Nachts ist er nicht mein Boss

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Einmal mit einem Fremden Sex haben … Das hat sich Essie Newbold fest vorgenommen, und als sie einen attraktiven amerikanischen Touristen trifft, macht sie ihren Plan wahr! Mit Ash bekommt sie sogar noch mehr, als sie sich gewünscht hat: Einfühlsam zeigt er ihr, was sie ein Leben lang vermisst hat. Alles könnte perfekt sein. Doch Ash Jacob ist nicht der Fremde, für den Essie ihn hält, sondern der älteste Freund ihres Bruders - und außerdem Essies neuer Boss!


  • Erscheinungstag 04.04.2019
  • Bandnummer 17
  • ISBN / Artikelnummer 9783955769895
  • Seitenanzahl 180
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Wenn ihm irgendein Ort jetzt Halt geben konnte, dann dieser – weit weg von den Trümmern seines Lebens, die er in New York zurückgelassen hatte. Ash Jacob schloss die Augen, atmete tief ein und konzentrierte sich auf die Sonne, die seinen Rücken wärmte, und auf das hypnotische Zwitschern der Vögel und das entfernte Rauschen des Londoner Verkehrs.

„Verdammt!“

Der ungestüme Ausruf riss ihn aus seinen Gedanken. Er schien nicht der Einzige zu sein, der einen schlechten Tag hatte. Sein Blick klärte sich langsam, als die helle Julisonne wieder in seine Augen fiel, und er sah die Umgebung allmählich scharf. Er legte einen Arm auf die Lehne der Parkbank, deren Holzbretter sich in seine müden Muskeln drückten – er spürte, dass er gestern zwölf Stunden im Flugzeug verbracht hatte, größtenteils zusammengekauert, trotz Erste-Klasse-Ticket.

„Verfluchtes Mistding.“

Welch charmante Ausdrucksweise. Er musste etwas grinsen, und seine Stimmung hellte sich auf.

Nicht weit von seinem abgelegenen Plätzchen im St. James’s Park entfernt stand sie. Sie trug ein geblümtes kurzes Kleid, das ihre schönen, nackten Beine betonte. In ihrem goldfarbenen Haar blitzten rotbraune Strähnen auf, sodass ihr langer Pferdeschwanz im richtigen Licht feuerrot strahlte. Über eine Schulter gehängt trug sie einen kleinen Jeansrucksack, der sie jünger wirken ließ – ohne hätte er sie auf Mitte zwanzig geschätzt.

War sie Studentin? Eine Touristin? Eine verirrte Seele, weit weg von Zuhause?

Mit einem ihrer zarten Finger tippte sie auf den Bildschirm ihres Smartphones, als könnte sie es durch Hartnäckigkeit wieder zum Laufen bringen.

Ash war fasziniert und spürte in sich Lust erwachen. Er setzte sich auf. Ihr eigenartiger englischer Akzent und die reizende Wahl an Kraftausdrücken machten ihm bewusst, wie weit New York entfernt war. Zwar hatten die Frauen in seinem exklusiven, wohlhabenden Umfeld einen Glanz und eine Selbstsicherheit, die dieser betörenden Fremden zu fehlen schienen (zumindest auf den ersten Blick). Jedoch zeigte die Wirkung ihres aufregenden Dekolletés und ihres zarten Profils auf seine durch den Jetlag verwirrte Libido, dass sein Interesse am anderen Geschlecht in diesem speziellen Fall genauso groß, wenn nicht sogar größer war. Jegliches solches Interesse war seit gewissen Vorkommnissen an zwei Regeln geknüpft. Erstens: nach seinen Bedingungen; zweitens: nur eine Nacht.

Er rutschte auf der harten Bank herum, denn seine Jeans wurde hauteng, jedenfalls im Schritt. Die Schöne ließ die Hand sinken, in der sie das Smartphone hielt, das sie angemeckert hatte, und sah sich im Park um.

Ash schloss schnell wieder die Augen und gab vor, die bis eben entspannte Atmosphäre zu genießen. Er war nach London gekommen, um mit seinem ältesten Freund gemeinsam an einem geschäftlichen Projekt zu arbeiten, nicht, um eine englische Lady zu retten, egal wie lang ihre Beine oder wie kurvig ihr Hintern war. Und viel wichtiger, er war hergekommen, um dem Drama zu entfliehen, das die Medien produzierten, und wieder die Kontrolle über sein Leben zurückzuerlangen – so schnell wie irgend möglich.

„Ähm, Entschuldigung …“

Verdammt.

Sie hatte ihren hinreißenden Hintern tatsächlich auf ihn zu bewegt. Um sie herum waren nur ein paar Menschen, vor allem Jogger und eine Mutter mit Kinderwagen. Sie musste ihn meinen. Ash entspannte seine Augenlider und verlangsamte den Atem. Vielleicht würde sie ihn in Ruhe lassen, wenn sie glaubte, dass er schlief. Und dann jemand anderes wegen ihres Technikproblems ansprechen.

Unter ihren Schuhen knirschte der Schotter auf dem Weg.

Er hörte ein verlegenes Kichern.

Genau vor ihm.

So nah, dass ihm ihr Duft in die Nase stieg – leicht, blumig und mit dem unverwechselbaren Geruch von Sonnencreme.

Seine Libido nahm noch mehr Fahrt auf. Mann, was würde er dafür geben, diese Kurven und diese seidige Haut im Bikini ausgestreckt auf einer Liege am Pool seines Ferienhauses in den Hamptons zu sehen.

Die aufdringliche Attraktive räusperte sich sanft.

Dieses liebliche Geräusch vernebelte ihm die Sinne. Mit ihrer tollen Figur verkörperte sie genau seinen Typ. Unter anderen Umständen hätte er ohne zu zögern seinen Charme eingesetzt, herausgefunden, ob sie so wie er zwanglosem Sex nicht abgeneigt war, und dann den Nachmittag zwischen ihren langen Beinen verbracht.

Doch das Letzte, was er jetzt brauchte, war eine Begegnung mit einer Frau, die so wunderschön war, dass ihn sein Interesse an ihr dank seiner engen Jeans an die Parkbank fesselte.

Schon einmal hatte eine schöne Frau mit ihm gespielt. Die große Wunde, die sie ihm damals zugefügte hatte, war erst vor Kurzem auf demütigende Weise in aller Öffentlichkeit wieder aufgerissen worden, was der Hauptgrund für seine überstürzte Flucht aus New York gewesen war.

Frauen standen also erst einmal nicht auf seiner Agenda.

Und außerdem: Wer sprach mitten in einem Park in der Stadt Fremde an? Sein Auftreten heute war ziemlich leger, verglichen mit den maßgeschneiderten Anzügen, die er für gewöhnlich trug. Er hatte nur schnell dem süßlich nach Klimaanlage riechenden Hotelzimmer entfliehen wollen, das er für die ersten Tage in London gebucht hatte, bis das Jacob-Holdings-Apartment bereit sein würde. Etwas frische Luft schnappen. Ins Grüne. Was auch immer, Hauptsache, es half ihm, seinen Kopf von seinen Schuldgefühlen und dem Selbstekel frei zu kriegen.

Also hatte er ein T-Shirt und seine gemütliche Jeans angezogen – beides ziemlich zerknittert nach achtundvierzig Stunden im Koffer –, den Dreitagebart stehengelassen und war nach draußen gegangen. Der Freizeitlook war der sichtbare Beweis dafür, dass sein Umzug nach London für ihn ein außergewöhnlicher Schritt war. Er würde nie wieder so wie in den letzten zehn Jahren leben, atmen, arbeiten. Einfach alles würde sich verändern, und als Erstes seine Rolle im Familienunternehmen, das durchsetzt war von ungesunder Vetternwirtschaft und sich in den Händen seines skrupellosen, manipulativen und – wie er auf erniedrigende Weise hatte herausfinden müssen – betrügerischen Vaters befand.

„Entschuldigung, ist alles … in Ordnung?“

Seufzend kapitulierte Ash beim Klang ihrer beruhigenden Stimme, die ihn davor bewahrt hatte, in Gedanken in einen tiefen Abgrund zu stürzen. Sie würde sowieso nicht aufgeben. Vielleicht hatte sie sich verlaufen. Er kannte sich nicht besonders gut aus in London, hatte hier aber in den letzten Jahren genug Zeit verbracht, um sich ausreichend orientieren zu können. Wahrscheinlich war es das Beste, er hörte sich an, was sie wollte, und forderte sie samt ihrem herrlichen Hintern dann zum Gehen auf.

Ash öffnete die Augen und zwang sich, sie interessiert anzulächeln, anstatt genervt davon zu sein, dass der Inbegriff weiblicher Verführung buchstäblich vor ihm stand.

„Klar. Ich genieße nur die Sonne.“

Sie erwiderte sein Lächeln, was zwei gegensätzliche Wirkungen auf seinen abgespannten Körper hatte: Beim Anblick ihrer vollen Schmolllippen schoss ihm schlagartig das Blut in die Leistengegend, und ihr offener, freundlicher Blick sorgte dafür, dass seine Schultern sich verkrampften. Waren alle englischen Frauen so naiv? So gutgläubig? Als ein Mann, der niemandem vertraute, war sie ihm ein Rätsel.

„Oh, Gott. Könnte ich dich vielleicht um einen Gefallen bitten?“ Sie wedelte mit ihrem Smartphone vor seinem Gesicht herum. „Mein Handy ist gerade ausgegangen.“

„Okay … Hast du dich verlaufen?“

Erklär ihr den verdammten Weg und sieh dir ihre umwerfenden Beine von hinten an.

Aber dann wäre der Anblick nicht mehr so einladend.

Ihr leuchtendes Lächeln wärmte ihm das Herz, und er musste an Ausflüge nach Coney Island in Kindertagen denken.

„Nein. Aber könntest du vielleicht ein Foto von mir machen?“ Sie zeigte auf das London Eye in der Ferne. „Mit deinem Handy … und dann könntest du … es mir schicken?“, sagte sie mit bebender Stimme, während sie mit einer losen Haarsträhne im Nacken spielte.

Er sah sie verwirrt an. War er in einem Paralleluniversum gelandet oder waren die Briten traditionell alle so freundlich? Egal. So konnte er ihren prächtigen Körper noch ein paar Sekunden länger verstohlen begutachten und sie sich nackt unter ihm vorstellen.

Ash veränderte seine Position auf der Bank in der Hoffnung, sich unauffällig in seiner Hose Platz zu schaffen, während er den Blick genüsslich über jeden Zentimeter der Porzellanschönheit schweifen ließ. Aus der Nähe sah sie wirklich umwerfend aus. Sie hatte makellose, seidige Haut, große himmelblaue Augen und einige kupferfarbene Sommersprossen auf der leicht nach oben geschwungenen Nase. Und auf den ersten Blick war sie der Inbegriff eines sonnigen Gemüts.

Und wenn sie ein Foto wollte, war sie anscheinend eine Touristin. Vielleicht war das ihr letzter Tag in London?

Wieder meldete sich seine Libido.

Als hätte sie das gleiche Interesse an ihm, musterte sie ihn von Kopf bis Fuß, ließ den Blick über seinen zerknitterten Kragen und seine ausgewaschenen Jeans schleifen. In ihm stieg eine Hitze auf, die der Sommersonne Konkurrenz machen konnte. Flirtete sie etwa mit ihm?

„Klar“, sagte er.

Warum auch nicht? Er konnte ihr diesen Gefallen sicherlich tun und vielleicht sogar jeden anderen, den sie wollte. Er hob eine Augenbraue, als ihr Blick wieder in sein Gesicht zurückkehrte. Sie richtete den Kopf wieder auf, den sie während ihrer Begutachtung zur Seite geneigt hatte, und auf ihren hohen Wangenknochen bildeten sich hellrote Flecken. Ja, vielleicht war sie genau das, was er brauchte. Sie könnte ihm bestimmt bei seiner harten Notlage behilflich sein. Sie schien das körperliche Interesse zu teilen. Vielleicht würde sie dafür sorgen, dass er endlich zur Ruhe käme und wieder klar denken könnte.

Sie löste die angespannte Atmosphäre mit einem Kichern auf. Ash grinste sie an. Jedenfalls zeigte sie ihm offenkundig ihr sexuelles Interesse – wie erfrischend. Er wägte ihr Alter neu ab, vielleicht war sie nicht so unerfahren, wie sie aussah. Sie schnipste ihren Pferdeschwanz weg – und da war es wieder, ihr strahlendes Lächeln.

Er rutschte auf der Bank herum und zog sein Handy aus der Hosentasche. Von seiner Position aus konnte er dank der Sonne praktisch durch ihr Kleid hindurchsehen. Sollte er es ihr sagen? Oder einfach ihre wohlgeformte Silhouette genießen? Und sich vorstellen, wie sie ihn mit diesen langen Beine umklammerte …

Nein.

Plötzlich war er in Gedanken wieder in seiner Vergangenheit, die ihn verfolgte. Er hatte erst vor Kurzem herausgefunden, wie lange ihn seine Ex-Verlobte betrogen hatte und welche Ausmaße ihre Lügen angenommen hatten. Das hatte seine Einstellung dem anderen Geschlecht gegenüber nur noch mehr gefestigt. Er war fertig mit Frauen, es sei denn, sie wollten so wie er nur das Eine und kannten die Regeln.

Die verwitterten Holzplanken ächzten, als sie sich neben ihn setzte. „Du bist Amerikaner, richtig?“

Er nickte und wich dann ihrem offenen, gefährlichen Blick aus. Angesichts seines Outfits konnte diese Frau kein Interesse an dem Ansehen und der Macht seines Familiennamens oder seinem beträchtlichen Reichtum haben. Sie konnte nicht wissen, dass seiner Familie halb Manhattan und ziemliche große Teile von London gehörten. Dass er nach London gekommen war, um sich von seinem Ruf als „Immobilienmagnat“ so wie dem hinterlistigen Betrug eines Familienmitglieds zu distanzieren, konnte sie nicht ahnen. Zumindest nicht, wenn sie die Klatschseiten der New York Times nicht las.

Wut stieg in ihm auf. Wie konnte sein Vater ihm das antun? Seinem eigenen Sohn? Wie konnte er Ashs jahrelange professionelle Loyalität gegenüber dem Familienunternehmen so ausnutzen und ihn bloßstellen? Fuck, stand auf seiner Stirn etwa „naiver Schwachkopf“?

Die attraktive Fremde schien seine innere Unruhe nicht zu bemerken. Sie drehte sich mit dem ganzen Körper zu ihm, sodass sie mit ihren unbedeckten Knien gegen seinen Oberschenkel stieß. Ihre Augen leuchteten. „London ist eine tolle Stadt, nicht wahr? Warst du schon am Buckingham-Palast? Er ist direkt da vorne.“ Sie zeigte über ihre Schulter und redete aufgeregt in schwindelerregender Schnelligkeit über die Touristenattraktionen der Stadt.

„Und kennst du die Seven Noses of Soho? Ich gucke sie mir heute an. Fun Fact.“ Sie zeigte auf den kleinen See in dem Park. „Wusstest du, dass ein russischer Botschafter 1664 King Charles II. die Pelikane geschenkt hat?“

Sie sprach so schnell, dass ihr reizender Akzent das Englisch so sehr verzerrte, dass sie auch Mandarin hätte sprechen können. Nasen? Pelikane? Vielleicht infizierte und zerstörte die sich in ihm windende Ohnmacht allmählich seine Gehirnzellen. Vielleicht war sein Jetlag schlimmer, als er gedacht hatte. Vielleicht hatte ihm Testosteron seine für gewöhnlich scharfen Sinne vernebelt.

„Also du wolltest ein Foto?“ Er entsperrte sein Smartphone, beugte sich vor und wollte aufstehen. Eine gute Tat für die wunderschöne englische Rose, und dann könnte er sich wieder damit befassen, sein Leben auf die Reihe zu kriegen. Er konnte nicht länger so tun, als wäre er nur wegen einer geschäftlichen Angelegenheit hergekommen. Auch andere Gründe hatten ihn dazu bewogen, über den Atlantik zu fliehen, wie etwa die Schuld, seine Mutter gezwungen zu haben, sich dem Ehebruch zu stellen, und das demütigende Interesse der Öffentlichkeit nach dem Familienzwist. Zu einer prominenten Familie zu gehören, hatte wirklich seine Schattenseiten.

Konzentriere dich auf das Hier und Jetzt.

Die üppige Kultur und Vitalität Londons sorgten für ausreichend Ablenkungen, wenn auch keine so verlockend zu sein schien wie die, die die Lücke zwischen ihrem und seinem Körper wärmte und ihn aus seinen aufgewühlten Gedanken riss.

„Wie lange bist du schon hier?“ Wieder neigte sie den Kopf zur Seite. Mit der Zunge fuhr sie sich über die Unterlippe.

Ein stummes Stöhnen dröhnte in seinem Kopf.

So unfair.

„Ein oder zwei Tage.“ Wie konnte er eine derart appetitliche Versuchung genau vor ihm ablehnen? Mit Sicherheit hatte er ihre Signale richtig gedeutet. Die perfekte Zeitvertreibung saß vor ihm und sah ihn an, als wäre er ein Stück Torte. Was konnte flüchtiger sein als zwei Reisende, die auf einer Wellenlänge waren und ihren letzten Abend in London gemeinsam verbrachten?

Er würde seine wahre Identität – dass er einer von New Yorks Top-Unternehmensanwälten, ein Immobilienmogul und Erbe des Jacobvermächtnisses war – nicht preisgeben. Geschweige denn jetzt jegliche Verbindung zu seinem Schweinehund von Vater publik machen. Ash hatte Hal Jacobs skrupelloser Charakter schon lange Sorgen bereitet. Und doch hatte er die unvermeidbare Katastrophe nicht kommen sehen, hatte die weitreichenden Konsequenzen auf sein Zuhause nicht ahnen können.

Er rieb sich das Gesicht und zwang sich, die dunklen Gedanken beiseitezuschieben und sich auf die attraktive, sonderbare und verführerische Frau vor ihm zu konzentrieren. Sie duftete fantastisch. Genau das Richtige, um seine Gedanken, die in seinem Kopf außer Kontrolle gerieten, in gerade Bahnen zu lenken.

Ja, sie war etwas naiver als die meisten Frauen, mit denen er in letzter Zeit verkehrt hatte, beeindruckte ihn aber mindestens genauso. Sie war praktisch das genaue Gegenteil der kultivierten Frau, die er normalerweise in sein Bett einlud. Ihre quirlige Persönlichkeit war so berauschend wie ein Atemzug frischer und duftender Sommerluft. Wieder wurde seine Hose im Schritt etwas enger, und die Lust pulsierte durch seine Glieder.

Ash überprüfte heimlich, ob sie einen Ehering trug.

Aber seiner Erfahrung nach wollten Frauen mit diesem Aussehen – Pfirsichhaut, drolliger Pferdeschwanz – mehr, als er bereit war zu geben. Sie wollten eine Beziehung. Und diesen Schritt ging er nie, egal wie verlockend er war.

Nicht, seitdem seine Ex-Verlobte …

Ash stand auf, um das Zittern in seinen Beinen loszuwerden. Er würde jetzt ihr verdammtes Foto machen und diese seltsame transatlantische Lektion über reizvolle, aber exzentrische, kulturelle Differenzen dann beenden. Und sich von dieser Versuchung entfernen.

Er stellte sich in die Mitte des Weges und hob sein Smartphone an, sodass Londons beliebteste Touristenattraktion im Hintergrund zu sehen war. Er erfüllte seinen Auftrag, was aber sein anderes Vorhaben anging, schwankte er noch dazwischen, sich höflich zu verabschieden oder seine Absichten etwas deutlicher zu machen. Schließlich wollte er sich nicht in ihr getäuscht haben für den Fall, dass sie seine Philosophie in Sachen zwanglosem Sex doch teilte.

„Hast du Lust, Riesenrad zu fahren? Oder hast du damit schon eine Runde gedreht?“ Sie tauchte an seiner Seite auf und betrachtete die Attraktion, dessen gläserne Gondeln in der Sonne glänzten.

„Noch nicht.“ Er hielt ihr sein Smartphone hin, damit sie das Foto begutachten konnte. Als sie sich vorbeugte und die Spitzen ihrer Haarsträhnen über sein Handgelenk strichen, wusste er genau, worauf er wirklich Lust hatte.

Fuck! Es gab in ganz England nicht genug frische Luft, um diesem … Drang zu entkommen. Und außer am Verhandlungstisch war Ash nirgends so sehr Herr der Lage wie im Bett.

Ja, ein kleines Sommerabenteuer würde seine Rastlosigkeit vertreiben und seinen Kopf frei machen. Wenn er beim Sex die Oberhand behielt, würde sich das hoffentlich auf das normale Leben auswirken. Dann würde er am Morgen rechtzeitig wieder die Ruhe selbst sein für den ersten Tag seines neuen geschäftlichen Vorhabens.

Die bezaubernde Fremde lächelte, und sein Puls beschleunigte sich wieder.

„Vielen Dank. Du hast mir das Leben gerettet.“ Sie rasselte ihre Nummer herunter, er tippte die Zahlen ein und schickte ihr das Bild.

„Ich heiße übrigens Essie.“ Sie hielt ihm die Hand hin – zart, geschmeidig, lilafarben lackierte Nägel.

Er schüttelte sie. Eine Geste, die nach ihrer Flirterei an unangenehmer Förmlichkeit nicht zu übertreffen war. „Ash.“

Sie grinste, als hätte er ihr offenbart, dass sein Name mit „Ihre königliche Hoheit“ begann und er sie zum Fünf-Uhr-Tee in den Palast einladen wollte.

„Also, Ash, amerikanischer Tourist …“ Sie hatte ihr Foto, ging aber nicht weg. Tatsächlich spielte sie wieder mit einer Haarsträhne, und in ihren Augen schimmerte ein unmissverständliches Interesse – eins, das zu seinem passte. Nein, sein Bauchgefühl täuschte ihn nicht.

„Also, Essie, englische Fun-Fact-Expertin …“

Wieder lachte sie so, dass sich etwas in seinem Schritt regte. „Lust auf Lunch?“, fragte sie. „Ich kenne diesen Teil von London nicht gut, aber es gibt einen süßen Deli nicht weit von hier, und ich weiß noch jede Menge mehr über diese Stadt …“ Ihre hübschen blauen Augen leuchteten.

Er spürte, wie die Hitze in seiner Brust aufstieg. Sie machte sich tatsächlich auf subtile, reizende Art an ihn ran, die ihm viel besser gefiel als die offenkundigen Vorstöße der Frauen, mit denen er sich normalerweise einließ. Er wäre auf jeden Fall für Gelegenheitssex mit dieser wunderschönen Fremden zu haben. Und als Tourist würde er nicht das übliche Geschwafel wie „einfach nur Spaß haben, nichts Ernstes, nur Sex“ und andere Beschönigungen abspulen müssen, damit die Frau, die er flachlegen wollte, wusste, woran sie war.

Sie würde London verlassen und in irgendeinen entzückenden Teil Englands, der ihre Heimat war, zurückkehren. In dem Glauben, er würde zurück nach Amerika fliegen.

Er bedeutete ihr mit ausgestrecktem Arm, vorzugehen, dann steckte er die Hände in die Hosentaschen. Sie lächelte, schwang ihr Haar über die Schulter und ging los. Ein paar Sekunden lang liefen sie schweigend nebeneinander her, in der warmen Sommerluft flimmerte die Aussicht auf Sex und ein prickelndes Abenteuer zwischen ihnen.

Ash war aufgeregt – es war die Art von Aufregung, die man spürte, wenn man jemand Fremdes an einem fremden Ort kennenlernte. Heute konnte jeder sein, wer er wollte. Es gab endlos viele Möglichkeiten, sich selbst neu zu erfinden. Er könnte die kürzlich angelegten Fesseln, die ihn zurückhielten, als wären seine Füße einzementiert, abschütteln.

Er würde nicht Ash sein, der Betrogene, der nicht nur hintergangen, sondern auch von den beiden Menschen in seinem Leben, die hinter ihm hätten stehen sollen, belogen worden war. Pah, scheiß auf den Typen. Er war Ash, der amerikanische Tourist, der ein bisschen Zeit mit der interessanten, wunderschönen, erfrischenden Essie verbrachte.

„Also“, er schenkte ihr sein erstes aufrichtiges Lächeln und genoss, wie sich ihre Wangen daraufhin deutlich röteten, „erzähl mir von diesen Noses.“

Essie Newbold lachte und stieß immer wieder leicht gegen die Schulter des attraktiven Amerikaners, mit dem sie den Nachmittag und Abend verbracht hatte. Na ja, zumindest hätte sie seine Schulter berührt, wenn er nicht so groß gewesen wäre. Stattdessen stieß sie mit ihrer Schulter gegen seinen Arm. Aber die Wirkung war die gleiche.

Sie hatten Körperkontakt.

Den ganzen Tag schon schoss ein durch die Reibung verursachtes köstliches, leichtes Kribbeln in all ihre erogenen Zonen, jedes Mal, wenn sich ihre Arme berührten, während sie die Seven Noses of Soho betrachteten oder sie in der U-Bahn im Stehen gegeneinander gedrückt wurden. Noch nie war sie so dankbar dafür gewesen, dass Londons U-Bahn überfüllt war.

Anstatt von ihren frechen Schulterstupsern genervt zu sein, legte Ash ihr den Arm um und lächelte sie an.

In ihrem Kopf drehte sich alles.

Sie würde es wirklich tun. Sie würde mit dem Traumtypen, den sie an diesem Morgen im Park getroffen hatten, schlafen. Ihr erster One-Night-Stand.

Essie schob eine Hand in seine Gesäßtasche und kniff ihm in den durchtrainierten Hintern. Woher kam dieser untypische Mut? Das Verlangen nach mehr als dem Kleckerkram, den sie bei ihrem Nichtsnutz von Ex toleriert hatte?

Nach der Vorstellung ihres Ex-Freundes gehörte zum Vorspiel der obligatorische Busendrücker. Und zu ihrer Schande hatte sie diese derart faule, minderwertige Aufmerksamkeit hingenommen.

Umso mehr Grund, mit diesem hammerscharfen, selbstbewussten Amerikaner einen One-Night-Stand zu erleben. Sie würde diese Erfahrung machen, die ihr wirklich fehlte, und sich hoffentlich mit der Art von Orgasmus belohnen, die in ihrer Welt nur als mystischer Irrglaube existierte. Und danach würden sie beide glücklich ihrer Wege gehen. Vorausgesetzt, Ash war kein Serienkiller, stellte das eine Win-Win-Situation dar.

Sie genoss die Gegenwart des großen, warmen Körper neben ihr, die ungekannt berauschende Schauer durch ihre Gliedmaßen schickte. Es war nicht so, dass er sich kalt anfühlte – ihre Schauer kamen von purer Vorfreude.

Diese Schauer mochte sie am liebsten.

Sie atmete stockend ein. Niemals zuvor hatte sie sich so draufgängerisch gefühlt. Und wenn sie ehrlich war, schämte sie sich auch ein bisschen. Es gab kein Gesetz, das vorschrieb, vor dem fünfundzwanzigsten Geburtstag mindestens einen One-Night-Stand gehabt zu haben, doch da sie sich selbst als Beziehungsexpertin anpries, war sie es den Leserinnen ihres Beziehungspsychologie-Blogs schuldig, herauszufinden, ob an dem Wirbel darum etwas dran war.

Ash legte ihr den Arm um die Schultern, und Essie griff nach seiner Hand. Sie grinsten sich gegenseitig an. Ihr Bauch kribbelte, ihr Puls beschleunigte sich.

Kein seriöser Wissenschaftler bezog sich nur auf Theorien. Endlich würde sie ihre umfangreiche Theorie mit harten, wissenschaftlichen Fakten belegen können.

Ganz bestimmt hört er, wie das Blut durch meine Adern rauscht.

Was wusste sie praktisch überhaupt über Beziehungen, vor allem über zweckmäßige?

Ihre Unerfahrenheit machte sie traurig. Ihre einzige Beziehung während des Studiums hatte dazu geführt, dass sie dem anderen Geschlecht aus gutem Grund hatte abschwören wollen. Ihr Ex hatte es auf den Punkt gebracht: Sie würde einen Heiratskandidaten nicht mal dann erkennen, wenn er splitterfasernackt vor ihr stehen würde mit den Worten „Nimm mich, ich bin treuer als dein Hund“ auf der Brust.

Ein Charakterzug, den sie wahrscheinlich von ihrer Mutter hatte … Die Frau hatte sich schließlich mit Essies lügendem, betrügendem, sich aus dem Staub machendem Vater fortgepflanzt und viele Jahre die zweite Geige neben seiner eigentlichen Frau, seiner richtigen Familie, gespielt.

Nicht, dass Essie damals davon gewusst hatte. Sie war einfach ein Mädchen gewesen, das ihren geliebten Vater, der immer wieder für lange Zeit in Übersee arbeiten musste, sehr vermisst hatte … Offensichtlich strahlten sie und ihre Mutter aus, dass sie verzweifelt nach Liebe suchten, was Männer dazu veranlasste, die Flucht zu ergreifen.

Ash hatte bisher nicht die Flucht ergriffen.

Und sie war nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Nur Sex. Seine subtilen Gesten sagten ihr, dass er so wie sie nur an einer einmaligen Sache interessiert war. Sie schob die negativen Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Musterexemplar männlicher Perfektion neben ihr. Er war exotisch. Ein Gentleman. Witzig, intelligent und interessiert an dem, was sie zu sagen hatte.

Er war ganz anders als ihr Ex. Und sie hatte zwei Jahre an diese unbefriedigende Beziehung verschwendet.

Plötzlich fühlte sie sich eingeengt.

Vielleicht war sie ja zu einer Veränderung bereit. Es war immerhin der Beginn eines brandneuen Kapitels in ihrem Leben. Ab morgen würde sie für ihren Halbbruder arbeiten, den sie bis vor Kurzem noch gar nicht gekannt hatte. Oder ihr komisches Gefühl lag einfach an dem charmanten, weltmännischen, verboten attraktiven Ash mit seinen Lachfältchen an den Augen, seinem scharfen Verstand und seinen Geschichten aus New York, welches auf Essies Liste mit Reisezielen ganz nach oben gerückt war.

Es hatte überhaupt nichts mit seinem muskulösen Körper oder seinen dunklen Locken zu tun, die dafür sorgten, dass sie überall angelächelt und angestarrt wurden. Und sie spürte instinktiv, bis in ihre überstrapazierten Eierstöcke, dass Ash im Bett phänomenal sein würde. Orgasmen mit Schreifaktor garantiert – eine weitere Erfahrung, die in ihrem bemitleidenswerten Repertoire fehlte.

Doch noch konnte sie einen Rückzieher machen. Sie könnte sich bei Ash für seine Gesellschaft bedanken und sich von seinem sexy Hintern verabschieden. Noch immer kreisten einige Gedanken in ihrem Kopf. Sie konnte sich noch nicht entscheiden, und eine unbedachte Äußerung entfuhr ihr: „Ich habe das noch nie gemacht.“ Sie biss sich auf die Lippen, ignorierte die Hitze, die ihr beinahe die Luft abschnürte, und sah zu Ash auf.

Jetzt würde er sie für ziemlich naiv halten. Doch naiv war sie nicht, sie hatte sich nur viel zu lange mit dem Mittelmaß zufriedengegeben.

Er sah mit seinen funkelnd blauen Augen zu ihr hinab und zog sie mit dem Arm, den er um ihre Taille gelegt hatte, näher an sich. „Okay …“

Keine Verurteilung. Nur das Verlangen, das sie die meiste Zeit gesehen hatte.

Aus dem Knistern beim Lunch in dem angesagten Deli war ein Flirt am Piccadilly Circus und Trafalgar Square geworden, wo Essie eine Anleitung zum Fahren mit der Londoner U-Bahn zum Besten gegeben hatte. Aus dem Flirten wurde Trinken in einem typisch viktorianischen Pub in Soho, wo Ash darauf bestanden hatte, dass sie lauwarmes Real Ale probierten. Es war so stark gewesen, dass Essie danach kicherte und forscher geworden war. Was wahrscheinlich die Erklärung für ihre momentane Situation war. Sie befanden sich auf dem Gehweg vor seinem Hotel, die Arme hatte Ash um ihre Hüften gelegt, und Essies Lippen sehnten sich danach, ihn zu küssen.

Jedoch haderte sie immer noch mit sich. Sie war gefangen zwischen Verlangen und Vorsicht.

Sie hätte sich ohrfeigen können. Obwohl sie sich immer bemüht hatte, die Fehler zu vermeiden, die ihre Eltern gemacht hatten, war sie verletzt worden. Immerhin war es nur eine einzige schlechte Erfahrung gewesen.

Und Ash musste nicht der perfekte Mann sein. Er könnte für den Moment perfekt sein, diese eine Nacht. Danach würde sie ihn nie wiedersehen.

Ashs blaue Augen leuchteten verheißungsvoll, und er lächelte sie sexy mit seinen einladenden Lippen schief an.

Volle Lippen, genau vor ihr.

Warmer, bebender Atem.

Essie schüttelte die letzten Bedenken ab, stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn mitten auf dem Gehweg zu küssen, während die Menschen an ihnen vorbeiliefen. Seine Bartstoppeln scheuerten an ihrem Kinn, und eine Sekunde lang schien er erstarrt zu sein. Doch er öffnete die Lippen etwas, als sie ihm einen federleichten Kuss auf seinen wunderschönen Mund gab. Und dann legte er eine Hand auf ihren Rücken zwischen die Schulterblätter, drückte sie fester an sich und übernahm die Kontrolle. Er legte den Kopf schief und dirigierte das Übereinandergleiten ihrer Lippen und Vorstoßen ihrer Zungen. Es war ein aufregendes Konzert, das sie vollkommen aus dem Konzept brachte und ihr weiche Knie bescherte.

Wow. Der entspannte, aufmerksame Gentleman, mit dem sie den Tag verbracht hatte, hatte eine fordernde Seite. Sie wollte mehr. Das Knutschen auf offener Straße war so gut, dass ihr Bauch wie in den letzten Sekunden im freien Fall kribbelte und ihr Herz wie wild in ihrer Brust schlug.

Ash stöhnte und befreite sich von ihrem Kuss. Seine harte Erektion drückte gegen ihren Bauch. Er sah zu ihr hinab, als versuchte er ihre tiefsten Geheimnisse in der Iris ihrer Augen zu ergründen. „Nicht, dass es mir etwas ausmacht …“, er strich ihr eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht, „… aber ich bin neugierig. Warum hast du das noch nie gemacht?“

Essie biss sich auf die Unterlippe. Ihre Unsicherheit kam zurück. Wie viel von ihrer armseligen Bilanz an Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht würde sie diesem attraktiven Touristen offenbaren? Trotz ihres Abschlusses in Psychologie und ihrer Doktorarbeit über zwischenmenschliche Paarbeziehungen beruhte ihr eigenes Liebesleben und ein großer Teil ihrer freundschaftlichen Beziehungen überwiegend auf der Theorie, mit der sie sich während ihres Studiums beschäftigt hatte und über die sie auf ihrem geliebten Blog nachgrübelte. Mit dem Blog hatte sie zu Beginn ihres Studiums angefangen, um sich von dem Gefühl, verlassen worden zu sein, und der stetigen Zurückweisung durch ihren Vater zu befreien.

Ash wollte sie. Das war glasklar. Warum sollte sie die Seifenblase zerplatzen lassen? Ja, normalerweise vermied sie es, attraktive Fremde in Parks aufzureißen. Doch seit er ihr sein erstes echtes Lächeln geschenkt hatte, war Ash total entspannt und einfach ein witziger, cleverer und unterhaltsamer Typ. Sie hatte nicht klargestellt, dass sie in South East London lebte und bald ihre Promotion abschließen würde. Sie war einfach auf seine falsche Annahme, nämlich dass sie, so wie er, eine Touristin war, eingestiegen. Dadurch wurde die Sache nur noch geheimnisvoller, und die gewagte Unbekümmertheit pochte jetzt heiß durch ihre Adern und schürte das Feuer ihrer Lust.

Sie würden sich nach dieser Nacht nie wiedersehen. Wer sonst würde sich besser dazu eignen, ihr den Knoten zu lösen, als dieser heiße Fremde – ein Tourist, der schon bald in einen Flieger zu einem ganz anderen Kontinent sitzen würde?

Während Ash mit dem Ende ihres Zopfes spielte und abwartete, zuckte Essie mit den Schultern. „Ich bin mit einem Vater aufgewachsen, der ein unzuverlässiges, lügendes Arschloch war. Seitdem hab ich es nicht mehr so mit Männern.“ Ziemlich vereinfacht gesagt, aber die Wahrheit. Sie hatte Jahre damit verbracht, ihre suboptimale Beziehung zu ihrem Ex in die perfekte Form zu bringen. Verzweifelt hatte sie versucht, alles genau gegenteilig zu machen wie ihre Eltern. Und sie war entschlossen gewesen, ihr psychologisches Können einzusetzen und zu beweisen, dass sie praktizieren konnte, was sie predigte. Doch als sie schlussendlich zugeben musste, dass diese emotional missbräuchliche Beziehung, in die sie all ihre Hoffnung gesetzt hatte, vorbei war, hatte sie aufgegeben an Happy Ends zu glauben und hatte die Suche nach Liebe zurückgestellt und sich darauf konzentriert, anderen durch ihren Blog bei ihren Beziehungen zu helfen.

„Ich bin ein Mann.“

Und was für einer. Sie nickte und konnte sich gerade noch beherrschen, nicht genüsslich die Augen zu verdrehen, als sie spürte, wie sein gutes Stück gegen sie drückte. „Das bist du.“

Sie wusste genug über menschliche Verhaltensweisen, um zu durchschauen, dass Ash mehr als ein charmanter Backpacker war, ungeachtet seines Outfits. Zunächst einmal war er älter als der typische Reisende. Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig. Obwohl er legere, leicht zerknitterte Kleidung trug, strahlte er Selbstbewusstsein und Autorität aus, was Essie unglaublich antörnte. Ihr lief quasi das Wasser im Mund zusammen. Dass er sich für den Grund ihres Zögerns interessierte, anstatt ihr gleich die Zunge in den Hals zu stecken oder sie schneller auf sein Zimmer zu bugsieren, als er „Gott save the Queen“ sagen konnte, war ein weiterer Pluspunkt.

Aber je weniger sie über ihn wusste, umso leichter würde es ihr fallen, ihn zu verlassen. Sie würde am Morgen gehen in dem Wissen, dass keine Grenzen überschritten worden waren, keine Missverständnisse entstanden waren und in der Kürze der Zeit keine Gefühle hatten entstehen können.

Sie nahm all ihren Mut und ihre weibliche Verführungskraft zusammen, packte ihn am Bizeps und zog sich fester an ihn. „Sind wir uns einig?“ Ihr zitterten die Knie, während sie auf seine Antwort wartete. Hatte sie sein Benehmen doch falsch gedeutet? Was, wenn Ash sie genau wie ihr Ex zu anhänglich fand? Sicher wusste er die Vorzüge hiervon zu schätzen, denn sie würden sich danach nie wiedersehen.

Ash senkte den Kopf und presste seine Lippen auf ihren Mund. „Vollkommen.“ Das Wort vibrierte auf ihren prickelnden Lippen und glitt auf seiner Zunge in sie hinein. Essie ließ sich von der in ihr aufwallenden Lust mit dem Kuss davontragen und schlang mit wiedererwachtem Enthusiasmus die Arme um seinen Hals.

Sie hoffte so sehr, dass sie recht hatte, was sein Talent im Bett anging.

Als sie sich von ihm lösen konnte und nach Luft schnappte, wurde ihr wieder bewusst, wo sie waren. Sie standen vor einem ziemlich exklusiven Hotel in St. James. Mit großen Augen sah sie zu Ash auf.

„Hier übernachtest du?“ Sie hatte bereits angenommen, dass da mehr war, als er im Park vorgegeben hatte – aber war er reich?

Er zuckte mit den Schultern und grinste sie neckisch an.

Ja, Ash hatte beim Lunch angeboten, ihr Sandwich zu bezahlen, aber nachdem sie darauf bestanden hatte, für sich selbst zu zahlen, hatte er hingenommen, dass es auch den Rest des Tages dabei blieb. Er hatte wirklich nicht mit Geld um sich geworfen – definitiv ein Abtörner für Essie, die laut ihrer Mitbewohnerin kein Händchen für Finanzen hatte.

Er löste den Griff um ihre Taille, und Essie fehlte der Körperkontakt sofort. „Ich kenne den Besitzer. Ich bin nur eine Nacht hier.“ Er legte ihr den Zeigefinger unter das Kinn, sodass sie den Kopf anhob. „Hast du deine Meinung geändert? Wenn ja, wäre das okay.“

So umsichtig.

Ihr Körper hatte immer noch überhaupt nichts dagegen, die Nacht mit diesem unglaublich gut aussehenden Fremden zu verbringen. Und war es wichtig, dass er reiche Hotelier-Freunde hatte? Sie würden sich nicht gut genug kennenlernen, als dass sie ihm ihre monetären Engpässen würde beichten müssen. Schuld daran hatte ihr abwesender Vater, der reichlich Bestechungsgeld und ständige Geschenke als Ersatz für gemeinsame Zeit mit seiner einzigen Tochter einsetzte.

Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter.

Einer der Gründe für die Stelle bei ihrem Halbbruder, die sie morgen antreten würde, war, mal ihr eigenes Geld zu verdienen. Endlich würde sie tatsächlich nach fünf Jahren Vollzeitstudium in der Lage sein, sich selbst ohne weitere Studienkredite zu versorgen. Denn sie hätte lieber ihr ganzes Leben lang Schulden, als jemals auch nur einen Cent von ihrem hinterhältigen Vater anzunehmen. Sie hatte keinen einzigen seiner Schecks, die er ihr für die Studiengebühren geschickt hatte, eingelöst. Es fühlte sich wie Schweigegeld an. Und wenn sie es annehmen würde, hätte sie das Gefühl, sie würde ihm vergeben, was er ihr, ihrer Mutter, seiner Frau und Ben angetan hatte. Eher würde sie auf einer Parkbank schlafen.

Ash, der ihr Schweigen möglicherweise als Sinneswandel deutete, trat langsam zurück, beendete den anregenden Körperkontakt und ließ Essie sich noch viel verlassener fühlen, als sie es ohnehin schon wegen ihrer düsteren Gedanken getan hatte.

„Ich bringe dich gern nach Hause … oder rufe dir ein Taxi.“ Er zuckte mit den Schultern, als wäre das kein Problem, doch sah er ihr hungrig tief in die Augen. Er wartete. Ein Blick voller Verlangen, so groß wie die Hitze, die in ihr aufstieg.

Lass dir nicht die wahrscheinlich beste Nacht deines Lebens durch deine Komplexe entgehen.

Autor

JC Harroway
JC Harroway beschreibt sich selbst als "liebesromansüchtig". Für ihre Autorinnenkarierre gab sie sogar ihren Job im medizinischen Bereich auf. Und sie hat es nie bereut. Sie ist geradezu besessen von Happy Ends und dem Endorphinrausch, den sie verursachen. Die Autorin lebt und schreibt in Neuseeland.
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