Mann gab es nichts Entspanntes. Aus jeder Pore strahlte er Gefahr aus, auch wenn Nessa nicht wusste, was für eine Gefahr.

Doch ganz gleich, was Paddy gesagt hatte, fühlte sie sich in keiner Weise persönlich von ihm bedroht. Die Gefahr lag eher in ihr selbst. Ein seltsames, unbekanntes Gefühl pochte dumpf in ihrem Inneren.

„Ich soll Ihnen also wirklich glauben, dass Sie aus reiner Liebe zu Ihrem armen, unschuldigen Bruder hier sind?“, fragte Barbier spöttisch.

„Ich würde alles für meine Familie tun!“, warf sie ihm an den Kopf.

„Warum?“

Seine simple Frage überraschte sie. Nessa blinzelte irritiert. Sie hatte nicht einmal nachgefragt, als Paddy sie um Hilfe gebeten hatte. Obwohl sie jünger war als er, war ihr Beschützerinstinkt sofort erwacht.

Ihre Familie war eine Einheit, sie hatten schwere Zeiten durchgemacht und waren dadurch umso stärker geworden.

Ihre ältere Schwester Iseult hatte nach dem tragischen Tod der Mutter alles zusammengehalten – mehr oder weniger erfolgreich –, als ihr Vater Trost in der Flasche gesucht hatte. Iseult hatte Nessa und ihre beiden Brüder vor seinen schlimmsten Ausbrüchen beschützt und ihm geholfen, wieder auf die Beine zu kommen, nachdem ihr Gestüt vor ihren Augen zugrunde gegangen war.

Aber Iseult war nicht hier. Sie hatte ihr glückliches Leben verdient. Jetzt war es Nessas Aufgabe, die Familie zu beschützen.

Sie sah Barbier an. „Ich würde alles für sie tun, weil wir uns lieben und wir uns gegenseitig beschützen.“

Einen Augenblick blieb es still. „Sie geben also zu, dass Sie für Ihre Familie ein Verbrechen begehen würden“, sagte er dann.

In diesem Moment fühlte Nessa sich schrecklich allein. Sie wusste, sie könnte Iseults Ehemann Scheich Nadim von Merkazad anrufen. Er war einer der reichsten Männer der Welt. Er hätte die Sache in ein paar Stunden aus der Welt geschafft. Aber Paddy und sie hatten sich geschworen, weder Iseult noch Nadim in die Sache zu verwickeln. In einigen Wochen erwarteten die beiden ein Baby.

Also straffte sie die Schultern und starrte Luc Barbier ins Gesicht. „Sie verstehen offensichtlich nicht, wovon ich rede. Würden Sie das etwa nicht für Ihre Familie tun?“

„Ich habe keine Familie. Nein, ich verstehe nicht, wovon Sie reden.“

Keine Familie. Sie konnte sich ein Leben ohne die Sicherheit der Familie nicht einmal vorstellen.

„Wenn Ihnen die Familie so wichtig ist, werde ich jeden von Ihnen zur Rechenschaft ziehen, bis entweder Ihr Bruder zurückkehrt oder ich mein Geld bekommen habe.“

Wütend ballte Nessa die Hände zu Fäusten und versuchte, ihr Temperament unter Kontrolle zu halten. Barbier musste doch wenigstens einen Rest von Anstand besitzen. „Nicht, dass es Sie etwas angehen würde, aber meine Schwester erwartet bald ihr Baby. Mein Vater hilft ihr, und sie und ihr Ehemann haben nichts mit der Sache zu tun. Wenn Sie jemandem Schwierigkeiten machen wollen – ich übernehme die Verantwortung für meinen Bruder.“

Ich übernehme die Verantwortung für meinen Bruder.

Seit sie ihn gefragt hatte, ob er nicht verstand, wovon sie redete, bestürmten Luc fremde Gefühle.

Familie. Natürlich verstand er nicht. Wie sollte er, da sein algerischer Vater sich vor seiner Geburt aus dem Staub gemacht hatte und seine labile Mutter kurz nach Lucs sechzehntem Geburtstag an einer Überdosis gestorben war?

Am nächsten hatte ihm ein Nachbar gestanden. Ein alter Mann, vom Leben gebrochen, und doch war er es gewesen, der Luc einen Ausweg gezeigt hatte. Er drängte die Erinnerungen beiseite.

Ihm war es ein Rätsel, warum dieses dünne Mädchen – diese Frau – solche Gefühle in ihm hervorbrachte. Und dazu benutzte sie nicht einmal ihr Aussehen, obwohl er bestimmt nur schlecht verborgen hatte, wie ihre Schönheit ihn beeindruckt hatte.

Auch wenn es ihm widerstrebte, kam er nicht umhin, ihr einen gewissen Respekt zu zollen. Wenn sie nur bluffte, war sie jedenfalls sehr, sehr gut darin. Er konnte jederzeit die Polizei rufen, und man würde sie in Handschellen abführen.

Doch Luc hatte nicht die geringste Absicht, die Polizei zu rufen. Er hatte in den Straßen von Paris überlebt, einen Tag nach dem anderen. Die Polizei war nie da gewesen, als er sie gebraucht hatte, darum wäre es eine Untertreibung zu behaupten, er würde ihr nicht vertrauen.

Er regelte die Dinge auf seine eigene Weise. Wahrscheinlich stammten daher all die lächerlichen Gerüchte über ihn.

„Wie sollen wir jetzt weitermachen, Miss O’Sullivan? Wenn Sie die Verantwortung für Ihren Bruder übernehmen, wären Sie dann so freundlich, mir einen Scheck über eine Million Euro auszustellen?“

Eine Million Euro war mehr Geld, als sie in ihrem ganzen Leben verdienen würde. Es sei denn, ihre Karriere als Jockey würde eine Wende nehmen und sie bekäme die Chance, bei den ganz großen Rennen zu reiten.

„So viel Geld haben wir nicht“, erwiderte sie so fest, wie sie konnte.

„Nun, das bringt uns dann auch nicht weiter“, bemerkte Barbier gelassen. „Und es kommt noch schlimmer. Dank Ihrem Bruder kann ich Gio Corretti jetzt noch eine weitere Million überreichen, damit er keine Fragen stellt, warum er das Geld noch nicht erhalten hat.“

Daran hatte sie noch nicht gedacht. „Vielleicht können Sie mit ihm reden und ihm erklären, was passiert ist?“

Er lachte humorlos. „Um die Gerüchteküche noch mehr anzustacheln?“

Nessas Beine drohten nachzugeben, und ihr wurde schwindelig.

„Geht es Ihnen nicht gut?“

Die scharfe Frage traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie holte tief Luft, als er einen Schritt auf sie zukam. Er war so groß. Und so dunkel. Wahrscheinlich der furchteinflößendste Mensch, dem sie je begegnet war.

Sie konnte nicht gegen ihn ankämpfen. Er war zu reich, zu erfolgreich. Zu umwerfend. Sie schluckte. „Ich würde Ihnen so gern Ihr Geld geben, Mr. Barbier, glauben Sie mir. Aber das kann ich nicht. Und ich weiß, dass mein Bruder unschuldig ist, ganz gleich, wie es aussieht.“

Was kann ich Barbier anbieten, damit er Paddy in Ruhe lässt? Wenigstens bis er eine Chance bekommt, seine Unschuld zu beweisen. Aber was sollte sie diesem Mann schon anbieten?

Autor

Abby Green
<p>Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...
Mehr erfahren