Multimillionäre - zwischen Reichtum und Leidenschaft 3

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SCHENK MIR DEIN HERZ, KEINE DIAMANTEN

Wenn der griechische Multimillionär Jed Sabbides sie in London besucht, schwebt die junge Phoebe im siebten Himmel. Noch nie war sie so glücklich wie mit diesem Mann! "Ich liebe dich", haucht sie, als er sie nach ihrem berauschenden Liebesspiel mit einem kostbaren Diamantcollier überrascht. Doch kaum gesteht sie, dass sie schwanger von ihm ist, wird Jed plötzlich vom heißen Liebhaber zum kalten Fremden. Phoebe ist zutiefst verletzt. War sie zu naiv und hat von einer gemeinsamen Zukunft geträumt, während sie für ihren Traummann nur eine vorübergehende Gespielin war?

SEKTFRÜHSTÜCK IM HILLTOP INN

Serena ist schockiert: Wie kann sie nur so dumm sein und sich in Nic Moretti verlieben? Sie weiß doch genau, wie der Multimillionär über sie denkt! Denn sie hat zufällig mit angehört, wie er sich abfällig über sie äußerte. Trotzdem erwidert Serena sehnsüchtig Nics stürmische Küsse. Besteht doch Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft? Um sich Klarheit zu verschaffen, stellt sie Nic zur Rede …

DIE LADY UND DER MILLIONÄR

Die hinreißende Lady Serena Flaxton ist überzeugt, dass der Multimillionär Nicholas Colterne nichts für sie empfindet. Trotzdem nimmt sie seinen Antrag an, um ihre Eltern vor dem Ruin zu bewahren. Serena ahnt nicht, dass Nicholas sie vom ersten Moment an aufrichtig liebt…

WIE IM GOLDENEN KÄFIG

Eigentlich müsste Marianne unendlich glücklich sein, doch genau das Gegenteil ist der Fall: Seit zwei Jahren ist sie mit dem Multimillionär Zeke Buchanan verheiratet und lebt in seinem Luxus-Penthouse, obwohl sie das hochmoderne Apartment überhaupt nicht mag. Keins seiner vielen Versprechen hat Zeke erfüllt: Schon lange wollten sie sich ein gemütliches Haus mit Garten suchen, aber es scheiterte immer daran, dass er nie Zeit für einen Besichtigungstermin hatte. Überhaupt arbeitet er immer mehr, anstatt weniger, wie abgemacht. Ais Marianne vorschlägt, sich einen Job zu suchen, um eine befriedigende Aufgabe zu haben, lehnt er ab. Interessieren ihn ihre Bedürfnisse überhaupt nicht? Liebt er sie noch?

DAS SCHLOSS MEINER TRÄUME

Seit der bekannte Maler Brice McAllister das wunderschöne Topmodel Sabina auf einer Modenschau gesehen hat, träumt er nur noch von ihr. Als ihr Verlobter, der Multimillionär Richard Latham, ihn bittet, ein Porträt von ihr anzufertigen, weiß Brice gar nicht, ob er den Auftrag annehmen soll. Möglicherweise die Chance, um Sabinas Herz zu erobern! Aber einem anderen die Frau wegnehmen? Was verbindet die immer so traurig wirkende Sabina mit dem wesentlich älteren Unternehmer? Brice muss ihr Geheimnis lüften und lädt sie auf sein Schloss in Schottland ein...

VERLIEBT IN MONTE CARLO

Nie, so wünscht sich Maggie, soll die Zeit mit Caleb zu Ende gehen. Aber nicht nur weil der Multimillionär ihr wertvolle Juwelen schenkt: Für Maggie ist Caleb ihr Traummann! Doch wird es je ein Happy End für sie beide geben? Vor sechs Monaten hat er Millionen verloren - durch ihre Schuld! Und nun will er sich an ihr rächen! Zwei Monate lang soll sie seine Geliebte sein - Zeit genug für Maggie, um Calebs Herz zu gewinnen?


  • Erscheinungstag 12.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735678
  • Seitenanzahl 850
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Abby Green, Jacqueline Baird, Carole Mortimer, Helen Brooks, Emma Darcy, Sarah Holland

Multimillionäre - zwischen Reichtum und Leidenschaft 3

Abby Green

Verliebt in Monte Carlo

IMPRESSUM

JULIA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2007 by Abby Green
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 1795 (1/2) - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Gudrun Bothe

Fotos: RJB Photo Library

Veröffentlicht im ePub Format im 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-492-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

PROLOG

London, November

In der nachtschwarzen Dunkelheit des späten Novembers traten die funkelnden Lichter des exklusiven Londoner Hotels besonders strahlend hervor. Maggie Holland stand direkt vor der gläsernen Drehtür. Ihr Herz klopfte im Hals, die Knie zitterten, die Hände waren feucht, und über ihren Rücken rann Schweiß.

Unter der Fülle glänzender Locken, die mit unzähligen Nadeln hochgesteckt waren, klopfte es schmerzhaft hinter ihrer Stirn. Mit klammen Fingern zog sie den viel zu kurzen Regenmantel fest um sich. Doch obwohl der eisige Wind peinigend um ihre Beine fegte, schaffte sie es nicht, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen.

Gleich hinter ihr stieg ein Paar aus einem Taxi und flüchtete sich in den Schutz des ausladenden Schirmes, den der Hotelportier beflissen aufgespannt hatte. Er hieß die Gäste in gebrochenem Deutsch willkommen, dann kam die ganze Gruppe auf Maggie zu. Sie musste sich bewegen, so viel stand fest. Entweder sie betrat die Lobby hinter der Glaswand, oder sie ging zur Seite, um die anderen vorbeizulassen.

Urplötzlich wich die Erstarrung von ihr. Mit einem tiefen Atemzug stieß sie die Drehtür auf und betrat das warme Foyer.

In der gleichen Sekunde sah sie ihn. Unmöglich, ihn nicht wahrzunehmen, da er, wie gewohnt, alle Blicke auf sich zog. Zum Glück stand er mit abgewandtem Gesicht zu ihr und sprach mit irgendjemand – deshalb blieb ihr Eintritt unbemerkt. Maggie war froh über den unverhofften Aufschub. So erhielt sie wenigstens eine geringe Chance, sich zu sammeln und ihre zitternden Nerven unter Kontrolle zu bekommen.

Und ihn unauffällig beobachten zu können …

Wie er lässig mit den Händen in den Hosentaschen dastand, wobei sich der Stoff seiner maßgeschneiderten Hose über der wohlgeformten Kehrseite spannte, konnte man ihn eher für einen Athleten als für das geniale Finanzgenie halten, das mit Millionen jonglierte wie ein Artist mit seinen Bällen.

Einige redeten sogar von Milliarden!

Ein Tycoon, dem der Ruf eines … wenn nicht sogar des innovativsten und erfolgreichsten Geschäftsmannes Europas anhaftete.

Bis vor zwei Wochen, als sie ihm im Haus ihres Stiefvaters begegnet war, hatte Maggie noch nie von Caleb Cameron gehört. Nur auf Wunsch ihrer Mutter, die dringend ihre Unterstützung benötigte, war sie überhaupt dort erschienen. Caleb war einer von mehreren Geschäftsleuten gewesen, die sich in den letzten zwei Wochen zu augenscheinlich bedeutsamen Meetings bei ihrem Stiefvater eingefunden hatten.

Während dieser Zeit stand Maggie ihrer Mutter fast jeden Tag zur Seite, um die Gäste zu bewirten und zu betreuen. Und seitdem wurde jede Minute jedes einzelnen Tages – und der Nächte – von Gedanken an diesen unglaublich attraktiven, dynamischen Mann beherrscht, der ein offensichtliches Interesse an ihr zeigte.

Beweis dafür war das für heute arrangierte Treffen …

Ein Date, zu dem sie gezwungen wurde. Maggie presste die Lippen zusammen und schluckte heftig. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, sich aus diesem Dilemma zu befreien, befürchtete aber, in der ersten Sekunde von ihm durchschaut zu werden. Fast hoffte sie es sogar. Hieß es nicht, er habe einen rasiermesserscharfen Verstand? Und trotzdem erwartete man von ihr, dass sie …, nein, befahl man ihr, dass sie …

Maggie fühlte heftige Übelkeit aufsteigen und schloss die Augen. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre geflohen. Doch das durfte sie nicht. Denn an die Konsequenzen, die das für die einzige Person, die ihr wirklich nahestand, zur Folge hätte, mochte sie erst gar nicht denken. Sie hatte keine Wahl.

„Maggie.“

Wie ertappt riss sie die Augen auf. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Jetzt stand er vor ihr wie eine große geschmeidige Dschungelkatze, bereit zum Sprung … oder bildete sie sich das nur ein? Maggie straffte ihren Rücken und begegnete scheinbar gelassen seinem Blick.

„Verzeihung, Caleb. Hoffentlich habe ich Sie nicht zu lange warten lassen.“

Er musterte sie langsam von Kopf bis Fuß und hob leicht die Schultern, während Maggie unter seinem abschätzenden Blick fast der Atem stockte. „Die paar Minuten Verspätung waren eher eine angenehme Überraschung. Ich bin es gewohnt, sonst viel länger auf Frauen warten zu müssen.“

Instinktiv wusste Maggie, dass er log. Keine Frau würde diesen Mann freiwillig warten lassen. Es fiel ihr schwer, dem durchdringenden Blick aus diesen unglaublich azurblauen Augen standzuhalten. Ihre Knie wurden schwach, und das Blut floss wie glühende Lava durch ihre Adern. Ein verstörender Effekt, den allein Calebs Anblick von der ersten Sekunde an auf sie ausgeübt hatte … und der sie unglaublich frustrierte.

Zu dem Zeitpunkt wusste sie allerdings noch nichts von der Rolle, die ihr von ihrem Stiefvater in seinen hinterhältigen Machiavelli-Plänen zugedacht worden war. Der attraktive Fremde war für sie einfach nur Caleb gewesen, der Mann, der sie beeindruckte, wie niemand zuvor … und nicht jemand, den sie betrügen und ausnehmen sollte.

Und als ersten Schritt … verführen.

Maggie schaute in sein dunkles Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln. Für einen Sekundenbruchteil gelang es ihr sogar, sich einzubilden, dass Toms finstere Pläne gar nicht existierten. Konnte es nicht wirklich nur ein aufregendes Date sein, zu dem dieser attraktive Mann sie eingeladen hatte? Die Vorstellung ließ ihr Herz schneller schlagen und machte sie atemlos.

Des sehnsüchtigen, etwas bitteren Lächelns, das bei diesem Gedanken um ihren weichen Mund spielte, war sie sich nicht bewusst. Nach heute Abend würde sie Caleb Cameron nie wiedersehen. Dieses Wissen machte es Maggie einerseits leichter, an ihre Illusion zu glauben, andererseits verursachte es ihr einen schmerzhaften Stich im Herzen.

In Calebs ausdrucksvollen Augen blitzte es für einen Sekundenbruchteil gefährlich auf, dann verwandelte sich sein Gesicht zu einer fast nachsichtigen höflichen Maske.

„Wollen wir? Unser Dinner wartet …“

Hier war sie – ihre letzte Chance zu entfliehen …

„Gern“, sagte sie leise.

Auf steifen Beinen folgte sie ihm durchs Foyer und fühlte sich wie auf dem Weg zur Guillotine. Verborgen in ihrer Manteltasche, wog der Zimmerschüssel zu der eleganten Suite, die ihr Stiefvater für sie gebucht hatte, plötzlich schwer wie Blei. Dort oben in diesem Hotel würde der Verführungsakt stattfinden.

Und irgendwo, im Schatten … im Hintergrund, lauerte Tom Hollands Handlanger, der die ganze hässliche Szene aufnehmen sollte.

Guter Gott! Wie hatte sie sich nur darauf einlassen können?

An der Tür zum Hotelrestaurant zuckte Maggie unter Calebs Berührung zusammen, als er leicht die Hand auf ihre Schulter legte. Die Wärme seiner Finger schien sie durch den Regenmantel und die dünne Spitze der Stola zu versengen, mit der sie versuchte, das freizügige Kleid, das ihr Stiefvater extra für diesen Anlass beschafft hatte, wenigstens zum Teil zu verstecken.

Am liebsten hätte sie den Mantel anbehalten, doch der Maître d’Hotel nahm ihn ihr beflissen lächelnd ab und übergab ihn der Garderobiere. Erneut stieg heiße Panik in Maggie hoch. Sie konnte es nicht tun! Wie sollte sie den Ausdruck auf Calebs Gesicht ertragen, wenn er erst ihren Aufzug sah?

Sie trug nur einen winzigen Slip … das war unter dem fast transparenten Kleid deutlich auszumachen. Nur mit Mühe gelang es Caleb, seinen Blick loszureißen und auf die kunstvolle Frisur zu richten. Ihre hochgesteckten Locken reizten ihn dazu, die Haarnadeln herauszuziehen, um die tizianrote Haarflut über Maggies weiße Alabasterschultern herabfließen zu sehen.

Die Tatsache, dass sie es selbst in diesem billigen provokanten Outfit fertigbrachte, eine wilde, fast schmerzhafte Begierde nach ihrem perfekten Körper in ihm zu wecken, frustrierte und erregte ihn gleichermaßen. Und noch etwas bewegte Caleb – Selbstironie, Spott und Hohn.

Obwohl er genau wusste, wer und was sie war, hatte es einen Moment gegeben, in dem er hoffte … oder sich gewünscht hätte …

Energisch versuchte er, derart alberne und unsinnig romantische Gedanken zu verdrängen und dahin zu verbannen, wohin sie gehörten – in das Reich der Fantasie. Doch eine kleine hartnäckige Stimme in seinem Hinterkopf ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

Als er Maggie zum ersten Mal gesehen hatte, war eine Saite in seinem Inneren berührt worden, von deren Existenz er bis dahin gar nichts gewusst hatte. Ihre lebendige Schönheit und ihr süßes schüchternes Lächeln erschütterten sein zynisches desillusioniertes Ego. Von der ersten Sekunde an schien die Luft zwischen ihnen vor sexueller Spannung zu vibrieren. Doch da war noch etwas anderes, nicht Greifbares gewesen – eine Art femininer Unschuld, die ihn gleichermaßen überraschte und irritierte.

Er war es gewohnt, dass Frauen ihm zulächelten, aber stets so offensichtlich und kalkuliert, dass sich nur Abscheu in ihm regte.

Caleb presste die Lippen zusammen, während er Maggie durch den Speisesaal folgte, wobei ihm die neugierigen und begehrlichen Blicke der anderen Männer nicht verborgen blieben. Er brachte es ja selbst kaum fertig, seine Augen von den sexy Kurven unter der dünnen, fast durchsichtigen Seide zu lösen.

Sie heute Abend so vor sich zu sehen, mit dem herausfordernden Hüftschwung, der ihre offenkundigen Absichten gar nicht erst verbarg, ließ ihn an seinem Verstand und seiner Urteilsfähigkeit zweifeln. Wie hatte er nur auf die Idee kommen können, Maggie Holland sei anders als ihre Geschlechtsgenossinnen?

Natürlich sagte ihm seine Erfahrung und männliche Arroganz, dass sie scharf auf ihn war. Beherrschte ihn diese wilde Sehnsucht nicht selbst von der ersten Sekunde an? Aber wie vermessen, sich einzubilden, das einzige Objekt ihrer Begierde zu sein, dachte Caleb zynisch.

Sie war eine exzellente Schauspielerin, das musste man ihr immerhin zugestehen. Allein der Gedanke, dass es ihr fast gelungen wäre, ihn an der Nase herumzuführen, verursachte ihm einen bitteren Geschmack im Mund. Eine derartige Schwäche hatte er sich weder bei seinen geschäftlichen Transaktionen noch bei seinen zahllosen erotischen Intermezzi zwischen New York und Hongkong je zuschulden kommen lassen.

Sein ausgeprägter Instinkt, Selbsterhaltungstrieb und eiserne Kontrolle waren geradezu legendär. Eigenschaften, die es weder ihr noch ihrer Familie erlauben würden, ihn in eine Falle zu locken. Den Hollands stand eine böse Überraschung bevor, wenn sie glaubten, ihn bereits am Haken zu haben …

Maggie war hier, um ihn zu verführen und zu zerstören, daran hatte Caleb nicht den leisesten Zweifel. Die berühmte Venusfalle. Der älteste Trick der Menschheitsgeschichte. Wenn er sich nicht täuschte, war es der Umriss eines Zimmerschlüssels gewesen, der sich durch das dünne Material ihres Regenmantels in der Tasche abzeichnete. Ein Zimmer in diesem Hotel?

Caleb spürte, wie sich erneut heftiger Abscheu in ihm regte.

Doch es gehörten immer zwei zu einem Spiel. Schließlich war auch er hier, um sie zu verführen. Diese kleine Rache oder Entschädigung für seine Fehleinschätzung, was Maggies Charakter betraf, wollte er sich schon gönnen … als eine Art Kriegsbeute. Denn dies hier bedeutete Krieg. Das hatte Caleb in dem Moment für sich entschieden, als er Maggies berechnendes Outfit zu Gesicht bekam.

Sie erreichten ihren Tisch.

Maggie ging auf die andere Seite und warf ihm einen Blick zu, der ihn irritierte und sekundenlang verunsicherte. Unmöglich konnten das Angst und Scham sein, was da in ihren smaragdgrünen Augen aufblitzte, ehe sie den Kopf senkte und Platz nahm.

Zur Hölle! Sie war wirklich gut. Caleb versuchte, das schmerzhafte Ziehen in seinen Lenden zu ignorieren. Er bekam noch Zeit und Gelegenheit genug, um seine brennende Begierde zu stillen. Und Maggie stand ein schmachvolles Erwachen bevor.

Besonders, wenn er als Revanche auch noch ihre gesamte Familie ruinierte. Dann würde er endlich frei sein von seinen unsinnigen romantischen Fantasien und diesem quälenden Verlangen, das sie in ihm wachgerufen hatte.

Nach dieser Nacht würde sie ihn nie mehr vergessen können oder sich wünschen, seinen Weg noch einmal zu kreuzen …

1. KAPITEL

Dublin, sechs Monate später …

„Jetzt müssen wir nur noch das Treffen mit Mr. Murphy hinter uns bringen, dann ist endlich alles erledigt.“

Während sich das Taxi langsam vom Friedhof entfernte, umfasste Maggie auf dem Rücksitz die kalten Hände ihrer Mutter und betrachtete dabei voller Sorge ihr aschgraues Gesicht.

„Ich … ich weiß nicht, ob ich das schaffe …“, gestand die alte Frau mit schwacher Stimme. „Ich empfinde nicht einmal Trauer … ist das nicht schrecklich? Stattdessen bin ich einfach nur froh, dass er endgültig weg ist. Wenn ich daran denke, was ich dir all die Jahre zugemutet habe …“

„Schh, Mum. Es ist vorbei. Er wird keinem von uns beiden je wieder ein Leid zufügen können. Wir sind endlich frei.“

Maggies Herz zog sich schmerzhaft angesichts des trostlosen Ausdrucks und der tiefen Falten im einstmals attraktiven Gesicht ihrer Mutter zusammen. Dabei waren es gerade Camilla Hollands zarte Schönheit und fröhliche Vitalität gewesen, die Tom Holland unwiderstehlich angezogen hatten. Aber noch mehr die stets präsente Rivalität und Eifersucht gegenüber seinem Cousin Brendan, Maggies Vater.

Als Tom nach Brendans Tod versprochen hatte, sich an seiner Stelle um sie und Maggie zu kümmern, wenn Camilla ihn heirate, schien es für Mutter und Tochter die beste Lösung zu sein. Doch gleich nach der Hochzeit zeigte Tom Holland sein wahres Gesicht, voller Heimtücke und Grausamkeit. Und da Scheidung in der konservativen Gesellschaft, in der sie lebten, keine Option war, saß Camilla in der Falle. Bis jetzt.

„Hör zu, Mum, ich glaube nicht, dass du dir unbedingt alle Einzelheiten von Toms Letztem Willen anhören musst. Mr. Murphy kennt uns beide sehr gut, und da du ohnehin die Alleinerbin bist, werden die notwendigen Formalitäten schnell abgewickelt sein.“

„Glaubst du wirklich, Liebes? Ich … wenn ich mich nur ein Stündchen ausruhen dürfte …“

„Aber natürlich. Das kannst du gleich, Mum.“ Maggie legte so viel Stärke und Überzeugungskraft in ihre Stimme, wie sie nur aufbringen konnte, obwohl sie sich selber völlig ausgelaugt fühlte.

Kurz darauf rollte der Wagen durch die Kleinstadt vor den Toren Dublins und bog durch ein breites schmiedeeisernes Tor in die Auffahrt zu einem großen, komfortabel aussehenden Landhaus ein. Maggie atmete erleichtert durch. Der erste Blick auf ihr Elternhaus, gefiltert durch das weiche grünliche Licht im Schatten der umstehenden Bäume, verfehlte nie seine beruhigende Wirkung. Es war der Ort, an dem sie einst mit ihrer Mutter und ihrem viel zu früh verstorbenen Vater gelebt hatte.

Und das einzige Besitztum, worauf Tom nicht seine schmutzigen Hände hatte legen können. Ein Bindeglied zu glücklicheren Zeiten, das ihrer Mutter dabei half, die qualvolle Ehe mit Tom Holland zu überstehen. Hier hatten Maggie und sie die letzten sechs Monate verbracht, nachdem …

Selbst jetzt brachte Maggie es nicht fertig, ohne Schaudern an jene Nacht zu denken. Schmerz und Scham überwältigten sie immer noch wie damals.

Glücklicherweise war es ihr gelungen, ihre Mutter davon zu überzeugen, London gleich am nächsten Morgen zu verlassen. Ehe Tom begriff, dass sein übler Plan nicht funktioniert hatte, war er viel zu tief in geschäftliche Belange verstrickt gewesen, um ihnen folgen zu können. Und jetzt waren sie ihn endlich für immer los.

Er war tot.

Maggie brachte Camilla in ihr Schlafzimmer und stand schon wieder an der Tür, als sie zurückgerufen wurde.

„Was ist, Mum?“ Sie kehrte um und setzte sich zu ihrer Mutter auf die Bettkante.

„Versprich mir, dass du nie jemandem erzählen wirst, was Tom uns angetan hat. Keiner Menschenseele. Ich könnte mit dieser Scham nicht leben …“

Diese eindringliche Bitte hörte Maggie nicht zum ersten Mal. „Natürlich nicht“, antwortete sie fast mechanisch. „Das habe ich bisher nicht getan, also, warum sollte ich es jetzt tun?“

„Versprich es mir, Margaret“, forderte Camilla mit fiebrigem Blick und überraschender Strenge.

„Ich verspreche es.“ Sanft drückte sie einen Kuss auf die Stirn ihrer Mutter. Es war ein Versprechen, das ihr nicht schwerfiel einzuhalten. Nie im Leben wäre sie auf die Idee gekommen, über Tom Holland zu reden, wenn sie es vermeiden konnte.

Maggie war gerade am Fuß der Treppe angelangt, als sie einen Wagen vorfahren hörte. Das musste der Anwalt sein. Sie hängte ihren Mantel an die Garderobe und fuhr sich vor dem Spiegel noch einmal mit den Fingern durchs Haar. Als es an der Tür läutete, öffnete sie mit einem Lächeln auf den Lippen.

Mr. Murphy war schon der Anwalt ihres Vaters gewesen und hatte mit dem dubiosen Juristengesindel, das Tom Holland außerhalb von Dublin in Rechtsfragen bemühte, nie etwas zu tun gehabt.

Mit einem charmanten Lächeln führte sie den distinguiert aussehenden älteren Mann in den kleinen Salon. „Ich hoffe, Sie entschuldigen meine Mutter, aber sie fühlte sich nicht wohl und hat sich hingelegt.“

„Nichts Ernstes, hoffe ich?“, fragte er mitfühlend.

„Nein, nein“, versicherte Maggie rasch. „Die letzten Tage waren nur sehr anstrengend. Falls ihre Anwesenheit …“

Irritiert brach sie ab, als der Anwalt die Hand hob. „Nein, möglicherweise ist es sogar besser, wenn sie nicht dabei ist“, murmelte Mr. Murphy unbehaglich. Maggie fühlte einen kalten Schauer über den Rücken rinnen und hielt unwillkürlich den Atem an.

Sie hatten sich zu früh in der Sicherheit gewiegt, dass Tom Holland ihnen nichts mehr antun konnte, dessen war sie sich schlagartig bewusst.

„Was wollen Sie damit sagen?“, brachte sie gepresst hervor.

„Setzen Sie sich doch bitte, Maggie. Ich befürchte, ich habe schlechte Nachrichten für Sie.“

Wie betäubt ließ sie sich auf den nächstbesten Stuhl sinken, während der Anwalt bedächtig am runden Tisch Platz nahm, seinen Aktenkoffer öffnete, aber keine Papiere herausnahm. Er schien um Fassung zu ringen, was Maggie nur noch nervöser machte.

„Was … was ist?“

Langsam hob er den Kopf und streckte seine leeren Hände aus, die Handflächen nach oben gerichtet. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie und Ihre Mutter nichts erben werden.“

Fast hätte Maggie erleichtert aufgeseufzt. Sie hatten noch nie viel von Tom erwartet oder gar bekommen. Und Maggie selbst verfügte seit Jahren über ein recht ansehnliches Auskommen durch den Verkauf ihrer Bilder.

„Nun, das ist ja nicht das Ende der Welt. Aber interessieren würde es mich schon, wo das ganze Vermögen geblieben ist.“

Immerhin sprachen sie hier über mehrere Millionen Pfund. Mr. Murphy seufzte. Er hasste es, Überbringer von Hiobsbotschaften zu sein!

„Wie es aussieht, hat einer seiner geschäftlichen Kontrahenten ihm schlussendlich das Genick gebrochen. Einem englischen Finanztycoon, den Ihr Stiefvater augenscheinlich versucht hat, vor einiger Zeit zu schlucken, ist es gelungen, sich durch Mittelsmänner nach und nach seiner sämtlichen Aktien und Firmen zu bemächtigen. Der Tag, an dem Mr. Holland seinen Herzinfarkt erlitt, war zufällig auch der Tag seines geschäftlichen und finanziellen Ruins.“

Wahrscheinlich war das der Grund, warum er uns damals nicht nach Dublin gefolgt ist, sondern Mums sofortige Rückkehr nach London nur übers Telefon gefordert hatte, überlegte Maggie. Trotz der schlechten Nachrichten empfand sie ein Gefühl der Genugtuung und wünschte nur, sie hätte Toms Gesicht sehen können, als er erfuhr, dass er ruiniert war.

„Nun, zu ändern ist daran ohnehin nichts mehr“, stellte sie so gelassen wie möglich fest. „Wenigstens bleibt uns das Haus.“

Die Worte standen fast greifbar im Raum, und als Maggie mit Grauen das schuldbewusste Flackern in Mr. Murphys trüben Augen gewahrte, stellten sich ihre Nackenhaare auf.

„Es ist doch noch unser Haus, oder?“, fragte sie heiser. „Mums Haus …?“

Langsam schüttelte der Anwalt den Kopf, als bringe er es nicht übers Herz, die vernichtende Wahrheit auszusprechen. Doch Maggies eindringlicher Blick ließ ihm keine Wahl. Mr. Murphy räusperte sich umständlich. Als er mit seinen Ausführungen fortfuhr, klang seine Stimme schroffer als beabsichtigt.

„Offenbar ist Ihnen nicht bekannt, dass Ihr Stiefvater vor etwa einem Jahr Ihre Mutter überredet hat, ihm dieses Anwesen als Sicherheit für geschäftliche Transaktionen zu überschreiben. Weiß Gott, wie er sie dazu gebracht hat. Wahrscheinlich wusste sie nicht einmal, was sie da tat. Ich befürchte, es ist jetzt mit allem anderen in den Besitz des …“

Das Geräusch von Autobremsen ließ ihn innehalten und zum Fenster schauen. Maggie war so geschockt, dass es ihr unmöglich war, sich zu rühren. Sie konnte nicht begreifen, wie ihre Mutter so etwas hatte tun können. Dieses Haus war immer ein Heiligtum gewesen, ein sicherer Rückzugsort. Wut und Ungläubigkeit hielten sich die Waage, während Maggie versuchte zu begreifen, was Mr. Murphy ihr gerade eröffnet hatte.

Der Anwalt war inzwischen aufgestanden und ans Fenster getreten. „Er ist es“, stellte er mit hohler Stimme fest. „Der Mann, dem jetzt alles gehört. Er hat mich in meinem Anwaltsbüro aufgesucht und darauf bestanden, heute persönlich hier zu erscheinen, um mit Ihnen und Ihrer Mutter zu sprechen. Es tut mir leid, aber ich habe ihn davon nicht abhalten können.“

Als es an der Tür läutete, saß Maggie immer noch wie versteinert da. Schließlich machte sich Mr. Murphy auf den Weg in die Diele. Wie durch Watte hörte sie das Öffnen der Tür und ein unverständliches Gemurmel, bis sich Schritte auf den Salon zubewegten.

Maggie schaute hoch, und die Welt hörte auf, sich zu drehen. Wie in Trance erhob sie sich von ihrem Stuhl und starrte den Mann an, den sie nie wieder in ihrem Leben zu sehen gehofft hatte.

Caleb Cameron.

Größer und breiter als in ihrer Erinnerung, schien er den ganzen Türrahmen auszufüllen. Während er leicht den Kopf neigte, verzog er seine sinnlichen Lippen zu einem zynischen Lächeln. Sein kalter Blick hielt Maggie gefangen. Während er sie wie Ware taxierte, kam plötzlich Farbe in ihr totenbleiches Gesicht.

Der Mann, der in jener Nacht vor sechs Monaten ihr Leben aus den Fugen gerissen hatte, war zurückgekehrt … offenbar, um ihr den finalen Todesstoß zu versetzen. Mit aller Macht wehrte sich Maggie gegen das schockierende Verlangen, seiner mentalen Stärke nachzugeben.

Verzweifelt rang sie um Atem und nahm wie durch einen Nebelschleier wahr, dass der Anwalt sich an Caleb vorbeischob und mit einer förmlichen Geste in ihre Richtung wies.

„Das ist Margaret Holland. Maggie, ich möchte Ihnen Caleb Cameron vorstellen. Ihm gehört jetzt alles, was Ihr Stiefvater besaß – auch dieses Anwesen.“

„Danke, aber ich kenne Mr. Cameron bereits“, sagte sie mit blutleeren Lippen. „Wir sind uns … in London begegnet.“

Fast im gleichen Augenblick ließ sie sich wieder kraftlos auf ihren Stuhl sinken, da ihre Beine sie keine weitere Sekunde tragen wollten. Mit einer fast morbiden Faszination beobachtete sie Caleb, der Mr. Murphy zum Tisch folgte und neben ihm Platz nahm. Trotz der eleganten weltmännischen Aufmachung strahlte er eine geradezu aggressive Männlichkeit aus, an die sich Maggie nur zu gut erinnerte. Diese ungezügelte Vitalität konnte auch der teuerste Designeranzug nicht verbergen. Bereits bei ihrem ersten Treffen hatte seine Präsenz sie überwältigt, und die unheilvolle Wirkung war durch die Demütigung, die sie durch ihn erlitten hatte, offenbar nicht getrübt worden.

Zumal sie die lebhafte Erinnerung an ihre gemeinsame Nacht nie hatte vergessen können. Selbst nach Monaten standen Maggie die schamlosen Szenen noch sehr lebhaft vor Augen und ließen ihr das Blut heiß durch die Adern rauschen.

Auch Caleb musste seine ganze Kraft und eisernen Willen aufbieten, um betont leidenschaftslos in Maggies reizendes Gesicht zu schauen. Doch das schmerzhafte Ziehen in seinen Lenden, angesichts der zarten Röte, die in ihre Wangen stieg, konnte er nicht kontrollieren.

Totenbleich war sie bei seinem überraschenden Auftritt geworden. Die smaragdgrünen Augen viel zu groß für das schmale Gesicht. Ihr wundervolles tizianrotes Haar hatte sie in einem strengen Knoten gezähmt, doch die herausfordernd weiblichen Linien konnte auch das schlichte, hochgeschlossene schwarze Kleid nicht verbergen.

Verlockende Kurven, an die er sich noch sehr gut erinnerte, und die für ihn den Himmel und die Hölle bedeutet hatten. Aber jetzt war Maggie viel zu dünn. Sie wirkte beunruhigend zerbrechlich. Der unwiderstehliche Drang, sie zu beschützen, irritierte Caleb zutiefst. Doch das Wissen, dass Maggie Holland nichts anderes als eine durchtriebene Hexe war, die gemeinsam mit ihrem Stiefvater versucht hatte, ihn zu ruinieren, brachte ihn schnell wieder zur Vernunft. Voller Genugtuung bemerkte Caleb, wie Maggie mühsam schluckte, bevor sie sprach.

„Du … Ihnen gehört jetzt alles, was Tom besaß …“, murmelte sie schwach.

Himmel, war sie leicht zu durchschauen!

„Ja, Miss Holland.“

Dass er sie mit dem Nachnamen ansprach, war eine absichtliche Zurückweisung. „Inklusive dieses wunderschönen Hauses.“ Gelassen ließ er seinen Blick durch den eleganten Raum schweifen. „Selbstverständlich werde ich mich von den meisten, ausgesprochen dubiosen Firmen Ihres verstorbenen Stiefvaters trennen. Zurzeit werden alle geschäftlichen Konten hier und in England überprüft, und es würde mich nicht wundern, wenn in Kürze beträchtliche Steuernachzahlungen auf Sie zukommen. Gegenüber Steuerhinterziehung haben die Behörden eine erstaunlich niedrige Toleranzschwelle.“

Maggie erhob sich abrupt und wandte sich entsetzt an Mr. Murphy.

„Ist das wahr? Kann so etwas tatsächlich geschehen?“

Er nickte schwer. „Ich befürchte … ja.“

„Aber … aber, wie ist das möglich?“ Verzweifelt richtete sie ihre Worte wieder an den jüngeren Mann. „Ich meine, warum weiß ich nichts davon?“ Konnte es wirklich sein, dass Tom sie selbst aus dem Grab heraus mit seiner Bosheit und Rachsucht verfolgte?

Maggie schloss die Augen, atmete tief durch und suchte noch einmal Beistand bei ihrem Anwalt. „Mr. Murphy …“ Ihre Stimme versagte.

„Es tut mir aufrichtig leid, Maggie. Aber man wird Ihre Mutter dafür zur Rechenschaft ziehen, sollte sich tatsächlich herausstellen, dass Tom irgendwelche geheimen Konten unterhielt oder Steuergelder unterschlug, wie offenbar vermutet wird. Wenn Sie wollen, kann ich Sie in der Sache vertreten, wenn es so weit ist, aber …“ Er hob hilflos die Schultern.

Das wurde ja immer katastrophaler! Maggie presste eine Hand gegen ihre brennenden Wangen, während Caleb sich mit einer geschmeidigen Bewegung erhob und ein imaginäres Staubkörnchen von seinen Jackettärmel zupfte.

„Murphy, den Rest der Angelegenheit überlasse ich Ihnen. Miss Holland, wir haben uns nichts mehr zu sagen. Ich erwarte, dass Sie und Ihre Mutter binnen zwei Wochen hier ausgezogen sind. Das dürfte reichen, um Ihre Angelegenheiten zu regeln. Ich könnte darauf bestehen, das Haus noch heute zu übernehmen, allerdings wäre es mir lieber, Sie nicht anzutreffen, sollte ich mich entschließen, hier einzuziehen.“

Sein grausames Lächeln ließ Maggie den Atem stocken. „Einzuziehen …?“

„Ja, ich habe zufällig einige Monate geschäftlich in Dublin zu tun und brauche für diese Zeit eine Unterkunft. Im Prinzip perfekt …“ Er schaute sich um und runzelte dann missbilligend die Stirn. „… nach den notwendigen Renovierungsarbeiten, natürlich.“

Das war zu viel! Wütend baute sich Maggie vor ihrem Widersacher auf.

„Wie können Sie es wagen, hierherzukommen und so mit mir zu reden!“, stieß sie zitternd vor Empörung hervor. „Und das noch am Tag der Beerdigung. Haben Sie denn gar kein Feingefühl?“

„Sie haben es gerade nötig, von Feingefühl zu sprechen! Was denken Sie … soll ich unseren Freund hier über die Rolle aufklären, die Sie in Ihrem eigenen Untergangsszenario gespielt haben?“

Maggie sog hörbar den Atem ein. Also ging es um Rache. Zuerst hatte er ihren Stiefvater mit gnadenloser Präzision vernichtet, und jetzt war sie dran. In seinen Augen war sie genauso schuldig wie Tom Holland und verdiente alles, was ihr jetzt zustieß.

Abrupt wandte Caleb sich ab und verließ den Raum, der ohne seine explosive Energie plötzlich seltsam verlassen und leblos wirkte. Maggie hörte die Haustür ins Schloss fallen, einen Wagenmotor anspringen und den Kies vor dem Haus bei Calebs aggressivem Start aufspritzen.

Nachdem es wieder ruhig war, drehte sie langsam den Kopf und starrte Mr. Murphy fassungslos an.

„Tja, wie Sie selbst sehen konnten, hat sich Ihr Stiefvater ein wenig übernommen, bei dem Versuch, einen Brocken wie Caleb Cameron zu schlucken. Dass der absolut nichts für Dummköpfe und Betrüger übrig hat, ist allgemein bekannt. Und als Mr. Holland auch noch einen zweiten Anlauf unternahm, um dessen Imperium zu zerstören, ließ der einfach den Tiger von der Leine.“

„Einen zweiten Versuch?“

„Na ja, eigentlich war es sogar der dritte oder vierte. Der Gedanke, Mr. Cameron zu besiegen, ließ ihm einfach keine Ruhe. Es war wie ein verlockender Preis, den er unbedingt erringen wollte. Ich weiß, dass Sie und Ihre Mutter von den meisten seiner Unternehmungen nicht die geringste Ahnung hatten. Auf jeden Fall ist Tom in den Untergrund abgetaucht und hat dort irgendwelche Tricks versucht, nachdem er Cameron Corporation auf legalem Weg nicht gewinnen konnte.“

Maggie fühlte sich krank. Sie erinnerte sich nur zu gut ihrer eigenen unrühmlichen Rolle in jenen finsteren Plänen. Glücklicherweise schien Mr. Murphy davon nichts zu wissen. Immerhin war das alles in London und nicht in Dublin passiert.

„Cameron hingegen nahm jede einzelne von Toms Transaktionen systematisch und mit wesentlich mehr Finesse unter die Lupe“, fuhr der Anwalt mit kaum verhohlener Hochachtung in der Stimme fort, was Maggie fast aus der Haut fahren ließ.

„Eigentlich steht er gar nicht in dem Ruf, so gnadenlos und unerbittlich zu sein, wie er sich in diesem Fall zeigt, doch Tom muss irgendeinen falschen Knopf gedrückt haben …“, endete er nachdenklich.

Maggie errötete schuldbewusst. „Auf jeden Fall scheint er uns alle über einen Kamm zu scheren.“

„Ja.“ Mr. Murphy seufzte und schüttelte traurig den Kopf. „Ich habe die Angelegenheit gründlich von allen Seiten begutachtet, aber sie scheint absolut wasserdicht und unerschütterlich zu sein. Das Einzige, was wir noch versuchen können, ist, die Steuerlast für Ihre Mutter zu schmälern, wenn es uns gelingt, glaubhaft zu machen, dass sie nicht in die illegalen Transaktionen ihres Mannes verstrickt war.“

„Pleite sind wir trotzdem, oder?“, fragte Maggie bedrückt. „Wie sollen wir nur …?“

Mr. Murphy tätschelte sie aufmunternd. „Machen Sie sich darüber im Moment bloß keine Sorgen. Ich weiß, wie sehr Ihre Mutter gelitten hat und werde alles in meiner Macht Stehende tun, um noch Schlimmeres zu verhindern.“

Obwohl Maggie wusste, dass dies wahrscheinlich nur freundliche, aber leere Versprechungen waren, fühlte sie sich ein wenig getröstet. Doch nachdem sie die Haustür hinter dem Anwalt geschlossen hatte, lehnte sie sich schwer dagegen und schluckte mühsam. Wie sollte sie ihrer Mutter die schrecklichen Neuigkeiten nur klarmachen?

Und was sie selbst betraf … für Maggie waren ihre schlimmsten Albträume Wirklichkeit geworden! Der Mann, den sie gehofft hatte, nie wiedersehen zu müssen, war plötzlich wieder in ihr Leben getreten.

Mit schweren Schritten ging sie zurück ins Wohnzimmer, schenkte sich mit bebenden Fingern ein Glas Brandy ein und stürzte es auf einmal herunter.

Caleb kam vor einer roten Ampel abrupt zum Halt und schlug so heftig auf sein Lenkrad, dass er neugierige Blicke aus den Wagen um ihn herum erntete. Doch selbst das interessierte Aufleuchten in den Augen einer ausgesprochen attraktiven Fahrerin blieb von ihm unbeachtet.

Als es grün wurde, legte er einen Blitzstart hin und verfluchte lautlos seine eigene Unbeherrschtheit. Was hatte er sich eigentlich bei dieser Aktion gedacht? Es war ihm ein Leichtes gewesen, Tom Holland zu ruinieren, nachdem dessen eher ungeschickte Versuche, ihm seine Firma abzuluchsen, aufgeflogen waren. Allein für seinen letzten Coup hatte der Mann sein Schicksal mehr als verdient.

Dieser Coup, an dem sie beteiligt gewesen war …

An jenem Abend im Hotel hatte Caleb Maggie Holland ins Gesicht geschleudert, dass er sie nie wiedersehen wolle, und jetzt, nach kaum sechs Monaten, marschierte er exakt mit dieser Absicht einfach in ihr Haus. Er hätte die leidige Angelegenheit genauso gut durch seinen Anwalt erledigen lassen können, aber nein …

Oder hatte er einfach feststellen wollen, ob sie ihn immer noch so sehr faszinierte und anzog wie damals?

Auf jeden Fall war er in die Falle gelaufen. Unmissverständlich demonstrierte ihm sein verräterischer Körper, wie sehr er sich nach Maggie verzehrte. Als wäre sie die einzige Frau auf Erden, die das schmerzhafte Verlangen in seinen Lenden stillen konnte.

Und dann hatte er zum tödlichen Schlag ausgeholt. Doch wo blieb das Gefühl der Genugtuung? Der Befriedigung über ihren Untergang? Warum sah er ihr zartes blasses Antlitz vor sich, sobald er die Augen schloss? Wie sollte er zwei Monate in der gleichen Stadt mit ihr überleben?

Wie um sein Begehren zu dämpfen, zwang Caleb sich, an jene Nacht vor sechs Monaten zu denken, als Maggie Holland sich genauso verhielt, wie er es von ihr erwartet hatte.

Natürlich war für sie ein Zimmer im gleichen Hotel reserviert gewesen. Wie eine Sirene hatte sie ihn dort hinaufgelockt und versucht, ihn zu verführen.

Und trotzdem hat sie nicht mit dir geschlafen, höhnte eine Stimme in seinem Kopf.

Vielleicht war es das? Noch nie zuvor hatte er eine Frau zurückgelassen, ehe seine Lust befriedigt war. Doch in jener Nacht … Warum er gegangen war, obwohl er sie ohne Zwang hätte haben können, dessen war Caleb sich immer noch nicht sicher. Ihre gegenseitige Anziehungskraft war ungebrochen gewesen, doch als sie in letzter Sekunde vor ihm zurückzuckte, hatte er es einfach nicht fertiggebracht …

Erneut fluchte Caleb in sich hinein und starrte finster auf die Straße. Was für eine Ironie des Schicksals! Anstatt endlich zu verschwinden, war der verzehrende Schmerz, der ihn damals fast um den Verstand gebracht hatte, durch seine eigene Schuld heute noch unbarmherziger zurückgekehrt.

Er musste sich unbedingt eine Geliebte nehmen. Viel zu lange hatte er auf Sex verzichtet. Eine neue Affäre würde ihn am wirkungsvollsten von seinen abwegigen Fantasien befreien und Maggie Holland ein für alle Mal aus seinen Gedanken verbannen.

2. KAPITEL

Am Abend bereitete Maggie eine leichte Mahlzeit und weckte ihre Mutter. Während sie nach dem Essen noch beisammensaßen, stellte Camilla die Frage, vor der sich ihre Tochter die ganze Zeit gefürchtet hatte.

„Wie ist es mit dem Anwalt gelaufen?“

Maggie stählte sich innerlich. „Nicht besonders gut. Ich habe schlechte Nachrichten für dich, Mum.“

Camilla krampfte die Finger um ihre Teetasse, bis die Knöchel weiß hervortraten. „Was … heißt das?“

Beim Anblick des gewohnt stoischen Gesichtsausdrucks, den ihre Mutter angesichts drohender Katastrophen bekam, hätte Maggie in Tränen ausbrechen können. Mühsam versuchte sie, den Kloß aus ihrem Hals zu vertreiben. „Mum, jemand hat Toms gesamte Geschäfte übernommen. Genau gesagt … wir sind bankrott. Es war … es ist jemand, den er versucht hat, übers Ohr zu hauen.“

„Mir war immer bewusst, dass er von vielen gehasst und verachtet wurde“, murmelte Camilla leise. „Aber was genau bedeutet das für uns?“

„Nun …“ Maggie zögerte und wünschte sich verzweifelt, sie müsse die grausame Wahrheit nicht aussprechen. „Wir haben alles verloren.“

Doch ihre Mutter zeigte die gleiche Reaktion wie sie selbst kurz zuvor. „Das verkraften wir auch noch“, erklärte sie fast erleichtert. „Ich meine, was haben wir denn wirklich je gehabt?“ Sie schenkte ihrer Tochter ein schwaches Lächeln und schaute sich mit feuchten Augen um.

„Wenigstens bleibt uns das Haus. Ernsthaft, Liebes, ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn wir auch noch unser Heim verloren hätten. Es ist alles, was dein Vater uns hinterlassen hat. Hier will ich in Frieden leben und die Vergangenheit vergessen.“

Angesichts Maggies gedrückter Miene reichte sie über den Tisch und tätschelte aufmunternd die Hand ihrer Tochter. „Schau nicht so betrübt drein, mein Schatz. Du hast deine Malerei, und ich werde schon einen Job finden. Alles wird gut.“

Sie begreift es nicht, stellte Maggie mit wachsender Verzweiflung fest. Ihre Mutter schien völlig zu verdrängen, was sie getan hatte.

„Mum, du verstehst nicht … wir haben wirklich alles verloren …“

Camillas Blick blieb noch immer ausdruckslos.

„Mr. Murphy sagt, du hast Tom das Haus überschrieben, ehe wir London verließen.“

„Ja, meine Liebe, aber das war doch nur, um … er sagte, es würde nur …“ Sie brach abrupt ab. „Lieber Himmel! Was habe ich getan …?“

Rasch umfasste Maggie ihre Hand. „Es ist auch weg, Mum. Mit allem anderen.“

Sekundenlang saß Camilla wie erstarrt da, dann nahm sie ihre Teetasse, erhob sich und ging in die Küche, um sie auszuspülen. Maggie folgte ihr, besorgt über das seltsame Verhalten ihrer Mutter.

„Mum?“

„Margaret, ich kann nicht …“ Ihre Stimme klang wie geborstenes Glas. „Lass mich nicht darüber nachdenken müssen. Ich könnte es einfach nicht ertragen.“

Hilflos schaute Maggie ihrer Mutter hinterher, die wie in Trance die Küche verließ und scheinbar gelassen die Treppe hinaufschritt. Wenig später ging auch Maggie zu Bett, aber an Schlafen war nicht zu denken. Während sie versuchte, das unterdrückte Schluchzen im Nebenzimmer zu ignorieren, wurde sie nur von einem Gedanken beherrscht. Sie musste etwas unternehmen, um das drohende Verhängnis abzuwenden … egal wie.

Während langsam die Morgendämmerung durch die leichten Vorhänge in ihr Schlafzimmer drang, lag Maggie nach einer schlaflosen Nacht immer noch mit weit geöffneten Augen da und starrte blicklos an die Decke.

Bedrohliche Ungeheuer und Dämonen hatten jeden ihrer Gedanken und Wachträume beherrscht, und sie trugen alle das gleiche vertraute und ausgesprochen attraktive Antlitz.

Und plötzlich wusste Maggie mit quälender Sicherheit, dass es nur einen einzigen Ausweg gab.

Als sie wenig später in die Küche hinunterging, um sich Kaffee zu machen, war jeder Zweifel über ihren Plan ausgeräumt. Ihre Mutter war ihr zuvorgekommen. Sie saß bereits vor einem dampfenden Becher am Küchentisch und hob bei Maggies Eintritt nur müde kurz den Kopf. Unter ihren schönen Augen lagen tiefe Schatten, der Ausdruck war eine seltsame Mischung aus Verzweiflung und Wachsamkeit.

Maggie schenkte sich bedächtig einen Kaffee ein und setzte sich zu ihr. „Mum, schau mich an.“ Sie wartete, bis sich ihr Camilla wieder wie unter der Last eines schweren Gewichtes langsam zuwandte. „Ich werde gleich in die Stadt fahren, wo ich einiges zu erledigen habe. Aber ich verspreche, entweder am Abend oder gleich morgen früh wieder bei dir zu sein.“

Hoffentlich mit guten Nachrichten!, flehte sie innerlich.

Mehr wollte sie nicht sagen, um die Erwartungen ihrer Mutter nicht zu hoch zu schrauben und hinterher vielleicht enttäuschen zu müssen. Doch insgeheim schwor Maggie sich, nichts unversucht zu lassen, um das Haus für ihre Mutter zu retten.

Routiniert bereitete sie ein leichtes Frühstück vor, zwang ihre Mutter, etwas davon zu essen und war froh, hinterher endlich etwas Farbe in ihre schmalen blassen Wangen steigen zu sehen.

Dann schwang Maggie sich in ihren kleinen, ziemlich verbeulten Mini und fuhr als Erstes zu Mr. Murphys Kanzlei, um die Adresse von Caleb Camerons Büro zu erfragen. Der alte Anwalt stellte keine unnötigen Fragen, sondern gab fast erleichtert das Geforderte heraus und brachte Maggie noch zur Tür. „Es wird aber nicht einfach sein, zu ihm vorgelassen zu werden. Fast jeder in Dublin bemüht sich um einen persönlichen Termin …“

„Ich weiß, aber notfalls schlage ich ein Zelt vor seiner Tür auf“, verkündete Maggie entschlossen.

Auf dem Weg nach Dublin geriet Maggie mitten in den Berufsverkehr, sodass sie dreimal länger für den Weg brauchte als die gewohnte halbe Stunde. Doch schließlich erreichte sie die Innenstadt und stellte ihren Wagen auf einem Parkplatz in der Nähe des Bankenviertels ab, wo auch Calebs neues Büro lag.

Sie trug ihr einziges Businessoutfit, um so geschäftsmäßig wie möglich auszusehen. Ein schlichtes strenges Kostüm. Es war dunkelmarineblau, bestand aus einem schmalen knielangen Rock zur kurzen Jacke und wurde durch eine weiße Seidenbluse ergänzt. Dazu glänzende Seidenstrümpfe und dunkle Pumps, ihre roten Locken hatte sie in einem klassischen Knoten gebändigt.

Damit hoffte sie, gegen Calebs sengende Blicke und seinen beißenden Zynismus ausreichend gewappnet zu sein. Wie es wirklich in ihr aussah, ging schließlich niemanden etwas an.

Trotz der lauen Frühlingsluft fröstelte Maggie, als sie das moderne Bürogebäude betrat. Eine attraktive Brünette an der Rezeption schickte sie mit dem Lift in die oberste Etage, die Caleb komplett für sich beanspruchte. Kurz darauf glitten die Fahrstuhltüren lautlos auseinander, und Maggie wurde flau im Magen. Der Gedanke, ihm gleich gegenüberzustehen, beunruhigte und verunsicherte sie weit mehr, als sie es sich vorgestellt hatte.

Die Erwartung, ohne größere Komplikationen zu ihm vordringen zu können, verflüchtigte sich gleich nach Betreten des ultramodern gestylten Empfangsbereichs, der mit einem luxuriösen Teppichboden ausgelegt war, der jedes Laufgeräusch schluckte.

„Haben Sie einen Termin?“

„Nun, nicht direkt, aber wenn er meinen Namen hört, wird er mich bestimmt empfangen. Ich brauche nur ein paar Minuten seiner kostbaren Zeit“, behauptete Maggie mit aller Zuversicht, die sie noch aufbringen konnte.

„Ich werde ihm Bescheid geben, allerdings finden den ganzen Tag über wichtige Meetings statt. Es könnte sein, dass Sie eine Weile warten müssen …“

„Kein Problem!“

Sie würde auch bis Mitternacht warten, wenn es sein musste. Vorsichtshalber rief sie per Handy eine gute Freundin ihrer Mutter an und bat sie, im Verlauf des Tages nach Camilla zu schauen. Dann nahm Maggie auf einem der eleganten Designermöbel Platz und wartete.

Etwa acht Stunden später hatte sie einen wahren Irrgarten an Emotionen durchlaufen: Irritation, Langeweile, Verärgerung, Fassungslosigkeit … und schließlich fühlte sie sich einfach nur noch erschöpft.

Ihr Kostüm wirkte zerknittert, der Knoten löste sich nach und nach auf, und die unbequemen Schuhe hatte sie längst ausgezogen. Jegliches Make-up, das sie ein wenig frischer aussehen lassen sollte, war längst Geschichte.

Den ganzen Tag über kamen und gingen Männer in dunklen Anzügen. Lunch wurde serviert und wieder abgetragen, während ihr Magen lautstark gegen die schnöde Vernachlässigung seiner Bedürfnisse protestierte. Und die Sekretärin vom Morgen war längst durch ein frischeres, eher noch kompetenter erscheinendes Exemplar abgelöst worden.

Als sich die Tür zu Calebs Büro zum wahrscheinlich hundertsten Mal öffnete, hob Maggie kaum noch den müden Blick, der sich allerdings in der Sekunde veränderte, als sie gewahrte, dass es diesmal der Boss persönlich war, der auf der Schwelle erschien. Mit einiger Verzögerung reagierte ihr Gehirn endlich auf seine kraftvolle Erscheinung, die selbst nach dem langen Tag ungebrochene Energie verströmte.

Maggie sprang auf die Füße und verzog qualvoll das Gesicht, als ihre Muskeln nach der erzwungenen Starre gegen die plötzliche Bewegung protestierten. Caleb strebte auf den Lift zu, ohne nach rechts und links zu schauen. Da sie halb hinter einer Pflanzeninsel versteckt gesessen hatte, konnte er sie nicht bemerken.

„Caleb!“, rief sie aus dem dringenden Impuls heraus, ihn aufzuhalten. „Mr. Cameron … warten Sie bitte!“

Er hatte bereits den Knopf gedrückt, um den Fahrstuhl zu ordern und drehte sich jetzt langsam um. Als er Maggie sah, schoben sich die dunklen Brauen über den kalten Augen zusammen. Trotz ihrer aufgelösten Erscheinung und der Tatsache, dass sie ohne Schuhe war, richtete Maggie sich stolz auf und schob das Kinn vor.

„Mr. Cameron, ich habe den ganzen Tag über gewartet, um mit Ihnen zu sprechen. Ich weiß, dass Sie sehr beschäftigt sind, wäre Ihnen aber ausgesprochen dankbar, wenn Sie einige Minuten für mich erübrigen könnten“, formulierte sie steif.

„Ivy hat mir gesagt, dass Sie heute Morgen hier waren, aber sie wusste doch genau, dass ich absolut keine Zeit hatte.“

„Ich … ich habe darauf bestanden zu warten. In der Hoffnung, Sie könnten vielleicht zwischen zwei Terminen ein paar Minuten für mich erübrigen …“

„Nun, wie Sie sehen, ist mir das nicht gelungen. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden … Rufen Sie einfach morgen durch. Möglicherweise ergibt sich ja im Verlauf des Tages eine Lücke.“

Er konnte sie doch nicht einfach so hier stehen lassen. Vor Verblüffung und Ärger schnappte Maggie hörbar nach Luft. Stunde um Stunde hatte sie auf ihn gewartet, ohne ein Stück Brot oder einen Schluck Wasser. Der Ausdruck auf Calebs Gesicht zeigte ihr, dass es wahrscheinlich nichts gab, was ihn weniger interessierte als das.

Als er sich einfach abwandte, starrte sie wie betäubt auf seinen breiten Rücken und suchte fieberhaft nach einer zündenden Idee, um ihn aufzuhalten. Da ihr nichts einfiel, sprintete sie einfach vorwärts und hielt die Hand zwischen die sich bereits schließenden Lifttüren.

„Bitte. Mr. Cameron … nur ein paar Minuten. Ich muss mit Ihnen reden!“

Caleb stand lässig mit dem Rücken gegen die Fahrstuhlwand gelehnt und betrachtete Maggie fast neugierig vom Kopf bis hinunter zu den bestrumpften Füßen. Ob er erwartet, dass ich mich vielleicht noch vor ihm auf den Boden werfe?, fragte sie sich voll bitterer Ironie.

„Gut“, sagte er endlich. „Fünf Minuten. Falls Sie Schuhe dabeihaben … ziehen Sie sie bitte an.“

„Vielen Dank!“, stieß Maggie erleichtert hervor, ohne auf seinen Sarkasmus einzugehen.

Während er den Lift wieder verließ und kurz mit seiner Sekretärin sprach, schlüpfte Maggie mit einiger Anstrengung in ihre Pumps und folgte Caleb in sein Büro, ehe er seine Meinung womöglich noch änderte. Unsicher blieb sie stehen und beobachtete, wie er eine dunkle Flüssigkeit in ein Glas schenkte und einen kräftigen Schluck nahm. Verstohlen schaute Maggie sich in dem betont maskulin gestalteten Raum um. Da nur eine Lampe auf dem Schreibtisch brannte, ließen die abendlichen Schatten das Büro noch dunkler erscheinen, als es ohnehin war.

Automatisch dachte Maggie an Calebs brasilianische Mutter. Von ihr stammten unübersehbar sein südländisches Aussehen und wahrscheinlich auch das leidenschaftliche Temperament, während er die kultiviertere, beherrschte Seite seines Charakters ganz sicher seinem englischen Vater verdankte.

An beides konnte sich Maggie nur zu gut erinnern.

„Nun?“, brachte Calebs kalte Stimme sie unsanft in die Wirklichkeit zurück.

Maggie holte tief Luft. „Es geht um das Haus.“

„Um mein Haus.“

Zögernd neigte Maggie den Kopf und fühlte heiße Wut über seine provokative Arroganz in sich aufsteigen. „Es gehörte meinem Vater … meinem leiblichen Vater“, präzisierte sie. „Und nach seinem Tod meiner Mutter.“

„Und?“ Caleb nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und schaute fast gelangweilt zu ihr hoch.

Maggie trat einen Schritt vor und umklammerte die Lehne von dem Stuhl, der seinem gegenüberstand. „Tom hat sie dazu gebracht, ihm das Haus zu überschreiben. Ich … ich kann mir immer noch nicht erklären, mit welchem Trick ihm das gelungen ist. Mum hat immer geschworen, dass sie nie …“

Sie brach ab, weil sie nicht zu sehr ins Detail gehen wollte. Camillas und ihr Schicksal unter Toms grausamem Regime ging Caleb Cameron nichts an. „Indem Sie auch das Haus beanspruchen, treffen Sie nur eine einzige Person – meine Mutter. Sie hat nichts damit zu tun, was in der Vergangenheit passiert ist und musste genug leiden …“

„Als bedauernswerte Frau eines Multimillionärs?“, spottete Caleb. „Willst du dich über mich lustig machen? Nur um wenigstens irgendetwas zu retten, tischst du mir hier eine rührselige Story auf …“

„Nein!“, protestierte Maggie vehement. „Bitte, du musst mir glauben.“

Beide schienen nicht zu bemerken, dass sie im Eifer des Gefechts zur vertrauten Anrede von damals zurückgekehrt waren.

„Dir glauben?“ In seiner Erregung sprang Caleb von seinem Chefsessel auf und kam um den Schreibtisch herum auf Maggies Seite. „Du hast keinen ehrlichen Knochen im Leib!“, warf er ihr vor. „Wie viele Männer hast du in den letzten Monaten im Auftrag von Tom Holland noch an der Nase herumgeführt? Zehn? Zwanzig? Oder hast du ihnen möglicherweise sogar gewährt, was du mir verweigert hast?“

Seine grausamen Worte trafen Maggie bis ins Mark. Ihre Augen funkelten vor Empörung wie kostbare Smaragde, und ohne sich Rechenschaft über ihr Tun abzulegen, fuhr sie herum und hob die Hand, um Caleb ins Gesicht zu schlagen. Doch der fing ihr Handgelenk auf halbem Weg ein und drückte es brutal herunter.

„Sieh an … in dir schlummert offenbar eine Wildkatze“, stellte er gelassen fest.

Maggie zitterte am ganzen Körper. Sie, die Gewalt aufs Äußerste verabscheute, hatte versucht, Caleb Cameron eine Ohrfeige zu verpassen. Der Gedanke, wozu dieser Mann imstande war sie zu treiben, erschütterte sie zutiefst und machte ihr gleichzeitig Angst.

Sie starrten sich an wie unerbittliche Feinde. Maggie fühlte ihren Puls rasen. Wie hypnotisiert nahm sie Calebs finstere Züge in sich auf. Die harte Kinnlinie, der großzügige Mund, den er jetzt zu einer schmalen Linie zusammenpresste und die durchdringenden blauen Augen, die bis ins Innerste ihrer Seele einzudringen schienen. Sie waren es gewesen, die sie von der ersten Sekunde an besonders fasziniert hatten …

Maggie senkte die Lider und versuchte, die beunruhigenden Erinnerungen zurückzudrängen.

„Du kannst deine alberne Scharade ruhig aufgeben“, stieß Caleb heiser hervor und gab sie frei. Hastig trat Maggie einen Schritt zurück, um möglichst viel Abstand zu gewinnen, massierte sich ihr schmerzendes Handgelenk und zwang sich dazu, den Blick zu heben.

„Tatsache ist, dass es meine Mutter umbringen wird, wenn du ihr das Haus nimmst“, sagte sie mit tödlicher Ruhe. „Es ist alles, was ihr von meinem Vater geblieben ist und sie am Leben hält. Von Tom Holland hat sie nichts bekommen außer …“ In letzter Sekunde erinnerte sich Maggie an das Versprechen, das sie ihrer Mutter gegeben hatte, und biss sich auf die Lippe.

„Außer?“

Er würde es ohnehin nicht verstehen. Dafür hatte sie sein Vertrauen zu sehr strapaziert und missbraucht. Maggie atmete tief durch und straffte die Schultern. „Ich weiß, dass meine Erklärungen dir nichts bedeuten, egal, was ich sage. Hör mir bitte trotzdem zu. Meine Mutter hat nicht das Geringste mit dem Plan zu tun gehabt, dich zu ruinieren …“

Calebs Miene verdüsterte sich weiter.

„Frag, wen du willst“, fuhr Maggie monoton fort. „Frag Mr. Murphy, er kennt sie sehr gut. Ich rede hier nicht für mich, nur für sie. Und ich bitte dich, meiner Mutter das Haus zu lassen … um ihretwillen.

Immer noch ließ Caleb sie keine Sekunde aus den Augen, doch Maggie hielt seinem sengenden Blick stand.

Als er schließlich sprach, klirrte seine Stimme wie Stahl. „Und die ganze Zeit über, während deine Mutter angeblich völlig ahnungslos war, hast du mit deinem Stiefvater gemeinsame Sache gemacht? Hast dich dafür hergegeben, fremde Männer zu verführen, damit er sie erpressen und ausnehmen kann? Und ganz plötzlich meldet sich dein Gewissen, und du möchtest alles ungeschehen machen? Das kaufe ich dir nicht ab.“

Maggie zwang sich zu einem spröden Lächeln. „Und trotzdem hast du den Nagel quasi auf den Kopf getroffen. Ich versuche, meine Verfehlungen wiedergutzumachen … angefangen bei meiner Mutter.“

Als sie die ungeweinten Tränen hinter ihren Lidern aufsteigen fühlte, senkte Maggie den Blick und versuchte, sich zusammenzunehmen. Dass sie, ebenso wie Camilla, unter ihrem Stiefvater gelitten hatte, würde Caleb ihr niemals abnehmen, so viel stand fest.

„Wenn ich also tatsächlich auf deine abstruse Forderung einginge … was hätte ich davon?“

„Ich würde alles tun, was du von mir verlangst … Böden schrubben, einfach alles!“, stieß sie wild hervor, angesichts der winzigen Chance, die sich ihr bot.

Caleb lehnte sich lässig gegen die Schreibtischkante und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Maggie starrte wie hypnotisiert auf seine Muskeln, die sich unter dem dünnen Businesshemd deutlich abzeichneten. Wie konnte ihr in einem Moment wie diesem so etwas auffallen?

Um seine Lippen spielte ein seltsames Lächeln, das sie nicht deuten konnte. Schaudernd senkte sie die Lider unter seinem unangenehm durchdringenden und abschätzenden Blick.

Caleb spürte, wie ihn ein ungeheurer Triumph erfasste. Hatte er nicht gerade erst beschlossen, es sei an der Zeit, sich eine Geliebte zuzulegen? Warum überhaupt auf die Suche gehen und unnötige Stadien vorgetäuschter Emotionen durchlaufen, um eine willige Schöne in sein Bett zu bekommen, wenn er sie quasi auf dem Präsentierteller serviert bekam?

Der einzige Gedanke, der ihn beherrschte, als er die bebende Gestalt vor sich mit heißen Blicken taxierte, war, dass er sie begehrte. Mehr als jede andere Frau in seinem Leben. Und er war es gewohnt, zu bekommen, wonach es ihn verlangte …

„Selbst wenn du deine Seele dem Teufel verkaufen müsstest?“

„Ja“, kam es ohne zu zögern zurück.

„Du bist also bereit, dich mir als Preis anzubieten?“, vergewisserte er sich mit trügerischer Sanftheit.

Es dauerte einige Sekunden, ehe die Bedeutung seiner folgenschweren Worte in Maggies Bewusstsein drang. Und selbst dann war sie nicht sicher, richtig gehört zu haben. „Ich … ich verstehe nicht. Was meinst du …?

„Du hast mich sehr wohl verstanden, meine Schöne“, kam es brutal zurück.

„Mich als Preis anbieten, wie … wie …“

„Wie eine Geliebte, eine Mätresse, sprich es ruhig aus.“ Sein Blick ruhte voll offenem Verlangen auf ihren schwellenden Brüsten, die sich vor unterdrückter Empörung hoben und senkten.

Maggie erblasste und wich vor Caleb zurück, doch er folgte ihr Schritt für Schritt. Hatte sie wirklich geglaubt, sie könne so einfach an seine Barmherzigkeit appellieren? Männer wie er verlangten immer eine Bezahlung.

„Das kann ich nicht! Wie … wie kannst du es wagen, mir einen derart absurden Vorschlag zu machen?“

„Ganz einfach. Wir knüpfen da an, wo wir damals aufgehört haben. Glaube mir, ich bin nicht stolz auf das Verlangen, das mich beim Anblick deines atemberaubenden Körpers überfällt. Doch ich denke, du schuldest mir ohnehin noch etwas für das perfide Spiel, in das du mich hineinziehen wolltest. Damals, in jenem Hotelzimmer, als du dich plötzlich von einer verführerischen Sirene in eine spröde Eisprinzessin verwandelt hast. Törnt dich so etwas an, Maggie? Gefällt es dir zu wissen, dass du einen Mann an den Rand des Wahnsinns …“

„Nein! Hör auf!“, stieß sie rau hervor. „Ich wollte nicht … ich habe nicht …“ Reue und Scham drohten sie zu überwältigen, doch tief in ihrem Innern wusste Maggie, dass nichts Calebs einmal gefasste Meinung über sie ändern würde. Und wenn sie daran dachte, wie ihr verräterischer Körper auf seine erfahrenen Liebkosungen reagiert hatte, wurde ihr ganz heiß vor Verlegenheit. Dieses unerwartete Erlebnis und das Gefühl lastender Schuld waren es gewesen, die sie damals in seinen Armen hatten erstarren lassen.

Und ehe sie sich fassen und Caleb nonchalant über ihren Schock hinwegtäuschen hatte können, hatte er die Bombe platzen lassen, indem er ihr kalt mitteilte, dass er Tom Hollands Plan bis ins kleinste Detail kannte und genau wusste, warum sie in diesem Hotelzimmer waren.

Und in jener grauenhaften Sekunde erstarb auch jedes nebulöse Gefühl des Verlangens, das sie zuvor empfunden haben mochte. Sie war von ihm ebenso kaltblütig benutzt worden, wie er es von ihrer Seite aus vermutete. Und doch war ihr Liebesspiel voller Leidenschaft, Begehren und Magie gewesen …

„Du hast versucht, mich auszutricksen, Maggie. Oder willst du etwa leugnen, dass du mit dem Plan in das Hotel kamst, mich zu verführen?“

„Nein“, sagte sie tonlos, als sie die lastende Stille um sie herum nicht länger ertrug. Denn genau mit der Absicht war sie zu dem vereinbarten Treffen gegangen – wenn auch gegen ihren Willen. Nie würde er erfahren, wie sehr sie sich damals gewünscht hatte, es wäre ein echtes Rendezvous gewesen …

Maggie atmete tief durch und versuchte noch einmal, ihr Schicksal abzuwenden.

„Aber du hasst mich doch“, sagte sie leise. „Wie kannst du mich da gleichzeitig zu deiner Geliebten nehmen wollen?“

„Spiel bitte nicht die Naive. Du weißt so gut wie ich, dass Sex nichts mit Liebe oder Freundschaft zu tun hat. Du willst das Haus … und ich will dich. So einfach ist das.“

Maggie ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, Ruhe zu bewahren. „Aber wie …? Ich meine, für wie lange und wann?“

„Solange ich in Dublin bin – rechne mit zwei Wochen.“

Erneut wich sie instinktiv zurück. Das Haus, ihre Mutter – alles war vergessen. Was zählte, war einzig und allein der dunkle Racheengel vor ihr. Der leidenschaftslose Ton, in dem Caleb sprach, ließ keinen Zweifel daran, dass ihr Untergang und die Schmach, die sie vonseiten der Dubliner Gesellschaft erwartete, ihn nicht die Spur interessierte. Mit aller Macht mobilisierte Maggie ihre letzten Reserven.

„Aber das sind zwei Monate! Ich … ich kann … ich werde nicht mit dir schlafen“, stammelte sie errötend und suchte nach einem Argument, das ihn von seinem Vorhaben abbringen würde. „Ich … du stößt mich ab.“

„Lügnerin.“

Bevor sie protestieren konnte, lag Maggie in Calebs Armen. Mit einer Hand umfasste er ihren Nacken und bemächtigte sich ihrer bebenden Lippen. Sein Kuss war hart und kompromisslos. Trotzdem hatte Maggie das Gefühl, vor Wonne vergehen zu müssen. Instinktiv drängte sie sich an ihn, und plötzlich wandelte sich sein brutales Statement zu einer fast zärtlichen Liebkosung, die ihr einen sehnsüchtigen Seufzer entlockte.

Mit geschickten Fingern entfernte er die sich ohnehin lösenden Nadeln aus ihrem Knoten, bis ihr tizianrotes Haar als seidiger Wasserfall ihren Rücken herabfloss. Unter ihren zu Fäusten geballten Händen, die immer noch auf seiner Brust lagen, spürte sie seinen heftigen Herzschlag. Langsam entkrampfte Maggie ihre Finger und fuhr behutsam mit den Handflächen über die harten Muskeln des prachtvollen Männerkörpers so dicht vor ihr.

Vom langen Warten ohne die geringste Stärkung fühlte sie sich leicht schwindlig, und Calebs aggressive Männlichkeit kostete sie den Rest ihrer ohnehin angeschlagenen Selbstbeherrschung. Bereitwillig schloss sie die Augen und gab sich ganz dem Zauber seiner herrischen Lippen und leidenschaftlichen Küsse hin.

Wieder in seinen Armen zu liegen, mit den Erinnerungen, die sie nie wirklich hatte verdrängen können, ließ Maggie keine andere Chance, als sich ihm willig hinzugeben. In diesem Moment zog Caleb sich von ihr zurück, aber nur, um mit seiner Zungenspitze einen brennenden Pfad entlang ihrer Kehle zu fahren, bis er die Stelle erreichte, wo ihr Blut unter der alabasterfarbenen Haut heftig pulsierte. Mit jedem Herzschlag wuchs ihr Verlangen nach seinen verlockenden Berührungen ins Unermessliche.

Und ironischerweise war es ausgerechnet dieses ungestüme Gefühl der Lust, das sie schlagartig wieder zur Besinnung brachte. Maggie nahm alle Kraft zusammen, um in die Realität zurückzukehren. Es war wie eine unverhoffte kalte Dusche. Hätten seine warme Hände nicht ihre Schultern umklammert gehalten, wäre sie sicher zu seinen Füßen hingesunken. Ihre Augen glänzten unnatürlich vor offensichtlicher Erregung. Die weichen Lippen waren feucht und geschwollen vom Küssen.

Den Ausdruck auf Calebs Gesicht konnte man nur mit Triumphgefühl beschreiben. Seine Augen funkelten vor Spott über ihren halbherzigen Versuch, ihn zurückzuweisen. „Wie ich schon sagte, du bist eine Lügnerin.“

Er umfasste Maggies Kinn mit zwei Fingern und zwang sie, ihn anzuschauen. „Aber ich liebe es, von dir umgarnt zu werden …“

Am ganzen Körper bebend machte sie sich frei und versuchte, die Schwäche in ihren Beinen zu kontrollieren.

„Du solltest dankbar sein, dass ich dich trotz allem noch begehre, sonst hättest du gar nichts, um mit mir zu verhandeln.“

Seine zynische Bemerkung erinnerte Maggie daran, weshalb sie überhaupt hier war. Wie hatte sie das nur vergessen können? „Heißt das, du gibst meiner Mutter ihr Haus zurück?“, fragte sie heiser.

Caleb nickte bedächtig. „Wenn du mir gibst, was ich von dir will.“

„Mich …“

„Ja.“

Plötzlich kam Maggie ein Gedanke, den sie noch gar nicht berücksichtigt hatte. „Hast du denn keine Freundin?“

„Was?“, fragte Caleb scharf.

Maggie errötete bei dem Gedanken, er könne annehmen, dass sie regelmäßig die Klatschpresse nach den neuesten Nachrichten über Europas attraktivsten Finanztycoon durchstöberte. „Die Presse …“

„Freundin!“ Caleb lachte spöttisch auf. „Wie nett altmodisch das klingt. Ich glaube, ich hatte keine Freundin mehr, seit ich sechs Jahre alt war und mit meiner Mutter in Rio de Janeiro lebte. Nein, ich habe keine Freundin und auch sonst niemanden, der momentan mein Bett wärmt. Nicht, dass es dich überhaupt belasten müsste, da du ja die Moral einer streunenden Katze hast, Honey.

Ihre naive Bemerkung machte Maggie derart zu schaffen, dass sie Calebs Beleidigung gar nicht registrierte. Was war sie nur für ein weltfremdes Ding. Natürlich hatten Männer wie Caleb Cameron Geliebte, solange, bis die sie langweilten oder sie vor den Altar treten mussten. Und das natürlich mit einer Frau aus ihren Kreisen, die ihren Job verstand.

„Und wie soll das Ganze jetzt vonstattengehen?“, fragte sie so lässig wie möglich.

„Wenn ich das Haus tatsächlich deiner Mutter überschreibe, hast du dich morgen um vierzehn Uhr mit gepackten Koffern hier einzufinden“, kam es ebenso sachlich zurück.

Maggie fühlte ihre Glieder taub werden. „Du willst, dass ich bei dir einziehe?“

„Selbstverständlich, ich brauche eine Begleitung, jemand, der bei gesellschaftlichen Anlässen an meiner Seite steht … und eine willige Geliebte.“

Seine letzte Bemerkung sandte ihr heiße Schauer über den Rücken. Erstarrt stand sie vor ihm, mit aufgelöstem Haar, zerknittertem Kostüm und immer noch zitternden Knien. Ihr Mund brannte von seinen Küssen.

Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können?

„Du wirst einen Vertrag unterschreiben, der verhindert, dass du persönlich Nutzen aus unserem Geschäft ziehst“, fuhr Caleb sachlich fort. „Das Haus wird auf den Namen deiner Mutter eingetragen, ohne die Möglichkeit, es dir später zu vererben. Eine weitere Klausel wird besagen, dass sie es auch nicht veräußern darf, falls es das ist, was ihr im Sinn habt.“

Maggie fühlte sich schwach. „Es ist wirklich wahr, was man über dich sagt“, stellte sie dumpf fest. „Du bist grausam, unerbittlich und hast kein Herz.“

Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, wäre sie versucht gewesen, das kurze Aufblitzen in Calebs blauen Augen als Schmerz zu interpretieren, aber das war natürlich völlig abwegig.

„Also, was ist?“, fragte er, ohne auf ihr Statement einzugehen. „Das ist der Deal. Du bist für zwei Monate meine Geliebte oder so lange, wie ich dich begehre.“

„Und was ist, wenn du nach einer Nacht genug von mir hast?“, fragte Maggie aufsässig.

Caleb machte einen großen Schritt auf sie zu, sodass er dicht vor ihr stand. „Das wird nicht passieren, Honey. So viel kann ich dir versprechen.“

Wie Blitzlichter schossen Maggie die wildesten Gedanken durch den Kopf. Ihr Elternhaus war Millionen wert. Und außer diesem verachtenswerten Handel sah sie keine Möglichkeit, es für ihre Mutter zu retten. Dabei ging es gar nicht um den materiellen Wert. Ihr Leben lang war Maggie für ihre empfindsame schwache Mutter da gewesen und hatte einmal sogar versucht, sie mit ihrem eigenen Körper vor Toms brutalen Fäusten zu schützen.

Sie war kaum sechs Jahre alt, und noch heute konnte man die Narbe sehen, die ihr als Erinnerung geblieben war.

Aber Tom war fort. Endgültig! Dies war Camillas letzte Chance auf etwas Glück in ihrem Leben, und das wollte Maggie ihrer Mutter nicht verwehren. Und wenn sie etwas Falsches tun musste, um das Richtige zu erreichen, dann war es eben so.

Entschlossen hob sie den Kopf und schaute Caleb fest in die Augen. „Und wenn ich morgen nicht hier auftauche?“

Der Ausdruck auf ihrem schmalen Gesicht verursachte Caleb unvermutet einen Stich in der Brust, den er sich nicht erklären konnte. Für einen Sekundenbruchteil fühlte er sich versucht, seinen Racheplan fallen zu lassen. Doch dann fegte er alle unsinnigen Skrupel zur Seite.

Maggie spielte mit ihm, das durfte er nie vergessen, so süß und unschuldig sie auch dreinschaute. Sie probierte einfach aus, womit sie durchkam und wie weit sie ihn manipulieren konnte, aber sie würde schon bald feststellen müssen, dass sie ihren Meister gefunden hatte.

Caleb richtete sich zu seiner vollen Größe auf und maß Maggie mit einem kalten Blick. „Dann blieben euch genau eine Woche und sechs Tage, um mein Haus zu räumen.“ Er wandte sich ab und ging langsam zur Tür.

Wie betäubt starrte Maggie ihm hinterher und fragte sich, wo der Mann geblieben war, der sie noch vor wenigen Minuten so leidenschaftlich geküsst hatte. Jetzt wirkte er gelassen, ja, fast gelangweilt. So, als gehörten derartige Gespräche zu seinem ganz normalen Alltag.

„Es liegt bei dir, Maggie. Sei morgen pünktlich, oder sag eurem Haus schon mal Ade. Du findest sicher selbst hinaus.“

Und damit war er verschwunden.

3. KAPITEL

Kurz vor zwei Uhr am nächsten Tag saß Maggie in ihrem Mini Cooper vor Calebs Büro. Ihr war kalt und heiß zugleich, und die Gedanken überstürzten sich, ohne dass sie zu einem Ergebnis kam.

Als sie am gestrigen Abend nach Hause gefahren war, war sie fast überzeugt davon gewesen, dass es ihr gelingen würde, ihre Mutter zu einem gemeinsamen Neustart überreden zu können. Aus der Gegend wegzuziehen, das Haus zu vergessen … alles zu tun, um nicht Calebs … Eigentum zu werden.

Doch als sie das Haus betrat, befand sich Camillas Hausarzt gerade im Gehen. Voller Panik und Sorge um ihre Mutter verdrängte Maggie jeden Gedanken an Caleb Cameron und starrte angstvoll in das grimmige Gesicht des Doktors. Seine Miene besagte nichts Gutes. Er fürchte ernsthaft um die langfristige Gesundheit ihrer Mutter, erklärte der Mediziner. Besonders, was ihre angeschlagene Psyche betraf. Einen derartigen Fall von tiefer verzweifelter Trauer habe er nie zuvor erlebt.

Maggie senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe. Ja, ihre Mutter trauerte … aber nicht um ihren verstorbenen Mann, wie sie nur zu gut wusste.

Damit waren alle Zweifel und Ausflüchte für sie erledigt. Es gab kein Zurück … es durfte keines geben!

Ohnehin hätte sie es kaum fertiggebracht, Camillas Herzenswunsch zu verweigern, wenn es in ihrer Macht lag, ihn zu erfüllen. Und trug sie nicht sogar eine Teilschuld an dieser Situation? Wenn auch als hilfloses Werkzeug ihres skrupellosen Stiefvaters? Trotzdem fühlte Maggie sich schuldig.

Die letzte Sicherheit, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war, bekam sie, als sie ihrer Mutter am Morgen eröffnet hatte, dass Caleb ihnen das Haus lassen würde. Camilla war vor Freude und Erleichterung außer sich gewesen und viel zu überrascht, um Maggie nach den Gründen für diese unerwartete Wendung ihres Geschickes zu fragen.

Der Unterschied zu ihrem Gemütszustand vom Vortag war so unglaublich, dass Maggie nicht das Herz hatte, auch nur die leiseste Andeutung zu machen, was dieser Glücksfall für sie bedeutete.

Und nun saß sie hier und musste ihren Teil der Abmachung einhalten. Dies würden die längsten und demütigendsten zwei Monate ihres Lebens werden, davon war sie überzeugt. Doch am Ende winkte auch für sie die Freiheit, das durfte sie nie aus den Augen verlieren.

Caleb hielt sie für die berechnendste Frau auf der Welt, dessen war Maggie sich bewusst. Allein deshalb durfte sie ihn niemals diese fatale Schwäche bemerken lassen, die sie immer in seiner Gegenwart überfiel. Und die ihr vor sechs Monaten für einen beseligenden Moment vorgaukelte, auch er habe ein echtes Interesse an ihr …

Maggie schaute auf ihre Armbanduhr. Zwei Uhr mittags.

Nach einem raschen Blick in den Rückspiegel atmete sie tief durch und öffnete die Autotür.

Nachdem sie von der leicht genervt dreinschauenden Ivy zu Calebs Büro geleitet wurde, legte Maggie die Hand auf die Klinke. Sie zuckte jedoch heftig zusammen, als sich die Tür im gleichen Moment von innen öffnete.

Caleb stand vor ihr, das Hemd am Hals geöffnet, sodass sie den Ansatz dunkler Brustbehaarung auf glatter gebräunter Haut sehen konnte. Die aufgerollten Ärmel ließen seine muskulösen Unterarme frei, und das dunkle zerzauste Haar wirkte, als sei er ungeduldig mit allen zehn Fingern durchgefahren.

„Du bist zu spät!“, zischte er.

Maggie gab sich so blasiert wie möglich und schaute mit erhobenen Brauen auf ihre Armbanduhr. „Zwei Minuten, Mr. Cameron …“

„Ich gehe also davon aus, dass du mein Angebot akzeptierst.“

Sie nickte steif. „Wenn Sie sich an Ihre Abmachung halten“, murmelte Maggie und ignorierte Calebs irritierten Blick angesichts der steifen Anrede. Natürlich war es albern, ihn wieder zu siezen, aber irgendwie verlieh es ihr mehr Souveränität und Sicherheit. Und innerlichen Abstand …

„Selbstverständlich“, gab er unbewegt zurück. „Aber komm nie wieder zu spät.“

Unter seinem taxierenden Blick zupfte Maggie verlegen an dem V-förmigen Ausschnitt ihrer Strickjacke. Obwohl sie darunter eine durchaus dezente Bluse trug, fühlte sie sich plötzlich nackt. „Ich werde mich bemühen …“

Sekundenlang belauerten sie sich wie zwei misstrauische Wildtiere, die ersten Kontakt zueinander aufnahmen. Auf Calebs dunkler Wange zuckte ein Muskel. Maggie spürte, wie sich ein leichter Schweißfilm auf ihrer Oberlippe bildete. Erst als Caleb unverhofft ihren Arm ergriff und sie in sein Büro zog, löste sich die seltsame Spannung.

Sobald die Tür hinter ihnen geschlossen war, machte Maggie sich frei und trat ein paar Schritte in den Raum hinein. Caleb lehnte sich lässig gegen den massiven Schreibtisch und ließ sie nicht aus den Augen. Zum ersten Mal registrierte Maggie die fantastische Aussicht. Zu drei Seiten boten raumhohe Fenster faszinierende Ausblicke auf das geschäftige Treiben in Dublins Innenstadt, und am Horizont ragte eine dunkle Bergkulisse auf.

Am liebsten wäre Maggie an eines der Fenster herangetreten, um den atemberaubenden Eindruck zu vertiefen, doch dazu war sie nicht hergekommen.

„Das alberne Sie kannst du dir sparen“, forderte Caleb unvermittelt. „In meinem Schlafzimmer mag ich keine unnötigen Formalitäten.“

„Wir sind aber noch nicht in deinem Schlafzimmer!“, entfuhr es Maggie spontan.

Calebs Miene verfinsterte sich, und sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Wie sollte sie ihn je davon überzeugen, eine erfahrene weltgewandte Persönlichkeit zu sein, wenn sie vor ihm jedes Mal wie ein Kaninchen vor der Schlange zurückzuckte?

Natürlich reagierte er wie gewohnt auf die unnötige Provokation, indem er so dicht auf sie zutrat, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte. „Aber wir werden es bald sein“, raunte er heiser. „Und jetzt sag meinen Namen. Los, bloß keine falsche Scham.“

Maggie öffnete den Mund, aber es kam nichts heraus. Noch gestern war es kein Problem für sie gewesen, Caleb bei seinem Vornamen zu nennen, doch plötzlich war ihr Hals wie zugeschnürt. Es war, als würde sie diesem Augenblick damit eine Bedeutung zukommen lassen, die er nicht verdiente. Heiße Röte stieg in ihr Gesicht, als sie langsam den Kopf schüttelte.

Caleb kam noch näher, legte eine Hand um ihren Nacken und brachte seinen Mund ganz dicht an ihren heran. „Maggie …“

„Ich … ich kann nicht!“, rief sie panisch aus.

„Sag es, Maggie.“

Sie fühlte sich wie unter Drogen und starrte hypnotisiert auf Calebs Mund, der immer näher kam. Gleich würde er sie küssen, und dann …

Mit letzter Kraft legte sie eine Hand auf seine Lippen.

„Caleb …“ Es kam heiser und mit einem dunklen Timbre heraus, wie bei einer echten Liebeserklärung. Und genau in diesem Moment begriff Maggie, was es ihr so schwer gemacht hatte, seinen Namen auszusprechen.

Er stutzte und richtete sich langsam wieder auf. In seinen Augen glomm ein seltsames Feuer. „Siehst du“, murmelte er rau. „So schwer war es doch gar nicht.“

Himmel!, dachte Maggie. Ich bin noch keine fünf Minuten in seinem Büro und fühle mich bereits wie ein emotionales Wrack! Sie musste sich besser im Griff haben, um den Part zu spielen, auf den sie sich für diese Scharade festgelegt hatte – Caleb Camerons Teilzeitgeliebte –, erfahren, gerissen, überlegen und kühl …

Nur so konnte sie sich vor sich selbst schützen.

Verzweifelt suchte sie nach einem unverfänglichen Thema, mit dem sie Caleb von dem eingeschlagenen Pfad ablenken konnte.

„Gut. Dann also zu meiner Garderobe!“, platzte Maggie viel lauter als beabsichtigt heraus, während sie ein wenig Abstand von ihm nahm.

„Was ist damit?“, fragte er ebenso wachsam wie irritiert. Den rasanten Wechsel von seinem gehauchten Namen zu Kleidungsstücken konnte er so schnell nicht nachvollziehen. Aber eines war klar, er durfte ihr nicht trauen. Irgendwann liefen alle unverständlichen Andeutungen bei Frauen immer aufs gleiche Thema hinaus – seine Brieftasche!

Maggie neigte den Kopf, drehte eine rote Locke um ihren Finger – was sie häufig völlig abwesend tat, jetzt aber gezielt als kokette Geste einsetzte –, und schenkte Caleb ein strahlendes Lächeln.

„Sicher erwartest du, dass ich gut aussehe und Eindruck an deiner Seite mache“, gurrte sie. „Leider befindet sich meine Garderobe dieser Kategorie noch in London. Wenn dir mein derzeitiger Aufzug also zu lässig erscheinen sollte …“ Mit spitzen Fingern zupfte Maggie an ihrer schlichten Jacke, drehte sich dabei hin und her … und hasste sich für diese unwürdige Darbietung.

Ein derart vordergründiges Verhalten widerstrebte ihr zutiefst, doch wenn Caleb ihr die Rolle der leichtfertigen Goldgräberin abnehmen sollte, musste sie ihre gesamte Fantasie und Schauspielkunst aufbieten. Er sollte nur das Schlimmste von ihr denken.

Caleb spürte, wie eisige Kälte in ihm aufstieg. Er hatte sich also nicht geirrt. Sie war wie all die anderen geldgierigen Harpyien, die versuchten, ihn auszunehmen, und die er gründlich verachtete. Hatte er wirklich einen Moment lang angenommen, Maggie sei anders? Nur weil er ihre bezaubernden Augen und das süße Lächeln …

Er ballte seine Hände in den Hosentaschen zu Fäusten. Nun gut, ehe er sie in den Präsenten eines anderen Gönners sehen musste, wollte er lieber selbst dafür sorgen, dass Maggie sich für ihn schön machte und herausputzte. Und nur für ihn!

„Sag mir wo, und ich lasse dir dort ein Konto einrichten“, informierte er sie gelassen. „Am besten gleich heute Nachmittag, da ich überraschend für zwei Tage geschäftlich nach Monte Carlo muss. Du wirst mich begleiten. Ich gehe davon aus, dass dein Pass in Ordnung ist?“

Maggie errötete vor Scham, während sich ihr vorgetäuschtes Selbstbewusstsein in Luft auflöste. Sie nickte mechanisch. Monte Carlo! Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie sich plötzlich in einem Paralleluniversum befand …

Caleb ging um den Schreibtisch herum, griff nach dem Telefon und tippte eine Nummer ein. Dabei schaute er Maggie erwartungsvoll und mit einem Hauch Ungeduld an. Verzweifelt versuchte sie, sich an seine Frage zu erinnern und stammelte schließlich den Namen einer Nobelboutique in Dublin, die ihr als Einziges in den Sinn kam. Nicht dass sie den exklusiven Laden je von innen gesehen hätte!

Nach einer knappen, rasch geführten Konversation war alles erledigt. Caleb trat auf Maggie zu und umfasste ihr Kinn. „Halt dich von dem billigen Flitterkram fern. Ich möchte nicht noch einmal so einen peinlichen Auftritt erleben wie damals im Hotel, als jeder Mann im Restaurant förmlich zu stieren anfing, angesichts deiner … Vorzüge“, endete er mit einem bezeichnenden Blick auf ihre weiblichen Kurven.

Maggie senkte den Blick in Erinnerung an das schamlose Fähnchen, das ihr Stiefvater sie gezwungen hatte anzuziehen. Vor ihrem inneren Auge tauchte plötzlich Tom Hollands vor Zorn gerötetes Gesicht auf.

„Du kannst es tragen oder nackt gehen!“, hatte ihr Stiefvater sie angeschrien. „Und wenn du dich weigerst, bist du allein verantwortlich für das, was mit deiner Mutter passiert!“

„Ich werde mein Bestes tun“, murmelte Maggie jetzt. „Aber da ich das Kleid noch besitze, steht dir ja möglicherweise auch eine Überraschung bevor“, konnte sie sich nicht enthalten hinzuzufügen.

In Calebs Augen blitzte es gefährlich auf. „Versuche es, und ich reiße es dir vom Leib, um dich persönlich passend anzuziehen“, versprach er mit seidenweicher Stimme. „An deiner Stelle würde ich mich auf keine Spielchen mit mir einlassen, Honey. Du kannst nur verlieren.“

Maggie schauderte innerlich und fragte sich ernsthaft, was sie dazu trieb, ihn immer wieder zu provozieren. Tat sie es vielleicht aus Angst, ihr letztes bisschen Stolz zu verlieren? Oder war sie einfach lebensmüde?

Natürlich gab es das scheußliche Kleid längst nicht mehr, weil sie es noch in der gleichen Nacht in tausend Fetzen zerschnitten hatte. Und wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie die auch noch verbrannt.

Maggie war schon fast an der Tür, als Caleb sie zurückrief. „Mein Wagen mit Chauffeur steht dir für deine Shoppingtour zur Verfügung und wird dich später zum Apartment bringen. Wo ist dein Gepäck?“

„Ich … es ist in meinem Auto. Deshalb ist es am besten, ich fahre gleich selbst.“

Caleb zuckte mit den Achseln und schrieb ihr die Adresse seines Apartments auf. Maggie kannte das moderne Gebäude in bester Wohnlage. Sie nickte kurz, steckte den Zettel in die Tasche und flüchtete.

Am frühen Abend lenkte Maggie ihren Mini in die einzige freie Parkbucht vor dem exklusiven Apartmentgebäude. Der Rücksitz quoll fast über vor Tüten und Kartons mit dem eleganten Label der Modeboutique. Trotz der starken Versuchung, völlig unpassende Klamotten zu kaufen, nur um Calebs Reaktion zu testen, hatte sie es nicht fertiggebracht.

Stattdessen hatte sie mit äußerster Sorgfalt ausgesucht, was ihr für jeden erdenklichen Anlass in Calebs Umfeld als passend und angemessen erschien.

Der Concierge war über ihre Ankunft informiert, händigte Maggie mit freundlichem Lächeln den Apartmentschlüssel aus, zeigte ihr den Weg zum Lift und versprach, mit ihren Einkäufen nachzukommen.

Während sie im Fahrstuhl nach oben fuhr, wurde Maggie von einer Welle unwillkommener Erinnerungen überschwemmt.

Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie sehr schnell erfahren müssen, dass Tom Holland nicht wie versprochen das Beste für sie und ihre Mutter wollte, sondern ihnen und jedermann in ihrer Umgebung Schaden zufügte. Und das alles unter dem Deckmantel einer angesehenen konservativen Familie der sogenannten High Society. Mit der Zeit lernte Maggie zu hassen, was diese Gesellschaftsschicht repräsentierte.

Das war auch einer der Gründe gewesen, warum sie sich zu einem Kunststudium entschloss, abgesehen natürlich von ihrem unbestreitbaren Talent, das sie von ihrem Vater geerbt hatte, was wiederum Tom ein ständiger Dorn im Auge gewesen war.

Wo immer es ging, war sie ihrem boshaften und brutalen Stiefvater und seinen Schmähungen aus dem Weg gegangen … bis vor sechs Monaten. Sie tat es allein für ihre Mutter, andernfalls hätte Maggie nie zugestimmt, zwei ganze Wochen Toms illustre Geschäftsgäste in seinem Haus zu betreuen.

Caleb Cameron war sein Ehrengast gewesen, eingeladen unter dem Vorwand, hier mit einigen der wichtigsten Finanzgrößen der internationalen Geschäftswelt zusammenzutreffen. In Wahrheit hatte Tom ihn nur in seinen intimen Kreis ziehen wollten, um ihn zu vernichten.

Maggie war auf den ersten Blick von Caleb Cameron fasziniert gewesen. Toms gewöhnlichen Bekannten sehr unähnlich, stach er aus der Gruppe von Männern hervor wie ein kostbarer Solitär. Sowohl physisch als auch intellektuell. Und, wie sie damals zumindest dachte, auch moralisch gesehen.

Wie naiv von ihr! Dabei war er nicht besser als Tom. Die gleiche Bestie, nur in trügerisch attraktiver Verpackung. Doch selbst diese Erkenntnis konnte die unglaubliche Anziehung, die er auf sie ausübte, nicht schmälern.

Unglücklicherweise war auch Tom nicht entgangen, dass der Funke zwischen ihnen in der ersten Sekunde übergesprungen war. Mit perfider Raffinesse brachte er es fertig, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit zusammenzubringen. Das Highlight seines absurden Planes sollte jener Abend im Hotel werden …

Der Lift stoppte abrupt und holte damit Maggie in die Gegenwart zurück. Die Türen glitten auf, und sie schüttelte sich, als wolle sie die quälenden Erinnerungen endgültig abstreifen. Jetzt galt es, in die Zukunft zu schauen – zumindest für die nächsten acht Wochen. Danach würde sie Caleb Cameron für immer aus ihrem Leben streichen.

Nachdem Maggie die Tür aufgeschlossen hatte, betrat sie zögernd das fremde Apartment. Langsam ging sie von einem Raum in den anderen, als befürchtete sie, aus jeder Ecke angegriffen zu werden.

Natürlich gab es nur das Feinste und Beste für den allseits hofierten Stargast der Stadt!

Maggie hatte alles über dieses Gebäude mit seinen luxuriösen Apartments gelesen, das von einem weltberühmten Architekten entworfen worden war. Es lag auf einem Hügel, direkt gegenüber der antiken Kathedrale und entfachte eine äußerst kontroverse Diskussion in der Bevölkerung von Dublin und weit über die Grenzen der Stadt hinaus.

Einige hielten es für eine unerträgliche Provokation, als demonstrativen Kontrapunkt zu dem majestätischen Sakralbau. Die andere Fraktion verteidigte das innovative Objekt als Wunderwerk der modernen Architektur.

Und Maggie liebte es. Neu trifft auf Alt – der Kontrast schafft den Reiz.

Vor der letzten verschlossenen Tür holte sie tief Luft, ehe sie die Klinke herunterdrückte. Ähnlich wie im Büro, reichten die riesigen Fensterfronten in Calebs Schlafzimmer vom Boden bis zur Decke und boten einen echten Millionärsblick auf das abendliche Dublin.

Maggie konnte keine persönlichen Gegenstände ausmachen, die ihr Aufschluss über den Charakter des Bewohners geben konnten. Im begehbaren Schrank hingen einige Kleidungsstücke, und im Bad lagen maskuline Toilettenartikel. Wahrscheinlich hatte Caleb bisher noch keine Zeit gehabt, sich einzurichten.

Aber Zeit genug, sich eine Geliebte zu nehmen …

Maggie versuchte, ihren Blick nicht zum zentralen Punkt des Zimmers wandern zu lassen, doch es gelang ihr nicht. Das riesige französische Bett dominierte den elegant eingerichteten Raum mit Leichtigkeit und Eleganz. Bezogen mit schwarzem kühlem Leinen, wirkte es verlockend, einladend und sehr, sehr gefährlich.

Und plötzlich erschien vor Maggies innerem Auge die Vision von Caleb und ihr auf dieser erotischen Spielwiese – dunkle Haut auf weißer … heiße Körper, leidenschaftlich ineinander verschlungen …

„Dies ist die letzte Ihrer Tüten, Madam“, erklang die höfliche Stimme des Concierge durch die offen stehenden Türen aus dem Foyer.

Maggie legte eine Hand auf ihr wild klopfendes Herz und eilte zur Wohnungstür. „Vielen Dank“, sprudelte sie atemlos hervor. „Das wäre doch gar nicht nötig gewesen …“

Als sie wieder allein war, lehnte sich Maggie erschöpft gegen die Tür und atmete einige Male kräftig durch. Dann schüttelte sie den Kopf über ihre albernen Fantasien und packte sämtliche Einkäufe nach kurzem Zögern in Calebs Ankleideraum.

Um neun Uhr abends war Maggie mit den Nerven am Ende. Beim kleinsten Geräusch hielt sie den Atem an. Zwischendurch telefonierte sie mit ihrer Mutter, um sie, so vage wie möglich, über ihre neue Situation zu unterrichten. Zu ihrer Erleichterung nahm Camilla die Neuigkeit, dass ihre Tochter einen vorübergehenden Job als Caleb Camerons „Assistentin“ angenommen hatte, sehr gelassen, ja fast desinteressiert auf. Und da eine gute Freundin jeden Tag bei ihrer Mutter vorbeischauen und Maggie benachrichtigen wollte, sollte irgendein Problem auftauchen, konnte sie sich zum ersten Mal nach langer Zeit ein wenig entspannen.

Das Schrillen des Telefons riss sie aus ihren düsteren Gedanken. Zögernd nahm sie den Hörer ab.

„Maggie …?“ Peinlich berührt stellte sie fest, dass allein seine Stimme ihr Herz bis zum Hals schlagen ließ.

„Caleb, ich hatte schon Angst, man hätte dich ins Krankenhaus eingeliefert“, flüchtete sie sich in Ironie. Doch das unerwartet warme, amüsierte Auflachen am anderen Ende der Leitung brachte Maggie völlig aus dem Konzept.

„Darauf wette ich! Ich wollte längst bei dir sein, muss aber noch auf einen wichtigen Anruf aus Los Angeles warten. Durch die Zeitverschiebung werde ich kaum vor Mitternacht zu Hause sein. Am besten, du gehst schon zu Bett.“

Automatisch dachte Maggie daran, wie spät er gestern Abend aus dem Büro gekommen war und verspürte einen Anflug von Sorge, den sie aber gleich wieder energisch unterdrückte.

„Okay, dann fange ich schon mal mit dem Essen an.“ In dem Moment, als die Worte heraus waren, hätte Maggie sie am liebsten sofort zurückgenommen. Jetzt dachte Caleb womöglich, sie mache sich tatsächlich Gedanken um sein Wohlbefinden oder warte gar noch auf ihn!

„Sag nicht, du hast uns ein romantisches Dinner für zwei gekocht!“, erwiderte er auch prompt.

„Damit kann ich leider nicht dienen“, gab sie hastig zurück. „Ich gehöre zu den Frauen, die sogar noch das Teewasser anbrennen lassen“, behauptete sie dreist und beschloss im gleichen Moment, keinen Krümel von dem leichten Auflauf übrig zu lassen, der tatsächlich im Ofen warm stand.

„Hast du dich denn bereits ein wenig eingelebt?“, wollte er wissen, ohne auf ihr trotziges Statement einzugehen.

„Hmm … ja.“

„Gut. Ich werde versuchen leise zu sein, damit ich dich nicht wecke … oder willst du auf mich warten?“

Maggie schützte ein Gähnen vor, während sich ihr Magen vor Panik zusammenzog. „So gern ich das tun würde, aber ich bin schrecklich müde, nach der ganzen Aufregung … also sage ich schon mal Gute Nacht.“ Als sie auflegen wollte, hörte sie ihren Namen und nahm den Hörer wieder ans Ohr.

„Eines noch, Maggie …“, raunte Caleb mit seidenweicher Stimme. „Solltest du nicht in meinem Bett liegen, wenn ich zurückkomme, dann aber ganz bestimmt morgen früh, wenn du aufwachst.“ Danach war die Leitung tot.

Dass Caleb seine Drohung im Zweifelsfall wahr machte, das stand für Maggie felsenfest. Sollte sie sich seiner Anweisung widersetzen, würde er sie in sein eigenes Bett hinübertragen …

Das leichte Kribbeln im Bauch tapfer ignorierend, holte Maggie also ihr altes gemütliches Nachthemd aus dem Gästezimmer und ging hinüber ins Ankleidezimmer, wo sie ihre neuen Sachen untergebracht hatte.

Sorgfältig, aber mit bebenden Fingern sortierte sie kostbare Spitzenunterwäsche und Negligés in ein freies Fach ein. Nie hätte sie sich etwas derart Kostbares und Aufreizendes selbst ausgesucht, doch die elegante Verkäuferin, die sie beraten hatte, war so wenig einverstanden mit ihrer Wahl gewesen, dass sie sich schließlich ihrem fachmännischen Urteil fügte.

Immerhin sollte alles zusammenpassen.

Und während Maggie an die umwerfenden Kleider und Accessoires dachte, zu denen die attraktive junge Frau ihr geraten hatte, umspielte ein provokantes Lächeln ihre Mundwinkel. Nicht dass sie sich selbst je so etwas ausgesucht hätte, aber sie passten sicherlich zu ihrer Rolle als Calebs Geliebte. Und wenn Maggie ganz ehrlich war, erfüllte es sie sogar mit Genugtuung, dass er für seine perfide Erpressung wenigstens ordentlich zur Kasse gebeten wurde.

Dass ihr die Entscheidung auch äußerst leichtgefallen war, weil ihr der Gedanke gefiel, ihm in dieser exquisiten Garderobe entgegenzutreten, gestand sie sich natürlich nicht ein.

Später, als Maggie zusammengerollt in der äußersten Ecke von Calebs mondänem Polsterbett lag und vorgab, tief und fest zu schlafen, erinnerte sie sich noch einmal an ihr abendliches Telefongespräch. Im Nachhinein kam es ihr viel zu … selbstverständlich und entspannt vor. Und das war gefährlich, weil es sie an die zauberhaften Tage in London erinnerte, als sie Calebs andere Seite zu sehen bekommen hatte. Unruhig drehte Maggie sich um und stützte sich auf einen Ellbogen.

Wenn Caleb plante, seinen natürlichen, fast jungenhaften Charme erneut einzusetzen, wäre sie verloren!

Seufzend ließ sie sich zurückfallen und starrte an die Decke.

Wenn sie ehrlich war, war sie ihm ohnehin schon ausgeliefert …

Und mit diesem Gedanken forderten die letzten aufregenden Tage und schlaflosen Nächte ihren Tribut, und Maggie glitt in einen tiefen traumlosen Schlaf hinüber.

Caleb wachte früh auf. Als er sich der Wärme eines anderen Körpers neben sich bewusst wurde, drehte er sich langsam zur Seite und schaute Maggie an, die sich im Schlaf wie ein kleines Kind zusammengerollt und instinktiv seine Nähe gesucht hatte.

Zerzauste rote Locken umrahmten ihr herzförmiges Gesicht, dunkle lange Wimpern berührten fast ihre Wangen, die vom Schlaf leicht gerötet waren.

Als er mitten in der Nacht nach Hause gekommen war, hatte er ihre Konturen nur vage unter der Decke auf der anderen Seite des Bettes ausmachen können und war viel zu erschöpft gewesen, um sich näher dafür zu interessieren. Doch da sie jetzt beide in der Bettmitte lagen, mussten sie sich wohl selbst im Schlaf zueinander hingezogen gefühlt haben.

Endlich hatte er Muße, die Frau an seiner Seite ausgiebig zu betrachten. Maggie wirkte viel jünger und entspannter als sonst. Geradezu unschuldig und … sehr verletzlich. Calebs Gesicht verfinsterte sich. Auf keinen Fall wollte er erneut auf ihr trügerisch elfenhaftes Aussehen hereinfallen! Sein Blick wanderte langsam zu den cremig weißen Schultern, die das zarte Trägerhemd aus elfenbeinfarbener Seide ebenso freiließ wie den gewölbten Ansatz ihrer Brüste, die sich mit jedem Atemzug senkten und hoben.

Er spürte, wie sein Körper auf diesen Anblick reagierte, und bewegte sich unbehaglich hin und her. Auch Maggie rührte sich plötzlich, als habe er sie mit seiner Unruhe angesteckt. Sofort lag er wieder still.

Als Reaktion formte Maggie mit den Lippen ein bezauberndes O und ließ einen enttäuschten Laut hören. Oder hatte er sich das nur eingebildet?

Am liebsten hätte sich Caleb spontan vorgebeugt und ihr einen sanften Kuss auf ihren verführerischen Mund gedrückt. Er wollte sie wach sehen, mit einem schläfrigen Lächeln auf den Lippen und ausgestreckten Armen, um ihn an sich zu ziehen und sich willig seinen Liebkosungen hinzugeben. Aber das waren nur Fantasien, und deshalb tat er es nicht.

Denn in der Realität würde Maggie zwar auch die Augen aufschlagen, wenn er sie küsste, aber ihr Blick wäre voller Misstrauen oder sogar Missbilligung, und das wollte er sich lieber ersparen.

Natürlich wollte er sie … aber dann sollte sie wach sein. Jede Reaktion wollte er in ihren smaragdgrünen Augen lesen, wenn sie voller Begierde funkelten oder sich vor Leidenschaft verdunkelten, dann, wenn er sie das erste Mal nahm …

Genau in dieser Sekunde rückte Maggie noch ein Stückchen an ihn heran, und schob ihren Arm über seine nackte Brust. Auf der bronzebraunen Haut wirkte ihre schmale Hand so verletzlich und hilflos wie ein kleiner Vogel, der aus dem Nest gefallen war.

Caleb biss die Zähne zusammen, um der quälenden Versuchung nicht nachzugeben, zog sich behutsam zurück, stand auf und ging leise ins Bad, um eine kalte Dusche zu nehmen. Hinter ihm rührte sich Maggie im warmen Bett, schlief aber dann seelenruhig weiter.

4. KAPITEL

Als sie dann schließlich erwachte, wusste Maggie zunächst nicht, wo sie war.

Sie war herrlich ausgeruht und erfrischt, streckte sich genüsslich unter den kühlen Leinenlaken und lächelte selig. Doch als sie das seltsam fremde Gefühl von zarter Seide und Spitze auf ihrer Haut spürte, verschwand das Lächeln abrupt.

Plötzlich erinnerte sie sich sehr wohl daran, wo sie war.

Sie setzte sich auf und schaute um sich. Seltsamerweise befand sie sich nicht da, wo sie sich gestern Abend hingelegt hatte – auf der anderen Seite des Bettes. Und eine Delle dicht neben ihr im Kopfkissen machte ihr klar, dass Caleb irgendwann zu ihr gekommen sein musste. Und doch war sie allein im Bett.

So, wie sie lag, hätte sie praktisch über ihn hinwegrollen müssen … oder hatte er sie etwa auf sich gezogen? Schlagartig war Maggie hellwach.

Sie erinnerte sich an gar nichts. Wie hatte sie nur so tief und gut schlafen können mit Caleb an ihrer Seite? Selbst wenn sie völlig entspannt war, hatte sie einen sehr leichten Schlaf und wurde bei der geringsten Störung wach. Und dann in ihrer ersten Nacht, an einem völlig fremden Ort und mit dem beunruhigendsten Mann an ihrer Seite, der ihr je über den Weg gelaufen war, schlummerte sie sanft wie ein kleines Baby.

Die Tür ging auf, und auf der Schwelle stand Caleb – frisch rasiert und tadellos gekleidet. Maggie sank in die Kissen zurück und zog die Decke bis zum Kinn.

„Guten Morgen“, wünschte er lächelnd und stellte eine Tasse Kaffee auf dem Nachttisch ab. „Na, du hast vielleicht einen unruhigen Schlaf“, neckte er Maggie. „Da sollte man denken, das Bett sei nun wirklich groß genug, und trotzdem lagst du heute Morgen förmlich auf mir.“

Das war zu viel nach ihren eigenen Fantasien, die sie eben noch beunruhigt und verstört hatten. Doch auf keinen Fall wollte sie ihn ihre Verlegenheit sehen lassen und suchte nach einer flapsigen Antwort. „Vielleicht war das Ganze ja doch ein großer Fehler, und du hast dich in deinen Gefühlen geirrt, wenn ich mich tatsächlich die ganze Nacht lang in deinem Bett herumwälzen kann und am Morgen immer noch mein Nachthemd anhabe …“

Caleb setzte sich auf die Bettkante, beugte sich über sie und zog ganz langsam die Decke bis zu ihrer schmalen Taille hinunter. Die dünne Seide mit dem zarten Spitzeneinsatz betonte ihre weiblichen Kurven mehr, als dass sie etwas verbarg.

Unter seinem trägen Blick richteten sich zu Maggies Entsetzen ihre Brustspitzen auf wie zwei Rosenknospen, die sich der Sonne entgegenstreckten. Als Caleb sie fast nachlässig mit dem Handrücken streifte, stockte Maggie der Atem, und sie wurde von einer Welle der Lust überschwemmt, die ihr ein leises Stöhnen entlockte.

Vorsichtig legte er einen Finger unter ihr Kinn und betrachtete aufmerksam ihre glänzenden Augen und die geröteten Wangen.

„Ein Fehler? Ich glaube nicht, Honey …“

Maggie fühlte sich bis ins Innerste erschüttert. Mit wenig mehr als einem Blick hatte Caleb ihr bewiesen, dass er sie in der letzten Nacht hätte haben können. Wieder und immer wieder. Er wusste es, und sie wusste es.

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich vom Bett und schaute unbewegt auf Maggie hinab. „Gegen elf werde ich zurück sein. Dann brechen wir nach Monte Carlo auf. Also halte dich bereit.“

Damit war er verschwunden.

Maggie schloss gepeinigt die Augen. Sie durfte nicht schwach werden. Sie musste diese zwei Monate überstehen. Immerhin tat sie es für ihre Mutter …

Zur vereinbarten Zeit saß Maggie reisefertig neben ihrer gepackten Tasche und schaute auf die Uhr. Eben hatte sie ihre Mutter angerufen und ihr eröffnet, dass sie Caleb als seine „Assistentin“ auf einer kurzen Geschäftsreise begleiten würde. In den neuen Kleidern fühlte sie sich allerdings eher wie eine Schauspielerin, die sich für ein Theaterstück kostümiert hatte, das heute zur Erstaufführung kommen sollte.

Und im Grunde traf das ziemlich genau die Situation, in der sie sich befand.

Maggie hatte sich für ein schlichtes Leinenkostüm entschieden, unter dem sie ein passendes Seidentop trug. Die Haare waren zu einem klassischen Knoten aufgesteckt, vervollständigt wurde ihr Outfit von eleganten Pumps und dezenten Perlenohrringen.

Das Telefon läutete. Es war Caleb, der sie informierte, dass er unten im Wagen auf sie warte. Also nahm sie ihre Tasche und fuhr mit dem Lift nach unten.

Caleb beobachtete Maggie dabei, wie sie aus der Tür trat durch die getönten Scheiben seiner luxuriösen Limousine. Sie wirkte so frisch, wunderschön und aufregend sexy, dass er sich beherrschen musste, nicht aus dem Wagen zu springen, zu ihr zu laufen und sie zu berühren. Nur um zu sehen, ob sie wirklich echt war.

Nachdem sie ihre Tasche mithilfe des Chauffeurs im Kofferraum verstaut hatte, zögerte Maggie kurz, als habe sie etwas vergessen.

„Was ist los?“, fragte Caleb aus dem Wageninneren.

„Ich will nur schnell überprüfen, ob ich meinen Mini wirklich abgeschlossen habe“, erklärte sie hastig und war auch schon zu dem kleinen Auto unterwegs, das nur wenige Meter weiter geparkt war. Als sie zurückkam, stand Caleb neben der Limousine und beschattete seine Augen gegen die Sonne.

Das ist dein Wagen?“

„Ja“, gab Maggie stolz zurück.

„Ich würde es eher ein Gesundheitsrisiko nennen.“

Maggie presste die Lippen zusammen und unterdrückte den Drang, ihren Mini Cooper zu verteidigen. Sie hatte ihn von ihrem ersten selbst verdienten Geld gekauft. Mit ihm hatte sie gelernt zu fahren und kümmerte sich seitdem liebevoll um das kleine Vehikel. Doch Caleb schien offenbar erwartet zu haben, dass sie irgendein eindrucksvolleres Gefährt ihr Eigen nannte.

Kein Wunder, bei seiner Einschätzung ihres Charakters!

Maggie wählte ihre Worte sehr sorgfältig. „Oh, das ist nur eine Art Notlösung. Ich borge ihn mir immer vom Gärtner, wenn ich mal zu Hause bin. Es bringt mich von A nach B, und mehr verlange ich gar nicht.“

Damit schlüpfte sie auf den Rücksitz der pompösen Limousine und hoffte, das Thema sei erledigt. Der Chauffeur, der sich ihr als John vorgestellt hatte und überraschenderweise mit englischem Akzent sprach, drehte sich auf dem Fahrersitz um und lächelte Maggie zu.

„Großartige Autos, nicht wahr? Mein erster Wagen war auch ein Mini. Ich erinnere mich noch gut, wie sehr ich an ihm gehangen habe.“

Maggie erwiderte strahlend sein Lächeln und nickte eifrig. Als John sich wieder umwandte, lehnte sie sich in den Sitz zurück und warf Caleb, der inzwischen neben ihr Platz genommen hatte, einen schnellen Seitenblick zu. Als sie den nachdenklichen Ausdruck auf seinem Gesicht sah, setzte sie eine gleichgültige Miene auf und schaute wieder nach vorn. Aus den Augenwinkeln bekam sie mit, wie Caleb seinen mitgeführten Aktenkoffer öffnete, einen Stapel Papiere hervorzog und sich darin vertiefte.

So konnte Maggie auf der Fahrt ungestört ihre Gedanken zu den Orten und Ereignissen schweifen lassen, die sie in den nächsten Tagen beschäftigen würden.

Insgeheim regte sich neben Nervosität und Aufregung auch eine gewisse Vorfreude auf die fremde, exotische, luxuriöse Umgebung … wo das Unausweichliche passieren würde. In wenigen Stunden.

Wenn sie nach Dublin zurückkehrten, waren sie ein Liebespaar – zumindest in körperlicher Hinsicht. Ob es ihr gelingen würde, mit Caleb zu schlafen, ohne sich von ihren Emotionen überwältigen zu lassen?

Sie musste es einfach schaffen, ihm vorzuspielen, dass er für sie nichts anderes war als sie für ihn …

Maggie reckte ihr Gesicht genüsslich der Sonne entgegen.

Herrlich! Wenn man nicht darüber nachdachte, dass man quasi unter Zwang an diesem wundervollen Ort war. Aber auch dafür war eigentlich nur sie selbst verantwortlich zu machen. Oder für den seltsamen Knoten in ihrem Magen, den sie spürte, seit Caleb vor drei Tagen in ihr Leben zurückgekehrt war.

Nur drei Tage …

Und jetzt war sie im Begriff, das Leben einer Geliebten zu führen, die sich von einem Mann aushalten ließ, der sie zutiefst verachtete, aber gleichzeitig so begehrte, dass er bereit war, darüber hinwegzuschauen.

Maggie öffnete die Augen und beschattete sie mit der Hand gegen die gleißende Sonne. Sie saß auf dem Balkon ihrer Hotelsuite, der mit unzähligen exotischen Pflanzen bestückt war. Blumen mit betäubendem Duft prunkten in so grellen Farben, dass es dem Auge fast wehtat.

Maggie trat an die Brüstung heran und schaute aufs azurblaue Mittelmeer. Wie viele andere Frauen mochten wohl dieses Leben mit ihr teilen? Von ihrem Liebhaber entführt zu werden in Luxushotels, an die reizvollsten Orte, die man sich nur vorstellen konnte … und einfach nur zu seinem Vergnügen da zu sein …

Der Gedanke schnitt ihr wie ein Messer ins Herz. Frustriert stieß sie sich von der Brüstung ab, drehte sich um und erstarrte, als ihr bewusst wurde, dass Caleb, der mit verschränkten Armen lässig in der offenen Glastür lehnte, sie die ganze Zeit beobachtet hatte.

„Wie lange stehst du schon da?“, fragte sie knapp. „Was ist mit deinem Meeting?“

Caleb stieß sich vom Türrahmen ab und trat langsam auf sie zu. „Du solltest lieber vorsichtig sein, sonst verbrennst du dich noch in dieser sengenden Sonne.“ Schon jetzt zierten sehr viel mehr Sommersprossen ihre reizende Nase und ließen sie geradezu lächerlich jung aussehen.

Maggie versteifte sich, als Caleb seine Hand prüfend auf ihre nackte Schulter legte. „Keine Angst“, sagte sie rau. „Ich habe genügend schlechte Erfahrungen mit Sonnenbränden gemacht, um mich bei einer derartigen Hitze nie ohne hohen Sonnenschutzfaktor der Sonne auszusetzen.“

Immer noch streichelte er ihre sonnenwarme Haut. „Pass trotzdem auf.“

Maggie schluckte trocken. „Pass du lieber auf, sonst glaube ich womöglich noch, du machst dir ernsthafte Sorgen um mich“, spöttelte sie.

Calebs Mund wurde ganz schmal. „Wohl kaum. Ich habe immerhin eine ziemliche Summe in dich investiert, da will ich keinesfalls auch noch warten müssen, bis du dich von einem Sonnenbrand erholst“, entgegnete er kühl.

Maggie zuckte innerlich zusammen. Trotz der versteckten Beleidigung musste sie automatisch an die nächste Nacht denken und daran, was passieren würde. Während sie noch nach einer passenden Antwort suchte, ergriff Caleb erneut das Wort.

„Meine Besprechung war schneller zu Ende, als ich dachte. Allerdings bin ich noch nicht zum Essen gekommen. Wie steht es mit dir?“

Maggie schüttelte den Kopf.

„Gut, ich habe einen Tisch in einem Bistro um die Ecke reserviert, dort können wir eine Kleinigkeit zu uns nehmen. In einer Stunde beginnt das nächste Meeting.“

„Okay.“ Maggie griff nach ihrer Tasche und folgte ihm aus der Suite. In einer schmalen holperigen Seitenstraße, nur ein paar Schritte von ihrem Hotel entfernt, lag ein romantisch anmutendes Restaurant, halb versteckt hinter bunten Blumenkübeln. Drinnen war es luftig und kühl. Der Kellner führte sie zu einem Tisch, der etwas zurückgesetzt in einer Ecke stand.

Caleb ließ sich mit einem wohligen Seufzer nieder und streckte die langen Beine unter dem Tisch von sich, weshalb Maggie ihre sofort zimperlich unter ihrem Stuhl versteckte. Caleb honorierte das hastige Manöver mit einem spöttischen Heben der Augenbraue, was Maggie wiederum vorgab zu ignorieren.

Stumm händigte er ihr eine der Speisekarten aus, und als der Kellner erneut an ihrem Tisch erschien, bestellte er eine Flasche edles Tafelwasser. Nachdem das Gewünschte eingeschenkt auf dem Tisch stand, erhob Caleb sein Glas.

„Wie steht’s, Maggie, wollen wir trotz des Verzichtes auf Wein einen Waffenstillstand begießen?“

Maggie errötete, hob ihm ihr Glas entgegen und versuchte, das Flattern in ihrem Magen zu dämpfen. Er will es sich damit nur einfacher machen, redete sie sich ein. Wer hat schon gern eine unwillige Geliebte im Bett? Und sie musste sich endlich von ihren romantischen Verblendungen und unsinnigen Fantasien befreien!

„Nun denn, auf einen Waffenstillstand.“

Caleb lächelte, und Maggie fühlte, wie sie schwach wurde. Das war nicht fair! Wenn er mit seinem unwiderstehlichen Charme spielte, war sie verloren … unrettbar!

„Trotzdem wollen wir nicht vergessen, warum wir überhaupt hier zusammensitzen“, erinnerte sie ihn spröde.

„Und warum? Klär mich auf“, forderte er schmunzelnd.

„Wegen des Hauses natürlich.“

„Ah, ja …“, murmelte Caleb gedehnt. „Das Haus. Dabei war ich eben noch versucht – offensichtlich völlig hoffnungslos –, uns eine kleine Chance zu geben, die grausame Realität wenigstens für ein paar Stunden zu vergessen. Aber du brauchst mich wirklich nicht daran zu erinnern, dass du dich im Tausch für ein Haus anbietest, das immerhin einige Millionen kostet, Honey. Oder dass ich der Trottel bin, der tatsächlich glaubt, dass du diesen Preis wert bist“, stieß er bitter hervor. An seinem Hals pulsierte eine Ader, und seine Miene ließ Maggie vermuten, er bereue bereits, zu viel gesagt zu haben.

Mit brennend roten Wangen trank sie einen großen Schluck von ihrem kühlen Getränk. Sie durfte sich wohl kaum beschweren, immerhin hatte sie ihn herausgefordert. Er hielt ihr den sprichwörtlichen Olivenzweig entgegen, und sie schlug ihn Caleb quasi aus der Hand.

Maggie trank noch einen Schluck Wasser.

Als Caleb sich über den Tisch lehnte, wich sie automatisch zurück. „Trotzdem besteht kein Grund, warum wir nicht zu einem gütlichen Einvernehmen kommen sollten.“

Vorsicht, Maggie! „Ja, du hast recht. Lass uns darauf anstoßen.“ Ihre Gläser klangen aneinander, und Maggie begegnete Calebs Blick, den sie für kalkulierend und triumphierend hielt, mit ihrem hinreißendsten Lächeln, hinter dem sie ihren Schmerz und ihre Angst verbarg.

Seltsamerweise gelang es ihnen recht gut, während des köstlichen Essens ein leichtes, teilweise sogar amüsantes Gespräch aufrechtzuerhalten. Dabei fiel Maggie erneut auf, wie viel Caleb und sie eigentlich gemeinsam hatten. Sie interessierten sich für ähnliche Themen in Literatur und Zeitgeschehen, bevorzugten die gleichen Musikrichtungen, und plötzlich landeten sie sogar bei persönlichen Belangen.

„Bist du eigentlich noch häufiger in Rio?“, wollte Maggie wissen, nachdem der Hauptgang abgeräumt war und ein starker Mokka zum Dessert serviert wurde. Obwohl sie keinen Wein getrunken hatten, fühlte sie sich herrlich entspannt.

Caleb schaute rasch auf, und es war, als husche ein Schatten über sein dunkles Gesicht. „Eher selten, obwohl meine Mutter immer noch dort lebt. Aber sie hat einen neuen Mann und ist sehr beschäftigt …“

„Du hast ihn bereits einmal erwähnt“, erinnerte sich Maggie. „Ist er nicht …“

„Im gleichen Alter wie ich?“, ergänzte er zynisch und lachte hart auf. „Ja, das ist er. Und er hat eine Menge Geld, das ermöglicht, in dem Stil zu leben, wie sie es gewohnt ist.“

Maggie bemühte sich, beim leichten Ton der letzten halben Stunde zu bleiben. „Na, immerhin musst du zugeben, dass eingefleischte Feministinnen es nur als ausgleichende Gerechtigkeit bezeichnen würden. Meist ist es ja umgekehrt – ein alter Mann an der Seite einer jungen Schönheit, die leicht seine Tochter sein könnte.“

Sekundenlang wirkte Calebs Gesicht extrem angespannt, dann lächelte er. „Du hast recht. Ihr seid euch ziemlich ähnlich. Meine Mutter ist ebenso gnadenlos direkt und unerschrocken wie du.“

Der feine Stich ins Herz nahm Maggie fast den Atem. Als Kompliment war das bestimmt nicht gemeint gewesen. „Ist … lebt dein Vater immer noch in England?“

Caleb nickte und trank einen Schluck von seinem Mokka. „Ja, er lebt in Brighton, und ich besuche ihn, wann immer ich kann.“ Seine Stimme klang jetzt völlig entspannt, ganz anders, als wenn er von seiner Mutter sprach. Maggie erinnerte sich, dass er ihr vor Monaten erzählte, wie heftig seine Eltern sich in seiner Gegenwart gestritten hatten und dass sie sich scheiden ließen, als er kaum älter als drei oder vier Jahre war. Danach wurde er jahrelang zwischen Brasilien und England hin- und hergezerrt.

„Aber du selbst lebst doch in London, oder zumindest war das so vor …“ Maggie brach verlegen ab. Vor sechs Monaten, hatte sie eigentlich sagen wollen.

Wieder nickte Caleb. „Ich besitze dort ein Apartment, genau wie in Rio, New York, Paris. Aber ich bin nie lange genug an einem Ort, um mich dort heimisch zu fühlen.“

Während er das sagte, schaute er Maggie in die Augen und las dort etwas, das er nicht einordnen konnte. Aber es erweckte eine unbestimmbare Sehnsucht in seinem Innern, sodass er am liebsten eine Hand ausgestreckt hätte, um …

Ja, um was? Um zu bekommen, wonach er sich nie zuvor gesehnt hatte?

„So etwas kann ich mir gar nicht vorstellen“, murmelte Maggie. „Die ganze Zeit über, die wir in London lebten, war Irland trotzdem unser Zuhause. Der Ort, an den wir uns zurückziehen konnten, um …“

Um vor Toms Terror zu flüchten, aber das konnte sie Caleb wohl schlecht sagen. Zum Glück war Dublin für Tom Holland nichts weiter als ein verschlafenes Nest gewesen, das ihn langweilte. Er hatte es nie besonders lange dort ausgehalten, und Maggies glücklichste Zeiten waren die Internatsferien, die sie mit ihrer Mutter verbrachte, wenn Tom mal wieder auf einer seiner ausgedehnten „Geschäftsreisen“ war – natürlich in Begleitung seiner jeweils aktuellen Geliebten.

„Und dort würdest du für immer leben wollen?“

Maggie tauchte wieder in die Gegenwart ein und schaute Caleb furchtlos in die Augen. „Das würde ich sehr gerne. Dort haben Mum und ich die letzten sechs Monate …“

„Die letzten sechs Monate?“

Calebs scharfe Stimme ließ sie zusammenzucken. Maggie errötete vor Verlegenheit und ermahnte sich, ihre Worte besser abzuwägen, um ihre Rolle nicht unabsichtlich zu gefährden. Aber was sollte so Besonderes an dieser Information sein?

„Mum wollte gerne zurück nach Hause“, erklärte sie bedächtig. „Also habe ich sie begleitet und mich ein wenig um sie gekümmert.“

Calebs dunkle Augen schienen sie zu durchbohren. „Dann hast du London also bereits vor einem halben Jahr verlassen?“

Maggie nickte.

Irgendetwas stimmte hier nicht, Caleb wusste nur nicht genau, was. Tom musste sie weggeschickt haben, aus Angst, er, Caleb, würde sich an seiner Stieftochter rächen. Der Gedanke an den perfiden Betrug der beiden ließ die alte Bitterkeit in ihm wieder hochsteigen. Erneut erfüllte ihn hilflose Wut über die unglaubliche Demütigung und noch mehr über seine eigene fatale Schwäche, die ihn immer wieder zu Maggie hinzog.

Nur mit äußerster Mühe gelang es Caleb, sich zu beherrschen. Hatten sie nicht eben erst einen Waffenstillstand geschlossen?

„Du stehst deiner Mutter sehr nahe?“

Maggie hätte fast vor Erleichterung geseufzt, weil er das leidige Londonthema endlich fallen ließ. Sie wusste nichts von dem stolzen liebevollen Ausdruck in ihren smaragdgrünen Augen, der Caleb den Atem stocken ließ. Maggie wirkte in dieser Sekunde selbst wie eine Mutter, die bereit war, alles für ihr Kind, das es zu schützen galt, hinzugeben.

Die Sonne hatte ihrer hellen Haut einen goldenen Schein verliehen, und die charmanten Sommersprossen auf Nase und Wangen reizten Caleb dazu, sie mit der Fingerspitze sanft zu berühren. Eine tizianrote Locke, die sich aus dem strengen Knoten gelöst hatte, fiel über die Schulter auf Maggies reizendes Dekolleté herab und verschwand vorwitzig im Ausschnitt des leichten Seidentops.

Caleb schluckte heftig und versuchte, seinen Blick abzuwenden, aber es wollte ihm nicht gelingen. Eifersüchtig auf eine Haarlocke zu sein! Langsam drohte er wirklich überzuschnappen!

Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her, ohne dass es ihm Erleichterung verschaffte. Heute Abend, schwor er sich … heute Abend würde es endlich so weit sein.

Kurz darauf brachen sie auf und schlenderten zum Hotel zurück, wobei Caleb Maggies Hand leicht umfasst hielt, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Und seltsamerweise erschien es Maggie genauso. Neben seiner hochgewachsenen muskulösen Gestalt fühlte sie sich richtig zierlich und sehr weiblich.

Caleb versuchte, seine langen Schritte ihren anzupassen, und als er zwischendurch auf sie hinunterschaute, lächelte Maggie zu ihm hoch. Die Sonne hinter seinem Kopf blendete sie, aber auch so war ihr klar, dass Caleb sie gleich küssen würde. Und dass es nichts gab, was ihn davon abhalten konnte.

Maggie selbst bestimmt nicht …

Denn wenn sie es versuchte, würde er mit Recht wieder misstrauisch werden. Ihre gegenseitige Anziehung war ein Fakt, den man nicht leugnen konnte, und deshalb konnte er ihre Angst und Skrupel natürlich nicht nachvollziehen. Nicht bei einer Frau, von der er annahm, dass sie über reichlich Erfahrung verfügte, was die erotische Komponente zwischen den Geschlechtern betraf. Für ihn war es nicht mehr als ein sexuelles Intermezzo, und von ihr nahm er natürlich das Gleiche an.

Mit einem Arm zog Caleb sie an sich, die andere Hand legte er in ihren Nacken, und dann senkte er seinen Mund auf ihren.

Bereits in der nächsten Sekunde hatte Maggie das Gefühl, in Flammen zu stehen und erwiderte seinen Kuss mit einer Wildheit und Hingabe, die sie beide überraschte. Sie konnte einfach nicht anders. Wie weggeblasen waren alle guten Vorsätze und kalkulierten Überlegungen.

Caleb zu küssen und ihm nahe zu sein erschien ihr plötzlich ebenso natürlich und unverzichtbar wie das Atemholen. Vielleicht lag es ja auch an dieser zauberhaften unwirklichen Umgebung, an dem Gefühl, in einer anderen, einer Parallelwelt zu sein, wo es weder grausame Stiefväter noch unglückliche Mütter und schon gar keine zynischen rachsüchtigen Männer gab.

Mit einem unterdrückten Stöhnen zog Caleb Maggie noch fester in seine Arme. Und während er sich voller Hingabe der Süße ihrer weichen Lippen widmete, strich sie verlangend über die festen Muskeln, die sich unter seinem dünnen Hemd abzeichneten, und sehnte sich danach, seine nackte Haut auf ihrer zu spüren.

Als er ihre Lippen freigab, öffnete sie enttäuscht die Augen und blinzelte verwirrt. Lächelnd drückte er noch einen letzten Kuss auf ihren Schmollmund und trat einen Schritt zurück.

„Da meine Zeit sehr knapp ist, nehme ich meinen Smoking gleich mit, ziehe mich im Büro um und treffe dich später direkt in der Hotelbar. Wir sind zu einer Gala eingeladen.“

Damit drehte er Maggie sanft in Richtung Hoteleingang, doch bevor er ihr auch noch einen aufmunternden Schubs geben konnte, warf sie stolz den Kopf in den Nacken und verschwand durch die Glastür, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

5. KAPITEL

Caleb verzichtete auf einen Wagen und legte die kurze Strecke zu seinem Meeting zu Fuß zurück. Er schaute weder nach rechts noch links, während sich seine Gedanken überschlugen.

Dieser Kuss … und Maggies hingebungsvolles Entgegenkommen machten es ihm unmöglich, sich auf so etwas Profanes wie einen Geschäftstermin zu konzentrieren. Seine Schritte wurden immer länger, so als könne er nicht schnell genug Abstand gewinnen.

Es hatte andere Geliebte gegeben … eine Menge sogar, aber nie Probleme. Was war das nur mit Maggie?

Unwillkürlich kam ihm die Szene vor einigen Wochen in London in den Sinn, als er plötzlich einen zierlichen Rotschopf vor sich bemerkt hatte. Sein Herz war aus dem Takt geraten, während er sein Tempo hatte beschleunigen müssen, um sie einzuholen. Und als es so weit gewesen war, hatte ihm die Enttäuschung, dass die Fremde sonst nichts mit Maggie gemein hatte, fast den Atem genommen. Geblieben waren nur ein ungestilltes Verlangen und die Frustration, dass es ihm einfach nicht gelang, Maggie Holland zu vergessen.

War es wirklich nur der Wunsch nach Rache und Revanche, was ihn erneut in ihre Arme trieb? Oder sein angeschlagenes männliches Ego, das nicht ertragen konnte, zurückgewiesen zu werden? Ziemlich unglaubwürdig, musste sich Caleb selbst eingestehen.

Denn wie sollte er sich dann erklären, dass er nach nur wenigen Stunden in der Gesellschaft einer Frau, die auch noch vorgab, ihn nicht ausstehen zu können, zum ersten Mal im Leben das Bedürfnis hatte, seine Arbeit zu vernachlässigen?

Weil es um Lust ging. Um ganz primitive sexuelle Begierde. Obwohl …

Nichts, obwohl!

Caleb hasste die Vorstellung, dass er sehr leicht in die Gefahr geraten könnte, nach Maggies Pfeife zu tanzen … obwohl …

Während Maggie an diesem Abend vor dem Apartment auf den Lift wartete, überprüfte sie schnell in den verspiegelten Türen kritisch ihre Aufmachung und hätte sich selbst fast nicht wiedererkannt. Seit sie denken konnte, hatte sie sich gegen Toms ständige Forderungen gewehrt, sich mehr „herauszuputzen“, wie er es nannte, und so konnte sie in dieser Hinsicht mit wenig Erfahrung aufwarten.

Und ausgerechnet jetzt überfiel sie ein unerklärliches Verlangen danach, attraktiv und begehrenswert zu wirken. Kokett schüttelte sie ihre glänzende Lockenmähne und mahnte sich, nicht albern zu sein. Immerhin war sie kein Schulmädchen, das auf dem Weg zu seinem ersten Date war.

Obwohl es sich fast ein wenig so anfühlte …

Als ein leises Geräusch die Ankunft des Liftes ankündigte, fühlte Maggie, wie sich ihr Magen zusammenzog. Wenig später betrat sie die Hotelbar.

Caleb lehnte bereits mit einem Whiskeyglas in der Hand am eleganten Bartresen. Ihm war bewusst, dass er die Aufmerksamkeit aller anwesenden Frauen auf sich zog, doch das war ihm egal. Der einzige Blick, in dem er sich hätte verlieren können, war ein trügerisch aufrichtiger aus smaragdgrünen Augen …

Doch dieses Mal war er gegen die bevorstehende Begegnung mit Maggie gewappnet. Er hatte sorgfältig sämtliche Barrieren und Schutzzäune aufgebaut, die ihm zur Verfügung standen. Den ganzen Nachmittag über hatte sie seine Gedanken beherrscht, sodass er sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren konnte. An einem Punkt war er kurz davor gewesen, einer Fusion zuzustimmen, die ihn Millionen gekostet hätte, und war erst im letzten Moment wieder zur Besinnung gekommen …

In eine ähnliche Situation hatte Maggie ihn schon einmal gebracht, wie Caleb sich grimmig erinnerte. Und nach einem Anruf seines Sekretärs aus Dublin wusste er jetzt auch, dass sie hinter viel mehr her war, als nur dem Haus ihrer armen, angeblich unschuldigen Mutter …

Als das ohnehin gedämpfte Gemurmel um ihn herum plötzlich ganz zu verebben schien, schaute Caleb von seinem Whiskey auf und erstarrte. Sein Atem stockte.

Maggie stand in der Tür zur Bar und schaute sich suchend um. Sie sah einfach umwerfend aus in dem jadegrünen Kleid, dessen fließender Faltenwurf in einen tiefen V-Ausschnitt mündete, unter ihren atemberaubenden Brüsten im Empirestil gehalten wurde und von dort aus wie ein seidener Wasserfall ihre weiblichen Kurven umspielte. Das leuchtende Haar wurde auf einer Seite mit einer goldenen Spange gehalten und fiel in weichen Locken über die andere Schulter herab.

In ihrer natürlichen Schönheit überstrahlte sie alle Frauen im Raum. Wie eine kostbare Perle vor dem Hintergrund dunkler Korallen.

Sobald sie ihn erspähte, und er sah, wie sich ihre Wangen röteten, verkrampfte sich seine Hand um das Whiskeyglas. Während Maggie mit wiegenden Hüften auf ihn zukam, überfiel ihn sekundenlang der unsinnige Gedanke zu fliehen. Als befinde er sich auf Kollisionskurs mit etwas Gefährlichem, Unbekanntem.

Doch dann stand sie vor ihm, schaute Caleb offen in die Augen und duftete so verführerisch frisch und rein, dass seine Barrieren bedenklich ins Wanken gerieten.

„Wenn du dann so weit bist, lass uns gehen“, sagte er heiser.

Maggie versuchte, hinter seiner verschlossenen Miene zu erkennen, was Caleb dachte, doch es wollte ihr nicht gelingen. Besitzergreifend umfasste er ihre Hand und geleitete sie aus der Hotelbar. Sie war enttäuscht, dass er nicht einmal zu bemerken schien, wie sehr sich ihr Outfit heute von dem schrecklichen Kleid unterschied, das sie damals trug, an jenem fatalen Abend.

Vor dem Hotel wartete eine elegante Limousine auf sie. Caleb öffnete die hintere Wagentür für Maggie und half ihr beim Einsteigen, bevor er um das Luxusgefährt herumging und sich neben sie setzte. Erst jetzt hatte sie die Gelegenheit, ihren Begleiter mit einem versteckten Seitenblick zu mustern und stellte fest, dass Caleb Cameron mit dem streng zurückgekämmten Haar und im dunklen Smoking noch attraktiver und eindrucksvoller als sonst wirkte.

Aber er wirkte nicht besonders glücklich. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie nach kurzem Zögern.

Er warf ihr einen brütenden Blick zu.

„Du … du siehst ziemlich angespannt aus. Ist es die Arbeit?“

„Was soll das? Spielst du jetzt die besorgte verständnisvolle Maggie? Willst du mich einlullen und in falscher Sicherheit wiegen?“, kam es aggressiv zurück.

„Wovon redest du überhaupt?“

Caleb wusste genau, dass er überreagierte, konnte sich aber nicht mehr bremsen. Er wollte Maggie unbedingt wieder auf Sicherheitsabstand bringen. „Du musst genau gewusst haben, dass ich kurz davor war, deinen Stiefvater in die Knie zu zwingen“, stieß er unbeherrscht hervor. „Tom Holland wusste es auf jeden Fall. Ich habe dir nicht eine Sekunde vertraut und weiß genau, dass du noch hinter etwas ganz anderem her bist, als nur das Haus zu retten.“

Maggie starrte fassungslos in Calebs finsteres Gesicht und versuchte zu begreifen, wovon er überhaupt sprach. Tapfer versuchte sie die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Oh nein, sie würde nicht vor ihm weinen, ganz egal, wessen er sie beschuldigte!

„Was wirfst du mir eigentlich vor?“, fragte sie rau.

„Wenn du glaubst, als meine Geliebte deinem Ziel näher zu kommen, dann hast du dich getäuscht, Honey“, fuhr er jetzt im Konversationston fort, legte seinen Arm um Maggie und zog sie dicht an sich heran. Als ihr sein herbwürziges Rasierwasser in die Nase stieg, schloss sie die Augen und versuchte, sich gegen das Gefühl der Schwäche zu wehren, das sie plötzlich überfiel.

„Du hältst dich wohl für sehr gerissen, nicht wahr, Maggie?“, murmelte er in ihr Haar. „Nur so wenig Geld für deine Garderobe auszugeben und dann noch sicherzugehen, dass ich auch ja dieses schäbige kleine Auto sehe … als würdest du normalerweise nicht in einem Nobelschlitten unterwegs sein …“

Maggie riss die Augen auf und setzte sich mit einem Ruck aufrecht hin. „Was?“

Hatte Caleb den Verstand verloren?

„Alles inszeniert, in dem Bestreben, mir zu suggerieren, dass ich dich vielleicht doch falsch beurteile …“

„Das ist verrückt!“, erklärte Maggie aus vollem Herzen. Sie war wütend, und sie fühlte sich verletzt. Dabei hatte sie sogar noch ein schlechtes Gewissen gehabt, so viel Geld in der Boutique ausgegeben zu haben. Welche Dimensionen war Caleb denn sonst gewohnt? „Vielleicht bin ich ja tatsächlich anders als die Frauen, mit denen du sonst zu tun hast.“

„Anders? Das glaube ich nicht. Um zu bekommen, worauf sie es abgesehen haben, verfolgen sie ihre Ziele ebenso unverblümt wie du, Maggie. Oh nein, ich weiß sehr gut, wie hinterhältig und verschlagen du bist.“

Unter Calebs brutalen Worten zuckte Maggie innerlich zusammen wie unter einem Peitschenhieb, tat aber ihr Bestes, ihn das nicht sehen zu lassen. „Vielleicht bist du aber auch einfach nur zu zynisch“, gab sie nun ruhig zurück.

Er lächelte grimmig. „Dazu habe ich auch allen Grund. Meine Mutter hat mich rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass alle Frauen die Annehmlichkeiten zu schätzen wissen, die ihnen als Spielzeug eines reichen Mannes zukommen, und ich habe noch keine gefunden, die mich vom Gegenteil überzeugt hätte. Hat deine Mutter vielleicht das Erbe von Tom Holland angetreten, indem sie mir dich erneut als Köder vorwirft, um mich zu manipulieren und ihr Ziel zu erreichen? Wollte sie mir deshalb beim Termin in ihrem Haus nicht gegenübertreten? Kein schlechter Plan, Murphy zu instruieren, mir vorzumachen, dass es ihr zu schlecht gehe, um mich zu sehen.“

Bei der Erwähnung ihrer Mutter versteifte sich Maggie sichtlich, und als Caleb nun endlich fertig war, hielt sie ihre Hände zu Fäusten geballt. „Wage es bloß nicht noch einmal, mir gegenüber so von meiner Mutter zu reden. Dies ist wirklich eine Sache, die nur uns beide angeht. Halte sie da raus.“

Sie war aufrichtig wütend, daran bestand kein Zweifel. Sekundenlang sah Caleb neben kaum verhohlenem Zorn auch Schmerz in ihren schönen Augen aufblitzen, doch dann war der Moment vorbei und ihre Miene wieder verschlossen.

Maggie riss sich mit aller Kraft zusammen und war in erster Linie wütend auf sich selbst. Warum ließ sie sich immer wieder von Caleb provozieren? Sie kannte doch seine Einstellung zu ihr. Aber als er so abfällig über ihre Mutter gesprochen hatte …

Trotzdem, ich muss aufpassen, dass ich mich nicht verrate, und vor allem nicht sie. Camilla hatte genug gelitten, und sie, Maggie, hatte ihr versprochen, ihr Geheimnis zu bewahren.

Also zauberte sie ein leichtes Lächeln auf die Lippen und warf Caleb einen mutwilligen Seitenblick zu. „Was die Kleider betrifft – ich habe zunächst nur gekauft, was ich für den Moment als dein Spielzeug, wie du es so schön nennst, brauchte. Immerhin sind wir jetzt in Monte Carlo, wo es noch viel mondänere Boutiquen gibt, aber wenn du meiner bereits überdrüssig bist …“

Weiter kam sie nicht, weil Caleb ihr den Mund mit einem wilden Kuss verschloss. Und sosehr Maggies Stolz und Selbstachtung sich dagegen wehrten, einfach überfallen zu werden, schmolz sie in seinen Armen dahin wie ein verliebtes Schulmädchen.

Dass der Wagen irgendwann zum Stehen kam, wäre fast von ihr unbemerkt geblieben, wenn Caleb sich nicht abrupt von ihr zurückgezogen hätte. Seine dunklen Augen glitzerten in der Dämmerung, während sie beide schwer atmend darauf warteten, dass ihnen der Chauffeur die Tür öffnete.

„Vergiss nie, dass dies alles ist, was du für mich bist, Maggie“, sagte Caleb heiser. „Mein Spielzeug.“

Die Hitze im Ballsaal war erdrückend, trotz der offenen Terrassentüren und einer leichten Abendbrise. Maggies Wangen brannten, und ihre Füße in den High Heels schmerzten unerträglich. Unauffällig verlagerte sie ihr Gewicht ständig von einem Fuß auf den anderen, um die Pein zu lindern.

Caleb warf ihr einen scharfen Blick zu, dem sie aber geflissentlich auswich.

„Was ist los mit dir?“

„Nichts.“

Seit ihrer Ankunft hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Maggie fühlte sich immer noch verletzt und gekränkt von Calebs Misstrauen und seinen ungerechten Anschuldigungen. Doch offenbar war ihm ihre Einsilbigkeit nicht einmal aufgefallen. Seit Stunden quälte sich Maggie mit nichtigem Small Talk in einem Kreis von Fremden, mit denen sie ganz sicher nichts gemein hatte, während sich ihr Begleiter charmant und routiniert einem nicht enden wollenden Strom an weiblichen Verehrerinnen und männlichen Speichelleckern widmete.

Dagegen erntete Maggie zahlreiche kalkulierende und missgünstige Blicke von den anwesenden Damen im Ballsaal. Als sich eine Gruppe von Gästen vorwärtsbewegte, wurde Maggie von Caleb getrennt und fand sich plötzlich in einem Kreis von drei, vier Frauen wieder, die sie nie zuvor gesehen hatte. Sie musterten sie von Kopf bis Fuß wie ein seltenes Insekt. Maggie bemühte sich tapfer, angesichts ihres unhöflichen Anstarrens nicht so verschüchtert dreinzuschauen, wie sie sich fühlte.

„Vous êtes ici avec Monsieur Cameron?“, fragte eine von ihnen.

Ohne darüber nachzudenken, wechselte Maggie automatisch in ihr fast vergessenes Schulfranzösisch. „Oui, mais …

„Ah, bon. Mais juste pour ce soir, n’est ce pas?“

Maggie versuchte, für sich zu übersetzen, was die Frau gefragt hatte. Ob sie nur für diesen Abend in Calebs Begleitung war? Wie ein … Callgirl? Heiße Röte stieg in ihre Wangen, während sie die neugierigen geschminkten Gesichter, die lackierten Frisuren und den betäubenden Geruch schwerer Parfüms in sich aufnahm.

„Verzeihung … entschuldigen Sie bitte …“, murmelte Maggie und hielt nach einem Fluchtweg Ausschau … vergeblich.

Caleb reckte den Kopf, konnte Maggie aber nicht entdecken. Wo mochte sie nur sein? Vor wenigen Minuten war sie noch an seiner Seite, doch während er mit einem französischen Investor sprach, hatte er sie plötzlich aus den Augen verloren. Das nagende Schuldgefühl, das ihn überfiel, wenn er an sein rüdes Verhalten ihr gegenüber dachte, verdrängte Caleb gleich wieder.

Dann sah er sie, umrundet von Monte Carlos schlimmsten Society-Matronen, die er nur zu gut kannte. Jede von ihnen hatte mindestens eine Tochter im heiratsfähigen Alter, die sie mit allen Mitteln an den Mann zu bringen versuchten – im wahrsten Sinne des Wortes.

Sein Mund verhärtete sich, als er Maggies verängstigten Gesichtsausdruck sah. Ohne nachzudenken, bahnte er sich rücksichtslos einen Weg durch die Menschenmenge, trat an Maggies Seite und umfasste ihren Arm. Sie schaute zu ihm hoch, und das erleichterte Lächeln, das sie ihm schenkte, ließ sein Herz urplötzlich im Hals schlagen. Doch in der nächsten Sekunde war es bereits verschwunden, und er konnte in ihren Augen wieder Widerstreben und einen Vorwurf lesen.

Caleb bedachte die konsternierten Damen mit einem kurzen Nicken und zog Maggie einfach mit sich. „Bist du okay?“

Maggie hob den Kopf, in ihren Augen funkelten zornige Tränen. „Nein, und das verdanke ich allein dir. Diese Frauen waren einfach … unglaublich.“ Abwehrend schüttelte sie den Kopf. „Du hättest mich warnen müssen, dass ich eine kugelsichere Weste für dieses … Event brauche.“

Nur mit Mühe gelang es Caleb, ein amüsiertes Lächeln zu unterdrücken. Insgeheim bezweifelte er, dass die Society-Ladys eine echte Sparringsrunde mit der wütenden Schönheit an seiner Seite überlebt hätten, aber leider hatten sie Maggie außerhalb ihrer Deckung erwischt. Und er konnte sich lebhaft vorstellen, was sie ihr süffisant unter die Nase gerieben hatten.

Wieder einmal überraschte es ihn, wie wenig souverän Maggie mit derartigen Situationen umging. Doch momentan blieb ihm weder die nötige Zeit noch hatte er die geringste Lust, den Gedanken zu vertiefen. Lust empfand er auf einer ganz anderen Ebene, und insgeheim suchte er fieberhaft nach einem Vorwand, von hier zu verschwinden, um endlich …

„Oh, Cameron, da sind Sie ja …“

Pech gehabt! Caleb hakte Maggie unter, zog sie fest an seine Seite und schenkte einem weiteren langweiligen Geschäftspartner seine lächelnde Aufmerksamkeit, während Maggie ihm einen gereizten Seitenblick zuwarf.

Ohne Zweifel war Caleb Cameron der interessanteste und attraktivste Mann im Raum. Nicht nur, dass er die meisten seiner Geschlechtsgenossen physisch überragte, er ließ sie auch sonst ziemlich blass aussehen. Mit anscheinend stoischer Gelassenheit ertrug Maggie seinen unverständlichen und nervtötenden Small Talk mit wichtigen und unwichtigen Ballbesuchern, ohne sich daran zu beteiligen.

„Lass uns von hier verschwinden“, raunte Caleb irgendwann in ihr Ohr. Maggie fröstelte unwillkürlich und nickte nur stumm. Jetzt war es so weit. Ihr wurde kein weiterer Aufschub gewährt. Heute Nacht musste sie bezahlen. Er würde ihren Körper nehmen, und, wie sie befürchtete, ihre Seele. Und sie konnte es nicht verhindern …

Wie betäubt folgte Maggie ihm durch die wogende Menschenmenge, blieb hin und wieder stehen, um ein paar unverständliche Abschiedsfloskeln zu murmeln, während ihr ganz andere Worte im Kopf herumgingen. Nämlich jene Drohungen, die ihr Stiefvater vor sechs Monaten ausgestoßen hatte.

Wage es, dich mir zu widersetzen, und ich werde dafür sorgen, dass deine Mutter die nächste Zeit im Krankenhaus verbringt …

Es drängte sie, Caleb zu erzählen, wie sie sich den Kopf nach einer Lösung zermartert hatte. Doch es wäre vergeblich gewesen, da selbst die Polizei auf Tom Hollands Seite war … Dass er den Cops seit Jahren Bestechungsgelder zukommen ließ, damit sie ein Auge zudrückten, wusste Maggie damals noch nicht. Oh ja, ihr Stiefvater kannte alle Tricks.

Maggie selbst rührte er nie an, außer, wenn sie sich zwischen ihn und ihre Mutter warf. Und die Blessuren, die er Camilla zufügte, waren so bedacht gesetzt, dass sie der Öffentlichkeit verborgen blieben. Camilla selbst war viel zu stolz gewesen, um ihren Mann anzuzeigen, und Tom wusste genau, auf welchen Knopf er bei seiner Stieftochter drücken musste, um sie davon abzuhalten, seine Gräueltaten öffentlich bekannt werden zu lassen.

Oder hätte sie Caleb vielleicht erzählen sollen, wie aufgeregt sie vor ihrem ersten Date gewesen war? Bis Tom sie in der Stadt abpasste, als Maggie sich für den Anlass ein neues Kleid kaufen wollte, und er sie in diesen scheußlichen Fummel zwang? Oder dass sein übler Plan sie so mit Schuld und Scham erfüllte, dass sie sich Caleb im letzten Augenblick verweigerte?

Schon damals war der Drang, ihm reinen Wein einzuschenken, fast unwiderstehlich gewesen, aber was wäre dann aus ihrer Mutter geworden?

Plötzlich war Maggie nicht mehr in Monte Carlo, in einer Luxuslimousine, auf dem Weg zu ihrem Hotel, sondern in einem ganz einfachen anderen Hotelzimmer in London …

Sie sah sich selbst halb nackt auf dem Bett liegen, die Decke bis ans Kinn hochgezogen, während Caleb vor ihr stand und sich ohne das geringste Zeichen von Scham oder Verlegenheit wieder ankleidete.

Und das, nachdem er sie mit seinen erfahrenen Händen fast dazu gebracht hatte, zu vergessen, warum sie eigentlich hergekommen war. Doch in der Sekunde, als Maggie sich einfach nur noch fallen lassen und ganz und gar dem magischen Augenblick hingeben wollte, schob sich Tom Hollands Fratze vor Calebs attraktive Züge, und sie gefror wieder zu Eis. Und damit war alles zu Ende gewesen …

Caleb hatte sie nur kurz mit einem zynischen Blick gemustert, hart aufgelacht und sich augenblicklich zurückgezogen. „Maggie, du bist eine kleine Idiotin. Glaubst du wirklich, ich wüsste nicht, was in deinem hübschen Köpfchen vor sich geht?“

Noch jetzt fühlte sie den kalten Schauer, der ihr bei diesen Worten über den Rücken lief.

„Ich habe mitangehört, was dein Stiefvater seinen … Vertrauten gesagt hat: Meine Stieftochter wird alles tun, was ich sage, weil sie scharf auf Cameron ist. Du siehst also, Maggie, ich weiß bereits seit Tagen von eurem perfiden Plan. Und was deinen Aufzug betrifft … selbst bei professionellen Freudenmädchen habe ich schon Outfits mit sehr viel mehr Klasse gesehen.“

Bei jedem Wort war Maggie ein Stückchen weiter unter die Bettdecke gerutscht, als wolle sie sich vor vernichtenden Peitschenhieben schützen.

„Aber ich wollte … ich wusste nicht …“

„Lass, Maggie, erspar es mir und dir. Ich habe den Beweis …“ Damit reichte er ihr einen Umschlag mit Fotos. Sie zeigten Tom und sie beim Betreten und Verlassen einer Boutique in der Oxford Street. Und aus dem Blickwinkel des Fotografen konnte man tatsächlich annehmen, Maggie sei seine willige Komplizin.

Mit schwimmenden Augen schaute sie zu Caleb auf. „Aber wenn du das wirklich glaubst, warum hast du dann …?“

Caleb war inzwischen wieder fertig angezogen und trat ganz dicht ans Bett heran. „Weil ich dich begehrt habe, Maggie“, sagte er ausdruckslos. „Ich wollte dich, und ich wusste, ich konnte dich haben. Lieber Himmel!“ Er setzte sich auf die Kante und umfasste ihre kalten Finger. „Wir beide wissen, dass ich dich immer noch haben könnte …“, murmelte er rau und ließ ihre Hände abrupt auf die Bettdecke zurückfallen.

„Aber jetzt will ich es nicht mehr, sondern hoffe inständig, dich nie wiedersehen zu müssen.“ Damit war er aus ihrem Leben verschwunden …

Als die Limousine jetzt vor ihrem Hotel anhielt, blieb Maggie wie erstarrt sitzen und blickte abwesend aus dem Seitenfenster. Caleb musterte besorgt ihr blasses Gesicht und sprach sie mit ihrem Namen an, doch Maggie reagierte nicht. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Maggies Hände waren eiskalt, auf der Stirn standen Schweißtropfen. Kurz entschlossen hob Caleb sie aus dem Wagen auf seine Arme und trug sie den ganzen Weg hinauf, bis in die Suite. Dort setzte er sie behutsam auf dem Sofa ab, ging zur eingebauten Bar hinüber, schenkte einen Brandy ein und hielt ihr das Glas an den Mund.

Kurz darauf konstatierte er zufrieden die belebende Wirkung, die der Alkohol auf sie hatte. Ihre Wangen färbten sich langsam wieder, und die Augen verloren ihren leeren Blick. Das ungewohnt scharfe Getränk brachte sie allerdings zum Husten, und plötzlich begann Maggie, am ganzen Körper haltlos zu zittern.

Sofort zog Caleb sie fest in seine Arme und wartete geduldig, bis das Beben nachließ. Er fühlte ihr Widerstreben und lockerte seinen Griff. Maggie schaute ihn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal im Leben.

„Was … was ist passiert?“, stammelte sie und wunderte sich über den besorgten Ausdruck auf Calebs Gesicht. Als er seine Hand ausstreckte, um eine feuchte Locke aus ihrer Stirn zu streichen, musste sie sich beherrschen, nicht zurückzuweichen.

„Ich glaube, du bist ohnmächtig geworden … ohne wirklich das Bewusstsein zu verlieren“, erklärte er vage. „Ich habe so etwas schon einmal erlebt. Es ist eine Art Schockzustand.“

Maggie erinnerte sich nur noch schwach daran, dass sie den Ballsaal verlassen hatten, danach war alles ein schwarzes Loch. „Ich weiß gar nicht, warum … Es tut mir leid …“

„Das muss es nicht“, unterbrach er sie fast grob. „Warum siehst du nicht zu, dass du ins Bett kommst. Ich denke, du brauchst dringend Schlaf.“

Maggie nickte stumm und ging ins Badezimmer. Sie fühlte sich so ausgelaugt, als habe sie gerade einen Marathon überstanden.

Caleb trat auf den Balkon hinaus, lehnte sich an die Brüstung und atmete tief die kühle frische Abendluft ein. Dann schüttelte er fassungslos den Kopf. Wie konnte sie nur derart um einen Mann wie Tom Holland trauern. Gut, er war ihr Stiefvater gewesen, aber vielleicht trauerte Maggie ja auch eher um die verlorenen Millionen. Dieser Gedanke lag schwer wie ein großer Felsbrocken auf seiner Brust.

Seufzend kehrte er in die Suite zurück und betrachtete Maggie, die wie ein ängstliches Tier zusammengerollt unter der Bettdecke lag und fest schlief.

6. KAPITEL

Als Maggie am nächsten Morgen erwachte, quälten sie unsagbare Kopfschmerzen. Sie war allein im Bett. Auf dem Kopfkissen neben ihr lag ein Zettel.

Ich musste zu einer Geschäftsbesprechung, werde dir aber um zwölf Uhr dreißig beim Mittag auf der Terrasse Gesellschaft leisten. Caleb.

Maggie warf einen Blick zum Wecker auf dem Nachttisch. Es war bereits kurz nach zehn. Seufzend ließ sie sich in die Kissen zurücksinken und versuchte, sich die Ereignisse des gestrigen Abends ins Gedächtnis zurückzurufen, die zu ihrem seltsamen Zusammenbruch geführt hatten.

Der heiße überfüllte Ballsaal, die Erinnerungen an die schreckliche Zeit vor sechs Monaten …

Schon viel zu lange trug sie die Last allein auf ihren Schultern. Nicht einmal ihrer Mutter wagte sie anzuvertrauen, was sich damals in London ereignet hatte. Camilla wusste weder von Toms üblen Intrigen noch warum Maggie und sie so plötzlich nach Dublin geflohen waren. Sie war einfach glücklich gewesen, in ihr geliebtes Heim zurückkehren zu dürfen und fragte nicht nach dem Warum.

So ahnte sie natürlich auch nichts von Maggies Alternativplänen, sich irgendwo zu verstecken, sollte Tom ihnen in seiner Wut auf dem Fuß folgen. Der Gedanke, dass es eigentlich Caleb gewesen war, der sie unwissentlich vor Toms Rache schützte, da er ihren Stiefvater mit seiner eigenen Vernichtungsaktion in Atem hielt, entlockte Maggie ein bitteres Lächeln.

Und Caleb war es auch gewesen, der gestern diesen Aufruhr der Gefühle in ihr verursacht hatte, der zu dem emotionalen Ausbruch führte. Dabei hatte sich Maggie bisher nie für besonders empfindsam gehalten.

Kopfschüttelnd stand sie auf, schlenderte auf die Terrasse hinaus und hielt ihr Gesicht der Morgensonne entgegen. Dabei erinnerte sie sich daran, wie besorgt Caleb über ihren Zustand gewesen war, und wie fürsorglich er sich um sie gekümmert hatte. Erneut durchströmte Maggie das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das sie in seinen Armen empfunden hatte.

Wie sehr hatte sie sich in jenem Moment gewünscht, es wäre real. Caleb würde sich wirklich um sie sorgen, weil … er sie liebte.

Lieber Himmel! Lernte sie denn nichts dazu? Eine freundliche Geste von seiner Seite, und sie stand schon wieder in Gefahr, ihrem heimlichen Wunschtraum zu erliegen. Caleb liebte sie nicht! Und sie liebte ihn ebenso wenig.

Aber du hast es einmal geglaubt, meldete sich die hartnäckige kleine Stimme in ihrem Hinterkopf.

Unwillig kehrte Maggie in die Suite zurück, ging ins Bad und nahm eine lange erfrischende Dusche.

Gegen halb eins fühlte sie sich schon wieder ziemlich normal. Gerade eben hatte der Zimmerkellner den Tisch auf der Terrasse eingedeckt. Ein Anblick, bei dem Maggie das Wasser im Mund zusammenlief. Neben frischen Meeresfrüchten erwartete sie ein knackiger bunter Salat, duftendes kross gebackenes Brot und eine Flasche Champagner auf Eis.

Ein wahrhaft fürstliches Mahl, dachte Maggie und zuckte zusammen, als sie hörte, wie sich die Tür zur Suite öffnete und wieder schloss. Unversehens klopfte ihr Herz bis zum Hals. Sie sah, wie Caleb durch die hohen Glastüren nach draußen trat, und sie musste sich zusammennehmen, um nicht auf ihn zuzulaufen.

„Nun, wie fühlst du dich heute?“, fragte er kühl.

„Schon viel besser. Und was gestern Abend betrifft … tut mir leid, aber so etwas ist mir noch nie zuvor passiert.“

„Schon gut“, wehrte er mit einer knappen Handbewegung ab.

„Okay …“

Offenbar wollte er nicht darüber reden. Vielleicht war Caleb ja wütend, dass sie wieder nicht miteinander geschlafen hatten. Oder glaubte er womöglich, sie hätte ihm etwas vorgespielt, um …?

„Du … du denkst doch nicht, ich hätte extra …“ Maggie brach ab und fühlte heiße Röte in ihr Gesicht steigen. Was, wenn es tatsächlich eine Art Abwehrreaktion ihres Körpers auf die bevorstehende Nacht …

„Nein, natürlich nicht.“

„Gut.“

Wie bei einer offiziellen Essenseinladung nahmen sie etwas steif am gedeckten Tisch Platz. Die einzigen Geräusche, die zu ihnen hinaufdrangen, waren das gedämpfte Motorengeräusch weniger Autos, die vorbeifuhren und unverständliche Rufe, was ihre kleine Terrasse zu einem unglaublich intimen Ort machte, der dem normalen Leben entrückt schien.

Caleb öffnete routiniert die Champagnerflasche und füllte Maggies Glas, ehe er sich selbst einschenkte. Sie murmelte einen Dank und versuchte, sich so cool zu geben, als sei diese Situation für sie absolut alltäglich.

„Was steht für heute noch auf dem Plan?“, fragte sie nüchtern. „Eine weiteres Dinner?“

„Ich befürchte, ja. Aber du musst mich nicht begleiten, wenn du dich nicht danach fühlst.“

Calebs unerwartete Rücksichtnahme berührte Maggie und ließ den Eispanzer, den sie um ihr Herz errichtet hatte, bröckeln.

„Nein, nein, mir geht es wieder gut“, versicherte sie rasch und lächelte schelmisch. „Ich kann es kaum erwarten, weitere neugierige Ladys abzuwimmeln, Leuten zuzuhören, die über die Royal Family sprechen, als seien sie intimste Freunde, oder zu versuchen, das Finanzkauderwelsch zu entschlüsseln, mit dem dich deine Geschäftsfreunde bombardieren.“

Ihr ironisches kleines Statement ließ Caleb überrascht aufhorchen. Es enthielt so viel Wahrheit und versteckte Sympathie, dass ihm fast der Atem stockte. Da war sie wieder, jene Maggie, die ihn von der ersten Sekunde an fasziniert und angezogen hatte.

Er lachte leise. „Tut mir leid, aber ich weiß genau, wie langweilig so ein Abend sein kann.“ Das amüsierte Lächeln ließ ihn um Jahre jünger erscheinen und brachte Maggies Herz endgültig zum Schmelzen. „Und was die Ladys betrifft, die dich gestern geärgert haben, die kannst du getrost vergessen. Sie sind wirklich die Schlimmsten ihrer Sorte und sehen in mir ausschließlich potenzielles Heiratsmaterial für ihre Töchter.“

Erstaunt stellte Maggie fest, dass er sie zum ersten Mal nicht auch in diese Kategorie einzureihen schien. „Willst du denn nicht irgendwann heiraten?“, entfuhr es ihr unwillkürlich.

Calebs Gesicht gefror zur gewohnt undurchdringlichen Maske, nur auf seiner Wange zuckte sichtbar ein Muskel. „Nach dem, was ich gesehen und erlebt habe? Kaum.

Wenn überhaupt, dann als reine Vernunftentscheidung, um eigene Kinder zu haben.“ Maggie schluckte. Angesichts ihrer eigenen Erfahrungen mit der Welt, in der Caleb sich bewegte, konnte sie ihn sogar verstehen. Aber der Anklang von Melancholie in seinen barschen Worten machte sie neugierig. Zu gern hätte sie mehr über die Hintergründe von Calebs zynischer Einstellung erfahren, aber sie wagte es nicht, ihn diesbezüglich zu befragen.

Stattdessen begann Maggie über dieses und jenes zu plaudern, wobei sie peinlich darauf achtete, Persönliches außen vor zu lassen. In der lässigen schwarzen Leinenhose zum ärmellosen weißen Seidentop wirkte sie bezaubernd frisch, ihr Gesichtsausdruck war entspannt, die lebhaften Gesten, mit denen sie ihre Worte unterstrich, locker und graziös.

Caleb war so fasziniert, dass er seinen Blick nicht abwenden konnte. Zwei Nächte hatte er mit dieser bezaubernden faszinierenden Frau in einem Bett verbracht, ohne mit ihr geschlafen zu haben. Das war für ihn ein absolutes Novum.

Aber länger konnte und wollte er nicht mehr warten. In der letzten Nacht hatten Sehnsucht und Verlangen ihn kaum schlafen lassen, und zweimal hatte er sogar eine kalte Dusche nehmen müssen.

„… und das ist wirklich passiert …“

Maggie brach abrupt ab, als ihr bewusst wurde, dass Caleb ihr gar nicht zuhörte. Langweilte sie ihn etwa?

„Tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Ich war mit meinen Gedanken gerade meilenweit entfernt.“

Maggie lächelte. „Schon gut.“

Autor

Abby Green
<p>Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...
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