Super reich und super sexy (2-teilige Serie)

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

HEIRATE LIEBER MICH!

"Stoppt die Hochzeit!" Erin traut ihren Ohren nicht, als die tiefe Stimme in der Kirche erklingt. O mein Gott, was macht Dimitri Makarov hier? Wer hat dem Milliardär verraten, dass sie heute heiratet und einen Sohn hat - seinen Sohn?

EIN FLÜSTERN IN DER WÜSTENNACHT

Scheich Saladin Al Mektala weiß, dass Livvy Miller die beste Pferdeflüsterin der Welt ist. Sie muss ihm bei seinem Lieblingspferd helfen - doch sie sagt kühl Nein! Was soll er tun, damit die widerspenstige Engländerin mit ihm in sein Wüstenreich kommt? Sie verführen?


  • Erscheinungstag 24.12.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505130
  • Seitenanzahl 292
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sharon Kendrick

Super reich und super sexy (2-teilige Serie)

IMPRESSUM

Heirate lieber mich! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2015 by Sharon Kendrick
Originaltitel: „Claimed for Makarov’s Baby“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 416 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Dorothea Ghasemi

Umschlagsmotive: GettyImages / monstArrr_

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751505062

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Es hatte nichts zu bedeuten. Es war nur ein Mittel zum Zweck. Einige Worte, eine Unterschrift und danach …

Erin schluckte, als das weiße Seidenkleid ihre Beine umspielte. Danach würde sie sich eine bessere Zukunft aufbauen können. Und vor allem würde sie abgesichert sein – und genau darum ging es doch, oder?

Aber sie spürte, wie ihre Hände feucht wurden, als sie den Strauß umklammerte, den sie auf Wunsch ihres Bräutigams gekauft hatte, damit die Heirat glaubwürdiger wirkte. Und sie fragte sich, ob ihr gezwungenes strahlendes Lächeln diese tatsächlich glaubwürdig erscheinen ließ. Erin bezweifelte es.

Als sie auf den Schreibtisch der Standesbeamtin zuging und ihr Blick in einen Spiegel fiel, stellte sie fest, dass sie aschfahl im Gesicht war. Neben ihr stand ein guter Freund, den sie – zumindest bis zum Ende der Zeremonie – zu lieben vorgeben musste. Und das war das Schwierigste überhaupt.

Denn sie glaubte nicht an die Liebe. Sie hatte es früher einmal getan, doch es hatte sie nur in ihrem Verdacht bestätigt, dass die Liebe etwas für Narren war. Und war sie nicht die größte Närrin von allen gewesen? Sie hatte sich einen Mann ausgesucht, der es ganz und gar nicht wert gewesen war, geliebt zu werden.

Die beiden Trauzeugen saßen schweigend da, und die Standesbeamtin, eine hübsche Frau mittleren Alters, lächelte auch, doch Erin glaubte einen argwöhnischen Ausdruck in ihren Augen zu erkennen.

Während die Frau zu sprechen begann, nahm Chico Erins Hand und drückte sie beruhigend.

„Wir sind hier zusammengekommen, um die Eheschließung von Chico und Erin …“

Die Standesbeamtin verstummte kurz, und Erin hörte, wie hinter ihr eine Tür geöffnet und geschlossen wurde. Ihr Herz klopfte allerdings zu heftig, als dass es sie interessierte, wer gerade hereingekommen war.

Und dann stellte die Standesbeamtin die Frage, vor der Erin am meisten graute.

„Sollte einer der Anwesenden einen berechtigten Einwand gegen diese Eheschließung haben, so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen.“

Da. Ich“, durchbrach eine Stimme die Stille.

Der russische Akzent ließ Erin erst erstarren und dann herumwirbeln. Sie wollte nicht glauben, was ihr Herz und ihr Körper bereits zu wissen schienen. Sie hoffte, dass es sich um einen Irrtum handelte.

Doch das war nicht der Fall. Denn sie begegnete dem Blick eisblauer Augen, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Dies hier passierte wirklich. Und wie immer beherrschte Dimitri Makarov mit seinem einzigartigen Sex-Appeal und der Aura der Macht, die ihn umgab, vollkommen den Raum.

Unwillkürlich verstärkte sie den Griff um den Brautstrauß, während sie ihn stumm und starr ansah. Dimitri trug einen silbergrauen Anzug, der seine muskulöse Statur unterstrich, und im künstlichen Licht schimmerte sein Haar golden. Er war jeder Zoll der privilegierte Milliardär, als er sie nun eisig musterte. Aber irgendetwas an ihm war anders. Die müden Augen und der obligatorische Dreitagebart hatten ihm früher etwas Anrüchiges verliehen. Dieser Mann hingegen war glatt rasiert, und seine Augen wirkten klar und … durchdringend.

„Dimitri“, flüsterte Erin.

Da“, erwiderte Dimitri mit einem spöttischen Unterton, doch sein Gesichtsausdruck ließ sie frösteln. „Freust du dich, mich zu sehen, Erin?“

Er weiß es, dachte sie. Aber das konnte nicht sein.

Seit ihrer letzten Begegnung, als er ihr klargemacht hatte, wie wenig sie ihm bedeutete, waren mehr als sechs Jahre vergangen. Mehr als deutlich hatte er sie spürenlassen, dass sie für ihn nie etwas anderes als eine Angestellte gewesen war, und dann hatte er sie einfach gehen lassen, weil sie ihm zu nahegekommen war – viel zu nahe.

Erin dachte an Leo und den Grund für diese Hochzeit. An alles, wofür sie gekämpft hatte. Erneut rang sie sich ein Lächeln ab, denn wenn sie Dimitri gegenüber auch nur die geringste Schwäche zeigte, würde er es gnadenlos ausnutzen.

„Kein besonders gutes Timing“, sagte sie betont lässig.

„Nein, mein Timing hätte nicht besser sein können.“

„Ich bin gerade im Begriff zu heiraten, Dimitri. Und zwar Chico.“

„Wohl kaum.“ Er ließ den Blick zu Chico schweifen, der ihn mit einem alarmierten Ausdruck in den Augen ansah.

„Gibt es ein Problem?“, erkundigte die Standesbeamtin sich freundlich, bevor sie zu dem Telefon auf ihrem Schreibtisch blickte.

„Ein Problem rein emotionaler Natur“, erwiderte Dimitri gewandt, während er langsam auf Erin zuzugehen begann.

Sie verspannte sich, und während ihr Körper automatisch auf ihn reagierte, wurde ihr die Ironie seiner Worte bewusst. Gefühle waren Dimitri Makarov völlig fremd.

„Miss Turner?“ Die Standesbeamtin sah sie fragend an, als würde sie neugierig auf das Ende der überraschenden Einlage warten.

Diese war allerdings längst nicht vorbei. Nun blieb Dimitri vor Erin stehen, und ihr stockte der Atem. Am liebsten hätte sie ihn angeschrien oder weggestoßen, aber sie war zu nichts dergleichen imstande. Und dann war es zu spät, denn auf einmal zog er sie an sich und hielt sie fest umschlungen. Es schien ihr, als würde sie seine Finger auf der nackten Haut spüren. Tief einatmend blickte sie zu ihm auf, bemerkte das eisige Funkeln seiner Augen, bevor er den Kopf neigte, um sie zu küssen.

Obwohl sie seine Verachtung spürte, öffnete sie automatisch die Lippen und begann zu beben. Benommen gestand sie sich ein, dass Dimitri sie nicht küsste, weil er sie mochte oder begehrte, sondern einzig, um seine Besitzansprüche geltend zu machen. Und trotz allem konnte sie ihm nicht widerstehen und sehnte sich nach Dingen, die sie niemals bekommen würde.

Er zog sie noch enger an sich, sodass sie deutlich seine Erregung spürte. Und obwohl sie es unverschämt von ihm fand, sich hier vor allen Leuten derart aufreizend an sie zu drängen, genoss sie es zugleich und sehnte sich danach, ihn zu spüren. Heiße Wellen der Lust durchfluteten ihren Schoß, und ihre Brüste prickelten, während er fordernd ihre Zunge umspielte. Verzweifelt fragte sie sich, warum nur Dimitri solche Empfindungen in ihr weckten konnte.

Würde Chico etwas unternehmen? Doch selbst wenn, was konnte er schon tun? Wie konnte er Dimitri in die Flucht schlagen, wenn sie im Begriff waren, nur deswegen eine Ehe einzugehen, damit er seine Arbeitserlaubnis bekam?

Der Brautstrauß fiel zu Boden, und Erin fürchtete schon, das Gleichgewicht zu verlieren, als Dimitri sich unvermittelt von ihr löste. Seine Züge wirkten angespannt, und in seinen Augen lag ein warnender Ausdruck, dessen Bedeutung sie sofort verstand. Schließlich hatte sie jahrelang für ihn gearbeitet und wusste, wie er sich verhielt – zumindest meistens. Tu nichts Falsches, hieß es, und sofort rebellierte etwas in ihr.

Bildete er sich wirklich ein, er könnte nach allem, was er ihr angetan hatte, einfach wieder in ihrem Leben auftauchen und die Regie übernehmen? Denn Dimitri war ein Mensch, der nur nahm und nie etwas zurückgab. Und sie würde sich nie wieder etwas von ihm wegnehmen lassen. Es gab gute Gründe, warum er in ihrem Leben keine Rolle mehr spielte, und noch bessere dafür, dass es auch so bleiben sollte.

„Wie kannst du es wagen?“, fuhr sie ihn mit bebender Stimme an. „Was, zum Teufel, soll das?“

„Das weißt du ganz genau, Erin.“

„Das kannst du nicht tun.“ Herausfordernd hob Erin das Kinn.

Wieder funkelten seine Augen. „Und ob ich es kann!“

„Würde mir bitte jemand erklären, was hier los ist?“, erkundigte sich die Standesbeamtin, immer noch höflich, aber mit einem gereizten Unterton.

„Es wird keine Hochzeit geben“, antwortete Dimitri. „Stimmt’s, Erin?“

Alle betrachteten sie. Chico. Die beiden Trauzeugen, zwei Fremde, die sie auf der Straße angesprochen hatten. Die Standesbeamtin. Erin nahm allerdings nur Dimitris Gesicht und den drohenden Ausdruck in seinen Augen wahr. Und plötzlich wurde sie unsicher.

Dann blickte sie Chico an, der sie irritiert ansah. Ob ihm klar war, dass er alles riskierte, wenn er Dimitri die Stirn zu bieten wagte? Oder hatte der Russe ihn schon in seine Schranken gewiesen, indem er seine zukünftige Braut vor allen küsste?

Aber all das spielte keine Rolle. Nicht wirklich. Nur Leo war wichtig, und sie wollte seine Lebensgrundlage nicht aufs Spiel setzen. Eine Frau, die man vor Gericht stellte, weil sie eine Scheinehe eingegangen war, eignete sich nichts als Mutter, und womöglich drohte ihr sogar eine Haftstrafe. Energisch presste Erin die Lippen zusammen, denn so etwas sollte ihrem geliebten Sohn niemals widerfahren. Tat sie dies nicht, um ihm eine sichere Zukunft und Geborgenheit zu garantieren, etwas, was sie nie gehabt hatte?

„Ich fürchte, es sieht so aus, als müssten wir die Trauung verschieben“, versuchte sie sich zu entschuldigen, doch was hätte sie in einer so bizarren Situation auch sagen sollen? Nervös blickte sie sich um. „Dimitri ist …“

„Der einzige Mann, den sie wirklich will – wie ihre öffentliche Kapitulation gerade bewiesen hat“, warf der Russe ebenso kühl wie arrogant ein. „Stimmt’s, Erin?“

Und nun verriet der Ausdruck in seinen Augen noch mehr. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Dimitri wusste Bescheid! Hatte er von Leo erfahren?

In einem Anflug von Panik fragte sie sich, wie er reagieren würde, wenn sie ihr langes Kleid zusammenraffte und weglief. Sie könnte ihr Brautkleid in dem Secondhandladen zurückgeben, in dem sie es gekauft hatte. Sie konnte Leo selbst von der Schule abholen und ihm erzählen, dass seine Mummy doch nicht verreisen und sie nicht in ein großes Haus auf dem Land ziehen würden.

Wenn sie vor Dimitri weglief, würde sie irgendwie klarkommen, auch wenn sie ihre derzeitigen Probleme damit nicht löste. Doch er hatte ihr besitzergreifend die Hand auf den Rücken gelegt, was gleichzeitig Verlangen und Furcht in ihr weckte. Und sie wusste, dass sie in nächster Zeit nirgendwohin fliehen würde.

„So etwas kommt sicher ständig vor“, fuhr er gewandt fort. „Dass die Braut kalte Füße bekommt, wenn ihr klar wird, dass sie einen großen Fehler gemacht hat.“

Die Standesbeamtin legte ihren Stift weg. „Vielleicht möchten Sie für den Moment den Raum verlassen und Ihre Probleme woanders lösen?“, schlug sie leise vor.

„Gibt es hier irgendeinen Raum, in dem wir uns ungestört unterhalten können?“, fragte Dimitri freundlich, aber entschlossen. Dann lächelte er strahlend. „Bitte.“

Sofort verschwand ihr missbilligender Gesichtsausdruck. „Ja“, räumte sie widerstrebend ein. „Aber beeilen Sie sich bitte.“

„Oh, ich brauche nicht lange, um zu sagen, was ich sagen muss“, erwiderte Dimitri deutlich.

„Dann folgen Sie mir.“

Während sie der Standesbeamtin in den Flur folgten, verließen die beiden Trauzeugen das Gebäude. Erin bemerkte Chicos entgeisterte Miene, als Dimitri sie an ihm vorbeiführte. Die Frau öffnete die Tür zu einem spärlich möblierten Raum, und nun, da der erste Schock ein wenig abklang, gewann Erin allmählich ihr Gleichgewicht wieder. Vergiss nicht, dass du gute Gründe für diese Scheinehe hattest, rief sie sich ins Gedächtnis.

Und dort draußen stand ein verwirrter Mann, der für sie immer ein guter Freund gewesen war.

Sie löste sich von Dimitri und funkelte ihn an. „Ich muss mit Chico reden und ihm alles erklären“, funkelte sie ihn an, obwohl sie sich nicht sicher war, wie sie Chico alles erklären sollte. „Warte hier auf mich.“

Doch er umfasste ihr Handgelenk. „Okay, rede mit ihm, wenn es sein muss, aber mach es kurz. Und komm wieder, Erin“, fügte er eisig hinzu. „Denn wenn du wegläufst, werde ich dich finden.“

Nachdem sie sich von ihm gelöst hatte, ging sie zu Chico zurück und versuchte ihm beizubringen, warum es keine Hochzeit geben würde. Beim Anblick seiner Miene krampfte sich ihr Herz zusammen. Als sie jedoch zu Dimitri zurückkehrte, war ihre Bestürzung unverhohlenem Zorn gewichen. Bebend schloss sie die Tür hinter sich. „Dazu hattest du kein Recht!“, fuhr sie ihn an.

„Und ob ich das hatte!“, konterte er. „Und das weißt du auch. Außerdem hast du keinen nennenswerten Widerstand geleistet, stimmt’s?“

„Du Bastard!“

„Bin ich das, Erin?“

„Ja, und ob!“

„Meinst du nicht, dass du mit diesem Ausdruck lieber vorsichtig sein solltest?“

Plötzlich begann sie zu zittern. Er hat keine Macht über dich, sagte sie sich energisch. „Ich gehe jetzt“, erklärte sie und funkelte ihn dabei trotzig an. „Ich möchte nach Hause.“

Sein leises Lachen erfüllte sie mit Angst.

„Wir wissen beide, dass du nirgendwohin gehen wirst – jedenfalls nicht, bevor wir uns unterhalten haben. Also setz dich.“

Erin hätte gern rebelliert, doch insgeheim war sie dankbar, denn sie hatte ganz weiche Knie. Als sie ihm ins Gesicht sah und den entschlossenen Ausdruck bemerkte, verflog dieses Gefühl allerdings sofort. Sie hatte ganz vergessen, wie rücksichtslos Dimitri sein konnte. Wie er Menschen wie Schachfiguren auf einem Brett hin und her schob. Als seine Sekretärin war sie damals gegen seine Launen immun gewesen, weil er sie gemocht und respektiert hatte.

Starr blickte sie ihn an. „Und was jetzt?“

„Und jetzt erzählst du mir alles über deinen brasilianischen Liebhaber“, erklärte er langsam. „Ist er gut im Bett?“

„Chico ist nicht …“ Erin zögerte und fragte sich, wie viel er wusste. „Chico ist nicht mein Liebhaber, wie du bestimmt schon herausgefunden hast. Er ist schwul.“

Dimitri verzog den Mund. „Es ist also keine Liebesheirat?“

„Wohl kaum.“

„Du heiratest einen Schwulen“, meinte er. „Der dich vermutlich dafür bezahlt. Vielleicht braucht er eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis.“ Seine Augen funkelten. „Habe ich recht, Erin?“

Verriet ihre Miene sie etwa? Wirkte sie schuldbewusst?

„Und das ist strafbar“, fuhr er leise fort.

Erneut funkelte Erin ihn an und sagte sich, dass Angriff die beste Verteidigung war. „Bist du deswegen aus heiterem Himmel hier aufgetaucht – um mir das Gesetz zu erklären?“ Sie zwang sich, ihre Angst nicht zu zeigen, obwohl ihr das Herz bis zum Hals klopfte. „Geht es darum, Dimitri? Willst du mich anzeigen?“

Plötzlich veränderte sich seine Miene. Dimitri hatte es offenbar satt, Spielchen zu spielen, und wollte zum Kern der Sache kommen. Sie kannte ihn zu gut.

„Du kennst die Antwort auf diese Frage, Erin. Und zwar seit dem Moment, als du dich umgedreht und mich gesehen hast.“ Seine Augen funkelten kalt. „Oder hattest du vor, meinen Sohn für immer vor mir zu verstecken?“

2. KAPITEL

Als er beobachtete, wie Erin aschfahl wurde, verspürte Dimitri so etwas wie Befriedigung. Sie lehnte den Kopf an die Wand und betrachtete ihn argwöhnisch, die grünen Augen zusammengekniffen. Er wusste nicht, was am meisten wehgetan hatte. Nein, was ihn am meisten aufgebracht hatte. Dass sie es ihm nicht erzählt oder dass sie ihn angelogen hatte, denn früher hatte er Erin Turner für so ziemlich den ehrlichsten Menschen gehalten, der ihm je begegnet war. Und selbst jetzt war sie nicht ehrlich. Er merkte es daran, dass sie blass wurde und sich die Lippen befeuchtete. Sie wäre keine gute Pokerspielerin gewesen.

„Dein Sohn?“, fragte sie, als hätte sie dieses Wort noch nie gehört.

Dies machte ihn nun noch wütender, und Dimitri verspannte sich. Er wagte es nicht zu antworten, bevor er sich wieder im Griff hatte. Er war sechsunddreißig und konnte sich nicht entsinnen, je so zornig gewesen zu sein, nicht einmal seiner unehrlichen Mutter oder seinem korrupten Vater gegenüber. Am liebsten hätte er Erin angeschrien und sie gefragt, warum ausgerechnet sie ihn hintergangen hatte. Allerdings war er lange genug erfolgreich, um zu wissen, dass es viel wirkungsvoller war, seinen Zorn nicht zu zeigen, auch wenn Erin zu den wenigen Menschen gehörte, die ihm seine Gefühle anmerkten.

„Komm schon, Erin“, erwiderte er trügerisch sanft. „Spiel nicht die Unschuldige, denn damit beleidigst du meine Intelligenz. Du hättest dir eine Antwort auf diese Frage zurechtlegen sollen, denn du hast doch bestimmt damit gerechnet, dass ich irgendwann auftauche und sie dir stelle. Oder dachtest du wirklich, ich würde es nie herausfinden?“

Erin war wirklich der Inbegriff des schlechten Gewissens. Er erkannte sie kaum wieder, was ihm tatsächlich Sorgen bereitete. Diese blasse Frau in dem schlecht sitzenden Brautkleid war ganz anders als die Erin von damals. Die kluge, geradlinige Frau, die seit Beendigung ihrer Ausbildung zur Sekretärin jahrelang an seiner Seite gearbeitet hatte. Die anders als alle anderen niemals mit ihm geflirtet und ihm somit jede Menge Respekt abgenötigt hatte. Sie war der Mensch gewesen, dem er uneingeschränkten Zugang zu allen Bereichen seines Lebens gewährt hatte. Der einzige Mensch, dem er je vertraut hatte. Und ja, dieses eine Mal mit ihr zu schlafen war ein Fehler gewesen. Danach hatte er sehr bald festgestellt, dass es zwischen ihnen nie wieder so sein würde wie vorher. Aber trotzdem … Wie hatte sie es wagen können, ihm die Folgen jener Nacht so lange vorzuenthalten?

„Du wirst es doch nicht leugnen, oder, Erin?“, fuhr Dimitri spöttisch fort. „Das kannst du nämlich nicht.“

Erin öffnete die Lippen und erschauerte, woraufhin er instinktiv sein Jackett auszog und es ihr über die schmalen Schultern legte. Sie ertrank förmlich darin, und das helle Grau ließ sie noch fahler erscheinen, als sie es ohnehin schon war. Verärgert presste er die Lippen zusammen. Falls sie glaubte, sie könnte ihn aus ihren großen grünen Augen anblicken und damit sein Mitleid wecken, hatte sie sich getäuscht. Gründlich sogar.

Im nächsten Moment klopfte es an der Tür, und eine Frau steckte den Kopf herein. Nachdem sie sich entschuldigt hatte, verschwand sie wieder.

„Lass uns von hier verschwinden“, entschied Dimitri kühl.

Dann zog er Erin hoch und führte sie aus dem Gebäude, wo ihnen der kalte Herbstwind entgegenblies. Sofort fuhr sein Chauffeur in der schwarzen Limousine vor, Dimitri öffnete die Tür und dirigierte Erin in den Fond. Sobald er neben ihr saß, klopfte er an die Trennscheibe, und sein Chauffeur fuhr los.

„Wohin fahren wir?“ Alarmiert blickte sie sich um.

„Nicht so melodramatisch“, warnte er sie scharf. „Wir müssen uns unterhalten. Also, zu mir oder zu dir?“

Erin verzog das Gesicht, als hätte er sie gerade vor die Wahl gestellt, sich zwischen zwei Giftbechern entscheiden zu müssen. Sie biss sich auf die Lippe, und plötzlich wallte die Erinnerung an den Kuss im Standesamt in ihm auf. Mit diesem hatte er seinem Zorn und seinem Wunsch, die Kontrolle zu übernehmen, Ausdruck verleihen wollen. Und diesem Chico zeigen wollen, wer hier der Boss war – als hätte es eines solchen Beweises überhaupt bedurft. Zu seinem Leidwesen war allerdings großes Verlangen in ihm erwacht, und es fiel ihm schwer, Erin nicht wieder zu küssen. Sie nicht an sich zu ziehen und ihren wundervollen Körper zu spüren, der sich bei seinen Liebkosungen wie eine Blüte öffnete. Er hatte ganz vergessen, dass sie sofort in Flammen stand, wenn er sie nur berührte. Dass sich hinter ihrem eher durchschnittlichen Äußeren eine heißblütige Frau verbarg.

Nun schluckte Erin. „Warum können wir uns nicht einfach hier unterhalten?“

„Ich glaube, du kennst die Antwort darauf, Erin. Abgesehen davon, dass ich völlig ungestört sein möchte – und mein Fahrer spricht nicht nur fließend Englisch, sondern auch Russisch –, möchte ich nicht auf so engem Raum mit dir zusammen sein, wenn wir etwas besprechen, was ich immer noch nicht begreifen kann.“ Schroffer fuhr er fort: „Zu erfahren, dass ich einen Sohn habe und du ihn all die Jahre vor mir versteckt hast, ist schlimm genug, und ich könnte mich vielleicht zu etwas hinreißen lassen, was ich später bereue. Also entscheide dich, wohin wir fahren, sonst tue ich es.“

Erin zog das Jackett enger um sich. Sie war froh, dass sie nicht mehr fror, doch leider haftete ihm Dimitris markanter Duft an. Sie befand sich in einem Dilemma, denn sie wollte ihn nicht mit in die kleine Wohnung nehmen, die sie mit Leo und ihrer Schwester Tara teilte. Nicht weil sie sich der eher bescheidenen Unterkunft schämte, sondern weil sie Angst davor hatte, dass er Leo sah. Angst davor, dass er den Jungen einfach mitnahm und glaubte, es wäre sein gutes Recht. Denn hätte sie im umgekehrten Fall nicht etwas Ähnliches getan? Wenn sie herausgefunden hätte, dass jemand ihr selbst ihr Fleisch und Blut jahrelang vorenthalten hätte?

Verzweiflung erfüllte sie, als Erin überlegte, was vor ihr lag, und sie wusste, dass weitere Lügen und Ausflüchte sinnlos waren. Außerdem, wie oft in all den Jahren hatte sie zum Telefon gegriffen, um Dimitri von dem blauäugigen kleinen Jungen zu erzählen, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war? Hatte es ihr nicht manchmal das Herz zerrissen, weil sie Leo den Kontakt zu seinem Vater verwehrte? Bis sie sich gezwungen hatte, sich die Wahrheit über diesen Mann und seinen verwerflichen Lebensstil ins Gedächtnis zu rufen.

Sie erinnerte sich an die vielen Stunden, die er in Nachtclubs, Bars und Casinos verbracht hatte, wo er unter dem Einfluss von Wodka oder Whisky Millionen verspielt hatte, als wäre es Kleingeld. Sie erinnerte sich an all die Frauen, mit denen er im Bett gewesen war – Frauen in knappen Kleidern und mit hohen Absätzen, die eine gefährliche Art von Glamour ausstrahlten. Und auf keinen Fall sollte ihr Sohn in dem Glauben aufwachsen, dass solche Frauen die Norm waren. Wer wusste denn schon, ob die Kreise, in denen Dimitri verkehrte, ihren unschuldigen Sohn verderben würden?

Und sie erinnerte sich an die Kälte, die er ihr am Morgen nach jener Nacht entgegengebracht hatte – an seine schockierte Miene, als er die Augen öffnete und sah, wer neben ihm lag. Mit dem braunen Haar und dem eher knabenhaften Körper war sie das krasse Gegenteil von den Frauen gewesen, mit denen er normalerweise schlief. Kein Wunder, dass er es nicht hatte erwarten können, von ihr wegzukommen.

„Lass uns lieber zu dir fahren“, entschied Erin daher mit einem resignierten Unterton.

Dimitri presste die Lippen zusammen, bevor er an die Scheibe klopfte und auf Englisch mit seinem Chauffeur sprach, der daraufhin links abbog und in Richtung Docklands fuhr.

Als Dimitri dann einen Anruf erhielt und Russisch sprach, war sie zuerst perplex. Bis ihr einfiel, dass seine Fähigkeit, von einer Sprache in die andere zu wechseln, schon immer beeindruckend gewesen war. Und er manipulierte seine Mitmenschen – das war einer der Gründe für seinen geradezu beängstigenden Erfolg.

Schließlich hielt der Chauffeur vor dem Hochhaus, in dem sich Dimitris Penthouse mit Blick auf die Themse befand. Ein schreckliches Gefühl von Déjà-vu erfüllte Erin, als sie ihn in das beeindruckende Marmorfoyer begleitete. Früher war sie manchmal hierhergekommen, um Diktate aufzunehmen, wenn ihr Chef sich gerade auf eine Reise ins Ausland vorbereitete, und sie hatte diesen Ort immer gemocht – ein ebenso nüchternes wie luxuriöses Apartment, das so ganz anders war als ihre Mietwohnung. Sie hatte den Blick auf die Themse gemocht und es faszinierend gefunden, dass man die Jalousien per Knopfdruck hinunterlassen konnte. So ziemlich alles hier hatte ihr gefallen – bis zu dem Abend, als sie eine Grenze überschritten hatte. Als Dimitri zum ersten Mal verletzlich gewirkt und sie ihm Trost geboten hatte.

Und er hatte ihr auf seinem großen Esstisch die Unschuld geraubt, indem er ihr wie von Sinnen den Slip hinuntergerissen hatte und mit einem beinah animalischen Stöhnen in sie eingedrungen war.

Der Pförtner musterte sie von oben bis unten, als sie in ihrem schlecht sitzenden weißen Kleid und mit Dimitris Jackett über den Schultern das Foyer durchschritt. Für einen Moment fühlte sie sich wie eine Verrückte, vor allem als Dimitri sie schnell in den Aufzug schob.

„Schnell“, sagte er, während er auf den Knopf drückte. „Es schadet meinem Ruf, wenn man mich in Begleitung einer Frau in einem Brautkleid aus zweiter Hand sieht.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass dein Ruf noch schlechter werden kann!“

Flüchtig musterte er sie. „Es dürfte dich überraschen, wie realitätsfern du bist.“

„Das bezweifle ich“, konterte sie.

Doch während der Aufzug nach oben fuhr, sagte sich Erin, dass sie die Vergangenheit vergessen und sich auf die Gegenwart konzentrieren musste. Hätte sie nur nicht zugelassen, dass ihre Gefühle ihm gegenüber alles kaputtmachten. Hätte sie nur nicht angefangen, romantische Fantasien über ihn zu entwickeln! Schließlich hätte sie am besten wissen müssen, dass große Leidenschaft zwangsläufig mit Enttäuschung endete.

Oben angekommen, schloss Dimitri die Tür auf und trat beiseite, um sie vorbeizulassen. Erin wusste nicht, ob sie froh oder traurig darüber sein sollte, dass sich hier kaum etwas verändert hatte. Der große Eingangsbereich mit dem Holzboden bot immer noch die perfekte Kulisse für die zahlreichen russischen Kunstwerke. Die Fabergé-Eier, die Dimitri sammelte, waren scheinbar lässig arrangiert, was ihre Schönheit und ihren Wert noch hervorhob. Eins hatte sie immer besonders geliebt – ein goldenes, mit Smaragden und Rubinen besetztes, das in der Herbstsonne funkelte und sie nun zu verspotten schien.

„Komm mit“, sagte Dimitri harsch, als wollte er sie keine Sekunde aus den Augen lassen.

Dann führte er sie in den Wohnbereich, dessen Glasfront einen fantastischen Blick über die Themse und die Hochhäuser in den Docklands bot. Ebenso faszinierend fand Erin allerdings auch jetzt wieder die Einrichtung. Dimitri besaß etwaige Bonsais, die einmal in der Woche von Gärtnern gepflegt wurden, und auf einem polierten Tisch stand noch immer der japanische Ahorn, dessen winzige rote Blätter an einen Sonnenuntergang erinnerten. Entzückt betrachtete sie ihn. Wie sie diesen kleinen Baum immer geliebt hatte!

Als sie den Blick jedoch zu Dimitri schweifen ließ, sah sie, dass seine Augen zornig funkelten.

„So, erklär mir alles“, stieß er hervor.

Da sie plötzlich weiche Knie hatte und auf keinen Fall schwach erscheinen wollte, setzte sie sich auf eins der Ledersofas. Erin sah ihn an und bemühte sich um einen ruhigen Tonfall. „Ich glaube, da muss ich nicht viel erklären, oder? Wir haben eine Nacht zusammen verbracht …“

Sie verstummte und versank in Erinnerungen, weil sie immer noch nicht fassen konnte, dass er damals tatsächlich mit ihr geschlafen hatte, obwohl er jede Frau haben konnte. Und ja, sie hatte ihn attraktiv gefunden – seine stolzen markanten Züge und sein Haar, das wie dunkles Gold schimmerte. Es gab vermutlich keine Frau, die sich seiner Anziehungskraft entziehen konnte oder seinen scharfen Verstand nicht bewunderte. Erin hatte es sich allerdings nie anmerken lassen, weil es unprofessionell war – und weil sie pragmatisch genug war, um zu wissen, dass er sie niemals attraktiv finden würde.

Jahrelang hatte sie für ihn gearbeitet. Sie hatte als Aushilfe in seiner Firma angefangen, und irgendwann hatte er sie zu seiner Sekretärin befördert, vermutlich hauptsächlich deswegen, weil sie nicht sofort dahinschmolz, wenn er den Raum betrat.

Ganz bewusst entzog sie sich seinem Sex-Appeal und Charisma und versuchte ihn so freundlich und respektvoll wie jeden anderen zu behandeln. Und sie bewahrte in jeder Krise die Ruhe, wie er ihr oft genug versicherte. Schon bald begann er, ihr immer mehr Verantwortung zu übertragen, bis der Job ihr Leben bestimmte und sie kaum noch Freizeit hatte. Vielleicht war es immer so, wenn man für einen einflussreichen Oligarchen arbeitete, der so viele Geschäftsinteressen hatte. Sie konnte gar nicht mehr zählen, wie oft sie während eines Essens mit Freunden Anrufe von ihm entgegennehmen musste oder im Kino die Hälfte des Films verpasste, weil er aus Russland eingetroffen war und sie brauchte.

Und dieses Gefühl, gebraucht zu werden, gefiel ihr, genauso wie die Tatsache, dass ein so einflussreicher Mann auf sie, die unscheinbare, gewöhnliche Erin Turner, hörte. Vielleicht war ihr Ego doch größer, als sie vermutet hatte. Und vielleicht entwickelte sie genau deswegen Gefühle für ihn, obwohl sie sich zunehmend seines zwiespältigen Lebenswandels bewusst wurde. Er spielte, trank, feierte die Nächte durch und hatte unzählige Frauengeschichten.

Entsetzt verfolgte sie mit, wie er die Rolle des wilden Oligarchen spielte, als müsste er anderen und sich selbst etwas beweisen. Er charterte Luxusjachten und Privatjets, verkehrte mit den Reichen und Schönen und war immer von irgendwelchen Supermodels und zweifelhaften Typen umgeben. Seine Exzesse waren legendär. Er lebte auf der Überholspur, und sein Leben schien immer mehr außer Kontrolle zu geraten. Selbst Loukas Sarantos, sein Bodyguard und Vertrauter, hatte irgendwann resigniert und gekündigt.

Waren es ihre wachsenden Gefühle Dimitri gegenüber gewesen, die sie bewogen hatten, irgendwann auf ihn aufzupassen? Und besorgt an jenem dunklen, regnerischen Abend mit einem Stapel Unterlagen zu seinem Apartment zu fahren, weil er nicht ans Telefon gegangen war und sie das Schlimmste befürchtet hatte?

Mit zittriger Hand hatte sie auf die Klingel gedrückt und am ganzen Körper zu beben begonnen, als er ihr die Tür öffnete – nur mit einem Handtuch um die Hüften und der gebräunte Oberkörper noch nass vom Duschen. Vor Erleichterung, ihn zu sehen, war sie zuerst sprachlos, bis ihr bewusst wurde, dass er halb nackt und mit finsterer Miene vor ihr stand.

„Ja, was ist, Erin?“, fragte er ungeduldig.

Ihr Herz raste. „Ich … habe einige Unterlagen dabei, die Sie unterzeichnen müssen.“

Stirnrunzelnd ging er ins Esszimmer und bedeutete ihr, ihm zu folgen. „Hätte das nicht bis morgen warten können?“

Krampfhaft versuchte sie, ihm ins Gesicht zu sehen, während sie die Unterlagen auf den Tisch legte. „Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht.“

„Und warum?“

„Weil Sie meine Anrufe nicht entgegengenommen haben.“

„Und?“

Seine Nähe und seine Körperwärme machten sie schrecklich nervös. Eigentlich hatte sie ihm sagen wollen, sie wünschte, er würde nicht stets in solch gefährlichen Kreisen verkehren, dann bräuchte sie sich auch keine Sorgen zu machen. Doch in diesem Moment konnte Erin nur daran denken, wie gefährlich es nun für sie war, mit ihm allein zu sein.

Sie fragte sich, ob Dimitri ihr ansah, welche Empfindungen er in ihr weckte. Nervös befeuchtete sie sich die Lippen, woraufhin er sich merklich verspannte. Schließlich nickte er und lächelte anzüglich.

„Ah, verstehe. Und ich dachte immer, Sie wären die einzige Frau, die gegen meine Reize immun ist, Erin.“

Er gab ihr nicht einmal die Chance, etwas zu kontern, denn im nächsten Moment lachte er leise und zog sie an sich, um seine Lippen fordernd auf ihre zu pressen. Und sie schmolz sofort dahin, denn noch nie hatte jemand sie so geküsst. Schon nach wenigen Sekunden war sie derart erregt, dass sie kaum wahrnahm, wie sein Handtuch hinunterrutschte. Erst als sie die Hand über seinen Rücken gleiten ließ und seinen festen Po spürte, öffnete sie erschrocken die Augen und sah ihn an.

„Und, schockiert?“, erkundigte er sich lässig.

„N…nein.“

„Ich glaube, du willst mich“, sagte er rau, während er ihre Kostümjacke aufzuknöpfen begann. „Willst du mich, zvezda moya?“

Natürlich wollte sie ihn.

Erin seufzte sehnsüchtig, bevor er ihr ungeduldig die Jacke abstreifte und dann den Reißverschluss ihres Rocks öffnete, sodass dieser zu Boden glitt. Sie dachte, Dimitri würde sie in sein Schlafzimmer tragen, so wie er es oft in ihren geheimen Fantasien getan hatte. Stattdessen legte er sie auf den großen Esstisch – und danach ging alles sehr schnell. Ungeduldig streifte er ihr den Slip ab, und schockiert gestand sie sich ein, wie sehr es ihr gefiel, während sie sich ihm sehnsüchtig entgegendrängte. Benommen nahm sie wahr, wie er sich ein Kondom überstreifte und eine Bemerkung darüber machte, dass sie ihn unglaublich erregte. Im nächsten Moment drang er tief in sie ein, und dieses Mal war es kein Traum oder keine Fantasie, sondern es passierte wirklich.

Sie war noch Jungfrau gewesen, aber er verlor genauso wenig ein Wort darüber wie sie. Erin war sich nicht einmal sicher, ob Dimitri es gemerkt hatte. Und es hatte auch nicht so wehgetan, wie sie befürchtet hatte, vielleicht weil sie ihn so begehrte. Sie wusste nur, dass er sich in ihrer Gegenwart noch nie so hatte gehen lassen.

Noch ganz deutlich erinnerte sie sich daran, wie er in sie eingedrungen war – als wollte er sich tief in ihr verlieren. Und hatte sie nicht genauso empfunden? Als hätte sie immer nur auf diesen Moment hingelebt. Erin wusste noch, wie sie vor Lust heftig erschauert war und kurz nacheinander zweimal einen ekstatischen Höhepunkt erreicht hatte. Und Dimitri hatte leise und triumphierend gelacht.

„Ja, wir haben die Nacht miteinander verbracht“, beendete Dimitri ungeduldig ihren Satz, und Erin blinzelte, als sie unvermittelt in die Gegenwart zurückkehrte. Dann begann er, auf und ab zu gehen. „Wir hatten Sex, und das hätte nie passieren dürfen“, fuhr er schroff fort. „Ich dachte, wir wären beide zu dem Ergebnis gekommen, dass es ein Fehler war.“

Erin nickte. Das hatte er am Morgen danach auch gesagt, und ihr war keine andere Wahl geblieben, als zuzustimmen. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Sich an ihn klammern und ihn anflehen, zu bleiben und das Ganze zu wiederholen? Ihm sagen, dass sie für ihn sorgen und ihn retten wollte? Sie erinnerte sich, wie die Bettdecke hinuntergerutscht war und ihre Brüste entblößt hatte und wie seine Miene ernst geworden war. Abrupt war er aufgestanden, als hätte er es nicht erwarten können, von ihr wegzukommen. Und mit seinen letzten Worten hatte er ihr endgültig die Hoffnung genommen, dass es noch einmal passieren könnte. „Ich bin nicht der Mann, den du brauchst, Erin“, hatte er erklärt. „Such dir einen netten Typen, einen Mann, der dich so behandelt, wie du es verdient hast.“

Danach war sie nur noch darauf bedacht gewesen, das Gesicht zu wahren, vor allem als er am nächsten Tag das Land verließ und sich in den nächsten Wochen bei seinen Telefonaten und in seinen Mails auf das Nötigste beschränkte.

„Und wir haben ein Kondom benutzt“, fuhr er fort und runzelte die Stirn. „Das tue ich immer.“

Offenbar wollte er ihr damit vor Augen führen, dass sie nur eine von vielen war. Nervös rang Erin die Hände. „Das weiß ich.“

„Ich habe nie ein Kind gewollt“, fügte Dimitri bitter hinzu.

Das wusste sie auch, denn er hatte nie ein Geheimnis aus seiner Einstellung gegenüber Ehe und Kindern gemacht. Darüber, dass er die Ehe nur als teure Zeitverschwendung betrachtete und manche Menschen sich nicht als Eltern eignen würden. Hatte sie deswegen Angst davor gehabt, ihm von der Schwangerschaft zu erzählen? Weil sie fürchtete, er könnte sie zu einem Abbruch drängen? Sie war zu seinem Apartment gefahren, krank vor Angst bei der Vorstellung, ihm die Nachricht zu überbringen – und was sie dort vorgefunden hatte, hatte sie für immer in die Flucht geschlagen …

Doch seine missbilligenden Worte rührten nun an ihren Mutterinstinkt. Sie dachte an Leos unschuldiges zartes Gesicht – und verspürte plötzlich eine ungeahnte innere Stärke. „Dann tu einfach so, als hättest du kein Kind“, entgegnete sie heftig. „Tu so, als hätte sich nichts geändert, denn ich will dir nichts aufzwingen. Du kannst gehen und vergessen, dass du von dem Kind erfahren hast. Leo und ich kommen bestens allein klar.“

Nun flackerte so etwas wie Freude in seinen eisblauen Augen auf, und ihr fiel ein, dass er Meinungsverschiedenheiten mochte. Denn diese bedeuteten Kampf, und Dimitri Makarov gewannen alle Kämpfe, die er ausfocht.

„Aha. Und warum finde ich dich dann im Standesamt? In einem billigen Brautkleid, im Begriff das Gesetz zu brechen?“ Als sie nicht antwortete, hakte er nach: „Warum, Erin?“

„Ich hatte meine Gründe.“

„Nenn sie mir.“

Erin zögerte, bevor sie antwortete. „Leo und ich wohnen bei meiner Schwester. Sie besitzt ein Café in Bow.“

„Das weiß ich.“

„Und woher?“, fragte sie schockiert.

„Ich habe Nachforschungen über dich anstellen lassen.“

„Du hast was? Warum?“ Ihre Stimme bebte. „Warum tust du so etwas?“

„Wegen des Kindes natürlich.“ Dimitri kniff die Augen zusammen. „Warum sonst?“

„Und wie hast du von Leo erfahren?“

„Das ist unwichtig“, erwiderte er scharf. „Finde dich einfach damit ab, dass ich es weiß. So, wo waren wir stehen geblieben?“

Frustriert sah Erin ihn an. „Leo geht auf eine Grundschule in der Nähe und ist ein guter Schüler, aber …“

„Aber was?“, hakte er schroff nach.

„Er ist gut in Sport, und in unserer Wohngegend gibt es einfach nicht so viele Möglichkeiten. Der nächste Park ist nur mit dem Bus zu erreichen, und Tara und ich haben im Café oft so viel zu tun, dass wir nicht mit ihm hinfahren können. Erinnerst du dich noch an Tara, meine Schwester?“

„Ja, ich erinnere mich“, erwiderte er angespannt.

Erin atmete tief durch und hoffte, seine Züge würden weicher werden und Verständnis zeigen, aber das war nicht der Fall. Und plötzlich wollte sie Dimitri begreiflich machen, dass sie gute Gründe für die Scheinehe gehabt hatte. „Chico kommt aus einer reichen brasilianischen Familie und möchte in England bleiben. Er hat mir eine hohe Summe geboten, um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Mit dem Geld wollte ich mir ein kleines Haus auf dem Land kaufen, mit einem Garten, in dem Leo Fußball spielen kann und viel an der frischen Luft ist. Ich … wollte, dass er dort aufwächst.“

Noch immer spiegelte seine Miene keine Emotionen wider, als Dimitri zu dem großen Kamin ging und auf einen Knopf daneben drückte. Kurz darauf erschien eine junge Frau – eine schöne kühle Blondine. Natürlich war sie blond, all seine Verflossenen waren das gewesen. Sie trug einen fransigen Bob, und ihre hohen Wangenknochen verrieten ihre slawischen Wurzeln. Daher überraschte es Erin nicht, als Dimitri Russisch mit ihr sprach. Nachdem sie Erin flüchtig angeblickt hatte, nickte die Frau und verließ wieder den Raum.

Dimitri schwieg weiter, und das machte Erin mehr Angst, als weitere wütende Fragen es vermocht hätten. Würde sie ihm je begreiflich machen können, dass sie nur versucht hatte, im Interesse aller Beteiligten zu handeln?

Sie war überrascht, als die Blondine wenige Minuten später zurückkehrte, eine Jeans und einen Kaschmirpullover über dem Arm. Dann legte sie beides auf den Tisch vor ihr und lächelte.

„Ich glaube, die passen Ihnen“, sagte sie mit einem starken russischen Akzent. „Aber wenn die Jeans doch zu groß sind, kann ich Ihnen einen Gürtel geben.“

Spasiba, Sofia“, sagte Dimitri schroff und blickte ihr hinterher, als sie den Raum verließ.

Starr betrachtete Erin die Sachen. „Was soll ich damit?“

„Wonach sieht es denn aus? Sofia leiht dir einige von ihren Sachen. Zieh sie an, ich bringe dich nach Hause. Eine Frau, die im Brautkleid mein Penthouse verlässt, erregt Aufsehen, und in letzter Zeit meide ich die Presse, so gut es geht.“

Sie kniff die Augen zusammen. Hatte es deswegen in letzter Zeit keine der obligatorischen Schnappschüsse von ihm nach einer Zechtour mit einer spärlich bekleideten Frau im Arm gegeben? Hielt er seinen Lebenswandel jetzt geheim?

Am liebsten hätte sie sich geweigert, diese Sachen anzuziehen, doch sie fror inzwischen und begann zu zittern. „Okay, ich ziehe die Jeans an“, brachte sie hervor. „Aber du brauchst mich nicht nach Hause zu bringen. Ich nehme den Bus.“

„Ich glaube, du erfasst die Situation nicht ganz, Erin“, erklärte Dimitri kühl. „Es sei denn, du kokettierst mit mir, weil du glaubst, ich könnte Mitleid mit dir haben und dich gehen lassen. Denn das wird nicht passieren.“ Seine blauen Augen funkelten kalt. „Ich bringe dich nach Hause, damit ich meinen Sohn kennenlernen kann.“

3. KAPITEL

„Das kannst du nicht tun“, erklärte Erin nachdrücklich, als sie schließlich doch im Wagen saß, und wandte sich zu Dimitri um, der mit versteinerter Miene neben ihr im Fond saß. Sofias Designerjeans waren ihr tatsächlich zu weit, aber der hellblaue Kaschmirpullover saß perfekt, und nun, da sie nicht mehr fror, fühlte sie sich selbstsicherer.

Noch ein letztes Mal versuchte sie, an sein Gewissen zu appellieren, obwohl sie in ihrem tiefsten Inneren wusste, dass er keins hatte. „Du kannst nicht einfach aus heiterem Himmel auftauchen und einem sechsjährigen Jungen erzählen, dass du sein verschollener Vater bist.“

Autor

Sharon Kendrick
<p>Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
Mehr erfahren